1911 / 20 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Jan 1911 18:00:01 GMT) scan diff

inzelne Winzer vor der Verarmung oder dem Untergang zu be⸗ n. 2 . Weinbaugebiete. Der Grund und Boden ist um 66 oss in den letzten 12 Notjahren im Werte gesunken. Darunter haben auch die übrigen Erwerbestände, Kaufleute, Hand⸗ werker usw. schwer gelitten. Deshalb möchte ich die Regierung bitten, sich der armen Winzer nach ften anzunchmen.

Hierauf nimmt zur Beantwortung der Interpellation das Wort der

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ich möchte bei Beantwortung der Interpellation des Herrn Abg. Wallenborn mit der Erklärung nicht zurückhalten, daß auch die Königliche Staatsregierung die schwierige Lage durchaus nicht verkennt, in welche die schlechten Ernten der letzten Jahre und das vermehrte Auftreten der Rebenschädlinge einen großen Teil der Winzer gebracht haben; sie wird sich der Aufgabe nicht entziehen, Mittel und Wege mit Ihnen zu beraten, wie diesen gegenwärtigen Miß⸗, ich kann vielleicht auch sagen Notständen abgeholfen werden kann. . .

Ich möchte dem Herrn Vorredner in seiner poetischen Schilderung des Weinbaues und seiner Mühen und Sorgen nicht weiter folgen, sondern mich auf einen etwas mehr realen Boden stellen und in Kürie die beiden Punkte besprechen, welche den Gegenstand der Interpellation bilden, das ist einmal die Frage der energischen Bekãmpfung der Rebenschädlinge, und dann die Frage der Beseitigung der sogenannten Winzernot. .

Was die Bekämpfung der Rebenschädlinge anbetrifft, so scheidet aus unserer heutigen Beratung wohl jedenfalls der gefahrlichste Schädling des Weinbaues, die Reblaus, aus, weil deren Bekämpfung bereits reichsgesetzlich geregelt ist und sich in einer Weise vollzieht, die zwar unter Umständen auch für den Winzer manche Unannehmlichkeiten und Nachteile zur Folge hat, die aber und ich lege Wert darauf das an dieser Stelle zu betonen nach ihren bisherigen Erfolgen die weitere Aus. breitung dieses Schädlings voraussichtlich verhindern wird. (Sehr richtig) Ich möchte auch nicht näher eingehen auf Oidium und peronospera, diese beiden Pilzarten, die schon seit einer Reibe von Jabren die Hoffnung mancher Winzer zerstört haben, gegen die aber in der Schwefelbestäubung und in der Bordelaiser Brühe zei Mittel gefunden worden sind, die bei richtiger und zeitgemäßer Anwendung und vor allem dann, wenn sich die Allgemeinheit der Winzer daran beteiligt, ebenfalls eine erfolgreiche Bekämpfung gewährleisten.

Schwieriger liegt die Sache bei dem Heu⸗ und Sauerwurm. Wir baben neben diesem Heu- und Sauerwurm ja nech einen anderen Wurmschädling, den Traubenwickler, den Springwurm, der aber des⸗ wegen leichter zu bekämpfen ist, weil er einmal durch die zusammen⸗ gerafften Blätter, in denen er sich verpuppt, leicht aufzufinden ist, und dann auch, weil er im Gegensatz zum Heu- und Sauerwurm nur eine Generation hat. Den Herren, die mit der Biologie des Heu- und Sauerwurms nicht näher bekannt sind, darf ich vielleicht vit wenigen Worten seine Lebens- und Existenzbedingungen schildern.

Der Heu⸗ und Sauerwurm fängt mit der Winterpuppe an, aus der sich im Frühjabr einige Zeit, bevor sich die Gescheine im Wein berge bilden, die Motte entwickelt Die Motte legt ihre Eier in die Gescheine, und aus den Eiern entwickeln sich die kleinen Würmer, die gerade in dem Augenblicke das Geschein zeistören, in welchem die Blätenknospen sich gebildet haben. Dieser Wurm verpuprt sich wieder, es entsteht wiederum eine Motte. Auch diese Motte legt wieder ibre Eier, und in der zweiten Generation eischeint der alte Heuwurm in den Beeren, die in den Wein gehen, als Saueiwurm wieder. Diese Beeren bezeichnet man als sauerfaul, und sie sind zur Weingewinnung natũr lich unbrauchbar.

Die Vermehrung dieses Schädlings ist ungeheuer. Leider ist es bis beute nicht gelungen, ein Mittel zur Bekämpfung zu finden, von dem man eine einigermaßen genügende Vernichtung dieses Schädlings mit Sicherheit erwarten kann. Die Bekämpfung des Heu⸗ und Sauerwurms bat sich zunächst auf mechonische Mittel beschränkt. Man bat im Winter das ist die segenannte Winterbekämpfung die Stöcke abgerieben, die Weinbergepfäble mit Bürsten und mit anderen Hilfsmitteln gereinigt, um die Puppe zu vernichten und damit

die Entstehung der Motte und des Wurmes zu veihindern.

Diese Bekämpfung bat zweifellos Erfelge gehabt; sie hat aber auch ibre Mängel, vor allen Dingen den, daß der Heu⸗ und Sauerwurm sich nicht allein im Weinberge, sondern auch

außerhalb zu verpupren pflegt, daß infolgedessen auch dort, wo im Weinberge selbst die Purpen einigermaßen ver⸗ nichtet sind, aus der Umgebung des Weinberges, besondeis aus den in der Nähe vielfach befindlichen Lohhecken, vielfach wieder Motten des ĩ zufliegen. Außerdem trifft bei dieser Be⸗ kämrfung das zu, was auch bei den sonstigen mechanischen Be—⸗ kämrfeng' mitteln in der Haurtsache in Betracht kommt: sie ist nur dann wirksam, wenn sie nicht von einzelnen, sondern von allen Wein⸗ bergebesitzern ausgeführt wird; denn sonst wird der eine Besitzer, der mit seinem Geid, mit seiner Albeit und mit großer Mühe seinen Weinberg gereinigt hat, von den Motten aus dem Weinberge des Nachbarn heimgesucht, die dieser zu vernichten unterlassen hat.

Für die Sommerbelämpfung kommt in erster Linie der Fang

des Weinberges

. und Sauerwurms

der Metten mit Klebefächern in Betracht. Er ist seit einer Reihe von Jahren insbesondere ist er auf dem berühmten slskalischen Weinberg „Steinberg“ seit Jahren ausgesührt worden, wie auch in vielen Bezirken der Mosel. Er hat zweifellos, besonders da, wo der Mottenfang allgemein geworden ist, der weiteren Ausbreitung des Schädlingw entgegenwirkt. In den letzten Jahren ist dem Mottenfang noch der Veisuch gemacht worden, durch Aufhängen von effenen Flaschen und auch alten Renservenbüchsen, die mit einer etwas gärenden Flüssigkeit, z. B. Bier, Zuckemmasser und ähnlichen Stoffen gefüllt sind, Lie Motten kerarzi Reben, und es scheint, daß auf diese Welse eine große Anzahl Notten gefangen werden kann. Diese Versuche werden jedenfalls fortgesetzt und vermehrt werden müssen. Denn wenn sie erfolgreich wären, dann würde diese Art der Bekämpfung zweisellos auch dem Mottenfange vorzuziehen sein, schon deswegen, weil das Aufhängen der Flaschen leicht zu beweilstelligen ist und die Beschädigungen, die durch das Betreten der Weinberge beim Motten fang an den Reb— stöcken entst⸗hen können, vermeidet. ((Sehr richtig!)

Man bat auch seit längeren Jahren mittels Lamxen des Nachts die Motten ju fangen Cesucht. as ist, soviel mir bekannt, in letzter

. 7 7 2 J. 8 im Gebrauch;

. neben

Auch hier ist das Böse,

Erwartungen nicht entsprochen hat. daß in ganz hellen

daß die Nächte sehr verschieden sind, Nächten die Wirkung des Lichtes auf die Motten eine

geringere ist, und daß vor allen Dingen auch hier eine

Beteiligung der Allgemeinheit erforderlich ist, weil sonst

durch die in einem Weinberge angezündeten Lampen die Motten

aus den dunklen Weinbergen auch herangezogen werden,

und infolgedessen sehr leicht eine Eierablagerung in dem Weinberge

stattfindet, der gerade durch die Beleuchtung geschützt werden soll.

Es bleibt dann noch übrig das Ausbrechen der sauerfaulen Beeren, welches zweifellos als ein eifolgreiches Bekämpfungsmittel anzusehen ist (sehr richtig!, weil ja mit der Beere, in der sich der Wurm be— findet, der Wurm selbst entfernt und dadurch das Verpuppen des Wurmes und die Entstehung der neuen Generation im nächsten Früh⸗— jahr verhindert wird. (Sehr richtig) Aber diese Bekampfung hat für die kleinen Winzer die große Schwierigkeit, daß sie vielfach nicht in der Lage sind, in richtiger Weise die vem Sauerwurm befallenen Beeren herauszufinden, daß sie außerdem befürchten, den Ertrag ihrer Ernte erheblich herabzumindern, wenn sie zu viel Beeren entfernen, und infolgedessen ist es bisher nicht gelungen, das Ausbenren des Sauerwurms in weiteren Kreisen zu verbreiten. Bis jetzt haben es, soweit mir bekannt, in der Hauptsache nur die Großgrundbesitzer getan, und diese haben allerdings von dieser Arbeit im großen und ganzen auch Erfolge zu verzeichnen gehabt. (Sehr richtig!)

Ich will auf die Entfernung des Heuwurms aus den Gescheinen nicht näber eingehen; sie ist auch verschiedentlich versucht worden, aber es gehören sehr geschickte Hände dazu, um aus den Gescheinen den Wurm zu entfernen, ohne das ganze Gescheine bei dieser Gelegenheit zu vernichten.

Meine Herren, das sind die sogenannten mechanischen Hilfsmittel.

Man bat seit längeren Jahren auch auf andere Weise dem Heu und Sauerwurm beizukommen gesucht. Man hat die Ver⸗ mehrung seiner natürlichen Feinde ins Auge gefaßt, die Vermehrung der Vogelwelt, vor allen Dingen auch der Meisen, die Vermehrung der sogenannten Schlupfwespen, von denen es bekannt ist, daß sie sich ebenfalls mit der Vernichtung gerade dieses Schädlings befassen. Aber bei den ausgedehnten Weinbergen an der Mosel und auch am Rhein hat es große Schwierigkeiten, die Tierwelt in entsprechender Weise künstlich zu vermehren. Außerdem kommt in Betracht, daß gerade die Mittel, welche wir zur Bekämpfung des Oidiums und der Peronospora anwenden, die Bordelaiser Brühe und Schwesel nicht geeignet sind, der Tierwelt den Aufenthalt in den Weinbergen angenehm zu machen Solange wir nicht an die Stelle des Schwefels und der Bordelaiser Brühe etwas anderes setzen können, werden wir kaum imstande sein, dauernd auf eine Vermehrung der natürlichen Feinde des Heu⸗ und Sauerwurms mit entsprechendem Erfolge einzuwirken.

Die Versuche der Vernichtung des Heu⸗ und Sauerwurms durch verschiedene Gifte, durch Nikotin und durch Arsen können als ge— lungen auch nicht bezeichnet werden. Aus verschiedenen Bezirken kommt zwar die Nachricht, daß Nikotin sich als wirksam erwiesen hat; bezüglich des Arseng haben aber ziemlich eingehende Versuche ergeben, daß der Erfolg doch vielfach ausgeblieben ist. Außerdem hat die Verwendung von Giften das große Bedenken, daß sich giftige Be⸗ standtelle unter Umständen dem Stock und dem Wein mitteilen können, und man wird jedenfalls deren Anwendung erst dann ins Auge fassen können, wenn nach dieser Richtung hin durch einwandfreie Versuche feststeht, daß auf diesem Wege derartige Giftstoffe nicht in den Wein gelangen.

Sie sehen, meine Herren und deswegen habe ich diese etwas weit⸗ gehenden Ausführungen gemacht daß wir bezüglich der Bekämpfung des Heu, und Sauerwurmz im Gegensatz zur Bekämpfung anderer Reb⸗ schädlinge leider noch auf dem Standpunkt der Versuche uns befinden, und daß ein unbedingt wirksames Mittel gegen diesen Rebschädling noch nicht vorhanden ist. Das nötigt vor allem zu der weiteren Er— wägung, daß wit davon Abstand nehmen müssen, einen unmittelbaren Zwang im Wege von Polizeiverordnungen auf die Winzer zur An— wendurg der Bekämpfung mittel auszuüben. Mir ist zwar wohl— bekannt, daß in einzelnen Bezirken auch dahingehende Polizei⸗ verordnungen erlassen sind, und ich habe vom Standpunkte der land— wirtschaftlichen Verwaltung auch nichts dagegen einzuwenden, daß, wenn der Landrat mit dem Kreisausschuß oder der Bürgermeister mit seinen Eingesessenen darüber einig ist, auch ein solcher Zwang aus— geübt wird. Aber höheren Ortes auf derartige Zwangs maßregeln zu dringen, würde doch erst dann angängig eischeinen, wenn wir auch die Verantwortung dafür übernehmen können, daß unter allen Um⸗ ständen das durch die Polizeiverordnung angeordnete Mittel auch einen wirksamen und dauernden Erfolg verspricht. (Sehr richtig!)

Die landwirtschaftliche Verwaltung ist inzwischen, seitdem die ersten Klagen aus Winzerkreisen über das schlechte Ergebnis des letzten Weinjahres bekannt wurden, nicht müßig gewesen. Ich habe bereits Ende Dezember und Anfang Januar eingehende Verhandlungen in Koblenz und in Wiesbaden veranlaßt, an welchen auch zahlreiche Herren aus den in Betracht kommenden Weinbaugebieten teil⸗ genommen haben. Hierbei ist im wesentlichen beiüglich der weiteren Bekämpfung des Heu⸗ und Sauerwurmes ein Einvernehmen erzielt worden. Wir hoffen, daß schon im kommenden Monat das zu— nächst Mögliche und Erforderliche geleistet werden kann. (Bravo Sowohl in der Rheinprovinz we in der Previnz Hessen-Nassau hat sich die Provinzialverwaltung bereit erklärt, sich an den staatlichen Beibilfen für die weiteren Versuche zur Bekämpfung des Heu- und Sauerwurms zu beteiligen, und ebenso steht, wenigstens für die Rhein—⸗ provini, in sicherer Aussicht, daß auch die Kreise das ibnen an⸗

gesonnene Drittel zut Bekämpfung dieses Schädlings auf sich nehmen werden. (Bravo!)

Die Bekämpfung ist im übrigen in der Weise gedacht, daß nicht direkt den einzelnen Winjern eine Beihilfe gegeben werden soll (Abg. Wallenbern: Schr richtigh, sondern die Vorautsetzung jeder staat— lichen und kommunalen Beihilfe soll darin bestehen, daß zunächst die Gemeinde oder ein sonstiger Kommunalverband es kann ja auch der Krels, vielleicht auch eine landwirischaftliche Lokalabteilung sein den Bekämpfungsdienst in ausreichender Weise organisiert. Ich habe die Absicht, dabei auch den Gemeinden anheimzugeben, ein Ortsstatut für die Bekämpfung zu entwerfen, und vor allen Dingen auch die Beteiligung der Weinbergebesitzer an den Arbeiten und Kosten zu regeln. Eine dahingehende Verfügung wird schon in den nächsten Tagen an den Oberpräsidenten in Hessen⸗Nassau und in Koblenz

Zeit wieder aufgegeben worden, weil der Eifolg der Arbeit und den

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hinausgehen. Eine Unterstützung der größeren Weingutebesitzer kann

natärlich nicht beabsichtigt werden.

ohne Beihilfe zu leisten haben.

Das, meine Herren, wollte ich über die Bekämpfung des Hen,

und Sauerwurms und sonstiger Rebschädlinge bemerken. Ich darf hinzufügen, daß die Mittel, welche der Staat für diesen Zweck jm Verfügung stellt, zunächst dem allgemeinen Fonds für landwirtschaft lich polizeiliche Zwecke, der einen Betrag von 425 eo A6 umfaßt, entnommen werden sollen. Der Herr Finanzminister hat sich bereitz mit einer Ueberschreitung dieses Fonds zum Zwecke der Be⸗ kämpfung des Heu- und Sauerwurms einverstanden erklãrt. ( Bravo)

Was die Winzernot angeht, so stimme ich dem Herrn Abg. Kuhn darin bei, daß es verkehrt sein würde, sie allein auf daß ver mehrte Auftreten der Rebschädlinge zurückzuführen. Sie ist vor allen Dingen veranlaßt worden durch den Preisrückgang, den der Wein, besonders der geringe Wein, im letzten Jahrzehnt vielfach erfahren hat, in erster Linie aber wohl durch die schlechten Weinjahre, die wir seit 1904 gehabt haben. Die Rebschädlinge würden auch nicht im, stande gewesen sein, soviel Unheil anzurichten, wenn wir frostreiche Winter und warme Sommer gehabt hätten; auch der Heu und Sauerwurm ist nicht in der Lage, seine schädliche Wirksamkeit aut

zuüben, wenn die Blüte sich in wenigen Tagen bei vollem Sonnen

schein und warmem Wetter vollziehen kann: er findet dann nicht die nötige Nahrung und die Zeit zur Entwicklung. Aber, es ist freilich nicht zu verkennen, daß auch das Auftreten der Rebschädlinge mit dazu beigetragen hat, die Lage der Winzer zu verschlechtern. Auch die sogenannten Weingroßbesitzer können ein Lied davon singen, was der Kampf gegen die Weinbergschädlinge kostet, und wenn diese es schon schmerzlich empfinden, im Jahre viele Tausende von Mark zur Bekämpfung ausgeben zu müssen, dann kann man sich denken, was es erst für den kleinen Winzer be= deutet, der unter Umständen nur 500 bis 600 4 für das Fuder Wen erntet und nahezu gleiche Beträge zur Bekämpfung der Rebschäd—= linge hat aufwenden müssen. (Sehr richtig.) ;

Die schlechte Lage des Weinbaues hat nun in einzelnen Gegenden bedauerlicherweise dazu geführt, daß die Winzer, um den nötigen Lebensunterhalt zu gewinnen, ihre Weinberge selbst vernachlässigt haben und anderfswo auf lohnende Arbelt gegangen sind. Das trffft insbesondere auf den Rheingau und auf Teile des Kreises St. Goars— hausen zu. In der Rheinprovinz hat es sich im ganzen weniger he, merkbar gemacht. Charakteristisch ist in dieser Beziehung die Tet— sache, daß bei der Bekämpfung des Heu und Sauerwurms im sigkr— lischen Steinberg die sämtlichen Arbeitskräfte einer zusammenhängenden Ortschaft in der Nähe verwendet werden mußten, und daß also in diesen Weinbergen gegen Tagelohn Leute gearbeitet haben, die von Standpunkte des Winzers aus zu Hause bleiben und in ihrem eigenen Weinberg ebenfalls die Schädling bekämpfung vornehmen mußten. Auf diese Weise werden aus selbständigen kleinen Landwirten wieder große Reihen von Lohnarbeitern, und das ist ein Zustand, der in allgemeinen staatlichen und wirtschaftlichen Interesse als wünschenz. wert gewiß nicht bezeichnet werden kann. (Sehr richtigh

Was nun die einzelnen Gegenden angeht, in denen sich die be—

drängte Lage der Winzer besonders geltend gemacht hat, so hat der Herr Abg. Kuhn ja bereits den Kreis Ahrweiler hervorgehoben. 6 hat aber auch dankend dabei anerkannt, daß gerade bezüglich diest Kreises eine größere Hilféaktion seit Jahren eingesetzt hat und daß wenn auch nicht auf allen Gebieten und mit allen Versuchen Er— folge erzielt sind, doch diese Hilfsaktion jedenfalls dazu beigetragen hat, den Mut und die Stimmung unter den Winzern wieder heben und ihnen den Glauben zu befesligen, daß auch den deutschen Rotweinbau noch ein weiteres Leben beschieden sein kann. Die Staatsregierung hat sich aber, mind ich glaube, in Uebereinstimmung mit vielen Interessenten der, Frage nicht entziehen können, ob noch überall da, wo jetzt Rotweinbau ke— trieben wird, ein solcher auch in Zukunft fortgesetzt werden kõnnte Es schweben augenblicklich nech Versuche, um festzustellen, ob nicht in einzelnen Weinbergen der Ahr auch weiße Trauben mit Erfolg wiede angebaut werden können. Auch der Uebergang jum Obstbau sst in Austsicht genommen, und es sind bereits Musteranlagen geschaffe⸗ deren Besichtigung ich nur jedem empfehlen kann, der sich füt dles Sache interessiert. Ich persönlich und das darf ich offen aus sprechen babe für den deutschen Rotweinbau nicht allzu resil Hoffnungen. Es kommt da viel zusammen: der Import sehr billige Rotweine aus dem Auslande, dann vor allen Dingen aber auch zi veränderte Geschmacksrichtung des Publikums, das heute im greß⸗ ind ganzen weiße Weine bevorzugt und keinen Rotwein mehr rin Meine Herren, das sind Dinge, gegen die auch staatliche Beihilfen nichts helfen können, und auch der Weinbauer muß sich sagen, dan, wenn sein Produkt dauernd keinen lohnenden Absatz mehr verspꝛilkt er eben dazu übergehen muß, sich einer anderen Kultur zuzuwenden.

Das hat ja nun unter Umständen und damit komme ich nici auf gewisse andere Gegenden des Rheins seine großen Schwiets keiten. Die Winzer sind in dieser Beziehung übel daran. Sie h le früher noch die ertragreiche Lohhecke. Der Absatz der Lohe ist, ne bekannt, ein so schlechter, daß man überall da, wo es aus führbar schien, bereits zu einer anderen Waldkultur übergegangen ist. Et richtig) Auch aus Lohhecken sind inzwischen wieder Weinberge e standen, und auch diese Weinberge veisprechen bei den schlecht Zeiten und den schlechten Ernten wiederum keinen Eitrag. )

Aber trotzdem wird bei weiterer Prüfung der Frage der Win em auch darüber in Erwägung eingetreten werden müssen, ob es sich * lohnt, in gewissen Bezirken den Weinbau weiter zu betreiben n dafür staatliche Hilfen aufzuwenden. Ich habe dabei besonder ig gelegene Gegenden am Rhein im Auge, wo auch die Reblaus te n schon ihre Verheerungen angerichtet hat, und wo nach Lage der Tir kaum ein erfolgreicher Weinbau dauernd betrieben werden kann. 9 hier wird geprüft werden müssen, wenn staatliche Beihilfen gegth werden, ob sie nicht eben dazu dienen müssen, die Bevölkerung, auch allmählich, zu einer anderen Kulturart überzuführen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Es wird vielmehr eine B.

̃ . ũ besitzer mit einen stimmung dahin getroffen werden müssen, daß Guts bestimmten Areal, etwa von mehr als 6000 oder S000 Stöcken oder mit einem bestimmten Jahreseinkommen, vielleicht von mehr al; 1800 oder 2400 , die erforderlichen Arbeiten in den Weinbergen

Zweite Beilage

zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

ö. 3 20.

.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Was die Rheinprovinz betrifft, so kommt außer Ahrweiler eigent⸗ lich nur noch der Kreis Neuwied und der Kreis St. Goar in Be⸗ tracht. In diesen beiden Kreisen ist nach den Berichten des Herrn Dberpräsidenten allerdings die Lage der Winzer eine rosige nicht zu nennen. Schlimmer als am Rhein liegen augenblicklich die Dinge im Rheingau. Der Landrat des Kreises Rüdesheim hat den Vor— schlag gemacht, aus Staatsmitteln allein für das kommende Jahr ur Bekämpfung der Rebschädlinge den Betrag von 350 000 S zur Berfügung zu stellen und außerdem noch 160 000 M zur Beseitigung des Notstandes einzelner Winzer zu geben. Für St. Goarshausen snd ebenfalls noch weitere 100 000 A6 angefordert. Der Herr Ober⸗ vräsident, der mir bereits sehr zeitig und lange, bevor eine Be⸗ sprechuung der Winzernot im Ageordnetenhause in Frage kam, seine Vorschläge gemacht hat, glaubt, daß er im Ganzen mit einer Summe von etwa 300 000 M auskommen könne.

Ich muß gegenüber diesen Anforderungen schon jetzt bemerken, daß beftimmte und genaue Unterlagen für die Notlage in einzelnen Freisen und Gemeinden heute noch gicht vorllegen. Ehe der Staat dajn übergehen kann, auch zur Beseitigung der Winzernot größere Summen zu bewilligen, werden auch Sie, meine Herren, mit uns die Frage zu prüfen haben, inwieweit in den einzelnen Bezirken eine der Staatshilfe bedürftige Notlage anerkannt werden kann. Es wird da erforderlich sein, auch die steuerlichen Verhälinisse zu prüfen und bor allen Dingen auch der Frage näherzutreten, ob wirklich schon eine entsprechende Gefährdung im Nahrungs⸗ und Erwerbsstande vorliegt. Das darf ich aber und ich glaube, mit Zustimmung des Herrn Finanzministers versichern: die Staatsregierung ist gern bereit, mit Ihnen in eine nähere Prüfung einzutreten, und wenn sich heraus— stellen sollte, daß ein Notstand vorhanden und nicht anders wie durch öffentliche Beihilfen zu beseitigen ist, dann wird auch die Staats regierung keinen Anstand nehmen, die zur Beseitigung des Notstandes erforderlichen Mittel flüssig zu machen. (Bravo!)

Auf Antrag des Abg. Cahensly (Zentr.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein, die zugleich auf die beiden Anträge erstreckt wird. ;

Den Antrag der Abgg. Bartling und Genossen begründet

Abg. Wolff⸗Biebrich (n.) unter besonderem Hinweis auf die äble Lage der Winzer in seinem Wahlkreis. Diese Lage sei um so schlimmer, als die Winzer auch unter hohen Steuern zu leiden hätten. Neben den Winzern hätten ferner diejenigen Gewerbe zu leiden, die von den Weinbauern abhängen.

Zur Begründung des Antrags der Abgg. Dr. von Woyna enossen erhält das Wort

Abg. Vor ter (frkons): Mein Fraktionsgenosse von Woyna ist zu seirem lebhaften Bedauern verhindert, seinen Antrag selbst zu be— gründen. Auch die Gegend des Siebengebirges befindet sich in einer Notlage. Es sind nicht allein die traurigen ent dnl, son dern vor allem auch die Rebschädlinge, die diese Notlage verursacht haben. Kein Gewerbe ist so mühselig, wie das der Winzer. Die Ertrãge aus dem Weinbau sind von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zurückgegangen. Mit der Bekämpfung der Rebschädlinge muß allseitig energisch vor— gegangen werden. Um diese Angelegenheit eingehender zu prüfen, be— antragen wir, die beiden Anträge einer Kommission von 21 Mit— gliedern zu überweisen. Unser Antrag unterscheidet sich von dem An— trag der Ab9gg. Bartling und Genossen nur darin, daß wir wünschen, daß die Regierung mit den Kommunalverbänden der Rheinprovinz und des Regierungsbezirks Wiesbaden sich in Verbindung setzen möge. Wir lind aber der Meinung, daß auch hier das Sprichwort gilk: Wer schnell gibt, gibt doppeft.

Abg. von Heim burg (kons.: Bei der Besprechung der Inter— vellation über die Winzernot im Reichstage hat der könfervative Abg. Dr. Roesicke den Standpunkt der konservativen Partei eingehend dar— gelegt und beantragt, den Fonds im Etat zur Bekämpfung der Reb⸗— schädlinge zu erhöhen. Denselben Standpunkt nehmen wir in diesem Dause ein. Wir stehen auf dem Standpunkt der Anträge, auch wir wollen, daß dafür gesorgt wird, daß der Winzerstand erhalten dleibt, daß das alte deutsche Lieblingslied: Nur am Rhein da will ö. leben, nur am Rhein . sein, wo die Berge tragen Reben und die Reben goldnen Wein“ noch weiter gesungen werden kann. Der Minister bat in dankenswerter Weise Mittel ur Bekämpfung des Heu- und Sauerwurms in Aussicht gestellt. Ich kann allerdings nur bestätigen, daß sehr große Mittel nötig sind, um den Heu- und Sauerwurm zu bekämpfen, und zwar einheitlich, daß nicht der eine oder andere Weinbergsbesitzer sich ausschließen ann. Die Gemeinden müssen gemeinsam vorgehen. Ich weiche hier von dem Minister ab und meine, wir müssen mit ,, , , n. vorgehen. Allerdings haben wir noch kein Mittei, das un edingt sicher wirkt. Die Hauptfache ist, daß die vorhandenen Mittel mat Vertrauen angewendet werden, und 'wenn eine Gemeinde . B. dem Spritzen ein anderes Mittel vorzieht, so muß das ge⸗ stattet werden. Auf diefe Weise wird es i sein, diese Schädlinge mit Erfolg zu bekämpfen. Ich babe vor drei Jahren beantragt, einen Preis auszusetzen für ein gutes Mittel. Hoffenklich werden' die Verfuche fortgesetzt. Aus⸗ reichende Mittel sind notwendig, und was gescheben muß, muß bald geschehen. Die Winterbekãmpfung * jetzt schon ein. Wird nicht bald geholfen, fo baben wir dieselbe Kalamität wie in den 2 Jahren. Ehe aber das Geld zur Bekämpfung des Heu— und Sauerwurms verwendet werden kann, müßten in denjenigen Hebieten, wo ein wirklicher Notstand existiert, erst die Winzer auf die Beine gestellt werden, damit sie . lehen können. Der zegründer der Interpellation des Zentrums hat gesagt, man könnte die Lage der Winzer gar nicht schwar; genug malen. Ich kann das nur bestätigen. Die Winzer stehen vor dem Moment, von Haus und Hof vertrieben zu werden. Man kann hier nicht von unab= vendbaren Naturereignissen sprechen. Die Winzer befinden sich auch infolge anderer ÜUmstände in einer Notlage. Es muß ihnen Geld geben werden, um überhaupt leben zu können, damkt sie es nicht tig haben, hinter verschlossenen Türen Kartoffeln mit Salz zu Nen. Deshalb sollte man nicht erst langwierige Ermittlungen an⸗ stellen, sondern die erforderlichen Mittel sofort flüssig machen. Wenn nen bald und energisch geholfen wird, dann werden sie wieder end igen Mutes werden und sich ihrem schönen Berufe widmen önnen.

Abg. Veltin (Zentr.). Die Notlage der Winzer an der Mosel ist den letzten Jahren bedeutend gestiegen, da wir von 1905 ab schlechte Grntejahre gehabt haben. Die Verbandskassen der Mittelmosel baben eit 19 Jahren eine Schuldenvermehrung von einer auf drei Millionen usjuweisen. Zu den schlechten Ernten kommt auch der schiechte

at, manche Winzer haben noch viele Jahrgänge zu liegen, ohne

und

Berlin, Montag den 23. Januar

mancher Winzer mehr Spritzbrühe verspritzt, als er Most bekommen hat. Der Schaden durch den Heu⸗ und Sauerwurm an der Mosel in den letzten Jahren ist vielleicht auf 109 Millionen zu berechnen. Die Staatsunterstützungen müßten an die Gemeinden und nicht direkt an die Winzer gegeben werden. Polizeilicher Zwang muß vermieden werden. Ich hoffe, daß aus der Kommissionsberatung ein ersprießliches Resultat herauskommen wird.

Abg. Engelsmann (nl): Durch die vollständigen Mißernten von 1906 bis 1909 und durch den Heu- und Sauerwurm ist ein solcher Notstand eingetreten, daß, wenn wir nicht den Heu- und Sauer— wurm in diesem Jahr mit Erfolg bekämpfen können, wir einer Katastrophe entgegengehen; so weit ist die Sache gediehen. Wir fordern in unserem Antrag in erster Linie Staatsmittel zur gemeinsamen Bekämpfung des Heu⸗ und Sauerwurms, und zwar schleunigst. Die anderen Schädlinge, Peronospora, Didium, kann jeder einzelne bekämpfen, wenn er Geld dazu hat und fleißig ist, aber gegen den Heu und Sauerwarm haben alle chemischen Mittei versagt., es bleibt nur die gemeinsame Bekämpfung, die fog. Winter— und Sommerbekämpfung übrig, und zwar in großen Diftrikten, womit schon im Kreise Kreuznach der Anfang gemacht ist. Wir haben in der Stadt Kreuznach und mehreren anderen Orten die gemeinsame Bekämpfung beschkossen, Kommissionen sind ernannt, die dafür sorgen, daß jeder die Bekämpfung macht. Die Kosten berechnet man pro Morgen für die Winterbekämpfung auf 60 bis 80 S6; wir hoffen, mit 40 oder 50 auszukommen, und die Sommerbekãmpfung wird ebensoviel kosten. Die ganze Bekämpfung im preußischen Weinbaugebiet wird also für den preußischen Morgen 80 bis 100 0 kosten; dazu ist ein großer Teil der Winzer nicht imstande, und auch die Arbeitskräfte sind nicht genügend vorhanden, und deshalb muß die Staatshilfe eingreifen. Die Staatshilfe muß aber so bemessen werden, daß die Bekämpfung so wirksam ist, daß wir keine Katastrophe zu erwarten haben. Unser Weingebiet im Westen um— faßt etwa 60 000 preußische Morgen; wenn etwa 30. bis 40 009 Morgen davon die gemeinsame Bekämpfung durchführen, fo wird der Staat etwa 1 bis 2 Millionen dafür aufzuwenden haben. An die Provinzen, Kreise und Gemeinden kann man nicht denken, es muß vem Staate dieses Notstandes halber eine Summe von 1 bis 2 Millionen verwendet werden. Als alter Praktiker muß ich sagen, daß es sich wirklich um einen riesigen Notstand handelt. Ich wiederhole: Wenn Mutter Natur uns 1911 nicht hilft, wie sie 1811 geholfen hat, dann gehen wir einer Katastrophe entgegen. In den 5er bis 80er Jahren kannte man nur zwei Generationen des Heu⸗ und Sauerwurms; jetzt haben wir drei, vier, fünf Gene rationen. Daher die kolossale Verheerung. Hätten wir eine gute Blüte gehabt, so wäre das nicht eingetreten, aber leider hatten wir vom 22. bis 30. Juni sehr schlechtes Wetter. Wir dürfen eben nicht mehr alles der Natur überlassen, sondern wir sind auf dem . angekommen, wo es heißt: Vogel friß oder stirb! Mit leinen Mitteln ist nicht mehr zu helfen, ein paar hunderttausend Mark vom Staate, ein paar hunderttausend Mark von den Gemeinden, was soll man damit machen? Ich habe Ihnen ja die Berechnung aufgestellt. Die französische Regierung hat für die eine Miß— ernte dieses Jahres 1910 schon fünf Millionen hergegeben, der bayerische Staat gab den Pfäljern schon als Weihnachtsgeschenk 300 000 M und wird ihnen wahrscheinlich noch ein Oster⸗ und ein Pfingstgeschenk machen; da muß doch der preußische Staat endlich auch vorgehen und seinen Winzern helfen. Der Minister sagt, selbst⸗ verständlich könnten nur solche Winzer beräcksichtigt werden, die unter 6 = 80090 Stöcke hätten. Das hat gar feinen Wert. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß alle Winzer, ausgenommen die ganz reichen Leute, also die meisten, gleichviel ob sie 20 oder 57 Morgen haben, in der gleichen Notlage sind. Es könnte nur in der Form gemacht werden, daß man nach der Fläche den Gemeinden sonndsoviel gibt; wer es nicht braucht, kann es ja der Kommission zurückgeben. Der Rheingau, bisher einer der schönsten Bezirke des deutschen Reiches, muß durch eine wirksame Bekämpfung des Schädlings schleunigst unterstützt werden, damit er wieder auf die Beine kommt. Wären 1909 und 1910 zwei gute Weinjahre oder auch nur zwei Mitteljahre gewesen, so wäre ein ganz großer Teil des Winzerstandes dort wieder aufgekommen. Wir haben ja auch Gemeinden, welche diesmal mehr Geld eingenommen haben als je, weil sie zufällig keinen Heu⸗ und Sauerwurm hatten, weil die Ernte reich war und die Preise höher als seit 10 bis 15 Jabren waren; aber das sind Dasen in der Wüste. Ich bitte die einzusetzende Kommission nochmals, alles aufzubieten, damit etwas zustande kommt, was die Winzer wieder auf die Strümpfe bringt. Wenn dazu 1] bis ? Millionen gegeben werden, und ein klein wenig auch die Natur dazu hilft, so wäre die Bratwurst nach dem Schinken geworfen. Wenn der Wurm vernichtet wird, und wir wieder ein gutes Jabr bekommen, werden alle auch wieder steuerfähig werden und auf die Beine kommen.

Abg. Dr. Crüger (fortschr. Volksp.): Die heutige Erklärung des Ministers geht erbeblich weiter als die früherer Minister in ähnlichen Fällen, aber was er in Aussicht gestellt hat, entspricht doch wohl noch lange nicht dem außerordentlich großen Notstand, der tatsächlich bei unseren Winzern besteht, und ich fürchte, wenn sich die Regierung darauf beschränken will, daß sie dann das Geld einfach zum Fenster hinauswirft. Man muß entweder ganze Arbeit machen, oder es wird gar keine Arbeit verrichtet; mit kleinen und balben Mitteln wird nichts erreicht. Wenn die Gemeinden zu einem Drittel zu den Kosten herangezogen werden sollen, dann hat die Regierung sich über den wahren bestebenden Notstand noch gar keine richtige

Vorstellung gemacht, denn die Gemeinden befinden sich infolge des Notstandes ibrer Bürger genau in dem gleichen Notstande wie diese. Im Jahre 1905 hat die Regierung den Wunsch, 109 000 * zur

Erforschung der Biologie des Heu⸗ und Sauerwurmes zu bewilligen, ab⸗ elehnt: beute will man einige hunderttausend Mark zur Verfügung stellen. are schon damals eingegriffen worden, der Notstand hätte wobl die jetzige Dimension nicht angenommen und die Winzer wären doch so weit beruhigt gewesen, daß sie sich sagen mußten, es ist von Staats wegen geschehen, was getan werden konnte. Man hat sich darauf beschränkt, einen allerdings sehr hervorragenden Sachverständigen nach Geisenheim zu schicken, ibm aber da so viele Nebenarbeiten aufgebürdet, daß ihm für die Hauptarbeit, für die Er— forschung, keine Zeit mehr zur Verfügung stand. Jetzt wird der Betreffende abberufen und zu anderen Arbeiten in andere Gebiete esandt, und die Arbeit, die bier im Rheingau brennend ist, bleibt liegen, während doch hier die erste Autorität gerade gut genug für die gestellte Aufgabe war. Dem Abg. Engelsmann ist darin nur beizustimmen, daß von der zweckmäßigen . einer all⸗ gemeinen r, , . schon deswegen nicht die Rede sein kann, weil man bei einem Einkommen von 1800 bis 2400 4 die Unterstützungsbedürftigkeit des Winzers bereits verneint. Nur durch Zusammenfassen aller Beteiligten kann etwas erreicht werden. Man hat ja . die Absicht, die Sache kreisweise zu regeln, aber wenn der Minister selbst nicht eingreifen will, sondern das Eingreifen den Kreisen überlassen werden soll, so entstebt die Gefahr, daß ein Kreis statutarisch die nötigen Maßregeln ergreift, der andere aber vielleicht nicht so weit geht, und so wieder bloß balbe Arbeit geschiebt. Nach meinen Informationen ist die Mutlosigkeit bei den Winzern schon so groß, 1 ohne eine energische Anregung von außen nicht darauf zu rechnen ist, daß sie sich untereinander über die Abwebr ver—

e verkaufen zu könnnen. An der Mosel ist keine einzige Verurteilung vegen Weinverfälschung vorgekommen. Gegen die Peronospora hat

ständigen. Wie groß die Not in den beteiligten Kreisen schon ist. ewe ein aus der Zeit von Ende November 1910 stammender Artikel der

18421.

Zeitung‘, in dem es heißt, daß in zahlreichen Weinbau treibenden Gemeinden die Winzer schon eit Jahrzehnten um ihre Existenz ringen, und daß auch das Weinbaugebiet des Mittelrheins ganz ernstlich bedroht sei. Da wundere ich mich doch einigermaßen, daß der Minister heute noch behauptet, es müsse erft das Vorhanden“ sein einer Notlage geprüft und nachgewiesen werden. Ich werde ihm Material unterbreiten, aus dem sich ergibt, daß es solcher Prüfung durchaus nicht mehr bedarf, daß die Notlage vollauf erwöesen ist. Um die richtigen Bekämpfungsmittel ausfindig zu machen, ist eine Erforschung der Schädlinge notwendig. Meines Wissens hat sich der Minister nicht darüber geäußert, wie sich die Staatsregierung zu dieser Frage stellt. Mir ist Material aus Rüdesheim zugegangen. Nachdem wir gestern die Landräte getadelt haben, stehe ich nicht an, heute dem Landrat von Rüdesheim Anerkennung auszusprechen. Es ist ihm ein großes Verdienst in der Leitung der erforderlichen Maß⸗ nahmen zuzusprechen. Ich stelle das um so lieber fest, als gerade gegen ihn vor zwei Jahren von Zentrumsseite schwere Angriffe gerichtet worden sind. Der Landrat haf die Burgermeistereien zur gut⸗ achtlichen Aeußerung aufgefordert. Nach dem Bericht des Bürger⸗

meisters von Rüdesheim sind Untersuchungen angestellt, die sich auf, 30 Jahre zurückerstrecken. Die letzten 20 Jahre sind die

schlimmsten. Innerhalb von 13 Jahren waren 10 Mißjahre. Nach dem Bericht sind die Arbeiter, die kleinen Handwerker ꝛc. so in Ihren Erwerbsverhältnissen geschädigt, daß sie in den Fabriken der Nach⸗ barschaft und des Rheingaues Arbeit annehmen mußten. Güter versteigerungen verlaufen obne Angebot. Jede Möglichkeit, Geld zu beschaffen, hört auf, kein Gläubiger wagt, eine Zwangs vollstreckung zum Vollzug zu bringen weil er in den meisten Fällen leer ausgeht, Man steht vor einem allgemeinen Zusammenbruch. Dies betrifft wie ich dem Minister besonders vorhalten möchte nicht nur kleine Leute, sondern auch solche von gutem und besserem Mittelstand. Ueber den , ,,. könnte ich den beigebrachten Beiträgen zu— fügen: die Rute die vor wenigen Jahren noch 169 * brachte, bringt beute 20 . Meine Freunde stehen wirklich nicht im Verdacht, vor⸗ eilig nach dem Staate zu rufen. Hier aber ist die Selbfthilfe erschöpft. Wir müssen an die Hilfe des Staates appelsteren, die nicht mit kleinen Mitteln geleistet werden kann. Nur ganze Arbeit kann nützen.

Minister Schorlemer:

Meine Herren! Ich möchte zunächst das, was ich vorbin bezũglich der Lage des Rotweinbaues gesagt habe, auf einen zu mir geäußerten Wunsch dahin richtigstellen, daß ich keineswegs die Ansicht ausge⸗ sprochen habe, daß dem deutschen Rotweinbau und besonders dem Rotweinbau an der Ahr die staatliche Fürsorge entzogen werden solle, die ihm bisher zuteil geworden ist. (Bravo! Ich bin der Ansicht, daß wir nach wie vor die Verpflichtung haben, auch diesen Teil des Weinbaues und die fleißigen und braven Winzer an der Abr zu unter— stützen und zu fördern. (Bravo!

Aber auf der anderen Seite mußte ich doch davor warnen, sich einem allzu großen Optimismus binzugeben und zu glauben, daß die Regierung, auch wenn sie wollte, unter allen Umständen in der Lage wäre, den Rotweinbau auf der bisherigen Höbe zu erhalten bezw. wieder ju einem steigenden Ertrage zu bringen. Ich babe darauf hingewiesen, daß es Umstände gibt. die außerhalb der Macht der Staatsregierung liegen. Das ist einmal der Geschmack des Publikums, und das ist die Tatsache, daß gerade die Veredelung aus amerikaniichen Reben infolge der Reblaus, vor allen Dingen in Frankreich, die Vermehrung der Quantität zur Folge gehabt hat und infolgedessen einen Ueberschuß an Wein, der nach dem Aug— lande zu sebr billigen Preisen abgesetzt werden muß, zu Preisen, die auch trotz eines Eingangszolles immerhin noch niedriger sind als die Produktionskosten des rheinischen Win zers. (Sehr richtig! Damit muß unter allen Umständen gerechnet werden, und die Staatsregierung kann dafür nicht die Verantwortung übernehmen, wenn Umstände, die außerbalb ihrer Macht liegen, den Rotweinbau auch fernerhin beein trãchtigen sollten.

Nun bat der Herr Abg. Crüger darüber Klage gefübrt, daß für die Erforschung des Heu⸗ und Sauerwurms nicht Genũgendes geschehen sei. Diesem Vorwurfe, meine Herren, muß ich mit allem Nachdruck entgegentreten. Wir baben in den Jahren 1807 und 1908 längere Zeit einen Sachverständigen in den Beirken beschäftigt, wo der Heu— und Sauerwurm regelmäßig aufzutreten pflegt, und es ist die über einstimmende Ansicht sämtlicher von uns gebörter Sachverständiger, daß im wesentlichen die Biologie des Heu- und Sauerwurms voll⸗ ständig erforscht ist. Wir wissen ganz genau, wo sich die Puppe im Winter aufbält, wie aus dieser die Motte entstebt, wie die Eier- ablage stattfindet, und wie sich der Wurm zu verbalten pflegt. Nach dieser Richtung bedarf es einer weiteren Aufklärung nicht, und es wäre vollständige Geldverschwendung, fär diese Erforschung nochmal 100 000 Æ zur Verfügung zu stellen.

Was uns aber fehlt, und was wir weiter erforschen müffen, das ist die Frage, wie wir diesen Schädling, dessen Lebensweise wir kennen, bekämpfen können, die Frage nach den Mitteln, die aber nicht durch große Stubengelebrte allein, sondern vor allen Dingen durch Praktiker beantwortet werden muß. Auf den großen Weinbergsgütern beñnden sich jablreiche Angestellte, die gerade so gut in der Lage sind wie ein

für Landwirtschaft 2c. Dr. Freiherr von

Professor von Geisenbeim, in der Praxis ju erforschen, welche Mittel sich bei der Anwendung bewäbren. Bor allen

Dingen die mechanischen Mittel. Für diese sind Gelebrte nicht not- wendig. Die weitere Erforschung der chemischen Mittel werden wir natürlich im Auge behalten. Wir werden auch jetzt nach Stoffen forschen, die den Heu⸗ und Sauerwurm vernichten können; wir werden vor allen Dingen die Wirkung des Nikotins weiter prüfen und auch versuchen, ob sich nicht ein äbnliches Riech⸗ und Betäubungemittel wie bei den Motten, die man von den Kleidern fernbält auch gegen die Deuwurmmotten wirksam erweist. Es ist nicht ausge- schlossen, auch für den Weinberg ein Geruchsmittel ju finden, welches den Motten den Aufentbalt im Weinberge verleidet und ste auch vom Weinstock fernhält. Ich erinnere an das stinkende Tieröl. welches den Wildverbiß verbindert! Wenn es gelänge, ein äbn⸗ liches Mittel ju finden. welches sich dem Boden und demnächst

den Trauben nicht mitteilt so ist Aussicht vorhanden, daß auch auf diese Weise eine Bekämpfung des Heu- und Sauerwurme durch Fernbalten der Motten erfolgen kann. Das sind alles

doch gewiß des Rufeng nach Staatshilfe nicht verdächtigen Frankfurter

noch Versuche, die gemacht werden können und gemacht werden sollen.