Dentscher Reichstag. 117. Sitzung vom 30. Januar 1911, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste und event. weite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die ei einem obersten Landesgericht einzulegenden Re⸗ visionen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:
Meine Herren! Der Ihnen vorliegende, wenig umfangreiche Gesetzentwurf entspricht einem Antrage, den die Königlich bayerische Staatsregierung beim Bundesrat gestellt hat. Das oberste bayerische Landesgericht, das berufen ist, die Rechtseinheit auf dem Gebiete des bayerischen Landesrechts zu wahren, vermag, wie sich die Dinge einmal entwickelt haben, dieser Aufgabe zurzeit in vollem Umfange nicht gerecht zu werden. Vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs kam es in Bayern, wie überall in Deutschland, wohl nur selten vor, daß in einem einzelnen Rechtsstreit Fragen des Reichs—⸗ rechts und des Landesrechts gemeinsam zur Entscheidung gelangten; daraus ergab sich, daß die Revision bei Fragen des Reichsrechts stets an das Reichsgericht, bei Fragen des Landesrechts in Bayern stets an das oberste bayerische Landesgericht geleitet wurde.
Das, meine Herren, ist mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches anders geworden. Es gibt nunmehr naturgemäß viele Prozesse, in denen Fragen des Reichsrechts und Fragen des Landes—⸗ rechts gemeinsam zur Entscheidung gelangen, und alle diese Prozesse müssen in dritter Instanz nach Art. 6 des Einführungsgesetzes des Bürgerlichen Gesetzbuches an das Reichsgericht gehen, wenn auch viel— leicht der Anspruch, der aus dem Reichsrecht begründet ist, ganz unstreitig ist, sodaß nur noch die nach Landesrecht zu beur— teilende Einrede einer Entscheidung in dritter Instanz bedarf. Wenn nun ein solcher Prozeß an das Reichsgericht gelangt, dann kann das Reichsgericht über die nach Landesrecht zu beurteilende Frage nicht entscheiden; denn nach der Kaiserlichen Verordnung vom 28. September 1879 über die Begründung der Revisionen in bürger—⸗ lichen Rechtsstreitigkeiten kann das Reichsgericht über das bayerische Landesrecht nicht entscheiden; das bayerische Landesrecht ist vor dem Reichsgericht nicht revisibel. (Ruf bei den Nationalliberalen: Leider)
Es ist also Tatsache, daß betreffs der Abgrenzung der Zuständig— keit des Reichsgerichts und der Zuständigkeit des obersten Landes— gerichts in Bayern gewisse Schwierigkeiten entstanden sind, und die verbündeten Regierungen sind sich ihrer Pflicht bewußt, hier Abhilfe zu schaffen; sie glauben, diese Abhilfe in dem Vorschlag zu finden, der Ihnen unterbreitet worden ist. Es sollen Prozesse, die an sich zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehören würden, weil auch Reichs— recht in Frage kommt, doch bei dem obersten Landesgericht entschieden werden, wenn für die Entscheidung im wesentlichen Rechtsnormen in Betracht kommen, die in Landesgesetzen vorhanden sind.
Die verbündeten Regierungen sind davon durchdrungen, daß durch eine solche Vorschrift die Rechtseinheit bezüglich des Reichsrechts in keiner Weise gefährdet wird, und sie vertrauen, daß das be— währte oberste Landesgericht die ihm überlassene Auswahl der dort zurückzubehaltenden Prozesse, die also nicht an das Reichsgericht gehen sollen, vorsichtig und richtig treffen wird.
Meine Herren, um die notwendige Abhilfe zu schaffen, hätte man auch daran denken können, die Kaiserliche Verordnung vom Jahre 1879 abzuändern und das bayerische Recht, das jetzt nicht revisibel ist, nunmehr für revisibel zu erklären. Es würde dann das bavyerische Landesrecht auch beim Reichsgericht zur Entscheidung gelangen.
Die Gründe, die seinerzeit dafür gesprochen haben, das bayerische Recht nicht für revisibel zu erllären, treffen aber noch heute zu. Jene Gründe sind in der Denkschrift niedergelegt, welche am 25. Februar 1880 dem Reichstag unterbreitet worden ist. Sie gehen im wesent⸗ lichen dahin: wenn man das bayerische Landesrecht für revisibel er— klärte, so würden tatsächlich zwei höchste Gerichtshöfe berufen sein, über dasselbe Landesrecht an höchster Stelle zu entscheiden, und dies würde naturgemäß wieder zu Unzuträglichkeiten führen und muß des— halb vermieden werden.
Der Artikel 2 der Vorlage beruht auf gewissen Klagen, die seitens der Rechtsanwaltschaft beim Reichsgericht erhoben sind. Bei den Prozessen, die vom obersten Landesgericht an das Reichsgericht ge⸗ leitet werden müssen, ist die Frist zur Einreichung der Revisions— begründungeschrift oft zu kurz, und deswegen soll diese Frist verlängert werden. Artikel 3 bringt lediglich eine Uebergang bestimmung.
Meine Herren, ich kann Ihnen im Namen der verbündeten Reglerungen nur empfehlen, dem Gesetzentwurf im Interesse der bayerischen Rechtspflege Ihre Zustimmung zu erteilen.
Abg. Dr. Junck (nl. ): Der Staatssekretär hat diese Vorlage
eine kleine genannt. Das liegt aber nur an dem Umfange der Vor— lage. Wir werden gegen Artikel 1 stimmen und wollen also an der Gerichtsverfassung nichts ändern. Dagegen haben wir gegen Artikel 1 nichts einzuwenden. Daß die Oberlandesgerichte in Bayern überlastet sind, liegt daran, daß ihre Aufgaben nach Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs sich vermehrt haben. Daß in Bayern mehrere Oberlandesgerichte bestehen, ist nicht schlimmer, als daß bei den Oberlandesgerichten der anderen Bundesstaaten mehrere selbständige Senate bestehen. Eine Remedur wäre am besten möglich durch Abänderung der Kaiserlichen Verordnung von 1879. Wir halten es für unmöglich, daß fortan in die Hände eines obersten Landesgerichts die Entscheidung darüber gelegt werden soll, welche Sache zur Kompetenz des Reichsgerichs gehören soll oder nicht. Die Rechtseinheit darf auch äußerlich nicht ver— kümmert werden; wenigstens eine Stimme im Reichstag muß hierauf hinweisen.
Königlich baverischer Justizminister Ritter von Milt ner: Es handelt sich nicht um die Einheit auf dem Gebiet des Reichsrechts, sondern ob Bayern in der Lage sein soll die Rechtseinheit auf dem Gebiet des Landesrechts zu wahren. Die bayerische Regierung hätte den überlasteten Reichstag mit dieser Vorlage nicht befaßt, wenn eine innere Notwendigkeit nicht vorläge. Es hat sich bis zur Evidenz herausgestellt, daß die früher gewählte Form nicht genügt, um die Einheit des bayerischen Rechts zu garantieren. Der jetzige Zustand ist der, daß zwar gewisse Sachen nach dem be— stehenden Gesetz an das Reichsgericht kommen müssen, daß aber dann das Reichsgericht sich für inkompetent erklären muß. Die anderen Bundesstaͤaten sind in einer besseren Lage als Bayern. Bei Schaffung des Einführungsgesetzes zum B. G. B. hat man an diefe Schwierigkeiten nicht gedacht. Die Zahl der Prozesse ist seitdem erheblich gewachsen. Mit allem Nachdruck möchte ich hervorheben, daß die Vorlage nicht im mindesten dazu geeignet ist, dem Reichs⸗ gericht etwas zu nehmen; davon ist gar keine Rede. Die Vorlage ist aber der einzige Weg, auf dem man dem bestehenden Mißstand ein Ende machen kann. Dem Umfang nach handelt es sich allerdings um eine kleine Vorlage, für Bayern ist sie aber von der größten
Wichtigkeit; es wäre eine Härte, einen einzelnen Bundesstaat in
dieser Frage nicht zu berücksichtigen. Ich bitte Sie, die Vorlage an⸗
zunehmen.
Abg. Speck (Zentr. Wir werden der Vorlage ohne Kommissions⸗ beratung zustimmen. Wir dürfen doch zu dem obersten baverischen Gericht nach seiner bisherigen e ,,, das Vertrauen haben, daß es seine Kompetenz rich g wahrnimmt. Der Abg. Dr. Junck darf ebenfalls das Vertrauen haben, daß das oberste bayerische Landes. gericht nicht mehr Fälle in seinen Bereich ziehen wird, als unbedingt notwendig ist. Die hayerische Briefmarke, auf die auch hingewiesen ist, ist keine Aeußerlichkeit, denn mit ihr steht und fällt das bayerische Postwesen. So handelt es sich auch bei der Vorlage nicht um eine rein formalistische Frage, sondern um das Interesse des Publikums an einer einheitlichen Rechtsprechung, .
Abg. Dr. Junck (nl. ): Wenn die Herren das bayerische Postwesen so bewerten, daß es mit der bayerischen Postmarke steht und fällt, so habe ich von meinem Standpunkte aus gar nichts dagegen. Es bleibt trotz der Ausführungen des bayerischen Justizministers dabei, daß es in die Hand eines obersten Landesgerichtes gelegt werden soll, in welcher Weise die Kompetenz des Reichsgerichts zu regeln ist.
Damit schließt die erste Lesung. In zweiter Beratung wird Art. 1 gegen die Stimmen der Nationalliberalen (mit Ausnahme der Abgg. Wölzl und Wetzel) angenommen; Art. 2 und 3 gelangen einstimmig zur Annahme.
Darauf geht das Haus über zur Beratung von Petitionen.
Zunächst werden diejenigen Berichte der Petitionskommission er⸗ ledigt, zu welchen Anträge und Wortmeldungen nicht vorliegen.
Darunter befinden sich 26 Petitionen, betreffen Maßnahmen zur Beendigung der Fleischnot, über die von der Kommission mündlicher Bericht beschlossen und zum Berichterstatter der Abg. Geck (Soz.) bestellt worden ist. Ohne daß eine Berichterstattung er⸗ folgt, werden die Petitionen nach dem Kommissionsantrage dem Reichskanzler als Material überwiesen. . .
Die Petition badischer Landnirte, betreffend die Fe st⸗ stellung von Flurschäden bei Truppenübungen, überweist das Daus bezüglich der allgemeinen . dem Neichskanzler zur Erwägung. 3 der speziellen Forderung auf Entschädigung wird zur Tagesordnung übergegangen. ; .
Als Material überwiesen werden ferner die Petitionen des Bundes der Saal- und Konzertlokalinhaber Deutschlands in Berlin wegen Aenderung der die Schau⸗ und Sing spiel⸗ konzession und die Bedürfnisfrage betreffenden Bestim⸗ mungen der Gewerbeordnung; zwei Petitionen wegen Aenderung des Patentgesetzes; die Petitionen um Aenderung ver⸗ schiedener Vorschriften des Offizierpensionsgesetzes; die Petition des Vorstandes des Deutschen Technikerverbandes um Abänderung der Reichsgewerbeordnung zum Zwecke der Gleichstellung der unvereideten Vermessungstechniker mit den übrigen, mittleren. Technikern; die Eingabe des Zentralverbandes der Stäͤdtischen Haus. und Grundbesitzer⸗ vereine Deutschlands gegen den die Wohnungsreform betreffenden Antrag Bassermann; die Petitionen wegen Aenderung des Branntweinsteuergesetzes, wegen Aenderung der Vorschriften über die Einfuhrscheine im Zolltarif⸗ gesetzé, wegen Ausdehnung des Geltungsberei chs der Ortstaxe für Briefe usw.; die Petition, betreffend die Sonn⸗ tagsruhe und Ruhezeit in Bäckereien und Kon⸗ ditoreien; endlich die Petition der sächsischen Handwerker⸗ und Gewerbevereine um Ergänzung des § 1 der Gewerbe ordnung in dem Sinne, daß in der . der Betrieb eines Gewerbes jedermann erst nach erlangter Volljä rigkeit gestattet ist.
Ueber die Petition wegen Trennung des Milchhandels vom Kantinenbetriebe auf dem Truppenübungsplatze Lockstedter Lager wird zur Tagesordung übergegangen.
Der Wirkliche Geheime Kriegsrat Uhlenbrock zu Friedenau hat im Februar 1910 eine Petition eingereicht, die 1 vom Reichstage die Einsetzung einer Kommission wünscht, die die Aufgabe hat, eine eingehende Prüfung der Verhältnisse in der Militärverwaltung vor— zunehmen und Vorschläge zu machen, wie dieser Teil, der Staatsverwaltung auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen, wie gesetzwidrige Einwirkungen unverantwortlicher. Offiziere unmöglich gemacht und nutzlose Ausgaben von Staatsgeldern in dieser Verwaltung vermieden werden können, 2) den Reichstag bittet, darguf hinzuwirken, daß aus § 25 des Reichs⸗ beamtengesetzes die Militärintendanten ausgeschieden werden, und die 3) ersucht, der Reichstag wolle beschließen, daß dem Petenten, der in gesetzwidriger Weise seines Amtes entsetzt worden sei, Gerechtigkeit zu teil werde. Die Petitionskommission will die Punkte 1 und 2 dem Reichskanzler zur Erwägung überweisen, über 3 hat sie Uebergang zur Tagesordnung beantragt. ; . .
Das Plenum hat bereits am 9. Mai 1910 über die Petition verhandelt. Damals lag ein Antrag Sommer u. Gen. (jortschr. Volksp.) vor, die genannte Petition dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Die Beratung wurde damals vertagt, weil kein Ver⸗ treter der Militärverwaltung anwesend war. Zur heutigen Fortsetzung der Verhandlung liegt ein Antrag Ablaß u. Gen. (fortschr. Volkep.] vor, die Punkte 1 und 2 der Budgetkommission zur Erledigung, Punkt 3, Prüfung des Verfahrens bei der Entfernung aus dem Amte, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Meine Herren! Ich habe mir von vornherein das Wort er⸗ beten, um die Fortsetzung Ihrer Debatte vom 9. Mai v. J. mit einem Worte der Entschuldigung zu beginnen, einem Worte der Ent⸗ schuldigung, daß kein Mitglied meines Ministeriums damals bei der Beratung hier im Plenum zugegen war. Nach den Verhandlungen und nach den Beschlüssen der Petitionskommission konnte ich mir nicht denken, daß noch eine so wichtige und eingehende Verhandlung hier im Plenum vor sich gehen würde. Der Abänderungsantrag der Herren Abgg. Sommer und Genossen ist im Kriegsministerium vorher nicht bekannt gewesen; sonst würde wohl in meiner Abwesenheit — ich selbst war am 9. Mai dienstlich verreist — ein Vertreter meines Ministeriums bier gewesen sein, um die Angelegenheit zu besprechen. Niemandem kann das unangenehmer sein als mir; denn nunmehr gingen die verschiedenen Ausführungen, die doch recht scharfe Angriffe gegen die Militärverwaltung enthielten, unwider— sprochen ein halbes Jahr in die Welt und haben meiner Auffassung nach ju falschen Vorstellungen geführt. Meine erste Aufgabe wird nun aber die sein, aus den Akten einen Vortrag über den richtigen Sachverhalt zu halten. Ich muß dabei zu meinem Bedauern erheblich weiter aufgreifen und auf Einzelheiten eingehen, auch auf persönliche Sachen, was sich nach meinem Gefühl für die Plenarsitzung eigentlich nicht empfiehlt. Ich kann es aber nicht ändern, weil die Angriffe, die hier erfolgt sind, meiner Auffassung nach auch von derselben Stelle widerlegt werden müssen.
Der Wirkliche Geheime Kriegsrat Uhlenbrock behauptet, daß er keine Mitteilungen von Bemängelungen seiner Geschäftsführung und seiner Person vor seiner Zurdispositionsstellung im Januar 1900 erfahren hätte, und Ihr Herr Berichterstatter führte damals auf Grund der Angaben des Geheimen Rats Ublenbreck aus: Uhlenbrock hat sich — das hat ihm selbst seine vorgesegte Dienstbehörde zugestehen müssen — während der Jahre seiner Dienstführung nach jeder Richtung bewährt, hat immer auf dem Posten gestanden und hat nie im geringsten seiner Behörde Anlaß zu Beschwerden gegeben. Meine Herren, das
steht im schärfsten Gegensatz zu dem aus den Akten ch einwandsfrei ergebenden Tatbestande. Schon im Jahre 1899 und 18965, d. h. 5 bis 6 Jahre vor seiner Zurdispositionsstellung, wurde bemerkt, daß Uhlenbrock bei Vortcägen beim Generalkommande über seinen Vortragsstoff nicht genügend orientiert war. Aut den Akten geht nicht hervor, ob dem Geheimen Rat Uhlenbrock damalt hierüber eine Mitteilung gemacht worden ist; im Kriegsministerium nahm man an, daß das Bemängelungen wären, die im tãglichen Dienste sich so bemerkbar machen würden, daß eine Persõnlichkeit, die überhaupt fähig sei, die Stellung als Intendant auszufüllen, ohne welteres das merken müßte, und es nahm weiter an, daß dann der Betreffende diese Bemängelungen beherzigen und sich bessern würde. Das Kriegsministerium hat infolgedessen auch keinen Anstand ge⸗ nommen, im Februar 1896 für den Geheimen Rat Uhlenbrock noch den Charakter als Wirklicher Geheimer Kriegsrat zu beantragen. Die Erwartung traf aber nicht zu; denn Ende 18945 wurde erneut die Klage laut, daß er bei Vorträgen sehr wenig orientiert war, und vor allen Dingen betont: Mangel an eigenem Urteil Hier ist aktenmäßig festgestellt, daß im Januar 1897, also drei Jahre vor seiner Zurdispositionsstellung, dieses dem Wirklichen Geheimen Kriegsrat Uhlenbrock mitgeteilt worden ist. Ende 1897 lautet das Urteil, er wäre eine sehr nervöse Natur und deshalb nicht abgeschlossen und klar im Urteil. Es werden Zweifel ausgesprochen, ob er schwierigen Verhältnissen gegenüber gewachsen ist. Es wird die un. genügende Selbständigkeit und Mangel an Initiative betont. Jeden. falls wäre er kein Intendant für eine selbständige Armee. Daß das letztere ausgesprochen wurde, war besonders interessant für das Kriegs. ministerium; denn die Persönlichkeiten für derartige Stellungen müssen selbstverständlich ganz besonders gewertet werden.
Auch im Kriegsministerium hatte man die Bemerkung gemacht daß die Einwirkung auf die Mitglieder der Intendantur durchaus keine ausreichende und stetige war. Die Intendantur arbeitete un⸗ gleichmäßig. Es waren schon damals Zweifel entstanden, ob Uhlen= brock den Anforderungen seiner Stelle gewachsen gewesen wäre. Der Kriegsminister entschied aber damals, daß es noch weiter mit ibm versucht werden sollte. Ich betone, daß bis hierher der General der Infanterie von Blomberg kommandierender General vom zweiten Armeekorps war, daß es also durchaus unrichtig ist, wie hier be= hauptet wurde, daß die Bemängelungen erst mit dem General don Langenbeck im Jahre 1900 einsetzten.
Ende 1898 lautet das Urteil wieder: hochgradig nervös, beim Vortrag sehr häufig verwirrt und unklar, sicheres selbständiges Urteil geht ihm ab; schwierigen Stellungen, namentlich im Mobilmachungsfall nicht gewachsen. Auch im Kriegsministerium hatte man inzwischen die Ueberzeugung gewonnen, daß Uhlenbrock für einen Feldintendanten absolut ungeeignet wäre. Trotzdem befahl der damalige Kriegẽ. minister, es solle ein erneuter Versuch mit ihm gemacht werden, weil er der Meinung war, daß hauptsächlich Mangel an Fleiß die Schuld wäre. Es wurde darauf am 10. März 1899, also ein Jahr vor der Zurdispositionsstellung, folgendes Schreiben an ihn gerichtet:
10. März 1899. Nach dem über Sie erstatteten Bericht und nach den Wahr— nehmungen verschiedener Stellen des Kriegsministeriums Über die Geschäftsführung bei der Intendantur des 1II. Armeekorps muß ich annehmen, daß Euer Hoch vohlgeboren selbst derselben nicht die⸗ jenige Tatkraft und Sorgfalt zuwenden, welche für eine unge⸗ hemmte und nutzbringende Arbeit unter allen Umständen erforderlich kst. Ich sehe mich daher veranlaßt, Sie zu ersuchen, der Leitung der Ihnen anvertrauten Behörde fortan eine Richtung zu geben, welche die bisherigen Klagen ausschließt. Durch mehr Energie, mehr sicheres, selbständiges Auftreten und richtigere Auffassung der dienstlichen Verhältnisse der Korpsintendantur zum Kriege— ministerium werden Sie den zu stellenden Anforderungen gerecht werden können. Ich glaube, das ist eine Verfügung, die an Deutlichkeit nichts z wünschen übrig läßt (Heiterkeit in der Mitte), und wie angesichte einer derartigen Verfügung behauptet werden kann, daß der Geheime Kriegsrat Uhlenbrock seiner vorgesetzten Behörde niemals Anlaß mn Ausstellungen gegeben babe, verstehe ich wentgstens nicht.
Im Jahre 1899 war der Wirkliche Geheime Kriegsrat Uhlenbrock lange auf Urlaub. Er erbat sich zuerst 6 Wochen, das wurde ibm zweimal verlängert, sodaß er im ganzen 44 Monate auf Urlaub war. Die ärztlichen Atteste, die eingereicht wurden, ergaben, daß er an Nervenschwãäche erkrankt war, die durch hinzugetretene Influenza verstaäͤrkt wurde. Einer von den Aerzten sagte, es sei dringend wünschens wert, daj die Gründe, welche die Nervenschwäche veranlaßt hätten, auch in Zukunft möglichst vermieden oder wenigstens gemildert würden: eine schwierige Sache, da er doch eigentlich in dem alltäglichen praktischen Dienst zusammengebrochen war. Später meldete Geheimrat Uhlenbrock selbst, er hätte Verhärtungen im Unterleib, welche die Blutzirkulation und Ernährung erheblich beeinträchtigten und die körperliche und geislige Tätigkeit erheblich hemmten.
Ende September 1900 übernimmt er endlich die Intendantur wieder. Nach Mitteilung des kommandierenden Generals vom Ja— nuar 1900 erkannte Uhlenbrock selbst an, daß er noch nicht felddienst⸗ fähig war. Im übrigen hatten sich natürlicherweise die Klagen über seine Nervosität und seinen Mangel an Leistungen nicht verringert. Trotzdem meinte der kommandierende General aber, daß der Geheim— rat Uhlenbrock seine Friedensstellung noch ausfülle. Der verantwort⸗ liche Kriegsminister damals war aber anderer Ansicht Er sagte sich, daß für den Fall einer Mobilmachung unbedingt ein voll leistungsfähiger Mann an die Spitze der Intendantur gehöte und daß ebenso auch die unmittelbar bevorstehenden Vorbereitungen für das Kaisermanöber 1960 nur von einem Intendanten geleitet werden konnten, der den Geschäftskreis seiner Intendantur voll be— herrschte. Dies wurde dem kommandierenden General mitgeteilt, und gleichzeitig an Geheimrat Uhlenbrock am 9. Januar 1900 geschrieben, daß er sich nach der Ansicht des Kriegs ministers nicht mehr im Besit derjenigen Fähigkeiten befände, welche für die Leistungen eines Korpe— intendanten im Frieden wie im Kriege erforderlich seien. In durch— aus schonender Weise wurde ihm nahegelegt, auf den Rücktritt in den Ruhestand Bedacht zu nehmen. Uhlenbrock lehnte das am 16. Ja: nuar 1960 ab. Auf Antrag des Kriegsministers erfolgte dann auf Grund des 525 des Reichsbeamtengesetzes die Versetzung in den einst⸗ weiligen Ruhestand durch eine Kaiserliche Verordnung, gegengezeichnet von dem damaligen Herrn Reichskanzler. Ich werde dann auf die Anwendung des § 25 des Reiche beamtengesetzes später noch eingehen,
möchte jetzt nur feststellen, daß, wie ich vorher schon betonte, nicht der
pmmando vorkommen,
General von Langenbeck der erste kommandierende General war, der
Hemängelungen gegen Uhlenbrock aussprach, sondern daß diese Be— nängelungen schon 5 oder 6 Jahre vor seiner Zurdispositionsstellung prrĩckliegen, daß zweitens in allen diesen Aeußerungen niemals
von Differenzen mit dem General— sondern daß im Gegentell bei allen daß ein Mangel an eigenem
tcgend eine Spur
Helegenheiten betont wurde,
mrteil, ein Mangel an Initiative und ein Fehlen von selbständigem
Urteil dasjenige sei, weshalb der Geheimrat Uhlenbrock nicht mehr sir seine Stellung geeignet sei. Schließlich war es nicht der kom—
nandierende General, sondern der verantwortliche Kriegsminister, der
die Entfernung von Uhlenbrock aus seiner Stellung beantragte.
ublenbrock ist nicht einmal, sondern mehrmals auf seine Mängel hin—
hewiesen worden. Das letzte Schreiben vom 9. Januar war eigentlich
r die Schlußfolgerung nach dem vorhergegangenen. Uhlenbrock hat
auch in seiner Antwort vom 16. Januar garnicht nach Gründen ge—
ftagt. Er erklärte nur, er wolle sich nicht pensionieren lassen, weil seine Pension zu gering sei und weil er sich nicht dauernd unfähig ur Vertretung seines Amtes fühle. Er fügte, um das zu beweisen, mar kein Attest, aber den Privatbrief seines Arztes bei, welcher tet:
p Ich bin fest überzeugt — kommt nicht etwas dazwischen — daß das neue Jahr Sie wie früher ganz wohl und gesund machen wird und damit die volle Leistungsfähigkeit wiederkehrt. Mit gleichem Schritt wird die Geistesfrische sich auch wieder einfinden. Ver säumen Sie nur nicht, die Verordnungen gewlssenhaft durch⸗ jufũhren.
Jedenfalls stand aber fest, daß Uhlenbrock Anfang 1900 noch nicht amtig gekräftigt war, daß er den Anforderungen, die das hevorstehende Kaisermanöver stellen würde, gewachsen sein konnte.
Uhlenbrock hat auch in den nächsten Jahren nicht nach den Gründen gefragt. In einem Schreiben vom 20. Juli 1902 bittet er im die Weitergabe eines Immediatsgesuches. Bezeichnenderweise ist slbst dieses Schreiben ohne Unterschrift. Was im Immediatgesuch gestanden hat, weiß ich nicht, da es ihm zurückgegeben worden ist zu direkter Einreichung an Seine Majestät. Dann liegt ein Schreiben rer vom 1. Mai 1904. In diesem bittet er um eine Ordens dekoration, weil sein Hintermann vor ihm dekoriert worden wäre. Das Kriegsministerium hatte keinen Anlaß, einen Beamten, der vor bier Jahren, wie geschildert, zwangsweise den Abschied bekommen latte, ju einem Orden vorzuschlagen. Dann sind Schreiben vor— handen vom 25. April 1907, vom 28. Juli 1908 und 21. Februar 909. Da erbittet er die Ausdehnung der in Aussicht genommenen Hehaltsaufbesserung auch für seine Person. Auch diesen Wünschen konnte das Kriegsministerium nicht entsprechen, da ja in § 42 des Reichsbeamtengesetzes festgesetzt worden war, daß das Gehalt, mit dem der zur Disposition gestellte Beamte ausschied, für ihn auch in Zukunft maßgebend bleiben solle. Schließlich kommt er am 17. Juni 1909, also 97 Jahre, nachdem er zur Digs— position gestellt war, jum ersten Male mit der Behauptung, er kenne die Gründe nicht, weshalb er zur Disposition gestellt sei. Mein Herr Amtkvorgänger hat es damals abgelehnt, ihm das noch— mals mitzuteilen, weil er keine Verawmassung fühlte, die langzurück— liegenden Vorgänge noch einmal wieder aufzugreifen. Ihr Herr Berichterstatter hat dies auf Grund der Angabe des Geheimrats Uhlenbrock ganz anders dargestellt. Er führte aus, Geheimrat Uhlen⸗ brock habe sich zunächst bei seinem kommandierenden General erkundigt, waz dieser denn gegen ihn hätte. Man habe ihn, wie es doch Pflicht und Rechtens gewesen wäre, gar nichts von den Gründen mitgeteilt. Der kommandierende General zuckte die Achseln und sagte: Ich weiß iberhaupt nichts davon, ich habe nichts Ungänstiges über Sie berichtet.
Meine Herren, diese Erzählung trägt meiner Auffassung nach von dernherein den Stempel der Unwahrscheinlichkeit an sich. Aber um a sicher zu gehen, habe ich eine Abschrift dieser Aeußerung des herrn Berichterstatters dem General von Langenbeck zugänglich gemacht, md dieser schrieb mir daraufhin:
Eurer Exzellenz erwidere ich auf das gefällige Schreiben ergebenst, daß ich mich der die Zurdispositionsstellung des Geheimrats Uhlen— brock begleitenden Umstände noch auf das Genaueste erinnere. Ich kann daher mit vollster Bestimmtheit versichern, daß eine Unterredung des angegebenen oder eines ähnlichen Inhalts nie statt— gefunden hat. Ich habe ihn nur auf einige Minuten gesehen, als er sich von mir verabschiedete. Ich frug ihn, wohin er zu ziehen gedenke. Er antwortete, daß die nicht ausreichende Pension ihn nötige, eine Beschäftigung zu suchen, er also nicht in der Lage sei, endgültig über seinen Wohnsitz bestimmen zu können.
Ihr Herr Berichterstatter führt dann weiter aus:
Jetzt wandte sich Herr Uhlenbrock schriftlich und mündlich an das Kriegsministerium. Auch dort wollte man nichts wissen. Man lannte die schon beliebte Methode der Abwälzung und wälzte das Unbequeme wieder auf den kommandierenden General ab. Der sollte nun der Sündenbock sein, obwohl er sich mit Händen und Füßen dagegen sträubte.
Faß das letzte nicht zutrifft, geht aus dem Schreiben des Generals pen Langenbeck hervor. Im übrigen darf ich mir die Einschaltung lauben, daß das Kriegsministerium niemals die Verantwortung für fend etwas ablehnt, sondern daß es selbst für das eintritt, was es ngeordnet hat. (Bravo! rechts.)
Der Herr Berichterstatter fährt dann fort:
Schließlich, als es den Herren im Kriegsministerium bei der Angelegenheit etwas warm wurde, sagte der Departementsdirektor hanz ärgerlich: Ja, wer soll es denn gewesen sein? Keiner will es nun gewesen sein.
Daß der Geheimrat Uhlenbrock sich nicht schriftlich an das luiegsministerium gewandt hat, das geht aus den Akten hervor, die anz vollzählig sind und alle Schreiben enthalten. Er hat auch nicht mündlich getan. Der Direktor des Zentral— bartements des Kriegsministeriums, derjenigen Stelle, welche die öhersonallen der Intendantur zu bearbeiten hat, war damals der jetzige heneral der Infanterie von Bülow, kommandierender General des itt Armeekorps. Er hat mich auf meine Frage ausdrücklich er= ichtigt zu erklären, daß er mit dem Geheimrat Uhlenbrock eine der— sige oder auch nur eine ähnliche Unterredung niemals gehabt hat. Et Vertreter des damaligen Departementsdirektors, der hier zur Stelle mndliche Generalleutnant von Wachs hat auf meine Frage er— lit, daß er dieselbe Antwort, wie der Herr General von Bülow ven könnte.
Ich komme daher zu dem Schluß, daß die Erzählungen des!)
Geheimrats Uhlenbrock ein Phantastegemälde sind. Für jeden, der weiß, wie sorgfältig Personalangelegenheiten speziell auch im Kriegs— ministerium bearbeitet werden, war das nach meiner Auffassung von vornherein nicht zweifelhaft.
Ich habe mich naturgemäß vor dem ersten Bescheid, den ich dem Geheimrat Uhlenbrock auf ein Immediatgesuch vom September 1909 erteilen mußte, aus den Akten und durch die verantwortlichen Stellen meiner Behörde genau orientieren lassen und habe damals die Ueber— zeugung gewonnen, daß meine beiden Amtsvorgänger durchaus richtig gehandelt hatten. Damit aber noch nicht genug, habe ich mit einem großen Teil der Beamten, die mit und unter Uhlenbrock gearbeitet haben, soweit es mir möglich war, persönlich Rücksprache genommen und mich eingehend über diese Angelegenheit unterhalten. Dadurch hat sich meine Ueberzeugung durchaus gefestigt, daß dem Manne im Jahre 1900 nicht Unrecht geschehen ist, sondern daß er im Interesse des Staats und im Interesse der Armee aus seiner Stellung als Intendant des zweiten Armeekorps ausscheiden mußte. Die Be— hauptung Uhlenbrocks: „Keiner, der mich kennt, kann es sich erklären, weshalb ich meines Amts enthoben worden bin“, widerspricht direkt den tatsächlichen Verhältnissen.
Es ist dann bemängelt worden, daß der 5 25 des Reichsbeamten— gesetzes angewendet wurde. Das Verfahren, das vom Kriegs— ministerium eingeschlagen worden ist, ist zweifellos gerechtfertigt und gesetzlich begründet. Im Bereiche des Heeres und der Marine kann der 5 265 Anwendung finden auf Direktoren und Abteilungschefs der Kriegsministerien, auf Heeres, und Marineintendanten und auf die Ressortsdirektoren für Schiffbau und Maschinenbau in der Marine. Weder bei Schaffung des Gesetzes noch auch bei Beratung der Aende— rungen im Jahre 1967 ist von irgend einer Stelle behauptet worden, daß bei diesen reln militärischen Stellen irgendwie politische Rück⸗ sichten in Betracht kämen. Es ist von keiner Seite irgendwie auch nur erwähnt worden, daß die Aufnahme dieser Stellen nicht nötig wäre. Bezeichnenderweise ist vor wenigen Tagen in der Budget— kommission sogar die Einbeziehung noch weiterer Stellen aus der Marine in dem § 25 angeregt worden. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Der Gedankengang bei der Aufnahme dieser militärischen Stellen in den 8 25 des Reichsbeamtengesetzes war wohl der: man hat unsere Beamten mit ganz bestimmten Sicherheitskautelen umgeben, sie können nur unter gesetzlich festgelegten Voraussetzungen und auf Grund eines ziemliche Zeit umfassenden Diszsplinarverfahrens aus dem Amte entfernt werden. Bei diesen leitenden Stellen ist es aber im Interesse des Staates nötig, daß auch eine baldige Entfernung möglich ist, ohne daß ein Disziplinarverfahren vorliegt.
Diese Notwendigkeit, meine Herren, besteht auch heute noch, und zwar den besten Beweis gibt der Fall Uhlenbrock selbst. Der Wirk— liche Geheime Kriegsrat Uhlenbrock war nach Auffassung des Kriegs⸗ ministers ungeeignet, die Vorbereitungen für das Kaisermanöver zu treffen und die Durchführung der Maßregeln für das Kaisermanöver selbst zu leiten. Blieb er nun in der Stellung, so mußten unter Umständen die Truppen leiden, aber auch durch mangelnde Vor— bereitungen der Intendantur wäre unter Umständen der ganze Verlauf der Uebungen weniger glatt erfolgt. Was wäre wohl zu einer solchen Blamage der Verwaltung gesagt worden? Ganz allein hätte den Kriegsminister die Verantwortung getroffen, der einen unfähigen Mann an einer Stelle ließ, an die er nicht gehörte.
Ein Disziplinarvergehen lag nicht vor, es konnte also auf Grund des 5 72 des Reichsbeamtengesetzes nicht vorgegangen werden, ab— gesehen davon, daß ein Disziplinarverfahren so lange Zeit gedauert haben würde, daß es mit Rücksicht auf das Kaisermanöver nicht hätte zu Ende geführt werden können. Es blieb demnach tatsächlich nichts anderes übrig, als den Beamten auf Grund des 8 25 zur Dis position zu stellen.
Für das Kriegsministerium ist ein solches Verfahren gegen einen alten Beamten selbstverständlich auch peinlich, und deshalb hat das Kriegsministerktm in den 58 Jahren — wenn ich das preußische Gesetz mitrechne, besteht diese Befugnis 58 Jahre — von dieser Befugnis so gut wie keinen Gebrauch gemacht. Eins ist ganz sicher, und darüber kann kein Zweifel bestehen, daß es sich empfiehlt, ehe man den 5 25 gegen einen Beamten anwendet, ihn auch über die Gründe vorher zu orientieren. In der Regel ergibt sich das ja ganz von selbst: denn ein solches Vorgehen gegen einen Beamten kommt doch nicht aus heiterem Himmel. Gesetzliche Verpflichtung dazu liegt allerdings nicht vor. Bei dem Geheimrat Uhlenbrock ist dies aber, wie ich nachwies, mehr als ausreichend geschehen.
Es ist bemängelt worden, daß die kommandierenden Generale Aeußerungen über die Korpeintendanten einreichen, und es ist gefragt worden, auf Grund welcher Bestimmung das geschieht. Das erfolgt auf Grund einer Verfügung des Generals Grafen Roon vom 26. August 1869. Es sind auch keine Qualifikationsberichte, die über die Intendanten eingereicht werden, ähnlich wie sie über Offiziere erstattet werden. Die Qualifikationsberichte der Offiziere bringen gleichsanm ein abgeschlossenes Urteil. Hier handelt es sich um eine Aeußerung des Fkomman— dierenden Generals über einen Intendanten, die im Kriegs— ministerium später ergänzt wird. Es ist doch auch ganz klar, der kommandierende General ist derjenige Befehlshaber, der verantwortlich ist sowohl für das Wohl seiner Truppen wie auch für ihre Schlag— fertigkeit. Es ist doch zu natürlich, daß er über denjenigen Beamten, über seinen Intendanten, mit dem er täglich in Berührung über diese Fragen steht, auch ein Urteil dahin abgeben muß, wie der Mann seine Sache macht. Die Vorgeschichte des Falles Uhlenbrock zeigt ganz einwandfrei, daß dieses Urteil des kommandierenden Generals durchaus nicht blind hin— genommen, sondern gerade im Kriegsministerium noch ergänzt wird. Das ist auch ganz natürlich, daß das nicht möglich ist; denn der kom— mandierende General kann nur einen kleinen Teil der Geschäfte des Korpsintendanten überhaupt übersehen. Die Sammlung des Materials, auf Grund dessen der Kriegsminister sich sein Urteil über die Personal⸗ verhältnisse der Intendanten, überhaupt der Intendanturbeamten, bildet, ist ungefähr so: der Kriegsminister sucht jede Gelegenheit herbei, um sich ein persönliches Urteil zu bilden, wenn er im Stand— ort ist; oder wenn der Intendant hier in Berlin, sei es dienstlich, sei es außerdienstlich, anwesend ist, findet, wenn irgend möglich, eine eingehende Aussprache zwischen den beiden statt. Dann werden mit Vorliebe vortragende Räte des Kriegsministeriums in die Inten— dantenstellen genommen, die man von langer Hand her kennt und die
geschäfte bekommen haben. Alle Departements des Kriegsministeriumès, die mit der Intendantur in eingehender Verbindung stehen, werden über ihre Ansichten befragt; ebenso auch der Abteilungschef. Dazu kommen die zahlreichen Besichtigungen, die seitens des Ministeriums in den Provinzen stattfinden, wodurch es in dauernder Berührung mit den örtlichen Verwaltungsbehörden ist. Schließlich besucht der Direktor des Zentraldepartements auf Befehl des Kriegsministers im regelmäßigen Wechsel sämtliche Intendanturen, um sich dort über persönliche Verhältnisse ein eigenes Urteil zu bilden. Es werden Vorträge gehalten, Besichtigungen finden statt, sodaß er sich dort ein genaues Urteil über jedermann bilden kann. Jedem Beamten werden wesentliche Bemängelungen vom Kriegsministerium sofort mitgeteilt, sodaß darüber gar keine Unklarheit herrschen kann.
So war es auch beim Geheimrat Uhlenbrock. Die Behaupturg, er sei auf einseitige Urtelle des kommandierenden Generals entlassen worden, ist absolut unzutreffend. Wenn er dann weiter sagt, daß drei Kriegsminister, zwei Reichskanzler und ein Chef des Militärkabinetts an seiner ungesetzlichen Entlassung teilgenommen haben, so kann ich nur diese Verirrung eines alten Beamten sehr bedauern. Ich halte seine Auffassung eigentlich für eine fixe Idee.
Meiner Ansicht nach ist hier die persönliche Seite der Angelegen— heit genügend klargestellt. Ich bedaure nochmals lebhaft, daß ich dies so ausführlich habe tun müssen und so ausführlich in der Oeffent— lichkeit mit Personalien habe kommen müssen. Ich bin aber un— bedingt dazu gezwungen gewesen, weil hier die Unparteilichkeit und die Gerechtigkeit der Militärverwaltung in einer so scharfen Weise angegriffen worden sind, daß ich nur unter Darlegung der einzelnen Momente dieser Behauptung entgegentreten konnte. (Bravo! rechts.)
Nun sachlich. Auch ich bin davon überzeugt, daß Vereinfachungen wie Reformen in unserer Heeresverwaltung nötig sind. Ich habe mich schon im vorigen Jahre darüber ausgesprochen und habe schon im vorigen Jahre eine Kommission eingesetzt, die eifrig an der Arbeit ist. Ich hoffe, daß die Arbeiten dieser Kommission bis Ende dieses Jahres soweit gefördert sein können, daß man dann weitersehen kann.
Wenn wir bisher noch nicht mit Reformen hervorgetreten sind, so liegt das in der Natur der Sache. Einmal handelt es sich hier um die Aenderung von Verhältnissen und Organisationen, die in einem großen Zeitraum sich eingelebt und auch seinerzeit bewährt haben. Und das zweite ist, daß das Kriegsministerium ja gar nicht allein in der Sache vorgehen kann, sondern daß so—⸗ wohl der Rechnungshof wie auch die Reichsfinanzverwaltung dabei ein gewichtiges Wort mitzusprechen haben. Ich glaube aber kaum, daß wir uns die Vorschläge des Wirklichen Geheimen Kriegs rats Uhlenbrock aneignen werden. Zunächst erklärte der Herr, daß der Rechnungshof fast ausschließlich subalterne Arbeit leiste, von der 90 0/0 wertlos wäre. Er will diese Arbeit den Provinzialinstanzen übertragen, den Korpsintendanturen, vorausgesetzt, daß diese unabhängig gemacht würden. Er hofft damit zur Ersparnis vieler Beamten« stellen sowohl des Rechnungshofs, wie auch bei anderen Behörden zu kommen.
Dazu ist zunächst zuzugeben, daß der 3 des Reichskontrollgesetzes den Rechnungshof bereits ermächtigt, Rechnungen, die von unter— geordneter Bedeutung sind und bei denen nach der Art der in ihnen vorgetragenen Einnahmen und Ausgaben das Vorkommen wesentlicher Abwelchungen von den maßgebenden Vorschriften und Bestimmungen unwahrscheinlich ist, von der jährlichen Prüfung auszuschließen und die Prüfung sowie Erteilung der Entlastung den Verwaltungsbehörden zu überlassen. Immer bleibt aber auch bei dieser Bestimmung der Rechnungshof derjenige, der von Zeit zu Zeit von der vorschrifts⸗ mäßigen Erledigung dieser Prüfung durch die Verwaltungsbehörden sich zu überzeugen hat und der das Heft in der Hand behält, wie man zu sagen pflegt. Er wird von einer Masse Kleinkram befreit, aber im übrigen bleibt er für die Kontrolle verantwortlich. Der Vor— schlag des Geheimen Rats Uhlenbrock geht meiner Ansicht nach er⸗ heblich weiter, er will die Kontrolle völlig an die 22 Intendanturen abgeben. Ich glaube nicht, daß dieser Vorschlag empfehlenswert ist, ich halte ihn sogar dirkt für gefährlich für das richtige Funktionieren der Verwaltung; denn zunächst einmal würde die Intendantur noch mehr Richter in eigener Sache, was an sich nicht günstig ist, dann aber würden die Prüfungsbemerkungen der 22 Stellen sehr bald ein kolossales Durcheinander von grundsätzlichen Bemerkungen ergeben. Wer soll dieses Durcheinander schlichten, das Kriegsministerium oder der Rechnungshof? Aber weiter, wie soll die Stellung der Korps⸗ intendantur als endgültige Kontrollbehörde in dem Korpsbezirk dem Kriegsministerium gegenüber fixiert sein? Solange die Intendantur die oberste Militärverwaltungsbehörde im Korpsbezirk bleibt, muß sie selbstverständlich dem Kriegeministerium unterstellt sein. Wie soll die Unabhängigkeit der Intendantur als Kontrollbehörde dem Kriegs— ministerium gegenüber gewahrt bleiben? Und das ist gerade un— bedingt erforderlich; denn die Maßnahmen des Kriegsministeriums bedürfen dringend der Kontrolle, ganz zweifellos und namentlich in wichtigen Sachen hängen sie mit den Anordnungen der Korps— intendantur innig zusammen. Der Grundsatz, der bei den Er— wägungen mit dem Präsidenten des Rechnungshofes ausgesprochen wurde, daß bei einer Reform des Rechnungswesens im dringenden Interesse des Staatswohls an dem in Preußen altbewährten Grund satz festzuhalten sein wird, ‚die Rechnungskontrolle darf nur durch selbständige und unabhängige Organe ausgeübt werden“, diesem Grund— gedanken widerspricht der Vorschlag vom Geheimen Rat Uhlenbrock. Ich glaube nicht, daß sich ein Kriegsminister finden wird, der die Verant— wortung tragen kannn ohne eine selbständige, unabhängige Kontrolle und zwar seiner eigenen Behörde.
Einen breiten Raum nimmt dann die Unterstellung des Inten— danten unter den kommandierenden General ein. Es wird hier aus geführt:
Auf Grund der kriegsministeriellen Instruktion vom 16. Januar 1821 war die Intendantur ganz selbständig; hierauf fußend, ent— wickelte sich der Verkehr bis 1870 zur Zufriedenheit für Heer und Verwaltung; die Einschränkung erfolgte erst nach 1871, als man in der Bewilligung von Mitteln flotter wurde, die Intendantur aber eine zurückhaltende Rolle spielte und an die Wand gedrückt werden sollte. Hierauf unterstellte die Verfügung vom 24. Juni 1880 und vom 12. August 1891 die Intendanten unter die Disziplinar gewalt der kommandierenden Generäle. Meine Herren, diese Darstellung ist durchaus unrichtig, die Unter— stellung der Intendanten unter den kommandierenden General ist eine
auch an der Zentralstelle einen umfassenden Einblick in die Verwaltungs ganz alte Sache, schon im Jahre 1826 wird sie in einem Handbuch