Aichtamtsliche . Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 1. Februar.
Seine Majestät der Kaiser und König konferierten, . . B.“ zufolge, heute vormittag im Auswärtigen Amt mit dem Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg und dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen⸗Waechter.
Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnungswefen eine Sitzung.
Laut Meldung des W. T. B.“ ist S. M. S. „Planet“ am 28. Dezember von Rabaul (Neu⸗Pommern) in See ge⸗ gangen und am 2. Januar in Ponape eingetroffen.
S. M. S. „Iltis“ ist gestern von Schanghai nach Nanking abgegangen.
S. M. S. „Tiger“ ist gestern von Tsingtau in See gegangen.
Württemberg.
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ fordert die Regierung ür die Weinbaugemeinden vom Landtag ein zwei Jahre unverzinsliches Notstandsdarlehen im Betrage von 20 000 M.
„In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer gab
der Ministerpräsident Dr. von Weiß fächer im Namen der Staatsregierung zu der Frage der politischen Betätigung der Beamten, obiger Quelle zufolge, nachstehende Er— klärung ab: . Der Königlichen Staatsregierung liegt eine Beeinträchtigung der staatsbürgerlichen Rechte der Beamten fern. Es kann der Regierung nur erwünscht sein, wenn Männer, die in ihrem Berufe ein Bffent— liches Amt ausüben, sich auch außerhalb ihres Berufs am politischen Leben beteiligen und dabei ihre beruflichen Erf-hrungen der Allge⸗ meinheit nutzhar machen. Doch ergibt sich aus dem Wesen des öffentlichen Dlenstes und der Stellung des Beamten, daß die Frei— heit der politischen Betätigung nicht unbegrenzt fein kann, vielmehr dem Beamten wie in seiner amtlichen und seiner außeramt— lichen Führung überhaupt, so auch hier gewisse Schranken geboten sind. Diese Schranken sind bedingt durch die gesetzliche Beamten— pflicht, durch die Pflicht der gewissenhaften Wahrnehmung des Ämts, durch die Amtsverschwiegenheit, die Treue gegenüber dem König und der Verfassung. Wo der Beamte diese Pflicht verletzt, ist gesetzlich nicht fest umschrieben. Die Regierung wird auf die Zustimmung des Hauses rechnen dürfen, wenn sie das Vertrauen ausspricht, daß Takt, Gewissen und Pflicht dem Beamten den mit seiner Stellung verein⸗ barten richtigen Weg zeigen.
Deutsche Kolonien.
Ueber die militärische Aktion gegen die aufständischen Ein— geborenen der Karolineninsel Ponape ist, einer Meldung von W. T. B. zufolge, der nachstehende telegraphische Bericht von em rangältesten Seeoffizier, Fregattenkapitän Vollerthun, Kommandant von S. M. S. „Emden“, gestern in Berlin ein?
ch habe am 8. Januar mit Emden“ und „Nürnberg“ die Trukinseln (Ostkarolinen, 420 Seemellen westlich von . an⸗ gelaufen, um mich durch den inzwischen auf der „Nuͤrnberg“ ein⸗ geschifften Bezirksarzt über die Lage in Ponape informieren zu lassen, und um auf Wunsch des Gouverneurs auch in diefem Teile des Archipels die Flagge zu zeigen. Am 10. Januar früh trafen beide Schiffe in Ponape ein, wo bereits, Cormoran“ und „Planet“ ankerten. Die vorgefundene Lage war folgende: Zweihundertfünfzig auf⸗ ständische Dschokadschleute, mit neunzig Gewehren bewaffnet, hatten sich auf der Dschokadschinsel auf einem etwa 300 m hohen, fteilen und fast unzugänglichen Felsen in einem stark befestigten Lager ver⸗ schanzt. Der Zugang zu dem Lager war vom Feinde zerstört worden. Den Uebergang nach der Hauptinsel Ponape hatten die Polizei⸗ truppen abgesperrt und damit die Kolonie vor Ausfällen gesichert. Den Absperrungsgürtel nach der Hauptinsel ließ ich duich ein zu— sammengesetztes Landungskorvs von ‚Emden‘, „Cormoran“ und „Planet! verstärken. Nach See zu übernahmen zunächst „Nürnberg“ und Planet! die Blockade der Aufständischen.
Am 13. Januar Morgens begann die Beschießung der feindlichen Stellung durch Emden“ und „Cormoran?. Dann wurde vas Landungs korps Nürnberg“ zusammen mit 1600 Poltzeisoldaten auf der Westseite der Halbinsel Dschokgdsch gelandet. Die Truppen be⸗ setzten das Vorgelände, ohne auf Widerstand zu stoßen. Mit einem unerwarteten Angriff wurde dann durch das Landung korps das Hoch⸗ Plateau erstürmt, und der überraschte Feind floh nach kurzem Widerstand auf die untere Insel. Bei diesem Angriff kaben sich besonders ausgezeichnet der Oberleutnant zur See Freiherr Spiegel von und zu Peckelsheim (S. M. S. Gormoran ‘) Leutnant zur See von Prittwitz und Gaffron (S. M. S. „Nürnberg“) und der Polizeibeamte Ja hn. Der Gegner verlor drei Tote. Sieben Männer fowie vierzehn Frauen und Kinder wurden gefangen genommen. Auf unserer Seite 92 ein Polizeisoldat, schwer verwundet wurden der Leutnant zur See von Prittwitz und Gaffron (Schuß in Oberarm, Knochen zersplittert, Arm bleibt erhalten) und ein Polizeisoldat. Bis zum 18. Januar wurden die Versuche fortgesetzt, die Insel von dem . zu säubern. Dabei wurden 39 Männer und S4 Weiber und Kinder gefangen genommen. Die Durchsührung der Unternehmung wurde durch zahlreiche schwer zugängliche Höhlen erschwert.
Vom 19. his 25. Janugr wurden durch zwei Kolonnen Streif⸗ züge durch die Heimat der Dschokadschleute und die Halbinsel Paliker unternommen. „Cormoran“ nahm eine Beschießung der Gegend von Tomara vor, um die auf die Halbinsel übergetretenen Aufstaͤndischen von Kiti (einer Niederlassung an einer Bucht im Südwesten Per Insel) abzuschneiden. Die Gesamtzahl der Gefangenen beträgt bisber achtundsiebiig Männer und einhundertfünfundsiebzig Frauen nebst Kindern. Fünf Männer, die am Blutbad am 16. Oktober beteiligt waren, sind unter den Gefangenen. Unter der Führung der Häuptlinge Jomatau und Samuel ind noch etwa sechsundvierzig Aufrührer mit Gewehren bewaffnet auf der Hauptinsel; Ponape und auf Dschokadsch zerstreut. Durch fort gesetzte Streifzüge und durch energischen Druck auf die soyalen Stämme, bei der Auffindung der Rebellen behilflich zu fein, wird versucht, auch diesen letzten Rest zu ergreifen. Sehr erschwert werden die militärischen Operationen durch das unwegsame Gebirgsland und den tropischen. Busch. Für die Beendigung der Aktion läßt sich daher ein Zeitpunkt noch nicht angeben. Verminderung der See“ streitkräfte ist zurzeit nicht angängig. ;
Der Begleitdampfer „Titania“ wartet bis zum 4. Februar in Jap auf telegraphische Befehle.“
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Ausschuß der Oesterreichischen Deleggtion für auswärtige Angelegenheiten setzte in der gestrigen Sitzung die Beratung des Budgets des Aeußern fort.
Nach dem Bericht des W. T. B. bezeichnete der Abg. Grab⸗ im ayer, die Auffassung des Abg. Kramarsch über die Potsdamer Abmgchungen als irrig, trat insbesondere dessen Behauptung von einer Abhängigkeit Oesterreich⸗Ungarns von Deutschland entgegen und erklärte, daß die Annäherung Deutschlands an Rußland fuͤr Oester⸗ reich-Ungarn nur vorteilhaft sein könne, da fie eine starke Bürgschaft des Friedens und auch geeignet sei, die Än— näherung zwischen Wien und St. Petersburg weiter zu fördern. Man müsse sich entschieden dagegen verwahren, daß Kramarsch Oesterreich⸗Ungarn in dem Dreibundherhältnis nur die er— niedrigende Rolle einer Schildwache anweise. Alle Beteiligten feien vielmehr gleichberechtigte Bundet genossen, jeder stehe für die anderen auf e, . so vor einigen Jahren Oesterreich⸗ Ungarn in Algeciras für Deutschland und vor kurzem Deutschland als treuer verläßlicher Bundesgenosse für Oesterreich Ungarn. Baß die von Kramarsch geforderte Freiheit in wirtschaftlichen Dingen von der Regierung gewahrt werde, zeige die Haltung der Regierung in der Elbschiffahrtzfrage, die hoffentlich in VBeutschland gewürdigt werden würde. Wenn Kramarsch von einer durch Deutsch— land drohenden Péngtration pacifique gesprochen habe, so wünschen die Deutschen. Desterreichs nur eine Art Pöns— tration, nämlich die innigere, geistige und kulturelle Ge— meinschaft zwischen den Deutschen in Sesterreich und den Deutschen des Deutschen Reichs. Diese Gemeinschaft ließen sich die Deutschen Desterreichs weder nehmen noch verkümmern, ohne daß darin eine feindselige Spitze gegen die slavische Mehrheit liege. Der Redner bezeichnete sodann die Behauptung des Abg. Kramarsch von schäd⸗ lichen Wirkungen der Bag dadbahn für Oesterreich als Hirn— gespinste und erklärte, es sei zwar richtig, daß Deutschland Desterreich in wirtschaftlicher Hinsicht auf dem Balkan hart auf den Fersen sei, dies sel aber kein wirtschaftlicher Krieg, sondern nur eine wirtschaftliche Konkurrenz, in der Desterreich bestmöglich zu bestehen suchen müsse. Grabmayer erörterte dann eingehend das Verhältnis Oesterreich Ungarns zu Italien, das (leider immer noch auf schwachen Füßen stehe, und sagte, es werde ernster und andauernder Arbeit bedürfen, um das politische Bündnis zu wahren und zu herzlicher Freundschaft auszugestalten. — In Er⸗ widerung auf die Bemerkungen des Vorredners erklärte der Abg. Kramarsch, es sei ihm nicht eingefallen, neue Bündnisse zu kon— struieren oder zu empfehlen. Er verstehe unter Selbständigmachung der österreichischen Politik nur, daß die Annäherung Oesterreichs an Rußland direkt und nicht über Berlin erfolge. Die Gefahr des Art. baues der, Bagdadbahn liege in der Schaffung eineß neuen Wirt— schaftsgebiets für Deutschland, an das DOesterreich durch feine schlechte auswärtige Politik wichtige Handelsbeziehungen im“ nahen Orient bereits verloren habe. Der Redner dankte dem Minister für die positive Erklärung, daß Oesterreich⸗Ungarn auf dem Balkan keine aggressiven Tendenzen verfolge, und erklärte, es wäre aber höchste Zeit, daß das Auswärtige Amt endlich die von unverantwortlichen Stellen immer wieder verbreiteten Legenden von einem beabsichtigten Einmarsch in Rußland, Serbien und nach Saloniki gründlich zersiöre und diese Elemente abschüttele. — Der Abg. Geßmann meinte, man könnte den Gegnern des Bündnisses keine größere Ver— legenheit bereiten, als wenn man verlange, daß sie eine andere Kombination vorschlagen sollten, die Desterreichs Interessen besser entspreche als der Dreibund. — Der Abg. Kozlowski betonte, daß der Polenklub stets fein Mitgefühl für die von der russischen und der preußischen Regierung verfolgten Landsleute mit den österreichischen Reichsinteressen in Einklang bringe. Die häufigen Ausweisungen von —nven, namentlich von Polen, aus Preußen, lege er nicht dem. „eschen Volke zur Last. da fich das deutsche Parlament wiederholt * ( gegen ausgesprochen habe. Er frage aber, was Deutschland sagen würde, wenn man in Oesterreich Elsässer oder Westfalen nur für eine gewisse Zeitperiode als Arbeiter aufnehmen dürfte. Der Redner trat dann für freundliche Beziehungen zu den Westmächten ein und erklärte schließlich, er siimme für das Budget. . Der Minister des Aeußern Graf von Aehrenthal bemerkte über die Frage der Ausweisungen aus Preußen, daß man zur objektiven Beurteilung der einschlägigen Verhältnisse nicht aus Len Augen verlieren dürfe, daß es das unbestrittene Recht eines jeden souberänen Staates sei, fremde Elemente, deren Aufenthalt auf seinem Gebiete ihm im öffentlichen Interesse nicht erwünscht erschiene, auf seinem Terriiorium nicht zu belassen, oder die sich schon dort niedergelassen hätten, wieder zu entfernen. Gerade deshalb könne auch tie österreichisch unganische Regierung den bezüglichen Maßnahmen der preußischen nicht anders ent? gegentreten, als indem sie sich in jedem einzelnen Falle der Aus— weisung an die preußische Regierung wende, um eine Zurücknahme oder eine Fristzerlängerung für die Ausweisung anzustreben. Er hoffe, daß die Verhältnisse sich künftig günstiger gestalten würden, nachdem die Reichskanzlei, der der östemeichssch ungarische Bot; schafter in Berlin künftig die Verhältnisse in jeder einzelnen Ausweisungsfrage schildern werde, die Zusicherung erteilt habe, sie werde dafür Sorge tragen, daß bel der Durchführung von Ausweisungsverfügungen in Preußen mit möglichster Schonung und Milde vorgegangen werde. Im weiteren Verlauf der Sitzung bob, Graf Aehrenthal mit dankbarer Befriedigung hervor, daß die Mehrzahl der Redner mit seiner Beurteilung der Lage und auch mit seiner Haltung einverstanden sei, und erklärte wenn bemerkt worden sei, daß im Gegensatze zu der früheren aktiven Politik jetzt eine allzu passive getrieben werde, so erwidere er darauf daß Oesterreich⸗Ungarn vor zwei Jahren eine aktive Politik habe machen müssen, weil die Zustände auf dem Balkan eine solche erheischt hätten. Daraus folge aber nicht, daß auch fernerhin die aktive Politik. fortgesetzt werden müsse. Er (der Minister) glaube sich mit der Mehrheit der Delegierten im Einvernehmen zu befinden, wenn er keine, auf Aeußerlichkeiten ausgehende un— ruhige Politik treibe. Die Monarchie habe zunächst große Auf⸗ gaben im Innern. zu erledigen. Ueber die Potsdamer Ent rev ue erklärte der Minister, in Potsdam seien Fragen allgemeiner Natur erörtert worden, wobei eine Annäherung zwischen BVeutschland und Rußland Platz gegriffen habe und wobei gewisse Brundsätze auch über die Politik in nahen Orient, die mit den Anschauungen der Fster⸗ reichisch ungarischen Regierung übereinstimmten, bekräftigt worden seien. Im Auschluß daras sei über konkrete Fragen, wie über die persische, Bahn, ein. Gedankenasstausch 'gepflogen worden, der noch nicht bendet sei un? wobei,“ scweit er informiert sei, nur die Grundlinien festgesetzt worden feien »Ich kann nur wiederholen,“ erklärte der Minister daß eine Annäherung zwischen unserem Bundesgenossen und Rußland mit dem wir wieder gute. Beziehungen unterhalten, dem allgemeinen Frieden nur nützlich sein kann. Dem Abg. Kramarsch gegenüber bemerkte der Minister, wenn in Europa und auf dem Balkan viel leicht noch nie seit vielen Jahren fo wenig von den legendären Vo ö. wärtsdringen Oe sterreich- Ungarns nach dem Ost en ge— sprochen worden sei wie in der letzten Zeit, so sei dies wohl (he. glückliche Effekt der von Oesterreich Ungarn bei der Annexion von Bosnien hefolgten Politik, womit die Regierung klare Vcthãltniffe an der Südostgrenze geschaffen kabe, und well. von ber Rll. böchsten Stelle sowie von den Parlamenten und der Regierun derart kategorische Erklärungen abgegeben worden scien d J diesen, ahenteuerlichen Verdächtigungen“ der sterr chi ch, E r isch ! Politik hoffentlich definitiv ein Ende gemacht worden . 6. Minister bat Kramarsch nochmals, seinen Einfluß rach dieser Richtun hin geltend, zu machen, damit die in österreichischen und flabn n Ylättern vielfach enthaltenen und vielfach in rie jussische unh 1. 9 Presse auf dem Balkan übergehenden Unrichtigkeiten über Oesterreich⸗
Der
Ungarns äußere Politik nicht noch eine Atmosphäre schaffen, die 11, 16
Anschauungen eintrete. Der Redner Frage der Bagdadbahn
heilsamer Wandel in den besprach sodann eingehend die und erklärte, auf den Linien derselben die Politik der offenen Tür zur Geltung zu hringen, werde die Aufgabe der Handels poll lit der Regierung sein. Auschlaggebend für den Anteil an dem Bagdadbahnverkehr werde aber die Leistungefähigkeit der Eizeugniffe und die Tüchtigkeit des Kaufmannsstandes Oesterreich-Ungarnt fein. Der Minister, sprach sein Bedauern darüber aus, daß von einem Delegierten gesagt worden sei, Desterreich - Ungarn brauche seine Kriegsschiffe nur gegen Italien. Er müsse dem Delegierten die Verantwortung hierfür überlassen. Ehenso bedauerlich sei der Artikel des pensionierten Admirals Chiari. Hinsichtlich des Verhältnisses zu England bestehe bei beiden Regierungen die Geneigtheit, zu den alten vertrauensvollen Be— ziehungen zurückzukehren. Wegen der Vlissingenfrage sei man amtlich nicht an ihn (Len Minister) herangetreten. Seiner Ansicht nach habe Holland als unabhängiger Staat das Recht, Befestigungen, wo immer es solche für notwendig halte, zu errichten, sofern ez nicht durch irgend welche Verträge, von welchen aber dem Minister nichtz bekannt sei, daran gehindert sein sollte. Der Minister fprach sich sodann auf das entschiedenste gegen den Antrag auf Aufhebung der Botschaft beim Heiligen Stuhle aus, wodurch die Ge' fühle eines großen Teils der Bevölkerung unangenehm berührt werden würden. Zum Schluß wiederholte der Minister die Unausschiebbarkeit der längst rückständigen Ausgestaltung des Heeres und der Maxrä ne und erklärte, „wenn die anderen Mächte mit ihrem Riüstungs— koeffizienten zurückgehen, werden auch wir diesem Beispiel folgen. Solange dies aber nicht der Fall ist, haben wir die Pflicht, das eigene Haus gegen Ueberraschnngen zu schützen. Graf von Aehrenthal bat sodann um Annahme des Voranschlags.
Der besnische Ausschuß der Oesterreichischen Delegation hat gestern den bosnischen Kredit erledigt.
Der Ministerpräsident Freiherr von Bienerth konstatierte, W. T. B.“ zufolge, im Laufe der Debatte, daß die Feststellung der Vorlagen, betreffend die Annexion, auf Grund des Cinbernehmenz der hi ider seitigen Regierungen erfolgt sei. Wenn nun die ungarische Vorlage sowie die dazu gehörigen Motivenberichte eine Art De— klaration enthielten, die auf den früheren Zustand zurückgreife, so sei dies eine Veklaration, der keine präktische Bedeutung zu⸗ komme, da eine Aenderung des Verhältnisses Bosniens und der Herzegowina zu den beiden Staaten der Monarchie nur auf Grund einer zwischen beiden Legislativen hergestellten Uebereinstimmung er⸗ folgen könne. Die Lösung der staatzrechtlichen Frage sei nicht aktuell, Als Vorbereitung hierzu sei wohl ie Stärkung und Festigung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den neuen Probinzen von“ der größten Bedeutung.
=— Im Marineausschuß der Ungarischen Dele— gation brachte gestern der Abg. Miklas eine Interpellation über die in italienischen Blättern veröffentlichten Aeußerungen des Admirals Chiari ein, der ausgesprochen hatte, Oester— reich⸗Ungarn müsse den Ausbau seiner Flolte beschleunigen, weil ein Zusammenstoß mit Italien unvermeidlich sei.
Der Interpellant sprach die Erwartung aus, daß der Marinekommandant diese Auslassungen auf ihren wahren Wert reduziere, damit die Gemüter nicht überflüssigerweise beunruhigt und die Freundschaft Desterreich Ungarns mit Italien, die man aufrecht erhalten und weiter entwickeln wolle, nicht schädlich beeinflußt werde. Der Marinekommandant Graf Monte cu ccoli erwiderte, der authentische Wortlaut der angebligen Aeuße⸗ rungen liege nicht vor. Es sei möglich, daß eine tendenziöse Entstellung vorliege. Was die peröffentlichke Erklärung be— zwecken solle, darüber könne man sich bei den allseits gebegten Friedensbestrebungen kaum Rechenschaft geben. Uebrigens handle eg sich um eine angebliche Erklärung eines Vizeadmirals im Ruhestand, also einer Privgtpeyrson, auf die keine Kriegsberwaltung Einfluß aus— zuüben vermögel Sollten solche Aeußerungen wirklich gefallen sein, so könne er sie nur mißbilligen.
Hierauf setzte der Marineausschuß die Beratung des Marinebudgets fort.
Der Ministerpräsident Graf Khuen-Hödervarv betonte im Laufe der Debatte, daß eine Stärkung der Flotte lediglich die eigene Sicherheit bezwecke. Europa kenne die Fliedenepolitit Desterreich⸗ Ungarns und würde an dem Bau von neuen Schiffen, womit man
nur den Westmãͤchten langsam nachfolge, keine Kombinationen knüpfen. 3 Der Marinekommandant Graf Montecuccoli betonte, die im Bau begriffenen Schlachtschiffe würden gewiß lange Zeit moderne Schiffe bleiben. Ein langfames Bautempo wäre nicht ratsam.
Großtbritannien und Irland.
. Das Parlament ist gestern nachmittag wie der zu am mengetreten. Da aber seit seiner Vertagung allgemeine Wahlen stattgefunden haben, müssen erst verschiedene Formali täten erledigt werden, bevor die wirkliche Eröffnung der Session durch den König Georg in Person stattfinden kann, vor allem die Wahl des Sprechers und die Eidesleistung der Mitglieder des Unterhauses. Für das Amt des Sprechers wurde, „W. 2. B. zufolge, Mr Lowther, einstimmig wiedergewählt. Da die Krone zur Wiederwahl ihre förmliche Zustimmung geben muß, vertagte sich das Haus nach der Wahl sofort wieder auf heute.
Frankreich.
3 Der Ausschuß der Deputiertenkammer für gerichtliche esormnen hat zur Unte rdrückung des Revolverunwesens, „We T.. B.“ zufolge, beschlossen, daß der Waffenhandel nicht gleichzeitig mit einem anderen Handel betrieben werden darf, und daß Waffen nur bei Ablieferung in der Wohnung des
Käufers gegen Empfangsschein verkauft werden dürfen.
Rußland.
Der Marineausschuß der Budgetkom mission sprach einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, gestern den Wunsq aus, daß die Regierung unverzüglich Maßregeln zur Sicherung der Landesverteidigung am Schwarzen Meere ergreifen solle.
Italien.
ö. Rr on g Friedrich Au gust 6 T. B.“ zufolge, gestern mit dem. gloyderpreßzuge in genug eingetroffen und von dem sächsischen Gesandten in Wien, dem deutschen Generalkonsul und Vizekonsul am Bahn⸗— hof empfangen worden. Nach einem Spaziergang durch die Stadt. begab sich der König an Bord des Lloyddampfers „Großer Kurfürst“, wo er den Kommandanten des in Genua liegenden deutschen Schulschiffes „Hertha“ empfing. Mittags ging der „Große Kurfürst“ nach Port Sudan in See.
von Sachsen ist,
Türkei. Die Generalzolldirektion in Konstantinopel hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ angekündigt, daß infolge des tür kisch-bulgärischen Zollkonfliktes fämtliche' nicht bulggrische Waren vom 3. Februar an von einem Ursprungsz⸗ zertifikat begleitet sein müssen. Der gegen Bulgarien angewandte Differentialtarif enthält besonders hohe Zölle auf Mehl, Häute,
für ihn (den Minister) Heminnisse berge und damit ein
Leder, lehende Tiere und Butter.
n erster Lesung den Gesetzentwurf, e. Kredit vo e Dinars für die Reisen des Königs und des Kronprinzen nach dem lande, angenommen. ter des
wanowitsch teilte mit, daß der König Mitte Februar nach Rom reisen werde. Der Zeitpunkt sei noch nicht festgesetzt.
(Honduras) zufolge sind die Revolutionäre fünfzehn Meilen von dort gelandet und im Vorrücken auf die Stadt begriffen.
gestern von Lucknow aus einen längeren Ausflug im Automobil unternommen und gedenkt heute einer Waffenübung Kavallerieregimentern beizuwohnen.
W. T. B.“ zufolge, mit 259 gegen 43 Stimmen zugunsten ). 9 ge, = geg
von . aus stellunz im Jahre 1915 entschie den.
ö. von Boquillita von Revolutionären angegriffen worden.
Serbien. Die Skupschtina hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet,
betreffend einen außer—
Aus⸗
Der Minister des Aeußern Milo⸗
seines Besuches in Paris
Amerika.
Das amerikanische Repräsentantenhaus hat sich,
San Francisco als Ort für die Panama kanal—
Die mexikanischen Bun destruppen sind in der
Einer Meldung des „W. T. B.“ aus Puerto Cortez
Asien.
Der deutsche Kronprinz hat, wie „W. T. B.“
meldet,
von vier
tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
welcher der Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth beiwohnte, wurde die dritte Lesung der lage fortgesetzt.
auf Antrag unter gewissen Voraussetzungen ͤ Wird die Steuer erlassen, so gilt die Veräußerung im Sinne dieses Gesetzes als nicht erfolgt. Nichterfüllung der Vertragsbestimm ungen rückgängig gemacht oder das Eigentum
die Veräußerung als nicht erfolgt gelten soll, soweit der nachweislich Veräußerungspreis wegen Zahlungsunfähigkeit des Erwerbers nicht ein— nehbar ist. Außerdem will er folgenden neuen Absatz hinzufügen:
. .
als praktisch undurchführbar abzulehnen.
Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.) Anträge erklärt hatten, wurden sie verändert angenommen.
Zuwachssteuer durch die von der stimmten Stellen.
beschlossen worden, daß die Landesgesetzgebung Erlaß des Landesgesetzes die Landesregierung Stellen bestimmen soll.
Regierungsvorlage.
wirkung der Landesregierung ist auf unsern Antrag in der Kom mission in den § 26 hineinge kommen. zeugt, daß es nicht angebracht erscheint, Einzellandtage in Bewegung zu setzen. Antrage Weber einverstanden.
Steuerbescheid. Nach den Beschlüssen zweiter Lesung sind ) die Beschwerde, das Vet waltungsstreitverfahren solches nicht besteht, der Rechtsweg zugelassen.
eingeschränkt zulassen; die gerichtliche Klage müsse binnen 6 Monaten erhoben werden.
des Hauses der Abgeordneten, welcher der Justigzminister Dr. Beseler und der Minister des r
beiwohnten, stand zunächst die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Polizei verwaltung Regierungsbezirken Münster, durch das der Minister wird, mit Zustimmung des Provinzialrats rungsbezirken die Ortspolizei ver waltung Sicherheitspolizei besonderen staatlichen Behörden Beamten zu übertragen.
Minsster des Innern von Dallwitz das Wort,
morgen im Wortlaute wiedergegeben werden wird. Minister sprachen bis zum Schluß Schul ze⸗Pelkum (kons) und Sch medding (Zentr.).
über die Verlegung der Landesgrenze gegen Königreich Bayern an der Eisenbahn
am Staatsvertrage vom 1. Juli 19069 sowie einer Begründung zu—
gegangen.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs
In der heutigen (19. Sitzung des Reichstags,
Zuwachssteuervor⸗
Nach 5 25 der Beschlüsse zweiter Lesung kann die Abgabe
erlassen werden. gilt, wenn wegen das Rechts geschäft zurückübertragen wird. Antrag, wonach
Das selbe Abg. Trimborn (Zentr) befürwortete einen
„Sowelt Steuerbeträge zurückerstattet werden, sind sie vom Tage der Zahlung ab mit 40e für das Jahr zu verzinsen— ; Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt Kühn bat, beide Anträge
Westarp (d8kons.) und ebenfalls gegen diese und S 25 un⸗
Nachdem noch die Abgg. Graf sich abgelehnt
Nach 8 26 der Vorlage erfolgt die Verwaltung der Landesregierung hierzu be⸗
Kommissionsvorschlage und bis zum die zuständigen
In zweiter Lesung ist nach dem
Abg. Dr. Weber (nl) beantragte die Wiederherstellung der
Dr. Neumann-Hofer (fortschr. Volksp.): Die Mit—
Abg uns inzwischen aber über— amtliche mit dem
haben . aus diesem Anlaß Wir sind daher
Wir
§ 26 wurde nach dem Antrage Weber angenommen. Die S5 365 bis Jaa regeln die Rechtsmittel gegen den
und wo ein
Abg. Trimborn will neben der Weschwerde den Rechtsweg un—
(Schluß des Blattes.)
Auf der Tagesordnung für die heutige (17.) Sitzung ö ;
Innern von Dallwitz
in den Arnsberg und Innern ermächtigt in diesen Regie⸗
hinsichtlich der oder
Düsseldor f, des
Zur Begründung des Gesetzentwurfs ergriff zunächst der dessen Rede Nach dem
des Blattes die Abgg.
Dem Herrenhause ist der Entwurf eines G esetzes das Münster erwähnten
von
Stein nach Scheidt nebst dem darin
Statistik und Volksmirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Nürnberg wird der Köln. Ztg.“ gemeldet: Der christliche und der sozialdemokratische Arbeiterver band baben den von ihren Vertrauen smännern mit den Arbeitgebern unter Beteiligung von Regierungpertretern vereinbarten Tarifvertrag für die bayerische Spiegelglasindustrie abgelehnt. (Vgl. Nr. 18
Die Schneiderinnung zu Leipzig nahm, wie dasselbe Blatt berichtet, Stellung zu der für den 1. April d. J. erfolgten Kündigung des Tarifs durch die Gehilfenschaft, die in einem Schreiben auf die Notwendigkeit einer Tarifregelung hinweist und der Hoffnung Ausdruck gibt, daß sich eine Regelung dieser Frage auf friedlichem Wege erzielen lasse. Die Innungeversammlung erklärte die Wüͤnsche der Gehilfenschaft für berechtigt, wünschte aber, daß die Gehilfenorganisationen in Anbetracht der drückenden Konkurrenz auch in den umliegenden Orten ihren Einfluß dahin geltend machen, daß auch dort eine Regelung der Tarifsätze vorgenommen werde. Der Innungkvorstand wurde beauftragt, gemeinschaftlich mit dem Arheit⸗ geberverband im Schneidergewerbe mit der Gehilfenschaft in Ver— handlungen zu treten.
Die „Lothringer Volksstimme“ meldet aus Dieuze, daß am 30. Januar eine Versammlung der Belegschaft der Salinen stattfand, in der die Kündigung der Arbeit unter Eintritt in den Ausstand vom 1. Februar ab beschlossen wurde, nachdem Verhand⸗ lungen mit der Direktion erfolglos geblieben waren. (Vgl Nr. 20 d. Bl.)
(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Dritten Beilage.)
Kunst und Wissenschaft.
A. F. In der außerordentlichen Sitzung der Berliner Ge— sellschaft für Anthropologie, die am 28. Januar unter Vorsitz von Geheimrat, Professor Dr. Virchow stattfand, teilte vor der Tagetordnung Prosessor von Luschan aus einem Briefe des in der Südsee auf einer vierjährigen Forschungsreise begriffenen Dr. Speiser eine interessante Notiz mir. Danach ist es diesem Herrn geglückt, auf einer der zur Gruppe der Neuen Hebriden (6—136 s. Br.) ge— hörigen Inseln ein richtiges Zwergenvolk (Pygmäen) zu entdecken und bei dieser Gelegenheit die rätselvolle Herkunft einzelner gefiederter Pfeile, die sich hin und wieder unter ethnologischen, aus der Südsee stammenden Sammlungen vorfinden, genügend aufzu⸗ klären: Dies Zwergenvolk jener Insel bedient sich ausschließlich solcher gefiederter Pfeile, die man sonst nirgends im Bereiche des Stillen Ozeans im Gebrauch gefunden hat. Noch wurden auf Veranlassung von Dr. von Buchwald aus Neu⸗Strelitz, der zur Sache auch selbst das Wort ergriff, die Bruchstücke eines Menschenschädels vor⸗ gelegt, der im Walde beim Abgraben von Kies gefunden worden ist, durch seine flache und ungewöhnlich dicke Schädeldecke auf— fällt und vielleicht jungneolithischer Zeit angehört. Es erhielt dann das Wort zur versprochenen Ergänzung seines ersten Vortrages über Neu-Guinea Professor Dr. Richard Neuhauß. Einleltend legte der Redner drei Seitenstüͤcke zu der aus einem dunkel⸗ grünen, überaus festen Material hergestellten Steinskulptur vor, die er vor acht Tagen als eines der seltensten und interessantesten Stücke seiner mitgebrachten Sammlung bezeichnet hatte. Auch diese drei Gegenstände, offenbar Steingeräte, die zum Brechen und Schaben benutzt wurben, zeigen die dem ersten Stück eigentümliche, feine und zierliche Ausarbeitung der Handgriffe Arbeiten, deren⸗ gleichen die heutige Bevölkerung des Landes herzustellen außerstande sein dürfte. Dennoch liegt hier einheimische Arbeit vor, wie das Vorhandensein des seltenen Steinmaterials im Lande beweist. Vermutlich rühren diese Kunstleistungen von einer höher kultivierten Vorbevölkerung her, die in sehr weit zurückliegender Zeit im Lande wohnte. Die dre interessanten Stücke sind Eigentum der nach Europa zurückgekehrten Witwe eines Missionars. Sie wurden auf Grund der früheren Erwähnung dieser Seltenheiten Dr. Neuhauß behufs Vorlage zur Verfügung gestellt und ihm durch einen zurzeit im Vaterlande weilenden, in der Versammlung anwesenden Herrn übergeben, welcher der ältesten Mission auf dem Boden Neu⸗Guineas angehört und selbst dort seit 1886 tätig ist. ]
Die versprochenen Vorführungen durch den Kinematographen und Phonographen, welche hierauf in überraschender Vielseitigkeit und Anschaulichkeit einer den Saal bis auf den letzten Platz füllenden Zuschauer- und Zuhörerschaft geboten wurden, haben eine lehrreiche Vorgeschichte: Als Dr. Neuhauß vor länger als 2 Jahren hinaus— ging, hatte er Vorkehrungen getroffen, die aufzunehmenden Films zu ihrer Entwicklung nach Berlin zu senden. Es erschien ihm un— tunlich, bei dem Fehlen genügend kalten Wassers in den Tropen — lauwarmes nähert sich bedenklich der Schmelztemperatur der Gelatine und bei der voraussichtlichen Schwierigkeit der Beschaffung einer Dunkelkammer die Entwicklung an Ort und Stelle selbst zu bewirken. Er sandte deshalb die zuerst auf⸗ genommenen Films nach der Heimat; doch stellie sich hierbei sofort heraus, daß sie nicht mehr entwicklungsfähig waren. Dr. Neuhauß wurde deshalb telegraphisch vor weiteren Sendungen gewarnt und mußte sich nun entschließen, die Entwicklung selbst zu besorgen. Es ist ihm auch gelungen, alle Schwierirkeiten zu überwinden und die aufgenommenen Films heil und unverletzt nach Hause zu bringen. In Verlust geraten sind ihm außer den erwähnten ersten nur einige, die beim Kentern eines Bootes auf dem Markan⸗ flusse zugrunde gingen. Und daß ihre Qualität tadellos ist, bewies die reichen Beifall erütende Vorführung. Allerdings war durch die gebotene Notwendigkeit der Filmsentwicklung an Ort und Stelle die Mühewaltung sebr umfangreich geworden. Mangels einer Dunkelkammer mußte z. B. die Tropennacht in ihren finstersten Stunden als Dunkelkammer verwertet werden; aber Dr. Neuhauß sah sich durch die erfolgreiche Ausführung des Gedankens belohnt, daß es höchste Zeit sei, von den gegenwärtigen Zuständen der Bevölkerung zweifelsfreie Dokumente“ zu sammeln, ehe, wie sicher vorauszusehen sei, die engeren Berührungen mit der Zivilisation die Sitten, Gebräuche, Beschaͤftigungen, Belustigungen, vor allem auch die bescheidene althergebrachte Technik der Eingeborenen schnell voll⸗ ständig ändern und umgestalten würden. Es erschien das ebenso als eine Verpflichtung gegen die zivilisierte Mit- und Nachwelt, nachdem im Kinematographen und Phonographen die genügenden Mittel an die Hand gegeben waren, als auch gegen künftige Geschlechter der unserem Schutz befohlenen einheimischen Bevölkerung Neu Guineas, die künftig über das Vorleben ihres Stammes nicht mehr bloß sagenhafte Erinnerungen, sondern untrügliche Beweis⸗ stücke besitzen werden. Wie umfangreich die nach Tausenden von Metein messender Neuhaußschen Films sind, geht u. a. aus einem vorgelegten Film hervor, der bei einer Lände von 104 m H50o Einzel⸗ bilder aufweist. Ein besonders wirksamer Gebrauch ist von dem Phonographen als Begleiter von Bewegungsbildern gemacht worden. Da die Eingeborenen jeden Tanz mit Gesang- und Instrumental⸗ begleitung verbinden und auch die Zuschauer stets in den Gesang ein—⸗ stimmen, so gibt der Phonograph, als Begleiter des betreffenden Tanzes in Bewegung gesetzt, einen ganz achtenswerten rhythmischen Chorgesang wieder, und was das Wundeibarste dabei ist, die von den Tänzern in der linlen Hand getragenen, mit der Rechten geschlagenen schlanken Trommeln sieht und hört man gleichzeitig schlagen.
Die ersten Bewegungsbilder zeigten Männer und Frauen in langem Zuge, einer hinier dem andern schreitend, von der Feldarbeit belmkommend. Ueber einen reißenden Strom ist eine schwanke Qänge— brücke von festen Rotangseilen gespannt. Sie wird in sicherem Schritt passiert. Kinder spielen, Erwachsene üben und überbieten sich im Bogenschießen; doch gibt es auch interessante Kraftübungen, selbst harke Kämpfe, Mann gegen Mann, meist zwar unblutig, weil jeder das Erwachen der Blutrache fürchtet, die im Fall stets erbarmungslos wütet. Der Tanz ist die Hauptbelustigung beider Geschlechter. Es wird darin eine erstaunliche Ausdauer bekundet. Man tanzt häufig ganze Nächte hindurch. Die Tanzsitten sind fast in jedem Dorfe ver⸗ schieden, nur die Tänze entlehnt man gleich den sie begleitenden Ge⸗ sängen, deren Sinn häufig von den Sängern gar nicht verstanden wird, boncinander, ja es besteht in den Orten an der Küste eine Art von
Der Kinematograph war in entfernten Dörfern Von diesen
besucht werden, um Neues zu lernen. drei räumlich sehr weit voneinander
Tanzschulen, die von den Eingeborenen im Innern von Zeit zu Zeit
tätig, drei
Neigung, sich besonders phantastisch für den Tanz aufzuputzen. Um
so bunter ist das Treiben an den beiden anderen Plätzen. An dem
einen fallen eigenartige malerische Tanzhelme auf, die getragen werden,
an dem andern sind es leichte Gewänder, die angelegt werden und die
beim Tanz phantastisch flattern, weil sie meist aus Bändern und Band⸗
streifen bestehen. Wie andere Naturvölker haben auch Papuas und
Melanesier eine Fernsprache erfunden, deren Organe zumeist die Blas⸗
instrumente oder auch andere Lärminstrumente wie Trommeln sind,
und durch die sie unter Mitwirkung hierfür an erhöhten Punkten
aufgestellter Wächter in unglaublich kurzer Zeit Nachrichten in
roße Ferne senden können. Bei allen von Dr. Neu⸗
. gemachten Wanderungen ins Innere war sein Kommen
stets mit allen Einzelbeiten über seine Begleitung lange vor seinem
Eintreffen bekannt. Dieser Nachrichtendienst ist so ausgebildet, daß man z. B., wie der Redner es erlebt hat, eine bestimmte , die
auf einem entfernten Felde arbeitet, schnellstens benachrichtigen
kann, daß ihr Mann plötzlich gestorben sei. Außerordentliche Ge⸗
schicklichkeit entwickeln die Männer im Besteigen der hohen Kokos⸗ palmen. Das ist mehr ein Hinaufschreiten mit Hilfe der bekannten Vorsprünge am Stamm der Palmen als ein Hinauf⸗
klettern. Das Baumfällen im dichten Walde ist ihnen eine geläufige Arbeit. Bis vor wenigen Jahren bedienten sie sich dazu noch ihrer Steinbeile, jetzt haben sie bereits die eisernen Aexte schätzen gelernt. Ein Fest für Jung und Alt ist das Fischen in den flachen Buchten; es geschieht mit verschiedenen Arten von Netzen, auch durch große Schleppnetze, und in diesem Fall ist es Aufgabe der Knaben, im flachen Wasser watend die Fische den Netzen zuzutreiben. Die köstliche Gabe des Markes der Sagopalme ist für die Ernährung sowohl als für die Verwertung im Tauschhandel wohlbekannt. Wie eine Sagopalme geöffnet, ihres Markes beraubt und dies weiter behandelt wird, das ergab eine Reihe von Bewegungs⸗ bildern. Merkwürdig ist, daß in Neu⸗Guinea das Kochen und Backen Sache der Männer, die Töpferet Sache ausschließlich der Frauen ist. Wie erstere Bananen kochen, wurde umfänglich gezeigt, aber auch, wie sie in Gesellschaft, meist schweigend nebeneinander sitzend, Betel kauen und in Gesellschaft rauchen, wobei die zu kauende Betelnuß und der zu rauchende Glimmstengel harmlos von Mund zu Mund wandern. Der Kinematograph hat sich auch Mühe gegeben, das Mienenspiel der Eingeborenen beim Lachen und anderen Emo⸗ sionen wiederzugeben. Kühne Befahrer des Meeres auf ihren schwanken Booten sind sie vor allem; aber trotz der Dürftigkeit ihrer Einbäume bieien diese Wind und Wellen genügenden Widerstand und sind von erstaunlicher Stabi⸗ lität, solange nämlich der rechtwinklig zur Längsachse des Bootes mit diesem festverbundene, lange Ausleger vorhanden ist. Bricht dieser bei stürmischer See, dann sind die Insassen des Bootes verloren. Doch beschränken die Eingeborenen sich keineswegs auf diese dürftigen Kanus. Sie bauen auch größere Boote mit einem, selbst 2 Masten, um daran Segel anzubringen. Wie sie beim Anslandziehen solcher rößeren Schiffe, und wie beim Inseelassen derselben verfahren, das at ihnen der Kinematograph genau abgesehen. (Im kulturell soviel höher entwickelten Norden, am Kaiserin Augusta⸗ Fluß, den Dr. Neuhauß in mehrmonatigem Aufenthalt kennen gelernt, haben die dortigen Eingeborenen ihre große Kunstfertigkeit in Holzschnitz⸗ arbeiten und Malerelen auch auf ihre großen Fluß⸗ und Seeschiffe übertragen, die nach hiervon gezeigten Aufnahmen von bewunderns⸗ werter Arbeit sind) Der häuslichen Technik galten die letzten Be⸗ wegungsbilder: Es wurde von einer Anzahl Männer Kuchen gebacken, Sago mit Kokosmilch zu einem steifen Teig zusammengerührt und durchgeknetet, dieser Teig dann in würfelförmige Gestalt gebracht und sauber zwischen Bananenblätter gepackt. 60 —109 solcher Kuchen⸗ pakete kamen dann in die Backgrube, eine im Boden angebrachte meterlange und entspiechend tiefe Grube, in der man vorher ein mächtiges Holzfeuer entfacht, und die man nach dem Herunterbrennen des Feuers aufs genaueste von Kohlenresten und Steinen durch Aus⸗ fegen gereinigt hatte. In dieser sehr heißen Grube wurden die ein⸗ elegten Kuchenpakete noch durch die vorher gewonnenen heißen Steine ö und darauf sich für 24 Stunden selbst überlassen, worauf sie zum Genuß fertig waren. Es schlossen sich — ob in ursächlichem Zusammenhang mit der durch reichlichen Kuchengenuß erhöhten Stim⸗ mung, blieb zweifelhaft — hieran Vorstellungen von dem besonders hoch von Kindern und Erwachsenen geschätzten Vergnügen des Schaukelns an Rostangtauen, die an sehr hohen Bäumen befestigt werden und entsprechend hohen Schwung gestatten. Dann folgte, um auch die Geschicklichkeit der Papua-Frauen in das richtige Licht zu setzen, die Vorführung der Herstellung eines großen tönernen Topfes. Man sah den Tonkloß von geschickten Händen erst roh, dann immer feiner zu einem wohlgestalteten Topfe und zwar ganz ohne Drehscheibe formen, sah diesen glatter und glatter und mit einem Rande versehen werden und hierauf, nachdem seine Innen⸗ wand mit Sago bestrichen, was ihm eine Art von Glasur verleiht, dem inzwischen angefachten Feuer übergeben, das ihn in verhältnis⸗ mäßig sehr kurzer Zeit zu einem festen irdenen Gefäße von stattlichen Abmessungen brannte, dessen Verwandtschaft sich der Bunzlauer Riesentopf nicht zu schämen brauchte. Ganz zuletzt wurde noch ein Bewegungsbild vorgeführt, und diesmal galt es recht schnellen und anstrengenden Bewegungen der betreffenden Männer, wie durch Reiben trockener Hölzer gegeneinander noch heute im Kaiser Wilhelmsland auf zweierlei Arten Feuer angemacht wird. Diese schweißtreibende Technik dürfte die erste sein, die in Neu⸗Guinea den überwundenen Standpunkten beigezählt werden wird. — In seinem Dank für den gehörten Vortrag bob der Vorsitzende die großen Verdienste hervor, die sich Professor Dr. Neuhauß um die Erforschung Neu⸗Guineas er⸗ worben hat. ; .
Der zweite Vortrag des Abends, den Dr. Herbert Müller über das taoistische Pantheon der Chinesen hielt, war an den Wänden durch 8 velarienartige, meterlange Gemälde auf Seiden⸗ stoff von chinesischen Künstlern und durch einige 50 auf einem Tisch aufgestellte Tonfiguren taoistischer Gottheiten angekündigt. Der Vortragende erörterte nach einer kurzen, unsere Unbe kanntschaft mit chinesischer Denk⸗ und Lebensweise betonenden Einleitung den seiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf treffenden, von einem chinesischen Denker herruhrenden Aus spruch: „Geboren wird der Chinese als Taoist, er lebt nach Confucius und stirbt als Buddhist'. Damit ist gesagt, daß der Taoismus — „Tao“ gleich Richtung! — dem Chinesen die Richtung auf Lebensgenuß und Lebensfreude gibt, Confucius ihn weise Maß halten lehrt und der Buddhismus ihn die Schrecken des Todes ver⸗ gessen und in das ewige Nirwana eingehen läßt. In der Tat ist der Taoismus mit seiner Götterwelt, die nicht mehr und nicht weniger als das Jahr Tage, nämlich 365, zählt, einer freund lichen Auffassung des Lebens besonders hold. Leider weiß man von ihm und seinem Wesen bei uns herzlich wenig, viel weniger als vom Buddhismus. Da ist es zu begrüßen, daß demnächst die deutsche Uebersetzung eines chinesischen Romans aus jüngster Zeit erscheinen wird, deren Verfasser sich zur Aufgabe stellt, uber das taoistische Pantheon aufzuklären, ein Buch, das als eine Ueberraschung zu wirken verspricht. Um vorbereitend auf diese literarische Erscheinung aufmerksam zu machen, hat der Redner den Sammlungen des Museums für Völkerkunde die oben erwähnten bildlichen und plastischen Darstellungen taoistischer Gottheiten ent⸗ lehnt. Die 8 Bilder sind die Hälfte eines dem Museum von dem früheren deutschen Gesandten am Pekinger Hofe, Herrn von Brandt zu- gewendeten Geschenks, die etwa 50 Tonfiguren bon 20 = 50 am Höhe sind dem Museum durch in Schanghai und Amoy lebende Deutsche ge⸗ widmet worden. Man wird vor allem an den ausgezeichneten Bildern, deren jedes H bis 7 Gottheiten darstellt, erkennen, wie abgewandt der Tacismus in seinen Vorstellungen von der Götterwelt dem Dämonen kult des Buddhismus ist und wieviel verwandter z. B. dieser taoistische Sonnengott und diese holde Mondgöttin den entsprechenden griechischen Idealbildern sind als die Götterbilder des Buddhismuck.
die örtlichen Tanzbelustigungen aufzunehmen. Sattelberge
d. Bl.)
Wiedergaben zeigen nur die Zwerge am
keine