1911 / 43 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Feb 1911 18:00:01 GMT) scan diff

im Abgeordnetenhause ausgesprochen. Wollen wir vorwärts schreiten, so sind solche Professuren ein ganz unabweisbares Bedürfnis. Man muß im Kultusministerium über die formellen Schwierigkeiten wegen der Cinreihung in die Fakultäten hlnwegkommen. Vielkeicht versucht der Staatssekretär, das Ziel an einer außerpreußischen Universität, etwa in Straßburg, zu erreichen. Auch schließe ich mich den Be⸗ merkungen des Abg. Erzberger Über die kleinen Aktien an. Man hat die Grundlagen unseres Beschlusses nicht gewürdigt. Wir sahen in der Ausgabe kleiner Aktien in Tsingtau einen ersten Schritt, dem weitere notwendig folgen mußten. Es muß uns erst eine Statistik vorgelegt werden, wie die Gesellschaften stehen, für die diese kleinen Aktien ebentuell in Betracht kommen. Die Kolonial gesellschaften müssen dem Bedürfnis der Kolonien genügen, und wenn eine strengere Aufsicht geübt wird, fo ist das durchaus am Platze. Es fragt sich, ob es ein großer nationaler Vorteil ist, wenn Gesellschaften, eme solche Kontrolle nicht vertragen, sich unter deutsches Recht ellen.

Abg. Dr. Görcke (nl): Auf die unterhaltsame Rede des Abg. Ledebour muß ich kurz eingehen. Er sagte, seine Parteifreunde würden der ostasiatischen Affäre zustimmen, wenn Die Erfolge groß genug wären, um die Anlagen zi rechtfertigen. Glaubt er denn nicht, daß ich diese Frage fortwährend im Auge behalten habe? Es ist mir einstimmig in dem Schutzgebiet gesagt worden: daß das Geld in die deutsche Reichskasse wieder hineinkommt, dürfen Sie nicht erwarten, aber für die deutsche Volkswirtschaft wird es sich in der Zukunft fünf., und sechsmal verzinsen. Wir haben nun auch die Möglichkeit, in Ostasien ein Wort mit— zureden, und sind nicht ausgeschaltet, wie es bei anderen Plätzen der Welt war. Die jährliche Hephl ferne una hm von 800 000 Köpfen ist doch der Grund, weswegen wir uns auf dem Weltmarkt ausdehnen wollen. Es ist auch für die Chinesen nicht so übel, daß wir Kiautschou besitzen.

Abg. Ledeb our (Soz.): Wenn der Abg. Görcke bedauert, daß ich nicht mitgereist bin, weil ich dann nicht bloß zum Kritisieren, sondern auch zum Lobe gekommen wäre, so möchte ich doch hervorheben, daß seine Reise, soweit ich weiß, nicht von der Regierung, sondern von der nationalliberalen Partei veranftaltet worden ißt. Bei anderen Gelegenheiten haben auch andere Parteien Einladungen der Regierung zu solchen Informationzreisen abgelehnt. Der Kollege Noske hat allerdings gesagt, für Polizeizwecke sind der Soldaten zu viele da; das würde selbst der Berliner Polizeipräsident von Jagow zugeben. Für die Verteidigung Tsingtaus gegen China sind es etwas zu wenig. Ich soll die Hochherzigkeit der Engländer ge priesen haben, die die Jonischen Inseln aufgegeben hätten. Hoch herzig sind die Engländer nicht und werden es nie sein, ich kenne sie gut genug, ich habe 6 Jahre in England gelebt; aber zu klug, zu vernünftig waren sie, Korfu usw. zu behalten; sie hatten nämlich für sie keinen strategischen Wert. Mit dieser Anschauung stehen wir auch keineswegs im Hause allein. Daß Kiautschou für uns einen strategischen Wert hat, war in der Rede des Staatsz⸗ sekretärs wohl auch nur noch ein Nachhall aus früheren Zeiten; die Tatsachen haben sich seit dem russisch-japanischen Kriege gründlich geändert, Die abweichende Meinung von Bernflein kann Pei einer Dreimillionenpartei nichts besagen; Sie sollten doch in diesem Punkte vorsichtig sein und nicht nur den Span in unserm Auge sehen, sondern auch das Spänchen in Ihrem Auge. Vor Jahren hat ein so hervorragender Weltpolitiker wie der Abg. Paasche in der Budgetkommission vorgeschlagen, Kiautschou wieder aufzugeben. Ihre, heutige Zurückhaltung halten wir heute nicht mehr für not⸗ wendig. Ueber die Entwicklungsmöglichkeiten des deutschen Handels hat der Stgatssekretär sehr wunderfame Ansichten geäußert. Er sprach von China als dem einzigen noch freien Absatzgebiet. Absatz⸗ gebiete hängen nicht davon ab, daß man in ihnen eigene Kolonien, Kriegs- oder Handelshäfen anlegt; wir haben unsere Absatz⸗ gebiete in der ganzen Welt. Wir brauchen nicht in China einen be⸗ stimmten Hafen zu besetzen, um uns dort Absatz zu schaffen. In Tsingtau wird chinesischer, nicht deutscher Handek getrieben. Daß guch deutsche Waren über Schanghai, Hongkong usw. nach China kommen, ist ja der beste Beweis für unsere Behauptung, daß Tsingtau keine Bedeutung für den deutschen Handel hat. Bie Zeit muß und wird kommen, wo das chinesische Nationalgefühl erstarkt und die weggenommenen Gebiete, die dem Lande historisch zu⸗ gehören, zurückverlangen wird. Also soll zeitig das Deutsche Reich die Initiative ergreifen und freiwillig zurückgeben, was es doch auf die Dauer nicht behalten kann. Das ist kein Mangel an deutschem Nationalgefühl, sondern wahrer Patriotismus

Abg. Dove (fortschr. Volksp.): Mit der Ablehnung der Klein aktienvorlage ist die Sache nicht erledigt; wir werden uns damit wieder beschäftigen, nachdem wir von Sr. Görcke erfahren haben, daß die Beteiligten mit dem Reichstagsbeschluß unzufrieden sind und neue Petitionen eingesandt haben.“ (Abg. Dr. Arendt: Nach Neujahr) Wir werden noch manches nach Neujahr verhandeln; ich hoffe auf Wiedersehen, Herr Dr. Arendt? Zur Begründung neuer Kolonialprofessuren follten wir doch nicht eher schreiten, als bis durch ein Gescß für die Professoren über Tarifver— träge usw. der Kampf unter den Professoren zum Abschluß gebracht ist.

Damit schließt die Diskussion.

Persönlich bemerkt der

Abg. von Oertzen (Rp.): Ich habe vorhin bei der Bemerkung des Abg. Ledebour über die Abtretung der Jonischen Inseln den Zuruf „Sehr vernünftig“ gemacht, den der Abg. Ledebour dann für sich ver— wertete. Die Abtretung Kiautschous würde ich aber, gelinde gesagt, für sehr unvernünftig halten. ;

. Die fortdauernden Ausgaben werden hierauf ohne weitere Diskussion durchweg nach dem Antrag der Budgetkommission bewilligt, ebenso die außerordentlichen Ausgaben. Der Reichs— uuschuß beläuft sich auf 7703 9460 S6. Nuch die Einnahmen werden ohne Debatte genehmigt.

Gegen 5 Uhr wird Vertagung beschlossen. Nächste Sitzung Dienstag, 21. Februar, 1 Uhr (Etat der Reichsjustizyerwaltung und des Reichsheeres; zweite Lesung der Militärvorlage).

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 29. Sitzung vom 17. Februar 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Zur Beratung steht zunächst der Antrag der Abgg. von Brandenste in (kons. ) und Genossen:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Geschäfts⸗ ordnungskommission mit einer Vervollständigung der Ge— schäfts ordnung nach der Richtung zu beauftragen, daß solche Vorschriften, welche tatsächlich außer Anwendung gekommen sind, z. B. 5 265 Abs. 4 (Bildung der Kommissionen), 3 47 (Redner⸗ liste, durch neue ersetzt werden.

Ueber den Beginn der Verhandlungen hierüber ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Hirsch (Soz.): Wir haben gestern keinen Einspruch gegen den Vorschlag des Abg. von Zedlitz, den Antrag von Brandenstein als ersten Punkt auf die Tageäordnung zu setzen, erhoben, weil uns daran lag zu erfahren, wie weit der Antragsteller sich hervor— wagen würde. Der Antrag sieht ja sehr harmlos aus, wie die Kodifizierung der bestehenden Praxis. In Wirklichkelt hat er die Tendenz, die Sozialdemokratie im Hause mundtot zu machen und die freie Kritik zu unterbinden. Das läßt sich auch aus der Aeußerung des Abg. von Brandenstein folgern, daß eine Revision der Geschäftsordnung schon früher hätte vorgenommen werden müssen. Gewiß hat der Abg. Brandenstein recht, daß es darauf ankomme, Maßnahmen zu treffen, die den Geschäftsgang und die Disziplin des

SHauses aufrechterhalten.

Es fragt sich nur, durch welche Mittel das heschehen soll. Wir können ja erst Stellung nehmen, wenn bestimmte Anträge, vorliegen, aber das steht fest, daß die Geschäftsordnungs⸗ kommission kein Recht hat, weitere Beschlüsse zu, fassen, als die, die in dem Antra selbst enthalten sind. Wir haben das Gefühl, daß die ganze ÄAltion dazu dienen soll, die Sozialdemokratie mundtot zu machen. Die bürgerlichen Parteien betrachteten den preußischen Landtag als ihre Domäne. Die Sozialdemokratie war in der ganzen Zeit das Sbjekt der Gesetzgebung. Vor drei Jahren ist sie auch zum Subjekt der Gesetzgebung geworden. Ursprünglich haben Sie geglaubt, die Wirkung unserer parlamentarischen Tätigkeit neutralisieren oder doch wenigstens abschwächen zu können. Daß Ihnen das durch unsere Kritik, besonders durch die Wirkung dieser Kritik im Lande nicht gelungen ist, ist der wahre Grund der jetzigen Erwägungen. Alles andere sind Scheingründe. Sie sprechen vielfach bon dem schlechten Ton, der angeblich durch die Sozialdemokratie in das Parlament gekommen ift. Ich stelle die Frage, ob wir die Erfinder des schlechten Tones sind. (Jawohl! rechts) Wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es heraus. Sie brauchen nur einen Blick in die Kommentare Plates zur Geschäftsordnung zu werfen, und Sie werden finden, daß im preußischen Abgeordnetenhause teilweise ein Ton herrschte, der weit schlimmer ist. Von den vielen Fällen möchte ich nur auf ein einziges Ereignis aus der jüngsten Zeit zurückksmmen, welches recht drastisch zeigt, wie wir beinahe als vogelfrei erklärt werden. Tin Mitglied des Hauses sagte zu uns: „Die deutsche Jugend können Sie nicht erziehen, und ich meine, daß ein Vater, der einen Sohn oder eine Tochter hat und sie Ihrer Erziehung anvertrauen würde, geradezu ein Verbrechen am deutschen Volke begehen würde.“ Was wärden Sie dazu sagen, wenn Ihnen so etwas zugerufen würde? Würden Sie als Männer, als Väter Ihrer Kinder, einen solchen Ausspruch ruhig hinnehmen? Ünfere Ehre steht mindestens ebenso hoch wie Ihre. Wir haben, als wir diefen Ausspruch hörten, mit Gewalt an uns halten müssen, um dem Sprecher nicht fofort die einzig richtig Antwort ins Gesicht zu schleudern. Wenn Sie damals nicht eine Szene erlebt haben, wie sie das Haus bisher noch nicht erlebt hat, so verdanken Sie das unserer Erziehung. Der Praͤ sident hat sich den Schutz des Reichsverbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie zur Aufgabe gemacht unter der Motivierung, daß auch Mitglieder des Hauses dem Verbande angehören. Vergessen Sie denn ganz, daß die Sozialdemokratie von der Tribüne“ des Hauses fortgesetzt verunglimpft wird, obwohl ihr Mitglieder des Hauses angehören? Die Mehrheit des Haufes ist in dieser Sitzung planmäßig vorgegangen, mit ausgesprochenen Absicht, uns zu provozieren. Uns ist Antwort auf die Rede des Abg. Gronowskt durch einen Schlußantrag abgeschnitten worden. Ist es da nicht erklärlich, wenn wir unter solchen Um ständen zur Selbsthilfe greifen? Durch die Verschlechterung der Geschäftsordnung im vorigen Jahre haben Sie uns nicht geschadet, wohl aber dem Ansehen des Hauses. Damit nicht wieder in der Oeffentlichkeit der falsche Anschein erweckt wird, als ob wir Ver— anlassung zu einer Verschärfung der Geschäftsordnung gegeben haben, stelle ich fest, daß der Antrag von Brandenstein vom 19 Januar dieses Jahres datiert ist, und der Zusammenstoß, den ich im Auge habe, am 20. Januar stattfand. Wenn es also in der Presse so dar⸗ gestellt wird, als ob der Antrag von Brandenstein erst die Folge dieses Zusammenstoßes gewesen ist, so ist das eine Täuschung der Oeffentlichkeit. Alles, was von uns geschieht, ist in seiner Art nicht bestimmt durch die zufälligen Persönlichkeiten, die hier die fozial demokratische Partei repräsentieren, sondern durch die Art und Weife des preußischen Staates und durch den Charakter dieses Parlamentes. Deshalb sind alle Exemplifikationen auf andere Parlamente hinfällig. Der anscheinend so harmlose Antrag geht darauf hinaus, die Sozial⸗ demokratie mundtot zu machen. Darauf können Sie fich verlassen;: wir lassen uns nicht mundtot machen. Gehen Ihre Pläne in Er füllung, werden Ihre Absichten zur Wirklichkeit, dann haben Sie die Folgen sich selbst zuzuschreiben. Lorbeeren werden Sie dabél nicht ernten.

Abg. Fischbeck (fortschr. Volksp. : Auf den ersten Blick ent— spricht der Antrag durchaus dem Bedürfnis, unfere Geschäftsordnung mit den modernen Ansprüchen und der tatsächlichen Uebung, die sich herausgebildet hat, in Einklang zu bringen. Aber die t Begründung läuft eigentlich aufs Gegenteil hinaus; r von Brandenstein wendet sich dagegen, daß entgegen Gesetz hier eine Uebung Platz greift, für die ein rechtlicher Bode nicht gegeben sei. Auch die sonstige Begründung läßt erkennen, daß es sich hier wesentlich um eine bestimmte T handelt. Warum wird gerade die Bildung der Kommission' und der Rednerliste herausgegriffen? Unsere Geschäftsordnung ist auch in anderen Punkten, so im Punkte der Bildung der Abte obsolet geworden. Wenn diese beiden Punkte herausgegriffen werden, so läßt das, um mit Sabor zu reden, tief plicken. Der Abg. von Brandenstein hat ja zum Schluß offen ausgesprochen, daß man einem Teil des Hauses unmöglich machen will, in' den Kor missionen mitzuarbeiten, und anderseits die Rednerlifte so zu gesta daß die Minderheit nicht zu ihrem Rechte kommt. Sollte Tendenz auch in der Kommission zur Geltung kommen, fo wir dem entgegenzutreten haben.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): haben den Antrag nicht so aufgefaßt, glauben auch daß der Antragsteller ihn so aufgefaßt hat, daß es einer Gruppe, des Hauses erschwert werden sfoll, an ') den Kommissionsarbeiten oder an der T Zweifellos muß aber, wenn wir unsere sachgemäß fortführen wollen, wenn wir unfere Pflicht erfüllen wollen, rechtzeitig fertigzustellen,

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den Etat die Möglichkeit vor handen sein, einem Mißbrauch der Rednerliste, einem Mißbrauch des Rechts, Bemerkungen zur Geschäftsordnung zu machen, vorzubeugen. Die Kommission wird es also auch als ihre Aufgabe ansehen müssen, Mittel ausfindig zu machen, um auch bei der jetzigen Zusammensetzung des Hauses die Geschäfte in Ordnung und sachgemäß führen zu können Wir können uns auf die Dauer nicht gefallen lassen, daß mit den Rechten des Hauses ein so schnöder Mißbrauch wie in den letzten Tagen getrieben wird.

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Es wird nicht bestritten, daß die Uebung des Hauses vielfach mit der Geschäftsordnung nicht im Einklang steht, und eine Revision der letzteren also zeitgemäß ist. Zu den Be schlüssen der Kommission werden wir erst Stellung nehmen, wenn sie uns vorliegen.

Abg. von Saß-⸗Jaworski (Pole), Wir haben uns über den Antrag noch nicht schlüssig machen können. Uns will scheinen, als ob das Haus mit der bisherigen Praxis ausgekommen ist, wenn auch Lücken bestanden haben. Wir werden abzuwarten haben, was bei der weiteren Beratung herauskommt. Es scheint uns aber die Gefahr borzuliegen, daß die Rechte der Minorität verkürzt werden. Wir sind daher nicht in der Lage, für den Antrag zu stimmen.

Abg. von Arnim-Züsedom (konf.) beantragt den Schluß der Debatte. Gemeldet ist noch der Abg. Hirsch⸗Berlin. Die Debatte wird gegen die Stimmen der äußersten Linken, der Fortschrsttlichen Volkspartei und der Polen geschlossen und der Antrag von Branden stein mit derselben Mehrheit angenommen.

Darauf wird die Beratung des Etats des Ministeriums des Innern fortgesetzt und die Debatte über den Geheim— fonds für die politische Polizei wieder aufgenommen.

Minister des Innern von Dallwitz:

Meine Herren! Auf die groteske Behauptung des Herrn Abg. Hoffmann, daß die anarchistische Partei ihr Dasein dem geheimen Polizeifonds verdanke, daß „Die Freiheit“ und sonstige anarchistische Blätter aus diesem Polizeifonds erhalten oder mindestens subventioniert würden, brauche ich nicht näher einzugehen. (Sehr richtig! rechts. Oho! bei den Sozialdemokraten. Abg. Leinert: Die Tatsachen stehen fest Es ist das ein Produkt einer so üppigen und ungezügelten

Phantasie, daß es sich nicht lohnt, das ausdrücklich als wahrheüte. widrig hinzustellen. (Zustimm ung. Abg. Hoffmann: Beweiskräftige Aktenstücke) Desgleichen brauche ich nicht auf die historischen Reminiszenzen aus den 70 er, 80 er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts näher einzugehen (Abg. Hoffmann: Bis 19609 und 1910), die einen ganz wesentlichen Bestandteil der beinahe zweistündigen gestrigen Rede des Herrn Abg. Hoffmann ausgemacht haben.

Soweit der Herr Abg. Hoffmann sich auf neuere, aktuelle Ver— kommnisse berufen hat, so hat er sich dabei aussch ließlich gestützt auf die einseitigen, unerwiesenen Behauptungen von Leuten, die aus nahe liegenden Gründen ein Interesse daran haben, sich bei ihren Parte. genossen einzuheben, damit zu renommieren, daß sie als widerstands fähige Charaktere angeblich an sie herangetretenen Versuchungen Widerstand geleistet hätten. (Hört, hört! und Sehr richtig! rechts und im Zentrum. Abg. Hoffmann: Auf Aktenstücke )

Welche Bewandtnis es mit derartigen Behauptungen und Be— kundungen von solchen Leuten hat, darüber liegt mir ein sehr inter— essantes und lehrreiches Dokument vor.

Meine Herren, bekanntlich hat der Herr Abg. Liebknecht im vorigen Jahre bei ähnlichen Angriffen auf die Geheimpolizei sich be— rufen auf das Zeugnis eines Mannes namens Rakowski. Nun, meine Herren, dieser Mann ist im November v. J. aus Anlaß einer Strafsache von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Bei dieser Vernehmung hat er u. a. über seine Beziehungen zu dem Herrn Abg. Liebknecht folgendes zu Protokoll gegeben:

Bei den ausgedehnten Konferenzen in dem Bureau des Liel knecht Chausseestraße gegenüber der Tleckstraße —, die unter vier Augen in den Monaten Juni, Juli und Anfang August 1909 stattfanden, wußte mich Liebknecht immer von neuem zu bewegen, Details über die von mir behaupteten Machenschaften der politischen Polizei zu erzählen. Ich erzählte ihm mit vielen phantastischen Entstellungen und Renommistereien

(hört, hört! und große Heiterkeit) über meine Erfahrungen im Dienst der Posener Polizei, wie er bei seinen Landtagsreden ungefähr vorbrachte. (Erneute Heiterkeit.) Ich wußte, daß Liebknecht sensationelles Material brauchte, habe ihn dementsprechend gehörig bedient. (Anhaltende große Heiterkeit.) Ich habe tatsächliche Vorkommnisse erzählt, die ich Wünschen Liebknechts entsprechend sensationell aufgebausch In seinen Reden hat nun Liebknecht wieder meine einer Weise verarbeitet, die weder den tatsächlichen noch meinen Aeußerungen über diese entsprachen. (Anhaltende Heiterkeit rechts, im Zentrum und bei liberalen. Abg. Hoffmann: Unter Bezahlung aus fonds!)

Nun, meine Herren, das Glaubwürdigkeit des Material Herren Vorredner bei ihren Polizei gestützt haben.

Von Interesse ist in diesem Zusammenhange aber doch auch ein Selbstbekenntnis, daß der anerkannte führende Geist der sozialdemo kratischen Partei, der Herr Abg. August Bebel, erst vor einigen Tagen im „Vorwärts“ abgelegt hat. In einem Artikel, überschrieben: Er innerungen an Paul Singer“, teilt hier Herr August Bebel mit:

Eine andere Affäre war für die Parte Ende 1887 erfuhr

Singer durch einen Beamten, der auf dem Berliner Polizei⸗

in der Abteilung für die politische Polizei beschäftigt war z für Geld iens

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gelang uns, hinter dem Rücke Einsicht in die Untersuchungsa Hinter dem Rücken des ; zeihauptmanns! Wir exzerpierten aus denselben, was uns wichtig schien, formulierten alsdann eine Erklärung auf Grund dieser Aktenergebnisse und legten ĩ dem Poltzeihauptmann vor usw. Hiernach hat also Herr August Bebel sich nicht gescheut, staatlich an gestellte Beamte zu bestechen und sie zur Untreue und zur Verletzun ihres Diensteides zu verleiten. (Hört, hört! rechts.)

Meine Herren, das ist eine Illustration zu den Angaben, die Herr Abg. Leinert gestern gemacht hat, als er sich damit brüstete, daf er Kenntnis von vertraulichen Berichten der Landräte der Provinz Hannover erlangt habe. (Abg. Leinert: Ja, natürlich) Diese Kenntnis kann er nur durch derartige trübe Machenschaften erlangt haben. (Hört, hört! rechts. Abg. Lein ert: Das ist ja eine Ge meinheit! Glocke des Präsidenten.)

Meine Herren, ich frage hiernach: haben wirklich die Angehörigen einer Partei, die geradezu ein Gewerbe daraus macht, nicht nur Privatleute zu Vertrauensbrüchen zu veranlassen, sondern auch staatlich angestellte Beamte zu verbrecherischen Handlungen, zur Untreue und zur Verletzung des Diensteides, zum Eidbruch zu verleiten (hört, hört! rechts), haben Angehörige dieser Partei das Recht, in erster Reihe sich als berufene Vertreter von Treu und Glauben hinzustellen? Haben sie in der Tat das Recht, sich als besonders berufene Ver treter der deutschen Treue und Redlichkeit hinzustellen (Heiterkeit und Sehr gut h, wie dies Herr Abg. Hoffmann gestern bis zum Ueberdruß getan hat? (Lebhafte Zustimmung rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, ich gehe jetzt zu dem bestrittenen Titel selbst über. (Abg. Hoffmann: Wollen Sie nicht den gefälschten Paß haben?!

Glocke des Präsidenten.)

Solange wir damit rechnen müssen, daß nicht nur von einzelnen Personen, sondern von organisierten Personenmehrheiten im In- und Auslande anarchistische Verbrechen und Unternehmungen auch für Deutschland geplant werden, solange wir damit rechnen müssen, daß auch sonstige staatsfeindliche Bestrebungen nur zu oft bei gewissenlosen oder fanatischen und exaltierten Personen Unterstützung und Förderung erhalten, so lange ist es ein Gebot der Selbsterhaltung für den Staat, den Gefahren vorzubeugen, welche sich hieraus ergeben können und ohne ausreichende Kontrolle ganz sicherlich ergeben würden. (Sehr richtig! rechts. Abg. Hoffmann: Durch agents provocateurs!)

(Schluß in der Zwelten Beilage.)

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zum Deutschen Reichsanzeiger und Kön

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chen Staatsanzeiger.

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, wenn auch der politischen Polizei Mängel an— haften und Mißgriffe vorkommen können, so ist das ein Schicksal, mit allen menschlichen Einrichtungen teilt. Daraus aber ß entnehmen zu wollen, eine im Interesse des Staates notwendige Einrichtung einfach zu beseitigen, das wäre doch kommen verfehlt. Ich kann übrigens bemerken, daß und Instruktionen ergangen sind und bestehen, Iovokatorische Auftreten zu vermeiden ist. Ich ich jedes provokatorische Auftreten auf das und gegebenenfalls mit aller Entschiedenheit Ich bitte Sie, e Herren, den Titel

Lebhafter Beifall.)

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jeha er Abg. Hoffmann zu igen Abendsitzung zwei Stunden gesprochen hat, so der Ansicht, daß die notwendige Förderung der nicht begünstigt würde, wenn noch einmal ein zort erhält. Daher der Antrag auf Schluß der hat diesem Antrage zugestimmt, sich also

Abg. Hoffmann (Soz.): Der Abg. von Arnim hat an meinen Ausführungen vorbei geredet. Ich hatte angenagelt, daß auf

Fälle, bevor ich mich als Redner gemeldet hatte, für diesen

schon ein Antrag auf Schluß der Debatte vorlag. Es wird

systematisch vorgegangen. Der Abg. von Arnim hat uns vor gerechnet, was wir geredet haben. Wir sind ein Menschenalter von den Verhandlungen dieses Hauses ferngehalten. Da haben wir mehr Bedürfnis, da wir in Opposition stehen Sie angerichtet haben.

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Hirsch (Soz.): Wenn wir tatsächlich so t das nur, daf s auf das Allernotz Leinert (Soz.), mit Heiterkei meine Mitteilungen aus der dinz Machenschaften. Wie kann der N Menschen, in Verbindung bringen t den verbrecherischen Polizeispitzeln r Geheimpolizei besoldet werden!

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Personals : ildung des Erziehungspersonals ksamkei ichte nüssen. Es ist nicht Amt geeignet: s beste Personal i gut genug. Wir werden auch die Grundsätze, ernsten

gearbeitet worden ist, einer sehr Nachprüft

unterziehen müssen. Die Prügel werden allerdings nicht ganz zu ent sein, aber die Prügel als regelmäßige Erscheinungen sind das

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zige nicht nur die, die davon be werden, sondern guch diejenigen, die die Prügel erteilen. Vor ein bestimmtes Verfahren voraus 9

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zierung muß endlich an eine Wohnungsge etzgebung denken. Die Sozial⸗ emokratie ist immer für die Beseitigung des Wohnungselends eingetreten; Wohlfahrtseinrichtungen sind besser als Strafgesetze. Nicht genug n die Untätigkeit der Regierung in bezug auf den Erlaß eines ) ist jetzt wohl zehn Jahre Wohnungsgesetz angekündigt wurde.

r ohnungsgesetzes verurteilt werden. Es daß in der Thronrede ein

unseren Antrag vor zwei Jahren auf endlichen Erlaß dieses