1911 / 64 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Oesterreich⸗ Ungarn.

Der Budgetausschuß des österreichischen Abg ordneten hauses setzte gestern KJ über das Budget des Ministeriums des Innern sort. . . J Nemec forderte nach dem Bericht des *. . die Regierung auf, zum Schwe in k . .

iesene inzugreifen. Der Abg. . gab seiner Ver⸗ . ö Ausdruck, daß man, seitens des ue n, Deutschen Reichs in so feindseliger Weise k tee ö. Arbeiter und Handwerker vorgehe. . Der Abg. e. a beklagte sich über die grundlose Ausweisung der . ö Staatsangehörigen aus den östlichen Provinzen . ie 9 er⸗ reichische und die gemeinsame Regierung täten zwar in je ö . Falle ihr möglichstes, er glaube jedoch, daß n . le . diefer Verhältnisse durch eine Konferenz mit den Sehr hen es Deu 9 Reichs alleinige Abhilfe bieten könne. Der Abg. . ch wandte sich gegen die Auweisungen aus Preußen und er ö. Preußen werde die bisherige Auzwelsungg politik. J 8. lange Oesterreich sich alles gefallen lasse⸗ , ö Deutschland bedeutende wirtschaftliche Interessen habe sich , quantité négligenble behandeln zu lassen. Die deutschen . in Desterreich seien größer als Oesterreichs Interessen in 2 Vergeltungsmaßregeln würden jeden falls. die a n,. der 26 weisungspolitik in Deutschland selbst tärken. Ue V es genügen, Ernst zu zeigen, um eine menschlichere Politik zi erzwingen. Großbritannien und Irland. .

Im Unterhause wurden gestern an den Staatssekretär des Uu wärtigen Amts Sir Edward Grey Anfragen, be⸗ treffend die 2 n . den Schutz britischer . ; in in Mexiko, gerichtet. ;

. . des 6. 9 B.“ erklärte Sir Edward Grey in Ciwiderung auf die erste Anfrage, daß, wenn eine ,. ö den interessierken Mächten vorgeschlagen wünde, entweder von . . land oder der Türkei oder von beiden Mächten,, diesen K natürlich in Erwägung gezogen werden würde. Beyiglich 2 ö. britischer Interessen in Mexiko sagte Sir Sdmard ö . Information gehe, tue die mexikanische Regierung alles, ö. ö. ; wendig sei, um die britischen Untertanen und das britische Eigentum in Mexiko zu schützen.

Frankreich.

Im gestrigen Ministerxrat unter dem mern des Präsidenten Fallieres gab der Minister des Auswärtigen Cruppi Aufklärungen über. die Ha 1 ung des . 6 stammes, von dem ein Teil am 14. Januar den eber n auf die Kolonne des Nittmeisters Nancy gemacht hatte. Die Regierung beschloß, „W. T. B.“ zufolge, nach Casablanca zwei

Bakaillone Infanterie und zwei Abteilungen Bergartillerie ab⸗ zuschicken, um in dem Gebiete der Schauja die französischen Posten und die Stämme zu schützen und die Handelsbeziehungen zu sichern. Dem General Moinier werden genaue Unterweisungen in diesem Sinne gegeben werden. Der Ministerrat. nahm ferner von den Versprechungen Mulay Hafids Kenntnis, daß er selbst zur Züchtigung der Urheber des Anschlags vom 14. Januar schreiten werde. Die Regierung ist entschlossen, darüber zu wachen, daß diese Versprechungen streng und ohne Säumen ausgeführt werden, damit dieser Anschlag nicht un⸗ gestraft bleibt und der Wiederkehr von Angriffen gegen französische Truppen vorgebeugt wird. Der Ministerrat genehmigte ferner das zwischen der ,, und der scherifischen Regierung ab geschlossene

Finanzabkommen, das dem. Machsen die Mittel geben soll zur Organisation der marokkanischen Truppen, die die Autorität des Sultans bei den Stämmen aufrechtzuerhalten und die Polizei in den Häfen vom Jahre 1912 ab auszuüben bestimmt

sind, sowie zur Ausführung der dringenden öffentlichen Arbeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und zur Hebung des Wohlstandes der Eingeborenen. Endlich soll das Abkommen den Machsen von seinen vor dem 30. Juni 1909 eingegangenen Verpflichtungen befreien. . .

Die französische Regierung hat ihre Vertreter beauftragt, die im Ministerrat gefaßten Beschlüsse zur Kenntnis der Signatar⸗ mächte der Algecirasakle zu bringen. Die den Mächten über⸗ reichte Note wird aber das Finanzabkommen nicht erwähnen, da dieses von Mulay Hafid noch nicht ratifiziert worden ist.

In der Deputiertenkammer bat gestern der Minister des Aeußern Cruppi darum, die Besprechung der Interpellationen über die Marokkopolitik der Re⸗ gierung auf den 24. März zu verschieben. . Wie . W. T. B.“ meldet, wandte sich der Abg. Jaures da⸗ gegen und erklärte, er hoffe, daß die Kammer am 24. M ärz nicht in der lächerlichen Lage sein werde, eine Anzahl vollendeter Tatsachen gut heißen zu müssen, die sie im Grunde mißbillige. Der Abg. Denys Eochin sagte, die Regierung könne die Angreifer vom 14. Januar unverzüglich züchtigen, ohne dadurch die allgemeine Politik in Mltleidenschaft zu ziehen. Der Minister Cruppi er⸗ widerte, er habe, indem er einen so nahen Termin wie den 24. März für die Besprechung angenommen hätte, gezeigt, wieviel Achtung er den Rechten des Parlaments entgegenbringe. Andererseits könne er sich nicht die Hände binden lassen. Wenn die Notwendigkeit ihn zu Maßnahmen zwinge, werde er sie auf eigene Verantwortung tressen.

Mit 422 gegen 1063 Stimmen wurde der Termin der Marokkodebatte auf den 24. März festgesetzt und sodann die Beratung des Kriegsbudgets fortgesetzt.

Im Taufe der Debatte führte der Abg. ef sb ure aus, daß es gefährlich sei, die Nordostgrenze zwischen Mezières und Longwy gegenüber der Linie der strategischen Eisenbahnen, die in Belgien und n' der Rheinprovinz erbaut würden, entblößen zu lassen. Ver, Abg. Driant (Nationalist) hielt eine Rede, in der er behauptete, daß in der Armee das System der Auskunftzettel noch fortdauere, und in der er die Tätigkeit der Militärliga verteidigte, die die Offiziere, die Verräter an der Rameradschaft seien, angebe. (Lärm.) Der Kriege minister Berteaur protestierte lebbaft gegen die Ausführungen Driants und gegen die Tätigkeit der Militärliga, die Drignt verteidigte, und die darauf ab— zicle, Mißtrauen und Haß in die Armee zu tragen.

Die Hauptbestimmungen der Artikel G6 und 7 des Gesetzes über die Fremdenlegion vom 19. März 1831, die jetzt wieder in Kraft getreten sind, setzen für den Eintritt in die Fremdenlegion als Mindestalter 18 und als Höchstalter 40 Jahre fest. Die anderen Bestimmungen betreffen den Ge⸗ burtsschein, das Sittenzeugnis und das Zeugnis für die Dienst tauglichkeit.

Rußland.

Anläßlich des 200 jährigen Jubiläums des Senats 4 * 2e * . 9 Y. * . 8 0 2 5 ax * ist eine Kaiserliche Urkunde veröffentlicht worden, in der die Verdienste des Senats hervorgehoben werden und dem Senat die Anerkennung des Kaisers ausgedrückt wird. .

Der Reichsrat hat, „W. T. B.“ zufolge, gestern be⸗ schlossen, den verabschiedeten Moskauer Universitäts rektor Manuilow als aus dem Reichsrat ausgeschieden zu betrachten, da er die Universität nicht mehr vertreten könne. ö

In der Reich sduma stand gestern der Etat des

ie W. T. B.“ t, griffen im Laufe der Debatte Ver⸗ . . ö , an und er lürten, Senat und. Staalßan wäkte, arbeiteten im. Geiste, des Verhandes des ruffischen Volkes und. der Minister verletze 1 * Unabsetzbarkeit der Richter. Die Ottohristen verte ö ie Ge⸗ richte und wiefen darauf hin, daß die von Per inte pe. hächtn Ball ihn, , Tänbebe air Gißää Geriht nichts getan, falsch seien. Die Einführung. ö . , gerichten in entfernten Gebieten, um die 2h Jahre , worden sei, habe die Duma in sz Tagen durchgeseht, . Debatte beschuldigtg der Angehörige Er ertreimen, echten Mr kopp die Progressisten, sie hätten an der Ermordung Alexanders 11. eil. genommen, worauf der Sozialistenführer Gegetschkori den Ade der Ermordung des Kaisers Paul beschuldigte. ö. Die Duma lehnte einen Antrag der Kadetten auf Ab— schaffung der Prügelstras- bei Sträflingen ab und nahm den Justizetat an. J issenschagpanien.

Die Deputiertenkummer hat gestern die Beratungen über den Gesetzentwurf, betreffend die ä ußere Schuld, wieder aufgenommen. K ; . Nach dem Bericht des W. T. B. erklärte der Fin ns: minister, daß das Verschwinden der äußeren Schuld eine Wohltat für das Land fei und den großen Vorteil der Operation beweise. . Der Abg. Ürzais wiederholte feine Ausstellungen und behauptete, die vorgeschlagene Amortisierung der äußeren Schuld sei im höchsten Grade unmoralisch. Die Besitzer der Titel würden ʒuerst den Nutzen davon haben nd nach, ihnen noch Jin anderer., Tärm.) Urzais appellierte an den König, zen die Minister täuschten. Der wahre Respekt vor der Krone bestzhe darin, den König auf Irrtümer aufmerksam zu machen. Der Ministeryra ident Canalejas wies den Vorwurf, daß die vorgeschlagene Amortisierung unmoralisch sei, zurück und erklärte, der Gesetzentwurf sei eine Schutz- maßregel. Die AÄmortisation werde sich in fünfzig Jahren vellßiehen, und die Cortes würden jedes Jahr den, Kredit bewilligen, Der Abg. ÜUrzais wiederholte hierauf in so heftiger Weise seine Angriffe gegen die Regierung, daß die Minister und die regierungsfreundlichen Depu⸗ tierten lebhaften Widerspruch dagegen erhoben. Bei Schluß. der Debatte erklärte der Ministerpräsident, er nehme jede Ver antwortung für den Gesetzentwurf auf sich.

Belgien.

Der Deputiertenkammer ist gestern der Entwurf eines neuen Schulgesetzes zugegangen, das 1914 in Kraft treten soll. Wie „W. T. B.“ meldet, wird die Schulpflicht in dem Gesetzentwurf bis zum 14. Lebensjahre ausgedehnt, da die Kinderarbeit bis zu diesem Alter verboten ist. Der Gesetz⸗ entwurf bringt keinen obligatorischen Schulunterricht, sucht aber einen moralischen Druck auf die Eltern auszuüben.

Griechenland.

Die Beratung über die Sprachenfrage in der De⸗ putierten kammer dauerte gestern bis Uhr Morgens. Auf Antrag des Ministerpräsidenten Venizelos genehmigte die Kammer laut Meldung des „W. T.. B.“ eine Zusatz verordnung zur Verfassungsurkunde, wonach festgestellt wird, daß als offizielle Sprache diejenige gelte, in der die Ver fassungsurkunde, die Gesetze und öffentliche Dokumente ge⸗ schrieben sind, und die jeden Versuch einer Aenderung der Sprache untersagt. Eine andere Verordnung untersagt die Uebersetzung der heiligen Schriften in einen griechischen Dialekt

ohne Genehmigung des ökumenischen Patriarchen.

ö Serbien.

In der Skupschtina wurden gestern an den Minister präsidenten Pasitsch mehrere Anfragen bezüglich der Errich— tung eines Generalinspektorats der Armeg gerichtet.

Nach dem Bericht des ‚W. T. B.“ erwiderte der Ministerpräsi⸗ dent, daß die Verantwortung vom Kriegsminister getragen werde und daß die Errichtung des Generalinspektorats im Einvernehmen mit dem Kriegsminister verfügt worden sei. Der Kronprinz werde als General inspekteur die Truppen und Heeresanstalten inspizieren und hierüber dem obersten Kriegsherrn Bericht erstatten.

Bulgarien.

Die türkischen und bulgarischen Delegierten haben, „W. T. B.“ zufolge, gestern ein Abkommen über den Grenzüberwachungsdienst und das gegenseitige Ver hältnis der Grenzwachen unterzeichnet.

Verschiedene Gruppen bulgarischer und macedo⸗ nischer Revolutionäre, die eingnder bisher befehdeten, haben in den letzten Tagen eine Versammlung abgehalten und eine vollständige Einigung zum Zweck eines einheitlichen Vor gehens erzielt.

Dänemark.

Der König hat den Gerichtspräsidenten Jonsson, „W.

T. B.“ zufolge, zum Minister für Island ernannt.

[1 2.

Amerika.

Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, hat der mexikanische Finanzagent in London ein Telegramm von dem mexikanischen Finanzminister erhalten, das „W. T. B.“ zufolge besagt, die Vereinigten Staaten hätten sich bereit erklärt, ihre Kriegs schiffe aus den mexikanischen Häfen zurückzuziehen, sobald sie Kohlen eingenommen hätten, und ferner ihre Erklärung wiederholt, daß die Truppenbewegungen an der Grenze keinen anderen Zweck verfolgten als die Aufrechterhaltung der Neutralitäts⸗ gesetze. ö

Nach Privatmeldungen des „New York Herald“ aus der Stadt Mexiko ist vorgestern vormittag in Veracruz ein Aufstand ausgebrochen, bei dem ein Amerikaner getötet und sechs Polizeibeamte verwundet wurden. Die Tore eines Gefängnisses wurden geöffnet, sodaß 70 Gefangene entweichen konnten. Ein im Hafen liegendes Kriegsschiff und die Marine— soldaten unterstützten die Zivil- und Militärbehörden.

Das amerikanische Staatsdepartementz hat die mexikanische Regierung ersucht, zwei gefangen genommene Amerikaner in Freiheit zu setzen, da ihre Festnahme auf ameri⸗ kanischem Boden erfolgt sel. Das Kriegsdepartement gibt bekannt, daß keins der in Texas mobilisierten Infanterie⸗ regimenter an die mexikanische Grenze gesandt werden wird, Dagegen sollen sieben weitere Kavallerieabteilungen die drei bereits an der Grenze patrouillierenden Abteilungen ergänzen, um dem Waffen- und Munitionsschmuggel ein Ende zu machen.

Asien.

Der Oberresident von Tonkin teilt, W. T. B.“ zufolge, mit, daß die Stämme der Meos in der Nähe der Grenze in der Gegend von Ha⸗giang sich erhoben und mehrere chinesische Posten angegriffen haben. Die Bewegung soll sich über die tontinesische Küste ausdehnen. Der Truppenhefehlz haber hat die notwendigen Maßnahmen ergriffen. Die all

Afrika.

Das deutsche Kronprinzenpagr wohnte gestern, wie „W. T. B.“ aus Kairo meldet, den britischen Manövern bei lbbasijeh bei und besuchte dann den versteinerten Wald. Ueber die erfolgreichen Kämpfe der scherifischen Mahalla mit den Aufständischen liegen nunmehr ge— nauere Meldungen vor. Wie „W. T. B.“ meldet, war danach die 2630 Mann starke, unter dem Kommando französischer Offiziere stehende Mahalla am 28. Februar von Fes auf⸗ gebrochen; am 3. März wurde das Lager bei Hamud ver⸗ lassen, und bei Sukelseht kam es zum ersten Zusammen⸗ stoß. Unter den Gefallenen befanden sich die Führer der Aufständischen Kaid Mohammed und Bali Eddelini. Die Instrukteure suchten die Plünderung zu verhindern, die Truppen der Kaids aus dem Süden verweigerten jedoch den Gehorsam. Am 4. März wurde der Vormarsch fortgesetzt, am 5. März lagerte die Mahalla bei. Sidi Mohammed. Die Beni Jakub und Scherardas, die sich unterwarfen, erklärten, sie seien durch den Steuerdruck der Kaids Glaui und Mtungi, bie der französischen Mission feindselig gegenüberstehen, zur Empörung getrieben worden. Am 7. März kam es zu dem schon erwähnten neuen schweren Zusammenstoß mit starken feindlichen Streitkräften, die sich aus Scherardas, Beni Mter, Beni Hassen und Arabern aus Sais zusammen— setzten. Die Aufständischen wurden in zehnstündigem Kampf, in dem sich die Sultanstruppen ausgezeichnet hielten, geschlagen, bis Tschelfat verfolgt und vollständig zersprengt.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Haufes der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Der Reichstag setzte in seiner heutigen (148.) Sitzung, der der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück beiwohnte, die Spezialberatung des Etats für das Reichs amt des Innern fort.

ö Abg. r* von Carmer-Zieserwitz (dkons.): Auch ich als Landwirt begrüße die agrarfreundliche Aeußerung des Abg. Dr. Strese⸗ mann mit großer Freude. Aber ist in djese Aeußerung auch der Hansabund eingeschlossen? Der Kollege Dr. Pieper hat seiner Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß der Hansabund Zwietracht zwischen Land—⸗ wirtschaft und Industrie saäͤe, und eine Bemerkung, die ich in einem Flugblatt des Bundes finde, lautet ausdrücklich dahin, daß die „Entrechtung der Industrie.“ beseitigt werden, müsse. Die Sozial politik hat in diesen Tagen ihr 26 jähriges Jubiläum gefeiert; sie ist aber noch nicht vollendet. Wie wir bisher an der sozialen Gesetz gebung gern mitgearbeitet haben, werden wir auch an den noch reichlich vorliegenden weiteren Arbeiten auf diesem Ge⸗ biete uns beteiligen. Immerhin haben die Schultern, die die Lasten der Sozialreform auf sich zu nehmen hatten, schon reichlich daran zu tragen, und es ist doch fraglich, ob sie eine weitere Belastung werden ertragen können. Namentlich der gewerbliche Mittelstand wird von dieser Last bedrückt, und von dem wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Zeit hat gerade er so gut wie gar nichts gehabt, im Gegenteil muß er auch noch aufbringen, was den' Beamten an Besoldungsverbesserung zuteil geworden ist. Ihm gebührt also besondere Berücksichtigung. Daher muß man ihm jede unberechtigte und zum Teil sogar unlautere. Konkurrenz fern halten. In dieser Richtung bewegt sich unsere Resolution: „Die ver— bündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstag einen Gesetzentwurf porzulegen, durch den § 56e der Reichsgewerbeordnung Wander lager) durch eine Bestimmung ergänzt wird, wonach für Ten Betrieb eines Wanderlagers eine besondere Erlaubnis erforderlich ist, die pon dem Nachweis eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig zu machen sist. Das Publikum, zumal die Hausfrauen, werden dadurch zu elner Menge unnützer Einkäufe verleitet, die ihre wirtschaftliche Kraft schädigen, und es erhält Ramschware, die natürlich billiger ist als die reelle, während die Ersteher nur zu leicht geneigt sind, den Preisunterschied dem reellen ansässigen Kaufmann oder Gewerbe⸗ treibenden zur Last zu legen. Daher muß hier die Bedürfniefrage geprüft werden. In den Jahren von 1906— 1908 hat sich die Zahl der Wanderlagerbetriebe um nicht weniger als 69 —– 800 vermehrt. Gewiß sind die Verhältnisse in den einzelnen Distrikten verschieden in Suddeutschland soll ja ein Bedürfnis für die Wanderlager be— stehen. Das könnte den Einelstaaten überlassen werden; aber im preußischen Osten ist eine Einschränkung dieser drückenden Kon— kurrenz dringend votwendig. Auch die Erlangung des Wandergewerbe scheins muß erschwert werden. Eine unberechtigte Schädigung wird dem gewerblichen Mittelstande in der Provinz auch durch den direkten Handel der Grossisten in den Handelezentren nach der Probini zu gefügt. Der direkte Handel, wie er durch Beamte und Beamten bereine getrieben wird, gehört ebenfalls hierher. Das Recht, sich zusammenzutun, um en gros sich Waren kommen zu lassen, darf den Beamten nicht verkürzt werden. Die Beamten lassen aber nur einen Teil für sich kommen und verkaufen den Rest an andere. Das ist unzulässig, und es widerspricht der Würde und dem Ansehen des deutschen Beamtenstandes, einen solchen Handel zu treiben. Solche Auswüchse müssen im Interesse der Beamten selbst bekämpft werden. Eine gesetzliche Vorschrift ist nicht nötig: die Behörden können von selbst Wandel schaffen.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen

(49.) Sitzung, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen heiten D. von Trott zu Solz beiwohnte, die Beratung des Etats des Ministeriums der geist lichen und Unter richtsangelegenheiten bei dem Kapitel „Technisches Unterrichtswesen“ fort.

Zu den Einnahmen bemerkt .

Äbg. Dr. von Woyna kfreikons.): Wir leiden bei uns in Deutfchland an einer Ueberspannung des Baukapitals. Die Holländer bauen viel billiger als wir. Zum Teil liegt dies am Klima. Es ist Aufgabe der Professoren an den Technischen Hochschulen, darauf hinzu⸗ wirken, daß das richtige Verhältnis zwischen Baukapital und dem wirklichen Bedürfnis innegehalten wird. Fiskus und Kommunen geben für Bauten zu viel aus. Es werden Millionen, auch auf dem Lande, für zu kostspielige Bauten vergeudet Die Profefforen müßten Fühlung mit den landwirtschastlichen Organi⸗ sationen fuchen, um auf ein richtiges Verhältnis zwischen den Kosten und der Rentabilität hinzuwirken. Eine weitere Aufgabe der Pro fessoren ist die Pflege der ländlichen Baukunst Man kann piel⸗ fach nicht mehr von einer Baukunst, sondern nur von einem Baugewerbe sprechen. Auf dem platten Lande ist noch manches Schöne im Landschafts- und ästhetischen Interesse zu erhalten. Die Gebäude müssen sich dem Landschaftzs— bilde natürlich einfügen. Von besonderer Wichtigkeit ist die industrielle Verwertung der Moore. Ich habe beantragt, die Staatsregierung zu erfuchen, im nächstjährigen Etat Mittel für die Errichtung eines Laboratoriums zur Erforschung der industriellen Perwertung der preußischen Moore in Angliederung an die Technische Hochschule in Hannover vorzusehen. J

Abg. Macco (nl.) gibt einen Rückblick auf die Entwicklung der Technik, der Aufgaben der Technischen Hochschulen und der Stellung

Justizministeriums zur Beratung.

gemeine Sicherheit ist in keiner Weise bedroht.

des Technikers seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Er verweist

auf die Entwicklung, welche die Technik in ihrer Ausdehnung und.

Bedeutung seitdem genommen hat. Die Verwaltungsbeamten seien heute nicht mehr in der Lage, den an sie herantretenden großen wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben gerecht zu werden, da ihnen die Kenntnis der technischen Vorbedingungen fehle. Von dem modernen Techniker würden heute nicht nur Kenntnis der Technik im weitesten Umfange, sondern auch Kenntnisse auf den Gebieten der Volkswirtschaft, der Sozialwissenschast, des Verwaltungsrechts und der allgemeinen Gesetzgebung verlangt, damit er die Stellung aus— fülle, die ihm zugewiesen wird. Es seh offenbar zurzeit noch Mangel an derartig selbständig arbeitenden Herren vorhanden. Nur dadurch könne die Tatsache erklärt werden, daß einzelne kapital⸗ kräftige Gesellschaften und hervorragende Männer einen so weit— gehenden Einfluß auf große wirtschaftliche Gebiete unseres Vater— landes anstrebten und erhielten. Es müsse deshalb Sorge getragen werden, daß den Anforderungen der Praxis an selbständig denkende und wirtschaftlich unternehmende Techniker entsprochen werde. Dies könne nur durch die Ausbildung sogenannter Verwaltungs⸗ techniker geschehen. Es sei aber in hohem Maße zu bedauern, daß die Ausbildung solcher Elemente nicht unterstützt und gefördert werde. Der Redner verweist auf die Eingaben des Vereins deutscher Ingenieure und stellt dann einen Vergleich zwischen den Auf— gaben der Univpeisitäten und denen der Technischen Hoch— schulen an. Er erinnert an die Anerkennung der Gleich⸗ stellung der beiden Hochschularten durch Seine Maijestät den Kaiser und König bei der Eröffnung der Hochschule in Danzig. Diese Gleichstellung sei aber bisher nicht erfolgt. Die Professoren und Rektoren der kechnischen Hochschulen seien gegenüber denen der Universitäten zurückgestellt. Der Redner kommt alsdann auf das für die technischen Hochschulen nach seiner Ansicht gefährliche Vor⸗ gehen der Eisenbahnverwaltung zurück, die einen sehr mangelhaft ausgebildeten Stand mittlerer Beamten planmäßig den technischen Hochschulen zuführen wolle und für diese ungenügend vor— gebildeten Elemente Leistungen in sechs Semestern verlange, die der Absolvent einer höheren Schule erst in acht Semestern erreichen könne. Schließlich verweist der Redner auf die schon im vorigen Jahre erwähnten Verhandlungen über einen Anschluß der Berliner Berg—⸗ akademie an die Technische Hochschule in Charlottenburg und verlangt im Namen der gesamten daran interessierten Industrie, daß dieser Anschluß nicht in einem Aufgehen in der chemischen Abteilung, sondern in einer Angliederung als selbständige Abteilung geschehen müsse, da nur so das bisherige segensreiche Wirken dieser Hochschule weiter gesichert werden könne.

Abg. Dr. Bell-⸗Essen (Zentr.): Den Anregungen und Vor⸗ schlägen des Abg. von Woyna stimme ich bei, und ich kann mich auch mit den sachkundigen Ausführungen des Vorredners fast durchweg ein— verstanden erklären. Den großen Fortschritten der Technik und der wachsenden Bedeutung unserer technischen Hochschulen wird erfreulicher⸗ weise auch die Staatsregierung in steigendem Maße gerecht. Bei der Einweihung der Technischen Hochschule in Breslau hat auch der Kaiser höchst beherzigenswerte Worte in dieser Richtung gesprochen, in denen er die Bedeutung der Technik in rückhaltlosester Weise würdigte. Die Techniker und die Diplomingenieure kann ich bei ihrem Kampfe ums Recht nur unterstützen. Die technischen Hochschulen und Hochschüler werden gegenüber den eigentlichen Uni⸗ versitäten immer noch zurückgesetzt. Ein großer Teil unserer Stu⸗ denten ergreift immer noch aus dem Grunde die juristische Karriere, weil diese bei weitem die meiste Aussicht für ihre Verwertung in der Praxis bietet; ein nicht unbeträchtlicher Teil der Stu— denten wählt die Jurisprudenz, weil er zu keinem anderen Fache die richtige Neigung empfindet und sich gerade durch die Wahl der Jurisprudenz die spätere Existenz am leichtesten zu sichern hofft. Das muß als bedauerlich bezeichnet werden, denn darunter leidet die ganze Art unseres Studiums wie der praktischen Vorbildung; es leidet darunter sowobl die juristische Fakultät wie die technische Hochschule. Der Studienplan unserer technischen Hochschulen läßt tatsächlich immer noch zu wünschen übrig. Auch Kaufleute, Techniker, Landwirte gehören in die leitenden Stellen der Großbetriebe der Kommunalverwaltung und der technischen Staatsverwaltung. In diesem Sinne haben sich die Techniker und die Diplomingenieure mit Eingaben an den Landtag gewandt. Für kleinere Kommunal verwaltungen wird man ja hin und wieder den Techniker entbehren können; für die Großbetriebe ist dies auf die Dauer unmöglich. Diesem Gesichtspunkte ist in Berlin und in einer Reihe der westlichen Kommunalverwaltungen Rechnung getragen. Dann ist es aber nicht recht und nicht billig, wenn man die Techniker nur als Beamte anstellt und sie von den leitenden Stellen fern hält. Auch den Weg in die staat⸗ lichen Verwaltungen muß man ihnen bahnen. Ein abschließendes Urteil über die in dieser Hinsicht von den Petenten gemachten Vor⸗ schläge unterlasse ich für jetzt; es wird in dieser Beziehung einer ruhigen Entwicklung Zeit zu lassen sein. Immerhin wird der Studien plan so zu gestalten sein, daß diejenigen, welche später in den höheren Verwaltungsdienst eintreten wollen, auch Gelegenheit erhalten, sich mit den einschlägigen Materien zu beschäftigen. In Char⸗— lottenburg ist ein Anfang dazu gemacht worden. In einer großen Verwaltung ist es auf die Dauer unmöglich, ausschließlich Juristen zu beschäftigen; da müssen auch die Techniker und die Kaufleute zu ihrem Rechte kommen. Ich schließe mit dem Wunsche, daß auch unsere Unterrichtsverwaltung mit dem starren Verwaltungssystem der einseitigen Bevorzugung der Juristen brechen und lanasam, aber sicher, zu dem gemischten System vorgehen möge. „Drum soll der Techniker mit dem Juristen gehen, denn beide steh'n auf der Verwaltung Höhen!“

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Ich bin schon früher für die Einführung von Verwaltungsingenieuren eingetreten und freue mich, daß jetzt auch mein Fraktionskollege Bell als Jurist diesen Gedanken unterstrichen hat. Ich lenke ferner die Aufmerksamkeit des Ministers auf die Notwendigkeit hin, die Forschungslaboratorien an den tech nischen Hochschulen weiter auszugestalten. Die Universitäten haben ihre Bedeutung wesentlich dadurch erlangt, daß sie neben dem Unterricht auch die Forschung gepflegt haben. Es ist anzuerkennen, daß die technischen Hochschulen schon vor der Mitte des 18. Jahrhunderts bervorragende Forschungsarbeiten durchgeführt haben, namentlich auf dem Gebiete der Festigkeitslehre. Auch in den Maschinenlaboratorien sind ansehnliche Forschungsarbeiten geleistet worden. Aber die Maschinenlaboratorien sind in erster Linie für den Unterricht be⸗ stimmt und dadurch außerordentlich in Anspruch genommen; sie müssen daher für Forschungszwecke noch weiter ausgestaltet werden.

Die Einnahmen werden bewilligt.

(Schluß des Blattes.)

Nach dem endgültigen amtlichen Wahlergebnis sind bei der Reichstagsersatzwahl am 10. März im ersten hessischen Wahlkreis insgesamt 23516 Stimmen ab gegeben worden. Davon haben der Krankenkassenkontrolleur Beckmann⸗Gießen (Soz.) 7976, der Oberlehrer Dr. Werner Butzbach (wirtsch. Vgg.) 7958, der Pfarrer Korell⸗König städten (fortschr. Volksp.) 5059 und der Professor Dr. Gi sevius-Gießen (nl. 2511 Stimmen erhalten. Zersplittert waren 12 Stimmen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die vorgestern abend abgehaltene Versammlung der Tapezierer meister und Polstermöbelfabrikanten Groß-Berlins (vergl. Nr. 62 d. Bl.) hat sich, der „Voss. Ztg.“ zufolge, mit 200 gegen 50 Stimmen damit einvperstanden erklärt, daß am Donnerstag dieser Woche 1200 organisierte Tapezierergehilfen aus— gesperrt werden. Der Versammlung war folgender Antrag unter

breitet worden: „Wenn bis zum Dienstag abend die Arbeitgeber von

mindestens 1200 Gehilfen sich zur Austzsperrung bereit erklären, so stellt die Arbeitgeberkommission dem Gehilfenverband das Ultimatum, binnen 24 Stunden alle Einzelstreiks und Sperren aufzugeben. Wird diese Forderung innerhalb der gestellten Frist vom Gehilfenverband nicht erfüllt, so werden am Donnerstag früh zunächst 1200 Mitglieder des Verbandes der Tapezierer ausgesperrt.“

Die Gehilfen der Osnabrücker Holzindustrie sind in eine Lohnbewegung eingetreten; eine ihnen gebotene Lohnerhöhung haben sie, der ‚Rhein.⸗Westf. Itg. zufolge, als ungenügend abgelehnt. Die Kündigung ist von den Gehilfen bereits in einigen Betrieben ein⸗ gereicht. Eine Aussperrung steht in Aussicht.

Auf der Zeche „Bergmann“ bei Witten ist, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, die gefamte Belegschaft abermals in den Aus⸗ stand getreten, angeblich, weil die Zechenverwaltung ihre neulichen Versprechungen nicht gehalten habe Dem Vorgehen der Bergleute haben sich die Kesselheizer, Fördermaschinisten usw. angeschlossen, sodaß das ganze Werk stillgelegt ist. Insgesamt befinden sich 350 Mann im Ausstand.

Der Arbeitgeberverband der Düsseldorfer Handelsgärtner hat mit den organisierten Gärtnergehilfen einen auf drei Jahre geltenden neuen Tarif abgeschlossen, der im wesentlichen die Forde rungen der Gehilfen bewilligt.

In der Cölner Möbelschreinerei von Pauly haben nach einer Meldung der „Rhein.⸗Westf. Ztg.! 56 Schreiner die Arbeit niedergelegt, weil ein Mitglied der christlichen Gewerkschaft ein— gestellt worden war.

In Chemnitz, wo 30000 Gießereiarbeiter und Former ausständig sind, trat gestern der Bezirksverband Deutscher Metall— industrieller zu einer außerordentlichen Hauptversammlung zusammen, um zur Lage Stellung zu nehmen. Es wurde, wie die „Chemnitzer Allgem. Ztg.“ mitteilt, beschlossen, wenn die Former und Gießerei⸗ arbeiter am Montag, den 20. März, die Arbeit nicht im vollen Um— fange wieder aufgenommen haben sollten, zunächst die Hälfte noch am selben Tage auszusperren, soweit nicht einzelne Firmen wegen Guß— mangels zu größerer Aussperrung greifen können.

Der Tischlerausstand in Bremen ist, der „Köln. Ztg.“ zufolge, beendet. Ein auf vier Jahre abgeschlossener Vertrag setzt ö * . bei 53, später 52 Stunden wöchentlicher klebe iz zeit fest.

Wie Pariser Blätter melden, hat der Ausschuß des Verbandes der Hafenarbeiter von Frankreich tatsächlich beschlossen, für den Gesamtausstand einzutreten. Die Leiter des Verbandes haben sich bereits nach den Haupthäfen begeben, um für die Ausführung des Beschlusses zu wirken.

Der Ausstand der Arbeiter der Konservenfabriken in Setubal bat laut Meldung des W. T. B.“ auch auf verschiedene Fabriken in Lissabon und den Vorstädten übergegriffen.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.) Kunft und Wissenschaft.

Das Reichspostmuseum bleibt wegen innerer Arbeiten vom 20. März ab für einige Tage geschlossen.

Vorträge im Kunstgewerbemuseum. Die Vorträge des Herrn Dr. Fischel (heute für Lehrer und am Donnerstag über graphische Künste] fallen wegen Erkrankung des Vortragenden aus und werden am Mittwoch, den 22., und Donnerstag, den 23. März, nachgeholt werden. .

An dem nämlichen Tage, an dem Otto Puchstein, dem General⸗ sekretar des Kaiserlichen Archäologischen Instituts, die letzten Ehren erwiesen wurden, erlitt die Archäologie, insbesondere die des alten Orients, einen neuen schweren Verlust durch den Tod des Kustos der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen Dr. Leopold Messerschmidt. Obwohl nur vierzig Jahre alt geworden, hat sich der Gelehrte um seine Wissenschaft bleibende Verdienste durch zahlreiche wertvolle Arbeiten assyriologischen Inhalts erworben, vor allem durch sein Corpus inscriptionum hettiticarum, mit dem er dem archäologischen Forschungsgebiete der nächsten Zukunft, der bettitischen Sprach- und Altertumsforschung, in nutzbringendster Weise Bahn gebrochen hat. Die Generalverwaltung der Königlichen Museen betrauert in dem Verstorbenen einen besonders tüchtigen Mitarbeiter, der sich die Pflege der ihm unterstellten Sammlung vorderasiatischer Altertümer auf das liebevollste angelegen sein ließ.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat auf Vorschlag der Großfürstin Maria Pawlowna, der Präsidentin der St. Petersburger Akademie der Künste, die Akademie den Prinz-⸗-Regenten von Bayern für seine hohen Verdienste um die Förderung der Künste einstimmig zum Ehrenmitglied der Akademie gewahlt.

Bauwesen.

A. F. Der Architektenverein feierte vorgestern sein Schinkelfest unter großer Beteiligung. Quartettgesang der Konzert⸗ vereinigung von Mitgliedern des Königlichen Hof⸗ und Domchors leitete im reich geschmüuͤckten Saale des Architektenhauses den Festakt ein, wie er ihn auch aufs würdigste schloß. Den Jahresbericht er⸗ stattete der Vereinsvorsitzende, Geheimer Baurat Saran. Wie immer, konnte von einer regen und fruchtbringenden Tätigkeit und weiterem Aufblühen des Vereins berichtet werden. Es folgte, von dem Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach persönlich vollzogen und von einer Ansprache an die Empfänger be⸗ gleitet, die Uebergabe der Schinkel-Preise. Den von vielen aus— gezeichneten Lichtbildern begleiteten Festvortrag hielt der Oberingenieur der Continentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen Richard Petersen über „die Verkehrsaufgaben des Verbandes Groß⸗Berlin“. Der Redner führte in 19stündigem Vortrage etwa folgendes aus: Drei für die künftige Gestaltung von Groß⸗Berlin bedeutsame Ereignisse hat das verflossene Jahr gebracht: den Wett bewerb für einen zu entwerfenden Grundplan für Groß⸗Berlin, die Städtebauausstellung und zuletzt den Gesetzentwurf betr. Schaffung eines Zwangszwecksverbandes „Groß ⸗Berlin“. Von dem künftigen Zweckverband werden zwar die heutigen Zuständigkeiten der einzelnen Gemeindeverwaltungen erhebliche Minderung erfahren, aber es wird durch die künftige Selbstverwaltungsorganisation die Möglichkeit ge⸗— schaffen, daß an Stelle der bisherigen Kirchturmpolitik Welt⸗ stadtpolitik getrieben werde. Hierfür den Boden bereitet hat die Städtebau⸗Ausstellung. Sie zeigte, was alles in Groß⸗Berlin bisher versäumt worden ist, und rief das öffentliche Gewissen wach zugunsten einer von sozialen Gesichtspunkten getragenen Bodenpolitik der Gemeinden. Zugleich brachte der Wett⸗ bewerb eine große Fülle von Ideen, allerdings auch eine fast verwirrende Mannigfaltigkeit ganz verschiedener und sich zum Teil gegenseitig ausschließender Richtungen, sodaß ein klares Pro⸗ gramm für die Gesamtanlage der künftigen Weltstadt herauszuschälen, heute noch sehr schwierig ist. Das eine aber ergibt sich aus allen ein— gegangenen Entwürfen, daß die Grundlage aller Arbeiten Verständi⸗ gung und klare Beschlußfassung über die „Verkehrsanlagen“ sein muß. Es ist nun sehr bemerkenswert, daß drei unter den besondere Anerkennung findenden Entwürfen in den Verkehrsfragen von den gleichen Grundgedanken ausgehen und es bei aller Verschiedenheit im einzelnen zum Ausdruck bringen, daß man zunächst die künftigen Er weiterungen der Fernbahnen behandeln müsse, daß sodann die Linien des Vorortverkehrs festzulegen sind, an dritter Stelle erst die inner⸗ städtischen Schnellbahnen, an vierter die Verkehrsmittel der Straßenoberfläche. Es ist ohne weiteres klar, daß Erweiterungen der Fernbahnen zwar zurzeit am wenigsten dringlich sind, ihre Berücksichtigung an erster Stelle aber deshalb notwendig ist, damit die Wege für künftige Erweiterungen nicht durch andere Verkehrsanlagen gesperrt werden. Da die künftige Bevölkerungs⸗

zunahme Groß⸗Berlins nur im heutigen Außengelände untergebracht werden kann, so ist an zweiter Stelle wichtiger als die unter oder

oberirdische Straßenverbindung die Verbindung der Vororte mit dem Zentrum. Der Grundplan für die einzelnen Bebauungspläne der Vororte wird daher als besonders wichtig das Gerippe der Eisen⸗ bahnlinien und die einzelnen Eisenbahnstatsonen enthalten müssen; letztere als Ausgangspunkte der einzelnen Straßennetze der Vororte. Uebereinstimmend mit diesem Gedanken ist in den genannten Entwürfen eine viergleisige Eisenbahnverbindung der süd⸗ lichen Vorortlinien vom Potsdamer Bahnhof aus nach den Vorortlinien des Nordens, Lehrter oder Stettiner Bahnhof, und eine Verbindung des Vorortverkehrs der Görlitzer mit dem der Hamburger Bahn ins Auge gefaßt. Hierdurch würde die alte Stadt⸗ bahn wirksam entlastet und die Möglichkeit geschaffen werden, die landschaftlich bevorzugten Gebiete um Berlin, das Havelufer nördlich und südlich von Spandau und die Seenkette der Oberspree, für die Bebauung zu erschließen. Wird in dieser Art der Potsdamer Platz zum Hauptpunkt des staatlichen Vorortbahnnetzes gemacht, so fallen nun⸗ mehr den innerstädtischen Schnellbahnen die Aufgaben zu, den Teil des Stadtgebietes zu bedienen, der von den staatlichen Vororteisenbahnlinien nicht bedient werden kann. Es ergibt sich hieraus die Schlußfolgerung, den zweiten Hauptverkehrspunkt Berlins, den Alexanderplatz, zu einem Hauptknotenpunkt des Netzes der innerstädtischen Schnellbahnen zu machen, woraus wieder mit Notwendigkeit folgt, daß man das Projekt Moabit —Rirxdorf fallen lassen und Moabit wie Rixdorf anderswie mit der Geschäftswelt verbinden muß. Die innerstädtischen Linien werden natürlich später ins Außengelände zu verlängern sein, aber zur Aufschließung des Außengeländes im Wettbewerb mit den staatlichen Vorortlinien der Kostspieligkeit ihrer Herstellung wegen kaum konkurrieren können.

Nach dieser Darlegung, wie er sich die Entwicklung der Ver⸗ kehrswege Groß⸗Berlins ganz in Uebereinstimmung mit den an⸗ erkanntesten Entwürfen, welche der jüngste Wettbewerb gezeitigt hat, denke, ging der Redner zu Einzelheiten über, die wichtige und im Augenblick zur öffentlichen Erörterung stehende Fragen betrafen, die die Hörer offenbar sehr interessierten, aber an dieser Stelle nur ge⸗ streift werden können. Genannt sei davon die Frage, ob die Strecke Gesundbrunnen Rixdorf als um 60 Millionen Mark billigere Schwebe⸗ bahn oder als 100 Millionen kostende unter⸗ und oberirdische Schnell⸗ bahn zu bauen sei, ob die Straßenbahn durch die Stadt Berlin anzukaufen sei, und im Fall, wie die Verwaltungs⸗ organisation beschaffen sein müsse, ob es nämlich sich nicht empfehle, wenn die Straßenbahn besser noch als an Berlin in den Besitz der im neuen Zweckverbande verbundenen Gemeinden übergehe, sie in der bisherigen Form als Aktiengesellschaft unter der gleichen Leitung be⸗ stehen zu lassen, ob die Frage der künftigen Erweiterungen des Straßenbahnnetzes nicht auf einfache Weise dadurch zu lösen sei, daß grundsätzlich jede Gemeinde die Linien gebaut bekäme und den Straßen⸗ bahnverkehr erhielte, für die sie eine angemessene Zinsgarantie über⸗ nehme u. s. f. Um solchen Aufgaben finanziell gewachsen zu sein, empfiehlt der Vortragende, daß der Zweckverband selber in hin⸗ reichend großem Maßstabe die Aufschließung neuen Baugeländes in die Hand nimmt und auf diese Weise durch eine zusammenhängende vernünftige Verkehrs⸗ und Bodenpolitik der Berliner Bevölkerung auf die Dauer die Grundlagen sicherstelle, um sie wettbewerbsfähig im wirtschaftlichen Kampf mit den übrigen Weltstädten und mit den heranwachsenden Großstädten des Deutschen Reiches zu halten. Unter der großen Zahl der als Lichtbilder vor⸗ geführten Pläne der Verkehrswege auch anderer Großstädte, wie London, Paris und Wien, machte der am Schluß, nach vielen Berliner Plänen, gezeigte Plan von Groß⸗Berlin, wie er der vom Redner empfohlenen Entwicklung entsprechen würde, besonderen Eindruck. Vorgeführt wurden auch eine Reihe der schönsten Berliner Zukunftsbilder aus der Städtebauausstellung, die im Rahmen des Vortrags eine vorzügliche Wirkung erzielten. In ihrer Art wirksam waren auch Bilder, die einmal in die Oede des Hinterhauses Berliner Mietskasernen Einblick gewährten, andererseits freundliche Arbeiterhäuser vor Augen führten, wie sie in entfernteren Vororten schon vorhanden sind. An den Festakt schloß sich nach längerer Pause, die zur Besichtigung der mit Preisen aus⸗ gezeichneten Arbeiten benutzt wurde, ein Festmahl, das die Teilnehmer noch lange vereint hielt.

Theater und Mnufsik. Lessingtheater.

Karl Schönherrs vielgenannte und umstrittene dreiaktige Volkstragsädie Glaube und Heimat“ fand gestern bei ihrer Erstaufführung in Berlin einmütigen und starken Beifall. Der Dichter bietet ein politisch-religiöses Stück, das aber, wie voraus⸗ geschickt sei, trotz seiner Wucht in seiner schlichten Sachlichkeit keinen Andersgläubigen verletzen kann. Schönherr führt in straff dramati⸗ schem Zusammenschluß die Geschichte einiger Bauernfamilien vor, die zur Zeit der Gegenreformation aus ihrer österreichi⸗ schen Alpenheimat vertrieben werden. Das Motiv des Kampfes um Glaube und Heimat beherrscht die Handlung mit Ausschließlich⸗ keit; das verleiht dem Drama eine bemerkenswerte Wucht und Ge⸗ schlossenheit, setzt es aber zugleich der Gefahr einer gewissen Eintönig⸗ keit aus. Der Dichter hat dieser Klippe mit Geschick nach Möglichkeit auszuweichen verstanden, indem er das eine Motiv an verschieden gearteten und individuell fein gezeichneten Charakteren durchführte. Der schwachmütige Sandperger und sein tapferes Weib haben sich offen zum Protestantismus bekannt und sind bereit, ihrem Glauben die Heimat zu opfern. Im Hause ihres Nachbarn, des Rottbauern, sieht es anders aus. Die Rottin ist eifrige Katholikin, der Rottbauer und sein alter Vater nur heimliche Protestanten. Wie in diesem Bauernhause die Glaubenstreue über die Heimatliebe siegt, macht den Kern der Handlung aus. Die Sandpergerin wird erschlagen, als sie den Kaiserlichen Reitern ihre Bibel nicht ausliefern will, an der Leiche des tapferen Weibes wird der Rottbauer zum Bekenner. Der Alt⸗Rott hält sich länger in seiner Heimlichkeit. Er will, um in heimatlicher Erde ruhen zu dürfen, erst im nahen letzten Stündlein seinen Glauben bekennen. Da hört er, daß man die Sand⸗ pergerin auf dem Schindanger verscharrt habe. Nun hält auch den Alten die Heimat nicht mehr. Er bekennt und will wandern, um in der Fremde wenigstens ein ehrliches Grab zu finden. Seine Schwiegertochter hat sich auch sogleich auf die Seite ihres Mannes gestellt. Da will man der Familie ihren einzigen Sohn nehmen; der Unmündige soll in der Heimat zurückgehalten und im katholischen Glauben erzogen werden. Die Mutter will nun mit ihm ausharren, um später mit dem Herangewachsenen dem Vater nachzu⸗ ziehen. Der wilde Bube aber kurchkreuzt diese Pläne, entreißt sich den Reitern, die ihn mit Gewalt zurückhalten wollen, stürzt sich von der hohen Brücke in den reißenden Gebirgsfluß und findet seinen Tod. An der Leiche des einzigen, geliebten Kindes bäumen sich Wut und Gram des Rottbauern zum ersten Male gegen die grausame Obrigkeit auf. Er stürzt sich auf den Reiter des Kaisers, ihn zu erwürgen. Das Wort Christi, das ihn auch seine Feinde lieben heißt, hält ihn aber im letzten Augenblick zurück, er gibt den Reiter frei und zieht mit der Gattin und der Leiche des Sohnes dem greisen Vater nach, sich eine neue Heimat zu suchen, wie dieser sich ein ehrliches Grab suchen ging. Nur im Sandperger unterliegt die Glaubenstreue der Heimatliebe. Er schwört ab und bleibt daheim. Den Reiter des Kaisers aber lassen die Vertriebenen als zwiefach Ueberwundenen zuräck. Der fanatische Verfolger, der doch zugleich stets bereit war, den zur Kirche zurückkehrenden Ketzern als Bruder die Arme zu öffnen, zerbricht vor dem Bildstöckel der Mutter Gottes, der er bisher zu dienen vermeinte, sein blutbeflecktes Schwert und schleudert es zu Boden. Das ist in Kürze die bewußt auf ihr Ziel hineilende, geschlossene Handlung des Stückes, die der Dichter schlicht und mit einfachen Mitteln gestaltet hat. Seine Bauern sind naturwahr, realistisch geschildert. Das gibt dem Drama etwas von bestrickender Wahrheit und doch bleibt dem Hörer die höchste Erwartung unerfüllt. Zwischen Heimat und Glaube wird ein Kampf geführt, in dem der Glaube schließlich über die Heimat⸗ liebe den Sieg davonträgt. Der Dichter aber hat nur die Heimatliebe

kräftig und sinnfällig zu schildern gewußt. Hier konnte er