1911 / 68 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Reg.⸗Bez. Liegnitz, dem Regierungsassessor Freiherrn von Braun die kommissarische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Wirsitz, Reg⸗Bez. Bromberg, dem Regierungsassessor von Hartmann⸗Krey die kommissarische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Wittgenstein, Reg. Bez. Arnsberg, und dem Landrat von Brockhusen in Grünberg die kommissarische Verwaltung des Landratsamts im Kreise Kolberg-Körlin, Reg.⸗ Bez. Köslin, übertragen worden.

Posen, 19. März. Der 43. Provinziallandtag der Provinz Posen ist nach Beendigung seiner Arbeiten gestern vormittag geschlossen worden.

Desterreich⸗Ungarn.

In der vorgestrigen Sitzung des ungarischen Ab eordnetenhauses erinnerte der Abg. Polon yi an die Jubelfeier der Unabhängigkeit Ftaliens und führte, „W. T. B.“ zufolge, aus: . . Ungarn habe besonderen Anlaß, dieser Feier nlcht fernzubleiben,

da ja an der Erkämpfung der itallenischen Unabhängigkeit auch unga— rische Helden mitgewirkt hätten. Er ersuche das Präsidium, Vor— schläge darüber zu unterbreiten, in welcher Weise Ungarn an der Jubelfeier teilnehmen solle. Der Präsident antwortete, er werde in der nächsten Sitzung Vorschläge unterbreiten.

Hierauf interpellierte der Abg. Hollo wegen der Ab— rüstungsfrage im Zusammenhange mit der Rede Sir Edward Greys.

Der Interpellant erklärte, die öffentliche Meinung Ungarns habe die Rede Greys i, aufgenommen und wünsche sehr, daß die Schritte, die in dieser Richtung getan würden, möglichft bald von Erfolg gekrönt sein möchten. Hollo fragte den Ministerpräͤsidenten, ob er geneigt sei, unter Mitwirkung des Ministers des Aeußern geeignete Schritte zu unternehmen, damit im Einvernehmen mit den Bundesgenossen eine weitere Steigerung der Heeres— und Flottengusgaben hintangehalten werde. Der Minister⸗ präsident Graf Khuen⸗-Hedervary erwiderte, die Aus⸗ führungen Greys seien überaus erfreulich nicht nur vom Stand . der angeregten Idee aus, sondern auch deshalb, weil in seinen usführungen gewissermaßen eine Korrektur jener Ansichten enthalten sei, die Grey vor zwel Jahren geäußert habe, und die die Annahme zuließen, als wäre die österreichisch ungarische Monarchle von friedenstsrenden Absichten geleitet gewesen. Die Flottenrüstungen Desterreich⸗Ungarns seien auch keineswegs auf den Wettbewerb mit Italien zurückzuführen; die Entwicklung der Flotte Oesterreich— Ungarns, die eben erst von den Delegatlonen beschlossen worden sei, habe, hauptsächlich das Ziel, die Küstenvertel⸗= digung in ein richtiges Verhaltnis mit den Flottenverstärkungen der südlichen Mächte zu bringen. Irgendwelcher Wettbewerb mit Italien sei ganz ausgeschlossen, da die italienische Flotte ganz andere iele und Aufgaben habe, als die österreichischungarische. Die amt— Üichen Kreise Oesterreich⸗Ungarns und Italiens seien von ihren gegen— seitigen Friedensabsichten und ihrem Willen zum Frieden vollständig überjeugt, und es sei nur bedauerlich, daß in die große öffentliche Meinung, speziell Italiens, diese m ,, zum Frieden nicht durchdringe, hauptsächlich deshalb, weil ein gewisser Teil der italienischen Presse noch immer eine gewisse Beunruhigung hervor— rufe. Zu irgendwelchen Initiativen sei um so weniger Grund vorhanden als Desterreich⸗ Ungarn mit Italien im besten Bundesverhältnisse lebe und neuerliche Abmachungen die Anschauung Tien lassen würden, als wäre Oesterreich⸗ Ungarns bisherige

edengabsicht nicht ernst gewesen. Desterreich-Ungarn sehe freudig, wenn andere Großmächte Europas amtliche Schritte in dieser Frage unternähmen. Wenn ein konkreter Anlaß hierzu für Oestereich⸗ Ungarn vorltegen sollte, so würde es den geeigneten Moment gewiß nicht unbenutzt vorbeigehen lassen. e,, lich sei aber zu einer derartigen Initiative absolut kein Anlaß vorhanden. Der Abg. OHollo erklärte sich mit der Antwort nicht zufrieden, weil er der Ansicht sei, daß, wenn England es für not— wendig erachte, jetzt die Initiative zu ergreifen, eine solche auch zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Italien gerechtfertigt erscheine. Der Ministerpräsident Graf Khuen-Heder vary betonte demgegen⸗ äber nochmals, daß das Verhältnis zwischen England und Deuktsch— land ganz anders sei als zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Italien, zwischen denen eine Vereinbarung bestehe. Er verspreche sich von der offentlichen Erörterung der auf österreichischer Seite bestebenden riedensabsichten einen wohltätigen Einfluß Schließlich erklärte der Ministerpräsident unter lebbaftem Beifall, Oesterreich⸗Angarn wolle mit Italien den Frieden haben.

Die Antwort wurde von der Mehrheit zur Kenntnis ge z 9

nommen. Frankreich.

In dem vorgestern abgehaltenen Ministerrat unter dem Vorsitz des Präsidenten Fallieres teilte der Ministerpräsident Monis nach einer Meldung des „W. T. B.“ mit, daß er in der Kammer bei der Vorlage über die Schaffung eines Unterstaatssekretariats im Justizministerium und der Unter— stellung des Gefängniswesens unter dieses Unterstaatssekretariat die Vertrauensfrage stellen werde. Diese Fragen werden demnächst in der Kammer verhandelt werden.

Nußland.

In der vorgestrigen Sitzung der Reichsduma gelangte der Etat des Wegebauministeriums zur Beratung.

Der Vertreter des Ministeriums führte laut Bericht des W. T. B.‘ aus, es sei ein Programm zur Besserung der Wasser— . ausgearbeitet worden, wofür in den nächsten Jahren zweihundert Millionen erforderlich sein würden. In erster Linie stehe der Bau eines Kanals zwischen den Flüssen Sibiriens und Europas. Im Laufe der Debatte wurde auf die Besserung der Eisenbahnbilan; und auf die Möglichkeit hingewiesen, daß in Zukunft das Budget der Staatsbahnen kein Defizit aufweisen werde. Der Referent drückte die Befürchtung aus, daß die Fortsetzung der jetzigen Politik der Förderung des Privateisenbabhnbaues einen Wettbewerb der Privatbahnen und Staatsbahn zur Folge haben könne, weshalb der Sptimismus in der Frage des Einnahmezuwachses unangebracht sei. Der Referent wieg ferner auf die Mißbräuche und ö der Bahnbeamten hin, die so eingewurzelt seien, daß selbst die zur Verfolgung dieser Mißstände Verpflichteten nicht im stande seien, das Uebel auszu— rotten. Ein Regierungsvertreter erwiderte auf diese Ausführungen, das Ministerium kämpfe ohne Nachsicht gegen die Mißbräuche im Fisenbahnwesen und scheue sich nicht, abst höhere Beamte zur H en zu ziehen und den Gerichten zu übergeben. Eine Besserung sei auch von der moralischen Einwirkung zu erhoffen, die von der Duma ausgehe, von deren Rednertribüne der Aufruf ergehe, dem Vaterlande treu und redlich zu dienen.

Die Duma nahm schließlich alle Positionen des Etats des Wegebauministeriums an.

Die Landesverteidigungskommission der Reichsduma hat vorgestern die Beratung der neuen Wehr— pflichtporlage beendet. Diese bestimmt, daß zunächst die unbedingt Wehrpflichtigen des Reiches einberufen werden und

ö Beruf und ähnliche Gründe ein Anrecht auf eventuelle

fen vom Militärdienst haben. Nach den in der Kom⸗ mission abgegebenen Erklärungen bestanden bisher in Rußland zu viele Ausnahmen von der Wehrpflicht, da die von der 6 pflicht Befreiten in Rußland 45 Proz. der gesamten Wehr⸗ pflichtigen ausmachen, während sie in Deutschland nur 2 Proz. betragen. Durch das neue Gesetz sollen viele Gründe für die Befreiung in Wegfall kommen.

Italien.

In der Deputiertenkammer brachten die Radikalen und die Sozialisten vorgestern den Antrag ein, der mit der Beratung des Wahlreformentwurfs befaßten Kommission einen Termin für die Ueberreichung ihres Berichts zu be—⸗ stimmen. Der Antrag . „W. T. B.“ zufolge, damit be⸗ gründet, daß die Antragsteller in der von der Kommission an— genommenen Tagesordnung Bertolini die Absicht zu erkennen

lauben, daß die Reform auf unbestimmte Zeit vertagt werden . Jene Tagesordnung erklärt eine schnelle Ueberreichung es Berichts nicht für angemessen, weil der gegenwärtigen Kammer ihre Autorität nicht genommen werden solle.

Der Präsident der Kommission führte in seiner Erwide— rung aus, die Kommission sei nach Annahme der Tagesordnung Bertolini bereits in die Generaldiskussion über den in n ein⸗ getreten und betrachte es als ihre Pflicht, der Kammer Gelegenheit zu geben, über das Gesetz zu beraten. Er hoffe, die Kammer werde für die Beendigung der Arbeiten der Kommission keinen Termin festsetzen. Die Abgg. Barzilai und Chimienti erklärten, die Regierun⸗ müsse für die bon der Kommission angenommene Vertagung der n. verantwortlich gemacht werden. Der Ministerpräsident Luzzatti wies den von Barzilai erhobenen Vorwurf zurück, daß die Regierung in der Frage der Wahlreform träge gewesen sei. Er halte eine Debatte über den Zeitpunkt der Ueberreichung des Berichts für un⸗ wesentlich. Die Wahlreform müsse nur so erledigt werden, daß bie neue Kammer auf Grund eines neuen Wahlgesetzes ewählt werden könne. Der Abg. Giolitti erklärte, es sel die d der Kammer, ein Gesetz zu schaffen, durch das das Stimmrecht erweltert werde. Da die Kommission den Entwurf so einbringen wolle, daß die neue Kammer auf Grund des neuen Gesetzes gewählt werden 'önne, so werde er jeder Tagesordnung zustimmen, die der Kommission das Vertrauen ausspreche.

Darauf wurde mit 265 gegen 70 Stimmen eine Tages— ordnung Pozzi angenommen, in der die Kammer von den Erklärungen der Kommission Kenntnis nimmt. Diese Tages— ordnung hat zugleich die Bedeutung eines Vertrauensvotums für die Kommission.

Die „Agenzia Stefani“ veröffentlicht folgende Note:

Da die Mehrheit der radikalen Deputierten in der Frage des Berichts der Kommission für die Wahlreformvorlage in der Deputiertenkammer anders abgestimmt hat als dag Kabinett haben die Minister Sacchi und Credaro dem Präsidenten des Minister⸗ tats den Wunsch ausgesprochen, aus dem Tabinett auszutreten. Infolgedessen hat der Ministerrat unter dem Vorsitz Luzzattis ein⸗ stimmig zu demissionieren beschlossen. Luzzatti hat dle Dem ission des Kabinetts gestern früh dem König überreicht, der sich Bedenkzeit vorbehalten hat. Das Kabinett, das vorläufig noch die laufenden Geschäfte erledigt, wird heute dem Senat und' der Deputiertenkammer seine Demission mitteilen.

c .

Spanien.

Die Regierung hat von ihrem! Geschäftsträger beim Vatikan telegraphisch einen Auszug aus der Äntwort des Vatikans auf die letzte spansche Note erhalten. Wie W. T. B.“ mitteilt, verharpnfsdn. Vat lan nach Andeutungen des , . auf feü em Stan bpunkt, das heißt, er wünscht, daß die Regierung sich mit der Kurie ins Ein— vernehmen setze, bevor sie den Vereinsgesetzentwurf einbringt. Canalejas erklärte demgegenüber, er werde den Gesetzentwurf vorlegen, wie er es wiederholt angekündigt habe.

Türkei. Gestern sind die Finanzkonvention für die zu bauende Eisenbahnlinie El Helif= Bagdad sowie die Kowventionen für die Linie Osmanije —Alexandrette und für die Hafenbauten in Alexandrette nach einer Meldung des „Wiener Telegraphen⸗ Korrespondenzbureaus“ unterzeichnet worden. Nach der Unter⸗ zeichnung der Konventionen gab die Bagdadbahn-Gesell— schaft dem Großwesir die Erklärung ab, daß sie den Bau der Strecke Bagdad Persischer Golf einer neu zu bildenden ottomanischen Gesellschaft überlasse, die Ge— sellschaft stellte aber dafür einige Bedingungen, von denen die wichtigste ist, daß bei der neu zu bildenden ottomanischen Gesell⸗ schaft der Anteil des deutschen Kapitals nicht geringer sei als der Anteil irgend einer anderen nicht ottomanischen Nationalität. Die Deputierten kammer verhandelte vorgestern über das 9 Millionen Pfund betragende Kriegsbudget. In seinem Exposs wieg der Kriegsmintster, wie W. T. B.“ meldet, den Vorwurf zurück, daß die Türkei übertriebene Kriegsaus⸗ gaben mache. Die neue Türkei gebe 53 Millionen mehr für die Land armee aus als das alte Regime. Diese Summe verwende sie für die Neubildung von 1095 Bakaillonen, 44 Feldbatterien, 23 Gebirgs⸗ batterien, O5 Maschinengewehrabteilungen und 53 Gren zkompagnlen sowie für den Reubau von Kafernen in Janina und Adrianopel und für die Befestigung von Skutari in Albanien. Alles geschehe ausschließlich für Verteidigungszwecke. Die Türkei hege keine aggressiben Tendenzen. Der Minister erklärte ausdrücklich die Ge— rüchte, wonach er gesagt habe, daß er nicht beruhigt sei, bevor die türkische Fahne in Sofia und Athen gehißt sei, für salsch. Die Heranztehung der Christen jum Militärdienst habe gute Resultate gezeitigt. Unter Zustimmung der albanischen Deputierten betonte der Minister, daß Albanen ohne die Türkei nicht beftehen und die Türkei sich nur durch Albanien in Europa halten könne, und wandte sich gegen die im Auslande verbreiteten Gerüchte von einem Aufstand in Albanien. Zum Schluß wies der Minister darauf hin, daß die Türkei auf allen Selten von Gesahren umgeben fei und daher für die Armee große Opfer bringen müͤsse.

Griechenland.

Nach einer Meldung der „Agence d Athenes“ ist der Leichnam des zweiten der beiden 1 Soldaten, die am ö. ,. bei Dom enikon von griechischen Soldaten getötet worden waren, und von denen der Leichnam des ersten bereits den türkischen Behörden ausgeliefert worden ist, nunmehr auch gefunden worden. Er ist von der Strömung des Peneios an das Ufer geworfen worden und weist ebenfalls keine Ver— stümmelung noch Spuren von Mißhandlungen, sondern lediglich zwei Schußwunden auf. Serbien.

Nach einer Meldung des „Zvonic“ finden zwischen Belg rad und Cetinje Verhandlungen bezüglich der Beseitigung der

Amerika.

Wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, ist in Gemäß— heit eines vom General Wood, dem Chef des Generalstabs der Bundesarmee, vor mehreren Monaten ausgearbeiten Planes zur Verstärkung der unzureichenden Besatzung von Honolulu das zweite Infanterieregim ent der Vereinigten Staaten nach Honolulu abgegangen.

Die Justizkommission des Senats von Kalifornien hat, die Annahme eines Gesetzentwurfs empfohlen, durch den Asigten vom Landerwerb ausgeschlossen werden.

Die Ratifikationsurkunden zu dem zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Cuba am 23. Februar d. J. abgeschlossenen Abkommen über den Aus tausch von Postanweisungen sind, W. T. B.“ zufolge, am 17. d. M. in Havana ausgetauscht worden.

—Blättermeldungen aus Buenos Aires zufolge ist die Aufstandsbewegung in Paraguay nach einem heftigen Kampfe bei Villa Rosario niedergeworfen worden. Der Diktator Oberst Jara befehligte persönlich die Truppen und errang einen vollständigen Sieg. Die Aufständischen wurden zersprengt, ihr Führer Dr. Riquelme getötet und die übrigen Leiter der Bewegung meist gefangen genommen. Jara gibt zu, 100 Mann und vier höhere Ossiziere verloren zu haben.

Asien.

Die chinesische Regierung hatgestern abendihre Antwort auf die russische Note vom 14. März überreicht. Wie die „Times.“ meldet, ist die Antwort in den freundschaftlichsten und versöhnlichsten Ausdrücken gehalten und gewährt Rußland das Recht, einen Konsul in Kobdo zu ernennen. Die Note räumt ferner den russischen Untertanen das Recht auf den Freihandel in der Mongolei und in den anderen Gegenden außerhalb der großen Mauer sowie im Norden und Süden des Tiänschangebirges für Erzeugnisse jeder Art und jeder Herkunft ein. Was die Wiedereinfuhr chinesischen Tees aus Rußland . so erklären die Chinesen, daß dieser Handel nach wie vor dem im Jahre 1907 in Tschugutschak von dem russischen Konsul und dem chinesischen Taokai unterzeichneten Abkommen unterliegt, dessen Artikel 3 die Bestimmung trifft, daß der Tee ein ureigenes Erzeugnis Chinas sei und zum r n des Verkaufs nicht nach China wieder eingeführt werden ürfe.

Afrika.

Der König von Sachsen ist, „W. T. B.“ zufolge, mit dem Generalgouverneur des Sudan Sir Reginald Wingate von seinem Jagdausflug nach dem Süden gestern nach Chartum zurückgekehrt.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ sind in Tanger briefliche Nachrichten aus Alkassar eingetroffen, denen zufolge die Mahalla des Sultans durch die auf— rührerischen Stämme, die neuen Zuzug erhalten haben, heftigen Angriffen ausgesetzt ist. Die Beraber machten dicht vor den Toren von Fes Beute und haben die in der Nähe von Fes gelegene Stadt Sefru geplündert und zerstört. Mekines soll umzingelt sein.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen G63.) Sitzung, welcher der Minister für Landwirtschaft, n mänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlem er bei— wohnte, die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1911 bei dem Spezialetat der Lotterieverwaltung fort.

Berichterstatter ist Abg. von Arnim-⸗Züsedom.

Zu dem Titel der dauernden Ausgaben für die Gewinn proyvision der Lotterie einneh mer spricht

Abg. von Ditfurth (kons.) den Wunsch aus, daß bei der Ver— gebung von Lotterieeinnehmerstellen die pensionterten Offiziere noch mehr als bisher berücksichtigt werden möchten; selbst weniger einträg⸗ liche Stellen würden die Lage mancher diefer Offiziere erleichtern. Daß die Kaufleute sich besser für ein solches Geschäft eigneten, sei nicht ohne weiteres anzuerkennen.

Präsident der Generallotteriedirektion Bonnenberg: Die pensionierten Offiziere werden schon jetzt mit allem möglichen Wohl— wollen bei der ,. der Lotterieeinnehmerstellen berücksichtigt. Es sind jetzt 21 Stellen über die vorgeschriebene Jahl hinang mil Offizieren besetzt.

Der Etat der Lotterieverwaltung wird genehmigt.

(Schluß des Blattes.)

Nr. l3 des Zentralblatts für das Deutsche Reich“, heraus gegeben im Reichßamt des Innern, bom 17. März hat folgenden Inhalt: L Konsulatwesen: Bestellung; Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstandshandlungen. ?) Gisenbahnwesen: Ergänzung des Ver— zeichnisses der zur Ausstellung von Leichenpässen ermächtigten Kaiser— lichen Vertretungen. 3) Zoll- und Steuerwesen: Bekanntmachung zur Ausführung des Gesetzes, betr. den Spielkartenstempel; Zulassung eines zollfreien Veredelungsverkehrs mit ausländischen gebleichten Baumwollgeweben; Zulassung eines zollfreien Veredelungsverkehr mit im Inland hergestellten rohen Geweben aus Seide; Zulaffung eines zollfreien Lohnberedelungsverkehrs mit ausländischen Kleider- und Futterstoffen; Veränderungen in dem Stande und den Geschäfts—= bezirken der Erbschaftssteuerämter und der Oberbehörden; Verände— rungen in dem Verjeichnis der im Ausland zur Ausstellung von Zeugnissen über die chemische Unterfuchung von zollbegünftigten Geib— stoffauszügen ermächtigten wissenschaftlichen Fachanstalten; Aenderungen der Branntweinlagerordnung; Aenderungen der Brennereiordnung; 4) Polijeiwesen: Answeisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Statistik und Bolkswirtschaft.

Deutscher Außenhandel im Februar 1911.

Nach dem Februarheft der vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen „Monatlichen Nachweise über den auswärtigen Handel Deutschlands“ betrug die Einfuhr im Februar d. J. 44 573 739 42 Warengewicht, 14 651 Pferde usw. und 29 Wasserfahrzeuge gegen vorjährige 36 109 131 dz. 14831 Pferde usw., 21 Wasserfahrzenge und 94 957 Uhren, welche letztere 1911 im Gewicht mitenthalten sind, die gleichzeitige Ausfuhr 46762 424 47, 356 Pferde usw., 60 Wasserfahrzeuge gegen 37148 315 z, 6535 Pferde usw., 37 Wasser⸗ fahrzeuge und 18 6435 Ühren im Vorjahre.

best ehen den Differenzen statt, über deren Ergebnis der serbische Gesandte in Cetinje Petkovic, der gegenwärtig in

dann erst diejenigen, die durch ihr Familienverhältnis,

Belgrad weilt, dem König Peter Bericht erstattet habe.

Im Januar und Februgr d. J. zusammen betrug die Einfuhr S6 685 153 da, 26 905 Pferde ufw. und 49 Wasserfahrzeuge

gegen vorjährige 78 85l 900 da, 25 480 Pferde usw. und hi Wasser⸗

ahrjeuge, hiernach an Gewicht fast 8 Millionen Doppelzentner mehr, 8 der Hauptanteil auf. Erzeugnisse des Acker, Garten, und Wiesenbaues und auf Erze, Schlacken, Aschen entfällt, die Ausfuhr 91 033 563 de, 1117 Pferde usw. und 115 Wasserfahrzeuge gegen 74 450 953 dz, 1297 Pferde usw. und 68 Wasserfahrzeuge im Vorjahre, hiernach an Gewicht 169 Millionen Doppeljentner, mehr, wovon über 11 Millionen auf fossile Brennstoffe, fast ] Millien auf Er eugnisf landwirtschaftlicher Nehengewerbe und je über 1 Million auf Erden und Steine, auf 2 ö. pharmazeutische Erzeugnisse, auf Eisen und Eisenlegierungen entfallen. .

si Wen erreichte im Februar d. Ir in, der Cin fuhr 127 Millionen Mark an Waren und 17,‚4 Millionen Mark an Gdelmetallen gegen 662,5 und 36,1 Millionen Mark im Februgr 1910, in der Ausfuhr 634,4 Millionen Mark an Waren und 5. Millionen iMark an Edelmetallen gegen 580,) und 16 Millionen im Vorjahre, m Januar und Februar d. J. zusammen in der Einfuhr 143832 Millionen Mark an Waren und 37,8 Millionen an Edel metallen gegen 1397,5 und 492 Millionen im Vorjahre, hiernach gegen 1916 im ganzen 2838 Millionen Mark mehr, in der Ausfuhr 1337, Millionen an Waren und 19,7 Millionen an Edelmetallen gegen 116,9 und 22,4 Millionen Mark im gleichen Zeitabschnitte des Vorjahres, hiernach 108.5 Millionen Mark mehr.

Zur Arbeiterbewegung.

Im Berliner Tapezierer⸗ und Dekorationsgewerbe haben Lohn und Tarifstreitigkeiten stattgefunden, in deren Verlauf der Verband der Tapezierergehilfen über eine Reihe von Werkstätten den Streik verhängt hat. Der Arbeitgeberschutzverband der Dekorations⸗ und Tapeziererbetrlebe für Berlin und Umgegend (Vorsitzender Mar Ball) hat daraufhin, wie die. Voss. Ztg. erfährt. die Jus sperrung sämtlicher organisierten Gehilfen für alle Betriebe gig fene, Bis gestern 6 nach den vorliegenden Meldungen 875 Gehilfen zum Teil in den Ausstand getreten, zum Teil ausgesperrt worden. Innerhalb der nächsten Tage ist die Aussperrung von weiteren 500 Gehilfen, die zurzeit noch mit Akkordarbeiten beschaͤftigt sind, mit Sicherheit zu er⸗ warten. (Vgl. Nr. 64 d. Bl.) .

Bel einer gestern von den Transportarbeitern in Hull veranstalteten Kundgebung erklärte, wie W. T. B.“ meldet, der Sektetär des Seemannsverbandes Havelock Wilsons, die See⸗ leute und Heizer von Großbritannien, Norwegen, Schweden, Dänemark, Holland, Belgien und der atlanti⸗ schen Küste Amerikas hätten sich bereits über Tag und Stunde geeinigt, wo gleichzeitig die Arbeit niedergelegt werden solle. Dann wolle man einmal sehen, wo die Reeder Streikbrecher hernehmen würden. (Vgl. Nr. 95 d. Bl.) .

In Toulon mißhandelten,; W. T. B.“ zufolge, aus— ständige Dockarbeiter zwei aus Marseille eingetroffene Hafen⸗ arbeiter und warfen einen von ihnen ins Meer. Er wurde von Matrosen aus dem Wasser gezogen, lehnte es aber ab, Strafanzeige gegen seine Angreifer zu erstatten .

Aus Lissabon wird dem . W. T. B. telegraphiert: Die Ver⸗ treter der Arbeitersyndikgte haben beschlossen, gegen die Er= eignisse in Setubal! zu protestieren und die Wiederanstellung der entlassenen Arbeiter zu fordern. Sie haben sich aber nicht für eine Arbeitseinstellung entschieden. (Vgl. Nr. 67 d. Bl.)

Kunst und Wiffenschaft.

Die Archäologische Gesellschaft zu Berlin nahm in ihrer Fe⸗ bruarsitzung, die an Stelle des erkrankten Geheimrats Professor Dr. von Kekule der jweite Vorsitzende Professor Dr. Trendelenburg leitete, zu⸗ nächst einige Vorlagen entgegen. So zeigte Professor Dr. Pomtow ein im Maßstab ven 1: 25 gearbeitetes, aus Holz und Papiermachs hergestelltes Modell der Delphischen Tholos, das eine lebendige und lehrreiche Anschauung des schönen Rundbaues gibt. rofessor Dr. Freiherr Hiller von Gazrtringen legte die kürzlich erschienenen beiden ersten Blätter der Karte des westlichen Kleinasiens von Pro— fefsor Alfrede Philippson vor. Philippson, der zu Ostern als Ordi⸗ narfus für Geographie von Halle nach Bonn übersiedelt, hat die Karte, die im Verlage von Justus Perthes in Gotha erscheint, mit Unterstützung der Wentzel⸗Heckmann⸗Stiftung der Berliner Akademie aufgenommen. Es ist gerade der die Archäologen am meisten interessierende Teil des westlichen Kleinasiens, den die beiden ersten Blätter bringen; der Teil von den Geftaden des Marmarameeres bis zur Mündung des Maiandros, also die aeolische und der größte Teil der ionischen Küste mit den Inseln Lesbos und Chios. Cel henbend für den hohen Wert der Arbeit ift nicht nur die Länge der aufgenommenen Routen (etwa Sl00 km), sondern vor allem auch das glänzend geschulte Auge, die unermüdliche Ausdauer und die unvergleichlich Plastische Darstellungs— gabe Philippsons in Bild und Wort. Durch zweierlei kann man ihn als seinem großen Vorgänger Heinrich Kiepert überlegen bejeichnen: erstens durch feine gründliche naturwissenschaftliche, insbesondere geologische Vorbildung, die ihn aber nicht hindert, auch auf alles Historische und Menschliche zu achten, und jweltens durch den glücklichen Umstand, daß er einen Kiepert als Vor⸗ gänger und zwar gerade auf dessen eigenstem Lieblingegebiete hatte. So werden die Karten von Kiepert und Philippfon zwei erfreuliche Etappen auf dem Wege der deutschen kartographischen Erforschung Kleinasiens bleiben. Professor Dr. Brueckner legte einige litera— rische Neuigkeiten vor, so das Hermann Diels gewidmete Buch von Ernst Samter, Geburt, Hochzeit und Tod; Beiträge zur ver⸗ gleichenden Volkskunde. Ferner jeigte er den gefärbten Abguß der griechischen Bronzestatuette eines nackten Mädchens, das kürzlich in den Besitz des Münchener Antiquariumg übergegangen und von Sieveking im Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst (1910, 1) veröffentlicht worden ist. .

Die beiden Vorträge des Abends behandelten die . einer Bereisung Arkadiens, die die Herren Professor Dr. Freiherr Hiller von Gaertringen und Dr. Lattermann vom März bis Juni vorigen Jahres (19106) gemeinsam unternommen haben. Der eigent⸗ liche Zweck der Reise war die Neuaufnahme der griechischen. In⸗ schriften Arkadiens für das von der Berliner Akademie der Wissen⸗ schaften herausgegebene große Sammelwerk der Inscriptiones Graecae gewesen; doch sind die Inschriften gerade in Arkadien seltener, sodaß sich die Dauptaufgabe etwas verschob, und der Boden des Landes und seine Ueberreste alter Städte Burgen und Heilig⸗ tümer den wesentlichsten Teil der wissenschafttlichen Arbeit bean⸗

spruchten Herr Professor Dr. Freiherr Hiller von Gaertringen.

stigzierte in großen Zügen die Grundlagen und die Hauptprobleme der arkadischen Landeskunde in geographischer, historis er und religions⸗ geschichtlicher Beziehung. Er schilderte zunächst das Land, die größte und zentralste der peloponnesischen Landschaften: das „geschlossene tkadien“, wo die Wasser nur unterirdischen Abfluß durch die Katawotbren finden, mit den Ebenen von Tripolitsa. Orchomenos, Stymphalos und Alea in diesen Ebenen entstanden die ersten Slädte, vor allem Teg-a und Mantineia, die sich aber durch ihre Rivalität gegenseitig paralysierten und es zu einer wirklichen Einigung nicht kommen ließen —, und das „offene Arkadien“, daß sast ganz von Rergen erfüllt ist und vom Alpheios und seinen großen Nebenflüssen Ladon und. Erymanthos. Nurch⸗ flossen wird. Hier in Arkadien hielt sich, durch die Natur des Landes beguͤnfsigt, länger als anderswo die alte Stamm- derfassung, der Anfang aller griechischen Geschichte. Erst die Niederlage Spartas bei Leuktra (371 v. Chr.) bewirkte eine, Zu⸗ sammenztehung aller noch vorhandenen Stammreste in die einzige großere Ebene und die Erbauung einer b0 Stadien (96 km) im lim ange messenden Großstadt Megalopolis, die im Jahre nach der Schlacht von Mantineia (352 v. Chr.) durch den Thebaner Pammenes vollendet wurde. Eg ergibt sich daraus ein wichtiges, ton der Kritik icht immer genügend beachtetes chronologisches Merkmal:; alle lympioniken, die mit Stammnamen genannt werden, und alle

unden, die noch Stammnamen anwenden es kommt hier wesentlich der Beschluß für den Athener Pbylarchos in Betracht, den noch heutzutage manche Forscher in das dritte Jahrhundert

setzen fallen noch vor den Herbst des Jahres 361 v. Chr. Arkadien stellt, ußer der epigraphischen Aufgabe, die leider noch klein ist, vor allem zwei H, Aufgaben. Erstens eine topographisch⸗ historische; sie muß eine Vervollständigung der vorhandenen einzelnen lokalen Arbeiten anstreben, unter denen die der französischen Expedition de Morée (Paris 1831 —= 38), die neueren Untersuchungen und Auf⸗ nahmen der Franzosen Fougäres und Bérard in Mantineia und Tegen, von Loring in Megalopolis und an anderen Orten sowie die unseres Oberleutnants Graefinghoff im westlichen Arkadien (im Anschluß an Triphylien) besonders zu rühmen sind, und elne Aufnahme aller wichtigeren Plätze zum Ziele haben, um dann auf dieser Grundlage eine neue erklärende Ausgabe der Arkadika des Pausanias mit allem kartographischen Material und vollständigem historischen Kommentar aufzubauen. An einigen Punkten hat Herr Lattermann in diesem Sinne gearbeitet; es ist aber noch sehr viel zu tun übrig. Die zweite große Aufgabe betrifft die Religions eschichte. Auch literarisch ist sie das Hir fe tete und wichtigste Problem. Denn kaum andertwo in Griechenland hat sich in Religion wie im Dialekt so viel vom Primsltiven, das dann noch schriftlich für die Nachwelt festgelegt worden ist, erhalten wie in Arkadien. Seine beiden Götter⸗ berge, die der Vortragende auch in Lichtbildern, Aufnahmen Latter— manns, vorführte, sind im Südwesten das Lykaion (14290 m), ursprüng⸗ lich der Berg des Pan, später, schon zu Alkmans Zeit Gwelte Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr), des Zeus, mit dem Hippodrom an seinem Abhange, und im Nordosten die hohe Kyllene (2374 m), in deren Mittelfurche eine Tropfsteingrotte liegt, die 1871 von Griechen aus der Nachbarschaft entdeckt und 1874 von Gustav Hirschfeld in unserer Gesellschaft besprochen worden ist. Diese Grotte könnte die berühmte Grotte des Hermes sein, in der nach der Kult-Sage Zeus der auf der Kyllene lokalisierten Bergnymphe Maig, der Tochter des Atlas, genaht ist, und diese den Hermes geboren hat, der ja schon seit Homer vielfach der Kyllenier heißt. Aber, mit Gewißheit läßt sich das nicht ausmachen, denn die an den Wänden der Grotte eingeritzten Namen brauchen nicht für einen Kult zu zeugen, sondern sind eventuell nur dafür beweiskräftig, ch man schon im Altertum die Grotte als ein Naturwunder besucht hat, etwa wie die bekannte Grotte auf der Insel Antiparos Oliaros) in der sich vom Altertum an bis auf den Marquis de Nointel (1673), den mächtigen und glänzenden Botschafter Ludwigs XIV. in Konstantinopel, zahlreiche Reisende verewigt haben, oder wie die Goldgrotte auf der Insel Pholegandros, in der sich ein vornehmer Römer, ein Cornelier, mit seiner ganzen Reisegesellschaft inschriftlich die Unsterblichkeit gesichert hat. Weiter besprach der Vortragende die in Arkadien besonders oft vorkommenden tiergestaltigen stheriomorphen) Götter und gedachte der Hermenform, deren Häufigkeit schon Pausanias als für Arkadien bezeichnend auffiel. Eine besondere Rolle in der arkadischen Religions⸗ geschichte spielt die im Südwesten der Landschaft in der Nähe des Ly kaiongebir ges gelegene uralte Pelaegerstadt Lykosura, die für die älteste Stadt der griechischen Welt galt. Im ausgehenden 3. Jahrhundert v. Chr., nach einer Inschrift schon zur Zeit des Lydiadas, des Tyrannen von Megalopolis und nachherigen r Strategen, der 226 v. Chr. fiel, kam hier der Despoinakult in ufschwung, nachdem, wie es heißt, von Eleusis her der Kult der großen Göttinnen Despoina und Kora in Lykosura wie in Megalopolis eingeführt worden war. Die Nach⸗ blüte Arkadiens unter Philopoimen, dem „Letzten der Hhellenen (t 183 v. Chr), die noch in der Rolle des Historikers Polybios (205 - 120 v. Chr.) nachwirkte, gab diesem Kulte einen besonderen Glanz, dessen künstlerischen Ausdruck der Bildhauer Damophon von Messene im 2. Jahrhundert v. Chr. schuf, indem er für das Heiligtum von ykosura die von Pausanias geschilderte große Kultgruppe der Göttinnen Despoina, Demeter, Artemis und des Titanen Anytos arbeitete, von der bei, den griechischen Ausgrabungen (1889) erhebliche Reste, namentlich die Köpfe, ge— funden worden sind (jetzt im Nationalmuseum zu Athen), Lykosurag Glanz griff auch nach dem benachbarten Messenien über. Dort entstand in und für das dicht bei der grkadischen Grenze gelegene Andanig, dessen Kultusordnung in dem Mysteriengesetz vom Jahre 33 v. Chr. uns inschriftlich erhalten ist, ein merkwürdiges historisches Erbauungsbuch, das dem hebraischen Priesterkoder am nächsten ver⸗ gleichbar sein möchte: eine Bearbeitung der alten messenisch arkadischen Geschichte vom Standpunkt des Kultes der großen Göttinnen von Andania aus, anscheinend schon gekannt von Polybios und ausgiebig benutzt von Pausanias in seiner Geschichte der messenischen Kriege. Den Beschluß des anregenden Vortrags machte daz von L. Gurlltt 1880 an der Stelle des alten Kleitor im nördlichen Arkadien ge⸗ fundene, später von Milchhöfer richtig erkannte, von vielen Gelehrten mit Unrecht bezwelfelte Relief des Historikers Polvbios, das leider jetzt sehr zerstört, aber durch einen im Berliner Museum befind⸗ lichen Gipsabguß erhalten ist. Die , , sichert, wie Dittenberger und jetzt wieder Wilamowitz gesehen haben, die Milchhöfersche Deutung gegen alle aus Tracht. und vermuteter Porträͤtunähnlichkeit hergeleiteten Zweifel Daß übrigens die Erhaltung der Altertümer in den zugänglichen Teilen Arkadiens besser und vielfach sogar, zumal in Tegea, geradezu musterhaft ist, wurde vom Vortragenden mit Dank gegen die griechische Verwaltung um so nachdrücklicher hervorgeboben. . Im Anschluß an die den großen Zusammenhängen und methodi— schen Gesichtspunkten nachgehenden Ausführungen des ersten Vor— tragenden gab Herr Dr. Lattermann sodann einige Proben seiner speziellen lokalen Untersuchungen. Er sprach über Drchomenos, die diesem tributpflichtigen Städte (aurredgßda. z6εις) Methydrion, Thisoa und Teuthiz, und über Kaphyai und erläuterte seine Ausführungen durch eine größere Zahl von ihm aufge⸗ nommener Pläne und Photographien. Orchomenos, eine der ältesten und bedeutendsten Städte Arkadiens, tritt in die Geschichte ein als Sitz des Königs Aristokrates, durch dessen Verrat die Messenier im sogenannten jwelten Messenischen Kriege (um 630 v. Chr.) unter— legen sein sollen. Damals muß sich das Orchomenische Reich weit nach Südwesten, nach Messenien zu, erstreckt haben. Auch nachdem im 5. Jahrhundert v. Chr. Mantineia sein Gebiet wesentlich erweitert hatte, blieben doch die genannten drei Städte des mittleren und süd⸗ westlichen Arkadiens Orchomenos tributpflichtig, bis ihre Bewohner zur Teilnahme an dem großen Synoikismog von Megalopolis (um 370 v. är gezwungen wurden. Aber Orchomenos selbst blieb durch seine beherrschende Lage an der großen Straße, die von Sparta über Tegeag und Mantineia nach Stymphalos und dem Isthmos von Korinth führte, und durch 6. starken Mauern auch in den wechselvollen Kämpfen der hellenistischen Zeit stets l strategischer Stützhunkt, und dank, seinem reichen Boden blü te es unterhalb der Altstadt bis tief in die Kaiserzeit hinein. Trotz dieser ihrer Bedeutung waren die Stadt und ihr Machtbereich bisher noch nicht genügend erforscht worden. Ale Ergebnis einer achttägigen Veimessung legte der Vortragende einen großen, auch die südliche Ebene ganz umfassenden Situationsplan und einen Spezialplan der Burg (im Maßstabe von 1: 18500) vor. Der 936 m hohe Berg hat etwa zur Zeit des Epaminondas einen einheitlichen starken Mauer ring mit über 30 viereckigen Türmen erhalten; das Innere durch— ziehen zahlreiche Terrassenmauern verschiedener Zeit; auch der alte Markt mit den Resten großer Säulenhallen läßt sich noch unter scheiden. Von der schwachen Mauer, die nach Angabe deg Thukydides schon im peloponnesischen Krieg, bestanden hat, ist eine sichere Spur nicht mehr nachzuweisen, Erheblich sind dagegen die meist aus Marmor bestehenden Reste der jüngeren Stadt südlich und westlich unterhalb des Mauerringes. Hier und oben auf dem Markt würden . lohnen. Sorgfältige Pläne hat der Vortragende ferner von Methydrlon und Thisoa ö Methydrion lag 1090 m hoch im Herzen Arkadiens, ähnlich unserem Münden, an der Vereinigungsstelle zweier Quellflüsse, wovon es auch seinen Namen hat;: die große Straße vom korinthischen Isthmos nach Olympia führte hier vorüber. Die Reste der starken Türme und Mauern scheinen dem 5. Jahrhundert anzugehören. Der von Pausanias genannte Poseidon⸗Tempel lag offenbar wenige Minuten süuͤrlich der Stadt an dem westlichen Flusse, der dann Mylaon zu benennen wäre. Im Osten erhob sich über dem anderen Flusse, dem

ein nig

Ein Tempel mitten in der Stadt wird für Zeus in , zu nehmen sein; eine bronzene Zeusstgtuette (jetzt im Nattonal-

museum zu Athen) hat sich dicht an der Stadtmauer gefunden. Eine

gute halbe Stunde westlich von Methydrion gabelte sich die alte

Straße; südwestlich führte sie nach Thisoa und Reuthis, nordwestlich

nach Thelpusa. An dieser Gabelungsstelle lag ein Kalñstein⸗

tempel von 25 * 50 griechischen Fuß, der wohl dem Wegegott

Hermes geweiht war. Eine kleine Ausgrabung lehrte, daß hier in

hellenistischer Zeit ein älterer Tempel erneuert worden ist; es kam in⸗

teressanter Terrakottaschmuck zutage, u. a. ein rundes Firstakroter

mit ausgezacktem Rande. In der Nähe fand sich eine merkwürdige

Bronzegruppe (gleichfalls jetzt in Athen von vier widderartigen auf⸗

rechten Gestalten, die eng verbunden im Krelse tanzen, wohl zu

Ehren des uralten arkadischen Widdergottes Hermes. Von

hier aus führte die südwestliche Straße (heute Chaussee

nach Dimitsan) über grüne Matten und durch prächtig

bewaldete Schluchten nach Thisoa am Lusioz. Ueber

Thisoas Lage kann nach den Angaben des Pausanias

kein Zweifel sein; sie ist auf der Karte der französischen kx pédition

de More danach auch richtig eingetragen. Auf einem steilen, 10590 m hohen Berg, der sich über einer ziemlich geräumigen Ebene erhebt und nur im Süden mit den rückwärtigen Höhen verbunden ist, finden sich ansehnliche Reste einer alten Befestigung, die die Straße und die fruchthare, vom Lusios (auch Gortynios genannt) durchströmte Ebene beherrschte. Teuthits wird wohl mit Recht an der Stelle den heutigen Dimitsang gesucht, wo sich mitten . den Häusern ein Mauserstück üyklopischer Bauart erhalten hat. aneben finden sich dort auch Reste einer jüngeren Befestigung, die vielleicht erst aus den späteren Jahren des achälschen Bundes (i54 146 v. . stammt, als Methydrion, Thisoa und Teuthis für kurze Zeit ihre Sel ständigkeit wiedererlangt hatten. Im Gegensatz zu diesen drei Städten hat Kap hyai, das im nordwestlichen Winkel der etwas tieferen nördlichen Ebene von Orchomenos liegt, trotz der nahen Nachbarschaft des mächtigeren Orchomenos seine Selbständigkeit zu wahren gewußt, was der Stadt gewiß durch die Eifersucht von Megalopolis⸗Mantineia gegen Orcho⸗ menos erleichtert wurde. Der von Osten her kommende Fluß, der auch den Abfluß der südlichen Ebene aufnimmt, wird durch eine leichte Schwellung der Ebene nach Süden, der Katawothre zu, abgelenkt: dadurch entsteht eine von Ueberschwemmungen freie, geräumige Sonderebene, die im Osten durch den Fluß, im übrigen durch Ge⸗ birge mit leicht zu deckenden Pässen geschützt wurde. Parallel zu dem Flusse, an seinem linken Ufer, hatten die Kaphvaten als Grenzmarke und zur Regulierung der Ueberschwemmung einen Damm gezogen, inner⸗ halh dessen das Wasser durch ein Netz von Kanälen verteilt und nutzbar ge⸗ macht wurde. Die Stadt hat nach dem Befund von Mauern und Türmen sicher im Nordwesten der Ebene gelegen; im Südwesten, wo sie bisher meist angesetzt wurde, und wo ein niedriger befestigter Fels unvermittelt aus der Ebene aufragt, wird das Heiligtum der Artemis pon Kondylea zu suchen sein. Für das andere Heiligtum der Artemit lmit dem Beinamen vom Berge Knakalos) kommen vielleicht alter⸗ tümliche Trümmer in den nordöstlichen Vorhergen, eine Viertelstunde von der Stadt beim heutigen Dorfe Kato⸗Agali, in Betracht. Mit dem Wunsche, daß Arkadien mehr als bisher systematisch bereist und ln werden möge, schloß der Vortragende seine anregenden Aus⸗ führungen.

Die Generalverwaltung der Königlichen Museen hat die solgende Besuchsordnung für die Königlichen Museen in Berlin im Sommerhalbjahr festgesetzt: 9

Das Alte, Neue, Kaiser Friedrich und Kunstgewerhe⸗Museum, das Museum für Völkerkunde sowie die Sammlung für deutsche Volkskunde sind an den Sonntagen und an den jweiten Tagen der höheren Feste im April bis September von 12 bis 6 Uhr geöffnet. Montags bleiben die Museen wegen der Reinigung geschlossen; aus⸗ genommen hiervon ist das Museum für Völkerkunde, das Montag; geöffnet und dafür Dienstags geschlossen wird, damit wochentags stets eines der Museen an der Königgrätzer und Prinz Albrecht⸗Straße dem Publikum zugänglich ist. An den übrigen Wochentagen werden die Museen um 19 Uhr Morgens geöffnet und um 4 Uhr geschlossen, nur im Kaiser r. Museum erfolgt auch wochentags die Schließung zu denselben Zeiten wie an den Sonntagen.

Die Bibliothek des Kunstgewerbe⸗Museums ö wochentags von lo bis 10 Uhr geöffnet. . ;

Am Karfreitag, am Himmelfahrtstag und am ersten Oster- und ersten Pfingstfeiertag bleiben die Museen geschlossen. ; ö

Der . der Museen ist unentgeltlich bis auf das Kaiser Friedrich⸗Museum, in dem Dienstags und Mittwochs 50 4 Eintritts⸗ geld erhoben werden.

Die 1869 zu Brgila gegründete Schriftstellervereinigung feierte, wie W. T. B. aus Sofia meldet, gestern in Gegenwart des Königs und der Königin sowie des Unterrichtsministers ihre . in eine Akademie der Wissenschaften. Die neue Akademie umfaßt drei Abteilungen und jählt 45 Mitglieder. Zum Präsidenten wurde Geschow gewaͤhlt.

Bauwesen.

Die Zeitung für Wahnbau, Wehrbau und Städtebau, der Burgwart', das Organ der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen, wird in seinem gegenwärtigen XII. Jabrgange eine erhebliche Erweiterung seines Studiengebietes erfahren. Wie der Titel sagt, wird er sich mit allen Fragen der Baukunst beschäftigen, ohne ee. das bisher gepflegte Een ergebiet der Burgenkunde ju vernachlässigen. Die Zeitung ist aus dem bisherigen Verlage an den Burgverlag“'. G. m. b. H., übergegangen, der von kunstliebenden Mitgliedern der Vereinigung gegründet ist, um dem Blatte einen größeren Wirkungskreis zu schaffen. Namentlich wird sich die Zeitung mehr als bisher mit der künstlerischen Seite des Wohn- und Städte⸗ baues beschäftigen und auch im Umfang und in der Art der Aus stattung durch Kunstblätter eine bereicherte Form annehmen. Die Zeitung geht wie bisher den Mitgliedern der Vereinigung zur Er⸗ Faltung dentscher Burgen koftenlos zu. Abonnenten können sie gegen einen jährlichen Abonnementsbetrag von M 1250 beziehen. Jede Buchhandlung oder der Burgverlag“, Grunewald⸗Berlin, nimmt Be⸗ stellungen entgegen.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Saatenstand und Lage der Viehzucht im Staate Oklahoma am 1. März 1911.

Da der Ertrag des Maisanbaus im Staate Oklahoma in den letzten Jahren dauernd zurückgegangen ist, nämlich von 122.2 Mill. Bushels im Jahre 1908 auf 10,1 in 1909 und 92.4 in 1910, so hat sich der dortige Farmer, dem Rate des Landwirtschaftsamts des Staats folgend, mehr anderen Kulturen, namentlich dem Winterweizen und Guineakorn (Besenkorn) zugewendet. Damit hatte er guch anfangt Glück. Der Ertrag an Winterweizen stieg von 15,62 Mill. Bushels (zu je 88 Cents am 1. Dezember) 1908 auf 1568 Gu je 1091 Centz am 1. Dezember) 190) und auf 25,36 Gu je 87 Cents am 1. Dezember) 1910. Die Anbaufläche betrug im Herbst 19808 1,2, im Herbst 1908 1,6 Millionen Acres und ist im Herbste 1910 weiter vergrößert worden. Um so empfindlicher macht sich für den jungen und daher an Geldmitteln und Speichern noch verhältnismäßig armen Winter⸗ weizenbau der Rückschlag fühlbar, der dank der ungewöhnlichen Witterung seit der Aussaat im Herbste 1910 nunmehr eingetreten ist. Zwar hat sich der Stand der Winterweizensaat von 364 oo des Normalstandes am 1. Februar 1911 auf 49,1 9 am 1. März 1911, also recht beträchtlich verbessert, er steht aber gegen die 88 o69 am J. März 1910 in besorgniserregendem Abstande zurück. Die letzten vier Monate des Jahres 1910 waren in Oklahoma so gut wie regenlos, auch der Januar 191] brachte anormal wenig Feuchtigkeit, abgesehen von einzefnen Bezirken im Nordwesten (im sogenannten

Maloitas, das Thaumasiongebirge mit einer Grotte der Rhea.

Panhandle), wo erst große Kälte und dann zu starker Schneefall