1911 / 73 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

tätig. Ich bin auch mit den übrigen Reichsämtern noch einmal in Verbindung getreten bezüglich der Möglichkeit, noch ein weiteres gutes Unterkommen für die Leute zu finden.

Die Besteuerung der Elngeborenen ist ja, wie der Herr Abg. Dr Arning schon hervorgehoben hat, im letzten Gouvernementsrat zur Sprache gekommen. Es handelt sich hauptsächlich darum, inwie⸗ weit etwa die Hüttensteuer abgelöst werden könnte durch die Kopf⸗ steuer, abgesehen von der Frage, ob demnächst überhaupt eine Er— höhung der Steuer möglich ist.

Nun besteht ja augenblicklich in einzelnen Bezirken bereits eine Art Kopfsteuer, nämlich in denjenigen, in denen die Tembenwirtschaft besteht. Es sind das vor allen Dingen die Bezirke Mpapwa, Iringa, auch teilweise Unvamwesi. Der Bezirkschef von Iringa hat mir selbst, als ich vor jwei Jahren da war, auteinandergesetzt, daß fast im ganzen Iringabezirk die Kopfsteuer eingezogen wird, weil in den großen Temben eine Menge Familien zusammenleben und die Hüttensteuer dort kaum einziehbar ist be—⸗ ziehungsweise sehr geringe Erträge abwerfen würde. Das Gouverne— ment beabsichtigt nun nach einer Nachricht, die ich erst vor wenigen Tagen bekommen habe, entsprechend dem Beschluß des Gouvernements⸗ rats noch in diesem Jahre mit einer Ausdehnung bezw. Ein— führung der Kopfsteuer vorzugehen, und zwar bezirksweise. Zunächst sind dafür vier Bezirke in Aussicht genommen. Wenn sich das bewährt, soll dann in weiteren Bezirken damit vorgegangen werden.

Was die Frage der Landesverbände bezw. der wirtschaftlichen Verbände anbetrifft, so stehe ich diesen Organisationen durchaus freundlich und sympathisch gegenüber. Ich glaube auch, daß die Ver— bände selbst den Eindruck haben. So hat mir der Landesverband in Ostafrika ein Glückwunschtelegramm geschickt, als ich zum Staats—⸗ sekretär ernannt wurde, und ich habe in meiner Antwort darauf zum Ausdruck gebracht, daß ich diese Organisation durchaus für wünschens—⸗ wert halte.

Meine Herren, was ich in der Kommission gesagt habe, das war dag, daß zwischen dem Gouverneur und dem Landesverband eine eingehende Besprechung stattgefunden hatte, bevor er das letzte Mal auf Urlaub ging, und daß da eine Einigung zu— stande kam, die jedenfalls damals für beide Teile durchaus befriedigend gewesen ist. Es hat nun wegen gewisser Formalien eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Gouverneur und dem Landesverbande bestanden. Die Sache ist auch an mich gelangt, und ich habe dem Landesverbande geschrieben, daß gewisse Fragen über die Art, wie die Beschlüsse zustande gekommen wären, durchaus begründet wären, und ich ersuchte, sie dem Gouverneur mitzuteilen; ich hätte im übrigen keinen Zweifel, daß andererseits der Gouverneur auch materiell zu ihren Wünschen in wohlwollender Weise Stellung nehmen würde. In diesem Sinne habe ich auch dem Herrn Gouver⸗ neur hinausgeschrieben.

Was das Pachtland angeht, so hat die Absicht bestanden, eine

Aenderung in den Bestimmungen herbeizuführen, und zwar hängt das zusammen mit der Wertsteigerung. Der Gedanke ist vom Stand— punkte des Gouverneurs aus ganz berechtigt; aber ich habe insofern Bedenken dagegen gehabt, als dieses ganze Pachtsystem in Deutsch⸗ Ostafrika eigentlich nur eine Vorstufe zum Eigentum bedeutet, und da doch vielleicht eine gewisse Härte darin liegt, wenn der Mann, der sich mehrere Jahre dort geplagt hat und aus gewissen Gründen das Land verkaufen muß, nun einen andern Vertrag eingehen soll, als er ihn ursprünglich geschlossen hatte, als er das Land übernahm. Ich habe dem Herrn Gouverneur anheimgegeben, sich in dieser Beziehung auf den Boden des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu stellen. Ich glaube, daß dieser Punkt dadurch seine Erledigung gefunden hat. Die Bestimmungen über die Landpreise sind immer bet den Bezirksämtern einzusehen gewesen. Es können da natürlich für die Preise sich ganz nach dem Boden richten. Ist der Boden in den verschiedenen Teilen der Bezirke schon verschieden, so sind zwischen den einzelnen Bezirken untereinander die Abweichungen noch sehr viel größer, und da ist es noch schwieriger, hierüber generelle Bestimmungen zu treffen. Ein großer Unterschied besteht auch zwischen Plantagen und Weideland. Der Herr Gouverneur hat neuerdings den Bezirks⸗ räten zugesagt, sie künftig bei der Festsetzung der Preise zu hören.

Nun haben die Bezirksräte, wie ganz richtig angeführt wurde, den Wunsch ausgesprochen, doch eine Wertzuwachssteuer einzuführen. Der Gouverneur, der diesem Gedanken an sich sympathisch gegenüberstand, hat aber geglaubt, daß sie bei den bestehenden Verhältnissen verfrüht wäre, da dazu ein verhältnismäßig großer Apparat von Beamten in Bewegung gesetzt werden müsse und daß die Erhebung dieser Steuer zu teuer werden würde; er hat infolge dessen statt der Wertzuwachssteuer eine 10 0ᷣ0 Steuer auf das unbebaute Land vorgeschlagen. Die Verhandlungen sind noch nicht ganz zum Abschluß gelangt, soweit ich darüber unterrichtet bin.

Die Stadtgemeinden in Deutsch⸗Ostafrika sollen bezüglich des Landes ebenso behandelt werden wie in Südwestafrika. Außerdem aber sollen sie alles Land und in dieser Beziehung habe ich in der Presse mißverständliche Berichte gefunden —, das sie schon früher hatten, behalten. Sie grundsätzlich anders zu stellen als die Gemeinden in Südwestafrika, ist nach meiner Meinung nicht wohl angängig; sie stehen tatsächlich schon insofern besser, als sie alles Land, das sie hatten, behalten dürfen; aber wegen des Landes, das sie noch hinzu⸗ bekommen, müssen wir im allgemeinen die gleichen Grundsätze, die wir hier nach langen Beratungen fsestgestellt haben, auch für Ostafrika gelten lassen.

Die Wasserleitungsfrage in Daressalam ist noch nicht geklärt. Das liegt vor allen Dingen daran, daß wir kein einwandsfreies Wasser gefunden haben. Es ist in dieser Beziehung vom Fiskus viel geschehen, es sind von der Regterung Geologen hinausgeschickt worden, es sind auch Bohrungen an den Pugubergen vorgenommen worden, leider hat sich aber kein Wasser gefunden, und das Wasser in Daressalam und seiner nächsten Umgebung ist nicht einwandsfrei und infolgedessen für eine Wasserleitung augenblicklich noch nicht geeignet.

Was über die Handelskammer gesagt worden ist, war mir neu. Irgendwelche Bedenken meinerseits bestehen nicht, im Gegenteil, ich bin sehr einverstanden damit und freue mich darüber, wenn sich die Anstedler draußen organisieren, weil ich glaube, daß sie dadurch sehr viel leistungsfähiger werden und daß sie namentlich auf genossenschaft⸗ lichem Wege sehr viel zur Verbesserung ihrer Lage beitragen können.

Es wurden dann auch die Handelssachverständigen hier erwähnt.

Die Frage ist mir an sich sehr sympathisch, ich halte es auch für wesentlich, daß wir recht detaillierte und sachverständige Be⸗ richte aus den Schutzgebieten bekommen, und zwar sowohl über den dortigen Absatzmarkt für Industrieprodukte, die gerade in Deutsch⸗ Ostafrika bekanntlich zu einem großen Teile aus Ostindien und nicht aus Deutschland kommen, als auch über die Rohprodukte, welche von dort hierher gelangen. In dieser Beziehung kann noch viel geschehen. Nun haben wir gerade in Deutsch⸗Ostafrika sehr gute und recht detaillierte Berichte, allerdings in dieser Ausführlichkeit nur von dort. Für mich ist es lediglich eine Finanzfrage, ob wir das Geld daran wenden wollen, um derartige Sachverständige einzustellen, vielleicht einen für den Osten und einen für den Westen; zwei würden zunächst wohl genügen. An und für sich würde ich das für nützlich halten, und ich stehe insofern dieser Petition durchaus sympathisch gegenüber.

Die Europäerschule in Daressalam wird ja jetzt zweifellos auf die Gemeinde übergehen. Meine Herren, ich bin vor 23 Jahren in Daressalam gewesen und habe mir auch die Schule dort genau an⸗ gesehen, habe auch dem Unterricht beigewohnt und habe den Eindruck gewonnen, daß für die Zahl der Schüler, die damals vorhanden waren, die Unterbringung keine schlechten waren. Der Hofraum war allerdings beschränkt, ein Garten, wo die Kinder hätten spielen können, war nicht vorhanden, es war aber auch ein solcher unter den damaligen Verhältnissen nicht zu beschaffen. Die Lage der Schule war günstig, sie lag so, daß die Kinder bequem von ihren Häusern hinkommen konnten. Inzwischen ist die Schule allerdings erheblich gewachsen, damals waren es, soviel ich mich entsinne, 8 oder höchstens 10 Kinder, jetzt sind es 18 bezw. 16, und damit tritt natürlich die Frage in ein anderes Stadium. Nach den Abmachungen, die bisher mit der Ge⸗ meinde bestanden haben, hatte die Kolonie für die sachlichen Ausgaben zu sorgen, während die Personalausgaben also für die Anstellung der Lehrer usü. von der Regierung getragen wurden. Es würde also jetzt auch Sache der Kolonie sein, für die Unterbringung der Schüler Sorge zu tragen. Wenn nun die Schule im allgemeinen nicht so vorangeht, wie man es wünscht, so möchte ich darauf auf— merksam machen, daß die Verhältnisse dort sehr schwierige sind. Nach den neuesten Berichten haben wir dort Kinder von 6 bis 15 Jahren, es sind darunter 10 deutsche, 2 Syrer, 2 Griechen und 3 andere Ausländer, also eine große Zahl Ausländer. Das erschwert den Unterricht, und darüber klagte auch der Lehrer, als ich damals dort war, sehr. Vielleicht wird man sich nicht anders helfen können, als daß man noch einen weiteren Lehrer anstellt. Denn er muß die Kinder zum Teil erst die deutsche Sprache lehren und sie außerdem noch in verschiedenen Klassen unterrichten. In der allerersten Zeit ist es soweit gegangen, daß in dieser deutschen Schule Kisuaheli gesprochen wurde, weil eine Verständigung sonst nicht möglich war. Das ist jetzt abgeschafft, aber es bestehen zweifellos auch jetzt noch Schwierig⸗ keiten.

Bezüglich des Kreditinstituts nehme ich auf das Bezug, was ich gestern bereits bezüglich Südwestafrikas gesagt habe. Eine solche Sache muß sehr eingehend geprüft werden, und da zeigt sich, daß Kenner der Verhältnisse draußen der Sache sehr skeptisch gegenüber⸗ stehen, wie z. B. der Direktor der Genossenschaftsbank in Windhuk Herr Kalter, der als ein sehr tüchtiger Mann und guter Kenner der dortigen Verhältnisse gilt. Vor allen Dingen ist auch für Deutsch⸗ Ostafrika die Frage zu prüfen, ob dies Land schon reif für eine Bodenkreditbank ist, oder ob man nicht besser auf genossenschaftlichem Wege, im Wege des Personalkredits vorzugehen hat. Soviel mir be⸗ kannt, entspricht dies auch dem Wunsch der dortigen Ansiedler, die sich genossenschaftlich organisieren möchten. (Abg. Dr. Arning: Im

Norden wollen sie Personalkredit und im Süden Realkredit) a,

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schaftswesen erfahrene Persönlichkeit herauskommen. Es ist richtig, daß in Daressalam eine neue Bank gegründet worden ist. Zu der Zeit, als die Verhandlungen über die Bank schwebten, waren andere Geld— geber nicht vorhanden, und es ist ja auch nicht leicht, zu derartigen Instituten Geld für die Kolonien zu bekommen. Infolgedessen hat sich diese Bank, die allerdings in engem Zusammenhang mit der Deutsch⸗Afrikanischen Gesellschaft steht, mit einem Kapital von 3 Millionen Mark gegründet und bedeutet jedenfalls eine erhebliche Verbesserung gegen den bisherigen Zustand.

Bezüglich der Eisenbahntarife kann ich nur wiederholen, was ich schon in der Budgetkommission gesagt habe, daß wir bemüht sein werden, die Eisenbahntarife soweit als möglich herabzusetzen, namentlich auch für die Ausfuhrprodukte, aber daß wir auf der anderen Seite uns auch der Verpflichtung bewußt sein müssen, die wir dem hohen Reichstage gegenüber eingegangen sind, nämlich dafür zu sorgen, daß die Bahn verzinst und amortisiert werde aus den Einnahmen des Schutzgebietes. Hier muß die richtige Mitte gesucht werden. Die deutsche Ostafrikalinie hat augenblicklich nur ihre Ausfuhrtarife nach den Schutzgebieten hin veröffentlicht; sie nimmt Reedereizuschläge wie sämtliche anderen Linien der Welt, z. B. der Norddeutsche Lloyd, die Packetfahrtgesellschaft usw. sowohl für Schwergüter als auch für Sperrgüter. Die bestehenden Tarife waren auch bisher schon bei der Reederei einzusehen, wenn sie auch nicht veröffentlicht waren. Hierüber haben sich nun die Ansiedler in DeutschOstafrika beklagt, und es soll Abhilfe geschaffen werden. Wegen der Heimtarife schweben augenblicklich Verhandlungen, und die Heimtarife sollen ebenso wie die Ausfahrttarife ein für allemal festgestellt werden. Ich hoffe, daß wir zu annehmbaren Bedingungen kommen werden. Der Natronsee hat uns ja die erfreuliche Ueberraschung gebracht, daß dort erhebliche Mengen von Natron liegen. Im einzelnen ist aber sowohl technisch wie kaufmännisch die Sache noch wenig geklärt. Die Engländer scheinen allerdings auch auf dem Standpunkt zu stehen, daß aus diesem Natronvorkommen wohl etwas zu machen wäre Denn es glbt bekanntlich einen kleinen Natronsee ganz in der Nähe des unsrigen auf englischem Gebiet, den sogenannten Magadisee, und es hat sich schon eine englische Gesellschaft zum Abbau dieses Sees mit 26 Milllonen Mark gebildet. Ich kann nur wünschen, wenn sich wirklich herausstellt, daß das Natron in unserem Natronsee auch abbaufähig ist, daß sich ebenfalls bei uns so bald und so leicht das nötige Kapital findet, um das Natron abzubauen. Ich fürchte aller⸗ dings, e wird nicht so leicht sein, die Gelder zusammenzubekommen, wie es anscheinend in England der Fall gewesen ist.

Bezüglich der tropenhygienischen Institute muß und wird es das Bemühen der Kolonialverwaltung sein, dieselben, namentlich in Deutsch⸗ Ostafrika und in Kamerun mehr und mehr auszubauen. Ich sage

auszubauen; denn kleine Ansätze sind schon vorhanden. Wir haben in den Etat für Kamerun einen anatomischen Pathologen eingestellt, und es sind dort und auch in Daressalam Instrumente vorhanden. Ich werde aber gerade wegen des Mikrojoologen die Anregung des Herrn Dr. Arning in Erwägung ziehen, und ich hoffe, daß wir in dieser Beziehung jährlich weiterkommen. Wir werden das auch in Deutsch⸗Südwestafrika tun, wo wir jetzt für die Viehzucht einen Bakteriologen neu angefordert haben, und wo ein bakteriologisches Institut in größerem Umfange als bisher eingerichtet werden soll.

(Bravo!) Abg. Ledebour (Soz.): Mit Naturschätzen, die in unseren Kolonien aufgefunden werden, sind wir natürlich ebenso zufrieden, wie irgendein Kellege; wogegen wir uns wenden das sind die phantastischen Rechnungen, die uns gestern Dr. Dröscher aufgemacht hat. Dieser hat gestern den Wert des Natrons in dem Natronsee am Kilimandscharo auf 4 Milliarden Mark beziffert. Selbst bei ihm dürfte man doch etwas mehr volkswirtschaftlichen Verstand voraus— setzen können; denn wenn auch bei uns die Tonne Natron mit io 6 berkauft werden kann, so kämen doch für dieses Natron die Abbau⸗, Reinigungs- und Transportkosten in Abzug, und die könnten zusammen sehr wohl 404 für die Tonne erreichen, sodaß: die 72 Mill. Tonnen für uns wertlos wären. Auch der Sachverständige, der da gewesen ist, bezweifelt die Abhauwürdigkeit, wenn nicht eine Bahn dahin ge— baut wird, und selbst dann ist er von dem Wert der Sache noch nicht überzeugt. Wie konnte uns also der Abg. Dröscher cinen solchen phantastischen Unsinn vortragen? (Unruhe rechts, Ist Ihnen der Ausdruck noch nicht stark genug? Selbst in der Klein⸗ kinderschule von Daressalam dürfte man mit derartigen Dattelkern⸗ wäldern nicht aufwarten. Den Gouverneur Rechenberg lobe ich nicht, schon deswegen nicht, weil ein solches sozialdemokratisches Lob eines hohen Beamten an hohen, höchsten und allerhöchsten Stellen übel vermerkt wird. Wie in allen Kolonien hat sich auch in Deutsch-Ostafrika ein Pflanzerausbeutertum organisiert, das in eigensüchtigem Interesse . über Forderung an die Regierung stellt und, wenn es nicht Entgegenkommen findet, Himmel und Hölle gegen sie in Bewegung setzt und sich dazu auch einer von ihr selbst u iterhaltenen Presse be⸗ dient, die die Ablehnung dieser Forderungen als Verrat an der Nation brandmarken muß. Durch solche Machinationen soll sich niemand gegen einen Mann beeinflussen lassen, der sich dem aus— beutungswütigen Pflanzertum entgegenstellt. .

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich begrüße es mit besondercer Freude, daß der Vorredner heute nichts anderes als das vorbringen konnte, was er vorgebracht hat und was er zum großen Teil gestern schon, und da sogar humoristischer vortrug. Die Kolonialverhandlungen sind heute recht langweilig geworden, und das ist ein großer Vorzug gegen früher, wo wir die heftigsten Kämpfe um die Kolonien führen mußten. Um Naturschätze in einem fremden Lande zu finden, muß man das Land, doch erst kennen lernen und erschließen. Der Kollege Dröscher weiß doch auch, daß die Tonne Natron draußen einen anderen Wert hat als bei uns; er wollte eben nur anschaulich machen., um welche Werte es sich da handelt, und da war er wohl berechtigt, für die annähernd hundert Millionen Tonnen einen solchen Preis zu nennen, das kann man ihm zugute halten. Auch was der Abg. Ledebour dagegen anführte, war nicht richtig gerechnet; Natron kann auch auf andere Märkte als nach Hamburg ge⸗ bracht werden, z. B. nach Ostasien. Es ist ja auch gar keine Bahn angefordert, sondern nur gesagt worden, daß bei der Fortführung der Usambarabahn, die ohnehin geplant ist, auch dieser Natronsee er schlossen werden wird. Die Bahn muß fortgeführt werden, auch wenn der Natronsee nicht da sein würde. Die Verlängerung wird das reiche und fruchtbare Kilimandscharogebiet erreichen. Mit dem Bau jetzt einzuhalten und ihn erst später fortzusetzen, wäre Ver⸗ schwendung. Die Fortführung von Moschi nach, Aruscha, 80 km, bringt allein keine Erhöhung der Rentabilität. Die Fortführung bis zum Viktoria⸗Nyanza ist unerläßlich, die Bahn von Tanga bis dahin wäre dann immer noch erst 890 em lang, während die englische Ugandabahn 12900 km lang ist; wir haben dann alle Aussicht, durch billigere Frachten eine starke Frequenzsteigerung zu erlangen, wir sind allerdings der Meinung, daß die Regierung zum Bau von Kolonialbahnen angetrieben werden muß; erst dadurch haben wir die Kolonien erschlossen und ihren Etat so rentabel gemacht. Wären wir den Ratschlägen der Sozialdemokraten gefolgt, so steckten wir in den Kolonien nach wie vor in starken Defizits; mit den Kolonialbahnen werden die Kolonien ohne Reichszuschuß arbeiten können, auch für die Truppen. Der Abg. Ledebour schadet mit seinem Lobe dem Gouverneur von Rechenberg nicht, weil er Sozialdemekrat, sondern weil er Kolonialgegner ist. Er scheint nichts dagegen zu haben, daß in 2Qstafrika eine offiziöse Zeitung erscheint. Daß die »Kolonial⸗Rundschau“ eine offiziöse Zeitung ist, darüber herrscht kein Zweifel. Es fragt sich nur, oh sie aus einem amt lichen Fonds gespeist Gouverneurs

wird; von seiten des r geschieht jedenfalls mehr, als ich für richtig halte Es sos d . 8 * wird durch diese Presse der

Unterstützung der unabhängigen Pflanzer Konkurrenz gemacht. Bei dem System Rechenberg handelt es sich nicht darum, daß es die Neger vor Ausraubung bewahrt, das ist seine Schuldigkeit, sondern daß es sich feindlich gegenüberstellt der kolonialen Arbeit der Deutschen, die hinausgehen, daß es bedacht ist, die koloniale Entwicklung zu hemmen. Ostafrika hat einen außer ordentlichen Beweis seiner Lebenssähigkeit dadurch erbracht, daß es sich günstig entwickelt trotz des Systems. Rechenberg. Wenn eine Kolonie sich entwickeln soll, fo müssen weiße Unternehmer mit ihrer größeren Intelligenz ins Land kommen. Diese Leute soll man nicht als „ausbeutungölüsterne Unternehmer“ beschimpfen; sie fördern die Kultur und verdienen unsere Anerkennung. Bezüglich der Währungs— frage habe ich mich schon in der Koemmission ausgesprochen. Män sollte so bald wie möglich zur deutschen Währung übergehen. Auch die Ostafrikanische Notenbank ist ein durchaus verfehltes Unter⸗ nehmen. Mit ihrer Verfassung kann man in London oder Paris wirtschaften, aber nicht drüben; die Bank sollte so bald wie möglich reformiert werden. Die Eisenbahnen müssen allerdings ihr Kapital verzinsen. Die Ueberschüsse der Usambarabahn wachsen, wie ich ge⸗ zeigt habe. Die düsteren Prophezeiungen der Linken sind durch die Praxis widerlegt. Wir den solche Bahnen später nicht um der Noloöͤnie willen bauen, sondern um heimisches Kapital abzulegen. Dann müssen aber die Frachten keine Erdrosselungsfrachten sein. Gerade für die Erzeugnisse der Kolonie müssen die Frachten nur so hoch fein, daß die im Entstehen begriffenen Kulturen sich ent wickeln können. Von Ausfuhrzöllen für Holz usw. muß ab gesehen werden; die Einnahmen daraus hemmen nur die Entwicklung der Kolonie und hemmen die Steuerkraft. Was hilft es, daß Tie Sozialdemokratie die Baumwollzucht unterstützt, aber schließlich den ganzen Etat ablehnt und die Eisenbahnbauten nicht bewilligt? Die platonische Liebe der Sozialdemokraten beweist übrigens, daß es mit der Gegnerschaft gegen die Kolonien nicht geht, weil diese zu rentabel sind und sich zu sehr in das Herz der Deutschen hineingelebt haben. Die Deutschen in den Kolonien müssen von dem Gouvernement und der Kolonialverwaltung möglichst gefördert werden. Die Natur⸗ schätze im Natronsee müssen möglichst deutschen Hinte neh enn gewaͤhrleistet werden. Im übrigen können wir mit der itz wicklung in der Kolonie zufrieden sein. Die gegnerische Kritik, auch

der Abg. Ledebour hat eigentlich keinen Stoff mehr zur Kritik. Hoffentlich werden uns die Kolonien immer mehr zur Freude gereichen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

auf sozialdemokratischer Seite, , . mehr und mehr; selbst

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

n 73.

1211

rn mn .

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

. des Reichskolonialamts Dr. von Linde⸗ qu ist:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine ziemlich scharfe Kritik gegen den Gouverneur von Rechenberg gerichtet. Der Herr Vorredner wird in einem Punkte jedenfalls mit mir vollkommen übereinstimmen: daß der Herr Gouverneur von Rechenberg ein ganz ungeheuer fleißiger Arbeiter ist von einer geradezu fabelhaften Zähig⸗ keit, die er auch in diesem ostafrikanischen Klima bewiesen hat. Ich bin auch der Meinung, daß er ein ungeheuer tüchtiger Beamter ist, dem wir vor allen Dingen den guten Zustand des deutsch⸗ostafrikanischen Etats zu verdanken haben. (Hört, hört! in der Mitte) Er hat gerade, was den Etat von Deutsch⸗-Ostafrika anbetrifft, Ausgezeichnetes geleistet und ist dauernd besorgt dafür, daß die Einnahmen sich in richtigem Ver⸗ hältnis zu den Ausgaben halten. Dabei ist natürlich große Vorsicht notwendig und geboten, wie überall bei dem jetzigen Zustande unserer Kolonien. Wenn er da an Eisenbahnunternehmungen nicht heran— geht, von denen er glaubt, daß nicht die Rentabilität, die wir für notwendig halten, gesichert ist, so kann man ihm daraus keinerlei Vorwürfe machen.

Sodann, meine Herren, möchte ich der Behauptung durchaus entgegentreten, daß der Gouverneur von Rechenberg den weißen Ansiedlern feindlich gegenüberträte. Daß er genau unterscheidet, ob Unternehmungen solide sind oder nicht, das ist nur berechtigt, und er hat sich namentlich auch gegen verschiedene Gründungen der neueren Zeit, die auch hier nicht anerkannt waren, gewendet. Was den Weg angeht, so ist es zweifellos nicht richtig, daß er die Absicht gehabt hat, die Bahn zu hintertreiben. In der damaligen Zeit war man sich eben über das Kilimandjarogebiet noch nicht so klar wie heute, erst ich darf das vielleicht sagen durch die Reise, die ich wesentlich auf den Wunsch des Reichstags hin nach Deutsch⸗Ostafrika gemacht habe, ist eine Klärung eingetreten.

Was die Zeitungen angeht, so möchte ich hier nochmals wieder— holen und feststellen, daß die „Deutsch-Ostafrikanische Rundschau“ irgendwelche Zuschüsse aus irgendwelchen staatlichen Mitteln nicht er— hält. Ob infolgedessen der Ausdruck „offiziöse Zeitung“ berechtigt ist oder nicht, das will ich dahingestellt sein lassen. Ebensogut könnte man auch bei anderen Zeitungen im Schutzgebiet fragen: woher be— kommen sie die Mittel?

Abg. Ledebour (Soz.): Auf die Beschwerden über unsere Kolonien sind wir natürlich bloß wegen der Zeitbedrängnis, in der wir uns befinden, nur in dem so beschränkten Maße vor— gegangen. Wenn der Abg. Arendt daraus den Schluß zieht, daß wir nichts mehr vorzubringen hätten, so ist das ein Ver— fahren, das ich als loyal nicht mehr bezeichnen kann. Als halbwegs mit Intelligenz ausgestatteter Abgeordneter müßte er wissen, daß unsere prinzipielle Gegnerschaft uns von Anfang nicht daran hindern konnte und nicht daran hindert, an den Versuchen, die Verwaltung zu bessern, für die Eingeborenen einzutreten, jederzeit teilzunehmen und auch unserseits Reformvorschläge zu machen. Unsere heutige Tätigkeit unterscheidet sich in nichts von der früheren; wir stehen aber nach wie vor der Unterjochung fremder Völker feindlich gegenüber. Hoffentlich wird hiernach der Abg. von Liebert und der ihm nahestende Verband diesen verunglückten Schachzug seines Fraktionsfreundes Arendt nicht in der bekannten Weise gegen uns ausschlachten. Daß Dr. Arendt den Abg. Dröscher herauszuhauen gesucht hat, kann nur unser Mitleid erregen; außer Dr. Arendt selbst wird niemand diesen Versuch ernst nehmen. In der Kommission hat der Abg. Dr. Arendt (Vizepraäͤsident Schultz: Es ist nicht üblich, in dieser Verbindung Namen zu nennen.) Gewiß, gewiß; also ein Herr hat in der Kommission behauptet, der Gouverneur verwende Reichsgelder zur Förderung einer offiziösen Zeitung; und auf das Verlangen eines andern, der meiner Partei angehört und mir persönlich sehr nahe steht, diese Behauptung zu beweisen, hat jener erklärt, er werde im Plenum darauf zurückkommen. Heute erklärt der Abg. Arendt, er hätte keinen Grund mehr, auf die Sache zurück— zukommen. Wenn der Abg. Arendt mit jenem Herrn in der Kommission identisch wäre, so würde ich das als eine elende Kneiferei bezeichnen. (Vizepräsident Schultz erklärt diesen Ausdruck für un— zulässig.)

Abg. Erzberger (Zentr.): Der Abg. Arendt sprach wiederholt von einem System Rechenberg und hat dagegen schwere Anklagen erhoben, ohne Einzelheiten vorzubringen. Hier gilt das Wort: Man schlägt den Sack und meint den Esel. Das System Rechenberg bedeutet den Schutz der Eingeborenen, und dies steht jetzt auf dem Programm der Regierung. Also gegen dies Programm geht der Abg. Arendt bor. Wir haben jetzt nicht darüber zu klagen, daß Eingeborene in unmenschlicher Weise draußen geprügelt werden. Seit drei bis vier Jahren sind eine Menge Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der Eingeborenen und gegen die Ausbeutung der Eingeborenen ge— troffen. Es bestehen nicht mehr Löhne von 4 5 für den Tag usw. ; ist dies das System Rechenberg, so haben wir das größte Interesse daran, dies System weiter zu führen, schon um weitere Aufstände und große Geldausgaben zu verhüten. Versteht etwa der Abg. Arendt unter dem System Rechenberg die Bekämpfung des Islam? Diese Zurückdrängung liegt lediglich in deutschem Inkeresse. Was er sonst vorgebracht hat über die Zurücksetzung der Weißen, ist beweislos ge⸗ blieben; er hat einzelne Tatsachen nicht vorgebracht. Die Abschaffung des Arbeitszwanges ist ebenfalls ein Fortschritt des Systems Rechen berg. Es klagt heute kein Pflanzer, der seine Schwarzen gut bezahlt und ordentlich behandelt, über Arbeitermangel. Die Beseltigung des Systems Rechenberg würde ein großes Unglück für Ostafrika sein.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Meine Angrkffe richteten sich nicht gegen den Gouverneur von Rechenberg, sondern gegen sein System. Nicht den Schutz der Eingeborenen, sondern die gegnerische Haltung gegen die bflanzer und Kultivation mache ich diesem System zum Vorwurf. Es wird vom Gouvernement den Pflanzern das Leben erschwert. Die deutschen Pflanzer haben mir wiederholt versichert, daß, folange dies System dauert, sie sich in der Kolonie nicht betätigen können. Deshalb wirkt dies System nicht segensreich für die Kolonie. Der Schutz der Eingeborenen dagegen ist die Pflicht nicht nur diefes, sondern jedes Gouperneurs, denn die Eingeborenen sind das Kostbarfte einer Kolonie. Wenn man Vorgänge aus der Kommission hier anführt, muß man sie richtig anführen; das hat der Abg. Ledebour nicht getan. Ich habe in der Kommission dem Staatssekretär gesagt, es wären Gerüchte im Umlaufe, daß aus dem Fonds von 20 000 (6 uwendungen für die „Koloniale Rundschau“ gemacht würden. Der

taatesekretär hat es klargestellt, daß das nicht der Fall sei. Ich abe darauf gesagt, ich würde auf die Sache Rechenberg im Plenum zurückkommen, aber nicht auf diese einzelne Angelegenheit, sondern

auf das System Rechenberg. Daß die „Koloniale Rundschau“ ein offiziöses Blatt ist, beweist, daß sie t enthält, und den übrigen Zeitungen diese Nachrichten zu veröffent chen

verboten ist.

ö des Reichskolonialamts Dr. von Linde—⸗ quist:

nochmals wiederholen —ů etwas auf die allgemein gehaltenen An— klagen des Herrn Vorredners gegen den Gouverneur von Rechenberg anzuführen. (Sehr richtig! in der Mitte) Er hat noch einmal ge— sagt, daß er ansiedelungs⸗ und in diesem Sinne auch deutschfeindlich sel. Ich veistehe das so weit, daß er den Ansiedlern nicht genügende Unterstützung zuteil werden läßt. Nun, meine Herren, sprechen die Tatsachen dagegen; denn es ist ganz zweifellos, daß in der Zeit, wo Herr von Rechenberg Gouverneur in Deutsch⸗-Ostafrika ist, sich tatsächlich der Plantagenbau ausgezeichnet entwickelt hat. (Hört, hört h In Usambara hat er sich entwickelt, er hat sich im Süden entwickelt und neuerdings auch an der Zentralbahn, und wir wollen auch nicht vergessen, daß Herr von Rechenberg ein wesentlicher Förderer gerade der Idee der Zentralbahn gewesen ist, und daß er seine ganze Energie in dieser Beziehung in die Wagschale geworfen hat.

Abg. Noske (Soz.): Der Abg; Ledebour ist nicht im Saag e, ich halte mich deshalb für verpflichtet, ihn zu vertreten. Tatsächlich hat der . Arendt in der Kommission erklaͤrt, er würde auf. die Sache Rechenberg zurückkommen. (Vizepräsident Schultz bittet, den Namen eines Kommissionsmitgliedes im Plenum nicht zu nennen.) Wir haben heute feststellen können, daß der Abg. Arendt nicht in der Lage gewesen ist, sachlich begründete Beschuldigungen gegen den Gouverneur von Rechenberg vorzubringen. Rechenberg ist fortgesetzt angegriffen worden, weil er sich nicht zum Werkzeug hergegeben, den Pflanzern billige Arbeitskräfte zuzuführen. Freilich sind unter dem System Rechenberg nur die dringendsten Mißstaͤnde beseitigt worden. Durch das Hinaus— schicken von Soldaten hat man Leute zur Arbeit gezwungen; auch wird weiter geplündert. ; ; .

Abg. Schwarze⸗Lippstadt Zentr.) führt aus, daß die Angriffe gegen das System Rechenberg beweis los geblieben sind.

Abg. Dr. Paasche (nl. ): Es ist ja Pflicht des Staatssekretärs, 6 seiner Beamten anzunehmen, ich möchte mich aber den Aus— führungen des Abg. Arendt anschließen. Es ist mir mitgeteilt worden, daß der Gouverneur einem Herrn, der dort ein Unternehmen gründen wollte, gesagt hat, er wolle keine Industrie, sie mache ja doch nur pleite. So etwas sollte der Gouverneur nicht sagen. Große Kapitalien sind, in der Baumwollkultur dort inveftiert. Die Herren haben immer gesagt, sie haben jetzt alle Lust ver— loren, well ihnen das Leben erschwert wird. Ich könnte Ihnen noch eine Reihe anderer Tatsachen anführen. Man müßte doch versuchen, gesunde Unternehmungen zu unterstützen, und sie nicht zurückhalten. Die Verdienste der neuen Arbeitsordnung erkennen wir vollständig an, aber ein System, das unserer Ansicht nach den Interessen der Kolonie nicht entspricht, müssen wir hier doch kritisieren können.

16 Nos ke (Soz.): Da gerade der Abg. Paasche spricht, fällt mir ein, daß auch im Kolonialverein in einem Vortrag Beschwerden über das System Rechenberg laut geworden sind; dieser Vortrag wurde von dem Korvettenkapitän Paasche gehalten. Mit Rücksicht auf die knappe Zeit des Hauses kann ich dem Abg. Schwarze zur Widerlegung seiner Be⸗ hauptung, daß ich Unbewiesenes vorgebracht hätte, meine gestrige Rede, die diese Beweise enthielt, nicht wiederholen. ; ;

Abg. Dr. Stresemann (nl): Die Schwierigkeiten, die in Ost— afrika denjenigen gemacht werden, die Land erwerben wollen und Plantagenbau treiben, um das Land vorwärts zu bringen, hemmen tatsächlich den Fortschritt der Kolonie. Es ist vor allem das lang⸗ same Tempo, das wir bekämpfen müssen, die Verzögerung in der Ausstellung von Besitztiteln; es scheint dem Gouvernement eben gar nichts daran zu liegen, ob sich die Entwicklung langsamer oder rascher vollzieht. Diese Behauptung wird durch das Zeugnis ganz einwand⸗ freier Gewährsmänner wie des Herrn Schanz, dle direkt die Flucht in die Oeffentlichkeit ergriffen haben, gestützt. .

Abg. Erzberger (Sentr.: Der Abg. Arendt hat noch immer nicht mit Tatsachen aufgewartet, sondern sich nur in allgemeinen Betrachtungen ergangen; den Beweis, daß das Gouvernement Schwierigkeiten mache, ist er schuldig geblieben. Das Grundbuch für das weite Ostafrika ist ja noch lange nicht fertig. Also geht es auch nicht so rasch mit der Ausfertigung der Besitztitel. Daß der Gouverneur kapitalschwache Leute vor unvorsichtigen Unternehmungen warnt, ist nicht nur sein gutes Recht, sondern sogar seine Pflicht. Sind denn überhaupt Beschwerden derart beim Staatssekretär eingelaufen? Als der frühere Stagtssekretär nach seiner afrikanischen Reise die Politik des Schutzes der Eingeborenen proklamierte, waren es auch die Abgg. Arendt und Paasche, die scharf dagegen angingen; heute tun sie das wieder, offenbar, um den jetzigen Staatssekretär zu einer Aenderung der Eingeborenenpolitik anzuspornen. Ein schwarzes Proletariat in den Kolonien ist hundertmal schlimmer als ein weißes Proletariat in Berlin.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. von Linde⸗ quist:

Meine Herren! Es sind zu den vorher gemachten allgemeine Bemerkungen noch zwei neue jetzt hinzugebracht worden, nämlich ein⸗ mal, daß bureaukratische Bestimmungen in Deutsch-Ostafrika be⸗ ständen und daß der Gouverneur von Rechenberg einem Manne, der sich da hätte niederlassen und eine Industrie etablieren wollen, gesagt hätte, er möchte es lassen, denn er würde Pleite machen.

Ich schätze den Herrn Moritz Schantz sehr und erkenne gern an,

X

was er gerade in bezug auf die Baumwollfrage, namentlich auch als

Mitglied des Kolonialwirtschaftlichen Komitees, getan hat. Aber hier bringt er doch auch nur eine ganz allgemeine Bemerkung und Anklage vor (sehr richtig! in der Mitte), ohne sie näher zu substantiieren. Jedenfalls habe ich Tatsachen nicht vorbringen gehört.

Was den anderen Fall betrifft, so würde ich es unter Umständen geradezu für ein Verdienst des Herrn Gouverneurs ansehen, wenn er Leuten, die hinkommen und etwas unternehmen wollen und das mag auch in anderen Fällen so gewesen sein —, sagt: hier unter den und den Umständen halte ich es nicht für richtig, Sie werden Ihr Geld dabei verlieren. Dafür kann man dem Gouverneur doch nur in hohem Grade dankbar sein. Ich jedenfalls würde sehr dankbar sein, wenn ich dorthin käme, ohne die Verhältnisse zu kennen, um einen Plantagenbau oder eine Industrie einzurichten, und mir unter Umständen gesagt würde: lasse die Hände davon, du wirst sonst nur dein Geld verlieren. (Sehr richtig! in der Mitte.) Wenn der Mann sein Geld verloren hätte, und der Gouverneur hätte ihn nicht gewarnt, so würde er ganz sicher auf den Gouverneur geschimpft

haben. (Sehr richtig! in der Mitte)

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Meine Herren! Es ist für mich sehr schwer ich kann dies nur

Was nun die Besitztitel anlangt, so ist es gar nicht immer mög⸗ lich, diese so schnell auszustellen. Zum großen Teil liegt das auch an den Interessenten selber. Wie geht es dabei zu? Heute sagt jemand: ich will hier eine Plantage anlegen und möchte so und so viel Hektar Land haben. Nachdem er diesen Antrag gestellt hat, kümmert er sich junächst nicht weiter darum, sondern wartet, daß ihm der Gouverneur das Land zuweist. Nun ist aber das Land nicht immer gleich in der Größe von ho00 he, oder wieviel der Mann haben will, vor⸗ handen. Wir haben auch Baumwollgesellschaften, die z. B. wie die Leipziger 30 000 ha beansprucht haben und noch beanspruchen, die ihnen auch in Aussicht gestellt worden sind, und bei Otto handelt es sich, soviel ich mich augenblicklich entsinne, um ho00 ha, also immerhin doch um ziemlich beträchtliche Flächen. Diese Flächen liegen nun nicht einfach glatt da, sie müssen ausgesucht werden. Zunächst müssen Ver⸗ träge mit den Eingeborenen gemacht werden, und die Eingeborenen müssen eventuell an anderer Stelle wieder angesiedelt werden; denn wir wollen doch den Eingeborenen das Land nicht weg⸗ nehmen. Das Land muß dann für herrenlos erklärt werden; dann kommt erst die Landkommission und sucht nun im einzelnen das Land aus, sieht auch nach, ob tatsächlich alles mit den Besitztiteln in Ordnung ist, ob das Land frei ist von Eingeborenen, ob die Eingeborenen es freiwillig abgetreten haben, und ob die Preise, die sie bekommen haben, genügend sind. Naturgemãß erfordert dies alles viel Zeit, außerdem kommt es sehr häufig vor, daß die Interessenten selbst sich nicht genügend um ihren Landerwerb be— kümmern, auch nachher nicht um die rechtzeitige Eintragung und Sicherstellung der Besitztitel.

Vorläufig kann ich also in keiner Weise anerkennen, daß in dieser Beziehung in Deutsch-Ostafrika denen, welche Land für den Plantagenbau erwerben wollen, nicht genügend entgegen⸗ gekommen würde. Ich persönlich habe aus Unterhaltungen, die ich mit dem Gouverneur von Rechenberg sowohl in Deutschland wie in Deutsch-Ostafrika gehabt habe, nie den Eindruck gewonnen daß er wirklich guten und soliden Unternehmungen, welche eine Ren⸗ tabilität versprechen, irgendwie entgegengetreten wäre, wohl allerdings daß er es für seine Pflicht hält, solche zu warnen, von denen er an— nimmt, daß sie dort im Lande nicht vorankommen werden. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Abg. Schwarze-Lippstadt (3entr) verweist erneut auf die Er—⸗ folge, die das System des Schutzes der Eingeborenen für die Kolonie gehabt habe.

Abg. Dr. Sem ler (nl. );: Irgendwelche persönlichen Angriffe gegen den Gouverneur zu richten, liegt uns absolut fern.

Damit schließt die Debatte. Der Etat für das Ost⸗ afrikanische Schutzgebiet wird nach den Anträgen der Budget—⸗ kommission bewilligt und die von ihr vorgeschlagene Resolution:

Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, darauf hinzuwirken, daß für die subhentionierten Dampserlinien nach Möglichkeit bestimmte einheitliche Tarifsätze für Aus⸗ und Heimfahrt festgesetzt werden“,

angenommen.

Es folgt der Etat für Kamerun. Referent ist der Abg.

Dr. Goller fortschr. Volksp.). Abg. Nos ke (Soz.): In Kamerun hat sich bei den verschiedensten Gelegenheiten gezeigt, daß gegenüber den Eingeborenen Verfahren eingeschlagen werden, die zu den bedenklichsten Folgeerscheinungen führen müssen. Die Plantagenbesitzer sind dazu übergegangen, eine Koalition zu gründen zu dem Zwecke, die Eingeborenenlöhne dauernd möglichst niedrig zu halten. Sonst werden Koalitionen von Arbeitgebern Arbeiterorganisationen gegenübergestellt. Jedenfalls muß die Kolonialverwaltung ihre Aufmerksamkeit hierauf richten. Aus Anlaß der Ermordung des Händlers Brett- schneider ist eine Strafexpedition unternommen worden. Dabei hat sich herausgestellt, wie skandalss die Wirtschaft im Süden Kameruns noch ist. Die Händler haben ein ganz raffiniertez System der Ausbeutung. Sie drängen den Eingeborenen ihren Kredit auf und treiben sie dann mit allen Mitteln dazu an, Raubbau bei der Gummigewinnung vorzunehmen. Sie haben erpresserische Maßnahmen angewendet, indem sie z. B. den Eingeborenen gesagt haben, die Station habe den Befehl gegeben, daß der Gummi zu einem bestimmten niedrigen Preise verkauft werden müsse. Taufende von Gummihändlern sind in diese Gebiete eingedrungen, und dadurch wird die ansässige Bevölkerung, die schon nichts zu essen hat, in wahrem Sinne des Wortes ausgehungert. Auch sonst greifen die ehrbaren Kaufleute, die dort ihr Wesen treiben, zu den allerbedenk— lichsten Mitteln. Wenn die Arbeitskontrakte um sind, so zahlen sie keinen Lohn, wenn die Eingeborenen nicht weiter arbeiten wollen. Diese sind, wenn sie die schweren Arbeiten nicht ertragen können, dann gezwungen, e Lohn abzuziehen. Auch die Leute, die den Kaufmann Brettschneider ermordet haben, waren um ihren Lohn ge⸗ bracht worden. So trägt zweifellos die Regierung einen Teil der Schuld an diesen Vorkommnissen.

Abg. Dr. Goller (ortjchr. Volksp.) befürwortet einen Antrag, den Fonds zur Bekämpfung der Lepra und Schlafkrankheit um 15 000 S zu erhöhen und diese Summe von den fortdauernden Aus⸗ gaben abzusetzen, und ferner die für Erschließungswege eingesetzten 100 900 zu streichen. Er weist darauf hin, daß sich die Schlaf⸗ krankheit weiter nach dem Norden des Schutzgebiets verbreitet hat, was bisher noch nicht bekannt war. Für Erschließungsarbeiten ständen noch Mittel aus dem vorigen Jahre zur Verfügung, ferner bitte er, daß bei den Regierungsschulen der Eingeborenen darauf gedrungen wird, daß nur die Lateinschrift gelehrt werde, man möge mit den Missionen deswegen Fühlung nehmen.

Der Antrag Goller wird angenommen, im übrigen wird

der Etat ohne Debatte erledigt. Der Etat für Togo wird ohne Debatte genehmigt.

Es folgt der Etat für das Südwestafrikanische Schutz⸗ gebiet. Bei den fortdauernden Ausgaben für die Zivilverwaltung führt der

Abg. Daußmann-Württemberg (fortschr. Volksp.) aus, es ist nicht zutreffend daß in der Frage der Nachverzollung nicht in ein schwebendes Verfahren eingegriffen wäre. Die angewendete Methode ist eine Erschütterung der Rechtssicherheit und ruft sehr erhebliche Bedenken hervor. Das Kaiserliche Obergericht in Windhuk hat entschieden, daß der Gouverneur nicht berechtigt war, die Nachverzollung einzuführen, denn dieses Recht war ihm vom Staatssekretär nicht delegiert. Noch bedenklicher ist die Behandlung der Verjährungsfrage. Die generelle Zoll⸗ verordnung von 1903 hat eine Verjährungsfrist von drei Jahren 64

Auf Grund dieser Tatsache war eine Zivilklage erhoben.

gesetzt. il ö uf ist eine vierte Verordnung ergangen, vom 26. September 1910. Diese verlängert die Verjährungsfrist auf fünf Jahre und setzt ihren