1911 / 77 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

——

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.

Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Königs sind die folgenden Beamten im Ministerium der geist—

lichen c. Angelegenheiten nämlich:

Ministerialdirektor, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat

Dr. Förster, Geheimer QObermedizinalrat, Professor Dr. Kirch ner, Geheimer Obermedizinalrat, Professor Dr. Dietrich,

Geheimer Oberregierungsrat Freiherr von Zedlitz und

Neukirch, Geheimer Qbermedizinalrat Dr. Abel und Geheimer Medizinalrat Dr. Finger

vom 1. April d. J. ab in gleicher

. Eigenschaft Ministerium des Innern versetzt worden.

in

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Der Kreistierarzt Berenz zu Schönau a. d. Katzbach ist

in die Kreistierarztstelle zu Lauban versetzt worden.

. Dem Tierarzt Dr. Nehls zu Johannisburg in Ostpreußen ist die Kreistierarztassistentenstelle zu Woyens im Kreise Haders⸗

leben übertragen worden.

das

Ministerium des Innern.

Jei dem Ministerium des Innern ist der Regierungs kanzlist 5 aus Breslau zum Geheimen Kanzleisekretär ernannt worden.

Aichtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 30. März.

Seine Majestät der Kaiser und König, Allerhächst— welcher gestern mit Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin und Ihrer hn gige! Hoheit der Prinzessin Viktoria Luise auf Korfu eingetroffen sind, nahmen vor— gestern an Bord der Jacht Hohenzollern“ den Vortrag des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Freiherrn von Lyncker entgegen.

. Bundegrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen Sitzungen. .

Uebersicht der Einnahmen an Zöllen, Steuern und Gebühren für die Zeit vom 1. bis zum Schlusse des Monats Februar 1911.

April 1910

Bezeichnung

im

Einnahmen z n. Monat Februar

der

Laufende Nummer

ö

Die Solleinnahme nach Abzug der Ausfuhrvergütungen usw. hat betragen

vom Beginne des ,, bis zum E

M6

Die Isteinnahme . . hat betragen ö

chlufse n. im

des Monats! Monat Februar Februar /

Im Reichshaushalts⸗ etat ist die Einnahme für das Rechnungsjahr 1910 veranschlagt auf

vom Beginne des

Rechnungsjahrs

bis zum Schlusse

des Monats Februar

b M6

6 7

6 1

i 5 Tabaksteuer D . JJ l Hi len. e V erbrauchsabgabe! ; . für Branntwein Essigsäureverbrauchsabgabe. Schaumweinsteuer ö Leuchtmittelsteuer . Zündwarensteuer J Brausteuer und Uebergangsabgabe von K,, Spielkartenstempel . , . ( Reichsstempelabgaben: nn,, . B. von Gewinnanteilschein- und Zins⸗ 1 . von Kauf⸗ und sonstigen Anschaffungs⸗ geschäften .. . von Lotterielosen: a. für Staatslotterien b. für Privatlotterien . von Frachturkunden .... von , ,. 1 von Erlaubniskarten für Kraftfahr⸗ 1 von Vergütungen an Mitglieder , Hk K. von Grundstücksübertragungen Erbschaftssteuer .. Statistische Gebühr.

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11 375123 194 040 1427686

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6 667 h24

316 565 1398 825 1758 690

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263 205 228 940 3196942 3186047 132 403

15. 16.

* Ne 9 2Bs o ss⸗ 2 2 on Meß . vp9s s . s 5 7 ö Bei der Wechselstempelsteuer und bei den Reichsstempelabgaben von Privatlotterielosen sind die Anteile der

von der Isteinnahme in Abzug gebracht. Abzüglich der Anteile der Bundesstaaten.

-

653 362 573 116 355 34 26 38. 367

119 57 os ze oi 7.

175 205 155

h 734 zi

63 749 9915 66 11 365 33 15 3939 763

52h39 383 8490 435 2299 036 13 078 889 6 209 400 13 852 703 2566195 75 952 7h64 997 1117663 1292234

9 göõ8 hz 196 491

ho 274 108 6631 900 000 10 987 585 14413 000 21 978 0925 23 711 000

140 283 385 147 178000 54 350 733 o58 048 000

142 349 234 180 000 000

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569 881 9017092 8 966 851

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100 922 128 1678990 9) 16 841 952 44 014 627 6b 889 622 21 143 603 28 794 438 79) 38 800 218

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503 940 10210 000 15 013 000 15 010 000

106 288 707 1776343 17185 666

111 500 000 1819200 fo 000 000

44912881 49 0000

8 015643 36 13 520 000

31 325 500 0iR0 860 90900 14 700 000 18 620 000

2610481 1960000

4393 064

3 324 504 40 320 082 57 761 355

1616691

257 941 224 362 3 132 194 3186 047 132 403

4305203 3 258 014 3.

39 506 560 25 480 000

37 761 297 34 000 000 1598 263 1476 960.

er Bundesstaaten

0

Rußland.

In der Reichsduma stand gestern die Beratung des Marineetats auf der Tagesordnung.

Wie „W. T. B. meldet, erklärte der Berichterstatter Sawitsch, er müsse zu seinem Bedauern feststellen, daß während der letzten drei Jahre im Vergleich zu den enormen Fortschritten der Nachbarmächte fast nichts getan worden sei. Man vermisse den gründlichen Bruch mit der Vergangenheit, der allein eine zweckmäßige Verausgabung der Mittel des Volks gewährleisten würde. Dem Marineressort echt der feste Wille, den Weg entschiedener Reorganisation zu betreten. Das stimme pessimistisch und raube die Hoffnung auf Schaffung einer Schlacht. flotte in der Zukunft. Das Marineressort verwende die Kredite nicht bestimmungsgemäß. Unter solchen Umständen fehle der Reichsduma die Zuversicht, daß die Summen den Zwecken dienten, zu denen sie verlangt würden. Der Berichterstatter beantragte, dem Wunsche zu⸗ zustimmen, daß in den Häfen Ordnung geschaffen und die Zahl der über ihre Dienstzeit verbleibenden Mannschaften erhöht werde sowie daß unverzüglich Maßnahmen zur Verteidigung des Schwarzen Meeres ergriffen würden. Das Marineressort könne sich nicht über Geldmangel beklagen, da die Duma ihm bedeutende außer— ordentliche Summen bewilligt habe. Es sei Zeit, mit Ueberlebtem zu brechen und an die Schaffung einer neuen Kampfflotte zu schreiten.— Der Gehilfe des Marineministers Grigorowitsch erwiderte, man habe begonnen, die Zahl, der alten Schiffe möglichst einzuschränken. In diesem Jahre werde im Baltischen Meere zum ersten Male ein neueg Geschwader organisiert werden, das der Anfang zur Entwicklung der Flotte sein werde. Grigorowitsch besprach sodann die Vervoll' ständigung des Flottenbestandes und sagte, daß die Lage sich mit jedem Jahre bessere. Das Ministerium habe einen Ent— wurf über den Frontzienst bereits ausgedienter Mannschaften ausgearbeitet. Die Neubauten kosteten in Rußland mehr und erfolgten langsamer als im Auslande, hauptsächlich wegen des Fehlens eines Schiffbauprogramms, das den Werften die Arbeit im voraus sichere, und wegen der Forderung, daß die Schiffe aus russischem Material und von russischen Arbeitern hergestellt sein müßten. Dies verteuere den Bau um annähernd 25 oo. Dennoch sei eine Besserung im Schiffbau bemerkbar. Den im Vorjahre von Stapel gelaufenen beiden Dreadnoughts würden sich im Herbst zwei weitere anschließen. Ueberhaupt sei eine allgemeine Besserung der Lage zu konstatieren. Das Marineressort horche auf die Stimme der gesetzgebenden Institutionen und strebe die Wiederherstellung der Flolte an, die durch den Mangel an . enden Geldmitteln aufgehalten werde. Er erhebe gegen die Tinschränkung des Etats durch die Budgetkommisston Einspruch. Der Abg. Wojeikow (extreme Rechte) machte längere Ausführungen über die Bedingungen des Schiffsbaues, wobei er zu dem Schlusse kam, daß eine Kürzung der Kredite die Lage nur verschlimmern könnte.

Es sei unmöglich, jetzt die Schlagfertigkeit der Flotte zu schwächen. Der Abg. Sweginzow (Oktobrist) wies auf das in der Marineverwaltung herrschende Chaos hin und drückte die Hoffnung aus, daß der neue Marineminister sich für verpflichtet halten werde, dem Kaiser borzustellen, daß die Denn n n, des Ministeriums ihrer Bestimmung nicht entspreche. Der Abg. Schingarew (Kadettenpartei) kritisierte die Tätigkeit des Maxineministeriums und wies auf die Schulden bei den Werkstätten und Werften hin, die 40 Millionen betrügen. Der Bau eines Unterseeboots, dessen Konstruktion Staatsgeheimnis sei, sei einer Privatwerft übergeben worden, bel der einer der Aktionäre ein früherer deutscher Offizier und österreichischer Vizekonsul sei.

Italien.

Der König Viktor Emanuel hat, der „Agenzia Stefani“ zufolge, gestern die Demission des Kabinetts Luzzatti angenommen und Giolitti mit der Neubildung des Kabinetts beauftragt. .

Spanien.

In der 327 Sitzung der Deputiertenkammer . die Verhandlungen über den Prozeß Ferrer fort⸗ gesetzt.

Nach dem Bericht des, W. T. B.“ erklärte der Abg. Soriano, daß die Konservativen sich an Ferrer hätten rächen wollen. Da sie ni t imstande gewesen seien, ihn in Madrid erschießen zu lassen, hätten sie dies in Barcelong getan. Soriano verlangte schließlich eine Revision des Prozesses Ferrer und die Einleitung“ einer Unter— suchung über, das Verhalten des damaligen Ministerpräsidenten und des Ministers des Innern. Denn es ssei nicht zu er⸗ klären, daß Ferrer und viele andere zu der Zeit, als die Konservativen geherrscht hätten, erschossen worden sei, daß man aber niemanden mehr hingerichtet habe, als die Liberalen zur Macht gelangt wären. 65 Der Justizminister Vabarino erklärte, ein Gerichtsurteil unter⸗ liege nur dann der Revision, wenn das Gericht wi sentlich das Gesetz berletzt habe, und Urteile müßten auch dann geachtet werden, wenn die Gerichte einen Irrtum begangen hätten. (Widerspruch auf seiten der Republikaner. Der Minister erklärte weiter, daß die Exeignisse, in die Ferrer verwickelt gewesen sei, sehr wohl unter das Militärstraf⸗ esetz fielen, da es sich um Empörung gehandelt habe. Die gesetz lichen . seien während des Prozesses vollkommen eingehalten worden. Ir wolle noch bemerken, daß der Verteidiger von seinem Rechte, eine V erlängerung der Frist für die Zulassung von Zeugen um zwei Tage zu , ,, keinen Gebrauch gemacht habe. Der Abg. Alvarez (Republikaner) beteuerte seine Ueberzeugung von der Unschuld Ferrers und von der Ungerechtigkeit der Verurteilung in so lebhaften Ausdrücken, daß er bei einem großen Teil der Kammer verschiedene Male Wider

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9 ——

19. Dezember 1910 eingehend über die Nach den Erklärungen des österreichischen Mintsters des Aeußern dürfen wir annehmen, daß der Dreibund auf fester Grundlage ruht. Der e,, Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin in Oester— reich wird

reichischen ziehungen zu England haben sich in der letzten gestaltet. Der Redner berührte dann unser die Ermordung des Oberstleutnants von Schlichting, betonte dos freundschaftliche und St. Petersburg und beschäftigte sich mit der Bagdadbahn, über J

geführt haben, Perspektiven

Er sagte, die begangene Ungerechtigkeit sei erstens dem G

schreiben, das veraltet sei, zweitens den l r bc d ef gh . allzu engem Sinne ausgelegt hätten, und drittens der konserdaliyln Partei, die es unterlassen habe, die Begnadigung zu empfehlen. 1. Redner gab dann eine histoxische Schilderung der Ereigniffe und . Hoe seß⸗ und schloß damit, daß es gelungen sei, um Ferrer 9 Atmosphäre wilden Hasses zu schaffen, die die militärischen dich unvermeidlich hätte beeinflussen müssen. . tz

Rumänien.

Der Ministerpräsident Carp hat gestern der Deputi kammer das Budget unterbreitet, pie laut e ert „W. T. B.“ in Einnahme mit 477 745 230 und in Alusges mit 461 76 942 Franes abschließt. Das Kriegsbudget ist u 8 104 0900 Francs, das Unterrichtsbudget um 1 503 693 . das Budget des Ministeriums für öffentliche Arbeiten un 3 667 258 Frances gewachsen. Das gegenwärtige Budget ist 1 15 944 833 Francs höher als das vorjährige. . h

Bulgarien. Das neue Ministerium hat sich gestern gebilde

setzt sich, wie ‚W. T. B.“ meldei, uu) ellen isfl? a 1d gressisten zusammen, Das Präsidium und das Ministerlum für auswärtige Angelegenheiten übernimmt Gescho p Finanzen Theodorow, Unterricht Bobtschew (sämtlich Nationalisten), Inneres Ludskanow, Justiz Abr asch eh Handel Christow, öffentliche Arbeiten Franghia (Pro gressisten und Krieg General Nykiphorow. ;

Afrika. nie T 6 8 . ; 0.0 *

4 Wie 5X. T. B. meldet, sind die französischen Kreuzer „Du Chayla“ und „Friant“ sowie das Transportschiff „Vinh Long!“ mit den Truppenverstärkungen in Casablanca ein getroffen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reich s⸗ tags und des Hauses der Abgeordne ken befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Der Reichstag nahm in seiner heutigen (159.) Sitzung welcher der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück, der Staatssekretar des Reichspostamts Kraetke, der Staatssekretär des Reichtz⸗ schatzents Wermuth, der Staatssekretär des Reichsjustizamtz Dr. Lisco, der Staatssekretär des Reichskolonialamtz Dr. von Lindequist und der Staatssekretär des Aus— wärtigen Amts von Kiderlen-Waechter beiwohnten den Entwurf einer zweiten Ergänzung des Besoldungs— gesetzes in dritter Beratung unverändert ohne Debatte end— gültig an und setzte sodann die zweite Lesung des Reichshaus haltsetats für 1911“ mit dem Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei fort. Dazu liegen vor:

IJ. die Resolution Behrens (wirtsch. Vgg.):

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen: 1) den sozialen und wirtschaftlichen Frieden zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmem dadurch zu fördern, daß die Verwaltungen angewiesen werden, bei Vergebung von Arbeiten und Lieferungen für das Reich, insbe, sondere fuͤr die Verwaltung der Kaiserlichen Marine, des Reschz— heeres, der Reichseisenbahnen und der Reicht post und Telegraphen möglichst nur solche Firmen zu berücksichtigen, die sich veipflichten in ihren Betrieben zur Regelung und Sicherung der Lohn und Arbeitsbedingungen auf den Abschluß von Can bert zen hinzu⸗ wirken; 2) bei den Bundesstaaten dahin zu wirken, daß sie eben fallt in der vorstehenden Weise auf den Abschluß von Tarifverttägen hinwirken.

II. Die Resolution Albrecht und Genossen (Soz): den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, er möge im Hinblic darauf, daß die französische Deputiertenkammer und das englische Unterhaus die Bereitwilligkeit zu Rüstungsbemchränkungen? aus gesprochen haben, sofort Schritte tun, um eine internationale Verständigung über die all gemeine Einschränkung der Rüstungen in Verbindung mit der Abschaffung des See— beuterechts herbeizuführen. .

III. Die Resolution von Treuenfels (dköns) ä

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, den Beschlüssen des Reichsiags vom 19. März 1908 und vom 3. Februar 1510 endlich Folge zu geben und die notwendigen Mittel zur baldigen Errich tung eines Kolonialkriegerdenkmals in der Reichshaupt— stadt bereitzustellen.

IV. Die Resolution Brandys (Pole):

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage angesichts dessen, daß die Ausländer in den Bundesstaaten der polizeilichen Willkür preisgegeben sind, insbesondere aus Preußen öfterreichische und russische Staatsangehörige ausgewiesen werden, einen Gefetz entwurf zwecks Regelung des Aufenthalts der Ausländer im Deutschen Reiche baldigst vorzulegen.

V. Die Resolution Ablaß (fr. Volksp.):

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Bereitwilligkeit zu er— klären, in gemeinsame Verhandlungen mit anderen Großmãächten einzutreten, sobald von einer Großmacht Vorschläge über eine gleich⸗ zeitige und gleichmäßige Begrenzung der Rüstungz ausgaben gemacht werden.

VI. Die Resolution Ablaß (fr. Volksp.):

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, nach dem Muster des unterm 12. Jult 1904 mit Großbritannien abgeschlossenen und im Jahre 1999 verlängerten Schiedsgerichtsvertrags auch mit anderen Mächten Schiedsgerichtsverträge abzufchließen.

VII. Die Resolution Albrecht (Soz.):

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, Arbeiten und Liefe— rungen für die einzelnen Zweige der Reichs verwaltung nur gn solche Firmen zu vergeben, welche in Beziehung auf die Arbeitsbedingungen die gesetzlichen Vorschriffen einhalten und sich verpflichten, zur Regelung und Sicherung der Lohn- und Arbeitsbedingungen auf den Abschluß von Tarif— verträgen hinzuwirken sowie die einzelnen Zweige der Reichs— verwaltung anzuweisen, die Festsetzung oder Neuordnung von Arbeitsbedingungen in den Reichsbetrieben unter Mitwirkung der Arbeiterausschüsse vorzunehmen.

Abg. Dr. Spahn⸗-Bonn (Zentr. : Der Reichskanzler hat am auswärtige Lage gesprochen.

ie freundlichen Beziehungen zu Oesterreich und zum össer—⸗ Kaiserhause Unsere Be— Zeit freundlicher Verhältnis zu Holland,

noch günstiger gestalten.

Verhältnis der beiden Kabinette von Berlin

die die Verhandlungen zu

wodurch sich für

eröffneten.

einem befriedigenden Abschluß ür Deutschland weitausschauende Des weiteren ging er auf unser Ver—

spruch erweckte, während die Republikaner stürmisch Beifall klatschten.

hältnis zu Portugal ein und beschwerte sich über die vermögensrecht⸗

Schädigung einegs Deutschen daselbst. Er berührte

die Schiedsgerichts; und Abrüstungsfrage im Anschluß

die Rede des Relchskanzlers vom 10. Dezember 19106

and die Rede des englischen Ministers Grey, dessen Anregungen

len alls nicht ohne welteres abgelehnt werden sollten. Der Redner

rte dann Klage darüber, daß zu einer im Jahre 1904 vom Reichs⸗

ö. gefaßten Resolution der Bundesrat noch bis heute nicht Stellung

hmmien habe. Mit einer kurzen Erörterung der übrigen einge— achten Resolutionen schloß der Redner.

Schluß des Blattes.)

Das Haus der Ab geordneten setzte in der heutigen

E60 Sitzung, welcher der Minister für Handel und Gewerbe Iydo w, beiwohnte, zunächst die erste Beratung des Gef etz⸗ ntwurfs, betreffend die Errichtung und den Besuch von Pflichtfortbildungsschulen, fort. . Abg. Dippe (ul.): Der Gedanke dieses Gesetzentwurfs ist durchaus ut und berechtigt. Dat Fortbildungeschulwesen soll, einheitlich regelt werden, das liegt im Interesse der Fürsorge für 6. schulentlassene Jugend und der besseren Ausbildung der Libeiter und des Mittelstandes, also der Allgemeinheit. Von diesem Standpunkte könnte man die Ausdehnung des Gesetzes auf alle Ge⸗ neinden und . weibliche Angestellte befürworten, aber ich warne doch vor einer Gleichmacherei. Die verschiedenen Lebensbedingungen der beiden Geschlechter müssen beachtet werden. Wer trägt. nun die Fosten der Ausführung des neuen Gesetzes? Ungefähr 93 900 junge zeute sollen dem Fortbildungsschulzwang unterworfen werden. Ich glaube, die Zahl ist noch zu niedrig gegriffen. Der Gesetzentwurf sieht selbst Fälle por. in denen die Verpflichtung zur Errichtung einer Fortbildungsschule uuf Gemeinden, die weniger als 199000 Einwohner zählen, ausgedehnt werden kann. Es läßt sich noch nicht übersehen, wieviele Personen da noch in Betracht kommen. Der Staat hat sich in durchaus dankens⸗ werter Weise an den Kosten der Fortbildungsschulen beteiligt, sodaß dieses Schulwesen eine gute Entwicklung hat nehmen können, und nach der gestrigen Erklärung des Ministers will sich der Staat auch weiter un der Tragung der Kosten beteiligen; aber in dem Gesetz steht davon nichts. Bisher war es freier Entschluß der Gemeinden, jetzt sagt der Staat: zu mußt eine Fortbildungsschuse errichten. Wird es denn ausreichen, wenn der Staat 709 009 M6 geben will? Ich möchte die Gemeinden, die schon stark belastet sind, vor weiterer Belastung bewahren. Der bg. Schmedding verlangte gestern die Einführung des. obligatori⸗ schen Religionsunterrichts; ich erkenne, den Sinn, dieser Forderung gern an, aber die Vergleiche mit den anderen Schulen freffen auf diesen Fall nicht zu. Was hat das Erwerben praktischer Lebenserfahrungen in den Fortbildungsschulen mit der Religion su tun? Der Landmann kann Herrn, Schmedding sagen: ‚Auch der gute Same darf nicht zu dick ausgestreut, werden sonst veikünmern die Früchte“. Positire Kenntnisse in Ter Religion nützen dem Schüler gar nichts; wenn Sie nicht seine Seele erfasen können, ift der Nutzen des Religiensunterrichts gleich Null. Mit religiösen Unterweisungen im Anschluß an die Fortbildungsschule hat man bisher gute Erfolge erzielt, es geht auch ohne den Zwang. Gerade der Zwang stellt die Erfolge in Frage. Nach § 2 der Vor⸗ lage sollen kleinere Gemeinden zur Errichtung einer Fort⸗ bildungsschule verpflichtet werden können, wenn in ihnen Arbeiter beschäftigt sind, die in einer größeren Nachbargemeinde wohnen. Dazu müßte mindestens die Leistungsfähigkeit dieser kleineren Gemeinden es handelt sich meist um Vororte jweifellos festgestellt werden. Es sollen auch Zweckverbände zu diesem Zweck gegründet werden, wenn es die öffentlichen Inter⸗ essen bedingen; dann müßten die Beschlußbehörden auch ver⸗ pflichtet werden, die Frage zu prüfen, ob es sich in dem be⸗ treffenden Gebiet auch um eine wirtschaftliche Einheit handelt. Der Unterricht foll an den Werktagen stattfinden, aber Ausnahmen sind jugelassen, der Sonntagsunterricht ist also nicht aus geschlossen. In vielen Betrieben ist der Fortgang der jungen Leute während der Arbeit zur Schule sehr störend, es muß deshalb der Sonntags— unterricht auch im Interesse der jungen Leute zugelassen werden, weil sie fonft shre Brotstelle verlieren können. Die Gewerbe⸗ treibenden selbst müssen darüber gehört werden, und deshalb müssen die Schulvorstände Raum haben für die Teilnahme von Vertretern der Gewerbetreibenden. In der Landwirtschaft kann es berechtigt sein, daß die jungen Leute während der Hauptarbeiten der Landwirtschaft seilweife vom Besuch der Fortbildungsschule entbunden werden. Wie soll es mit denjenigen werden, die das Einjährigeneramen mit. 15 oder 16 Jahren bestanden haben? Sollen sie zum Besuch der Fort⸗ bildungsschule verpflichtet sein? Sonst könnte es eintreten, daß jemand, der bis zu seinem 19. Jahre die Schulbank gedrückt hat, um mit Mühe und Not das Einjährigenzeugnis zu erhalten, vom Besuch der Pflichtfortbildungsschule entbunden wird, wahrend, sein felbiger. Uitschüler. dazu gezwungen ist. Wir hoffen, daß die Vor— lägè in einier Gestalt aus der Kommission kommt, daß wir ihr zu— stimmen können. . ö .

Abg. Mertin⸗Oels (freikons): , . uns dem Antrage

auf Kommissioneberatung an. Der Minister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Fortbildungsschule ihren Ausgange punkt ge⸗ nommen habe von der Fachausbildung und daß Diese infolgedessen nicht davon losgelöst werden könne. Eine Jugendpflege außerhalb der Fortbildungsschule ist jetzt nicht mehr möglich. Durch die Fortbildungs- schule kann die Jugend vor allen Gefahren des Lebens bewahrt werden; sie muß die Autorität der Familie, die Autorität des Arbeitgebers unterstützen, damit die Jugend. lernt, sich der Lutorltät des Staateß, der Autorität des Meisters unterzuordnen. Wir sind weit davon entfernt, unsere Jugend religiös verwildern zu lasfsen. Neben der Treue zu Kaiser und Reich haben wir immer Gottesfurcht gefordert. Aber wir müssen uns doch gegen ie Auf⸗ nahme des Religionsunterrichts in den Lehrplan der Fortbildungs⸗ schule ausfprechen. Wir begrüßen es jedoch, daß es den Geistlichen anheimgestellt wird durch Unterweisung das religiöse Gefühl der Fortbildungsschüler zu vertiefen. Wünschen würden wir daß Rin der Fortbildungsschule das deutsche Lied gepflegt wird, das sehr wohl dazu angetan ist . die Liebe zum Vaterlande zu befestigen. Erfreulich ist auch die Aufnahme der staatsbürgerlichen Erziehung. Wir sind damit einverstanden daß die untere Grenze für den Zwang zur Einrichtung von. Pflicht⸗ sortbildungsschulen auf die Einwohnerzahl von 19 900 festgesetzt ist Wenn weitergegangen würde, würden viele Slädte in inan zielle Schwierigkeiten kommen. Dazu würde es auch an dehrermalgrial f. hlen. Dann müßten schon die Schullasten auf weitere, leistunge fähiger Ver⸗ bände verteilt werden. Die Zahl von sechs Stunden ist reichlich hoch ge⸗ griffen. In manchen Fällen wird es ein direktes Bedürfnis ein, auch den Sonntag natürlich mit Ausnahme der Kirchenstunde, u Hilfe zu nghinen, Die Stunden könnten auch ruhig noch bon 8 bis d Uhr Abends zugelassen werden; es ist besser, daß ein, Junge in der ,, sißzt, als daß er sich auf der Straße herumtreibt. Wir wollen nich ver⸗ kennen, daß die Vorlage erhebliche Opfer fordert; Aber wir wissen , daß sie gebracht werden müssen. Die Jugend ist n e ,, Wir müssen ihr das geistige Rüstzeug geben, damit sie den wahren Weg findet draußen im Leben.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 11 des Eisenbahnverordnu ug sblatteg, hetg g: geen im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, voin n er, . . folgenden Inhalt: Erlaß des Ministers der offentlichen i,, bon , Marz 1811, belt. Nenderungen bei den Eisenbahnbetriebs. und Werfstättenämtern. Nachrichten.

Statistik und Volkswirtschaft.

Beruf der Eltern der an der Universität Straßburg Studierenden. Aus einer Unterfuchung, die das elsaß lothringische Statistische Landesamt über den Beruf ber Eltern der Studenten der Universität in Straßburg angestellt hat, ergibt sich, daß von den 1960 Studierenden des Sommerhalbjahres 1910 2351 oder 14.3 v. G. Söhne von mittleren Beamten, 278 oder 1427 v. H. Söhne von Gewerbetreibenden, 2566 oder 13.1 v. H. Söhne von Lehrern (mittlerer und unterer Schulen), 2ßh oder 13 v. S. Söhne von Kaufleuten und 232 oder 118 v. H. Söhne von Landwirten waren. Die übrigen Berufsklassen sind, wie die ausführliche Zusammenstellung in der Nummer 1 des Jahrgangs 1911 der Nach⸗ richten des Statistischen Landegamts. zeigt, weit geringer vertreten. Den weitaus größten Anteil am Nachwuchs zu den akademischen Berufen stellen, wenn man die Stärke der einzelnen Berufsklassen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung berücksichtigt, die mittleren Beamten und die Lehrer. Von den 1004 aus Elsaß-Loth— ringen stammenden Studierenden waren nicht weniger als 183, d. s⸗ 18,3 v. H., Söhne von mittleren Beamten und 136 oder 13.5 v. H. Söhne von Lehrern. Die ungleich größere Berufsklasse der Gewerbe— treibenden Elsaß⸗Lothringens stellte nur 125 oder 12 . H., die der Land⸗ wirte 119 oder 11,8 v. H., die der Kaufleute 100 oder 10,4 v. H. aller Studierenden. . Zu den katholischen Theologen stellen den größten Anteil die Söhne von Landwirten (447 v. H.), zu den evangelischen Theologen die Söhne von Lehrern (22.7 v. H.) und von evan— gelischen Geistlichen (21 v. H.), zu den FJuristen die Söhne von mittleren Beamten (18, v. H.) und, von Kaufleuten (17.8 v. H). Die verhältnismäßig meisten Medizinstudierenden sind Söhne von Kaufleuten (16,5 v. 5) und von Gewerbetreibenden (15,7 v. Hö); zu den Phikosophen (ꝙPhilologen) stellen den Hauptanteil Söhne von Lehrern der mittleren und unteren Schulen (182 v. H.). und von mittleren Beamten (15.8 v. H); in der mathematischen und naturwissenschaft⸗ lichen Fakultät stehen der Zahl nach an erster Stelle die Söhne bon Gewerbetreibenden (166 v. H... Die Lehrer der höheren Schulen führen ihre Söhne hauptsächlich dem philosophischen (philo⸗ logischen Studium zu (31 von im ganzen 69 Söhnen von Lehrern höherer Schulen gehörten der philosophischen Fakultät an); auch die Söhne der evangelischen Geistlichen scheinen gern den Beruf ihrer Väter zu ergreifen (17 von 62), ebenso die Söhne von Aerzten (38 von im ganzen 50). (Nach der ‚„Straßb. Korr.“)

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Frankfurt a. M. wird der „Voss. Ztg.“ telegraphiert: Nach sechstägigen Verhandlungen, an denen mehr als 200 Personen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, teilnahmen, wurde eine Einigung über den neuen Lohntgrif im Schneidergewerbe erzielt, der von den Gehilfenorganisationen in 988 deutschen Städten den Arbeitgebern eingereicht worden war. Es handelte sich um 340 Tarifpositionen, und es war nahe daran, daß es zu einem Streik und zu einer Aussperrung gekommen wäre, Nach dem neuen Tarif zahlt Frankfurt nicht nur in Deutschland die höchsten Löhne im Schneidergewerbe, es übertrifft auch die Londoner Löhne um 15 bis 20 v. H. Der Ausstand der Möbelträger in Frankfurt a. M. (o9gl. Nr. 76 d. Bl.), der ursprünglich 22 Firmen betraf, ist, der ‚Frkf. Ztg.“ zufolge, etwas zurückgegangen, weil mehrere Firmen den von der Arbeiterorganisation verlangten Arbeits- vertrag unterzeichnet haben.

Die Schuhmacher von Hamburg, Altona und Umgebung beschlossen, wie die „Köln. Ztg. erfährt, am 1. April in den Aus⸗ stand zu treten, wenn bis dahin keine Einigung mit den Arbeitgebern erzielt ist. .

—; Sämtliche Webereien in Hof kündigen, wie der „Voss. Ztg.“ gemeldet wird, die Schließung ihrer Betriebe von Montag ab an, falls die Arbeiterschaft in drei bereits geschlossenen Webereien nicht auf die Forderung dauernder Freigabe der Sonnabendnachmittage verzichtet. .

In Bayonne sind, W. T. B.“ n die Bäcker⸗ gehilfen wegen Verweigerung einer Lohnerhöhung in den Ausstand getreten. Den Bäckern wurden auf Ersuchen des Bürgermeisters zur Brotbereitung Soldaten zur Verfügung gestellt.

Wohlfahrtspflege.

Der 52. Jahresbericht des Zentralausschusses für die innere Misfion der deutschen evangelischen Kirche über das Jahr 1910 ist soeben im Druck erschtenen. Aus dem reichen, lo4 Seiten umfassenden Inhalt sei 3 hervorgehoben: Im Meelpintr ve - Arber Ses Jähres 1910 stand der vierte Apalo—ᷣ getische Instruktionskursus zu Berlin, der von über 7090 Teil⸗ nehmern und Teilnehmerinnen aus allen Teilen Deutschlands besucht wurde. Von großer Bedeutung für zahlreiche Arbeitszweige der tknneren Mission (Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend, Gewinnung und Ausbildung von Erzieherpersonal für die gefährdete und verwahrloste Jugend, Fürsorge für die gescheiterten Existenzen aus den gebildeten Stäͤnden) war die im Nobember v. J. abgehaltene Konferenz, zu der der Zentrglausschuß seine aus—= wärtigen Mitglieder und Agenten sowie die Vertreter der ihm ver⸗ bundenen Vereine, Anstalten und Verbände eingeladen hatte. Die im Jahre 1909 gegründete Frauenschule der inneren Mission hat sich gut eingeführt. . der zweite Jahreskursus ist zurzeit wieder von etwa 50 Schülerinnen aus allen Gegenden Deutschlands sowie über 40 Hospitantinnen besucht. Die Seemannsmission machte weitere Fortschritte. Neue Stationen wurden in Porto, Santos und Neder Kalix (Schweden) eröffnet. Stettin und Montevideo bezogen ihre eigenen neuerbauten Heime, und in Buenos Atres wurde der dortige Neubau durch größere Gaben aus Deutschland in greifbare Nähe gerückt. An Besoldungs— und Unterhaltungszuschüssen für die einzelnen Stationen waren SI 771 nötig. Als Gefängnisaufseherinneu wurden 14 An— wärterinnen ausgebildet. Die meisten von ihnen traten in den Staats dienst ein. Mehrere konnten den Erziebungsanstalten der , verwaltungen oder der inneren Mission als Erziehungsge⸗ hilfinnen zugewiesen werden. Das Schüleralumnat Paulinum in Posen konnte den neuerrichteten Neubau mit Beginn des Winers beziehen. Der Kommission für innere Mission in den deutschen Schutzgebieten war es möglich, eine weitere Schwester nach Keetmanshoop in Südwestafrika in das dortige Erziehungshaus zur Pflege der Mischlingskinder zu entsenden. Auch wurden die deutschen Ansiedler mit Bibeln, guter Volkslektüre und Schriften gegen den Alkoholmißbrauch bersehen. Die Zentralstelle zur Forderung der Volks- und Jugendlektüre gab u. a4. neue, Bücherverzeichnisse für junge Mädchen und über volkstümliche medizinische Schriften sowie ein Ver⸗ zeichnis guter Bücher für das deutsche Haus heraus. Die Jugend⸗ schriftenrundschau und das Literaturblatt „Eckart“ erfreuten sich einer wachsenden Abonnentenzahl. Eine besondere Kommission unterzog den Vorentwurf zum deutschen Strafgesetzbuch einer eingehenden Prüfung vom Standpunkte der evangelisch⸗christlichen Weltanschauung. Der Bericht ist von der Geschäftsstelle Berlin⸗Dahlem, Post Gr. Lichterfelde⸗West, Altensteinstraße oJ, unentgeltlich zu beziehen.

Kunst und Wissenschaft.

Ueber den Einfluß des Tabakrauches auf die Pflanze hat Professor Dr. Hans Molisch eingehende Versuche angestellt und ist zu dem überragschenden Ergebnis gelangt, daß die Pflanze gegenüber dem Tabakrauch äußerst empfindlich ist. Die Ergebnisse des Professors Molisch, die er in der neuesten Nummer der „Umschau“, Frank⸗

furt a. M. (Wochenschrift über die Fortschritte in Wissenschaft und

Technik) an Hand einer Anzahl photographischer Aufnahmen berichtet, sind ganz überraschend, denn man hält doch vielfach Pflanzen in rauchigen Zimmern und Restaurants. Jetzt erst erklärt es sich, warum viele Zimmerpflanzen einen so kümmerlichen Eindruck machen. Auch für Bakterien und Kleinwesen ist der Rauch schädigend oder tötend. Durch diese Wirkung hätte ja dann der Tabakrauch für den Raucher die gute Eigenschaft, daß er die Mundhöhle desinfiziert und auch Hoh u dürften durch den Rauch eine gewisse Desinfektion er⸗ fahren. Doch wiederum, wenn die lebende Substanz der Pflanze von schon kleinen Mengen Tabakrauch so stark in Mitleidenschaft gezogen wird, so mahnt dies den Gewohnheitsraucher zur Vorsicht und Zurückhaltung. Weitere Artikel der Nummer sind: Dr. F. Linde, Üeber die Großindustrie der flüssigen Gase. Ingenieur F. Her⸗ mann, Die Gezeiten als Kraftquelle. Dr. Ditzel, Volksver⸗ mehrung im neuen Deutschen Reiche. Dr. V. Franz, Hoch und Niedrig im Tier⸗ und Pflanzenreich. Eine neue Wünschelrute. Unverbrennbares Zelluloid usw. usw.

Wie der Japaner zeichnen lernt. Die japanische Zeichen⸗ kunst und Malerei, die in den letzten Jahrzehnten den Künstlern Europas so fruchtbare Anregungen geschenkt haben, bergen auch für den Fachmann noch heute ihre technischen Geheimnisse, die zu ergründen schon mancher Praktiker versucht hat. Der Kosmos“, . für Naturfreunde (Stuttgart, Franckhsche Verlagshandlung), ringt in Kest 2 des Jahrgangs 1911 nach den Mitteilungen eines englischen Beamten der japanischen Regierung allerlei Einzelheiten aus der Werkstatt der japanischen Künstler und gibt dabei auch die Lehrmethode an, durch die Japan seine Zeichenkünstler heranhildet. . den europäischen Kunstfreund hat sest langem die verblüffende Fähigkeit der Japaner, rasche Bewegungen in Linie und Form festzuhalten, etwas Bewundernswertes gehabt. Diese überraschende Unmittelbarkeit, das gleichsam im Flug erhaschte Leben dieser Darstellungen, wird durch eine mühsam erworbene Kunst⸗ fertigkeit erreicht, durch eine verwickelte Lehrmethode, die für europäische Kunstbegriffe auf den ersten Blick sogar etwas Pedantisches und Schematisches haben mag. Eng aneinandergepreßt kauern in Japan beim Zeichnen Lehrer und Schüler zusammen, man begreift kaum, daß der Schüler in dieser beengten und unbequemen Stellung arbeiten kann. Das erste, was erlernt wird, ist die Darstellung eines fliegenden Sperlings. Der Schüler beginnt mit Uebungen in der Handhabung des großen Pinsels, der am unteren Ende haarscharf zugespitzt ist. Blatt um Blatt wird dann gefüllt, nicht etwa mit einem Umriß des ganzen Vogels nein, einzelne Teile werden unzählig oft wiederholt. Zuerst der offene Schnabel mit der zarten feinen Linie, die die Zunge andeutet; dann ebenso oft das Auge, dann das Augenlid. Und erst wenn diese Einzel⸗ heiten unendlich oft wiederholt sind, dürfen z. B. Schnabel und Auge zusammen geübt werden. Der Pinsel wird dabei mit Wasser getränkt, die schwarze chinesische Tusche nur mit der feuchten Spitze von der Palette abgenommen. Der leichteste Druck läßt, den Pinsel sich krümmen, und das wichtigste ist mit die Gewandtheit und Erfahrung in der leichten Haltung des Pinsels. Das ist nur möglich, wenn man den Pinsel auf japanische Weise hält. Ebenso wichtig für das Ganze ist die kauernde Stellung, die der Japaner bei der Arbeit ein⸗ nimmt. Für Kopf und Körper des Vogels wird dann ein anderer Pinsel verwendet, der etwas dünner ist und dessen Spitze eine etwas geringere Biegsamkelt hat. Mit diesem Pinsel wird im Gegen⸗ fatz zu dem anderen die Farbe direkt übertragen, Die Umrißlinien sind bereits dünn angegeben, und nun folgen die breiteren Striche, die zunächst die Federn wiedergehen sollen. Das eigentliche Geheimnis der Japaner ist ihre Pinselhaltung. Ein großer Teil des Armes und der Hand werden dabei steif gehalten. Mit einer leichten Muskelzusammenziehung bewegen sich dann die eng zusammengepreßten Finger in fast rhythmischer ,,, hin und her. Diese Flügelstudien werden mit großer Schnelligkeit ausgeführt, und gerade diese Geschwindigkeit, die erst nach langer mühseliger Arbeit errungen wird, sst das Hauptelement des Gelingens. Daher ist es auch un möglich, japanische Zeichnungen zu „kopieren“; sie können nur ge⸗ schaffen werden nach dieser eigenartigen Arbeitsweise und sind ein Ergebnis dieser japanischen Methode des Zeichenunterrichts.

Literatur.

Bilder

Felicitas Rose: aus den vier Wänden. Novellen. Deutsches Verlagshaus Bong u. Co. Preis 4 6. Dies neue Buch der Felicitas Rose ist lediglich Unterhaltungslektüre. In dieser Beleuchtung gesehen, läßt sich wenig dagegen und manches dafür sagen. Ein frischer, lebendiger Ton geht durch alle diese No⸗ vellen, und harmlose Menschen können sich an den etwas überlebten und allzu bekannten Scherzen der ersten Geschichte vielleicht erfreuen. Nicht ohne Feinheit, Gemüt und Humor sind die folgenden kürzeren

Rovellen geschrieben, von denen „Unsere Male auf inn, ; s „Tagebuch einer Dienstmagd“ als die besten erscheinen.

Verkehrswesen.

Deutsches Kabel nach Südamerika. Die deutsche Kabelverbindung mit Brasilien, deren

10( erste Teilstrecken Emden —eneriffa und Teneriffa Monrovia in den Jahren 1909 und 1910 gelegt worden sind, ist nunmehr bis Pernam huco fertiggestellt und in Betrieb genommen worden. Damit ist ein lang gehegter und bei der lebhaften Zunahme der Verkehrs⸗ beziehungen immer dringender zum Ausdrucke gebrachter Wunsch weiter Kreife des Handels, der Industrie, der Schiffahrt usw. in Erfüllung gegangen. Nach den günstigen Erfahrungen, die mit den zwischen Deutschland und Nordamerika gelegten Kabeln gemacht worden sind, darf angenommen werden, daß auch die Kabelverbindung mit Südamerika sich in gleichem Maße als segensreich für Deutschlands Interessen erweisen wird. Die Deutsch⸗ Südamerikanische Telegraphengesellschaft, die die neue Linie betreibt, hat bereits beim Betriebe der ersten Teilstrecken bewiesen, daß sie den Verkehr schnell und zuverlässig abwickelt. Die Legung des letzten Kabelstücks von Monrovia bis Pernambuco ist im unmittelbaren Anschluß an die Lotungsarbeiten durch den Kabeldampfer Stephan! der Norddeutschen Seekabelwerke mit Erfolg und in bemerkenswerter Schnelligkeit bewirkt worden. Die elektrischen Schlußmessungen haben ergeben, daß das in Nordenham angefertigte Kabel auch in technischer Beziehung alle Gewähr für einen einwandfreien Betrieb hietet: ein neuer Beweis von der großen Leistungsfähigkeit der deutschen See⸗ kabelindustrie. Die ganze Verbindung Emden Teneriffa Monrovia Pernambuco bildet mit ihren 10 749 km Länge einen wichtigen und wertvollen Zuwachs zu dem deutschen Seekabelnetz. Mit ihrer Er öffnung ist noch insofern ein weiterer wichtiger Fortschritt verbunden, als vom Tage der Inbetriebnahme ab die Gebühren im Telegramm⸗ verkehr mit Brasillen eine beträchtliche Ermäßigung erfahren haben. Die Wortgebühr beträgt nunmehr für Telegramme nach Pernambuco 2 SJ 50 3, nach den übrigen Anstalten Brasiliens 3 6 b und nach den Anstalten der Amazon Telegraph Company erste Zone 4 6 75 , zweite Zone 5 ½ 95 . . = .

Telegramme, die über die neue Linie gehen sollen, sind mit der Wegangabe „via Emden Teneriffa“ zu bezeichnen.

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höchsten Eisenbahnen der Erde. In Europa war bis vor kurzem die von Zermatt auf den Gornergrat führende Zahn⸗ radbahn diejenige, die die größte Höhe über dem Meeresspiegel er= reicht. Ihr höchster Punkt liegt in einer Meereshöhe von 3018 m, und sie war lange Jahre hindurch die einzige Bahn in Europa, die über 3000 m Höhe anstieg. Sie wird gegenwärtig jedoch schon über⸗ troffen von der vielgenannten Jungfraubahn, deren bereits dem Ver⸗ kehr übergebene Station „Eismeer 3162 m hoch liegt, während die nächste Station „Jungfraujoch“ 3396 m und der in Aussicht ge⸗

Die