1911 / 86 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Apr 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Dieses Bureau hat seine bisherigen Käufe von englischen Konsols am offenen Markt erheblich eingeschränkt und die Bestände in diesen irischen Renten angelegt. Während von 1895 bis 1899 jährlich durchschnittlich von dem Bureau 260 Millionen Mark in englischen Konsols aufgekauft worden waren, beläuft sich der jetzige Betrag nur auf 50 Millionen Mark, und teilweise haben diese Kaufe ganz und gar gestockt. Lord Baldwin weist mit Recht darauf hin, daß für den Stand der Staatspapiere die Tilgung durch- Rück⸗ käufe von Einfluß ist. Welche Lehre können wir daraus ziehen? Unsere preußische Staatsschuld wird gesetzlich mit / Os getilgt, was jetzt 57 Millionen Mark ausmacht; 1897 waren es etwa 21 Millionen und 1907 einige 40 Millionen Mark. In diesen 10 Jahren sind aber durch Käufe jährlich nur etwa 500 009 bis 700 000 getilgt worden, während die Tilgung der vielen anderen Millionen dadurch erfolgte, daß die zu tilgenden Beträge von den neuen Anleihekrediten abgeschrieben wurden. Erst 1968 hat man mit größeren Käufen begonnen; 1908 sind 18 Millionen durch Ankäufe getilgt, der Rest von 21 Millionen durch Abschreibungen, 1909 21 Millionen durch Ankäufe, der Rest durch Abschreibungen. Die Ziffern für 1910 sind mir nicht bekannt; ich würde dem Mmister dankbar sein, wenn er sie bekannt gäbe. Ich möchte wünschen, daß künftig die ganzen 57 Millionen am offenen Markte angekauft würden und daß der Herr Finanzminister auch den Herrn Schatzsekretär im Reiche bewegen möge, daß auch im Reiche der ganze Betrag durch Ankäufe getilgt wird. Für die Versicherungsgesellschaften rede ich einer gesetzlichen Regelung der Frage nicht das Wort, ich bin aber doch dafür, daß man einen mehr oder weniger sanften Druck nach der Richtung hin ausübt, daß die Versicherungsgesellschaften, die sich des besonderen Schutzes des Staats erfreuen und viele Milliarden Kapital haben, mehr als bisher Staatspapiere erwerben. Der Zustand, daß sie von den vielen Milliarden nur 2 bis 3 o in Staate papieren angelegt haben, ist auf die Dauer nicht zu dulden. Ich bin dagegen, daß man die Anlegung der Reservefonds der Industriegesellschaften in Staatspapieren geen regelt, aber ich verspreche mir einen Erfolg davon, daß die Banken und Bankiers, die großen Einfluß auf die Industriegesellschaften haben, ihn dahin geltend machen, daß die Reservefonds mehr als bisher liquid gehalten und möglichst in Staatspapieren angelegt werden. Allerdings könnten dann, die Gesellschaften gezwungen sein, da ihnen Geld fehlt, Anleihen aufzunebmen oder Aktien auszugeben; es gibt aber noch den anderen Weg der Einschränkung des Geschäfts; es ist nicht richtig, die Reserbefonds immer wieder im Betriebe anzulegen; das geringere Uebel ist es, daß das Geschäft ver⸗ kleinert wird, als daß der dauernde Zustand der Ueberhitzung anhält. Auch bei den Banken bin ich gegen eine gesetzliche Regelung. Nach Veröffentlichung von Zweimongtsbilanzen werden die Banken wahrscheinlich schon mehr als bisher Staatspapiere anlegen, denn die Veröffentlichung der Zweimonatsbilanzen unter Angabe des Besitzes an Staatspapieren wird ihren Wetteifer anregen. Die Reichsbank hat sich dahin auf das eifrigste bemüht, und auch die Deutsche Bank ist bahnbrechend vorgegangen; diese hatte vor 19 Jahren nur 10 bis 20 Millionen in Staatspapieren, ö 150 Millionen. Auch dieser Betrga ist im Interesse der Deutschen Bank noch nicht genügend; aber wer sich zu bessern täglich etwas tut, wird allmählich fehlerfrei und gut. Die Gewinne der Banken werden nicht zurückgehen, bei der Deutschen Bank sind sie sogar gestiegen. Ich verwalte seit virlen Jahren meine Firma nach diesen Prinzipien, und der Gewinn ist nicht zurückgegangen. Die geistvollen und interessanten Ausführungen des Herrn von Gwinner laufen am letzten Ende darauf hinaus, daß die Grund⸗ sätze bezüglich der Neuordnung der Finanzen im preußischen Staat, welche dieses Haus in Uebereinstimmung mit dem Abgeordnetenhaus und mit der Staatsregierung geschaffen hat, abgeändert werden sollen. Obgleich nun die beiden Herren Minister die Voraussetzungen, auf denen Herr von Gwinner seine Schlußfolgerungen aufgebaut hat, in schlagender Weise erschüttert haben, halte ich es doch für richtig, auch einige Worte dazu zu sagen, schon damit nicht etwa der Gedanke entsteht, daß alle Mitglieder dieses Hauses oder auch alle Mitglieder der neuen Fraktion, in deren Mitte wir uns freuen, Herrn von Gwinner begrüßen zu dürfen, seiner Ansicht wären. Ich hoffe, daß im großen und ganzen die Mitglieder dieses Hauses Herrn von Gwinner in seinen Ausführungen nicht Ge⸗ folgschaft leisten. Im vorigen Jahre sprach der damalige ver⸗ dienstvolle Leiter des Finanzwesens die Hoffnung aus, daß der Etat für 1911 in den Aucgleichefonds etwa 30 Millionen hinein⸗ bringen würde. Herr von Gwinner hat damals handgreiflich zu be⸗ weisen gesucht, daß dies eine Unmöglichkeit wäre; in einem Jahre würden wir uns wieder sprechen. Glücklicherweise können wir schon jetzt nach Ablauf von 10 Monaten mit Freuden konstatieren, daß die Voraussagungen des Finanzministers Freiherrn von Rheinbaben voll und anz in Erfüllung gegangen sind, und darüber hinaus dürfen wir uns reuen, daß, während nach dem Etatsansatz des Jahres 1910 nur 152 Millionen für allgemeine Staatsausgaben angenommen waren und nichts in den Ausgleichsfonds hineinfloß, jetzt nicht nur der volle Betrag von 2,10 ο des statistischen Anlagekapitals für allgemeine Ausgaben herangezogen werden soll, sondern daß noch darüber hinaus 60 Millionen in den Ausgleichsfonds gelegt werden können. Diese Tatsache ist um so erfreulicher, als die damaligen Prophezeiungen und Befürchtungen des Herrn von Gwinner mit Angriffen verbunden waren gegen den verdienten Leiter des Finanzressorts und seine aus⸗ gezeichneten Beamten in einer Weise, wie sie wenigstens in diesem Hause selten gehört sind. Herr von Gwinner hat vorgestern darauf hingewiesen, daß die Einnahmen für das ablaufende Etatsjahr zwar erfreulicherweise auf den Betrag von etwa 130 Millionen gestiegen seien und die Ausgaben nur um 10 Millionen; er hat aber in diese Frende den Zweifel hineingemischt, ob diese 10 Millionen nicht in gewisser Weise dadurch künstlich herbeigeführt seien, daß mit Ausgaben juruckgebaiten sei. Die beredten Zahlen, die der Eisenbahnminister an⸗ geführt bat, machen alle Voraussetzungen des Herrn von Gwinner zunichte. Herr von Gwinner sprach gestern von den Defizits. Er bedauerte, daß durch die Neuordnung der Dinge wir aus den Defizits nicht berauskämen; käme eine rückläufige Konjunktur, dann würden wir wabrscheinlich in dieselbe schwere Bedrängnis hineingeraten, in der wir vor einigen Jahren waren. Ich glaube, er befindet sich auch in dieser Hinsicht in einem erfreulichen Irrtum. Ich bitte ihn, den Nettoetat zur Hand zu nehmen; da ist der Posten der direkten Steuern und der Zölle mit der stattlichen Summe von glaube ich 384,15 Mil⸗ lionen mehr als im Vorjabr. Dieser Posten ist mit aller nötigen Vorsicht aufgestellt, und bei dem augenblicklich herrschenden Geschäftsgang in Landwirtschaft, Industrie und Handel werden die Einnabmen aus dieser Quelle noch sehr viel reichlicher fließen. Auch die anderen 15 Posten der Einnahmen sind erbebliche Faktoren. Ich gebe mich der bestimmten Hoffnung bin, daß das Defizit, welches im vorigen Jahre von 92 auf 45 Millionen heruntergegangen war, in diesem Jahre, wenn nicht ver⸗ schwinden, doch um einen großen Betrag herabgemindert werden kann. Nun hat Herr von Gwinner vorgeschlagen, den Prozentsatz von 2, 100 / um ein geringes zu erhöhen. Ich bin der Ansicht, daß, nachdem wir diese Ordnung der Dinge seit einem Jahre eingeführt haben, wir die in Autsicht genommene Versuchs zeit abwarten sollten, und daß nach 4 Jahren Zeit genug sein wird, darüber ju sprechen. Ich bin nun der Meinung, daß dieser Reservefonds, wie es bei den Industriegesellschaften üblich ist, in barem Gelde ruhen sollte, bei der Seebandlung. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß, nach⸗ dem wir im vorigen Jahre 60 Millionen in die Kasse bekommen haben, wir auch in diesem Jahre einen ähnlichen Betrag erhalten werden, n. er nur mit 32 Millionen eingesetzt ist. Dann eme. wir a 120 Millionen. Wenn wir dieses Geld bei der Seehandlung aben, da brauchen wir im Falle der Not nicht erst Anleihen zu be⸗ eben. Diese Hunderte von Millionen werden nun noch weiteren egen im Lande stiften. Sie werden das Geld für die Land⸗ wirtschaft, die Industrie und den Handel billig machen. Herr von Gwinner hat es dann auch für möglich gehalten, daß wir uns die Grundsätze ju eigen machen, denen Herr Kirchhoff in Broschüren und Artikeln Ausdruck gegeben hat. Der Herr Minister hat schon

gestern darauf hingewiesen, daß diese Ausführungen nicht gerade sehr klar sind, daß man im dunkeln tappt, wenn man sie handhaben will. Soweit ich sie verstehe, gebe ich gern zu, daß uns diese Grundsätze eine größere Bewegungsfreiheit geben; aber diese größere Bewegungsfreiheit ist gerade das, was ich fürchte. Wir reißen damit den Damm ein, den wir sehr weise aufgerichtet haben gegen die Zugriffe der andern Ressorts. Ich bitte Sie, folgen Sie dem Lockruf des Herrn von Gwinner nicht, sondern lassen Sie uns festhalten an den Grundsätzen der Solidität und der Vorsicht, die die preußischen Finanzen und damit Preußen groß gemacht haben.

Graf von Mirbach: Ich habe nicht den Beruf, auch nicht die Verpflichtung, Herrn von Gwinner in Schutz zu nehmen gegen den Vorredner. Wenn er aber erklärte, daß die Art, wie Herr von Gwinner im vorigen Jahre, den Finanzminister und die preußischen Finanzen kritisiert hätte, in diesem Hause unerhört wären, so entspricht das nach meinem Gefühl nicht der Kollegialität im Herrenhause, an die wir gewöhnt sind. Herr von Gwinner hat im vorigen Jahre allerdings in der Form zu scharf gesprochen. Das erklaͤrte sich aber wohl aus einem Mangel an parlamentarischer Uebung, die Absicht war die beste. Wer neu im Parlament ist, ist vielleicht verlegen oder verletzt durch die Art, wie der Vorredner gesprochen hat; wir wissen ja, daß Herr von Rheinbaben mitunter von oben herunter sprach. Unsere deutsche Berliner Presse, die nicht immer die deutschen Interessen vertritt, sondern die ausländischen, benutzte ja jene Rede gegen unsere Finanzverwaltung, und insofern war der Vorstoß nicht ganz vorsichtig. Herr von Gwinner kann sich aber getrost in solche Kämpfe hineinwagen, selbs Herrn Delbrück gegenüber; er bleibt Gewinner (Zuruf des Herrn von Gwinner). Die Ausführungen des Herrn von Gwinner waren doch sehr wertvoll durch die Erweiterung von Gesichts⸗ punkten in bezug auf die Hebung des Kurses unserer Staatsanleihen und hinsichtlich der Tilgung der Schuld durch Rückkäufe. Herr von Gwinner hat das Verdienst, daß er zuerst diese Frage an⸗ beet hat. Eine andere Frage ist die, ob wir im vorigen Jahre ereits ein Defizit gehabt hatten oder nicht. Herr von Gwinner hatte darin recht, daß wir formell wohl ein Defizit, aber tatsächlich einen Ueberschuß hatten. Wesentlich entscheidend ist der Etat unserer Staatsbahnverwaltung, die Verteilung der Einnahmen der Staatsbahnen. Es werden aus den Reineinnahmen verteilt 2, 10 9/0 für allgemeine Staatsausgaben, und der Rest fließt in den Reserve⸗ oder Ergänzungsfonds, oder wie man es nennen will. Bei dieser formellen Verteilung ist allerdings ein Defizit fast immer berauszurechnen, selbst wenn die Ueberschüsse noch so hoch sind. Herr von Gwinner hat sehr zutreffend gesagt, wenn auch die Ein— nahmen um viele hundert Millionen steigen, so kann man doch rechnerisch ein Defizit konstruieren, und damit die Notwendigkeit der Erhöhung direkter Steuern. Ob das gerade für die Steuerzahler sehr erfreulich ist, darüber kann man verschiedener Meinung sein. Ist es zweckmäßig, daß der Staat, wenn er auch seinen unter der Be⸗ lastung mit Staats- und Kommunalsteuern notleidenden Steuer— zahlern gegenüber gar kein Wohlwollen hat, unter allen Umständen an dieser mechanischen Verteilung festhält? Bequem ist es un⸗ bedingt, aber es geht eigentlich über den Rahmen einer soliden Tinan berwaltung inaus, es liegt darin eine sehr starke Thesaurierung. Ist es ern, die direkten Staats- und Kommunalsteuern so zu erhöhen, daß die Steuerkraft der Bevölkerung erschüttert wird, und ein wirtschaftlicher Rückgang erfolgt? Ich halte das nicht . richtig, ganz abgesehen von den Unglücklichen, die davon betroffen werden. Es konnte damit gehen wie bei der Land⸗ wirtschaft, wo das Unternehmen den Boden zu Mehrleistungen zwingt, um die allerhöchste Rente herauszudrücken; wie hier meistens eine chemische und mechanische Verschlechterung des Bodens eintritt, und der Ertrag zurückgeht, wird schließlich auch die Prästationsfähigkeit der Steuerzahler leiden. Das Steuer⸗ programm des Fürsten Bismarck lautet: Der Gesamtbedarf des Staates wird aus indirekten Steuern gedeckt, allenfalls wird für die Wohlhabenden eine direkte Steuer als sogenannte Anstandssteuer konzediert, sonst aber sollen die direkten Steuern den Kommunal⸗ verbänden zufließen. Von diesem Programm sind wir schon himmel⸗ weit entfernt. Ein großer Teil der heutigen Staatsmänner und Parlamentarier mögen ja den Fürsten Bismarck weit über⸗ ragen, darüber wird die Geschichte urteilen; aber dem Steuer⸗ programm Bebels, nur eine scharf nach oben steigende direkte Steuer nähern wir uns in Preußen immer mebr, und dagegen sind doch erhebliche Bedenken geltend zu machen. Was die Staatsbahnen betrifft, so bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß die früheren Finanzminister den heutigen nehme ich vollkommen aus, zu dem habe ich unbedingtes Vertrauen, daß er die Dinge ohne Rückhalt darstellen wird, wie er es hisher getan hat mit ihren Ideen über die Amortisation der Eisenbahnschuld etwas ver⸗ wirrend auf die ganze Beurteilung der Verhältnisse gewirkt haben. Nur einmal hat Herr Miquel eine Ausnahme gemacht. In einem kleineren Kreise, von dem heute nur noch ich und der Freiherr von Manteuffel übrig sind, führte er über die Frage, ob wir für die Kanal⸗ vorlage eintreten sollten oder nicht, folgendes aus: Sie brauchen gar kein Bedenken zu tragen, ein paar hundert Millionen ins Wasser zu werfen, das verträgt der Fiskus sehr leicht; ich habe durch eine Amortisation, zu der ich gar nicht gezwungen war, eine ganze Anzabl von Hunderten von Millionen erspart und dann be⸗ halten. Das sagte der sonst so vorsichtige Herr von Miquel in einem engeren Kreise in seiner Wohnung; in einem weiteren, wo Steno⸗ graphen dabei waren, lautete das etwas anders. Der ganze Fundus unserer Bahnen wird in 2 wertvoller Form aus den laufenden Einnahmen bestritten, darüber hinaus auch eine beträchtliche Ver⸗ mehrung der Substanz, wobei der müßige Streit, was werbende An⸗ lage sei und was nicht, ganz außer dem Spiele bleiben kann. Diese Vermehrung der Substanz vollzieht sich dadurch, daß jeder einzelne Posten unter hunderttausend Mark aus den Einnahmen be⸗ stritten werden muß. Es handelt sich da um ganz gewaltige Summen, und auch noch darüber hinaus werden große Erweiterungen der Substanz regelmäßig aus den laufenden Einnahmen bestritten. Hier⸗ nach erscheint mir eine Tilgung der Staatseisenbahnkapitalschuld absolut nicht dringlich; sie geschieht aber doch, und von den 10 Mil— liarden sind bereits 3 getilgt. Das ist doch eine mehr als vorsichtige Finanzverwaltung, wenn der Schuld eine Anlage gegenübersteht, die mit 19 Milliarden eingesetzt ist, aber heute schon 91 15 Milliarden gesckätzt werden kann. Die Thesaurierung ist ja sehr erfreulich, es wird ein Reservefonds von großer Bedeutung geschaffen, und es wäre kein Wort dagegen zu 6 wenn nicht die Eventualität einer schärferen Heranziehung der direkten Steuern gegenüber— stände. Darin liegt eine ganz gewaltige Gefahr, und es ist mir sehr jweifelhaft, ob der Finanzminister den richtigen Weg gebt. Ich zitiere aus dem bekannten Werke Kirchhoff: Diese Extra⸗ aufwendungen aus dem Ordinarium, welche als reine Substanz vermehrung angesehen werden können, haben 1907 und 1908 jährlich 70 bis e fe e. betragen, also mehr als L/ der gesamten noch validierenden Eisenbahnkapitalschuld. Die Gesamtsumme dieser Ver⸗ wendungen allein für Vermehrung des Fuhrparks über den Ersa hinaus betragen 327 Millionen und unter Zurechnung der . wendungen fär Melioration der Bahnanlagen im ganzen mehr als 650 Millionen, die aus dem Ordinarium für reine Substanz⸗ vermehrung aufgewendet worden sind, ohne dem Anlagekapital zu⸗ gerechnet zu werden. Diese Ausführungen wie diejenigen über die Herabminderung der Cisenbahnschuld auf 7 Milliarden scheinen mir klar und unanfechtbar zu sein. Nun ist von den Herren von Gwinner und Delbrück in rührender in voller Ueber einstimmung die Eventualität einer Aenderung der gesetz⸗ lichen Bestimmungen über die Sparkassen unter Beräcksichtigung der englischen Erfahrungen zur Hebung des Kursstandes unserer Staatspapiere angeregt worden. Ich bedauere sehr, erklären zu müssen, daß dieser Weg ganz ungangbar ist für unsere Sparkassen. Einmal handelt es sich im kommunale Sparkassen, da hat der Staat nicht das Recht, so weit einzugreifen, und dann vergessen Sie doch nicht, wie soll das Kreditbedürfnis der kleinen Sparkassen befriedigt werden? Sie legen eg an in kleinen Hypotheken, und das ist ein

Weg nicht für gangbar, es müßten denn sehr weitgehende 9 geschaffen werden; ich glaube auch nicht, daß die Vorlage mull Hause Zustimmung findet, versucht kann es ja werden. Die we. Banken würde das ja sehr wirksam von der Very fin entlasten. Staatspapiere anzukaufen, das gebe ich volle n zu. Die Herren von der haute finance und der n. minister hören es nicht sehr gern, wenn man ihnen sagt, der Diskontsatz ist entscheidend für den Kurs unserer Staatẽpap Die exorbitanten Sätze stammten nicht von den großen An sprnn an die Reichsbank, sondern davon, daß man den schwachen Golbsch schüßen wollte. Der jetzige verdienstwolle Leiter der Zentralgenos schaftskasse hat es selbst ausgesprochen, daß es Sätze wären, die '. noch die Spekulation anlegen könnte. Das hätte vermieden hen! können, wenn wir die Taler nicht verkauft hätten, wenn sie noch ha in der Reichsbank lägen. Das ist ja nun vorbei und nicht mehr = ändern, aber gerade dem jetzigen Reichsbankpräsidenten Haven gebührt unser besonderer Dank dafür, daß er weitsichtig unh Gegensatz zur früheren Gepflogenheit verstanden hat, unseren Edd metallbestand wirksam zu stärken, auch mit Opfern, durch Ankauf y Gold und von Devisen, sodaß er über einen reichen oder doch genügen Goldbestand verfügt, ohne daß eine bedeutende Zinserhöhung nöt wäre, und ich hoffe, daß er in 1. 2 Jahren noch bessete Je sultate erzielen wird, und das wird in erster Reihe ein weitet Antrieb zur Hebung des Kurses, unserer Staatsanleihen sen Die Gefahr liegt nicht so sehr bei der Erhöhung der Einkomm' steuer, sondern bei der Erhöhung der Vermögenssteuer. Die Pa, mögenssteuer kann man doch auch nur aus den Einnahmen bezahln und außerdem belastet die Vermögenssteuer, ganz ohne Rücksicht an die Serif fe in erster Reihe die Landwirtschaft, und die Betti die sich sehr hoch rentieren, fast gar nicht. Vor einer Reihe vn Jahren habe ich dem Finanzminister Freiherrn von Rheinbaben ein Beispg aus Westpreußen angeführt, wo die Ergänzungssteuer das Doppeh der Einkommensteuer betrug. Heute stehe ich genau vor derselle Situation. Wir hatten 1807 und 1908 kolossale Regengüsse, ah, zwei solcher Mißstandsjahre hintereinander. Der ö war fn den landwirtschaftlichen Ertrag erheblich unter Null. Da in Steuerbetrag immer nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahn ken wet wird, so ist meine Einkommensteuer in diesem Jahre n. eblich gesunken und die Folge ist, daß ich genau das Doppelt an Ergänzungssteuer wie an Einkommensteuer zahle, der Satz ist ia der Einkommensteuer 3 o, bei der Ergänzungssteuer 6 0/9. D Herren in der Studierstube haben davon gar keine Ahnung. J möchte nur, daß einer der Herren, der so vlel über Steuern 'schrch an meiner Verwaltung ein Jahr teilnimmt. Er würde s wundern, mit welchem Degagrsment man da zu tun hat, und w schwer es ist, sich über Wasser zu halten. Gegen eine schm Einschätzung der Ergänzungssteuer gibt es kein Mittel. N ist man rettungslos verloren. Jedenfalls würde ich dem Finn minister empfehlen, bei einer Neuregelung der preußische Staatssteuern die Deklarationspflicht für die Ergãn unge steuer einzuführen. Es liegt im wirtschaftlichen und auch politischen Interesse, daß die Steuerschraube auf dem Gebich der direkten Steuer nicht zu scharf angezogen wird, sonst git es Abwanderung, wirtschaftlichen Rückgang und alles möglich Der städtische Grundbesitz ist ja auch das greifbarste Objekt für sau Steuer. An sich wäre der Gedanke richtig, daß sich eine Organisation bildete, bestehend aus einer Verhindung des städtischen und ländliche Grundbesitzes, mit dem Zwecke, sich zu schützen de lege ferenda um gegen ber zu vexatorischer Anziehung der Steuerschraube durch di Ausführungsbestimmungen. Der politische Radikalismus geht imme weiter. Ich las heute, unter meiner und des Herrn von Köller Leitum wäre gegen den Ministerpräsidenten gearbeitet worden. Was mein unschuldige Person anlangt, so habe * nur zwei Bemerkungen de Reichskanzlers im Reichstage anerkannt. Ob das gerade ein Angriff is⸗ Das ist die Minierarbeit, von der man spricht, und so wird gegen daß steuerliche Element des Besitzes gearbeitet, sowohl des städtischen, als guch des ländlichen. Ich spreche nicht von dem Konservatismu als Partei, aber im großen und ganzen, werden Sie mir zugeben, sind die konservativen Elemente der städtische und ländliche Grumd— esitz. So segnete uns die erste Reichsfinanzreform mit dem Umsah— stempel von J oso. Die zweite Finanzreform brachte dem Grun besitz und zwar dem ländlichen Grundbesitz, die Branntwein, steur, die uns überaus scharf bedrückt. Es war vorauszusehen daß bei einer solchen hohen Besteuerung ein ganz ge waltiger Rückgang des Konsums eintreten würde. Auch Rh Zuwachssteuer trifft lediglich den Grundbesitz, das mobile Kapite gar nicht, also auch wieder die konservativen Elemente. Du Eigentumsrecht an Grundbesitz ist eigentlich dadurch in Frag gestellt, und wenn ich auch nicht davon betroffen werde, s ist dieses Gefühl für mich ein geradezu niederdrückendet Sehr viel Mißstimmung, sehr viel Dissonanzen sind dadurch herpa gerufen worden. Man darf derartige Konzessionen nur dann machen, wenn man sicher ist, daß sie auch auf dankbaren Boden fallen, oder daß sie erwidert werden. Aber so haben wir das erlitten, was man im gewöhnlichen Leben einen Reinfall nennt. Bedeutung voll für die Reform der direkten Steuern sind die Ausführungen des Herrn Oberbürgermeisters Wilms, weil er vom Standpunkt del Vertreters des städtischen Grundbesitzes zu genau denselben Kom sequenzen kommt wie ich, und das Zitat aus den Ausführungen del derzeitigen Herrn Finanzministers, früheren Herrenhausmitglieres, vom vorigen Jahre. Vor etwa Jahresfrist führte der jeßizt Finanzminister aus, daß es dem Staat nur wohlgehen könne, wem es auch den Ko]mmunen gut ginge; mäßige Kommunallasten seien hierfür eine wesentliche e, ,. Entlastung, nicht neue Be lastung müsse die Richtlinie sein. Vor ungefähr einem Jahre beschwertt sich von dieser Stelle aus der jetzige Finanzminister darüber, daß det Slaat immer die Laften auf die Kommunen abwälzen wolle. Ob well der Finanzminister, zu dem ich volles Vertrauen habe, die Kon sequenzen aus dieser seiner früheren Haltung in seiner hervorragenden Stellung ziehen wird? Wir erwarten von ihm, daß er bei Rn organischen Reform unserer direkten Steuern diese teilweise pernijise kommunale Belastung berücksichtigt. Derr Delbrück (zur tatsächlichen 4 ung) stellt fest, de er nicht das Wort unerhört“ gebraucht 2 sondern nach den

Vorzug für die Leute in der Nachbarschaft. Ich halte also die

unkorrlgierten Stenogramm von Angriffen gegen das Finanzresct

gesprochen babe, wie sie in diesem hohen Haufe selten erhört sind'

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Ich hatte eigentlich gehofft, daß ich Hern Grafen Mirbach gestern abend überzeugt hätte, daß es unmoglich wäre, aus den Eisenbahnüberschässen noch mehr zur Entlastung Ma Steuern mit heranzuzlehen. In dieser Annahme habe ich mich leidet getäuscht. Seine Ausführungen heute haben mir bewiesen, daß mich entweder in der Tat nicht verstanden hat, oder daß ich ses unklar gewesen bin.

Herr Graf von Mirbach hat ausgeführt, daß die Verrechnun der Eisenbahnüberschüsse und ihre Heranziehung zu den allgemeine Staatsausgaben sehr mechanisch geschähe, daß die Finanzverwaltun aus Bequemlichkeit keinen anderen Weg einschlagen wollte, weil ihr bequemer wäre, Steuern zu erheben, als die Eisenbabnüberschil⸗ mit heranzuziehen. Ich denke doch, ein so äußerliches Moment kan allein nicht der Grund sein, weshalb man so etwas macht. Sch richtig)

Wenn man sich durch die Bequemlichkeit leiten lassen welk so läge es doch sehr viel näher, daß man die in die Kassen binn, fließenden Einnahmen in höherem Maße zu anderen Zwecken verwendete, als daß man erst dazu schreitet, die so unpopu Steuern ju erheben. Also das kann der Grund nicht sein.

(Schluß in der Zweiten Beilage)

M S6.

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 10. April

zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1811.

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Sodann hat Herr Graf von Mirbach gemeint: in die Eisen⸗ bahnen wird so viel Geld aus laufenden Mitteln hineingesteckt, daß darin eine unfruchtbare Thesaurierung liegt, die Eisenbahn braucht diese Barzuwendungen nicht zu haben, sondern es ist viel richtiger, wenn man die Eisenbahneinnahmen nicht wieder hineinsteckt, sondern alles auf Schulden nimmt, dann wird die Sache sehr viel besser laufen. Meine Herren, ich habe mir gestern schon auszuführen er— laubt: die Eisenbahnen sind ein Unternehmen, das jahrein jahraus für die bestehenden Bahnen große Kapitalaufwendungen erfordert. Diese Kapitalaufwendungen sind seit Jahrzehnten immer aus laufenden Mitteln vorgenommen worden, und es ist trotzdem nicht möglich ge⸗ wesen, für die Zukunft eine höhere Rente als annähernd 2,1 0o des statistischen ¶Anlagekapitals herauszuwirtschaften. Ich habe mir erlaubt, darauf hinzuweisen, wohin es führen würde, wenn wir die Ausgaben des Extraordinariums, die etwa 120 Millionen Mark, die wir jäbrlich in die Eisenbahnen wieder hineinstecken, auf Anleihe nehmen. Der Schuldendienst für die se Anleihen wird allmählich die Nettoerträge der Eisen bahnen so herunter⸗ drücken, daß wir dann Gefahr laufen, überhaupt die 2,1 0so, also den⸗ jenigen Betrag nicht mehr zu bekommen, auf den unser Staatshaus⸗ balt zum erheblichen Teil jetzt gestützt ist. Wenn nicht im Laufe der Jahre auf das Drängen des Landtags allmählich die Ausgaben des Staats wesentlich auf die Eisenbahnüberschüsse gegründet wären, so wäre ja die Frage ganz anders diskutabel. Da wir aber einen be—⸗ stimmten Betrag der Eisenbahnüberschüsse zur Balanzierung unseres Staatshaushalteetats nicht entbehren können, müssen wir darauf sehen, daß wir die sen bestimmten Betrag für die Zukunft sicher bereinbe kommen. Wollten wir das nicht tun, so würde die Sicherheit unseres Staatshaushalts gefährdet. Für die nächsten Jahre das habe ich mir auch gestern schon auszuführen erlaubt könnten wir ja das Verlegenheitsmittel, die 120 Millionen zu verwenden, be⸗ nutzen. Was würden aber unsere Kinder sagen, wie würde die Finanz⸗ verwaltung der Jetztzeit von unseren Kindern angesehen werden, wenn wir so verfahren wollten, daß unsere Kinder diese sicheren Einnahmen der Eisenbahnverwaltung verlieren müßten.

Herr Graf von Mirbach hat sodann unter Verlesung eines Passus aus der Kirchhoffschen Schrift darauf hingewiesen, daß wir ja eigentlich schon viel zu viel in den Eisenbahnen thesauriert hätten, daß das gesamte Anlagekapital der Eisenbahn über 10 Milliarden Mark betrüge und daß davon fast 4 Milliarden Mark abgeschrieben wären, also Barkapital geworden sind. Meine Herren, es ist aller⸗ dings Tatsache, daß sehr viel bares Kapital in die Eisenbahnen hineingesteckt worden ist das habe ich immer betont ; es ist sogar früher unter Herrn von Miquel und unter Herrn von Rhein⸗ baben noch sehr viel mehr hineingesteckt worden, indem alle Ausgaben für zweite und dritte Gleise, für Anschaffungen im Wagenpark usw. über den gewöhnlichen Ersatz hinaus, die jetzt auf Anleihe genommen werden, zum größten Teil aus laufenden Mitteln bestritten worden sind. Nichtsdestoweniger ist die Eisenbahnrente nur so gestiegen, daß die Nettorente den heutigen Stand hat.

Es wird dabei immer von Abschreibungen gesprochen. Dieses bringt einem unwillkürlich den Vergleich mit industriellen Unternehmungen nahe. Meine Herren stellen Sie sich vor, unsere Staateelsenbahnen wären ein Aktienunternehmen Sie würden dann ein Aktienunternehmen darstellen, welches über 10 Milliarden Mark Kapitalinvestierung hätte; davon betrüge das Aktienkapital noch nicht 4 Milliarden Mark, und? Milliarden Mark wären auf Schulden und Obligationen genommen. Würden Sie bei einer Aktiengesellschaft sagen: das ist eine gut fundierte Aktiengesell⸗ schaft, und würden Sie es billigen, wenn die Aktiengesellschaft, statt von Zeit zu Zeit ihr Kapital zu erböben, immer wieder neue Schulden aufnähme ? Ich glaube, das würden Sie nicht billigen. Der Status unseres Anlagekapttals bei den Eisenbahnen würde nach dem Rate, man solle das Extraordin arium auf Schulden nehmen, in Zukunft immer mehr verschlechtet werden. Während jetzt die Spannung jwischen dem Gesamtkapital, was in der Eisenbabn steckt, und dem, was bezahlt ist, ungefähr 4 Milliarden Mark Eigenkapital und 7 Milliarden Mark Schuldenkapital beträgt, würden in Zukunft zwar die 4 Milliarden Eigenkapital bleiben, die 7 Milliarden würden aber immer mehr in die Höbe steigen. Hierbei würde der schuldenfreie Besitz immer kleiner. Also auch schon darum kann man es nicht billigen, daß man das Extraordinarium unserer Eisenbahnverwaltung aus dem Etat herausnimmt und es auf die Anleihen veiweist. Für die Zukunft wird dadurch der Ertrag, den wir für Staatszwecke haben müssen, herabgedrückt und gefährdet werden.

Meine Herren, Herr Giaf Mirbach hat auch über meine beiden Herren Amißborgänger etwas gesagt. Er hat zwar die Güte gehabt, mich dabei auszunebmen; aber in Wirklichkeit trifft doch das, was er gesagt hat, die gesamte Finanzverwaltung. Ich bin noch gar nicht lange genug Finanzminister, als daß ich dabei eine Aenderung hätte treffen können. Herr Graf Mirbach hat gesagt: die früheren Finanz. minister haben die tatsächlichen Geldverhältnisse und Einnahme⸗ verhältnisse der Eisenbahn immer etwas im Dunkeln gehalten. haben sie vertunkelt er bat diesen klaren Ausdruck war nicht gebraucht, er sagte, er fände im Moment den Ausdruck nicht —; aber dem Sinne nach wollte er es sagen. Ich muß dagegen Einspruch erheben. Die finanziellen Verhältnisse der EGisenbahnverwaltung liegen seit Jahren ganz sonnenklar, sie sind auch im andern Hause immer ganz klar verhandelt worden. Gerade bei der Feststellung der Regelung, die im vorigen Jahre für die Zukunft getroffen worden ist sind die ganzen Verhältnisse der Eisenbahn genau und übersichtlich dargestellt worden. Ich erinnere auch daran, daß die Ta- bellen stets veröffentlicht worden sind, woraus ersichtlich ist, was aus Anleihemitteln und was aus laufenden Mitteln in die Eisen; bahnen hinetngesteckt worden ist. Wenn nach einer Schilderung des Herrn Grafen Mirbach Exjellenz von Miquel früher einmal gesagt

haben soll, es komme dem preußischen Staat gar nicht darauf an, mehrere hundert Millionen ins Wasser zu werfen, wir steckten jährlich so viele Millionen baren Kapitals in die Elsenbahnen hinein, daß der preußische Staat das auch ganz gut verschmerzen könnte, so will ich die Glaubwürdigkeit des Herrn Grafen Mirbach nicht anzweifeln; aber wenn man Exzellenz von Miquel auf Heri und Nieren damals gefragt hätte, wie er das meinte, so würde er sicher gesagt haben: das stimmt nicht so ganz. Meine Herrren, wenn man die Tabellen ansieht und diese ergeben doch das amtliche Material —, so sind in allen den Jahren nicht viele 100 Millionen heimlich in die Eisenbahnver⸗ waltung hineingesteckt worden, sondern nur die Beträge, die ich ge⸗ schildert habe und die Ihnen allen bekannt sind. Also in der Hinsicht braucht man, glaube ich, auf die frühere Aeußerung nicht so großen Wert zu legen. Dlese Aeußerung ist vielleicht unter anderen Ver⸗ hältnissen gefallen; jedenfalls ist sie für die heutigen Verhältnisse in keiner Beziehung beweiskräftig.

Wenn wir aber nicht davon abkönnen, daß bei der Staatseisen⸗ bahnverwaltung das Ordinarium nach wie vor aus laufenden Mitteln bestritten werden muß, wenn wir also diese Mittel nicht frei be⸗ kommen für allgemeine Staatazwecke, dann bleibt uns allerdings leider nichts übrig, als nach wie vor unsere Steuern mit heranzuziehen. Ich bedauere es auch unendlich, daß der Steuerdruck und die Steuerlast bei uns im Lande allmählich recht groß geworden ist Der Druck, den die Staatssteuern ausüben, ist es bei weitem nicht allein, der wirkt, sondern es kommt der Druck hinzu, den die Kommunalsteuern ausüben. (Sehr richtig! und Zurufe: Schulsteuer.) Gewiß, meine Herren, auch die Schulsteuer und alle anderen Steuern, die sonst noch vorhanden sind. Ich möchte Sie aber bitten, mir ein Mittel zu sagen, was wir an die Stelle der Steuern setzen sollen! Die Ausgaben sind einmal da, die Verhältnisse haben sich so entwickelt, daß jährlich diese Beträge vorhanden sein müssen. Bitte, meine Herren, woher sollen wir das Geld nehmen? Das Reich hat das andere Gebiet schon sehr reichlich in Anspruch genommen, es hat die indirekten Steuern wesentlich ausgestaltet und ist sogar zum Teil schon auf das Gebiet übergetreten, welches bis dahin dem preußischen Staate und auch den Kommunen vorbehalten war. (Sehr richtig! und Zurufe: Leider) Was bleibt denn nun dem Staate? Der preußische Staat hat weiter nichts, abgesehen von seinen Be⸗ triebseinnahmen, die auch nicht mehr bringen können, wie ich Ihnen nachgewiesen zu haben glaube, als die Steuern, und wenn Mittel beschafft werden müssen, dann müssen wir eben die Steuersätze so normieren, daß wir tatsächlich auch die Mittel bekommen. Infolge⸗ dessen ist es, so schmerzlich es mir selbst ist, nicht anders möglich, als daß wir die Mittel im Wege der Steuergesetzgebung aufbringen.

Herr Graf von Mirbach hat allerdings gesagt: wenn das neue Steuergesetz kommt, möchte doch davon Abstand genommen werden, auch die Ergänzungssteuer mit zu erhöhen. Meine Herren, die neuen Steuergesetze werden sich ja ungefähr auf derselben Basis bewegen wie das Gesetz über die bisherigen Zuschläge. Da ist die Ergänzungs⸗ steuer auch etwas mit herangezogen. Das Beispiel, das Herr Graf von Mirbach angeführt hat, kann ich aber eigentlich nicht für beweiskräftig dafür halten, daß die Heranziehung zur Ergänzungs— steuer besonders hoch sei. Wenn Herr Graf von Mirbach sagt, in⸗ folge der Mißernten der früheren Jahre habe er an Einkommensteuer gerade soviel gezahlt wie an Ergänzungösteuer (Graf von Mirbach⸗ Sorquitten: Die Hälfte) oder nur halb soviel wie an Er⸗ gänzungssteuer: Herr Graf, da gratuliere ich Ihnen, dann haben Sie sehr wenig Steuern bezahlt. (Bravo! links und Heiterkeit.) An Er⸗ gänzungssteuer ist nur eine außerordentlich geringe Steuer zu zahlen, und wenn die Einkommensteuer nur die Hälfte der Ergãnzungssteuer beträgt, dann ist es allerdings keine hohe Steuer. Ich glaube, wenn die Ernten günstig gewesen wären, würden Sie eine ganz erheblich höhere Einkommensteuer haben jahlen müssen.

Dann hat sowohl Herr von Gwinner wie Herr Delbrück darauf hingewiesen, man möchte doch die Tilgungsbeträge unserer Anleihen nicht dazu verwenden, daß sie von den neu auf⸗ zunehmenden Anleihen abgeschrleben würden, sondern dazu, daß der Staat als Käufer auf dem Markte für Konsols aufträte. Herr Graf von Mirbach hat noch hinzugefügt, daß es ein besonderes Verdienst des Herrn von Gwinner wäre, diese Frage zum ersten Male zur Sprache gebracht und die Staatsregierung an⸗ geregt zu haben, danach zu verfahren. Meine Herren, diese Auffassung, daß es nützlich und notwendig ist, die Tilgungsbeträge nicht auf neue Anleihe zu verrechnen, sondern die Konsols anzukaufen für die Tilgungsberräge, ist bei der Staatsregierung schon vor ver⸗ schiedenen Jahren zum Durchbruch gelangt. Lange, e he Herr von Gwinner die Anregung gegeben hat, ist bei der preußischen Finanz · verwaltung schon gerade so verfahren worden. Schon im Jahre 1908 sind die Tilgungsbeträge in der Weise verwendet worden, daß Konsols auf dem Markt dafür gekauft sind, und es sind keine Abschreibungen mehr erfolgt.

Dann ist eine andere Frage hier noch angeregt worden, daß der Ausgleichefonds, der von der Eisenbahnverwaltung angesammelt worden ist, nicht so verwendet werden möchte, daß Anleihen daraus bestritten würden, sondern daß wir das Geld bar in die Kassen hineinlegen möchten und immer präsent halten möchten. Meine Herren, diese Frage ist sehr wichtig und bedeutsam, und ich gebe zu, daß es not wendig ist, sie gründlich zu erwägen. Ich bin durchaus nicht abgeneigt, diesen Ratschlägen zu folgen. Natürlich muß die Finanzverwaltung die Möglichkeit behalten, daß sie das Geld, wenn die finanziellen Ver⸗ hältnisse es erfordern, auch mal in anderer Weise verwendet. Aber an sich ist die Anregung sehr beachtenswert und zu prüfen.

Meine Herren, ich möchte Sie nochmals bitten, trotzdem das Gespenst bevorsteht, daß die Steuerzuschläge nicht heruntergehen können, sich damit einverstanden zu erklären, daß die Finanzgebahrung, wle sie bis dahin beim Eisenbahnetat gewesen ist, in Zukunft bleibt, denn sonst würden unsere Eisenbahnverwaltung und hinterher die

Staatsfinanzen den Schaden davon haben. (Bravo h

Graf von Mirbach Gur tatsächlichen Berichtigung): Der Finanz⸗ minister hat im Abgeordnetenhause zugegeben, daß in die Eisenbabnen mehr hineingesteckt worden ist, als herauskommt. Tatsächlich beträgt das Änlegekapital von ungefähr 10 Milliarden heute nur noch 7 Milliarden, der Wert der Eisenbahnen . sich aber jetzt auf etwa 15 Milliarden. Wenn wir so weiter arbeiten, so sind wir in wenigen Jahren dahin, daß wir keine Eisenbahnschulden mehr haben, und die ganzen Eisenbahnen abgeschrieben sind .

Vizepräsident Herr von Becker: Das ist keine tatsächliche Be⸗ richtigung. .

866 von Mirbach: Ich bitte, nur noch einen Satz.

Vizepräsident Herr von Becker: Sie haben nicht mehr das Wort.

Graf von Mirbach: Nur noch einen Satz wollte ich sagen.

Vizepräsident Herr von Becker: Aber nur zur tatsächlichen Be⸗ richtigung. ö .

960 von Mirbach: Der Finanzminister sagt, ich zahle eine zu niedrige Einkommensteuer. Ich . nach Pflicht und Gewissen mein Einkommen deklariert, weiter nichts, und die doppelte Ergänzungs—⸗ steuer ist mir auferlegt worden.

Finanzminister Dr. Lentz e:

Meine Herren! Ich glaube, keiner der anderen Herren aus dem Hause wird aus meinen Ausführungen entnommen haben, daß ich gesagt habe, Herr Graf von Mirbach zahle zu niedrige Einkommen- steuern. (Zustimmung.) Ich habe nur gesagt, ich gratulierte ihm, daß er sehr niedrige Steuern zahlte, das habe ich sagen wollen.

Was die anderen angeblichen tatsächlichen Berichtigungen anlangt, so ist Herr Graf von Mirbach auch in einem Irrtum. Wenn wir 120 Millionen aus Barmitteln jährlich in die Eisenbahnen hinein⸗ stecken und daneben jährlich viele hundert Millionen außerdem für Neubahnen, zweite und dritte Gleise, Elektrisierung usw. aufwenden, kommen wir niemals dazu, daß überhaupt die Bahnen vollständig abgeschrieben werden; im Gegenteil, die Schuld der Bahnen wächst trotzdßem immer noch sehr.

Herr von Gwinner: Herr Delbrück hat mir vorgeworfen, daß

ich im vorigen Jahre den ö. Finanzminister in unerhõrter Weise angegriffen habe. Graf Mir ach hat bereits als mildernden Umstand angeführt, daß ich ein parlamentarischer Neuling sei. Ich füge hinzu, daß ich auch sehr stark provoziert worden war. Gs wurde mir im vorigen Jahre vorgeworfen, ich triebe Bilanz⸗ verschleierungen. Darauf steht für einen Kaufmann, und ich bin Kaufmann, Gefängnis. Weiter wurde mir entgegengehalten, die erste Pflicht sei, die Wahrheit zu sagen. Das ist impficite der Vorwurf der Lüge. Daß ich durch solche Vorwürfe in heftige Aufregung versetzt wurde, ist begreiflich. Der Finanzminister meinte damals auch, ich möchte dafür forgen, daß die Deutsche Bank mehr Staats⸗ apiere kaufte. Dabei besitzt die Deutsche Bank mehr Konsols als

ämtliche Lebensversicherungen zusammen genommen. Auf derartige persönliche Angriffe war ich berechtigt, in scharfer Weise ju antworten. Meine Erregung ist aber erfreulicherweise vollständig vorbei. Herr Delbrück sagte, ich hätte mich im vorigen Jahre geirrt; wer irrt sich nicht? Ich habe allerdings gesagt, es würde nichts in den Ausgleichsfonds fließen. Zu dieser Annahme war ich, wie die damaligen Konjunkturverhältnisse lagen, berechtigt. Viel wichtiger ist aber die Hauptfrage, die uns hier beschästigt. Nun habe ich gestern abend mit dem Herrn Finanzminister eine Unterredung gehabt und ihm versprochen, ihm über meine Ansichten eine Aus⸗ arbeitung zu überreichen; das ist inzwischen geschehen, das Resultat ist, daß ich N und nachzuweisen mich unterfange, daß wir kein Defizit zu konstruieren brauchen, daß wir statt 2,10 2,35 olg, also ein Viertel Prozent mehr auf, den Etat 964. können. Wir önnen einen Fonds von 15 Millionen bilden, der heute auf das Grtraordinarium fällt, und. 25 Millionen thesaurieren, um einen Betriebseisenbahnfonds zu bilden, an dem es der ECisenbahnverwaltung gebricht. Zu Miquels Zeiten verfügten die Eisenbahnen über eine starke Reserve. Nun habe ich alle Achtung vor dem Unterschied zwischen einem staatlichen und einem gewöhnlichen Geschäft, aber auch das Eisenbahnunternehmen muß gewisse Grundsätze ebensogut beachten wie jeder. kaufmännische Betrieb, wenn nicht das Ganze Schaden leiden soll. Betrachtet man die Eisenbahnen als eine Akfiengesellschaft, so erhält der Staat als Aktionär eine Dividende von 2,10 0. Ich behaupte nun, wir können die Di⸗ pidende von 210 auf 235 erhöhen. Mit anderen Worten, statt 2193 246 Millionen auf den Etat als Einnahme bringen. Wir haben in den letzten 5 Jahren 300 Millionen Defizit gehabt. Diese kosten 13 Millionen Zinsen. Wenn wir diese 300 Millionen als Eisenbahn. anlcihe ausgegeben hätten, dann würde die Eisenbahnverwaltung jetzt 13 Millionen mehr tragen, während, wie die Dinge jetzt liegen, diese 13 Millionen dem allgemeinen Budget zur Last fallen. So ist es zu einer Defizitanleihe gekommen und zu einer dauernden Belastung des anzen Etats von 15 Millionen. Die Anleihe, die wir ausgegeben

. ist keine Eisenbahnanleihe, sondern eine Anleihe, die nichts

bringt, sondern nur kostet. Die Sache ist von größter Wichtigkeit, denn sie geht unser aller Portemonnaie an mit Ruͤcksicht auf die Kon⸗

fequenzen für die Steuern. Es entsteht nun die Frage, was wir mit ven 69 Millionen Cisenbahneinnahmen machen, die sich auch bei großer Vorsicht für das nächste Jahr noch erböhen werden; Waß machen wir denn mit den Einnahmen? Zunächst tilgen wir die Eisenbahnschuld. Im laufenden Budget sind 301 Millionen eingesetzt. Ich moͤchte Iöh sagen. Dann können wir unsere Gen bon schakd im Laufe von 56ß Jahren loswerden. Wenn wir nun ferner von Jahr zu Jahr Schulden nur noch aufnehmen für alles, was werbend ist, so können die neuen Aufwendungen aus der Anleihe in 41 getilgt werden. Es ist also nicht einzuseben, weshalb uns die Schulden über den Kopf wachsen sollten. Wie ich vorhin schon andeutet, können win jährlich 5 Millionen ohne weiteres auf den Etat bringen als freien Fonds für die Eisenbahnverwaltung. Ich behaupte noch weiter, der Eisenbahnminister muß ein größeres Betriebe kapital haben, und zu dem Zwecke schlage ich vor, daß jährlich etwa 26 Millionen beiseite gelegt und angesammelt werden, bis 150 Millionen erieicht find. Mit diesen 159 Millionen hätte der Eisenbahn⸗ minister ein Betriebskapital, mit dem er schalten und walten könnte, mit dem er j. B. Notstandsarbeiten augführen oder billige Stellen, auch wohl einmal einen lch kaufen könnte. Ein solches Riesen⸗ geschäft ist nicht richtig zu ühren, ohne daß man ein apital zur freien Verfügung hat. Wenn also der Staat sich ferner vornimmt, etwa 400 Millionen jährlich neu zu verwenden für Eisenbahnen, und wenn diese mit 4 oso verünst und mit 1 0so getilgt werden, so würden dafür jährlich 20 Millionen an Zinsen und Tilgung auszugeben sein, die nunmehr als neue Last auf den Eisenbahnetat fielen. Wie sollen wir nun in ein Defizit hineinkommen, wenn wir für jede 5 ., bie wir ausgeben müssen, HM einnehmeng und wenn wir weiter bedenken, daß wir unsere Schulden in 66 bezw. 41 Jahren vollständig tilgen können. Wir haben doch nur noch eine Eisenbahnschuld von? bis 7 Mil. llarden, wir dürfen also immerhin etwas reie licher zugreifen. Meine ganze Argumentation vom vorigen Jahre geht nur darauf hin, daß wir“ mit 2,10 o nicht absolut das Richtige getroffen zu haben brauchen, sondern um ein weniges weiter geben können, und daß wir doch die Eisenbahnen in voller Drdnung erhalten können. Wenn

der Finanzminister die Anregung nur freundlich einer woblwollenden