— 1 unterziehen will, so ist das alles, was gehofft werden ann. Der Finanzminister meinte, wenn wir eine 1 schaft wären, könnten wir nicht immer weiter borgen. a, warum denn nicht? Wir müssen ja weiter borgen. Eine Privatgesellschaft, die ein werbendes Unternehmen betreibt, ist zum Stislstand und Rück gang verdammt, wenn sie nicht borgen wollte. Wir . not · gedrungen borgen, nur müssen wir einen Tilgungsplan aufstellen, nach dem wir ganz sicher sind, in bestimmter angemessener Frist das gesamte Kapital zu tilgen. Ich möchte namentlich auch den Herren vom Eisenbahnministerium anheimstellen, sich nicht durchaus ab— lehnend zu verhalten. Der Eisenbahnminister äußerte im anderen Hane es sei ihm nicht erwünscht, wenn die 120 Millionen des rtraordinariums auf Anleihe genommen würden, denn dann würde diese Ausgabe vom Finanzminister viel schärfer unter die Lupe ge— nommen. Ich will den Herren nicht zu nahe treten, aber eigentlich ist es doch nur in der Ordnung, daß diese Ausgabe vom Finanz- minister unter die Lupe genommen wird. Notwendige Ausgaben follen nicht zurückgehalten werden; wir haben im Extraordinarlum ö 399 Millionen gehabt, jetzt sind es 120, und ich glaube, wir geben nicht genug aus. Wie kann der Eisenbahnminister mehr verlangen, als daß ihm alles Geld zur Verfügung gestellt wird, was er braucht? Der Eisenbahn kann es deshalb nicht schlechter feen wenn ihre Ver⸗ mehrung gus Anleihen bezahlt wird; sie soll das Geld reichlich haben, auch 200 Millionen, wenn sie sie braucht; aber in dem Augen- blicke, wo wir die volle Verzinsung und Tilgung dafür auf den Etat bringen und 60 einnehmen, während wir nur oder 5 zahlen, kann es nur besser werden, wenn wir allerdings , in Zahlen hinein⸗ wachsen, vor denen unsern Nachkommen schwindeln wird, zumal wenn der jetzige jährliche Bevölkerungszuwachs andauert. Tassen wir uns nicht durch das Schlagwort, wir sollen solide bleiben, auf eine falsche Bahn bringen. Wenn ich nur die Hälfte der Ein— nahmen brauche, kann ich die andere anlegen, aber wenn ich mein ganzes, Geld, und noch tausend Mark dazu verbrauche, so ist es doch einerlei, ob ich vom Kapital lebe oder tausend Mark schulden mache; eins ist so solide oder so unsolide wie das andere. Wenn wir einen Ueberschuß hätten und lustig drauf los wirtschafteten, um ihn zu verjubeln, dann wären wir unsolide; aber ob wir ein Defizit haben im Staatshaushalt oder eine Anleihe aufnehmen für das Defizit oder für den Eisenbahnetat, bleibt sich völlig gleich. Es fällt mir dabei eine Geschichte ein, und ich will mit diesem Scher; . An das Bett eines Kranken im Hospital tritt ein schwarzer Ptann und fragt: Sind Sie lutherisch, protestantisch eder katbolisch! Der Kranke antwortet: Ich bin chronisch- katarrhalisch. Es gibt keine konser⸗ vgtiven und keine liberalen Finanzen, es gibt nur gute oder schlechte Finanzen. Es gibt nur eine richtige oder eine unrichtige Finanzpolitik. Gegenüber der Tatsache des Defizits meinte ich, noch— mals über diese Frage so eingehend sprechen zu sollen, obwohl wir alle in die Ferien wollen. So leid es mir tut, das auch dem Grafen Mirbach sagen zu müssen, wir kommen zu neuen Steuern, wenn wir nicht den Weg beschreiten, das Extraordinarium durch Anleihen zu decken, soweit es vertretbar, richtig und wirtschaftlich ist. ; Ministerialdirektor Offenberg: Mein Chef, der Minister der öffentlichen Arbeiten, ist durch eine Dienstreife verhindert, hier zu erscheinen. Daß die Ausführungen des Herrn von Gwinner, die Ueber— schüsse seien durch unsere außergewöhnliche Zurückhaltung in den Aus⸗ gaben entstanden, nicht ganz zutreffen, darauf hat der Minister bereits hingewiesen. Während der Etat auf den ganz abnormen Ergebnifsen von 1908 aufgestellt war, stellte sich die Wirklichkeit ganz anders heraus; es ergahen sich gegenüber der Wirklichkeit des Vor— jahrs Mehreinnahmen von 132, Mehrausgaben von 63 Millionen, also ein durchaus angemessenes Verhältnis. Dann haben Herr Lon Gwinner und Graf Mirbach sich über die stille Referve im Ordinarium ausgelassen. Diese Kapitalaufwendungen sind aber nur ein Ausgleich dafür, daß an anderer Stelle Gelder als Kapitalaufwendung verrechnet werden, die es nicht sind. Alle Erneuerungskosten werden grundsätzlich aus dem Ordinarium bestritten, das läßt sich aber nicht völlig praktisch durchführen. , ,. ist in den Ausgaben des Extraerdinariums auch eine Menge von Erneuerungen mitenthalten. Wir haben ja auch keine Erneuerungsfonds, wir . mit den Er⸗ neuerungen auch noch keineswegs im Beharrungszuftande. In betreff der Frage, ob das Extraordinarlum auf Anleihe genommen werden soll muß doch auch auf die zahlreichen Aufwendungen verwiesen werden, welche noch nicht den vollen oder welche gar keinen Ertrag bringen, auf die neuen Meliorationsbahnen, auf die großen Aus⸗ gaben für die Provisorien bei Bahnhofsumbauten usw.; der wichtigste Grund aber, der zur hohen Dotlerung des Extraordinariums führt, ist der, daß doch keine Garantie dafür besteht, daß die 6 6 Rente, mit der immer gerechnet wird, wirklich herauskommt. Natürlich haben wir auch allen Anlaß, das fortwährende Anschwellen der Gisenbahnschuld zurückzuhalten.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Ich möchte nur noch ganz wenige Worte sagen.
Herr von Gwinner hat seine Ausführungen damit geschlossen, daß er sagte, wir möchten nicht mit Schlagworten operieren; für ihn gebe es nur gute oder schlechte Finanzen. Genau auf demselben Stand—⸗ punkt steht die Finanzverwaltung. Auch sie kennt nur gute oder schlechte Finanzen. Sie sieht aber in den Vorschlägen, die Herr von Gwinner gemacht hat, den Weg zu schlechten Finanzen und nicht zu guten Finanzen. Herr von Gwinner will aus den 120 Millionen, die im Extraordinarium stehen, eine ganze Reihe von Wohltaten herbeiführen: Einmal die Beseitigung des Defizits, zweitens die Beseitigung der Steuerzuschläge und drittens einen großen Reserve⸗ fonds für den Herrn Eisenbahnminister.
Die Beseitigung der Steuerzuschläge hat Herr von Gwinner zwar heute nicht erwähnt, aber gestern hat er davon gesprochen, das mõchte ich ausdrücklich bemerken. Wie das alles mit diesen 120 Millionen möglich sein soll, wenn für die nächsten Jahre immer wieder neue 120 Millionen Schuldenlasten in den Etat eingestellt werden, ist mir nicht ver⸗ ständlich. Herr von Gwinner begeht nach meiner Ansicht einen Rechenfehler, wenn er sagt: das Kapital, das wir aufnehmen, bringt 6 9jso und kostet nur 4 0υη, infolgedessen haben wir unter allen Um— ständen Vorteil. Ich gebe den Vorteil durchaus zu. Nur stehen sich nicht gegenüber 6 (o und 4 u., sondern 6 o ο und höchstens 2 0. Das Geld, das wir zinslos hineinstecken, bringt immer netto 6 o/o; was aber Herr von Gwinner hineinsteckt, bringt nur einen Nettoeffett von 2 0lo oder, da Herr von Gwinner außerdem noch tilgen will, von 16 010. Es stehen sich also nicht gegenüber 6 und 4 060, sondern 6 und 16 0ͤ1. Wie da Herr von Gwinner mathematisch ausrechnen will, daß in Zukunft an der alten Erfahrung, daß man jãhrlich 1, 2 90 herauswirtschaftet, etwas geändert wird, vermag ich nicht ein⸗ zusehen. Herr von Gwinner hat mir zwar eine Denkschrtft ein⸗ gereicht. Ich habe sie aber leider noch nicht lesen können, weil er sie mir gerade erst gegeben bat. Es ist meiner Ansicht nach mathematisch überhaupt nicht nachweisbar, wie dieselben Einnahmen, die man nach den bieherigen Erfahrungen dadurch erzielt hat, daß die jährlichen Kapitalaufwendungen zinslos gegeben sind, herbei⸗ geführt werden sollen, wenn die Kapitalaufwendungen zingpflichtig sind. Herr von Gwinner sucht uns damit zu trösten, daß er sagt: diese Kapitalien sollen getilgt werden, in 41 oder 55 Jahren — die Zahl ist ja unerheblich — wird das Kapital getilgt sein. Ja, meine Herren, bis zu diesem Jahre, wo die Tilgung eingetreten ist, muß doch der Tilgungedienst jährlich aufgebracht werden. Es muß jährlich immer wieder der Tilgungssatz von den Reineinnahmen abge⸗
jogen werden. Wie sollen wir da den Staatshaushaltsetat balaneieren, wenn wir die Reineinnahmen um diesen Betrag vermindern müssen? Nach Ablauf der Tilgungsfrist muß zudem wieder neues Kapital auf— genommen werden. Ich sehe also in diesem Ausweg keine Ent lastung, wohl aber eine Belastung. Der Vorschlag in bezug auf die Tilgung geht über das hinaus, was bisher gesetzlich rechtens ist; bisher wird nur die jeweils validierende Staatsschuld getilgt. Also, wenn etwas getilgt ist, wird in Zukunft nicht mehr die ursprũng· liche Kapitalsumme weiter getilgt, sondern der Rest. Infolgedessen wird die Tilgungsrate eine niedrigere. Nach dem Vorschlag des Herrn von Gwinner, den ich an sich für sehr vernünftig halte, muß natürlich die jährliche Tilgungsrate eine ganz erheblich höhere sein. Diese Til⸗ gungsrate geht doch auch noch von den Reineinnahmen herunter. Meine Herren, es ist ja alles sehr schön und gut, wenn man sagt: wir wollen gute und gesunde Finanzen, wir wollen die Schulden ver— meiden, wir wollen kein Defizit haben. Meine Herren, ich möchte nur bitten, es mir vorzurechnen, wie das auf die Dauer erreicht werden soll, und wenn es mir überzeugend ausgerechnet ist, dann werde ich dem Herrn von Gwinner zustimmen. Bis dahin kann er es mir aber nicht übel nehmen, daß ich seinen Ausführungen entgegentrete.
(Bravo)
Herr Dr. Wagner: Wegen der vorgerückten Zeit will ich nur einige Randglossen zu den Ausführungen der Vorredner machen. Bezüglich der Beeinflussung des Kurses der Staatspaplere durch die Verpflichtung der Sparkassen, einen gewissen Prozentsatz ihrer kolossalen Anlagesummen in Staatspapieren anzulegen, bin sch nicht so optimistisch wie Herr von Gwinner. Im . und ganzen wird der Kurs durch die Faktoren des Wirtschaftslebens bestimmt. Als um die Mitte des vorigen Jahrjehnts die wirtschaftliche Be— wegung herabging, standen auch die Kurse der deutschen Staats— papiere erheblich unter pari. Eine ähnliche Bewegung zeigen auch die Kurse der anderen Papiere. Wer bestimmt nun das Wirtschafts⸗ leben? Da möchte ich gerade an die Herren von den Banken die Frage richten, sind Sie nicht beteiligt? Gewiß sind Sie es nicht allein, die die ganze Entwicklung beeinflussen, aber Sie wirken doch erheblich ein. Wir können uns eigentlich gar nicht wundern, daß unsere deutschen Staatspapiere im Kurse herabgegangen sind, wenn wir bedenken, welche Konkurrenz unsere Staatshapiere haben Man bedenke doch nur, welche kolossalen Summen in Aktien und industriellen Papieren angelegt sind. Gewiß ist dies ein Zeichen für unseren großen wirtschaftlichen Aufschwang. Bei uns wenden sich aber auch kleinere Kapitalien diesen Anlagen zu. Die Banken halten es für ihre Aufgabe, Gelegenheit zu geben, ,, zu erwerben. Durch ihr Kassenwesen ziehen sie das Pripatpublikum immer heran. Ist es da ein Wunder, daß ein großer Teil des Privatkapitals nicht an die Staatspapiere geht? Meinen Sie, daß, wenn 15 G von den bo0 Millionen der Sparkassen, also 90 Mill. Mark in Staatspapieren an⸗ gelegt würden, dies einen bedeutenden Einfluß auf den Kurs haben würde? Derr von Gwinner schätzt das deutsche Nationalkapital auf 3 Milliarden. Ich stehe dieser Rechnung sehr skeptisch gegenüber, es handelt sich doch nur um Schätzungen. Er selbst schätz, daß 10 bis 20 oo dieses Vermögens in ausländische Anleihen gingen. Wenn wir diese für die Anlage in Staats- und Reichspapieren gewinnen könnten, ö wäre das ein viel wirksameres Mittel, als wenn wir die Sparkassen heranziehen würden. Die Frage, wie wir es recht fertigen können, daß die Sparkassen gezwungen werden, will ich nicht beantworten, aber warum sollen denn die Bankgeschäftẽ nicht gezwungen werden, ebenfalls ihre Reserven in Staats— papieren anzulegen? Die Sparkassen sollen genötigt werden, die anderen Unternehmer nicht? Durch diese beabsichtigte Maß— nahme würden die Sparkassen weniger Zinsen zahlen können. Wer trägt aber die Nachteile? Die Sparkasseneinkeger, alfo größten teils doch Leute der unteren und mittleren Klassen. Das ist doch auch nicht ganz unbedenklich. Beim Ausbruch des deutsch⸗französischen Krieges sind die 40 / gigen Staatspapiere, die auf 94 ober h standen, auf S0 oder 70 gefallen. Nehmen wir einmal an, daß die Spar—⸗ lassen stark daran beteiligt gewesen wären, so hätten sie fehr bedeutende Kapitalverluste erlitten. Jedenfalls will diese Sache sehr überlegt werden. err von Gwinner sprach davon, daß im
alle eines Krieges apiergeld ausgegeben werden müisse. Man sollte doch wenigstens den Teufel nicht an die Wand malen und namentlich mit Papiergeldaussichten fehr vorsichtig sein. Ich erinnere nur an die Vorgänge in Wien bei dem Aus⸗ bruch des italienisch-französischen Krieges. Ich habe es selbst erlebt, wie da der Kurs al pari stand, und wie in den Zeiten von Magenta und Solverino Hundertguldenpapiere auf 67 Gufsden fielen. Unsere Erfolge mit Papiergeld 1866 und 1870 sind nur darauf zurück⸗ zuführen, 6 wir den großen militärischen Erfolg auf unserer Seite hatten. Das ist das einzige größere historische Beispiel für einen Erfolg. Suchen wir alles so einzurichten, daß wir eine schlagfertige Armee und eine schlagfertige Marine haben, da kann nicht und darf nicht gespart werden. Im Gegenteil, es muß alles ausgegeben werden, was für militärische Zwecke nötig ist. Auf der anderen Seite muß aber auch die Finanzverwaltung Mittel zu schaffen suchen, die in Kriegsfällen ausreichen. Wenn wir tatsaͤchlich Papiergeld ausgeben müssen, dann geht es eben nicht anders. Aber das muß so spät wie möglich geschehen. — Durch die Ausführungen von Herin von Gwinner über die Eisenbahnfinanzpolitik bin ich nicht eines Besseren belehrt worden. Ich will die scharf durchdachten Aus— führungen des Herrn von Gwinner nicht im einzelnen zurückweifen, aber ich sehe nicht ein, wie diese Vorschläge uns in eine bessere Lage bringen sollen. Ich kann mich vielmehr den heutigen und gestrigen Ausführungen des Finanzministers anschließen, wenn er geltend machte, daß es sehr bedenklich wäre, das ganze Extraordinarium durch Schulden zu decken. Herr von Gwinner rechnet nach der Zins⸗ rechnung, die sehr verführerisch ist. Das ist wie mit dem Pfennig, der wenn er zu Christi Geburt zinstragend angelegt worden wäre, jetzt ein ungeheures Kapital gebracht hätte. Das sind aber alles nur Rechnungen. Wir müssen doch mit den Wechselfällen des politischen Lebens rechnen. Der Weg, den der Finanzminister geht, ift der solidere. Wir sind jedenfalls erst, wenn wir die Hifenß Ki schid in stärkerem Maße vermindert haben, in der Lage, die Eisenbahnen so zu behandeln, wie wir heute die Forsten und Domänen und im ganzen auch die Bergwerke behandeln können. Diese sind ein reines Äklivum. Die Eisenbahnen sind heute trotz der Schuldentilgung von 3. Milliarden immer noch ein Passivum. Alle Dinge sind natürlich nicht ideal, aber im 31 und ganzen können wir sagen, daß das Beispiel der , . tisenbahnverstaatlichung sich brillant bewährt hat. Es ist wirklich eine Erfahrung, die in der Weltgeschichte als ein wichtiges Moment hervorgehoben werden wird. Unsere Staats— eisenbahnen sind die bestverwalteten und können in gar keinen Ver— gleich gestellt werden mit dem Attienbahnwesen anderer Lander. Gewiß, das Reichseisenbahnwesen, das Bismarck wollte. wäre das richtigere und schönere gewesen; wer weiß, ob es nicht kommt. Vom rein finanziellen Stand ꝑunkt Preußens könnten wir allerdings sagen: Gott sei Dank! Dem Standpunkt des Grafen von Mirbach ejüglich der Verteilung der Steuern zwischen Reich und Staat muß ich scharf opponieren. Ich werde 34 auch wieder hören müssen: Du bist ein Stubengelehrter. Wir sind aber doch auch insosern Praktiker, als wir selbst Steuern zahlen müssen. Aber der Vorteil des Gelehrten egenüber dem Praktiker liegt darin: wir sind weniger interefsiert, 6 neutral, und haben deshalb auch Gelegenheit, objektiver zu urteilen. Und da muß gesagt werden, es ist gar nicht möglich, durch indirekte Verbrauchssteuern alles zu erreichen. Die indirekten Verbrauchssteuern belasten überwiegend die unteren und mittleren 2 . und die reicheren Klassen werden weniger betroffen. Deshalb müssen wir eine scharfe Ergänzung haben in den direkten Steuern. Da kann es sich nicht so sehr um Reaisteuern bandeln, sondern überwiegend um Personalsteuern, um Einkommen—⸗ und Vermögenssteuer. Es geht nicht ohne eine schaärfere Seran⸗
ziehung 36 des Kapitalvermogens. Da mögen uns die Bank. direktoren Mittel angeben, wie man gerade diese Vermögen, die zu ihrem Fachgebiete gehören, mit der Steuerschraube erfassen kann. Das ist nötig, damit nicht nur der kleine Mann sagen kann, warum besteuert ihr nur unsere Genußmittel. Aber nicht nur das Kapital, sondern auch die größeren Einkommen müssen schärfer herangezogen werden. Bei der . ression bis zu 40, bei 106 000 46 dürfen wir nicht stehen blei en. Da halte ich mich gerade an die konservative Partei. Gewiß, Sie werden am schärfsten betroffen und
nach der Art Ihres Besitzes schärfer getroffen als andere, Aber
es wird auch hier , e. die Wehrpflicht fär den Staat und das Gemeinwesen zu erfüllen, nach dem alten schönen Wort: Noblesse 3 richesse oblige. Das verlange ich. Die Heranziehung des Vermögens bleibt so lange das richtige, als wir gerade in dieser Form der Vermögenssteuer — ihre großen Härten gegen den länd- drr. Grundbesitz verkenne ich nicht — das einzige praktische Mittel haben, um den wirklichen Besitz schãrfer zu treffen als das erarbeitete Einkommen. Preu en hat vor 100 Jahren durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht den Grund für das deutsche Vaterlank ge⸗ schaffen. Wenn ich das persönlich lage so sage ich es als jemand, der in Süddeutschland geboren ist, aber ich sage es doch, Preußen muß . auf dem Gehieke der direkten Steuerpflicht in der schärferen 3 . der reicheren und vornehmen Klassen Deutschland ein eispiel geben.
Fürst zu Salm: Horstmar: Die Bemerkung des Herrn von Gwinner, daß wir schon jetzt reichlich mit Steuern versehen sind, freut mich um so mehr, als er zweifellos prozentual fehr viel weniger Steuern zu zahlen hat als wir armen Grundbesitzer. Ich halte eine Neuordnung unseres ganzen Steuerwesens, befonders der Kommunal' steuern für notwendig. Wie die Verhältnisse jetzt liegen, ist der ländliche und an ü. Grundbesitz überall der Leidtragende. Der Grundbesitz ist angebunden, er kann sich dem Prügel nicht entziehen wie der Kapitalbesitz. Wenn dieser aber auch nicht so leicht zu fassen ist, so sollte sich doch die Staatsregierung einmal überlegen, wie es - möglich ist, auch diesen Kapitalbesitz in genügendem Maße heranzuziehen. Geheimtat Wagner hat bemerkt, daß es wegen der allgemeinen. Wehrpflicht die größte Ehre des Staatsbürgers wäre, zu steuern. Ich gebe das vollkommen zu, aber mit der Einschränkung, daß auch Gerechtigkeit geübt werden muß. So ist die Grundwertsteuer nach meinem Gefühl die un— gerechteste Steuer, die eg gibt. Sie wird erhoben von dem Vermögen, das noch gar nicht realisiert ist. Am schlimmsten ist sie dann, wenn sie bei dem städtischen Besitz den unbebauten höher besteuert als den bebauten. Das ist einfach eine Vermögenskonfiskation. Dieses Gesetz muß für die Zukunft beseitigt werden. Daß die Kommunen ffeigende Ansprüche haben, ist nicht zu bestreiten, und man fann auch die Staatsregierung nicht ganz von der Verantwortung freisprechen. Wenn sie aus allen möglichen idealen sanitären Gründen die schönsten Schulpaläste mit so und sosviel Kubikmeter Luft ver— langt, dann ist es kein Wunder, daß die kommunalen Lasten so an— , enn sind. Anzustreben wäre, daß die kommunalen Zu⸗ chläge möglichst in allen Kommunen gleich hoch werden. Wir auf dem Lande leiden in hohem Maße darunter, daß die reichen Leute ihren Besitz verkaufen und in Kommunen mit geringeten Kommunalzuschlägen ziehen. Dies ist besonders auch in Berlin der Fall. Es sollte durch eine höhere Einkommen- und Vermögenssteuer ein Ausgleichsfonds geschaffen werden für die kommunale Besteuerung. Vielleicht kämen wir so dazu, eine e mi Kom munalbesteuerung in allen Kommunen herbeizuführen. Die bohen Kom munalzuschlãge haben noch den Effekt, daß wir gezwungen sind, für unsere Beamten und Angestellten die Steuer mitzuzahlen. Sie sa en, früher waren wir mit 100 o½: Zuschlägen bedacht, jetzt mien wir auf einmal 200 zahlen, und da muß uns das Gehalt erhöht werden. Dazu kommen noch die sozialen Lasten, die wir auf dem Lande zu zablen haben. Die Invaliditäts, Alters- und Unfallversicherung ist ja gewiß sehr schön, aber wir müssen verlangen, daß auch der een nde z ent sprechend dazu herangezogen wird. Ich kenne einen ländlichen Zensiten, der an Steuern und sozialen Tasten ungefähr 40 oo seines steuerpflichtigen Einkommens bezahlen muß. Wenn das nun nicht 3 bald ein Ende findet, so wird es dahin kommen, daß die bisher wohlhabenden Leute zu armen herabsinken, und daß die Alters- und Invalidenversicherung auf die früher wohlhabenden Kreise , . werden muß. Wir müssen dann wünschen, daß auch die Bindung der Fideikommisse aufgehoben wird, und wir
. bald verkaufen und ins Ausland gehen können. Ich bitte
deshalb die Staatsregierung um eine gleichmäßige Besteuerung aller Staatsbürger.
Graf von Hutten-Czapski: Die neue Fassung des 5 11 des Er⸗ gänzungssteuergesetzes hat einen neuen Begriff des Ergänzungswertes herbeigeführt. Bestimmend ist erstens der Reinertrag des Gutes, jweitens seine wirtschaftliche Bestimmung, drittens die Gemeinüblich— keit seiner Bewirtschaftung, viertens der Durchschnitt des Ertrages, fünftens die Nachhaltigkeit des Ertrages. Daß es nicht leicht ist, bei jedem einzelnen Grundstück diese fünf Merkmale herauszufinden,
kann sich jeder denken. Deshalb habe ich auch gegen diefes Gesetz
gestimmt, und ich, möchte die Verwaltung bitten, bei der bevor stehenden Kodifikation des gesamten Einkommens- und Ergänzungs— steuerrechts zu versuchen, ob nicht ein besserer Wertmesser für den Wert der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Grundstücke gefunden werden kann. Nun hat die Finanzverwaltung am 15. Mai 1910 eine Rundverfügung erlassen, die sich bemüht, die Veranlagung und Bestimmung des Ertragswertes in bestimmte Formen zu bringen. Es enthält einige mildernde Bestimmungen. Leider sind aber die klaren Worte des Ministers von den Kommissionen nicht berücksichtigt worden. Es wäre besser gewesen, wenn diese so wichtige Verfügung durch die Presse oder sonst in geeigneter Weife zur Kenntnis weiter Kreise gebracht worden wäre. ; Generaldirektor der direkten Steuern Heinke: Unsere Ver— fügung enthält nur eine interne Anleitung fur die öffentlichen Ver— anlagungsorgane, die Katasterämter und für die Vorsitzenden der Veranlagungskommissionen. Es war nicht anzunehmen, daß das große Publikum daran Interesse nehmen würde; sie stellt auch nicht schematische Grundsätze auf, nach denen in allen Fällen verfahren werden müsse. Wir wollten nur, um den neuen 5 11 des Ergänzunge— steuergesetzes in die Praxis zu überführen, den Veranlagungsorganen Grundlagen schaffen, nach denen sie in den einzelnen Regierungs⸗ bezirken und Kreisen, wo viele Unstimmigkeiten bei der Veranlagung vorkamen, die Veranlagung besser vornehmen könnten. Wir haͤtten von der Einkommenshöhe jedes Landwirts ausgehen können, aber das Gesetz will nicht den subjektiven, sondern den . Ertragswert erfassen; wir hätten ferner in jedem FKreise Muster⸗ besitzungen herausgreifen, für sie den objektiven Ertragswert fest— stellen und dann diese gewonnenen Werte den unteren Behörden zur Beachtung empfehlen können, aber das wäre eine zu schwierige Arbeit gewesen, für die die Zeit fehlte. Wir mußten deshalb den dritten Weg wählen, allgemeine Schätzungsunterlagen auf die ge— zahlten Pachtpreise aufzubauen. Wir haben die Preise seit 20 Jahren zusammengestellt und 40740 Pachtfälle ermittelt; dann haben wir verschiedene Wertklassen danach aufgestellt, die einzelnen Re⸗ gierungsbezirke miteinander verglichen und dann in den ein— zelnen Bezirken normale objektive Ertragswerte für die einzelnen Klassen festgesetzt. Diese Zahlen haben wir den Veranlagungs⸗ behörden mitgeteilt, ihnen aber zugleich zur Pflicht gemacht, für besondere Umstände des einzelnen Falles davon abzuweichen. Die Merkmale sollten lediglich Hilfsmittel für die Schätzung sein. Wenn die Veranlagungsbehörden rein schematisch vorgegangen sein und die Sonderheiten des einzelnen Falles unbeachtet gelassen haben sollten, so werden wir das prüfen. Wir werden uns bei der nächsten Veranlagung bemühen, alle Unebenheiten und Unstimmigkeiten in dieser schwierigen Materie zu beseitigen. . Herr Körte Königsberg: Ich vertrete eine Sparkasse, die von den in Aussicht genommenen Maßnahmen nicht berührt werden würde, da sie schon genügend Staatspapiere hat, err g also ohne eigenes Interesse. Die Kreissparkassen und onstigen kleinen Sparkassen in den kleinen Städten und auf dem
leten für die Hausbesitzer die ausschließliche Möglich⸗ . . Her re fee. durch deren Verpflichtung
Anlage von Stagtspapieren würde der Hypothekenmarkt sehr Hrachteilizt werden. Außerdem würde dadurch ein weiterer Ansturm uf den Staat hervorgerufen werden, der fuͤr den Staat selbst be=
ich sein könnte. . ; . watts f g m f, ten. Gäcwerin: Bei der Wahl zwischen Herrn
laner und Herrn Delbrück würde ich mich unbedingt auf die 2 u. Herrn Delbrück schlagen. Wenn es nur zwei Finanz- verhältniffe gibt, gute oder schlechte, s9 haben wir jetzt die guten, und diese J. wir festhalten. Ich bin für die Anlegung eines Teils der Sparkassengelder in Staatspapieren, nicht in erster Linie deshalb, weil die Staatspapiere höheren Kurs erlangen würden, sondern weil die Sparer die Sicherheit haben würden, im Notfall auch wirklich Geld bekommen. Das ist bei der Anlage in Hypotheken nicht der Fall. ö habe 1870 gesehen, wie das Publikum den Kopf verlor und auf die Sparkassen stürzte; wenn dann die ö die kleinen Leute nicht befriedigen können, sind sie bankrott. Ver mäßige Satz von 15 b könnte den Sparkassen zur Anlage in Staatspapieren vor— eschrieben werden; dann hätten sie immer noch 85 oo für Hypo— sheken. Wenn wir guch, den Sparkassen keine Vorschriften machen können, so hat die . doch in erster Linie die Pflicht, die Rechte der kleinen Sparer wahrzunehmen. Ein Schlußantrag wird angenommen.
Die ordentlichen Ausgaben des Etats des Finanzministeriums werden bewilligt.
Bei den einmaligen Aus gaben begrüßt
Graf von Hutten-Czapski als lang rig Vertreter des Hauses in der Staatsschuldenkommission es mit besonderer Freude, daß das Haus Oranienstraße 95 für die Staatsschuldenkommission angekauft werden solle. Bei dem Anwachsen des Staats⸗ schuldbuchs genügten die jetzigen Räume nicht mehr für die Sicherheit der Dokumente. Der Redner bittet ferner, dafür zu sorgen, daß das pon dem Staatsschuldbuchgesetz vorgeschriebene Duplikat des Staats- schuldbuchs in einem anderen Hause untergebracht werde, um eine leichzeitige Vernichtung beider Exemplare bei einunddemselben
rande ju verhüten. Eine solche Vernichtung sei 1871 in Frankreich
vorgekommen. Schließlich bittet er um möglichste Beschleunigung des Neubaues und Vorlegung der Pläne dafür an die Staatsschulden kommission.
Finanzminister Dk. Lentze:
Ich bin dem Herrn Grafen von Hutten⸗Cjapski dankbar für die Anregungen, die er gegeben hat. Sie sollen geprüft werden, und ich soffe, daß wir seinen Wünschen entsprechen können. Er hat dann eine wichtige Frage berührt. Er hat darauf hingewiesen, ob das Duplikat des Staatsschuldbuchs richtig aufbewahrt werde, damit, wenn ein Exemplar vernichtet werde, nicht der ganze Nachweis über die ins Schuldbuch eingetragenen Verbindlichkeiten verschwunden wäre. Das Duplikat wird in einem anderen Hause aufbewahrt; während das Staatsschuldbuch in der Oranienstraße sich befindet, wird das Duplikat in der Taubenstraße aufbewahrt. Ich glaube, daß dadurch ein aus— reichender Schutz geschaffen ist, sodaß nicht mit dem Verlust des einen Buches gleich der ganze Nachweis verschwunden ist.
Herr Graf von Hutten⸗Czapski hat dann den Wunsch geäußert, es möchten die Pläne für einen eventuellen Neubau der Staats—⸗ schuldenkommission vorgelegt werden. Ich bin gern bereit, diesem Wunsche stattzugeben, sodaß die Staatsschuldenkommission ihre Wöünsche geltend machen kann.
Bei den Etats der direkten und indirekten Steuern, der Lotterie verwaltung, der Königlichen Seehandlung, der Münzverwaltung, der Staaatsschuldenverwaltung, des Herren- und des Abgeordnetenhauses, der alk— emeinen Finanzverwaltung und der Preußischen , erhebt sich eine Debatte nicht.
Beim Etat der Justizverwaltung bringt
Herr Körte das. Bedürfnis der Errichtung eines neuen Herichtsgebäudes in Königsberg zur Sprache. Die Stadt, die für die Entfestigung 54 Millionen habe aufwenden mäfsen, um in den Besitz des Festungsgeländes für Zwecke der Stadt— erweiterung zu kommen, habe dem Justizfiskus einen Bau⸗ hi zu für diesen sehr günstigen Bedingungen angeboten. euerdings habe angeblich das Ministerium einen anderen Bau— . gewählt, der sich vielleicht im ganzen auf 100 000 M billiger telle. Der Redner bittet namens der Bürgerschaft den Minister, in Anbetracht der schwierigen Lage der Stadt diesen geringen Kosten⸗ unterschied für seine Entscheidung nicht ausschlaggebend sein zu lassen. In Danzig, Metz, Pofen, Straßburg, Minden seien vorzugsweise staatliche und amfliche Gebäude auf dem ehemaligen Festungsgelände errichtet worden; in Königsberg wärde eine Abweichung dabon und die Bevorzugung eines Privaten sehr auffallen.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Es würde mir eine ganz besondere Genugtuung sein, wenn ich dem Wunsche des Herrn Oberbũrgermeisters, betreffend den Neubau in Königsberg, entgegenkommen könnte, denn ich verkenne durchaus nicht, daß es in jeder Hinsicht zu begrüßen sein würde, wenn der Stadt die Uebernahme der großen Terrains erleichtert würde. Es sind nn auch in der Tat, wie der Herr Oberbürgermeister erwähnte, von der Stadt einige Grundstücke für einen großen Gerichtsbau angeboten worden, die auf dem Terrain liegen, welches früher der Fortifikation gehörte. Zwel dieser Grundstücke liegen recht weit ab, auch nahe bei einem großen Binnensee. Der Baugrund ist als nicht geeignet befunden
worden. Ein drittes Grundstück ist so gelegen, daß es noch einer
großen Einebnung bedürfen wird, ehe man es als Bauplatz wird ver⸗ wenden können, und auch dieser Bauplatz liegt zur Zeit abseits vom Verkehr.
Neben diesen drei von der Stadt angebotenen ist noch ein anderes Grundstück in Frage gekommen, welches in jeder Hinsicht für den Bau det in Aussicht genommenen Hauses ausgezeichnet ist. Es liegt in einem Teil der Stadt, nahe der Fortifikation, welcher schon einiger maßen in der Entwicklung vorgeschritten ist; so ist dort schon ein hroßes Polizeipräsidium erbaut worden. Das Grundstück hat sehr buten Baugrund, was bei den andern Grundstücken, die die Stadt mʒeboten hat, noch nicht feststeht und von der Bauverwaltung nicht mit Sicherheit in Aussicht gestellt wird, sodaß also gar kein Zweifel ist, baß auf diesem anderen Grundstück mit dem Bau alsbald begonnen derden kenn, was vor allem notwendig ist, da das Bedürfnis der
ustii verwaltung für einen neuen Bau sehr dringend ist. Von allen beteiligten Ressorts ist betont worden, daß dieses in Aussicht ge—⸗ nommene Grundstück das allerbeste sei und daß es die anderen ange— otenen Grundstücke weitaus überrage. Es kommt hinzu, daß, wie der Herr Oberbürgermeister schon erwähnt hat, dieses Grundstück in de r Nähe der Fortifikation liegt, daß also auch durch diesen Neubau iin Gewinn für das Fortifikattonsgelände zu erwarten steht, weil, denn das Gebäude erst errichtet sein wird, auch das Fortiftkations— helande sich schneller wird ausbauen lassen, als es ohne dies vielleicht
Fall sein wäͤrde. Daß die Baukofien sich ganz bedeutend billiger lellen werden, hat der Herr Oberbürgermeister bereits erwähnt. Es
sind immerhin 100 000 AM, und die machen bei dem Bau eines solchen Hauses doch schon etwas aus. Alles dieses zusammengenommen hat die beteiligten Ressorts — es ist ja nicht die Justizverwaltung allein, sondern auch die Bauverwaltung und Finanzverwaltung an der Entscheidung be—⸗ teiligt — dazu bestimmt, dieses Grundstück, das ich näher beschrieben habe, zu wählen. Ich glaube, daß so gerne ich den Wünschen der Stadt entgegenkommen möchte, die staatlichen Interessen so überwiegend für die Wahl des mehrerwähnten Platzes sprechen, daß ich eine Aenderung der getroffenen Entscheldung nicht in Aussicht stellen kann. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist der vorläufige Vertrag wegen dieses Grund— stücks auch bereits geschlossen; ich habe auch Grund zu der Annahme, daß die Stadt Königsberg an sich mit dem Platze durchaus ein⸗ verstanden ist — wie ich höre, soll in der Bürgerschaft die Wahl als eine glückliche bezeichnet worden sein — abgesehen von der finanziellen Frage, die beim Ankauf eines städtischen Grundstücks vielleicht eine für die Stadt glücklichere Lösung gefunden haben würde. Das finanzielle Interesse der Stadt aber kann nicht allein maßgebend sein. Ich glaube, daß der Stadt im vorliegenden Falle irgend ein Grund zur Beschwerde oder zur Klage nicht gegeben ist. Es ist in jeder Hinsicht eine empfehlenswerte Wahl getroffen.
Herr Körte: Die Stadt hat sich in ihrem letzten An— ebot bereit erklärt, einen von dem Justizfiskus auszuwäͤhlenden ö an der Nordwestfront des Geländes vom Steindammer Tor is zum Oberdeich zur Verfügung zu stellen. Der Justizfiskus würde also in der Lage sein, auf dem von ihm bevorzugten Platze zu bauen. Bisher liegen ja nur vorläufige Bauskizzen vor. Die Stadt würde bereit sein, 3. Verabschiedung des Etats für 1912 auch sofort die Inangriffnahme des Baues zu ermöglichen. Königsberg hat es schwer genug in seinem kommunalen Dasein und verdient einige Berücksichtigung.
Justizminister Dr. Beseler:
Ich begreife vollständig, daß der Herr Oberbürgermeister Körte warm für die Interessen der Stadt Königsberg eintritt. Ich habe auch schon erwähnt, daß es mir eine große Freude sein würde, wenn man ihm in dieser Hinsicht entgegenkommen könnte. Ich möchte aber, anknüpfend an die Bemerkung des Herrn Oberbürgermeisters, der Fiskus könne auf dem ganzen Fortifikationsgelände frei wählen, noch hervorheben, daß eine genaue Besichtigung dieses Terrains statt⸗ gefunden hat. Dabei hat sich ergeben, daß nur 3 Baustellen in Frage kamen, von denen 2 wegen der Nähe des Wassers als ungeeignet bezeichnet werden müssen, während die dritte, auf der die Bastion sich befindet, deshalb als ungeeignet befunden wurde, weil sie der Be— bauung Schwierigkeiten bietet. Auf der anderen Selte sind uns aber Grundstücke angeboten worden, die allen Anforderungen auf das beste genügen. Da wäre es doch gewagt, wenn man auf die Bauplätze der Stadt zurückgehen würde.
Auf Einzelheiten möchte ich nicht eingehen, die Frage wird ja im nächsten Jahre, wenn der Etat kommt, sehr eingehend besprochen werden. Ich möchte mich deshalb mit diesen vorläufigen Bemerkungen heute begnügen.
Den Bericht über den Etat des Ministeriums des Innern erstattet
Herr von Becker, der ausfübrlicher über die Denkschrift, be— treffend den Uebergang der Medizinalverwaltung vom Ressort' des Kultusministeriums auf dasjenige des Innern, referiert. Die Denk— schrift soll durch Kenntnisnahme für ien erklärt werden.
Graf, von Hutten-⸗Czapski— achdem die Abtrennung der Medizinalabteilung trotz mancher Bedenken Tatfache ge— worden ist, halte ich es nunmehr für richtig, auf die Vorteile dieser Ressortverschiebung den Nachdruck zu legen. Bei der hoffentlich noch weiter fernliegenden Notwendigkeit elner Neubesetzung des Leiters der Abteilung wird hoffentlich ein berechtigter Wunsch aller beteiligten Kreise in Erfüllung gehen, an die Spitze einen Fachmann, einen Mediziner zu stellen. Die in der Praxis stehenden Aerzte würden sich sehr verletzt fühlen, wenn sich aus ihrer Mitte nicht ein Mann finden würde, der geeignet ist, der Medizinal⸗ verwaltung vorzustehen. Mit Rücksicht auf die fanatische Agitation der e mpfgeg ner muß mit der Zwangsimpfung energisch vorgegangen werden.
Herr Dr. Walde yer: Alea jacta est! Die Medizinal⸗ verwaltung ist vom Kultusministerium abgetrennt, und es ist nichts mehr dagegen zu machen. Aber es bedauern wirklich viele Aerzte, daß die Abtrennung vorgenommen ist. Unrecht ist es aber jedenfalls, daß auch die Fortbildungsanstalten für die Aerzte dem Kultusministerium genommen worden sind. Diese müßten wieder zum Kultusministerium zurückgeführt werden.
Minister des Innern von Dallwitz:
Gegenüber den Bedenken, die der Herr Vorredner soeben gegen die Unterstellung der Medizinalverwaltung unter das Ressort des Innern auegesprochen hat, bitte ich meinerseits aussprechen zu dürfen, daß ich bestrebt sein werde, die von der Medizinalverwaltung bisher bereits erfolgreich wahrgenommenen Interessen, die ja die Interessen des ganzen Volkes und des ganzen Landes sind, auch meinerseitß mit großer Sorgfalt wahrzunehmen, desgleichen aber auch die Interessen des um unser Volkswohl hoch— verdienten ärztlichen Standes. Zu dlesen Interessen gehört aber in erster Reihe das Fortbildungswesen der Aerzte. Dieses gilt grund⸗ sätzlich als eine Angelegenheit des ärztlichen Standes selbst, weil der ärztliche Beruf als ein freier Beruf in bezug auf die Fortbildung nur durch die Tätigkeit der betreffenden Herren selbst gefördert werden kann. Staatlicherseits ist nur eine geringe materielle Unterstützung durch einen Fonds von 15 000 „ vorgesehen, und dieser Fonds muß selbstverständlich an das Ministerium des Innern mit den anderen Tellen der Medizinalverwaltung übergehen. Daß die Gefahr nicht besteht, daß die wissenschaftliche Fortbildung des Aerztestandes leiden werde, das, glaube ich, ist dadurch gewährleistet, daß dem Zentral⸗ komitee nach wie vor der Herr Kultusminister angehören wird, und daß wohl kein Zweifel darüber obwalten kann, daß die dem Kultus ministerium unterstellten Universitäten und sonstigen wissenschaftlichen Institute nach wie vor berelt sein werden, auch das ärztliche Fort⸗ bildungswesen in gleicher Weise wie bisher zu fördern.
Die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
Beim Titel „Gehalt des Ministers“ dankt.
Herr n, , , w. dem Minister für die energische und er⸗ hire Zurückweisung der Angriffe auf die Landräte anläßlich des Becker⸗Prozesses im Abgeordnetenhause. Daß die Landräte nicht das Vertrauen der Sozialdemokratie haben, ist, ein ehrendes Zeichen für sie. Die heiligsten Güter werden 1 von den Sozialdemo⸗ kraten mit dem bittersten Spott übergossen, offen wird für die sozialistische Republik agitiert, das Heer zum Verrat am Vaterlande aufgefordert. Fürst Bülow hat zwar erklärt, die vorhandenen Gesetze reichten aus, um die Sozialdemokratie zu bekämpfen, er hat auch der Sozialdemokratie einmal eine Niederlage beigebracht. Aber dag war nur vorübergehend; man darf nicht übersehen, daß selbst bei den Blockwahlen die sozlaldemokratischen Stimmen gewachsen
sind. Die Einigkeit der bürgerlichen Parteien ist jetzt aber schwer in Frage gestellt. ei den Parteien von Basser⸗ mann bis Bebel ist ein unendlicher Haß gegen den sog. schwarz— blauen Block, gegen den so verdienten Bund der Landwirte vorhanden. Man will gegen uns und das Zentrum mit dem befruchtenden Golde des Hansabundes in die Wahlen ziehen und erst dann, wenn der schwarz⸗blaue Block überwunden ist, gegen die Sozialdemokratie vor— gehen. Wie man das tun will, das bleibt allerdings Geschäfts— geheimnis. Es ist möglich, daß einzelne konservative Wahlkreife unter dem Ansturm des Mammons des Hansabundes fallen werden. Es läge im dringendsten Interesse des Vaterlandes, wenn die bürgerlichen k in den Stichwahlen zusammengingen. Die are nen artei würde trotz aller schlimmen Erfahrungen, die 9 gemacht hat, damit einverstanden sein, allerdings unter der oraussetzung, daß sie auch vom Liberalismus Unterstützung er— hält. Aber leider ist auf die Liberalen einschließlich der Ratlonal⸗ liberalen darin recht wenig . Das zeigt uns die Aeußerung des Herrn Paasche: Rechts steht der Feind! Wenn die Kon‘ servativen gezwungen werden, in den Stichwahlen Gewehr bei Fuß zu stehen, dann werden ja die Liberalen allerdings fehen, wohin sie kommen, Vielleicht nebmen die Nationalliberaken, besonders in Hinsicht auf ihre Freunde in der rheinisch= westfälischen Industrie, doch noch 4 zu prüfen, ob sie bei den Wahlen als Schrittmacher der Sozialdemokratie fungieren sollen. Wie steht es nun mit der Regierung? Sie hat ja an eine Ver⸗ schärfung des Strafrechts und dergleichen gedacht. Es ist aber nur zu fürchten, daß die in Augsicht gestellten Maßnahmen den Kern der Sozialdemokratie nicht treffen. Ein erfolgreicher Kampf gegen diefe ist am besten zu führen durch eine Gesundung des ganzen Volks— lebens, durch eine Abkehr von Frivolität und Perversität, von der weite Kreise beherrschenden Profitgier. Wir muͤssen praktisches Christentum treiben, den Mittelstand erhalten, aber auch fernerhin die wirtschaftlich Schwachen schützen und stützen. Zu diesem Zwecke dient unsere soziale Gesetzgebung. Aber unter keinen Umständen dürfen wir die Derrschaft der Massen dulden, darum müssen wir rechtzeitig mit allen Mitteln der Staatsgewalt den Kampf gegen den Umsturz der staatlichen Gesellschaft durch die So zʒialdemokratie aufnehmen. Ich weiß sehr wohl, daß das leichter gesagt als getan ist. Diesen Kampf bis in die äußersten Kon— sequenzen durchzuführen, dazu gehören Nerven, wie sie Bismarck und Roon gehabt haben. Der zukünftige Kampf wird aber noch viel größere Schwierigkeiten und Gefahren bieten. Erspart wird er uns auf die Dauer nicht bleiben. Wenn die Sozialdemokratie sich so immer weiter verbreitet, dann wird sie gewiß nicht zögern, mit allen Schrecken der Revolution über uns herzufallen. Sollen wir etwa diesen Zeitpunkt ruhig abwarten, sollen wir warten, bis noch weitere Kreise des Volkes, namentlich der Landbevölkerung, so durch seucht sind, daß sie der Sozialdemokratie keinen Widerstand mehr leisten? Oder wollen wir uns etwa einbilden, daß sich die Sozial⸗= demokratie zu einer gemäßigten Arbeiterpartei durchmausern wird? Was wir brauchen, ist ein starkes Gesetz zum Schutze der Arbeits— willigen gegen den Terrorismus der Sozialdemokraten. Die Koalitionsfreiheit der Arbeiter soll nicht geschmälert, aber ihre Aus— wüchse können nicht geduldet werden. Es gibt keine geeignetere Stelle als das Herrenhaus, ein ernstes Mahnwort an die Parteien und an die Regierung zu richten. Deshalb habe ich es für meine Ge— wissenspflicht gehalten, ein Wort der Sorge zu sprechen, die alle wahrhaften Patrioten erfüllt. Herr von Bennigsen hat einmal gesagt: „Wo ist eigentlich die Autorität in Deutschland, sollen wir warten, bis die Revolutionäre auf uns losschlagen?!“ Mögen diese Worte von der Regierung beherzigt werden, und möge die Fortschrittliche Volkspartei wieder den Spuren Richters folgen, dann dürfen wir hoffen, der Umsturzbewegung Herr zu werden.
Minister des Innern von Dallwitz:
Ich bin dem Herrn Vorredner sehr dankbar für das Entgegen— kommen und die gerechte Beurteilung, die er den mir unterstellten Landräten hat zuteil werden lassen.
Was nun die allgemeinen Betrachtungen des Herrn Vorredners anbetrifft, so stimme ich mit ihm darin überein, daß es eine der ernstesten Sorgen der Staatsregierung sein muß, darüber zu wachen, daß den revolutionären Bestrebungen der Sozialdemokratie Einhalt getan werde. Ich glaube aber auf die allgemeinen Betrachtungen, die der Herr Vorredner nach dieser Richtung hin angestellt hat, nicht eingehen zu sollen. Jedenfalls stimme ich mit ihm darin vollkommen überein, daß es eine der vornehmsten, wenn nicht die vornehmste Auf— gabe des Staats sein muß, dafür zu sorgen, daß jedem Staatsbürger, dem kleinen Gewerbetreibenden wie dem Arbeitnehmer, die Möglich— keit gegeben sein muß, unbehelligt und friedlich seinem Beruf und seiner Beschäftigung nachzugehen (Bravo), daß jedem Arbeitgeber das Recht gewährleistet sein muß, seinen Betrieb fortzuführen, solange die dazu erforderlichen Mittel und Arbeitskräfte ihm zur Verfügung stehen, und jedem Arbeitnehmer, seine Arbeit zu suchen und zu finden, wo und wie es ihm beliebt. Nun ist es ja zweifel los eine der allerunerfreulichsten Begleit- oder Folgeerscheinungen der sozialdemokratischen Propaganda, daß der Terroritznus immer mehr überhand nimmt, den die sozialdemokratisch organisierten Arbeiter gegenüber den anders organisierten Arbeitskollegen und vor allen Dingen gegenüber nicht organisierten Arbeitern ausüben. Seinen Höhepunkt erreicht dieser Terrorismus regelmäßig bei größeren Arbeitseinstellungen, bei denen Ausschreitungen gröbster Art in neuerer Zeit bedauerlicherweise die Regel bilden, welche dann ihre gerichtliche Sühne finden müssen. Ob es nun — wie der Herr Vorredner an— gedeutet hat — möglich sein wird, durch eine anderweite Umschreibung der betreffenden Paragraphen des Strafgesetzbuchs oder der Reichs— gewerbeordnung oder durch eine Verschärfung der Strafandrohung das Uebel ganz ju beseitigen oder auch nur wesentlich einzu— schränken, das steht dahin. Jedenfalls wird es meines Dafür— haltens nicht zu umgehen sein, daß bei der Revision des Strafgesetz⸗ buchs auch diese Frage geprüft und die Materie, wenn möglich, besser geregelt wird, als es jetzt der Fall ist. Einstweilen dagegen, glaube ich, daß es in erster Reihe die Sorge und die Pflicht der Staats— regierung sein muß, in allen Fällen dafür Sorge zu tragen, daß durch rechtzeitigen und ausreichenden polizeilichen Schutz arbeitswilligen Arbeitern die Möglichkeit gegeben wird, ohne Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit ihrer Arbelt und ihrer Beschäftigung nach⸗ jugehen. (Sehr gut! Bravo!)
Hern Körte: Die Art und Weise, wie von Vertretern der konservativen Partei hier gelegentlich der Unterschied zwischen konservativer und liberaler Weltanschauung behandelt wird, er⸗ schwert es sehr häufig, zu einer näheren Verständigung zwischen den bürgerlichen Parteien zu kommen. Auch in bien Tagung ist diese Wahrnehmung wieder bestätigt worden, so jüngst in der Frage der reichsländischen Verfassung, wie auch heute. Ich bin zwar in keiner Weise Parteimann, aber doch ein Mann von liberalen An— schauungen und nehme für mich in Anspruch, die gegnerische Auf— hum immer objektiv gewürdigt zu haben. Den eben gehörten Aus— führungen des Herrn von , . muß ich entgegentreten. Gegen. über seinen Schlußworten betone ich: Wer behauptet, daß die liberale Partei dem Treiben und der Anschauung der Sozialdemokratie nicht überall aufs schärfste entgegentritt, befindet sich in einem bedauerlichen Irrtum; die Sozialdemokratie hat keinen schärferen rundsätzlichen Gegner, wie den entschiedenen Liberalismug. 8 der Eil wohlflin⸗ meine ich, daß bei der Konkurrenz der
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