1911 / 99 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Apr 1911 18:00:01 GMT) scan diff

ist die Einführung von Schlachtvieh mit der Eisenbahn in

A ö. Polizeibehörde des Be⸗

öffentliche Schlachthäuser gestattet, wenn die stimmungsorts dazu die Erlaubnis erteilt. . Auf dem Landwege dürfen nur Tiere eingeführt werden, die in den Schlächtereien der an der luxemburgischen Grenze gelegenen Ort⸗ schaften binnen 24 Stunden abgeschlachtet werden sollen.

Bei der Einfuhr mit der Cisenbahn (62. Abs. 2) hat der Ein⸗ führende ein Ursprungs- und Gesundheits zeugnis der Gemeindebehörde und des beamteten Tierarztes vorzulegen, das für Rindvieh die

enaue Beschreibung nach Geschlecht, Alter, Farbe, Abzeichen und Hornstellung sowie nach besonderen Kennzeichen, wie Ohrmarken und dergl., für die übrigen Wiederkäuer und die Schweine die An⸗ gabe der Stückzahl, des Geschlechts, der Farbe und gegebenenfalls anderer befonderer Kennzeichen enthalten muß. Ferner muß durch dieses Zeugnis bescheinigt sein, daß die Maul⸗ und Klauenseuche in der betreffenden Gemeinde nicht herrscht und daß die Tiere sich seit mindestens 14 Tagen dort befanden.

8 4. Die mit der Eisenbahn einzuführenden Tiere CS 2 Abs. 2 und § 3) sind auf dem Bahnhofe Karthaus amtstierärztlich zu untersuchen. Ihre Weiterbeförderung in das öffentliche Schlachthaus ist nur ge⸗ stattet, wenn sie als frei von seucheverdächtigen Erscheinungen und die Ursprungs⸗ und Gesundheitszeugnisse (6 3) sowie der Erlaubnitschein der Polizeibehörde des Bestimmungsorts (8 2 Abs. 2) als richtig be⸗ funden worden sind. ÄUnderenfalls sind die Tiere nach Wasserbillig zurückzuweisen, . Vie zur Weiterbeförderung zugelassenen Tiere sind, ohne einge⸗ stellt zu werden oder mit anderen Wiederkäuern oder Schweinen in Berührung zu kommen, unverzüglich in plombierten Eisenbahnwagen nach ihrem Bestimmungsorte zu bringen, um dort nach höchstens

4 Tagen geschlachtet zu werden.

5

Die amtgtierärztliche Untersuchung auf dem Bahnhofe Karthaus (S 4) findet jeden Montag, Mittwoch und Freitag mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage von 6 bis 9 Uhr Nachmittags statt.

Außerdem erfolgt diese Untersuchung auf dem Bahnhofe Karthaus nach einer mindestens 24 Stunden vorher zu erlassenden Benachrichti⸗ ung des Kreistierarztassistenten Dr. Lenfers in Trier zu jeder anderen * mit Ausnahme der Sonn⸗ 95 gesetzlichen Feiertage.

der Tiere (5 H ist von

ar di tstierärztliche Mnutersuchung a, n 3 den Gebührenerheber in

* J folgende Vergütung an

arthaus zu zahlen: .

fũr he Stiere und Ochsen 1,50 ½Æ das Stück,

für Jungvieh . ;

für Kälber und Schweine .

für Ziegen und Schafe? .

für Ziegen- und Schaflämmer und

, d

Erfolgt die amtstierärztliche Untersuchung zu anderen als den im

§ 4 Abs. L angegebenen Zeiten, so haben die Einführenden außer den

In den Gebührenerheber zu entrichtenden Gebühren an den beamteten Tierarzt die diesem zustehende . zu zahlen.

Wer Vieh mit der Eisenbahn einführt (5 2 Abs. 2), hat die Polizeibehörde des Beslimmungsorts von der bevorstebenden Ankunft der Tiere zu benachrichtigen und, sofern das öffentliche Schlachthaus dieses Orts keine unmittelbare Eisenbahnverbindung besitzt, die Be⸗ förderung der Tiere vom Bahnhofe zum Schlachthause auf Wagen zu bewirken, auch den polizeilichen Erlauhnieschein (8 2 Abs. 2) sowie die Ursprungs⸗ und Gefundheitszeugnisse (6 3) dem Schlachthaus leiter zu übergeben. .

Bei der Einfuhr führende ein von der Zeugnis des im 5 ͤ zustaͤndigen Fleischbeschauer auszuhändigen, behörde weiterzureichen hat.

Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Bestimmungen unter⸗ liegen, sofern nicht nach den bestehenden Gesetzen eine höhere Strafe perwiskt ist, den Strafvorschriften des 5 328 des Straftesetzbuchs sowie der 85 66 und 67 des Reichsviehseuchengesetzes vom 23. Juni 188011. Mai 1894.

§ 10. ; Die landespolizeiliche Anordnung vom 29. März 1911 (Amts⸗ blatt S. 109) wird aufgehoben. Dlese Anordnung tritt sofort in Kraft. Ihre Aufhebung wird erfolgen, sobald die eingangs bezeichnete Seuchengefahr beseitigt ist.

Trier, den 20. April 1911. ö Der Regierungsprãsident.

Ri s en.

ö,,

§ 8. 6 auf dem Landwege (3 2 Abs. 3) hat der Ein. Gemeindebehörde des Ursprungsorts ausgestelltes 3 angegebenen Inhalts beizubringen und es dem der es an die Ortspolizei⸗

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Konsistorialsekretäx Schliemann in Stettin den Gharakter als Rechnungsrat zu verleihen.

Ministerium des Innern.

Bekanntmachung. Auf Grund des 8 4 Abs. 1 und 2 der Kreisordnung für die Rheinprovinz vom 30. Mai 1887 erkläre ich hierdurch die Stadt Hamborn im Regierungsbezirk Düsseldorf vom 1. Mai d. J. ab für ausgeschieden aus dem Verbande des Kreises Dinslaken, sodaß sie von diesem Tage ab einen Stadt kreis bildet, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Regelung für das Verhältnis der Gemeinde Hamborn zum Landkreise Dinslaken und zur Provinz schon vom 1. April d. J. an gilt.

Berlin, den 26. April 1911.

Der Minister des Innern. ö 8 .

Freund.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 9 der Preußischen Geseßsammlung enthält unter Nr. II 1I2 das Gesetz, betreffend die Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Berent, Pr. Stargard und Schöneck, vom

31. März 1911, unter . Rr. 11 113 das Gesetz, betreffend die Erweiterung des April 1911, unter

Stadtkreises Stettin, vom 18. . . Nr. II I4 das Gesetz, betreffend die Erweiterung des April 1911, unter

Stadtkreises Breslau, vom 18. . Nr. II 115 das Gesetz, betreffend die Erweiterung des Stadtkreises Erfurt, vom 18. April 1911, und unter Nr. II 116 die Verfügung des Justizministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Teil der Bezirke des Amtsgerichts Weilburg, vom 15. April 1911. Berlin W., den 27. April 1911. Königliches Gesetzsammlungsamt. Krüer.

Zusammenstellung, ; staͤ der Versicherungsanstalten und der zugelassenen Kasseneinrich⸗

tungen beruht, betrug einschließlich 31. März 1911 anstalten willigten Invaliditäts⸗ des Invalidenversicherungsgesetzes

des Berechtigten, fähigkeit, Bezuges von Unfallrenten oder aus anderen

Gründen weggefallen. sodaß am 1. April 1911 liefen

am 1. Januar 1911.

willigten Altersrenten (85 validitäts⸗ 4 s . 3 des Invalidenversicherungsgesetzes) betrug

des Berechtigten oder aus anderen Gründen gefallen J

Aichlamlliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 27. April.

Nach der im Rei sversicherungsamt gefertigten die auf den Mitteilungen der Vorstände

die Zahl der seit dem . Januar 1891 bis von den 31 Versicherungs⸗ und den 10 vorhandenen Kasseneinrichtungen be⸗ Invalidenrenten G85 9, Absatz 2 und 19 des und Altersversicherungsgesetzes und 15 Absatz 2

w d infolge Todes oder Auswanderung

Davon sin i Wiedererlangung der Erwerbs⸗

69 904,

921 149 8 760

gegen

Die Zahl der während desselben Zeitraums be⸗ 2 ** ; 9 Absatz 4 des In⸗

und Altersversicherungsgesetzes und 15 496 300.

avon sind infolge Todes oder Auswanderung weg⸗ 899 421, 6 879 98 335

sobaß am 1. April 1911 liefen

am 1. Januar 1911.

, . gemäß S 16 des Invaliden⸗ versi erungsgesetzes (Krankenrenten) wurden seit dem 1. Januar 1900 bewilligt Dadon sind infolge Todes, Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit oder aus anderen Gründen weggefalhninn sodaß am 1. April 1911 liefen am 1. Januar 1911. Beitragserstattungen sind bis zum 31. März 1911 be⸗ willigt: . an weibliche Versicherte, die in die Ehe getreten

sind. 11167

gegen

2109 632, an versicherte Personen, die durch einen Unfall dauernd erwerbs⸗ unfähig im Sinne des Invaliden⸗ versicherungsgesetzes geworden sind gegen ö die Hinterbliebenen von Ver⸗

gegen

118 328.

101 382,

16946 16965

gegen

6 640 6519,

siqerten·

gegen N72 902,

zusammen.

2633 094 42

gegen 589 053

bis zum 31. Dejember 1910. ĩ

Die Nr. 4 der „Amtlichen Nachrichten dez Reichs⸗ versicherungsamts“ vom 15. April 1911 enthält unter A (unfallversiche rung) ein Rundschreiben vom 24. Ja⸗ nuar 1911 an die Vorstände sämtlicher Berufsgenossenschaften wegen des Nachweises der auf die „schwebende Schuld aus dem Jahre 1909“ zu zahlenden Beträge in den Rechnungs⸗ ergebnissen, ferner 3 Bekanntmachungen a. vom 3. Januar 1911 über eine Ergänzung des Ver⸗ zeichnisses der für leistun. sfähig erklärten Kommunalverbände, Fp. vom 4. März 1911 über eine Ergänzung der Grundsätze, betreffend den Uebergang der aus einem umkatastrierten Be⸗ triebe herrührenden Entschädigungslast, . vom 29. März 1911 über Genehmigung von Unfallverhütungsvorschriften für das J. Vierteljahr 1911.

Dann folgen Rekursentscheidungen und andere Entscheidungen der Senate in Unfallversicherungssachen über folgende Gegen⸗

tände: t Eigenbauarbeiten, die sich aus Hochbau⸗ und Tiefbau⸗ arbeiten zusammensetzen, sind für sich allein einheitlich zu be— urteilen; für ihre Zugehörigkeit ist entscheidend, ob sie in der Gesamtheit überwiegend dem Hoch- oder Tiefbau zuzurechnen sind (Nr. 2451 *) Erweiterter Senat —. Ein Unfall infolge Abspringens von einem Se e. wagen ist auch bei nicht voller Fahrt unter Umständen sstarker Straßenverkehr, Glätte, Warnungsplakate) nicht entschädigungs⸗ pflichtig (2452). . Der Betrieb eines Krankenhauses, das zur Aufnahme in der Fabrik beschäftigter Arbeiter bestimmt ist, ist nicht ver⸗ sicherungspflichtig (2453). Das Kost- und Wohnhaus für die alleinstehenden Arbeiter eines Hüttenwerkes ist Teil des technischen Betriebs dieses Werkes; der Verwalter eines solchen Hauses ist versicherter Betriebsbeamter; die Tötung dieses Beamten durch einen sich ungebührlich betragenden Arbeiter, den er aus dem Hause ent⸗ fernte, ist entschädigungspflichtiger Betriebsunfall (2454). Betriebsunfall durch bloße Schreckwirkung als Ursache einer tödlichen Erkrankung an ,, (2455). Räuberischer Ueberfall auf einen Monteur während der Eisenbahnfahrt kann als Betriebsunfall angesehen werden (2456). Ueber eine Kellerwirtschaft als Nebenbetrieb einer Brauerei (2457). . Betriebsunfall wurde anerkannt, als ein Arbeiter infolge eines Schwächeanfalls in einen mangelhaft eingerichteten, lediglich für die Betriebsangestellten bestimmten Abort auf der Vetriebsstätte fiel und in der Grube tot aufgefunden wurde (2458). Die Arbeiten beim Aufbau und Abbruch eines Zeltgebäudes von 14 m Höhe und 46 m . (Gebäude der . Raubtlerdressurschau) sind versicherungspflichtige Bau⸗ arbeiten (2459). . Verzichtet der Verletzte auf den Rentenanspruch, so kann die Krankenkasse diesen Anspruch in Höhe ihres Ueberweisungs⸗ anspruchs vor den Instanzen der Unfallversicherungsgesetze selbständig verfolgen (2160.

) Die neben den einzelnen Entscheidungen stehenden eingeklammerten

Bei der Festsetzung der Entschädigung ist der „qualffizierter“ Arbeiter auch nach Augenverletzungen neh zu vermeiden (24610). . Die Minderung der Gesamterwerbsunfähigkeit hindert nicht . gn nne, der Rente wegen Besserung der Unfallfolgen 2462). . Üeber den Verzicht eines im Betriebe der stgatlichen Eisen— bahnverwaltung verletzten Arbeiters auf die Unfallrente für den Fall seiner Anstellung als Beamter (2463).

Der Unternehmer braucht dem revidierenden Beamten seinen Betrieb nicht zu zeigen; er ist nur verpflichtet, dem Beamten auf Erfordern den Zutritt zu gestatten (2464). Unternehmer, welche nichk Eigentümer, sondern nur Mieter von Betriebsgebäuden sind, haben diese gleichwohl den Unfall verhütungsvorschriften entsprechend auszugestalten (2465.

Die . der Konstruktionsberechnungen durch die Baupolizeibehörde entbindet den Unternehmer der Berufz— genossenschaft gegenüber nicht von seiner Verantwortung dafür daß, wie in den Unfallverhütungsvorschriften gefordert, alle verwendeten Baumaterialien von guter, ihrem jedesmaligen besonderen Zwecke entsprechender Beschaffenheit sind und daß alle Bauarbeiten nach den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst ausgeführt werden (2466).

Zu 5 46 Ziffer 1 Abs. 2 des Bauunfallversicherungs⸗ gesetzes (3467) Feststellung der elch e . .

Für die Rechtsgültigkeit eines Strafbescheids des Genossen⸗ gegen eine Gemeinde kommt es nicht darauf an, ob die Aufforderung, die Betriebsmängel zu beseitigen, an den gesetzlichen Vertreter der Gemeinde oder an den Gemeinde diener ausgehändigt worden ist (21468),

Die den Revisionsbeamten der Berufsgenossenschaft von dem Vorstand ein für allemal erteilte Befugnis, selbständt Reisen auszuführen, welche die Wahrnehmung der Interessen der Berufsgenossenschaft erheischt, bildet keine ausreichende Unterlage für die Auferlegung der Kosten solcher Reisen nach 5 124 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes (2469).

Die Abteilung B (Invalidenversicherung,) enthilt die Kontrollvorschriften der Landesversicherungsanstalt Schletzwig Holstein. Ferner Entscheidungen aus §z 155 des Invaliden versicherungsgesetzes, in denen folgende Gegenstände behandelt werden:

Die Versicherungspflicht einer an einer deutschen Schule tätigen französischen Lehramtsassistentin (1534).

Die Versicherungspflicht einer im Hause des Bruderz tätigen Schwester (1535). w

Die Versicherungspflicht einer Frau, die Kinder von Ar— beitern einer bestimmten Fabrik wartet (1536).

Die Versicherungspflicht einer sogenannten Schenkammt 1537). . Ueber die Versicherungspflicht von Landwirten, die mit eigenem Gespanne für eine Molkereigenossenschaft die regel mäßigen täglichen Milchfuhren besorgen (1538)

Die Versicherungspflicht der Leiter eines Werkstattbetriebs in welchem Arbeiten für ein auswärtiges Fabrikunternehmen ausgeführt werden (539).

Begriff der Beschäftigung gegen Barlohn (1540.

Es folgt eine Nachweisung über die Rentenzahlungen und Beitragsetstattungen der 31 Versicherungsanstalten im Februar 1911 sowie über den Erlös aus Beitragsmarken für Monat

März 1911.

schaftsvorstands

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind vorgestern S. M. S „Emden“ in Kobe Wapan), S. M. Typdbt. „Taku“ in Nagasaki und S. M. S. „v. d. Tann“ in Santa Crux de Teneriffa eingetroffen. l .

S. M. S. „Sperber“ ist gestern von Aden in See ge gangen.

Desterreich⸗ Ungarn.

In den Dispositionen über den bevorstehenden Au fent⸗ halt des Kaisers Franz Joseph in Ungaxn sind einig Aenderungen vorgenommen worden. Der Monarch soll „W. T. B.“ zufolge, nicht, wie ursprünglich beabsichtigt wan bie ganze Zeit in. Budapest residieren, sondern zumeist ? Goedoelleoe verweilen, von wo gelegentliche Reisen nach det Hauptstadt stattfinden dürften. Hierzu hat sich der Kaiser nach längerem Zaudern durch den Rat der Aerzte bestimmen lassen die wegen noch vorhandener Heiserkeit des Monarchen für den Aufenthalt in der staubfreien, gesunden Luft de ungarischen Landsitzes nachdrücklich eingetreten sind. Infolt diefes Entschlusses hat der Kaiser Franz Joseph dem Kön von Serbien, dessen Empfang in Budapest bereits anges!an war, durch den österreichischungarischen Gesandten in Belgra mitteilen lassen, daß er zu seinem lebhaften Bedauern im gege wärtigen Augenblick auf eine Zufammenkunft verzichte müsse, von der er sich für die Beziehungen der Monarchie y dem benachbarten Königreich die glücklichsten Wirkungen der sprochen habe. Aller Voraussicht nach dürfte unter diesen Un ständen der Empfang König Peters am isterreichisch⸗ ungarisch⸗ Hofe erst in einem späteren Zeitpunkt des Jahres möglich sein

Frankreich.

Infolge des vorgestrigen Beschlusses der Ostbahngese⸗ schaft hat das nationale Syndikat der Eisen bahne— einen uff erlassen, in dem es, „W. T. B.“ zufolge, n schärfster Weise den Beschluß der Eisenbahngesellschaften gegn bie Wiederanstellung der entlassenen Eisenbahner tadelt m ankündigt, daß es im aanzen Lande Einspruchsversammlungen ve anstalten werde. Es handle sich um die Frage, ob sich M Bahngesellschaften ungestraft über den Willen des Lande hinwegsetzen könnten und ob die ,, , Interessen höhe ständen als die Gerechtigkeit, Menschlichkeit und die öffentliche Interessen. .

Wie „Echo de Paris“ meldet, haben nunmehr auch di Gesellschaften der Paris —Lyon-Möditergnnéebahn m der Südbahn dem Minister mitgeteilt, sie könnten seine Aufforderung zur Wiederanstellung der en tlassene⸗ Eifenbahner nicht nachkommen, Sobald die Antwort aller Gesellschaften eingetroffen sein werden, wird de Ministerium über die hierdur geschaffene Lage beraten.

Italien.

Zu Ehren des Königs und der Königin von Schwenn fand gestern im Quirinal eine Galatafel statt, bei der (. König Viktor Emanuel einen Trinkspruch ausbrachte,

Zahlen geben die Ziffer an, unter welcher diese in den „Amtlichen

Rachrichken‘ veröffentlicht sind.

dem er in seinem Namen und im Namen der italienis

Nation den König und die Königin willkommen hie „W. T. B.“ . sagte: ih . Der Besuch Eurer Majestäten ist zwar jederzeit sehr angenehm, aber um so angenehmer in diesem Jahre, das die heiligsten Erinne⸗ rungen Italiens wachruft. Schweden hat in den vergangenen Jahr— hunderten machtvoll dazu ie den Triumphzug derjenigen Grundsätze und Freiheiten zu beschleunigen, von denen sich die Ge— danken und die Gesetze des wiedererstandenen Italiens leiten lassen. Ganz Europa sieht in Schweden ein bedeutungsvolles Element des Gleichgewichts und des , und einen mächtigen Faktor auf dem ö ger g J ö und menschlichen Geisteslebens. rinke auf die Gesundheit des Königs und Königi . g der Königin und auf

. Der König von Schweden dankte in warmen Worten für den großartigen und herzlichen Empfang, von dem die Königin und er eine unauslöschliche Erinnerung behalten würden, gab dann der Freude Ausdruck, das italienische Königspaar auf dem klassichen Boden Roms besuchen zu können, mitten unter dem Volk, dessen Genie die Menschheit große und kostbare Fortschritte verdanke, und sagte:

Für die Königin und ihn sei es eine große Befriedigung, ihren ersten Besuch zu ciner Zeit abzustatten, in der der König und die Königin von Italien mit ihrem ganzen Lande die Fünfzigjahrfeier der Proklamjerung des Königreichs Italien begingen. Der Widerhall, den die n gn n. des großen Werkes der Einigung Italiens hervorgerufen habe, lebe noch immer in der Erinnerung seines Volkes. Er freue sich, feststellen zu können, daß die Bande der Freundschaft, die vor fünfzig Jahren zwischen seinem Volk und dem des Königs Viktor Emanuel geknüpft worden seien, sich immer fester gestaltet hätten. Der König schloß mit dem Wunsche, daß diese glücklichen Beziehungen andauern und sich immer weiter entwickeln möchten, und erhob sein Glas auf die Gefundheit des Königs, der Königin, der Königin⸗Mutter und des gesamten Königlichen Hauses sowie auf den Ruhm und das Ge⸗— deihen Italiens.

Türkei.

Aus Anlaß des Jahrestages der Thronbesteigung hat der Sultan, „W. T. B.“ zufolge, 73 wegen der vor— i, albanesischen Unruhen vom Kriegsgerichte in Debra owie 267 wegen der Unruhen in Adang Verurteilte begnadigt.

Die Pforte hat der persischen Regierung vorgeschlagen, falls sich die zu ernennende türkisch⸗persische Kommission über die Abgrenzung des strittigen Gebietes nicht einigen sollte, den Streitfall dem Haager Schiedsgericht zu unterbreiten.

In der Deputier tenkam mer stand gestern das Budget des Ministeriums des Aeußern zur Beratung,

Nach dem Bericht des W. T. B. erklärte der Minister des Aeußern Rifgat Pascha im Verlauf der Generaldebatte, daß die Re⸗ en den Bau verschiedener Bahnlinien plane, die für die

ürkei vorteilhaft seien, darunter die Donau Adriabahn. Wenn diese Bahn anderen Staaten, beispielsweise Serhien, nützlich sei, könne die Pforte nur zufrieden sein, doch bleibe die Donau Adriabahn immer eine Srch der Türkei und müsse jedenfalls in einem türkischen Hafen enden. Bezüglich Montenegros, verwies der Minister 9 der Pforte zugegangene Nachrichten, die erwiesen, daß die Malissoren rotz der gegenteiligen Erklärungen Montenegros bei den Montenegrinern Unterstützung fänden. Wenn die gegenwärtige Lage, die nicht länger haltbar sei, sortdauere, werde die Pforte Montenegro zur ö,, ,. ziehen. Hoffentlich seien aber die Zusicherungen Montenegros ernst gemeint. Der Minister konstatierte dann die Aenderung des Verhältnisses zu Bulgarien seit dem Amtsantritt des Kabinetts Geschow. Zu einer fr s bid arlfchen Entente brauche man aber Zeit. Gegenüber den Vorwürfen Basris, die Türkei neige jum Dreibunde hin, betonte der Minister, die Türkei wünsche die gleiche freundschaftliche Haltung gegenüber allen Mächten 1 befolgen. Rifaat Pascha und der Großwesir widerlegten lerauf die Vorwürfe, daß bei der Abgrenzung zwischen Tunis und Tripolis ausgedehnte türkische Gebiete abgetreten worden seien. Bezüglich der Behauptung, daß Dokumente aus dem Ministerium des Aeußern gestohlen seien, erklärte Rifaat, daß ein Diebstahl nicht bewiesen worden sei. Die Untersuchung, die fort⸗ et werde, habe ergeben, daß aus anderen Departements gewisse

okumente in die Hände Dritter gelangt seien. Betreffs der Psott⸗ damer Entrevue wies der Minister auf die von ihm seinerzeit in der Kammer abgegebenen Erklärungen sowie auf die von einer Bot⸗ schaft erteilten Auskünfte hin. Seither sei kein neues Ereignis ein⸗ . daß ihn in die Lage setze, Neues hinzuzufügen. Nach den nformationen der Pforte selen dle deutschrussischen Verhandlungen noch nicht beendet, und es sei zu erwarten, daß Deutschland und Rußland, die Freunde der Türkei seien, diese von ihren eventuellen Beschlüsfen über Persien, dessen Unabhängigkeit und Integrität für die Türkei sehr wichtig seien, verständigen werden. Schließlich er⸗ klärte der Großwesir Hakki Pascha, die Pforte wolle in Tripolis behalten, was unter ihrer direkten Verwaltung steht. Darüber hinaus⸗ zugehen wäre eine Eroberungspolitik, die einen Konflikt mit Frankreich heraufbeschwören könnte. Daran denke niemand. Das Wadaigebiet sei kein türkisches Territorium.

Die Kammer nahm mit 12 gegen 45 Stimmen die Tagesordnung des Obmanns der Jungtürken Talaat an, die die Erklärungen des Großwesirs und des Ministers des Aeußern als hinreichend bezeichnet.

Nach Meldungen des,W. T. B. haben die Truppen am 19. d. M. bei Mihtepe die gegen Gusinje aufgeführten Verschanzungen der Rebellen zerstört, diese geschlagen und Mihtepe besetzt. . U

Um das Bandenunwesen im Wilajet Salonik wirksamer bekämpfen zu können, wird ein Jägerbataillon in sechzehn Abteilungen zu je fünfzig Mann aufgelöst und diese werden den unzulänglichen Gendarmerieabteilungen angegliedert werden. Es find regelmäßige Streifzüge vorgesehen.

Asien.

Einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ zufolge ist auf Anordnung des Generalgouverneurs von Huth der Chef des Lubinfu⸗Gebietes seines Amtes enthoben worden, da er entgegen den Verträgen von russischen Kaufleuten Zoll erhoben hatte.

Afrika.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat der Major Brémond mit seiner Mahalla den Rückmarsch nach Fes angetreten. Nach einem von 56 Brémond eingegangenen Bericht war er am 21. April früh nach Norden in Richtung auf den Sebufluß aufgebrochen, Um sich mit dem Vizekonsul Boisset zu vereinigen. Bald nach Antritt des Marsches, der wegen des sumpfigen Geländes und wegen des Transports der Kranken großen Schwierigkeiten begegnete, zeigte sich der 3 doch wurde er von der FKavallerle zunächst zurückgehalten. Um 10 Uhr erfolgte der Angriff des etwa 5000 Mann starken Feindes, der abgewiesen wurde. Durch einen kurz darauf unter⸗ nommenen Gegenangriff wurde der Feind zurückgeworfen. Ein späterer Angriff von 800 Udaya wurde ebenfalls zurück⸗ . Die Mannschaften der Mahalla zeigten während es Gefechts eine treffliche Haltung. Die Verluste betrugen einen Toten und sechs Verwundete. Die Mahalla verfügt noch über A6 000 Patronen und A8 Granaten. Die Scherarda, die mit großer Erbitterung gekämpft hatten, verloren 60 Tote.

Die Mahalla Brömond marschierte, ohne Boisset getroffen zu haben, auf Befehl des Oberstleutnants Mangin wegen der kritischen Lage von Fes in Richtung auf Naselma weiter. Sie führt 30 Kranke mit fich. Alle Instrukteure sind wohlbehalten.

Der Vizekonsul Boisset ist einer von ihm erstatteten Meldung zufolge am 22. April Morgens von dem Abmarsch der Mahalla in Kenntnis gefetzt worden und infolgedessen nach Suk el Arba zurückgekehrt, wohin der Hauptmann Moreaux einen Leutnant mit 150 Mann geschickt hat, um die BVexeini⸗ gung der Kaids im Ghargebiet und die Wahl eines Oberbefehls⸗ habers zu verhindern.

Der Scherif Elmrani ist vorgestern früh nach Buznika aufgebrochen, um fich mit den marokkanischen Gums und den ersten Abteilungen der Harka zu vereinigen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Nach den ‚Tabellarischen Uebersichten, betreffend den Zivilstand der Stadt Frankfurt am Main im Jahre 1910, die das städtische Statlftische Amt veröffentlicht hat, wurden im Jahre 1910 von den 8 Standezämtern des bisherigen Stadtkreises Frankfurt am Main (ohne die neuen Vororte) bei einer Bevölkerung von rund 374 300 Seelen registriert: 3750 Eheschließungen oder 10,02 auf jedes Tausend der Bepölkerung gegen 3649 (9, g5 ß) im Jahre 1909, S701. Lebend⸗ and 298 Totgeburten, zu⸗ sammen 8999 Geburten oder 2,04 auf jedes Tausend der Bevölkerung gegen 563 (26,08 oo) im Jahre 1909 und 979 Sterbefälle Lohne die Totgeburten) oder 13539 auf jedes Tausend der Bevölkerung gegen 50] d (13,841 oe) im Jahre 19609. In den am J. April 1810 eingemeindeten 11 Vororten des ehemaligen Land⸗ kreises mit 10 Standesämtern wurden im Laufe des Kalenderjahres ohne. Rücksicht auf die Wohnzugehörigkeit) registriert: 246 Ehe⸗ schließngen (30 aufs Tausend der Bevölkerung) gegen 247 (725 oscoh im Vorjahre, 914 Geburten (27, 12 0), darunter 21 Tot⸗ geburten, gegen 9238 Geburten (27, 25 oo), darunter 23 Totgeburten, im Vorjahre und 3651 Sterbefälle (10,425 / 00 gegen 342 (1604 0/o0) im Vorjahre. Hiernach ergibt sich für das erweiterte Stadt⸗ gebiet eine Zahl bon 3996 Cheschließungen, 9913 Geburten (darunter 319 Totgeburten) und b330 Sierbefällen während des ganzen Kalendersahrs 1910, für das sich somit ein Ueberschuß der Lebend⸗ geborenen über die Sterbefälle von 4264 Seelen berechnet. Der Verlauf der Bewegung der Bevölkerung zeigt gegenüber dem in den Vorjahren beobachteten Rückgang der k wieder ein An⸗ steigen derselben, dagegen dauert der Rückgang der Geburtenziffer sowie der absoluten und relativen Sterblichkeit fort, ebenso findet sich ein weiteres Abnehmen des Geburtenüberschusses. In welcher Weise die Zivilstandsbewegung des bisherigen Landkreises diejenige des er⸗ weiterten Stadtgehlets für die Folge beeinflussen wird, läßt sicherst im Laufe der nächsten Jahre beurteilen.

Zur Arbeiterbewegung.

Zum Schiedsspruch des Einigungsamts des Berliner Gewerbe⸗ gericht zur Schaffung eines Einheitstarifs im Fensterputz ergewerbe ür Großberlin nahm, der ‚Voss. Ztg.‘ zufolge, eine zahlreich besuchte Versammlung der organssierten Fensterputzer Stellung. Nach vierstündigen Verhandlungen, in denen die Vorteile und auch die Schattenseiten des Schiedsspruchs erörtert wurden, der den Arbeitern einen Anfangswochenlohn von 26.50 c zuspricht und nach einem Jahr 26 und im dritten Jahre 28 M bei neunstündiger Arbeitszeit, , . Tarif schließlich als unannehmbar erklärt und einstimmig abgelehnt.

Auf mehreren Gruben der Riebeckschen Montanwerke sind 3 Ztg.“ zufolge Arbeitseinstellungen erfolgt (9gl. Nr. 98

Im Tarifkampf der Chemnitzer Metallindustrie (vgl. Nr. 72 d. Bl.) ist, wie die „Frkf Itg.“ meldet, eine Einigung auf nachstehender Grundlage erfolgt: Die Arbeitszeit wird auf 7 Stunden verkürzt, Üeberstunden werden mit 200 vergütet, die Akkordlöhne werden zugunsten der Arbeiter geregelt, die Löhne der Gießer erhöht und unverschuldeter Fehlguß mit E Stundenlohn vergütet.

Nach einer Meldung des . W. T. B.“ aus Trautenau hat die Spinnerei Faltis rben, die 1200 Arbeiter beschäftigt, den Betrieb eingestellt, nachdem 400 Spinnerinnen wegen Nicht— bewilligung bon Lohnforderungen am Montag in den Ausstand ge⸗ k Auch in anderen Fabriken macht sich eine Lohnbewegung geltend.

Auf dem Bergarbeiterkongreß zu Comment ist, wie dem W. T B. aus Paris telegraphlert wird, der Antrag einge⸗ bracht worden, für alle zwischen den Syndikaten und Gesellschaften abgeschlossenen Arbeitsverträge die gleichen Fristen aufzustellen, um erforderlichenfalls einen möglichst wirksamen Gesamtausstand ver⸗ anstalten zu können, sobald es sich darum handelt, eine im allgemeinen Interesse der Bergarbeiter gelegene Forderung durchzusetzen.

(Weitere Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Goethes Stellung zur Fremdwörterei.

Professor Dr. Eduard Engel, einer unserer besten Goethe⸗ kenner, schreibt über diese Frage: Die größten Menschen hängen mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zusammen., heißt es bei Goethe; unser größter Sprachschöpfer und Stilmeister mit seinem Jahrhundert, dem 18. durch seine Stellung zur überkommenen Freindwörterei. Manche unserer ärgsten heutigen Fremdwörtler verteidigen ihre Sprachflickerei gern durchs Berufen auf Goethes Bꝛispiel. Dies wäre höchst un⸗ ziemlich, selbst wenn Goethe ein Fremdwörtler heißen dürfte; denn wir ertragen seine zu weit getriebene Fremdsprachlichkeit in einigen Prosaschriften = in keiner seiner lebendlgsten doch nur, weil er unser größter Dichter und Prosakünstler ist; mit welchen Meister—⸗ 6 59 können unsere Fremdwörtler ihre Mengselsprache recht⸗ ertigen Der Grundzug in Goethes Sprachwesen war der zu reinem Deutsch, und in gewissem Sinne muß er als einer unserer kühnsten Puristen gelten. Von frühauf zeigte sich bei diesem Groß⸗ meister deutscher Sprache der triebmäßige Widerwille gegen die Fremd⸗ wörterei. Als Leipziger Student von 16 Jahren ermahnte er die Schwester Cornelie, doch ja keine ,,, zu gebrauchen. Vom Anbeginn seiner schriftstellerischen Laufbahn belehrte ihn sein künst— lerlsches Sprachgefühl: Fremhwörter sind Flicken und Flecken am Kunstwerk. Za einer Zelt, als überall in Deutschland fast ebenso wüst gefremdwörtelt wurde wie unter der Sprachverwilderung der Gegenwart, strich Goethe mit voller Absicht eine heträchtliche . überflüssiger Fremdwörter im Urgötz. Aus Kommission wurde Auf— trag, aus Detachement: Haufen. aus dem Deklamieren gegen die Weiber: Schelten. Ja, er strich Fremdwörter, die an ihrer Stelle nicht unwirksam waren, wie Baldachin, Rebellion, und schrieb dafür Pracht⸗ vorhang, Aufruhr. Ausgemerjt wurden: Appellieren, deplactert, Spe= kulation, Virtuosität; sogar Humor, Materie, Szene mußten deutschen Wörtern weichen. Wie bezeichnend für Goethes. Purismus sind olgende prächtige Verdeutschungen: „Aber um dich, Adelheid, ist eine tmosphäre von Leben? wurde zu; Aber um dich, Adelheid, ist Leben“; statt ging wehr ins Detail“ schrieb er:; „Allerlei Durch⸗ einander, Großetz und Kleines“. Und sintemalen alle Verteidiger der Fremdwörter in der Unentbehrlichkeit von interessant“ übereinstimmen,

so mögen sie sich eines Bessern durch Goethe belehren lassen, der die

Stelle: Ein halb trauriger Zug auf seinem Gesicht war so inter⸗ essant! deutscher und wirksamer wandelte in: Ein halb trauriger Zug auf seinem Gesicht gefiel mir so wohl“. Aehnlich machte er aus „Interesse nehmen“: Anteil nehmen. Purist his ins Alter, ersetzte er Ie . ern , , von ö . Extremität durch in, er bänglichen Lage“, „gemessene Ordre“ durch „Befehl“, Diskurse / durch Verhandlungen. ö

Goethe war kein Purist von der närrischen Gattung, die sich die Fremdwörter zurecht machen, das zeigt die Stelle im vierten Aufzug des Götz; in dem Satze: „das Ebenbild des Kaisers, das ich auch in der gesudeltsten Malerei verehren, wurde Ebenbild durch das der Zeit⸗ farbe besser entsprechende Konterfei ersetzt. Für die erste Gesamt⸗ ausgabe seiner Werke von 1787 strich er die Fremdlinge in Masse, obwohl er durch die Kanzleisprache seiner Weimarischen Jahre vor der italienischen Reise an die damals allgemein übliche Fremdländerei ge⸗ wöhnt war. Wie hezeichnend sind auch seine puristischen Verdeutschungen in der „Italienischen Reisen, z. B. aus zproportionierlich! (im ersten Teilahdruck von 1187) in „verhältnißmäßig“, Tableau von Neapel“ in Gemälde“, „Auf ein Volk kalkuliert‘ in berechnet“.

Daß Goethes Lieder fast ganz sprachrein sind, versteht sich von sellst: die Kunst verabscheut das Beflicken des Feiergewandes deutscher Rede mit fremden Lappen. Je erhabener das Dichtwerk, je tiefer dessen seelischer Gehalt, desto deutscher wird Goethes Sprache. In Goethes Nachlaß fand sich ein nicht vollendeter Beitrag zu den Venezianischen Epigrammen, der beginnt:; Ungern brauch ich in meinen Gedichten die anderen Sprachen,“ Schon in einer Jugend⸗ schrift hohen Stils, Von deutscher Baukunst“, stehen auf 13 Druck⸗ seiten nur 2 Fremdwörter. In der „Iphigenie“ findet sich kein einziges wirkliches Fremdwort, nur einige längst eingedeutschte Lehn⸗ wörter. Im Egmont gibt es nur 24 fremde Wörter, die meisten durch die Zeitfarbe des Dramas entschuldigt, ja gefordert. Der Tasso“ ist so gut wie rein. In beiden Teilen des „Faust“ zusammen⸗ genommen kommen nur ganze 200 Fremdwörter vor in Anbetracht des Inhalts, zumal im 11. Teil, erstaunlich wenig, viele davon ganz unentbehrlich.

So steht es mit Goethes Tun gegenüber den Fremdwörtern, und nach seinem Tun, nicht nach vereinzelten verwehenden Aussprüchen des leidenschaftlichen Mannes dürfen wir urteilen. Am wenigsten nach solchen, die er im berechtigten Unmut über törichte Angriffe schulmeisternder Sprachnörgler getan, aber selbst nicht be⸗ folgt hat. Unschöpferische Sprachbasteler hatten sich zu. Ende des 18. Jahrhunderts anmaßlich in Sprach⸗ und Stilfragen breit gemacht; deren ECingriffe in das Recht, das nur den guten Schriftstellern zustände, wollte Goethe sich nicht gefallen lassen. Seinen Widerwillen gegen die nicht verdienstlosen Sprach⸗ reiniger und Neuwortbildner Campe und seines gleichen begreift man nur, wenn man die Albernheiten in den „Beiträgen zur Ausbildung der deutschen Sprache liest, die seit 1795 unter Campes Leitung erschienen. Dg hatte ihm ein Schulfuchs ein Wort wie tiefgeheimnisvoll“ an⸗ gestrichen, weil man weder Tiefgeheimnis, noch tiefvoll sagen könne. Mein blutend Herz“ in der Iphigenie hatte ihm ein unwissender Pedant gerügt: es müsse heißen mein blutendes Herz“, denn man sage ja auch nicht „mein schön Haus“. Sich von solchen unschöpferischen Wortklaubern seine Sprache vorschreiben zu lassen, war Goethen freilich nicht zuzumuten. Und wenn das löͤbliche Streben nach Sprachreinheit bon solchen Dummköpfen ausging, so begreift man, daß Goethe, unser großer Sprachreiniger, von ihnen abrückte, ja sie heftig bekämpfte. Hinzu kam sein Widerwille gegen alles, was er in einem mit Heinrich Meyer zusammen ver⸗ faßten Aufsatz als Neudeutsche religios⸗patriotische Kunst“ verwarf: die mit Teutschtümelei gepaarte Hinwendung protestantischer Schrift- stellen zum Katholizismus, das Wiederaufleben der Vorliebe für den gotischen Stil, „die Lust an Ritterromanen und Schauspielen, Tour⸗ nieren, Aufzügen mit dem ganzen gotischen Spitzen⸗ und Schnörkel⸗ wesen, welches bis in die Wohnungen, auf das , und selbst die Kleidung sich erstrecktei. Irrtuͤmlich brachte Goethe mit dieser Richtung die Sprachreiniger zusammen, und so verzerrte sich ihm das Bild dieser von jedem Nebenzwecke freien Bewegung.

Nebenher aber liefen die eifrigsten Bemühungen Goethes, seine eigenen Werke von Fremdwörtern zu säubern. Er schalt auf die , und lernte von ihnen. Goethe machte sich über Campe ustig, schrieb spitzige Verse gegen „die furchtbare Waschfrau, welche die gr ref des Teut säubert mit Lauge und Sand“; dann aber kaufte er sich dessen Wörterbuch der deutschen Sprache für einen Dukaten und spottete: ich bin bemüht, so viel daraus zu lernen, als dieses Goldstück wert ist?“. Es war für ihn viel mehr als ein Dukaten wert, und bald durfte Campe mit Recht entgegnen: Was unsern Glauben, daß die Benennungen Purist usw. keine be⸗ schimpfende, sondern vielmehr eine schmeichelhafte Bedeutung haben müssen, bis zur Gewißheit erhöht, ist die Bemerkung, daß der Herr Geheimrat von Goethe oft selbst kühn und glücklich genug dem Ge⸗ schäfte der Verdeutschung obliegt, daß er statt der unserer Sprache aufgebürdeten Fremdwörter neue deutsche bildet, daß er ferner auch von andern vorgeschlagenen Verdeutschungen einen Platz in seinen Schriften gönnt.“ Campe wies als 3 Anleihen bei den Sprachreinigern nach; Beiwesen für Atzessoria, untergelegte Pferde für Relais, Ueberspringen für alternieren, das fast uͤberkühne Strengling für Rigorist. War ja doch das von Goethe so sehr bewunderte „Gegenständlich' eine Schöpfung Campes für das abgedroschene und mehrdeutige ‚Objektiv. Bisweilen hat man das Gefühl, daß Goethe es Campen um Verdeutschen noch zuvortun wollte, um so recht zu zeigen, daß nur der Dichter der wahre Wort- schöpfer und Sprachmeister sei. Nach Campes Stelldichein für Rendei⸗ vouß bildet Goethe Süßzettelchen für Billet ⸗dour, wandelte beim Umarbeiten seiner Tagebücher und Briefe zur Italienischen Reise z.B. sentiert in gefühlt, Inkonguität in Unschicklichkeit, Aguähukt in Wasser⸗ leitung. Botanik in Pflanzenkunde, sogar eine Antike in: ein Alter⸗ tum. Von Campe entnahm er: -Selbstigkeit und selbstisch für Point d'honneur, egoistisch und Egoismus; bildete selbst; Gespannen, Briefgespräch, Mächler, Geschwindschreiber, Einhelfer, Selbstlernerei, ewig, Irrgarten, umlaufen, bildhauerlich, ausheimisch, Justsiß⸗ geviert, eirund, beidlebig, Zweigesang, Gegenbilder, Zwischenreich, Auflebung statt: Kameraden, Korrespondenz, Fäseur, Stenograph, Souffleur, Autodidaktentum, absolut, Labyrinth, zirkulieren, plastisch, exotisch, Villa, guadratisch, oval, Amphibium, Duett, Pendants, Interregnum, Renaissance.

Goethe wechselt zwischen Kurort und Dellort; ja hier und da sucht er durch die Tat zu beweisen, daß er so gut wie garkeine Fremd⸗ wörter benötige. Die scheinbar unersetzlichen Fremdlinge Original, Prozeß, Disziplin, Generation, Trophäen, Vivat, Indifferenz werden gut deutsch wiedergegeben mit: Urbild, Rechtshandel, Mannszucht, Zeitgeschlecht, Kampfgewinnste, Leberuf, Unteilnahme. Ja, selbst solche Fremdwörter, die von deren grundsätzlichen heutigen Gegnern zumeist noch einstweilen geduldet werden, berwirft der überstrenge Purist Goethe: statt Praxis schreibt er Ausübung, statt Harmonie Üebereinstimmung, aus dem Rationalisten macht er einen Menschen verständler. Aber schon früher hatte er * aus Vichencha nach Weimar geschrieben: „er möchte einen schnellen Lauf (Kursus) der Architektur machen“; noch früher beim Umarbeiten des Werther“ geändert: Dis⸗ kurs, Employieren, Demission, i ., in: unterreden, sich einem Geschãft widmen, Entlassung, Erlaubnis. Und in „Dichtung und Wahrheit“ verdeutscht er die Gesandtschaftsattachés in Gesandschafts- untergeordnete.

Bis in die letzten Lebensjahre beschäftigte Goethen das Ausmerzen der Fremdwörter. Im Kreise der Mutter Schopenhauerg in Weimar beteiligte er sich eifrig an der geselligen Arbeit guten Verdeutschens der Fremdlinge, schlug z. B. „in der Schwebe sein / für „Balancieren?“ vor. Zu Eckermann klagte er: ‚Was sollen erst Engländer und Franzosen von der Sprache unserer Philosophen denken, wenn wir Deutschen sie selber nicht verstehen und tadelte aufs schärfste das Fremdwort Komposition für künstlerische Leistungen: „Gin ganz niederträchtiges Wort, das wir den Franzosen verdanken und dag wir sobald als möglich wieder loszuwerden suchen sollten. Wie kann man sagen, Mozart habe „Don Juan komponiert? Als ob

es ein Stück Ruchen oder Biskult wäre, daz man aus Eiern, Mehl und Zucker