K
würden. Die britische Regierung habe vernommen, daß auch anderen Regierungen diese Mitteilung gemacht worden sei. Bie von Frank— reich unternommene Aktion ziele nicht darauf ab, den polltischen Status von Marokko zu ändern. Die britische Regierung könne daher nicht sehen, warum irgend ein Einwand gegen sie erhoben werden sollte.
Sodann fragte Dillon, ob Sir Edward Grey dem Hause die Bedingungen der der persischen Regierung durch die Imperial Bank of Persia angebotenen britischen Anleihe und ebenso den etwa hierüber zwischen der britischen und der persischen Regierung gepflogenen Schriftwechsel vorlegen werde, und ob der hritische Vertreter in Teheran irgend einen Druck auf die persische Re⸗ gierung ausgeübt habe, um diesem Anleiheangebot den Vorzug vor anderen Angeboten zu geben. Hierauf erwiderte Sir Edward Grey: was die beiden ersten Fragen anbelange, so würde die Verhandlung über die Anleihe lediglich zwischen der persischen Re⸗— gierung und der Imperial Bank of Persia ohne irgend eine Mit— wirkung der britischen Regierung geführt. Den letzten Teil der Frage beantwortete er dahin, daß der britische Gesandte in Teheran berichte, daß er zu keiner Zeit auf die persische Regierung einen Druck aus— geülbt habe, das Anleiheangebot der Imperial Bank vor anderen An ⸗ geboten anzunehmen, oder daß er seinen Einfluß in dieser Richtung geltend gemacht habe, daß er aber die persische Regierung habe wissen lassen, daß Großbritannien keinen Plan unterstützen konne, der die Interessen der Imperial Bank schädigen würde. .
Dillon fragte ferner, ob Sir Edward Greys Aufmerksamkeit auf die Erklärung des persischen Ministers des Aeußern gelenkt worden sei, daß die britische Expedition im persischen Golf nicht unternommen werden sei auf Grund einer Vereinbarung mit Persien und daß sie sich nur auf ein Vorgehen zur See beschränken werde. Zweitens, ob es beabsichtigt sei, daß die Expedition an zwei Punkten der persischen Küste landen und milktärische Operationen in das Innere des Landes unternehmen solle. Sir Edward Grey erwiderte, die Expedition sei unternommen worden im Verfolg einer von der persischen Regierung vor einigen Jahren gegebenen Ermächtigung für britische Schiffe, die Polizei in den persischen Gewässern auszuüben, um den ungesetzlichen Waffenschmuggel zu unterdrücken. Er beabsichtige nicht, die Akten über diesen Gegenstand zu veröffentlichen. Auch könne er nicht daran denken, den Operationsplan bekannt zu geben. Er stelle jedoch fest, daß es nur beabsichtigt sei, Mannschaften zu landen, wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte. Die persische Regierung sei von der Expedition in Kenntnis gesetzt worden. Auf die Frage Dillons, ob die Vereinbarung mit Persien eine Erlaubnis zur Landung von Truppen zu einer Exppedstion ins Innere ein— schlösse, erwiderte Grey daß die Frage der Landung von Truppen in der ursprünglichen Vereinbarung nicht enthalten sei, daß es aber für die britische Regierung ganz unmöglich sei, sich diesem ausgedehnten Waffenschmuggel gegenüber, der im persischen Golf stattfinde, voll⸗ kommen untätig zu verhalten.
Frankreich. In der gestrigen Sitzung des Ministerrats teilte der Minister des Aeußern Cruppi, „W. T. B.“ zufolge, mit, daß er weder aus Fes noch von dem Major Brémond Meldungen
erhalten habe. Rußland.
Die ReichsLduma hat gestern die Ar beiten wieder auf— genommen und ist in die Beratung des vom Handelsminister eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Arbeiterunfall— versicherung, eingetreten.
Wie . W. T. B.“ meldet, wies der Referent Baron Tiesen⸗ hausen darauf kin, daß alle Mitglieder der Dumakommission für Eingreifen des Staats in die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit seien. Die Regierung sei jetzt entschlossen, die in den west— lichen Staaten, besonders in Deutschland, erprobten Maßregeln durch= zuführen. Die Vorlage sei für Rußland bedeutungsvoll und müsse auf den weiteren Entwicklungsgang des russischen Staatsgedankens ein— wirken. Als Redner traten meist Sozialdemokraten auf. Der Abg. Pokrowski erklärte, die Sozialdemokraten seien für die Versicherung, doch müßten die Kosten der Vorlage durch Besteuerung der Arbeikh— geber aufgebracht werden; der Arbeitslohn, das Existenzminimum, dürfe nicht geschmälert werden. Da die Vorlage die Versicherung den Arbeitgebern übertrage, würden die Sozialdemokraten dagegen stimmen. Der Kadett Stepanoff meinte, die Vorlage lasse zuviel Ein— mischungen der Lokalverwaltung zu und weise zu wenig Staatshilfe auf. Außerdem hahe die Dumakommission die Regierungsvorlage entgegen den Interessen der Arbeiter umgearbeitet.
Türkei.
Infolge der Kämpfe bei Moikovatz zwischen Monte— negrinern und türkischen Truppen sind zwei Bataillone Reservisten, vier Nizambataillone, eine Maschinengewehrabteilung und eine Gebirgsbatterie nach Gronia dirigiert worden.
Serbien.
Die Skupschtina, die zu einer außerordentlichen Session einberufen ist, hat gestern, wie ‚W. T. B.“ meldet, den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Erteilung der Konzession zur Erbauung einer hydroelektrischen Zentrale van 120 0090 Pferdekräften an— genommen, die den Hafen von Antivari mit Elektrizität zu Industriezwecken versorgen soll.
Amerika.
In Gegenwart des Präsidenten Taft wurden, „W. T. B.“ zufolge, gestern im Kabinett verschiedene Entwürfe eines englisch⸗amerikanischen Schieds erichts vertrages besprochen und über die Lage in Mexiko, die nach den an den Präsidenten gelangten Berichten wenig befriedigend ist, beraten.
Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus No⸗ gales (Arizona) zufolge haben die Rebellen die Bundestruppen in einem Treffen bei Magdalena aufgerieben.
Der amerikanische Botschafter und ein Mitglied der deutschen Gesandtschaft in Mexiko haben sich gestern auf das Auswärtige Amt begeben und die Beschützung der Amerikaner und Deutschen in Cuernavaca gefordert, das durch einen An— griff der Aufständischen bedroht sei. Das Kriegsministerium befahl, obiger Quelle zufolge, das Abrücken von Verstärkungen nach Cuernavaca einschließlich eines Bataillons Infanterie und einer Kompagnie Artillerie mit Maschinengewehren. Das Aus— wärtige Amt erklärte, es bestehe kein Anlaß zur Beunruhigung.
Asien.
Das persische Parlament hat gestern nach längerer Debatte die englische Bankanleihe angenommen. Nach Meldungen des „W. T. B.“ übte die Opposition an jedem einzelnen Artikel des Vertrages heftige Kritik. Das Programm über die Verwendung der Anleihe wird dem Hause später unterbreitet werden. Ein Vorschlag Walid el Mulks, daß das PVrogramm unter Mitwirkung der amerikanischen Finanzbeiräte, die binnen kurzem in Teheran eintreffen, aufgestellt werden möchte, wurde vom Finanzminister zurückgewiesen, der darauf hinwies, daß zur Kontrollkommission, die gebildet werde, elsische Beiräte gehören würden, die durchaus sachverständig eien.
Der neue Generalgouverneur der Mandschurei hat, der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ zufolge, einen Plan für seine Tätigkeit aufgestellt, worin er die Vernichtung
der Tschungusen, um Rußland diesen Anlaß zur Einführung neuer Truppen zu nehmen, den Schutz der Rechte Chinas gegen⸗ über Rußland und Japan und die Kolonisierung der Nord— mandschurei ins Auge faßt.
— Wie „W. T. B.“ aus Hongkong meldet, haben die Aufständischen gestern in Fa⸗tschan vier Yamen nieder—
gebrannt. Afrika.
In Tanger eingetroffene Briefe aus Alkassar, die vorgestern abgesandt worden sind, melden, dem „Reuterschen Bureau“ zu— folge, daß die eingeborenen Soldaten jenes Distrikts, die unter französischen Instrukteuren stehen, gemeutert haben, desertiert sind und sich weigern, unter den Franzosen Dienst zu tun. Die Nachricht, daß französische Truppen von Casablanca und Rabat nach Fes aufgebrochen sind, hat alle Stämme im Gharbgebiet in Aufregung versetzt. Die Stämme verkünden den heiligen Krieg. Wie ferner aus Alkassar gemeldet wird, hat ein Teil der Chlotleute sich gegen Raisuli empört und seinen Kaid abgesetzt. .
Koloniales.
. Die in den Tagesblättern verbreitete Nachricht von einem Eingeborenenaufstand in der Bimba-Gegend in Süd— kamerun ist, wie W. T. B.“ mitteilt, amtlich bisher nicht bestätigt worden. Dem Reichskolonialamt liegt lediglich ein kurzer Bericht des Gouvernements vor, der auf einem Telegramm der Station Dume vom 16. März d. J. beruht. Danach ist der Leiter des Dumebezirks am 9. Februar auf Hilferuf des Kauf⸗ manns Greve von der Firma Pagenstecher nach Betugge im Norden des Bezirks gerückt, wo anscheinend die Haltung der Eingeborenen unsicher geworden war. Der Häuptling Betugge und zwei Helfershelfer sind festgenommen und zu 15, 3 und 7 Jahren Kettenhaft, verurteilt worden. Der Bezirks— leiter ist am 20. Februar wieder nach Dume zurückgekehrt und betrachtet die politische Lage im Bezirke zurzeit der ger b des Telegramms als ruhig. Auch der Gouverneur, der in⸗ zwischen den Südbezirk bereist hat, hat in einem Telegramm vom 18. März die Lage im Süden des Schutzgebiets als ruhig bezeichnet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die jüngsten Privat⸗ meldungen auf Gerüchte zurückzuführen sind, die mit dem ge⸗ schilderten Vorgang im Zusammenhange stehen.
Die Eröffnung der Manengubabahn im Schutzgebiet ; Kamerun.
Nach einem Telegramm des Gouverneurs von Kamerun ist die feierliche Eröffnung der Manengubabahn für den 25. Mal in Aussicht genommen.
Im Jahre 1905 hatte sich die Kamerun-Eisenbahngesellschaft mit einem Grundkapital von 16640 000 S6 zum Bau einer Eisenbahn von Duala nach den Manengubabergen gebildet. Das Grundkapital ist in 166 409 Anteile über je 100 „ eingeteilt, von denen die An— teile Nr. I bis 55 400 die Beieichnung „Vorzugsanteile, Reihe A' und die Anteile Nr. 56 401 bis 166 4650 die Bezeichnung Stamm- anteile, Reihe B' tragen. Die Genehmigung des Baues durch den Reichstag erfolgte am 27. März 1906. ß Grund der der Gesell— schaft erteilten, auf 90 Jahre bemessenen Bau und Betriebskonzession wurde durch Gesetz vom 4. Mai 1906 den Inhabein der Stamm anteile, Reibe B, eine Garantie des Reichs bewilligt. Das Reich zahlt den Inhabern am 1. Juli jedes Jahres bis zur völligen Tilgung dieser Anteile: a. vom ersten Geschäftejahr an einen jährlichen Zins von 3 0so des eingezablten Anteilskapitals vom Tage der Einzahlung an, erstmalg am 1. Juli 1907, b. vom fünften Gefchäftsjahr an den um 20 0ͤ erhöhten Nennbetrag der jeweiligen gelosten und als solche abzustempelnden Anteilscheine, erstmals am 1. Juli 1911.
Im Anschluß an die gegen Ende des Jahres 1905 veranstalteten generellen Erkundungen wurde im Dezember 1905 mit den aus— führlichen Vorarbeiten und einige Monate später dann mit dem Bau begonnen. Die Bahn nimmt ihren Anfang in Bonaberi, einem Duala an der rechten Seite des Kamerunflusses gegenüberliegenden Platze. Sie durchquert die Mangrovenwälder an der Küste, weiter den Urwaldgürtel und endigt in km 160 bei Nkong samba. Die Spurweite der Bahn beträgt 1 m. Der Bau war infolge der Durchquerung der Sümpfe an' der Küste, der Ueberbrückung mehrerer größerer Flüsse und der ungünstigen Bodengestaltung am Rande der Manengubaberge teilweise mit großen Schwierigkeiten verhunden. Auf weiten Strecken wechfeln tiefe Ein— schnitte und hohe Dämme miteinander ab. Die wirtschaftliche Be⸗ dentung der Bahn liegt in der Durchquerung des Urwaldgürtels und in der Erschließung des dahinter liegenden, jum Bau. von Baumwolle, Tabak, Reis usw. geeigneten Ge— bietes. Der strategische und politische Wert der Bahn ist ebenso boch wie ihr wirtschaftlicher einzuschätzen. — Der Betrieb wird von der Erbguerin, der Deutschen Kolonial Eisenbahn⸗-Bau, und Betriebs- gesellschaft, für Rechnung der Kamerun. Eisenbahngeselsschaft gefübrt. Das Reich ist an etwaigem Gewinn beteiligt und hat sich das Er⸗ werbungsrecht an der Bahn gesichert. (Deutsches Kolonialblatt.)
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (165.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück bei⸗ wohnte, wurde die erste Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend ö. Aufhebung des Hilfskassengesetzes von 1876, fort⸗ gesetzt.
Vor Beginn der Verhandlungen erbat und erhielt der Erste Vizepräsident Dr. Spahn die Ermächtigung, Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zu seinem Geburtstage die Glückwünsche des Reichstags darzubringen.
Atg. Graf von Westarp (dkons.): Die Frage der Verhaltnisse der Hilfskassen zur Krankenversicherung scheidet ja setzt aus, nachdem in dieser Beziehung die Reichsversicherungs ordnung besondere Be— stimmungen getroffen hat. Die Gründe für die Aufhebung des Ge⸗ sezes von 18765 halten wir für durchschlagend und das Materlal, das über Schwindelkassen beigebracht ist, für vollständig über— leugend. Außer den praktischen sprechen auch prinzipielle Er— wägungen dafür, die Pripatversicherungspereine, die sich mit der Trankenversicherung befassen, dem Gesetz, betreffend die Be⸗ aufsichtigung der yer ern zu unterstellen. Es wird aber zu prüfen sein, ob das diekretionäre Ermessen der Aufsichtebebörde noch etwas weiter einzuschränken wäre, als der Entwurf es vorsieht. Auch wird zurüchjugreifen sein auf eine früher abgegebene Erklärung, daß das Aufsichtamt von den Kasfen nicht verlangen kann, daß sie die Beiträge nach dem Alter abstufen. Wir stehen der Vorlage im allgemeinen durchaus sympathisch gegenüber, halten Kommissionsberatung für geboten und beantragen, 6 der 16. Kommission für die Reichs versicherungsordnung ju überwweisen.
Stadthagen (Soz.): Die beiden Vorredner haben er ft e auf. die Wünsche der Arbeiter nicht , Rücksicht genommen, höchstens daß ihnen die Mitglieder des deutsch⸗ nationalen Handlungsgehilfenverbandes ein gewisses Interesse ein. flößen. Nicht eine einzige Schwindelkaffe wird durch die Auf⸗ hebung des Hilfskassengesetzes und durch diefen Gesetzentwurf be⸗ seitigt werden. Es ist doch höchst charakteristisch, daß in dem ganzen Hamburg keine Schwindelkasse existiert; fowie man aber über die preußische Grenze kommt, findet man schon in Altong Schwindelkassen. Diese zeichnen sich durch besonders patrio⸗ tische Namen und Titel aus, wie „Königin Lutfen, Patria“ usw.; es fehlt nur noch eine ‚Reichsverbandia—'. Gerade dse Organe der Arbeiterklassen haben vor den Schwindelkassen gewarnt; diese Warnungen haben die Regierung zum Einschreiten veranlaßt, und ihrem Wesen getreu will sie nun die Schwindelkassen aus der Welt schaffen, indem sie alle Vereinigungen, die sich die Arbeiterschaft
aus eigener Kraft geschaffen hat, unterschiedloz in einen Topf
wirft und ihnen den Schutz des Hilfskassengesetzes entziehen wil. Die Konservatipen und das Zenttum hahen es auch abgelehnt, daß die Regierung sür die Zulassung von Schwindelkassen verantwortlich und haftbar gemacht wird. Der fetzige G.. G. ist geradezu eine Prämiierung für neue Schwindeleien. Wer die Geschichte des Kassenweseng kennt, weiß, daß schon bei der Beratung der G. D. von den Arbeitern geklagt wurde, daß die Konzession der Regierung als Aushängeschild für schwindelhafte Unternehmungen benutzt würde. er Entwurf läuft schließlich darauf hinaus, den Ar— beitern unter dem Vorwande, Schwindelkassen zu unterdrücken, den letzten Rest der Selbstverwaltung zu nehmen, wie es bei den Ortskrankenfassen geschehen ist. Man will in den Zustand zurück, den wir 1869 in Preußen, gehabt haben, einen Zustand, den Zentrum abgeordnete wie Reichensperger und Moufang betämpft haben, daß die Arheiter verhindert werden, ohne behördliche Genehmigung solche Hilfskassen ins Leben zu rufen. Die Arbeiter werden dem die kretionären Ermessen, der reinen Willkür der Behörden preis— gegeben. Das Gesetz hat lediglich eine parteipolitische Tendenz, wie die frühere ähnliche Vorlage auch, es richtet sich gegen die sozialdemokrgtischen Gewerkschaften. Die Bestimmung, daß die Konzession aus Zweckmäßigkeitsgründen verweigert werden kann, wird zweifellos gegen die Arbeiter gebraucht werden. Zu den scharf— macherischen Mitgliedern des Aufsichtsamts können die Arbeiter kein Vertrauen haben.
(Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (65.) Sitzung des Hauses der Ab— geordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft 2e. Dr. Freiherr von Schorlem er beiwohnte, fand zunächst die Ver⸗ n,. des am 21. März 1911 zum Mitgliede der Staatsschul den⸗ kommissiPn, gewählten Abg. Aronsohn (forischr. Volksp.) in der Weise statt, daß diefer auf die Frage des Präsidenten die Erklärung abgab, daß er sich auf den von ihm auf die
zerfassung geleisteten Eid hin für verpflichtet erachtet, die , als Mitglied der Staatsschuldenkommission aus⸗ zuüben.
In einmaliger Beratung des 62. Berichts der Staats— schuldenkommission über die Verwaltung des , ,. chuldenwesens wurde ohne Debatte Entlastung erteilt.
Dann folgte die erste Beratung des Entwurfs eines Aus führungsgesetzes zum Reichsviehseuchengesetze. Zur Begründung des Gesetzentwurfs nahm der Minister für Landwirtschaft 2c. Dr. Freiherr von Schorlemer das . dessen Rede morgen im Wortlaute wiedergegeben werden wird.
(Schluß des Blattes.)
Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Entlastung des Ober“ verwaltungsgerichts, nebst Begründung zugegangen. Der Gesetzentwurf lautet, wie folgt:
Artikel JI.
Hinter 8 94 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesetzsamml. S. 195) wird folgender 5 842 eingeschaltet:
§5 94a.
In Streitigkeiten über Geldleistungen, die für Zwecke der Ge— meinden und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften oder Verbände entweder in der Form von Zuschlägen zu stagtlichen und staatlich ver— anlagten Steuern oder auf Grund besonderer Steuerordnungen, Ab⸗ gahentarife, Gebührentaxen, Statuten und sonstiger eine Heran⸗ ziehung allgemeiner Art in sich schließender Beschsüsse oder auf Grund von Observanzen angefordert werden, ist die Zulässigkeit der Revision durch einen fünfhundert Mark übersteigenden Beschwerde⸗ gegenstand bedingt.
Durch vorstehende Vorschrift wird das Recht des Vorsitzenden des Bezirksausschusses, aus Gründen des öffentlichen Interesses das Rechtsmittel der Revision einzulegen, nicht beschränkt.
Ueber die Zulässigkeit der Revision (Abf. I) hat das Gericht, welches in erster Instanz entschieden hat, zu befinden. Auf das Ver⸗ fahren finden die Vorschriften des 5 86 Abs. 4 entsprechende An—=
wendung. 21 Artikel II.
Das Staatsministerium wird ermächtigt, für die Zeit bis längstens zum J. Oktober 1914 Hilfgrichter aus der Zahl der er— nannten Mitglieder der Bezirlsausschüsse oder aus der Zahl der Mitglieder der ordentlichen Gerichte dem Oberveiwaltungsgerichte zum Zweck der Erledigung seiner Geschäfte zuzuweisen. Die Hilf⸗ richter baben während der Dauer ihrer Zuwessung in bezug auf die Teilnahme an der Rechtsprechung dieselben Rechke und Pffichten wie die ordentlichen Mitglieder, dürfen aber in keinem Falle die Mehrheit des Kollegiums bilden und an der Entscheidung über Disziplinarsachen nicht teilnehmen. Die Zuwelsung der einzelnen Hilferichter ist unwiderruflich, solange deren Tätigkeit erforderlich ist. Das Präsidium des Oberberwaltungsgerichts hat über die Verwendung der Hilfsrichter zu beschließen und wird insbesondere ermächtigt, bis zu dem bezeichneten Zeitpunkte Hilfssenate einzurichten. Der Vorsitz in den Hilfesenaten ist ordentlichen Mit- gliedern des Oberverwaltungsgerichts zu übertragen.
Artikel III.
Dieseg Gesetz tritt am 1. Juli 1911 in Kraft.
In Ansehung der Revision gegen die Entscheidungen der Bezirka— ausschüsse, die verkündet oder zugestellt sind, bevor dieses Gesetz in Kraft getreten ist, finden die bleherigen Vorschriften Anwendung.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die staatlich veranlagte Gebäudesteuer in Preußen 1m Sehr 1910.
Gemäß den S§ 1 und 30 des Gesetzes über die Aufhebung direkter Stgatssteuern vom 14 Juli 1893 wird die Gebäudesteuer seit dem 1. April 1895 für die Stagtskasse nicht mehr erhoben. Nach sz 3 dieses Gesetzes ist aber die Veranlagung und Verwaltung der Gebäudesteuer, ebenso wie die der Grund⸗ und der Gewerbesteuer, unter Aufrechterbaltung der bestehenden gesetzlichen Einrschtungen vom Staate für die Zwecke der kommunalen Besseuerung auszuführen. In einer tabellarischen Uebersicht der Stat. Korr.“ sind die Ergebnssse der staatlichen Gebäudesteuerveranlagung für das Jahr 1910 jusammengestellt und mit denen für das Jahr 18965 verglichen.
Danach betrug in ö (mit Ausnahme der Hohenzollernschen
e) 1910 die Zahl der steuerpflichtigen Gebäude zum hö Jahre 1895 4 31,40 ) und auf, dem Lande 3009615 . 12,71 09), im ganzen Staate mithin 4341 313 (4 17385 0), derjenigen zu gewerblichen Zwecken 786 376 (4 42/45 69) und 575 018 (4 69,40 *), im ganzen Staate 1361 394 (4 52.710; 0, die Gefamtzahl der steuerpflichtigen Gebäude in den Städten 2118 074 (4 365,30 Cο) und auf dem Lande 3584 633 * 19, 10 , im ganzen Staa te 5 703 707 (4 2454 oh. Es ist alfg für 1919 auf dem Lande die Zahl der vorzugt⸗ weise zum Bewohnen bestimmten, mit 4 v. H. des Nutzungswerkes veranlagten Gebäude größer, die der ausschließlich oder Sorzugsweise zum Gewerbebetriebe dienenden, mit 2 v. H. veranlagten steuer⸗ pflichtigen Gebäude dagegen kleiner als in den Städten. Nach dem FJahresbetrage der veranlagten Gebäude steuer überwiegen aber in beiden Steuergruppen dle städtischen Gemeinden, und zwar bei den Wohnhäusern mit mehr als dem 3 fachen, bei den gewerblichen Gebäuden sogar mit dem 43 fachen der entsprechenden Veran⸗ lagungssumme in den Landgemeinden. Es stellte sich nämlich 1910 der Jahresbetrag der Gebäudesteuer bei den vorzugsweise zum Be— wohnen bestimmten, also mit 4 vom Hundert des Nutzungs⸗— wertes veranlagten Gebäuden in den Städten auf 66 191 127 die Junahme seit 18h auf - S6, 4 ) und auf dem Lande uf 21 076 748 ½6 (4 73,09 960), im ganzen Staate mithin auf 87 267 8759 S (4 83,29 ), bei den ausschließlich oder vorzugs—⸗ weise zum Gewerbebetriebe dienenden, mit 2. vom Hundert des Nutzungswertes, veranlagten steuerpflichtigen Gebäuden in den Städten auf 8 173 462 C I78, 66 / Q und auf dem Lande auf 1743 936 ½ ( 141,370 ⸗/9, im ganzen Staate auf 9917 397 M (4 171,29 υ P), bei den beiden Arten der steuer⸗ pflichtigen Gebäude zusammen in den Städten auf 74 364 589 4 (4 93,7700) und auf dem Lan de auf 22 820 683 ½ (4 76,91 ol ), im gan zen Staate somit auf 97 185 272 M (4 89,53 o/o. Die Zahl der steuerfreien Gebäude betrug 1910 in den Städten 406 686 (die Zunahme seit 1895: 44 8,97 5/9) und auf dem Lande 4305280 C 12,44 0,ά–), imganzen Staate 4709 966 (4 12,130. Zu mehr als neun Zehnteln befinden sich also die steuerfreien Gebäude auf dem platten Lande. .
Während die Grundsteuer auf seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unveränderter Kontingentierung beruht und von Jahr zu Jabr nur geringen Veränderungen unterworfen ist, vermehrt sich die Gebäudesteuer . von Neubauten und infolge des im all⸗ gemeinen steigenden Nutzungswertes alljährlich recht ansehnlich. Um den letzteren in ausreichendem Maße bei der Gegenwart zu erhalten, werden die Gebäudesteuerrollen regelmäßig alle 15 Jahre einer Re⸗ vision unterworfen und der jährliche Mietwert auf Grund durchschnitt— licher Mietpreise eines rückwärts liegen den zehnjährigen Zeitraums neu fest⸗ gestellt. Die letzte, seit Bestehen des Gebäudesteuergesetzes dritte Revision ist in den letztvergangenen Jahren ausgeführt und zum 1. Januar 1910 in Wirksamkeit gesetzt worden. Stellt man die Ergebnisse der beiden Jahre 1895 und 1510, also der Veranlagungsjahre nach der der vorletzten und nach der letzten Revision, gegenüber, so haben in den letzten 15 Jahren beide Kategorien von steuerpflichtigen Gebäuden sowohl in den Städten wie auf dem Lande einen Zu— wachs erfahren. Am stärksten war dieser mit mehr als zwei Dritteln bei den gewerblichen Gebäuden des platten Landes, am geringsten mit nur einem Achtel bei den Wohngebäuden des ,. Gebiets. Im ganzen Staate haben sich die gewerblichen Gebäude etwa dreimal so stark vermehrt wie die zum Bewohnen bestimmten.
Bei dem Jahresbetrag der veranlagten Gebäudesteuer war die Zunahme weit beträchtlicher als bei der Zahl der Gebäude; dieser Umstand ist auf die Ausführung besonders großer Neubauten, vor allem aber auf den in den vergangenen drei Jahrfünften ge⸗ stiegenen Nutzungswert der bestehenden Gebäude zurückzuführen. Am wenigsten sind auch hier ihrem veranlagten Steuerbetrage nach die Wohngebäude des platten Landes, an, stärksten dagegen, nämlich auf das 24 fache, die gewerblichen Gebäude der Städte gestiegen. Im ganzen Staate beläuft sich die Zunahme des Steuerbetrages der ge— werblichen Gebäude auf mehr als das Doppelte von der der Wo gebäude. Die steuerfreien Gebäude haben verhältnismäßig schwächer zugenommen als die steuerpflichtigen.
Nach Landesteilen geordnet, wurden bei der Veranlagung zur Gebäudesteuer für das Jahr 1910 ermittelt: mit einem jährlichen steuer⸗ steuer⸗ Gebäude jährlichen in der Previn; freie pflichtige ö steuer⸗ . ' utzungs⸗ teuer Gebaude wert von .. M von .. M Ostpreußen .... 329 406 274 300 71 470140 2 655 785 Westpreußen ... 208 537 220 446 62 096 875 2 266 513 Stadtkreis Berlin 2177 58 614 444410 315 15 604981 Brandenburg.. 486 520 570 627 358 220 273 13498734 Pommern.... 238 597 263 339 78 gSd 500 2 865 917 361 336 283 697 68 380 325 2470015 680 205 699 057 235 032 385 8 477 980 574 599 603 208 169 950 870 6198278
volstein .... 133279 302270 112139 970 4134620 Hannover.... 373 7566 492755 156 595 405 5 701167 Westfalen ... . 26553 044 524 025 212 203 415 71649479 Dessen⸗Nassau .. 338 829 364 651 197 650 860 72230 342 Rheinprovinz. . 729 681 1945718 510431 359 18 431 461
im Staate . 4709 966 5702707 2677566 698 97 185 272.
Der größte Bestand an steuerpflichtigen wie an steuerfreien Gebäuden entfällt hiernach auf die Rheinprovinz, die allerkings auch ihrer Einwohnerzahl nach die erste Stelle unter den preußischen Provinzen einnimmt; an steuenrpflichtigen Gebäuden besitzen die Rhein⸗ lande fast den fünften, an steuerfreien mehr als den siebenten Teil der entsprechenden Staatssummen. Die geringste Zahl besteuerter Hausgrundstücke besitzt infolge seiner großen und hohen Gebäude der Stadtkreis Berlin, obwohl noch vier Landesteile eine geringere Esn⸗ wohnerzahl haben. Nach dem Gebäudesteuer⸗Nutzungswerte sowohl wie nach der davon mit 4 und 2 v. H. erhobenen jährlichen Ge— bäude steuer steht die Rheinprovinz mit nahezu einem Fünftel der betreffenden Staatssummen ebenfalls an erster Stelle; doch t dann in nicht zu, großem Abstande Berlin mit fast einem Sechstel. Die geringste Gebäudesteuersumme ist in den Probinzen Westpreußen und Posen veranlagt.
Was den durchschnittlichen rl rd fr ner mr n f wert der steuerpflichtigen Gebäude betrifft, so belief er sich 1910 auf ... 4
mit einer
in den . Städten 3
in der Provinz: für für 9 Wohn gewerbl. Wohn gewerbl. *, .
Gebaude Gebaͤude
1155, 1 240,3 98, 81,5 283,5 1765, Westpreußen ... 889,1 305,9 109,8 116,5 296,1 232,1 Stadtkreis Berlin 9385,A,2 4755,ů7 — — 9385,2 4755,ů7 Brandenburg. . . 1652.2 237,5 402,7 20034 24,9 222, 8 803, 248,1 130,6 88,4 338,7 199,7 704,§8 237,3 91,0 115,3 251,9 204,4 1234,85 479, 142.6 146,4 347,5 296,4 647,6 231,58 137,6 115,4 318,0 183,9
.. 9614 306, 208,7 995 438,5 202,4
Hannober S517 395,65 136.09 1623 325, 287,5 Westfalen 753,9 478,9 245.3 2065, 420,3 351,1 essen Nassau .. 14993 7567 13209 953 554,5 457.3 heinpropvinz. .. 610,5 652, 1is4.3 195, 496, 457,6 im Staate 12425 5ig7 175,1 151,5 502.5 364,2.
Qstpreußen ....
Den a, durchschnittlichen Nutzungswert der W ohngebãu de besitzt unter den städtischen Gebieten der Stadtkreis Berlin mit seinen zahlreichen, Mietskasernen“. Ueber den Staatsdurchschnitt gehen bei diesen Grundstücken ferner noch hinaus Brandenhurg, dessen hohe Durchschnittsziffer sich durch die 6 Berliner Vorstädte erklärt, und Hessen⸗Nassau. Bei den gewerblichen Gebäuden der Stadt⸗ gebiete folgen auf Berlin mit den Staats durchschnitt noch übersteigenden Ziffern Hessen⸗Nassau und die Rheinprovinz. Auch bei den in Land— gemeinden liegenden Wohngebäuden zeigt Brandenburg in seiner hohen Durchschnittsziffer den Einfluß der großen Berliner Vor⸗ orte; doch wird das Landgebiet dieser Provinz bei den gewerblichen Gebäuden noch von Westfalen übertroffen. Bei den Stadt und Land zusammenfassenden Ziffern sind die über den Staatsdurchschnitt hinausgehenden Provinzen die gleichen wie bei den entsprechenden Zahlen für die Stadtgemeinden allein.
. Zur Arbeiterbewegung.
In Groß berlin sind, hiesigen Blättern zufolge, nach den vor— läufigen Ermittlungen etwa gö00 Arbeiter infolge der Maifeier bis tan ausgesperrt worden. Davon entfallen 3000 Arbeiter auf die Holzindustrie, fast eben so viel auf das Baugewerbe und der Rest auf die Metallbranche, das Transportgewerbe, das Maler- Töpfer und andere Gewerbe. In einigen Be— trieben ruht die Arbeit bis Sonnabend.
Wie die „Flensburger Nachrichten! melden, sind auf der Flens⸗ burger Schiffswerft etwa 1100 Arbeiter bis zum 5. Mai ausgesperrt worden, weil sie am 1. Mai gefeiert hatten.
Aus Münster wird der „Köln. Ztg. gemeldet: Der Verband münsterländischer Tertilin du striel ler hat beschlossen, am 5. Mat allen organisierten Arbeitern zu kündigen, falls nicht die Arbeiter in der Weberei Kolck u. Co. in Coesfeld die Arbeit unter den bisherigen Lohnsätzen wieder aufnehmen.
Der Ausstand der Fuhrleute und Ablader in Barmen
(vgl. Nr. 103 d. Bl.) hat sich, der Köln. Ztg. zufolge, auch auf 2 ausgedehnt. Bisher wurde bei bier Firmen die Arbeit eingestellt. . Die Lohnbewegung in den Hafengebieten von Mann— heim und i , nn ist, wie die Frkf. Ztg.“ mitteilt, gestern beendet worden. Nach längeren Verhandlungen zwischen Arheit⸗ gebern und Arbeitern wurde eine Verständigung erzielt. Die Arbeiter, es kommen über 3000 in Betracht, sollten heute die Arbeit wieder aufnehmen. .
265 0009 Streckenleute bei sechs Eisenbahnen in den West— staaten Nordamerikas sind, wie der ‚Frkf.“ Ztg.“ aus New York telegraphiert wird, ausständig.
Kunst und Wissenschaft.
Das Schiff Deutschland', auf dem die deutsche Süd—⸗ polarexpe dition unter der Führung des Oberleutnants G. Filchner am 7. d. M. ihre Ausreise von Bremerhafen antreten wird, ist vollständig ausgerüstet; es wird heute von Hamburg, wo es in den letzten Tagen von Seiner Königlichen Hoheit dem n, Heinrich von Preußen eingehend besichtigt wurde, nach Bremerhafen übergeführt werden. Die Reise gebt von dort über die Azoren nach Buenos Aires, wo der Nachschub der Teilnehmer an Bord gehen und Herr Filchner die Leitung übernehmen wird. Das Schiff hat durch den bei Blom und Voß in Hamburg ausgeführten Umbau 71 Registertons Fassungs⸗ vermögen gewonnen und faßt jetzt 598 Tons Brutto. Es konnten 400 Tons Kohlen verladen werden, die dem Schiff einen sehr großen Aktionsradius verleihen, zumal seine Maschine, die 280 indizierte Pferdekräfte . t, bei Volldampf nur 5, bei halber Fahrt nur 2— 3. Tons Kohlen in 24 Stunden verbraucht. Das Schiff, das zugleich ein 4 Segler ist, wurde auch mit zahlreichen Hilfs⸗ maschinen, mit elektrischem Licht, Dampfwinde, Desttllakions—⸗ apparat und Telefunkengnlage auggerüstet. Die auf 35 Jahre berechneten Lebensmittel, die für die Schiffsreise, die Basisstation und die Schlittenreise bestimmt sind, nehmen 220 Tons ein. Mitgeführt werden ferner je 5h t Petroleum und Benzin, 500 kg Sprengstoff und hH0 fer öffflasche Zur Ausrüstung gehören außer den auf 35 Jahre berechneten Bekleidungsstücken auch 40 lange Transport⸗ schlitten, 160 Paar Skis und eine alpine Ausrüstung. Zur Beförderung der Schlitten werden grönländische Hunde und mandschurische Ponys dienen, die in Buenos Aires an Bord genommen werden. Die eigentliche Schiffsbesatzung beträgt 25 Mann; zu ihnen kommen 10 eigentliche Expeditionsteilnehmer. Mit Ausnahme von 2 Norwegern sind alle Mitreisenden Deutsche. — Hauptforschungsgebiet ist der südöstlich von Süd⸗ amerika gelegene Teil des Südpolargebiets, das Weddellsee⸗ gebiet. Bei früheren Expeditionen ist festgestellt, daß sich auf der pazifischen wie der südatlantischen Seite der antarktischen Landmassen Meeresbuchten befinden, woraus man das Vorhandensein eines tiefeinschneidenden Sundes folgert. Otto Nordenskjöld gab dieser Theorie auf Grund seiner in den Jabren 190204 an der Westseite des Weddellmeeres gesammelten Beob— achtungen die Form: Von der Roßsee zur Weddellsee ziebt sich ein mit Eismassen angefüllter Meeresarm hindurch, der die antarktischen Landmassen in ein Ost⸗ und ein Westantarktika teilt. Man kann die Lösung dieses Problems sowohl von der Roßsee als von der Weddellsee aus versuchen. Die Roßsee, die einen leichteren Zugang bietet, kam für die deutsche Expedition deshalb nicht in Frage, weil sich dort z. Zt. schon eine englische und eine norwegische Expedition (unter Scott und Amundsen) befinden, die freilich nicht die Lösung jenes Problems, sondern die Er—= reichung des Südpols anstreben, und weil eine japanische Expedition der Roßsee zustrebt. Es kam für die Filchnersche Expedition daber nur das Weddellseegebiet in Frage, obwohl dieses noch ziemlich un— bekannt ist und viel ungünstigere Gisverhältnisse bietet. Es kommt vor allem darauf an, daß es dem Kapitän der ‚Deutschland“ gelingt, vor Beginn des Winters soweit vorzudringen, daß die Landung an der Ostseite des Weddellsee gelingt. Nach Meldungen aus Neuseeland und Australien soll der letzte Sommer die Gieperspherie des antarktisch'n Festlandes erheblich geschwächt haben, sodaß die Expedition mit nicht allzu ungünstigen Eisverhältnissen rechnen darf.
Im Neuen Ausstellungssaal deg Kupferstichkabinetts der Königlichen Museen wird an Stelle der Städteansichten am nächsten Mittwoch eine andere Ausstellung eingerichtet mit dem Titel; Die französische Originallithographie von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.
Die Fesellschaft für Erdkunde zu Berlin hält am 6. d. M., Abends 7 Uhr, eine allgemeine Sltzung im großen Saale des Architektenhauses, Wilhelmstraße 92. er Professor Dr, R. Neu hauß wird über Reisen in Deutsch. Neuguinea sprechen. (Mit Lichtbildern und kinematographischen Vorführungen.)
In Norddeutschland waren bisher nur in Rüdersdorf bei Berlin und bei Gagern in der Nähe von Magdeburg sogenannte „Gletschertöpfe“, die Kunde von einer Eiszeit geben, gefunden worden. Jetzt sind, wie der ‚Tägl. Rundschau' aus Halle a. S. emeldet wird, in einem dieser Stadt benachbarten Steinbruch zwei letschertöpfe freigelegt worden, die der Kreis Oschersleben als wichtige Naturdenkmäler zu erwerben beabsichtigt.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Saatenstand und Getreidehandel in Spanien.
Der Kaiserliche Generalkonsul in Barcelona berichtet unterm 25. April d. J.: Die Ueberwinterung der Saaten in Spanien wird im allgemeinen als günstig bezeichnet. Es fehlte nicht an der nötigen Feuchtigkeit des Bodens. Die Witterung war nicht vor— zeitig warm; gegenüber manchen anderen Jahren hat sich das Wachtz— tum vielmehr verzögert. Die in der ersten Hälfte des April ein— getretenen Spätfröste haben nicht soviel Schaden angerichtet, daß das Gesamtergebnis der zukünftigen Getreideernte dadurch erheblich beein—⸗ trächtigt erscheint. Die Bestellung der Frühjahrssaaten konnte unter erwünschten Boden- und , stattfinden. Die Vorräte, namentlich an eizen, sind ansehnlich, die k seit dem Herbst vorigen Jahres gering. Der arkt ist zurzeit wenig belebt. . Die Weizenpreise betrugen auf den maßgebenden kastilischen Märkten für den Doppelzentner: . 144 1g hl old 191 1911 19 191 Valladolid Pes. 26,41 26,27 25,0 25,70 26,70 25,89 25,89 Medina del Campo 26,27 26,27 25,98 25,70 26, 27 26,27 25,89 Arẽbalo „ I6 27 I657 z6 37 Z5,55 35,553 6,56 Is, 5h Rioseco 26,13 265,12 24,83 24,54 2570 25,12 26, 12 Dle Einfuhr von Weizen und Mais war von Oktober 1910 bis Februar 1911 bedeutend. Es wurden eingeführt: . a. Weizen: 1910: 1909: im Oktober z 95008 99 330 , 141 048 115 410 , 147 105 157 189 1911: 1910: 168 423 104410 Februar 145 388 110 609, b. Mais: 1910: 1909: im Oktober 213 132 103 438 None mheeee 144 672 Denen n, 195 384 1911 1910: Januar 152 274 92171 Februar 170831 119 062, c. Gerste und andere Ge⸗ treidearten: 1910: 1909: im Oktober 182 34 Mop nhne,, 15 740 3 268 Ven neee 24158 7351 1911: 1910: Januar 20 252 11461 Februar 95765 24 488.
im Oktober ; 7127 one,, ? 5153 Veen 4314
. 1910: Januar 2566 Februar l 6 682.
Verkehrswesen.
Ueber die Entwicklung der elektrischen Zug förderung und ihre Vorzüge gegenüber dem Dampfbetrieb auf den Eisenbah nen.
Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines neuen preußischen k enthält u. a. auch eine Forderung von 27,330 Millionen Mark zur Einrichtung elektrischer Zugförderung auf den Strecken Magdeburg — Bitterfeld — Leipzig— a a. S. und Laubau = Dittersbach = Königszelt mit den Zweig⸗ trecken Hirschberg i. Schles.— Grünthal, Hirschberg i. Schles.— Schmiedeberg i. Lchies Nele, i. Schles,, Ruhbank — Liebau i. Schles. und Nieder⸗Salzbrunn — Halbstadt, nachdem bereits auf der Teilstrecke , , n dieser neue Betrieb auf Grund des Eisenbahnanleihegesetzes vom 28. Juli 1909 eingerichtet worden ist. Zur Begründung 6. Forderung ist dem Gesetzentwurf eine Denk— schrift beigegeben, der die folgenden Ausführungen von allgemeinem Interesse entnommen seien.
Die elektrische Zugförderung war bis vor einigen Jahren im allge— meinen auf Personenverkehr, mäßige Zuggewichte und Geschwindigkeiten und eng begrenzte Bahngebiete, insbesondere Stadt-, Vorort und Städte⸗ bahnen beschränkt, weil zum Antrieb der Fahrzeuge nur Gleichstrom von niedriger Spannung benutzt werden konnte. Für Fernbahnen und Güterverkehr war sie bei dieser Betriebsweise zu kostspielig. Ihr An—= wendungsgebiet erfuhr eine gewisse Erweiterung durch die Einführung des Drehstroms. Hierbei war es möglich, die Triebfahrzeuge bei hoher Spannung mit elektrischer Leistung zu versorgen und dadurch zu einer Betriebsform zu gelangen, die an die Beschränkung des Gleichstrom—⸗ betriebs nicht gebunden ist. Indes gestattet Drebstrom — abgesehen von den erheblichen Schwierigkeiten der dafür erforderlichen doppelten Fahrleitung — einen wirtschaftlichen Betrieb nur bei wenigen be— stimmten Geschwindigkeiten, was seine Verwendbarkeit sehr einschränkt. Erst in den letzten Jahren ist auf Anregung und unter steter Mit⸗ wirkung der Verwaltung der preußisch-⸗hessischen Staatsbahnen eine neue Betriebsform der elektrischen Zugförderung entwickelt worden, die den Anforderungen des Eisenbahnbetriebes in weitestem Umfange zu genügen vermag, weil sie weder an enge räumliche Grenzen oder mäßige Zuggewichte und Fahrgeschwindigkeiten noch an be— stimmte Geschwindigkeitsstufen und Verkehrsarten gebunden ist und die daher auch, wie unter anderm ihre schon jetzt bedeutende Ver— breitung in verschiedenen Ländern zeigt, allenthalben als im wesent— lichen abschließende Lösung gilt. Sie bedient sich der einfachsten Art des elektrischen Stroms, des sogenannten einphasigen Wechselstroms und gestattet, elektrische Leistung mit sehr hober Spannung und daher in praktisch fast unbegrenzter Größe auf weite Entfernung zu über— tragen und den Triebfahrzeugen durch eine einfache obertrdische Fahr⸗ leitung, ähnlich wie bei Straßenbahnen, zuzuführen. Auch können Triebmaschinen verwandt werden, die sich in vollkommenster Weise den wechselnden Bedingungen des Bahnbetriebs anpassen.
Die elektrische Zugförderung kommt, wie bereits angedeutet wurde, in jwei grundsätzlich verschiedenen Arten vor. Auf Stadt-, Vorort⸗ und Staͤdtebahnen, wo es sich meist um dichten Verkehr bei kleiner Entfernung der Haltepunkte handelt, werden mäßig schwere Züge gefahren, bei denen einzelne oder alle Wagen Triebmaschinen baben, die von dem jeweilig an der Spitze laufenden Wagen aus geregelt werden. Für solche Betriebe ist dlese Anordnung vorteilhaft, weil sie schnelles Ingangsetzen der Züge und damit kurze Zugfolge und Fahr— zeit ermöglicht. le setzt aber voraus, daß alle Fahrzeuge für den elektrischen Betrieb eingerichtet sind, und ist daher bei Fernbahnen, wo Wagen aller Art verkehren, nicht brauchbar. Vielmehr müssen dort die Züge entsprechend der beim Dampfbetrieb üblichen Art der Be—⸗ förderung mit elektrischen Lokomotiven gefahren werden. Beide Be⸗ triebsarten werden in verschiedenen Ländern zum Teil in großem Maß— stab und überall mit günstigem Erfolg angewandt.
Gegenüber dem Dampfbetrieb hat die elektrische 3Zug⸗ förderung eine Relbe von Vorzügen, die teils auf wirtschaft« lichem, teils auf betrieblichem Gebiete liegen.
Als solche sind anzusehen:
Geringereg Gewicht der Antriebseinrichtungen, bezogen auf die Einheit der Leistung. ö
Wesentliche Ersparnlsse an Brennstoff bei dichter Zugfolge, kurzen Abständen der Haltepunkte, schwerem Verkehr und großer Fahr⸗ geschwindlgkeit sowie auf Strecken mit starken und 32 Steigungen.
Die Hö ile, Wasserkräfte und minderwertige Brennstoffe, wie Braunkohlen und Torf, zur Zugförderung nutzbar ju machen.