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die wirtschaftlichen Verbältnisse der Bäcker ein, und es scheine, als ob die unteren Verwaltungsbehörden bei der Durchführung der Ver⸗ ordnung sich dies nicht immer vor Augen hielten. .
Abg. Schefbeck (Zentr. führt Klage darüber, daß die Bäckereien, die von Restaurationen betrieben würden, keinerlei Beschränkungen unterlägen, weil sie Nebenbetriebe seien. Es lägen eine Menge Atteste von Berliner Aerzten und anderen Sachverstaͤndigen vor, daß die in vielen älteren Bäckereien hestehenden Räumlichkeiten nicht gesundheitsschädigend seien. Im Gegenteil dienten die kühleren Räume mehr der Gesundheit, als die der Sonne ausgesetzten. In den größeren Städten Deutschlands seien an diesen Räumen seit Jahren sehr kostspielige Verbesserungen vorgenommen worden, über die sich die Kontrollbeamten in ihren Gutachten anerkennend aus— gesprochen hätten. Auch die Hausbesitzer seien geschädigt; die Bäcker, die ihre ganzen Ersparnisse für das Geschäft bingegeben hätten, könnten größere Aufwendungen . Umbauten nicht tragen. Die Verordnung werde in den verschiedenen Teilen des Reichs ganz perschieden ge— handhabt. Sie entspreche nickt den Worten des Kaisers, daß dem Handwerk geholfen werden muß. Er bitte, die Petitionen wenigstens zur Erwägung zu überweisen.
Abg. Binder (Soz.): Die Interessenten haben sich fortdauernd die größte Mübe gegeben, die Härten und Ungerechtigkeiten, die die Bäckereiverordnung im Gefolge habe, im denkbar schwärzesten Lichte darzustellen. Da wird mit den unglaublichsten Uebertreibungen gearbeitet. Was die Bäckereiverordnung verlangt bezüglich der Lage des Fußbodens der Bäckereien unter dem Straßenniveau, der Größe und Sauberkeit der Arbeitsräume usw., entspricht durchaus den Forterungen, die man im hygienischen Interesse mindestens stellen muß, und keiner der Interessenten hat ein Recht, sich dagegen zu wehren. Wenn aber schon gegen diese Minimal⸗ forderungen derart Sturm gelaufen wird, wenn Dr. Görcke hier von einem scharfen Eingriff in das Eigentumsrecht spricht, so muß man ja auf den Gedanken kommen, daß die Zustände, die die Bäckerei- verordnung bekämpfen will, in Wirklichkeit noch viel schlimmer sind, als man geglaubt hat. Daß billige Rücksicht genommen werden soll, wird auch von der Bäckereiverordnung vorgeschrieben; Ausnahmen darf die Behörde fast von jeder Vorschrift gestatten. Das Volk aber hat ein Recht darauf, daß das Hauptnahrungsmittel, das Brot und das Gebäck, so hergestellt wird, daß die Volksgesundheit nicht Schaden leidet. Daß eine große Anzahl von Bäckereien wahre Brut— stätten für ekelhafte Krankheiten sind, steht seit Jahrzehnten fest. Nicht in einem einzigen Falle, auch nicht in dem von dem Abg. Görcke erwähnten, ist ein rigoroses Vorgehen nachgewiesen worden. Es handelt sich hier um eine ganz unberechtigte Agitation vornehmlich der Hausbesitzer gegen eine hygienisch durchaus notwendige Maßnghme.
Abg. Günther (fortschr. Volksp.): Man kann die gute Absicht der Bäckereiverordnung anerkennen und muß doch wünschen, daß die Durchführung nicht in einer Art von Ueberspannung erfolgt. Die Handhabung liegt den Landesregierungen ob, und die sächsische Re—⸗ gierung ist sicherlich bemüht, auch berechtigte Rücksichtnahme walten zu lassen. Aber die Durchführung geschieht doch vielfach in einer Weise, die die Beteiligten — es handelt sich keineswegs bloß um eine Agitation der Hausbesitzer — schwer benachteiligt, ja in ihrer Existenz gefährdet. Auch zahlreiche Bäckermeister . Haus⸗ besitzer. Es sind mir aus meiner Heimat Beispiele bekannt, daß neusrrichtete Bäckereien, deren Abnahme keinerlei polizeiliche Beanstandung erfahren hatte, nach Erlaß der Verordnung be⸗ züglich des Rauminhalts als zu klein bezeichnet wurden. Gegen die rigorose Durchführung der Bäckereiverordnung haben sich auch meine Parteifreunde Mugdan und Kopsch öffentlich ausgesprochen. Der Kommissionsantrag ist auch von den Vertretern meiner Fraktion gutgeheißen worden; eine Differenz der Anschauungen liegt also bei uns nicht vor. Wir bitten die verbündeten Regierungen, dazu bei⸗ zutragen, daß von den Landesregierungen die Durchführung so gehand— habt wird, daß sie nicht nur den hygienischen, sondern auch den be—⸗ rechtigten wirtschaftlichen Interessen gerecht wird.
Abg. Freiherr von Gamp (Rp.): Wir empfinden über den Gang der Verhandlungen eine besondere Freude. Jahrelang haben wir auf der Rechten allein den Kampf gegen die Verordnung geführt; heute haben uns auch die Herren vom Zentrum und von der Linken unterstützt. Daß die Gesetzgebung hier nicht selbständig vor— gegangen ist, sondern daß der Erlaß der Verordnung dem Bundes⸗ rat überlassen worden ist, halte ich für einen Kardinalfehler. Will man bier eingreifen, so soll der Reichstag und die Gesetz⸗ gebung die Verantwortung übernehmen. Es kommt nun ganz auf die Handhabung der Verordnung an. Die Beschwerden kommen größtenteils aus Preußen. Kein Gewerbezweig war weniger geeignet zu einem solchen Experiment, wie das Bäckereigewerbe. Der Abg. Binder hat die Bestimmungen aus der Verordnung vor⸗ gelesen, die verhältnismäßig harmles sind, die wichtigste aber nicht, daß jede Bäckerei 50 Kubikmeter Luftraum für jede Person baben muß. Das ist eine sehr drückende Bestimmung; will man solche Verordnungen durchführen, so darf es nicht einseitig bezüglich der Bäckereien geschehen. Zum mindesten muß eine ernste Prüfung der Sache durch die Re— gierung erfolgen; der Wunsch der Bäckereiinnungen sollte ernstlich erwogen werden. Die Verordnung hat desbalb eine so tiefe Miß— stimmung erregt, weil sie viele Bäckergesellen verhindert hat, sich selbständig zu machen. Die Bäckereibesitzer müssen doch die böberen Kosten, die durch die Verordnung entstehen, tragen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Konsumenten !) Die Abwälzungstbeorie trifft bei den Bäckern nicht zu. Wir sind stets für eine großzügige Sozial— politik eingetreten; aber gegen diese Art des Vorgehens der Gesetz⸗ macherei haben wir wiederholt die schwersten Bedenken erhoben, und wir freuen uns, daß diese Bedenken jetzt fast von allen Seiten des Hauses geteilt werden.
Abg. Rieseberg (wirtsch. Vgg.): Es ist in der Tat erfreulich, daß die bürgerlichen Parteien die rigorose Ausführung der Bäckerei⸗ verodnung berurteilen. Ich babe nur bedauert, daß die Regierung keinen Vertreter zu dieser Verhandlung entsandt hat; hoffentlich wird sie aber nech an eine Revision der Bäckereiverordnung herantreten. Bisher haben hier drei Vertreter des Bäckereigewerbes gesprochen, und Sie werden sich durch den Augenschein überzeugt haben, daß alle drei an den Folgen schlechter Backstubenluft nicht ge— litten haben. Wir Bäcker sind keineswegs gegen moderne bygienische Einrichtungen. Die Sozialdemokraten haben aber am letzten Ursache, den bürgerlichen Bäckern Vorwürfe zu machen. in Prozeß gegen einen sozialdemokratischen Bäcker in Düsseldorf hat haar⸗ sträubende Zustände zu Tage gebracht. Die Gewerbeinspektoren besitzen kein rechtes Verständnis für das Bäckereigewerhe, sonst würden sie folche Berichte nicht veröffentlichen, wie es geschehen ist. Uns kommt es fo vor, als wenn man von dem Grundsatz ausgeht, es muß etwas geschehen, die Geheimräte müssen etwas ausknobeln; geht das Gewerbe dabei zugrunde, so macht man sich deshalb keine Sorgen. Das sind traurige Zustände, und dagegen müßte sich nicht nur die Bäckerwelt, sondern die ganze nationale Bevölkerung zusammenfinden. Man sollte nicht mit Existenzen spielen, sondern sich bemühen, sie zu erhalten. (Zuruf des Abg. Bebel.) Der Abg. Bebel ist den Beweis für seine Behauptung gegen die Bäcker schuldig geblieben, obwobl er dazu aufgefordert worden ist. Ich wäre ihm dankbar, wenn er diesen Beweis dafür antrãte. (Abg. Bebel: Hier habe ich keinen Grund dazu! Dann hat er um so weniger Anlaß, die Bäcker so in den Schmutz zu ziehen. Die Verordnung ist erlassen worden, obwohl die Regierung darauf aufmerksam gemacht worden ist, daß sie eine große Zahl von Existenzen vernichten würde. Das Bedauerliche ist, daß der Reichstag dabei kein Wort mitzureden hat. Der Reichstag hat doch jedenfalls mehr Fühlung mit den Beteiligten wie die Geheimräte, die dem vraftischen Leben freind een nen und nicht einmal in die Betriebe hinein- gerochen haber. Mißstände wollen auch wir heseitigen, unlautere Glemente ausmerzen und in jeder Weise bestraft wissen. Wir wenden uns nicht gegen Vorschriften gegen Unsauberkeit, sondern gegen Vorschriften, die die persönliche Freiheit des Einzelnen in der Hafamsten Weise knebeln. (Bräsident Dr. Graf von Schwerin; WB witz rügt diesen Ausdruck Die Vorschriften über die Höhe des Kgaumes find befonders rigoros, Unpraktisch und ruinös. Die
Regierung kann hier nur Wandel schaffen durch Aufhebung der rück- wirkenden Kraft, nicht durch Dispense. Die Folgen der Bäckerei⸗ verordnung kännen nur zur Züchtung der Großbäckereien und zur Vernichtung des Kleingewerbes führen.
Abg. Hie een (Zentr.): Ich glaube, daß Reden, wie wir sie soeben gehört haben, nicht geeignet ih dem Bäckereigewerbe Freunde zu erwerben. Daß , . auf diesem Gebiete vorhanden gewesen sind, geben auch die Bäckermeister zu. Ich stamme selbst aus einer Bäckerfamilie und kenne die Verhältnisse sehr gut. Viele Bäcker sagen, Gott sei Dank, ö so gekommen ist, daß das geschehen ist, was wir unserer eigenen Gesundheit schuldig sind. Wir wollen bei der Durchführung der Verordnung freilich jede 6 ver⸗ mieden wissen. Wenn eine Verordnung für das ganze Reich erlassen ist, so können nicht zwei oder drei Einzelfälle einen ausreichenden Grund abgeben, sie wieder aufzuheben oder unwirksam zu machen. Wenn von der Behörde zu scharf vorgegangen wird, so mißbillige ich dies. Auf eine vernünftige Rücksichtnahme sollte man nicht nur hier im Reichstag, sondern auch in den Einzellandtagen hin⸗ wirken. Ich rate, überall, wo sich ein Grund zur Beschwerde findet, den Bäckern zu empfehlen, eine Petition an den Landtag einzureichen. Das wird nicht vergeblich sein. Wir ver- treten nicht nur die Interessen der Bäckergehilfen, sondern der Meister selbst, denn von diesen sind auf dem Lande die meisten Kleinmeister und müssen selbst arbeiten. Der Düsseldorfer Fall bringt gerade den Beweis für die Notwendigkeit der Bäckerei⸗ verordnung. Einzelne Unreinlichkeiten und Unregelmäßigkeiten lassen aber nicht auf das ganze Bäckereigewerbe schließen.
Abg. Kopsch (fortschr. Volksp.); Die Angriffe des Abg. Schefbeck gegen uns entbehren der tatsächlichen Unterlage. Er hat einen Widerspruch konstruiert zwischen dem Verhalten des Abg. Mugdan in der Kommission und unseren Ausführungen in einer großen Bäckerversammlung. Weder der Abg. Mugdan noch ich waren Mitglieder der Petitionskommission. 34 habe in Ver— sammlungen, die allerdings schon Jahre zurückliegen, immer nur eins bedauert, daß nämlich kein Regierungsvertreter anwesend war. Wir haben doch Geheimräte genug. Die Klagen über die Wirkung der Verordnung muß man aß berechtigt anerkennen. Es kann im kleinsten Raum die größte Sauberkeit gepflegt werden und umgekehrt im größten Raume die größte Unsauberkeit herrschen. Die Bürger sind nicht dazu da, daß sie durch einen Wandel der Bestimmungen schwer in ihrem Vermögen geschädigt werden. Wo waren denn der Abg. Rieseberg und seine Freunde bei der Beratung der Tabaksteuer, wo Tausende von Existenzen vernichtet wurden? Wir würden die Petition lieber zur Berücksichtigung als zur Er— wägung überweisen. ;
g Bebel (Soz.): Der Abg. Rieseberg hat sich veranlaßt ge⸗ sehen, auf einen Zuruf von meiner Seite die heftigsten Angriffe gegen meine er n zu richten. Ich rief dazwischen, daß bei der Steuer. gesetzgebung eine Unzahl von Existenzen ruiniert seien. Darauf warf er mir vor, daß ich unmotivierte Angriffe gegen das Bäckereigewerbe veröffentlicht und es diskreditiert hätte, und daß ich mich nicht ver— anlaßt gesehen hätte, auf Aufforderung für meine Behauptungen ein zutreten. Er kann dabei nur die Broschüre im Auge gehabt haben, die ich 1890 veröffentlicht habe unter dem Titel: Zur Lage der Arbeiter in den Bäckereien. Ich habe damals, soweit meine Kräfte reichten, eine Enquete in den Bäckereien Deutschlands vorgenommen, nachdem ich wiederholt gebört hatte, welche traurigen , . in einem großen Teile der Bäckereien berrschten. Namen habe ich nicht genannt. Die Zustände waren einfach grauenbaft. Es bestand nicht nur eine ganz unmenschlich lange Arbeitszeit, sondern die Räume füuͤr die Arbeiter waren so entsetzlich, daß notwendigerweise die Gesund⸗— heit leiden mußte. Ich habe festgestellt, daß in den meisten Bäckereien, auf die sich meine Enquete bezog, die Arbeiter is, 15 bis 20 Stunden arbeiten mußten an 365 Tagen im Jahr, selbstverständlich Nachtarbeit! Die Wohnräume waren die erbärm lichsten, obne Luft und ohne Licht. Die Bettwäsche wurde alle halbe Jahr einmal gewechselt; wenn die Arbeiter zur Nacht aufgestanden waren, mußten die Dienstmädchen in ihren Betten schlafen, weil die Meister keine anderen Betten batten. Man hat allerdings in Darmstadt geglaubt, daß solche Zustände unmöglich seien. Die Darmstädter Polizei bat eine Untersuchung eingeleitet, und dabei baben sich die Zustände als noch schlimmer heraus gestellt, und das ist dann in einer ganzen Reihe anderer Städte der Fall gewesen. Man hat sich bemüht, mir Un— richtigkeiten nachzuweisen, es ist aber nirgends gelungen. Die Folge war, daß die Dinge hier im Reichstage zur Sprache ebracht wurden, und als 1890 die Kommission für Arbeiter tatistik niedergesetzt wurde, war ihre erste Arbeit eine Unter suchung der Bäckereien. Darauf wurde die erste Bäckereiverordnunf erlassen. Ich kann mir das Verdienst zuschreiben, und i rechne es mir als ein großes Verdienst an, daß diese Ver— ordnung wenigstens einigermaßen den traurigen Zuständen entgegen⸗ zuwirken suchte. Schon diese Verordnung ist Jahr für Jahr Gegen— stand der heftigsten Angriffe hier im Hause gewesen. Die Regierung hat sich aber nicht irre n , sie ist im Gegenteil weiter⸗ gegangen. Der Abg. Rieseberg soll einmal den Beweis führen, daß durch die Regierungs verordnung eine Bäckereiexistenz vernichtet worden ist. Diese Behauptung ist schon in der Kommission als unerhörte Uebertreibung festgestellt. Unbequem mag die Verordnung den Bäckern sein, aber wo ist überhaupt eine Arbeiterschutzmaßregel je vorgeschrieben, die nicht zunächst den heftigsten Wider spruch gefunden hätte? Gehen Sie alle Länder der Welt durch. Wie haben die englischen Baumwollindustriellen geschrien, als 1847 — auf konservativen Antrag, meine Herren von der Rechten — der Normalarbeitstag von 11 Stunden eingeführt wurde! Dies sollte der Ruin für die Baumwollindustrie sein. Gerade die 12. Stunde hieß es, sei die, aus der die Unternehmer ihren Gewinn zögen. Aber noch heute nimmt die englische Baumwoll— industrie die erste Stelle in der Welt ein. Man kann doch nicht sagen, daß das Bäckereigewerbe zurückgegangen ist. Wenn kleinere Existenzen schwer zu kämpfen haben, so ist das überall der Fall; das ist eben die große industrielle Entwicklung. Der Abg. Rieseberg sollte doch, wissen, daß die günstigsten und hygienischsten Arbeitebedingungen in den , , bestehen. Gehen Sie in die sozialdemokratischen Konsumbäckereien, wie reinlich und appetitlich geht es dort zu. Wenn Sie wüßten, aus welchen Küchen Sie manchmal in den Restaurationen ihr Essen bekommen! Wenn in einem sozialdemokratischen Betriebe Unsauberkeit vorgekommen ist, so hätte ich gewünscht, daß ein solches Schwein eine exemplarische Strafe bekommen hätte. Ich brauche kein Wort zurückzunehmen von dem, was ich im Laufe der Jahre nicht gegen die Bäckereien im allgemeinen, aber gegen einen großen Teil derselben gesagt habe.
Abg. Binder (Soz.): Tatsache ist, daß eine Verordnung nur wirksam sein kann, wenn sie streng durchgeführt wird. Von den 180 000 Bäckern in Deutschland sitzen doch hier nur drei, auf diese kann man doch nicht exemplifizieren und behaupten, daß die Bäckerei- verhältnisse gesund sind. inen kranken Bäcker wird man 6 leicht zum Parlamentarier kriegen. Der eng kann nicht mit Gewalt unterdrückt werden. Wenn gesagt wird, junge An— fänger gingen zugrunde, so liegt das daran, daß viele Bäcker, die Schwierigkeiten voraussehen, ihr Geschäft noch schnell einem jungen Anfänger aufhängen. Den Ausführungen des Abg. Giesberts kann ich im großen und ganzen zustimmen.
Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Es besteht die begründete Hoffnung, daß wir jetzt unseren Beratungsstoff noch durch eine allgemeine sozialpolitische Debatte und eine solche über die Finanzreform erweitern. Auf die Frage des Abg. Kopsch, wo wir bei der Tabakssteuer gewesen wären, weise ich nur darauf hin. daß der sogenannte, von ihm immer als vorhanden hingestellte schwarzblaue Block nur die Hälfte an Tabakssteuer bewilligt hat von dem, was nach dem Antrage Weber⸗Mommsen bewilligt werden sollte, und nicht eine Gewichtsteuer, die roher wirkt, sondern eine Wertsteuer. Der Abg. Rieseberg hat sich auch nur gegen die strenge Vorschrift bestimmter baulicher Eigenschaften der Vir um und gegen die
rückwirkende Kraft gewendet. Dagegen richtet sich noch heute der
Widerspruch der zahlreichen Bäckermeister. Wenn ein Vertret
der Sozialdemokraten anderen Leuten den Vorwurf der Hittelsta ret feindlichkeit macht, so ist das wahrhafrig nicht mehr zu begreifen. Was bei Ihnen Absicht und k ist, dürfen Sie nicht anderen zum Vorwurf igchen. Eine Partei soll es einmal fertig— bringen, eine halbe Milliarde neuer Steuern auszuschreiben, ohne daß dadurch nach einer oder einer anderen Richtung schwerer Druck erzeugt wird. Deshalb hüteten sich ja auch die Vertreter der Linken auch nur den Schatten einer Ersatzsteuer vorzuführen. Ich will mi
jedoch jetzt nur auf die Feststellung beschränken, aß die Verhältniffe und Arbeitsbedingungen in den bürgerlichen Betrieben weit günstiger sind als in den sozialdemokratischen.
Damit schließt die Debatte. ö
Der Kommissionsantrag wird nach Ablehnung des Antrages Albrecht mit großer Mehrheit angenommen.
Die Petitionen, die den Erlaß eines Reichstheater.
esetzes zum Gegenstande haben, sollen dem Reichskanzler als
Material überwiesen werden; das weitere Petitum, das die Be— gründung einer Reichstheaterversicherung verlangt, will die Kom— mission dem Reichskanzler zur Kenntnisnahme überwiesen wissen. Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.):: Die Zustände im Bühnenwesen, soweit ste die Kostümfrage und den hygienischen wie h. Schutz der Bühnenangebörigen, namentlich der weiblichen, betreffen, sind notorisch unhaltbar. Wir müssen immer wieder den Erlaß eines Theatergesetzes von Reichs wegen verlangen, wonach dieser Schutz, auch der Schutz der Mutterschaft, den Bühnenangehörigen gewährt wird. Für den Fall des Inkrafttretens einer Reichs⸗ oder Staats- versicherung zum Schutze deutscher Bühnenangehöriger hat Fräulein Anna Buchbolz in Elberfeld eine Stiftung von 100 000 (6 an⸗ geboten, Ich hätte gern an die Vertreter der verbündeten Regierungen die Anfrage gerichtet, wie weit denn die Vorarbeiten zu einem Reichstheatergesetz gediehen sind, aber ich stehe hier wie der Prediger in der Wüste, denn der Bundesratstisch ist leer.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp. ): Ich kann mich dem Vorredner nur anschließen und auch die Leere des Bundesratstisches kann mich nicht hindern, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, doch ihre Arbeit auf diesem Gebiete nach aller Moglichkeit zu be— schleunigen. Unsere Sympathien für den Emanzipationskampf der deutschen Bühnenangehörigen haben wir ja oft betont; ich hoffe, daß die berechtigten Ansprüche der Schauspieler bezüglich der Unfall. und der ,, endlich erfüllt werden. Dem glänzenden Elend der Bühnenangebhörigen muß baldigst ein Ende emacht werden. Wir verkennen nicht, wie eminent schwierig die Frage ist; aber das darf keinen Grund bilden, von der Inangriff— nahme dieser Arbeit zurückzuschrecken. Die Vorlage müßte sich auch mit den etwas schmijerenhaften Theaterschulen befassen. In den Kreisen der Bühnenangehörigen fängt man endlich an, den großen Wert der Selbsthilfe zu schätzen. Ich wünsche, 6 dem neuen Reichstage die große Aufgabe gelänge, hier gründliche Besserung und einem zum Himmel schreienden sozialen Elend Abhilfe zu schaffen.
Abg. Geck (Soz.): Auch wir beklagen tief, daß in der sozialen Versicherung des Bühnenpersonals ein so schleppendes Temro eingeschlagen wird. Es liegen namentlich bei dem weiblichen Teil der Künstlerschaft tief traurige Verhältnisse vor. An Provinz— theatern werden Gagen von 156 6 und noch weniger gezahlt. Leider ist auch an den großstädtischen Theatern die Bezahlung eine leich schlechte, und die weiblichen Kräfte müssen dadurch der He Hit; in die Arme getrieben werden. Den Herren Theater⸗ leitern werden wir immerhin unterstellen können, daß sie die Kunst vertreten, daß sie also auch eine Empfindung für diese beklagens— werten Zustände haben müssen. Die Künstler sind endlich der Ein— sicht näher gekommen, daß es sich auch bei ihnen nur um Unter— nehmer und Arbeiter, um Ausbeuter und Ausgebeutete handelt; in demselben Maße, wie diese Einsicht bei ihnen wuchs und sie zur Organisation schritten, hat sich ihr Ansehen gehoben und hat . . tige Urteil über ihre soziale Lage immer weitere Kreise er— obert.
Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrage.
Der Inhaber eines Putzgeschäfts, Hennicke in Braunschwäg, sowie der Zentralausschuß der vereinigten Putzdetaillistenverbände Deutschlands petitionieren um Abänderung der bestehenden Vor— schriften der Gewerbeordnung hinsichtlich der Arbeitszeit in Putzgeschäften; sie wollen hauptsächlich, daß am Sonnabend uber 5 Uhr hinaus soll gearbeitet werden dürfen.
Die Kommission beantragt Ueberweisung zur Erwägung.
Abg. Albrecht (Soz.) befürwortet einen Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung, weil gerade die Putzgeschäfte auf die ,, n,. Kundschaft angewiesen wären und diese in der Lage sei, ihre Ge— schäfte am Sonnabend bis 5 Uhr abzuwickeln und weil dasselbe ten mit demselben Rechte auch von anderen Saisongeschäften ge— tellt werden könnte. 4 — ͤ
Abg. Brühne (Soz.) weist darauf hin, daß die Bestimmung über die Arbeitszeit bis 5 Uhr erst kurze Zeit bestehe und daß gerade in dieser Branche die Mädchen mit Ueberstunden ohne Entgelt be— lastet und elend entlohnt würden, besonders in Frankfurt a. M. Der Reichstag sollte sich hüten, den Arbeiterschutz abzubröckeln.
Abg. Manz (fortschr. Volksp.) glaubt, daß man bei der be— treffenden Bestimmung an die Konsequenzen nicht gedacht habe, die sie haben müsse. Es sei nur recht und billig, den Detailgeschäften entgegenzukommen. . 2
k Giesberts FZentr.) bemerkt, daß der Reichstag sich sebr wohl der Folgen seines Beschlusses bewußt gewesen sei; die Gewerbe⸗ ordnung dürfe doch nicht jetzt schon geändert werden, und er werde deshalb für den sozialdemokratischen Antrag stimmen.
Der Antrag Albrecht wird angenommen. .
Die Petitionen, die den Bau einer Eisenbahn auf elsaß ⸗lothringischem Gebiet im Anschluß an die projektierte südliche Fortsetzung der Bahnlinie Kaiserslautern— 6 bis zur baverischen Landesgrenze befürworten, werden ohne
ebatte dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen.
Die Petitionen wegen Aenderung des Zündwarensteuer, gesetzes werden dem Reichskanzler als Material, soweit jede Celschii ung für Schachtelfabrikarbeiter, die nachweislich durch da Gesetz 2 geworden sind, erbeten wird, zur Berücksichtigum überwiesen. .
Als Material überwiesen wird die Petition des Professors R Sommer in Gießen, betreffend Errichtung einer pfychiatrischen B teilung beim Reichsgesundheltsamt.
ö. ausführlichen schriftlichen . hat der Abg. Dr. Steng! sfortschr. Volksp.) über die Petition des Allgemeinen Altschriftverein betreffend die amtliche Zulassung der Antigua, genannten Lateinschrift, und den Beginn des Schreibleseunterrichts n den Volksschulen mit derselben erstattet. Die Kommission hat ein stimmig Ueberweisung zur Berücksichtigung empfohlen, ist dagegen mi 23 gegen 3 Stimmen über die Gegenpetition des Ausschusses in Abwehr des Lateinschriftzwanges wegen Zurückverweisung der Sa an die Kommission jur Tagesordnung übergegangen. er Referent führt u. 4. unter lebhaftem Widerspruch auf der echten aut daß daß Deutschtum und dessen Schrift mit seiner Schrift nicht zu tun habe, und daß man die Frage mit dem Wort: W Deutschtum ist in Gefahr“ nicht aus der Welt schaffen könne. Ni Dänen haben mit der Lateinschrift nichts an ihrer Nationalitẽl derloren. Die Rationalität habe mit solchen Aeußerlichteiten
nichts zu tun. (Große Unruhe. Der Referent wird vom Prõ/ sidenten darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn er persönliche An · zu diesem Zwecke später als Ab.
sichten äußern wolle, er si t . geordneter zum Worte melden müsse) Der Referent weist dann nen darauf hin. daß auch pädagogische Gründe für die Latein schrift sprächen. Es handle sich nicht nur um die Kinder der Wohlhabenden sondern bauptsächlich um die Kinder der breiten Massen des Volke deren Schreibfäbigkeit schon, heute eine geringwertige sei, fr eine Verelnfachung' der Schrift am Platze fei. Dafür spreche aus die Rücksicht auf die Ausländer, die die deutsche Druck- un Schreibschrift schwer lesen können.
ist der Antrag au
— en Vereinigung (Abgg. Bindewald u. Gen.) . ö zur Tagesordnung über die Petition bes Allgemeinen Altschrifthereins eingebracht.
Ab. Br. Pfeiffer 'Zentr.). Der Referent hat mehr temperan ent · voll wie als Referent. gespröchen. Die Anhänger der Fraktur, schrift! befürchten, daß die deutsche. Schrift allmählich aus ber Schule verschwinden würde. Stellen Sie sich einmal vor, in der russischen Duma würde der Antrag gestellt, bie dortige Schrift aus, den. Schulen zu Peseitigen. Der Gebrauch der Äntiquaschrift wird denjenigen, die den elehrten Perufen angehören, häufig zur Gewohnheit. und dann ind die Schreibmaschinen, die zuerst in Amerika gebaut sind, mit lateinischen Lettern bersehen. Es ist aber unzweifelhaft richtig, daß im Gegen— satz zu der Anschauung Jacob Grimms seit mehr als einem Jahr— tausend die Entwicklung Des deutschen Volkes, und. der deutschen Schrift neben einander hergegangen sind. Die geistigen Schätze, die dein deutschen Volke in deutscher Schrift erschlossen sind, sind wert, konserbiert zu werden., Nach unserer historischen Entwicklung ist die Frakturschrift ein Sinnbild des Deutschtums, und ich bin so kühn, auszusprechen, es wird auch in anderen Ländern die deutsche Schrift als ein Sinnbild der deutschen Kultur und des deutschen Geistes lebens angesehen. Warum verlangt man, daß wir mit einem Schlage die deutsche Schrift aufheben sollen, warum sollen wir die⸗ jenigen sein, die den anderen den Weg bequemer machen. In der Frage der leichteren Lesbarkeit und der Schonung der Augen ist eine große Verschiedenheit der Meinungen zu konstatieren. Prof. Theodor Faensch, der an der Spitze der Befürworter der deutschen Schrift feht, hat ein Preisausschreiben erlassen über die Frage, welche Grund eigenschaften einer Schrift zur leichten Lesbarkeit erforderlich sind. Bisher ist der Verband der Altschriftler darauf nicht eingegangen. Der Streit um Antiqua und Fraktur ist sehr alt. Sie finden ihn schon zur Zeit Luthers. Für uns kommt es darauf an, daß nicht die deutsche Schrist untergeht zum Schaden des Deutschtums, es gibt wobl andere Möglichfeiten, das Deutschtum im Auslande zu schützen, als die Aufgabe der Fraktur. Ich unterstütze deshalb den Antrag,
über die Petition zur Tagesordnung überzugehen.
Abg. Henning (dkons.): Ich bin nicht in der Lage, im Namen aller meiner politischen Freunde zu sprechen. Wenn aber die Antigua zweckmäßiger wäre, so würden schon längst Druckereien zu ihr über- gegangen sein. In den Zeitungen aber, auch in denen, die ibrer Parteirichtung nach dem Abg. tengel nahe stehen, wird immer noch Fraktur gedruckt, allerdings machen wir die eigentümliche Beobachtung, daß im Gegensatz dazu der Handelsteil in Antiqua gedruckt ist. Der lateinischen Schrift ist ein gewisser internationaler Zug zu eigen. Wir sind aber aus nationalen Gründen dafür, daß die deutsche Fraktur nicht verschwindet, und werden desbalb auf Uebergang zur Tages— ordnung stimmen. .
Abg. Geck (Soz.): Um den Kommissionsantrgg wird so heftig gekämpft, als wäre der Erbfeind vor den Toren. Ich stelle fest, daß der Antrag ursprünglich einstimmig angenommen ist. Bringen wir denn nn das Vaterland in Gefahr, wenn jemand Antiqua schreibt? Ein besonders schriftkundiger Kollege bat die hier am Saaleingang augliegenden Lohnlisten, in die wir uns einzeichnen müssen, durchgesehen, und, dort sind nur zwölf gute Deutsche, alle übrigen haben sich in lateinischer Schrift eingezeichnet. Unter letzteren befinden 296 auch die Namen Werner und Bindewald und auch der Abg. Pfeiffer als guter Zentrumsmann. Hoffentlich wird der patriotische Drang nicht noch soweit ausgedehnt, daß allen denjenigen, die ihren Namen lateinisch einschreiben, die Diäten entzogen werden. Wir leben in einer Zeit, wo die Völker miteinander in Verkehr treten und voneinander leben. Die Arbeiterschaft, die überall Verdienst suchen muß, wo sie ihn findet, fühlt es am allerschwersten, daß sie durch die a,, ö unseres Volkeschulunter⸗ richts nicht die Möglichkeit hat, beide Schriftarten zu lernen. Darum wird auch in den Gewerkschaftskursen den Arbeitern die
Antiqua beigebracht. Die ganze Lehrerschaft und die wissenschaft⸗ lichen Pädagogen erkennen an, daß die Antiqug besondere hygienische Vorteile hat. Wie leicht es ist, die Antigua zu schreiben, zeigt sich schon bei den Kindern. Versuchen Sie es doch einmal, einem Kinde einen großen gothischen Buchstaben, etwa ein H bei⸗ zubringen. Für die Buchdrucker ist die gothische Schrift kein Vorteil, aber da sie in den Romanausgaben gedruckt wird, so müssen sie diese Schrift noch beibehalten. Die Kollegen, die alte Herren studentischer Verbindungen sind, sollten einmal versuchen, ob ein einziger studentischer Zirkel ohne Antiqua möglich wäre. Es ist eine durchaus vernünftige Forderung, die Kinder zuerst die Antiqua zu lehren. Daß der Abg. Pfeiffer sich auf Luther bezogen hat, ist eigenartig. Bei dem Wunsche der Petenten handelt es sich um einen kulturellen Fortschritt, um die Möglichkeit, dem internationalen Verkehr, ohne den wir gar nicht existieren können, eine größere Beweglichkeit zu geben, und um die Möglichkeit, daß die Völker in ihrem gegenseitigen Verkehr besser auskommen.
Abg. Stresemann (ul.): Die Angelegenheit hat eine außer ordentlich große Erregung in weiten Kreisen hervorgerufen; man streitet mit Leidenschaftlichkeit darüber, und diese Leidenschaftlichkeit baut sich auch auf einem nationalen Untergrunde auf. Die jungen Studierenden, die uns in dieser Beziehung ihre Ansicht zur Kenntnis gebracht haben, haben ein gutes Recht dazu, und man soll sie nicht lächerlich machen. Die Herren rechts übertreiben aber doch die Bedeutung der Frage ganz wesentlich. Das Deutschtum soll in Gefahr kommen, wenn wir einem Kommissions— antrag zustimmen! Wie kann man im Ernst solche Behauptung wagen? Warum lernen wir überhaupt in den deutschen Schulen die lateinische Schrift, wenn sie undeutsch ist? Es gibt eben keine einheitliche deutsche Schrift; Namen von bestem Klang haben sich für die Fraktur, und Namen von bestem Klang haben 1c für die Antiqua aus⸗ gesprochen. Da kann man nicht nach dem Maßstabe des deutschen Empfindens die Scheidelinie ziehen. Goethe hat zahlreiche Gedichte in lateinischer Schrift niedergeschrieben, so auch die Marien bader Elegle. Gerade um deutsches Geistesleben den Völkern des Erdballs näber zu bringen, bedient sich die Goetbe⸗Gesellschaft der Antiqua. Die deutschnationalen Lehrerverbände empfehlen sie, kann da deutsches Empfinden auf dem Spiele stehen? Es bandelt sich am letzten Ende um eine reine. Zweckmäßigkeitsfrage, eine große Zahl deutscher Missionare hat sich auf denselben Stand— punkt gestellt, das kann man doch nicht einfach mit Lachen abtun. Noch auf keinem deutschen Bahnhof habe ich den Stations namen anders als mit großen Antiqualettern angegeben gefunden. Wird dadurch das Ansehen des Deutschen Reiches geschädigt? Die Fraktur, an sich im kleinen ein Kunststüäck, erschwert im Verkebr die ,, während die Antiqua sie erleichtert. Der Kommissions— antrag soll ja schließlich der Regierung nur eine Anregung geben, sich mit der Frage zu beschäftigen. Um eine Parteifrage kann es sich hier wirklich nicht handeln. ;
Abg. Dr. Naumann (fortschr. Volksp.): Ich für meine Person unterscheide mich von meinem Parteigenossen Stengel darin, daß ich die psychologischen und ,, n, . Werte, die hinter der deutschen Schriftform stecken, höher bewerte. Daß nur 12 Kollegen sich deutsch in die Präsenzliste eingeschrieben haben, bedeutet nichts weiter, als daß sich die anderen, wenn es fi um Urkunden handelt, lieber der alten römischen. Rechtsschrift bedienen. Die deutsche Schrift wird jetzt plötzlich als mittelalterlich und, zopfig hingestellt. Gewiß schreibi Goetbe, gelegentlich Antiqua, so wenn er ein Denkmal setzte, das meiste aber, was wir von ihm haben, ist in deutschen Lettern geschrieben. Au die Völker mit nur einer Schrift zeichnen sich weder orthographis noch kalligraphisch vor den zweischriftigen Deutschen aus. Jede Schreihweise hat ihre Vorteile und ihre Nachteile. Die deutsche Schreibweise ist komplizierter und schwerer zu lernen; ist es aber, pädagogisch betrachtet, richtiger, nur die leichtere Handhabung zu * lehren und damit auf den ersichtlichen Wert der. Erlernung der komplizierteren zu verzichten? Die Qualitätsleistung der Linie, der Form hängt mit dieser Frage zusammen. Daß den Ausländern das Studium der deutschen Sprache
durch die Antigua erleichtert wird, gebe ich zu. Aber die deutschen Zeitungen im Auslande, z. B. in Amerika, werden in Fraktur gedruckt, um den Heimatton festzuhalten. Wäre unser gewerbliches Ideal das Renagissanceideal, so müßten wir allerdings zur Antiqua übergehen. Mit Nachahmung der Renaissancevorbilder werden wir aber niemals weiter kommen. Wollen wir vorwärts auf diesem Gebiete, so Ri, wir unsere so eigentümlichen Elemente aus unserm deutschen Wesen herausholen, wir müssen an deutsche Stilperioden anknüpfen, wo wir nicht in dem großen , , der Renaissance geschwommen haben. Alles, was wir heute sehen, ist ein Protest gegen die Renaissance im Gewerbe. Das Bild der deutschen Sprache ist die zwar etwas eckige und spitze, aber charakteristische und erzieherische Schrift. Jakob Grimm schrieb zwar in lateinischer Schrift, aber Wilhelm Grimm in deutscher Schrift, wenn er wohl auch einmal in lateinischer Schrift geschrieben hat. Goethe würde heute auch nicht mit der lateinischen Ausgabe seiner Schriften ein verstanden sein. Die deutsche Sprache hat ihr eigenes Kleid, und dies soll sie behalten. .
Abg. von Liebert (Rp.): Nach der eben gehörten rednerischen Leistung kann ich mich kurz fassen. Ich möchte nur mein Be⸗ fremden der Kommission und der Regierung ausdrücken, die bier so wenig Fühlung mit dem Volksempfinden gezeigt haben! Die Frakturschrift ist ein Stück deutschen Wesens. Wir müssen uns auf den Boden der großen Masse, des sreßen deutschen Volkes stellen, nicht auf den der Geschäfte⸗ eute. Die Antiqua ist uns fremd oder wenigstens mit der Zeit fremd geworden. Unsere Kinder haben nun einmal seit einem Jahr— tausend deutsche Schrift gelernt. (Zuruf: Muß der alte Kinder haben! Wir Deutsche sind doch stolz darauf, daß unsere Kinder alle lesen und schreiben können, während andere Völker, deren Kinder nur eine Schrift lernen, eine große Zahl von Analphabeten haben. Auch, das Russische mit seinem eigenen Charakter liest sich leichter als das Polnische, das in Antiqua geschrieben wird. Ein Volk,. das in 100 Millionen auf der ganzen Welt verbreitet ist, hat einen Anspruch auf eigene Schrift. Wir sind auch das Volk, das die meisten Bücher exportiert. Die Bücher in Frakturschrift können doch nicht als altes Eisen beiseite geworfen werden. Der Hinweis auf die Schreibmaschinenschrift ist nur ein höchst bedauerlicher Beweis dafür, daß wir uns von Amerika haben überrumpeln lassen. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen. Wozu haben wir denn römische Ziffern? (Große Unruhe und lebhafte Zurufe links. Den Goethe will das deutsche Volk in deutscher Schrift. Es wäre eine Barbarei, wollte man die Fraktur jetzt beiseite schieben. Das deutsche Volk sollte seine Schrift, die es sich durch die Jahr⸗ hunderte erhalten hat, bewahren, die Schrift seiner großen Männer, die Schrift Luthers, Wolfgang von Goethes und Bismarcks. Abg. Bindewald (D. Rfp.): Wenn von der Linken gesagt ist, es bandle sich nicht um eine Parteisache, so begrüße ich das mit Freude. Aber es ist gewiß keine unparteiische Behandlung, wenn bei der Rede des Abg. von Liebert ein solcher Lärm auf der Linken entstanden ist, daß wir die Rede nicht mehr versteben konnten. Der Abg. Naumann ist ohne irgendwelchen ihn störenden Zwischenruf von der Rechten angehört worden, denselben Anstand können die Redner der Rechten von der Linken verlangen. Die Frage ist tatsächlich mit ein paar Redensarten nicht abzumachen am wenigsten dur Lärm. Verlängern Sie deshalb nicht unnützerweise diesen Tag, was ich sagen will, sage ich doch. Der Rommissionsbericht stellt sich bereits als eine Agitationsschrift für die Antigua dar, genau so wie die Rede des Berichterstatters eine Agitationsrede war. Dadurch hat die ganze Verhandlung eine andere Wendung genommen: man war über die parteiische Art der Berichterstattung erregt. Die Frage ist nicht nur eine rein völkische, sondern von so großer Viel⸗ seitigkeit, daß man stundenlang darüber reden könnte. Aber haben Sie keine Sorge. Das Meiste von dem, was ich sagen wollte, ist bereits gesagt. Die Ausführungen des Abg. Geck waren sehr humoristisch, aber dem Gegenstande nicht recht , . Jeder, auch jeder Volksschullehrer wird bestreiten, daß die Organisation unseres Volksschulunterrichts mangelhaft sei. Der deutsche Schüler liest und schreibt viel besser als der ausländische. Es ist auch nicht richtig, daß die Antiqua den Kindern leichter faßlich wäre. Ist doch beispielsweise nichts schwieriger, als einen Kreis richtig zu zeichnen. Jeder Lehrer und jeder Familienvater wird mir bestätigen, daß, wenn ein Kind die ,, nicht exakt schreibt, das Wiederlesen viel schwieriger ist als bei der Fraktur. Das Charakteristische prägt sich ein, deshalb ist auch die Fraktur leichter zu lernen. Wenn es mirklich gelungen ist, 50 000 Unterschriften von Lehrern zugunsten der gehn . zu⸗ sammenzubringen, so hat das deutsche Volk doch mindestens 200 000 Lehrer. Die Deutschen in Oesterreich müssen es tief bedauern, daß jetzt, wo sie so schwer um ihr Deutschtum zu kämpfen haben, der Reichstag nichts Besseres zu tun hat, als das er die deutsche Schrift abschaffen will. Es kann sogar einmal der Tag kommen, wo sich die Fraktur in der ganzen Welt verbreitet haben wird. ollen wir dem Auslande das würdelose Schauspiel geben, daß wir unsere Schrift, die wir uns in mühsamer künstlerischer Arbeit geformt haben, die unserer Sprache entspricht, weg— werfen? Wir würden uns vor dem Auslande unsterblich blamieren und lächerlich machen. Deshalb bitte ich Sie, meinen Antrag an— zunehmen, über den törichten Beschluß der Kommission, wie ich ihn leider nennen muß im Interesse unseres deutschen Volkstums zur Tagesordnung überzugehen.
Vizepräsident Dr. Spahn: Sie haben den Beschluß der Kom— mission als töricht bezeichnet. (Zuruf des Abg. Bindewald: Stimmt! Ja! Heiterkeit. Das ist nicht zulässig.
Ein von der Rechten ausgehender Antrag auf namentliche Abstimmung findet nicht genügende Unterstützung. Nach Vornahme der einfachen Abstimmung erklärt der Vizepräsident Spahn den An— trag Bindewald auf Uebergang zur Tagesordnung für angenommen. (Lebhafter Widerspruch. Zurufe: Gegenprobe!) Hei der Gegenprobe erklärt das Bureau, das Ergebnis der Abstimmung für zweifelhaft, es muß Auszählung des Hauses erfolgen. Diese ergibt die Anwesenheit von 167 Mitgliedern. Von ö. stimmen 85 für den Antrag Bindewald, 82 dagegen. Das Haus ist also nicht beschlußfähig, die Beratung muß abgebrochen werden.
Vizepräsident Dr. Spahn beraumt die nächste Sitzung an auf Freitag 1 Uhr mit der Tagesordnung: Zweite Be⸗ ratung der Reichsversicherungsordnung. — Schluß Si /g Uhr.
Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten 66. Sitzung vom 4. Mai 1911, Vormittags 11 Uhr. r (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt zunächst die Beratung des schleunigen An⸗ trags der Abgg. Borgmann (Soz.) und Genossen fort, „die Re⸗ gierung zu veranlassen, das g i den Abg. Dr. Liebknecht vor dem Ehrengericht der Anwaltskammer in Berlin
schwebende Verfahren für die Dauer der gegen⸗
wärtigen Session einzustellen“. Das Verfahren ist nach ursprünglicher Ablehnung durch die Anwaltskammer auf Veranlassung des Kammergerichts eingeleitet, weil Abg. Dr. Liebknecht während des sozialdemokratischen Parteitags in Magdeburg im September 1910 über den Kaiser von Rußland und die 1 und hessische Regierung beschimpfende und aufreizende Aeußerungen getan, durch dieses Verhalten außer⸗
halb seines Berufs sich der Achtung, die sein Beruf erfordert, nicht würdig gezeigt und dadurch die ihm obliegenden Pflichten verletzt habe.
Die Geschäftsordnungskommission beantragt, den Antrag betreffs Einstellung des Verfahrens für die Dauer der Session abzulehnen.
Abg. von Brandenstein (kons.): Meine Fraktion wird für den Kommissionsantrag stimmen. Die Verantwortung dafür, daß die Sache aber überhaupt hier zur Verhandlung kommt, fällt auf mich allein. Ich habe mich als Mitglied der Geschäftsordnungskommission ein— gehend mit parlamentarischem Recht und auch mit der Rechtsstellung der Abgeordneten beschäftigt. Ich habe deshalb auch veranlaßt, daß ein Antrag auf Revision der Geschäftsordnung gestellt wurde. Wir werden hoffentlich noch in dieser Session ein ziemlich umfangreiches Material über die Kommissionsarbeiten zu Ihrer Beschluß— fassung vorlegen, aus dem Sie sehen werden, daß nicht alles, was hier gehandhabt wird, als berechtigt anerkannt werden kann. In der ersten Sitzung der Geschäftsordnungskommission in dieser Session kam die Frage zur Sprache, ob ein Abgeordneter zur Ver⸗ nehmung als Zeuge außerhalb Berlins beurlaubt werden sollte. Der betreffende Referent in der Kommission schlug damals vor, die Genehmigung zu versagen. Er habe mit dem betreffenden Ab⸗— geordneten gesprochen, und dieser habe ihm mitgeteilt, daß er von der Sache, für die er als Zeuge vernommen werden solle, sehr wenig wisse, daß es ihm sehr schlecht passe, in dieser Zeit eine Reise vor— zunehmen, zumal in der Vorladung gesagt war, daß die Verhandlung etwa acht Tage in Anspruch nehmen werde. Der Berichterstatter der Kommission erwähnte weiter, daß in derartigen Fällen die Genehmigung zur Fahrt nach außerhalb, wenn der Abgeordnete es wünsche, nicht erteilt werde, daß dagegen die Genehmigung erteilt werden solle, wenn der Abgeordnete Lust habe, zu reisen. Es wurde in der Kommission anerkannt, daß das seit langen Jahren Usus des Hauses war, aber sämtliche Kommissionsmitglieder waren einstimmig damit einverstanden, daß dieser Gebrauch ungerechtfertigt sei und gegen den Sinn des Gesetzes verstoße, daß vielmehr in jedem Falle zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Haus die Vorladung eines Abgeordneten verhüten dürfe, und die Kommission kam in diesem Falle einstimmig zu der Ansicht, daß diese Voraussetzungen nicht vorlägen. Im Plenum wurde dagegen kein Widerspruch erhoben und der betreffende Abgeordnete leistete der Ladung zum Termin Folge. Der zweite Fall, der die Kommission beschäftigte, war der jetzige Fall Liebknecht. Niemand widersprach in der Kommission der Ansicht, daß das Verfahren vor dem Ehrengericht ein Strafverfahren im Sinne des Art. 84 sei, wir sind aber, mit veranlaßt durch die Prüfung bezüglich der Zeugenpflicht eines Ab— geordneten, dieser Bestimmung einmal auf den Grund gegangen. Wer Gesetze und ihre Begründung zu lesen weiß, kann keinen Zweifel über den Zweck und Sinn dieser Verfassungsbestimmung haben. Man kon— struierte damals die Möglichkeit, daß die Regierung in die Wirksam— keit des Landtags dadurch könnte eingreifen wollen, daß sie tendenziös ein Strafverfahren gegen einen Abgeordneten, vielleicht auch ganze Gruppen von Abgeordneten, einleitete und dadurch diese verhinderte, im Hause zu erscheinen. Ein Schutz gegen tendenziöse Verfolgung war der erste Zweck dieser Bestimmung. Zweitens sagte man sich, daß durch ein gerichtliches Verfabren gegen einen Abgeordneten das Haus einen Abgeordneten entbehren könnte, wenn er außergewöhnlich nötig sei. In der Begründung des Verfassungsartikels heißt es ausdrücklich, es sei immerhin möglich, daß es für die Versamm— lung von dringendem Interesse sein könne, gerade diesen oder jenen Abgeordneten bei ihren Beratungen mitwirken zu sehen, und daß die Versammlung gewiß nur dann von dieser Befugnis Gebrauch machen werde, wenn kein anderes erbebliches Interesse ent⸗— gegenstehe. Also nur in außerordentlichen Fällen sollte das Haus in ein schwebendes Gerichtsverfahren eingreifen dürfen. In diesem Sinne ist auch die Bestimmung Jahrzehnte lang nach dem Erlaß der Verfassung gehandhabt worden. Es wurde nur einmal 1859 von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, weil es kurz vor Schluß der Session war und der betreffende Abgeordnete eine sehr weite Reise hätte machen müssen. Im Jahre 1863 wurde die Frage ausführlich bei einem Einschreiten gegen Polen verhandelt, der Justiz— minister und die hervorragendsten Abgeordneten hielten darüber lange Reden. Ich zitiere daraus nur einen Redner, um die damalige hohe und ideale Auffassung von der Stellung des Hauses der Auf⸗ fassung gegenüber zu stellen, die sich allmählich herausgebildet hat; es war ein Redner, der meinem politischen Standpunkt nicht nahe stand, aber im Parlament eine Autorität ersten Ranges und wiederholt Präsident dieses Hauses und des Reichstages war, Simson. Er sagte damals: Der Art. 84 sagt nicht, jedes Verfahren solle während der Sitzungsperiode aufhören, auch nicht, die Kammer solle die Aufhebung des Strafverfahrens beantragen; der Artikel bestimmt lediglich das hee der Kammer, die Aufbebung des Verfahrens zu fordern, und dazu muß die Kammer einen Grund haben; die Meinung kann nicht die sein, daß die Kammer ein solches Verlangen grundlos stellt nach dem Satze: sie volo, sie jubeo, stat. pro ration voluntas. Seitdem sind die Anschauungen wesentlich anders geworden, von dieser hohen Auffassung der Rechte der Kammer ist jetz wenig zu spüren. Damals wurde immer hetont, daß von einem Privilegium des Abgeordneten nicht die Rede sei, sondern nur davon, daß die Kammer in ihrer Wirksamkeit nicht gehindert werde. Jetzt werden solche Anträge gar nicht mehr geprüft; wenn ein Ab⸗— geordneter vorgeladen wird, stellt seine Fraktion den Antrag, das Verfahren einzustellen, und das Haus beschließt ohne weitere Prü— fung danach, denn man ist zu der Auffassung gekommen, es set ein Pribilegium und eine Bequemlichkeit für den Abgeordneten, das Verfahren hinauszuschieben. Hat doch der Berichterstatter in der Kommission gesagt, für die Zulässigkeit der Einstellung des Straf verfahrens sei nicht lediglich die Frage maßgebend, ob ein Mit⸗ glied an der Teilnahme im Hause verhindert werde, sondern es sei die ganze privilegierte Stellung des Abgeordneten in Betracht zu ziehen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was beim Erlaß der Verfassung gegolten hat. Man sucht die Freiheit des Abgeordneten immer mehr zu erweitern; auf Grund dieses Artikels wurde seinerzeit verlangt, daß der Abg. Liebknecht aus der Festungshaft entlassen werde, weil er hier zu erscheinen habe; es gelang aber damals den Herren nicht, irgendeine mit der Verfassung verträgliche Rechts⸗ auffassung darzulegen, die das ermöglichte. Es haben sich ganz neue Rechtsbegriffe entwickelt, nach dem Berliner Tageblatt“ sollen sich Rechtslehrer dahin ausgesprochen haben, die Sonderstellung des Abgeordneten im Rechtsleben lass sich garnicht gesetzlich definieren, das sei eine so erhabene Stellung, daß man mit Gesetzesbestimmungen nicht kommen könne. Man spricht von der Pflicht des Abgeordneten, hier zu erscheinen, die allen anderen Pflichten vorgehe. In der Regel ist aber oft nicht die Hälfte, oft nicht ein Drittel der Mitglieder hier anwesend, und wenn das Nichterscheinen eine Pflichtverletzung wäre, so wäre diese Versammlung die pflichtvergessenste, die wir in Preußen haben. Man sagt weiter, der Abgeordnete müsse das Recht haben, hier zu erscheinen. Das wird ihm von niemandem abgesprochen. Der Abgeordnete macht auch von diesem Recht Gebrauch, soweit er nicht anderwärts nötig ist; oft ist ein Mitglied abwesend, weil es als Mitglied eines Provinziallandtages oder einer Stadtverordneten⸗ versammlung oder einer Handelskammer verhindert ist; er hat ver⸗ schiedene Pflichten und erfüllt diejenige, die ihm im Moment die rößte zu sein scheint. Dann wird gesagt, das oberste. Gesetz 5 der Wille des Volkes, der über alle sonstigen Einrichtungen des Staates hinweggehen könne. Was versteht man unter Volk? Ich meine, daz sind die Bewohner eines Landes, und deshalb gehöre ich auch dazu; ich habe geglaubt, daß sämtliche Mit⸗ glieder des Hauses, nicht bloß die Sozialdemokraten, zum Volke gehören; das scheint aber nicht der Fall zu sein. Die Sozial⸗ bemokraten haben wiederholt versichert, sie verträten allein das Volk. Da ich durch einen Sozialdemokraten nicht vertreten sein will, so gehöre ich anscheinend nicht zum Volk. Sie denken also wohl an eine sozialdemokratische Volksversammlung.