1911 / 111 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

entlassen. Die Marinebetriebskasse verfährt da ganz so wie andere Betriebskassen, die die . Arbeiter einfach auf die Ortskrankenkasse abwälzen. Vie Verhältnisse bei der Betriebskasse der Germania. Werft in Kiel, die ja der Firma Krupp gehört, sind ähnlich. Diese Betriebe sind schuld, daß die Arbeiter ge— zwungen werden, sich Schwindelkassen anzuvertrauen, auf die neulich hingewiesen wurde. Die Arbeiter werden namentlich in der Tertilindustrie vielfach von den Betriebskassen um ihre Rechte, besonders um ihr Wahlrecht betrogen. Es wird auf diesem Gebiete ein Terrorismus ausgeübt, der gegenüber dem Terrorismus, über den Sie so oft zetern, ein wahres Kinderspiel ist. In Offenbach wurde eine Betriebskrankenkaffe errichtet, für die eigentlich nur 5 Arbeiter von 407 waren, und zwar erfolgte die , nicht aus sachlichen, sondern lediglich aus Gründen der. anküne. Aehnliche Mißstände werden aus Dresden, Hildesheim, Gelsenkirchen, Stuttgart, Mainz, Bremen, Vegesack usw. gemeldet, wo die Arbeiter von den Firmen um ihr Wahlrecht gebracht wurden, ohne daß in einzelnen Fällen die Aufsichtsbehörde dagegen einschritt. Sie ist auch nicht dagegen ein⸗ geschritten, daß in einer Flensburger e,, . seit Jahren keine Generalpersammlung abgehalten und keine Rechnung gelegt wurde. Arbeiterlnnen wurden bor der Annahme gefragt, ob sie schwanger seien, und im Falle der Bejahung zurückgewiesen, andere wurden ent— lassen, wenn sie schwanger wurden. (Der Redner führt unter wachsender Unruhe des Hauses noch weitere Beschwerden aus anderen rten, wie Pforzheim, Crefeld, Köln. Magdeburg, Worms an.) In dem . Orte nehme die Firma Heyl in der Regel AÄrbester über 25 Jahre nicht an. Gegenüber allen diesen elenden Drückebergereien der Unternehmer sei das Verlangen der Arbeiter berechtigt, daß die Betriebskassen einfach beseitigt werden. Auch Aerzte hätten ihre Ueberzeugung von der Schädlichkeit diefer Kassen ausgesprochen. Den Betriebskassenärzten sei es verboten, über die Krankheiten der Versicherten Mitteilungen zu machen. Von den Vorständen der Betriebskrankenkassen haben sich nur 19 für die Auf⸗— esterhfshu dieser Kassen erklärt, ein Beweis, daß die Betriebs, kassen sich Überlebt haben. Auf diesen Standpunkt müsse sich auch der Reichstag stellen im Interesse der Arbeiter, denen nur mit großen und leistungsfähigen Kassen gedient sei, an deren Verwaltung sie mitarbeiten können.

Abg. Dr. Stresemann (nl): Der Abg. Emmel hat den An trag 3. Beseitigung der Betriebskrankenkassen damit begründet, daß bei der Krankenversicherung das Interesse des Versicherten an der Spitze stehe. Wir stellen uns auf denselben Standpunkt, kommen aber gerade deswegen zu anderen Schlußfolgerungen. Es ist . , hier bei der Reichsversicherungsordnung auf Einzelfälle einzugehen. Wünschten die Sozialdemokraten eine Prüfung dieser Beschwerden, so hatte die Generalkommission der Gewerkschaften sie der Kommission für die Reichsversicherungsordnung in Broschürenform zur Verfügung stellen sollen. Man kann nicht ohne weiteres alles, was die Generalkommission behauptet, als wahr unterstellen und jede parla— mentarische Diskussion wird unmöglich gemacht, wenn man plötzlich hier mit solchen Einzelfällen ins Haus fin Selbst wenn diese Be⸗ schwerden zuträfen, so würde es sich doch um einen ganz geringen Prozent; 6 von Fällen handeln gegenüber den Tausenden von Betriebskranken« kassen im Deutschen Reich. Vor allem wären die Schlußfolgerungen allgemeiner Natur, die der Vorredner zog, en. die Statistik widerlegt. Die Betriebskrankenkassen stehen in ihren Leistungen nicht hinter den allgemeinen Ortskrankenkassen zurück, sondern sind gerade um · gekehrt ihnen überlegen. Die Leistungen sind höher, und die Ver— waltungskosten, die bei den Ortskrankenkassen 226 S ausmachen, be= laufen sich bei den Betriebskrankenkassen auf 2 3. Wenn man sagt, es fände hier eine Auswahl statt, man nähme nur , Leute auf, so wird vielfach der allgemeine Standpunkt des

nternehmers verwechselt mit der verbältnismäßig nebensachlichen Frage, daß er eine Betriebskrankenkasse hat. In der Großeisen⸗ industrie beispielsweise wird man überhaupt keine ungesunden Leute annehmen. Aber es ist auch gar nicht wahr, daß in den Betriebskranken⸗ kassen nur die Elite der Versicherten, was den Gefundheitszuftand anbetrifft, wäre. Das Zentralblatt für Reichsversicherung, heraus- egeben von Spier⸗Somlo, stellt in einem Auffatz fest, daß in dem eitraum von 1885-1908 auf 100 Mitglieder an Kranken entfallen: bei den Gemeindekassen 26,5, bei den Ortskrankenkassen 36,9, bei den Betriebskrankenkassen aber 43. Es ist also nicht das gesündere Material. kö. aber sind die Leistungen der Betriebskranken— kassen höher. Burch die Initigtive des Arbeitgebers wird eben vieles vollbracht, was andere gar nicht leisten können. Man ist seitens der Regierung sehr weit gegangen in der Beschränkung der Betriebs- krankenkassen. Die Kommisslon hat schon Wandel geschaffen, wir stehen aber durchaus auf dem Boden des Antrags, worin einmal für die bestehenden Betriebskrankenkassen eine Auflöͤfung überhaupt aus— geschloßsen werden soll und der Gefährdungsbegriff durch die Grenze von 1900 Mitgliedern umschrieben wird.

Abg. Horm ann (fortschr. Volksp.: Es wäre doch wichtig, da den Einzelfällen nachgegangen würde, es könnte sich mit diesen ebenfo verhalten, wie mit der großen Zahl von Beschwerden, die über den Terrorismus der freien Gewerkschaften und der Sozialdemokratie in den Ortskrankenkassen erhoben worden sind. Das Ideal sind große Ortskrankenkassen, die allein nur wirklich leistungsfäßig sind. Aber wir müssen dem Abg. Stresemann Recht geben, daß die Betriebs. krankenkassen große Leistungen gewähren, und wir können sie nicht mit einem Federstrich beseitigen. 9 die Verwaltungs kosten von dem Be⸗

etragen werden, ergibt sich die bobere Leistungsfãhigkeit von selbst. Man kann nur dahin wirken, daß die ,, . Be⸗ triebskrankenkassen nicht zu sehr erleichtert wird. In der eziebung stehen meine Freunde von Anfang an auf dem Boden der Regierung, die die, neuen Betriebskrankenkassen erst bei 500 Mitgliedern zulaffen wollte. Die Kommissionsbeschlüsse bedauern wir, insbefondere, da sie bei landwirtschaftlichen Betrieben auf 50 Mitglieder beruntergegangen sind. Diese Beschränkung wird dazu führen— daß eine ganze Reihe solcher Kassen errichtet werden und dadurch den Landkrankenkassen die wirklich ,, Betriebe entzogen werden. Es genügt vollkommen, die eigene Betriebskrankenkasse zuzulassen, wenn der Be⸗ trieb über 150 Mitglieder verfügt.

Abg. Sachse (Soz): Wenn der Abg. Stresemann die vor— gebrachten Einzelfälle nachprüfen will, so hat er noch Gelegenbeit; denn wir haben bis zur dritten Lesung noch wochenlang Zeit. Der Abg. Emmel hat nicht einmal den H. Teil seines Materials dor= 6 Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er nicht alle

triebe allein

älle anführen wolle; wenn Sie wünschen, können Sie noch mehr ören. Die Betriebskrankenkassen haben an Maßregelung das Menschenmöglichste geleistet.

Direktor im Reichsamt des Innern Caspar: Die Frage der sozialdemokratischen Vorredner, wie es die Regierung für zulässig halte, daß von den Betriebskrankenkassen eine Einschränkung der Be= züge vorgenommen wird, ist sehr einfach zu beantworten. enn die Fälle des Abg. Emmel richtig wären, so würde §z 80 des Kranken- versicherungsgesetzes Platz 5 eine gleiche Bestimmung findet sich in der Reichsversicherungsordnung.

6. Emmel (Soz.). Der Vorwurf ging dahin, daß die Auf— sichtsbehörde nicht eingegriffen hat. Die Beamten haben, wenn sie Kenntnis von Mißständen haben, die Beschwerden nicht abzuweisen.

Damit schließt die Diskussion.

§ 257 bleibt nach der Kommissionsfassung aufrecht er⸗ halten.

8 259 besagt: ö

Bei Betrieben, die ihrer Art nach alljährlich regelmäßi eingeschränkt oder zeitweilig eingestellt werden Saisonbetriebe), e die Mindestzahl mindestens für 2 Monate vorhanden sein.“

Abg. Busold (Soz) befürwortet einen Antrag, diesen Para · graphen zu streichen. Wenn die Vorschrift bestände, daß an einer Bestimmung versönlich interessierte Mitglieder des Hauses sich der mn, ,. zu enthalten hätten, so müßten jetzt 90 r, den Saal verlassen.

Abg. Fegter ffortschr. Vollzp.): Der Paragraph wird dabin führen, daß alle ler n, ebe aus den Landkrankenkassen ausscheiden. Wenn wir schon gegen letztere protestieren müffen, weil durch sie zwei Klassen von Ar tern H ffen werden, so müssen wir uns mit aller Schärfe gen alle die Bestimmungen wenden, Lie den ländlichen Betriebskrankenkassen noch weitere . einräumen. Als es sich um den Mutterschutz handelte und eine bessere Säuglings⸗ pflege, die auch für die Wehrhaftigkeit des Volkes wertvoll sind, 6 man von den verbündeten Regierungen das Wort unannehmbar“ gehört. Wo es sich aber darum handelt, Bestimmungen so aus⸗ uarbeiten, daß zugunsten einer verschwindenden Minderheit auf dem ande alles heim alten bleibt, bezeugen die Regierungen bon vorn- herein mit höflicher Verbeugung ihre Diensibeflissenheit Das Un⸗ annehmbar der konservativ⸗agrarisch⸗ klerikalen Partei ist ausschlag⸗ ebend. (Lachen) Lachen Sie nur eine Zeitlang. Es wird eine 56 kommen, wo Ihnen das Lachen vergeht. Das Volk weiß, wo seine Freunde sitzen, an die es sich zu halten hat. (Widerspruch und Zurufe.) Ich habe nur Ihr Verhalten bier vor dem Lande fest= nageln wollen, Sie halten es nicht der Mühe für wert, die Gründe anzuhören. Sz 259 wird in der Kommissionsfassung gegen die Sozial⸗ demokraten und die fortschrittliche Volkspartei unverändert an— genommen. S8 260 268. (Bedingungen für die Errichtung und Zu— lassung von Betriebs- und Innungskrankenkassen) werden in der Diskussion verbunden. Nach 5 260 darf eine Betriebskrankenkasse nur errichtet werden, wenn sie den Bestand oder die Leistungs fähigkeit vorhandener allgemeiner Ortskrankenkassen und Landkranken— kassen nicht gefährdet; dasselbe ist in 8 263 für die Innungs⸗ krankenkassen vorgeschrieben. Nach 8 257 wird eine Betriebskrankenkasse, die vor Inkraft⸗ treten dieses Gesetzes bestand, nur zugelassen, ar r. I) sie mindestens 190, bei n,, für landwirtschaftliche und Binnenschiffahrtsbetriebe mindestens 50 Mitglieder hat, Y) ihr Fortbestand den Bestand oder die der allge⸗ meinen Ortskrankenkassen und der Landkrankenkassen nicht ge— ,. 3) ihre satzungsmäßigen Leistungen denen der maß— gebenden Krankenkassen mindestens gleichwertig sind oder binnen 6. Monaten gemacht werden und 4) ihre Leistungsfähigkeit für die Dauer sicher ist. Abg. Sch ick ert (Bkons.) plädiert für die Annahme einer Reihe von Amendements, die von ihm und den Abgg. Schultz, Horn. Reuß, Trim⸗ born und Rieseberg eingebracht sind und die dahin gehen: . . 2690 und 263 hinter gefährdet“ hinzuzufügen: „Dabei ilt eine Kasse nicht als gefäͤbrdet, wenn sie nach Einrichtung der . (bez. Innungs⸗] Krankenkasse mehr als 1060 Mitgtieder e 3

sodann in L267 die Nummer 2 zu streichen. .

Abg. Schmidt-Berlin (-Soz): Ich hätte nicht geglaubt, daß, nachdem die Kommission die Vorlage und den beflehenden Rechts— zustand schon so sehr verschlechterk bat, jetzt noch weitere Ver schlechterungsanträge von den Mehcheitsparteien würden, denn das sind die Anträge Schickert. Ich bitte das Paus, sie abzulehnen, dagegen unsere Anträge anzunehmen, wonach in ga statt errichtet? gesetzt werden soll zugelaffen⸗ und für den

all der Ablehnung dieses ntrages dem 8 260 der . gegeben werden soll, „wenn die Mehrhelt der versicherungspflichtigen Mit. glieder zustimmt«. Die Innungskrankenkassen wollen wir ferner eben⸗ falls beseitigt haben; eventuell sollen dem s 263 die beiden weiteren Bestimmungen hinzugefügt werden, daß die Kasse wenigstens 500 Mit- glieder haben wird und der Gesellenausschuß in geheimer Abstimmung zustimmt.

Abg. Brühne (Soz.): Mit den S5 262 263, betreffend die Neu—

gründung von Innungskrankenkassen, wird das System der ersplitterung der Krantenversicherung und des Krankenkassenwesens vollendet. Kleine Innungskrankenkassen können nichts leisten, und die Arbeiter, die ihnen angehören müssen, werden ganz eminent geschädigt. Es wird das zu einer wahren Kassenspielerei zum Nachteil der Arbeiter führen. Wir haben schon ö. Zwerginnungskrankenkassen mit 20, 15, 10, ja 6 versicherten Mitgliedern? dieser Unfug muß endlich aufhören. Die Anträge Schickert zu 55 260 und 253 halten wir nicht mit dem. Abg; Hormann für eine Verbesserung, sondern für eine der bösesten Verschlimmerungen der Vorlage, denn mit dieser Bestimmung wird man allmählich imstande sein, den Ortskrankenkassen den Boden abzugraben. ; Abg. Rieseberg (Wirtsch. n sind den Sozialdemokraten ein Born im Auge, weil da ihr Einfluß, nur minimal ist. Die Leistungen der Innungskranken— kassen können sich mit denjenigen jeder Driskrankenkasfe messen, ja sie sind vielfach höher. Die Innungen besitzen längft das elbständige Recht zur Errichtung eigener Krankenkassen. Die Bäckerinnungskrankenkassen gewaͤhren vielfach auch für jeden Sonn« und Festtag Krankengeld, das tut keine sozialdemokratische Drts— krankenkasse. Solange man die Innungskrankenkassen zuläßt, müssen auch deren Träger ihre Freude daran d eee, das können sie aber nicht, wenn sie fürchten müssen, jederzeit durch das Vorgehen einer Orts- krankenkasse aufgelöst zu werden. Darum bitten wir, unseren Antrag anzunehmen aber den sozialdemokratischen abzulehnen.

Abg. Molkenbubr (Soz.): Der Abg. Rieseberg . . uns doch nachweisen, in welchem Gewerbe außer dem Bäͤckergewerbe das Jahr 365 Arbeitstage bat; seine Anführung beweist nur, daß das Bäͤcker⸗ gewerbe das rückständigste der Welt ist. Die Regierung bevorzugt eingestandenermaßen die Innnungskrankenkassen als Gegengewicht gegen die sozialdemokratischen Ortskassen, sie fördert also damit ein. seitig die Unternebmerorganisationen.

S8 260— 262 werden mit den Anträgen Schickert und Gen., im übrigen in der Kommissionsfassung angenommen.

s AI Streitigkeiten) wird unverändert angenommen. S8 22 –- 276 betreffen die Gleichwertigkeit der Leistungen. §8 A3:

Leistungen der maßgebenden Kassen, die noch kein volles Jahr gelten, werden nicht beruͤcksichtigt; ebenso nicht hie, He n, . die nur auf Kosten der Rücklage oder durch eine Erbshung der Bei— träge über 409 des Grundlohnes bingus ermöglicht werden“,

beantragen die Sozialdemokraten zu streichen.

Abg. Molken bubr (Soz.) begründet diesen Antrag.

Der Antrag wird abgelehnt.

Nach § ö wird die Gleichwertigkeit von 4 zu 4 Jahren festgestellt, wenn Tatsachen vorliegen, die die früheren Fest⸗ setzungen als nicht mehr zutreffend erscheinen lassen.

Abg. Hoch (Soz.) beantragt, die Worte von 4 zu 4 Jahren“ zu streichen. Wenn man dieses Kriterium des Vorliegens von Tatsachen, die die früheren Festsetzungen alz nicht mehr zutreffend erscheinen lassen, annehme, dann müsse die Feststellung der Gleichwertigkeit von 4 zu 4 Jahren geradezu als eine Verhöhnung wirken.

Der Antrag wird abgelehnt.

S8 27-318 handeln von der Vereinigung, Ausscheidung, Auflösung und Schließung der Kassen.

Nach 85 277 der Kommissionsbeschlüsse wird eine Land⸗ krankenkasse, deren Mitgliederbestand nicht nur vorübergehend unter 250 sinkt, mit der allgemeinen Ortskrankenkasse des Bezirks vereinigt. Dies kann geschehen, wenn das Versicherungs— amt (Beschlußausschuß) nach Anhörung beteiligter Arbeitgeber und Versicherungspflichtiger das 3 für ihr Fortbestehen verneint. ab Abg. Schmidt Berlin (Soz) will den zweiten Satz gestrichen

aben.

Die Innungskrankenkassen

estellt werden

er Antra nb . n , . rigen ersalg

missionsantrãgen.

.

107.) J. Mitgliedschaft (65 319 531).

Nach 8 326 kann ein Mitglied, welches aus der ve e ,, , . ausscheidet, Mitglied h muß . bsicht aber der 6. binnen 3 Wochen nach den Ausscheiden anzeigen. „Wer jedoch in der zweiten oder dri dieser Wochen ausscheidet, hat für diese Krankheit Anspruch an die Kassenleistungen nur, wenn er die Anzeige in Fer ersten 364 gemacht hat.“

bg. Molken bu hr 9. statt des letzten Satzes folgende Neun angenommen wissen: „Im Falle der Erkrankung hat de ranke Anspruch auf die Kassenleistungen auch dann, wenn er sein freiwillige Mitgliedschaft erst nach der Krankenmeldung, aber fe Ablauf der drei Wochen anzeigt.“ r

Abg. Schmidt⸗Berlin (Soz.) beantragt in dem Schhus. satz des . hun

Mit Zustimmung des Oberversicherungsamtes kann die Satzun kürzere Fristen bestimmen“, statt kürzere“ längere“ zu setzen. ö

Nachdem auch noch der Abg. Sachse (Soz) für Hi Anträge eingetreten ist, werden sie abgelehnt. ic

Ss§8 332 bis 338 betreffen die Satzung, S8 339 bis 36 die Kassenorgane.

Nachdem die Paragraphen bis 339 inkl. ohne Dis kussinn in der Kommissionsfassung angenommen worden sind, wit gegen 4 Uhr die weitere Beratung auf Donnerstag 12 liht vertagt.

Prenszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 71. Sitzung vom 10. Mai 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste ratung des Gesetzentwurfs, e deff, Entlastung da Aberverwaltungsgerichts. Nach der Vorlage soll! Streitigkeiten über Geldleistungen steuerlicher Art en Revisionssumme von 500 S0 eingeführt werden webe jedoch das Recht des Vorsitzenden des Bezirksausschuses, au Gründen des öffentlichen Interesses das Rechtsmittel z Revision einzulegen, nicht beschränkt werden soll; über die It lässigkeit der Revision soll das Gericht erster Instanz entscheidn Ferner sollen bis längstens zum 1. Oktober 1914 Hilfsrichte eingestellt werden können.

Minister des Innern von Dallwitz:

Meine Herren, die Vorlage glaube ich ganz kurz als ein N, gesetz charakterisieren zu können. Sie ist ein Produkt der Notlage in die das Oberverwaltungsgericht geraten ist durch die von Jahr n Jahr steigende Zunahme der von ihm zu bewältigenden Arbeitslas Die Zunabme der Arbeitslast des Oberverwaltungsgerichts ist enn Konsequenz der Zunahme der Bevölkerung, der immer intensidem Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens und der immer stärker herpa tretenden Tendenz der neueren Gesetzgebung, die Kompetenzen da Verwaltungsgerichte auf neue Gebiete auszudehnen. Für das Rel suchende Publikum ergibt sich bieraus die höchst unerfreuliche Folg erscheinung, daß die Zahl der alljährlich bei dem Oberverwaltung gericht unerledigt bleibenden Streitsachen von Jahr zu Jahr imme mehr anschwillt und für das Jahr 1910 bereits die höchst bedenkliH Zahl von 2166 Streitsachen erreicht bat. Dieser schon jetzt nit haltbare Zustand wird sich aber voraussichtlich infolge der Einführum der Reichswertzuwachssteuer demnächst noch ganz erheblich rer schlechtern. Es hat sich daher nicht länger vermeiden lassen, an diese hohe Haus mit Vorschlägen zur Abhilfe heranzutreten.

Die zu diesem Zweck zu ergreifenden Maßnahmen werder nach Lage der Sache nach zwei verschiedenen Richtungen wirksan sein müssen, weil es sich einmal darum handelt, die Am arbeitung der schon jetzt angehäuften Rückstände zu ermöglichen sodann aber auch darum, der Wiederkehr ähnlicher Zustände, wie si gegenwärtig obwalten, für die Zukunft vorzubeugen. Sieht man den einer allgemeinen organisatorischen Aenderung der Zuständigkeiten und des Verfahrens bei den Verwaltungsgerichten ab, die ohnehin wegen der Dringlichkeit der erforderlichen Abhilfe vorerst ausscheidet, so bleiben zur Verhütung einer dauernden Ueberlastung des Ober, verwaltungsgerichts nur drei Wege offen: erstens die Einrichtung neuer Senate beim Oberverwaltungsgericht, zweitens die Vermehrung der Mitgliederzahl der Senate des Oberwaltungegerichts, und dritten die Einführung einer Revisionssumme für die dazu geeigneten Streit sachen. Nach reiflicher Erwägung glaubt die Königliche Start regierung, von einer Vermehrung der Senate beim Oberverwaltung?=

gericht Abstand nehmen zu sollen, weil angesichts der Tatsache, dei jetzt schon nicht weniger als neun Senate beim Oberverwaltung⸗

gericht bestehen, im Falle einer Vermehrung derselben der innere = sammenhang in einem so umfangreichen Kollegium sich nicht länge würde aufrecht erhalten lassen. Fällt aber der innere Zusammenban fort, dann würde das Oberverwaltungsgericht tatsächlich in eine Rey von Einzelgerichten mit selbständiger Rechtsprechung auseinanderfal⸗

und damit würde die Einheit der Rechtsprechung nicht nur gefäbe—

sondern de facto bereits aufgehoben sein.

Aus den gleichen Gründen, und weil durch die stärkere Beinen der einzelnen Senate eine Beschleunigung der zu treffenden dir scheidungen ebensowenig wie eine nennenswerte Entlastung der 4 zelnen Mitglieder erzielt werden könnte, glaubt die Königliche Stash regierung, auch von einer bloßen Vermehrung der Zahl der Richter stellen Abstand nebmen zu müssen.

Es erübrigt daher nur noch, auf den auch in dlesem beben Hause bereits wiederholt angeregten Vorschlag der Einführung einer Revisionssumme für Streitsachen über Geldleistungen steuerlicher At zurückzugreifen. Daß auch hiergegen mancherlei Einwendungen und Beschwerden geltend gemacht werden können, wird seitens der Staate regierung in keiner Weise verkannt. Unter den obwaltenden Um— ständen aber wird es sich nicht vermeiden lassen, diesen Weg zu e schreiten, der unter den vorhandenen Augkunftsmitteln immerhin als das weitaus geringste Uebel zu gelten haben dürfte. .

Die Einfübrung einer Revisionssumme für Streitsachen über Geldleistungen steuerlicher Art würde allerdings geeignet sein, der dauernden Ueberlastung des Oberverwaltungsgerichts für die Zukunft vor⸗ zubeugen, nicht aber den jetzt bereits bestehenden, durch die Anhäufung von mehr als 2160 Rückständen hervorgerufenen Notstand zu beseitigen,

atte nach becher,

; rroben, un Es folgt der vierte Abschnitt: Verfassung“. (33 zig 1

. ustand, ; . ründen bereits

Alleder des Oberverwaltungegerichtg zu erliegen

; n e. Publikum schweren Schaden leidet. Es der Vorlage ferner noch vorgeseben, daß zur Ermöglichung

Aufarbeitung der jetzt schon angesammelten Rückstände Jahre 1914 unter gewissen Kautelen einberufen wenig erwünscht ein derartiges Auskunftsmittel

an sich wo können, wenn an

ericht in er Zugunsten

den im Entwur

Zukunft wieder Platz greifen sollen. dieses Auskunftsmittels möchte ich, abgesehen von

f vorgesehenen Kautelen, noch darauf hinweisen, daß er nur um ein Provisorium, um einen vorübergehenden

es ich 3 und daß die gleichen Maßnahmen aus den gleichen

beim Rei Meine Herren, Jnteresse

Ansehens des jetz gen unhaltbar

durch das Gesetz vom 22. Mai des vorigen Jahres chsgericht zur Anwendung gebracht worden sind. ich bitte Sie, die Vorlage wohlwollend zu prüfen des rechtsuchenden Publikums und im Interesse des Oberverwaltungsgerichts, das bei einer Fortdauer des en Zustandes schweren Schaden erleiden müßte.

Dr. von Kries (kons.): Zur Entlastung des Oberverwaltungs

bab Sachen im Jahre 1906 ist

3555 ahre 1910 gewachsen. . 36 unerledigt geblieben.

ingeschlage

enken, 6 . Höbe der Revisions

hei geringere ö tigkei t

Abg h ; ; z einschneidende Maßnahmen notwendi

daten iich 8 9 Zabl der . auf Am Ende des Jahres 1910 waren Der von der Regierungsvorlage ne Weg stößt bei uns doch auf manche Bedenken. Es ist daß die Wichtigkeit einer Beschwerde keineswegs immer . abhängt, sondern es kann sich auch

n Obiekten um prinzipielle Entscheidungen von außer und weitgehender Bedeutung handeln.

gemacht.

r . . 1 eiu gen Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kom—

ir beantts [ Mitgliedern.

i n Wuermeling (Zentr.) hebt das große Ansehen hervor,

Abg. D

; zreußische Oberverwaltungsgericht habe, und bezeichnet es als an me ich d . , werden uff daß

zauptgrundsaß, der bei dieser Re

ws Dberwaltungsgericht auch weiter auf der Höhe gehalten werden

üsse.

um ö r. Dr. Lo eisung der Vo

ntwurfz. Die g üse für die Prüfung un

; Die Kritik des Redners an der Vorlage ist im einzelnen auf er Berschterstattertribüne nicht zu verstehen. Der Redner spricht Schluß für Kommissionsberatung aus. .

(frkons.) erklärt, daß seine Fraktion mit der Ver⸗ lage an eine Kommission einverstanden sei. cberlastung des Oberverwaltungsgerichts werde von seinen Freunden nerkannt und möglichtit baldige Abhilfe im Interesse der Richter für atwendig gehalten. Der Redner kritisiert dann, zum Teil im Anschluß

die Darlegungen des Vorredners, eine Reihe von Einzelheiten des ie Einheitlichkeit des Verwaltungsrechts zu wabren, 1d schließliche Gestaltung der Regierungs⸗ arschläge der leitende Gesichtspunkt sein; es werde sich zu zeigen aben, ob der Weg der Vorlage der richtige sei. . :

Äbg. Dr. Röch ling (al.): Auch wir haben gegen die Vorlage die llerschwersten Bedenken; auch wir geben zu, daß aus der Geschäfts⸗

Die

äufung bei dem Oberverwaltungsgericht Unzuträglichkeiten entstanden

ind, aber wir sind sebr zweifelbaft, oh es geraten ist, zur Abhilfe nselben den Weg zu betreten, den die Regierung zu gehen vorschlägt. zhre Vorschläge erscheinen Reignet, die Rechtseinheit, das höchste Gut, ö gefährden und Rechtsunsicherbeit zu schaffen. Die Streitigkeiten

zivilrechtlichen Fragen der Steuergesetzgebung (Wechselstempel,

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nicht zu, weil wir zu den Wen ee ch fen a der Art, wie sie a

, , n,. werden, kein Vertrauen n können. Der Bezirks—⸗ romberg hat 3. B. für die Mißgriffe des Tandrats des Kreises Bromberg, über die wir beim Etat zu klagen hatten, nicht Remedur eintreten lassen. Man sollte die Richterstellen beim Oben verwaltungsgericht vermebren. Wir erkennen die Gründe der Htegierung für diese Vorlage nicht an; die Einheitlichkeit der Rechtsprechung hat eine unangenehme CKehrseite der Medaille in emer Verknöcherung des Rechte, Wir können die Vorlage auch deshalb nicht annehmen, well der . des Bezirksausschuffes im öffentlichen Interesse auch geringere Sachen zur Revision vor das Oberverwaltungsgericht bringen kann. Wir haben schlimme Erfahrungen damit gemacht, was er Vor. sitzende des Bezirksausschusses als öffentliches Interesse ansieht, das lãuft vielfach auf Interessen der Bureaukratie hinaus. Die Polizei kümmert sich z. B. vielfach gar nicht um die Gerichtsentscheidungen, diese Entscheidungen sind für sie einfach Luft. Das Oberverwaltungs⸗ gericht hat z. B. entschieden, daß sich der 5 12 des Reichsvereins⸗ gesetzes , , . nur auf politische Versammlungen be⸗ zieht, aber nicht auf Versammlungen mit belebrenden Vorträgen. Die Polizei in Kattowitz hat aber trotzzem Versammlungen der letzteren Art aufgelöst.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die Poltzeiorgane üben die Ueber⸗ wachung von Versammlungen in dem ollen Bewußtsein, daß sie Unrecht, tun, aus. Die Revision beim Oberverwaltungsgericht ist noch viel wichtiger als in anderen Rechtsstreitigkeiten, weil die niederen Verwaltungsorgane nach Willkür versahren. Ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen Senaten des Oberverwaltungs⸗ . besteht schon jetzt überhaupt nicht. Wer glaubt denn daran?

azu haben die Herren ja gar keine Zeit. Ünter Rechtseinheit ver⸗= steht man hier, daß man die Bezirkeausschüffe zur höchsten Instanz macht! Es handelt sich hier nur um ein Verlegenheitsgeseß. Die Wichtigkeit der Entscheidungen hängt vielfach überhaupt garnscht von der Wertgrenze des Objekts ab. Bas ist bier nur eine bureaukratisch⸗ fiskalische Regelung, indem man nur dem Vorfitzenden des Bezirks. ausschusses, aber nicht den Parteien das Recht gibt, an das Ober⸗ verwaltungsgericht zu gehen. Die ganze Maßregeln“ stellt sich als eine, Kur, nach Doktor Eisenbart dar. Die Hiffsrichter besitzen weniger Unabhängigkeit und baben auch nicht genügend Autoritãt. Man muß dringend vor diesem Gesez warnen; das einzig Richtige ist, das Gesetz abzulehnen, und meine Freunde werden in diefen Sinne stimmen.

Aba. Dr. Bon Woyna lfreikons. ): Der preußische Staat hat ein Rechtsmittelsystem wie kein anderer Staat der Welt. Ich kann der Sozialdemokratie nicht das Recht geben, dieses System zu kritisieren, da sie in ihren eigenen Organifationen Rechte kontrollen nicht anerkennt, sondern unbegueme Mitglieder einfach ausschließt. Andererseitz läßt sich nicht leugnen, daß wir zu einer

vpertrophie in der Ausbildung von Rechtsmitteln gelangt ind, die auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. Die Be— gründung der Vorlage deutet schon auf eine organische Besserung aller dieser Verhältnisse durch die zu erwartende Verwaltungs reform hin. Die Ueberlastung des böchsten Verwaltungsgerichts kemmt daher, daß die Gesetzgebung, die Presse, alle Faktoren der öffentlichen Meinung sich nicht klar darüber sind, was eigentlich bor das Verwaltungsgericht gehört. Bei jeder Gelegenbest wird gerufen: das 3. vor das Oberverwaltungsgericht. Diese irregeleitete öffentliche Meinung hat in der Hauptfache die Ueber- lastung des Oberverwaltungsgerichts zu Wege gebracht. Das Sber— berwaltungsgericht, das nur die Anordnungen der Verwaltung kontrollieren sollte, ist tatsächlich dazu berufen worden, Aufgaben der Verwaltung zu erfüllen. Dafür mussen wir bei? der Verwaltungsreform Abhilfe schaffen; das QOberverwaltungsgericht darf nur nach österreichischen Muster die Instanz der révisio de jure sein. Nur unter den obwaltenden Umständen kann man vielleicht von dem Vorschlag dieser Vorlage nicht absehen. Der Abg. Nöchling schlägt das englische System vor, wonach eine anze Reihe von Sachen von den ordentlichen Gerichten ö ent⸗ . sein sollen, aber der Reichstag hat jetzt ausdrücklich be— chlossen, die Fragen der Wertzuwachssteuer nicht den ordentlichen Gerichten, sonder n dem k zu überweisen. Wir haben aber in Preußen einmal besondere Verwaltungsgerichte kon⸗ struiert, und deshalb möchte ich den Vorschlag des 263 Röchling auch nicht empfehlen. Es wäre auch zu prüfen, ob das Oberverwaltungs gericht selbst in der Lage wäre, durch Revision seiner eigenen Be— stimmungen über den inneren Dienst eine Vereinfachung zu schaffen, da könnten vielleicht die österreichischen Verhältnisse als Vorbild dienen. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß das Gesetz ein Provisorium ist, dann wird man die Stellung der Hilfsrichter aufrecht erhalten. Von einer Abhängigkeit der Hilfsrichter kann keine Rede sein; unsere Richter haben genügend n rellen. Vor⸗ würfe gegen die vreußische Verwaltung in dieser Beziehung muß ich energisch ablehnen.

Der Entwurf wird an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen.

Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betr. die Umlegung von Grundstücken in der Residenzstadt Posen.

Unterstaats sekretãr Dr. Freiherr von Coels vonder Brügghen: In der Frankfurter Vorlage war ursprünglich ein Paragraph ent⸗ balten, welcher die Ausdehnung des Frankfurter Geseßzes auf andere preußische Städte unter gewissen Voraussetzungen durch Allerhöchste Kabinettsorder zuläßt. Das Abgeordnetenhaus hat diesen Paragraphen gestrichen, es war der Ansicht, daß so tiefe Eingriffe in das Privat eigentum der Hausbesitzer nur durch ein Gesetz erfolgen dürfen. Die Stadt Posen hat auch beantragt, daß das Gesetz wenigstens auf einen Teil der Stadt Posen angewendet werde, und bat später gefordert, daß das ganze Posener Stadigebiet unter das Gesetz fallen solle. Nach— dem 2 der Magistrat nachgewiesen hat, daß eine gewisse Wohnungs⸗ not in Posen besteht, daß dort wenig geeignetes Bauland vorhanden ist, daß durch das Gesetz ein unzweckmäßig zerschnittener Baublock in bebaubares Gelände umgewandelt werden kann, hat sich die Staats- regierung entschlossen, Ihnen den vorliegenden Gesetzentwurf vorzulegen. Sie bat dabei als einzigen Zweck die wirtschaftliche Hebung der Posener Verhältnisse im Auge, gehabt. Das Gesetz würde für die Stadt von Nutzen sein, die Ausgestaltung der Baupläne in architektonischer Finsicht ermöglichen und insbesondere die Schaffung don kleinen Wohnungen berbeiführen. Die Bedenken, die in letzter Stunde in Posener städtischen Kreisen hervorgetreten sind, 3 zerstreut werden können. Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zu— zustimmen, wie es auch das Herrenhaus getan bat.

Abg. von Til ly (koens. ): Die Gründe für die Anwendung des Ge—⸗ sezes auf die Stadt Posen liegen klar auf, der Hand. Es liegen letzt in Pesen dieselben Perbältnisse vor wie damals in Frankfurt am Main. Nach Abzug der Gelände, die aus öffentlichen oder minstärischen Gründen nicht bebaut werden können, bat Posen nur 840 ha Bau- land. Davon liegen aber 770 ha so weit von der Stadt ab, daß ibre Bebauung zunächst nicht in Betracht kommt. Es bleiben also nur 70 ha übrig, die dazu noch außerordentlich zersplittert liegen. Dat Gesetz von 1902 bat sich in Frankfurt a. M. gut be⸗ währt. Wir halten es det halb, vorbehaltlich unserer spãteren Stellungnahme, für durchaus notig, daß das Gesetz sinngemäß auf Posen Anwendung findet. Wir würden das Gesetz 9m ohne Kom⸗ missionsteratung erledigen; da aber in Posen selbst edenken laut ge= worden sind, so halten wir es für nötig, das Gesetz der Gemeinde⸗ kommission zu überweisen, damit namentlich die in der Stadt⸗ verordnetenversammlung in posen geltend gemachten Bedenken ein« gebend geprüft werden.

Abg. Dr. Glatzel (nl): Auch wir hätten der Vorlage gern gleich unsere Zustimmung gegeben; da aber Kommissionsberalung ge— wünscht wird, stimmen wir . zu. Da wird man die vorliegenden

etitionen eingehend prüfen, insbesondere erwägen können, ob eine enderung des Frankfurter Gesetzes nötig ist, wie es z. B. der Haus besitzerverein fordert.

Abg. Dr. Wuermeling Zentr. ): Meine Freunde sind dafür, daß die Vorlage nicht ohne weiteres erledigt, sondern an die Kommifsion verwiesen wird. Wir halten eine Kommissionsberatung für fachlich erforderlich. Hier liegen die Verhältnisse doch nicht so wie in Frank⸗ furt; denn es sind nicht einmal die Posener städtischen Kollegien einig. In der Stadtverordnetenversammlung sind schwere Bedenken geäußert worden, und selbst in der Begleitschrift des Magistrats zu der Eingabe der Stadtverordnetenversammlung ist zwischen den Zeilen zu lesen, daß der Magistrat nicht ganz für die Vorlage ist. Wir be⸗ grüßen allerdings das Gesetz insofern, als dadurch die Wohnungsfrage wieder in Angriff genommen worden ist, wollen aber hoffen, daß die in Aussicht gestellte Regelung der Wohnungsfrage nur einen Dorn— röschenschlaf hält und wir bald eine allgemeine gesetzliche organische Regelung der Wohnungsfrage bekommen werden.

Abg. Kindler ffortschr. Volksp.): Es ist allerdings in Posen er— forderlich, Grundstücke umzulegen und besseres Baugelände zu schaffen, ich mache mir aber die Begründung der Vorlage nicht zu eigen. Ob die Besitzer Gelände umsonst hergeben sollen, ist Sache der Kommune und berührt die Umlegungsfrage an sich nicht. Die Vorlage hat bereits das Herrenhaus passiert, es ist aber dort gesagt worden, daß es erwünscht gewesen wäre, wenn die Vorlage zunächst der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt worden wäre. Ein freiwilliger Antrag der Grundbesitzer auf Umlegung wird in Posen wohl kaum aktuell werden, es wird immer eines Anstoßes durch die Gemeinde bedürfen. Aus den beigelegten Plänen ersieht man, daß das Gelände, das zu öffentlichen Zwecken nötig ist, in den einzelnen Bezirken ganz ver⸗ schieden ist. In manchen Gegenden will man Gelaͤnde für Pracht⸗ straßen und Parkanlagen schaffen. Für solche Zwecke zugunsten Ter Allgemeinheit kann auch die Allgemeinheit etwas beitragen und die Grundbesißer für die Hergabe des Geländes entschädigen. Ich schließe mich dem Antrage auf Beratung der Vorlage in der Ge— meindekommission an.

Abg. Viereck (freikons. : In Posen herrscht Wohnungsmangel, namentlich Mangel an kleinen Wohnungen, und die Presse find ver— bältnismäßig hoch. Es ist allerdings Baugelände neu geschaffen worden, aber die Preise sind zu hoch, um kleine Wohnungen bauen oder kleine Familienhäuser anlegen zu können. Die Stadtverordneten von Posen sind über die Absicht der Einführung der Jex Adickes nicht genügend informiert worden; ich lasse dabingeftellt, ob dies eine Schuld des Magistrats war, aber jedenfalls hätte eine fo wichtige Sache der Stadtverordnetenversammlung vorgelegt werden müffen. Ob die Verhältnisse, die in Frankfurt a. M. dazu geführt haben, die 20 do des Grundbesitzes die ursprünglich unentgeltlich bergegeben werden sollten, auf 35 o zu erhöhen, auch für die Stadt Posen zutreffen, läßt sich nicht ohne weiteres fagen. Ich bin damit einderstanden, daß die Vorlage der Gemeindekomnission über— wiesen wird.

Abg. Dr. von Niegolewski (Pole) äußert einige Bedenken gegen die Vorlage, die in der Gemeindekommission erörtert werden müßten.

Die Vorlage wird der Gemeindekommission überwiesen.

Es folgt die erste Beratung des vom Herrenhause bereits angengmmenen Geseßentwurfs, betr. die Verpflichtung zum Besuche ländlicher Fortbildungsschulen in den Provinzen Brandenburg, Pommern, Sachsen, West— falen sowie in der Rheinprovinz und in den Hohen⸗ zollernschen Landen.

Nach der Vorlage kann durch Ortsstatut für die schul⸗ entlassenen männlichen Personen unter 18 Jahren für drei Winterhalbjahre die Fortbildungsschulpflicht begründet werden. Für einen Gutsbezirk beschließt darüber der Kreisausschuß mit Justimmun⸗ des Gutsbesitzers. Das Statut hat nähere Be— stimmungen über die Sicherung des regelmäßigen Schulbesuchs und über die Schulordnung zu treffen; die Zeiten für den. Unterricht setzt der Gemeindevorstand bezw. der Kreisausschuß fest. Befreit von dieser Schulpflicht sind die⸗ jenigen, die die Berechtigung für den einjährigen Militärdienst haben oder eine Innungs⸗, Fach⸗ oder andere Fortbildungs— schule besuchen oder einen entsprechenden anderen Unterricht erhalten. Das Statut kann weitere Ausnahmen machen. An Sonntagen darf Unterricht nicht erteilt werden.

Minister für Landwirtschaft ꝛc. Dr. Schorlemer:

Meine Herren! Der Gesetzentwurf, welcher Ihrer Beschluß— fassung unterbreitet ist, schließt sich in seinen Bestimmungen an die gleichnamigen Gesetzentwürfe an, welche schon im Jahre 1904 be— züglich der Provinz Hessen⸗Nassau, 1909 bezüglich der Provinz Han— nover, 1910 bezüglich der Provinz Schlesien erlassen worden sind.

Ich durfte schon vor einiger Zeit im Herrenhause ausführen, daß die günstigen Erfahrungen, welche in den vorgenannten Bezirken über die Entwicklung des ländlichen Fortbildungsschulwesens gemacht worden sind, die Staatsregierung nur ermutigen konnten, entsprechend den Wünschen der Vertretungen der jetzt in Betracht kommenden Landes— teile die gegenwärtige Vorlage, die bereits mit unwesentlichen Aenderungen die Zustimmung des Herrenhauses gefunden hat, Ibrer Beschlußfassung zu unterbreiten.

Mit Rücksicht darauf, daß der Inhalt der Vorlage in der Haupt— sache übereinstimmt mit den früheren, dieselbe Materie betreffenden Gesetzentwürfen, glaube ich, davon absehen zu können, gegenwärtig auf den Inhalt näher einzugehen. Ich möchte nur mit Rücksicht auf die im Herrenhause bei der Beratung hervorgetretenen Wünsche auch hier hervorheben, daß der Entwurf davon abgesehen bat, die Zeit zum Besuche der ländlichen Fortbildungeschule weiter als auf drei Winter⸗ halbjahre auszudehnen. Es ist mit Recht Rücksicht genommen worden auf die ländlichen Verhältnisse, in denen vielfach die jungen Leute im Alter von 14 bis 18 Jabren gerade als Kinder kleinerer Ackerbürger in der elterlichen Wirtschaft nicht entbehrt werden können; und es mußte auch Rücksicht genommen werden auf die im Lande vielfach in Betracht kommenden größeren Entfernungen vom Sitz der Winterschule, die bei der Ausdebnung der sommerlichen Arbeit für den Besuch der Schule entgegensteben.

Die Staatsregierung hat, entsprechend dem bei früheren Anlässen hier gefaßten Beschlusse, auch in dieser Vorlage davon Abstand ge— nommen, den Unterricht in der Fortbildungsschule für den Sonntag zuzulassen. Sie stebt auf dem Standpunkt, daß sowohl die Rücksicht auf die Zeit der Lehrer in der ländlichen Fortbildungsschule als auch wiederum die Rücksicht auf die ländlichen Verhältnisse es angezeigt erscheinen lassen, von dem Unterrichte am Sonntag Abstand zu nehmen. In manchen Gegenden würde zweifellos auch eine Kollision zwischen dem wünschenswerten Besuch der Kirche und dem Unterrichte entstehen, und man wird auch nicht leugnen können, daß zahlreiche Eltern den Wunsch haben, die von Kirchenbesuche freien Stunden am Sonntag mit den Kindern zu verleben, die Kinder bei sich im Hause zu behalten oder sich mit ihnen gemeinschaftlich in der schönen Gottesnatur zu ergehen. Selbstredend ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß freiwillige Veranstaltungen auch Sonntags stattfinden können, daß es den Lehrern und Leitern ländlicher Fortbildungsschulen durch- aus nicht genommen ist, auch Sonntags die Schüler um sich zu ver— sammeln, mit ihnen belehrende Ausflüge zu machen oder Turn und

Freiherr von