1911 / 118 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

als die Veranlagung vor 59 Jahren nach sehr wechselnden und schwankenden Grundsätzen erfolgte. Erst recht unvollkommen ist diese Steuer, nachdem sich diese Verhältnisse so gründlich geändert haben; da ist es doppelt bedenklich, eine Ermaͤchtigung zu geben, sie zur Grundlage für die Auferlegung neuer Lasten zu machen. Nach dem Grundsteuerfuß ist eine gerechte Lastenperteilung nicht möglich. Heute sind vielfach die Ergebnisse von Böden dritter bis achter Klasse höher als die von Böden zweiter Klasse, namentlich infolge der verbesserten landwirtschaftlichen Technik und der Kunstdünger⸗ wissenschaft. Von dem Rechte, einen anderen Maßstab zu wählen, ist kaum Gebrauch gemacht worden. Will man nicht den Arbeiterbedarf, dann sollte man den gemeinen Wert der Grundstücke zur Grundlage machen. Es hat auf mich einen geradezu komischen Eindruck emacht, daß ausgerechnet die Deutsche Tageszeitung“ als Argument für die Bei⸗ behaltung des Grundsteuermaßstabes die Selbstverwaltung angeführt hat. Zum Lachen ist dies geradezu, nachdem die ,, in der Form angenommen sind, wie wir sie die Mehrheit haben annehmen sehen. Es ist verständlich, daß die Bureaukraten es lieben, eine bequeme Veranlagung zu haben, aber eine summarische Veranlagung, wie die Vertreter der verbündeten. Regierungen sagen, ist nicht im Interesse der landwirt haftlichen etriebs⸗ inhaber, die die Kosten zu tragen haben. Mir ist bekannt, h in Hessen⸗Nassau von einer Bexufsgenossenschaft der Versu gemacht worden ist, an Stelle des Umlageverfahrens nach Arbeits⸗ tagen und Gefahrenklassen den Grundsteuermaßstab einzuführen. Dagegen hat sich die große Mehrheit der in Betracht kommenden landwirtschaftlichen Betriebsinhaber erklärt. Dort wiegen die Klein⸗ bauern vor. Ebenso ist es im Württembergischen. Es will mir nicht einleuchten, wieso die Veranlagung nach Gefahrenklassen in Bayern so außerordentliche Schwierigkeiten machen soll. In Schleswig⸗ Holstein z. B. bereitet der ertragreichste fette Marschboden, wie wir ihn an der Küste und im Westen haben, geringe Arbeit, während der minderwertigere Boden mit Gespannen usw. bearbeitet werden muß. . diese Distrikte bedeutet der Grundsteuermaßstab eine Mehr⸗ elastung und eine Ungerechtigkeit. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß in den Kreistagen, aus denen die Wahlen für die Berufg⸗ enossenschaften hervorgehen, auch der Großgrundbesitz maßgebend ist, o müssen wir gegen diese Bestimmung sehr mißtrauisch sein, um so mehr als sie von der „Deutschen Tageszeitung“ empfohlen wird. Alles, was von dieser Seite kommt, nehme ich mit außerordentlichem Mißtrauen auf. Durch die Erfahrungen, wie durch die sachlichen Erwägungen gelangen. wir dazu, daß allein die Veranlagun nach Arbeitstagen unter Berücksichtigung von Gefahrenklassen gerecht ist, und bitten daher, dem Antrage Dörksen zuzustimmen.

Direktor im Reichsamt des Innern Caspar: Daß der Grund steuermaßstab unter gewissen Verhältnissen ungerecht wirkt, hat noch niemand bestritten. Das ist von vornherein erkannt und anerkannt. Aber auf der anderen Seite ist ebenso unbestritten, daß für viele Ver— hältnisse der Grundsteuermaßstab von den Beteiligten selbst als ein ganz besonders geeigneter angesehen wird. Man kann aklso nicht die Notwendigkeit anerkennen, daß er nicht da angewendet werden soll, wo er paßt. Wenn der Abg. Fegter meinte, der ÜUmstand, daß z der Berufsgenossenschaften sich für den Grundsteuermaßstab erklärt haben, beweise, daß er den Bureaukraten bequemer wäre, so handelt es sich ja gar nicht um die Verwaltung dur Bureaukraten, sondern um die Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften, und wenn von den e en z sich dafür aussprechen, so müssen sie sich doch wohl dabei fühlen.

Ahg. Molkenbuhr (Soz.) syricht sich für den Antrag Dörksen

aus. Es handle sich darum, endlich eine Ungerechtigkeit aus der Welt zu schaffen, für deren Beseitigung seine Partei fchon feit 10 Jahren eingetreten sei.

Abg. Graf von Westarp (dkons.): Daß der Grundsteuermaßstab ein ungerechter ist, wird durchaus nicht überall zugegeben, sondern höch⸗ stens, daß er ein unvollkommener ist. Es ist auch nicht richtig, daß er für den kleinen Grundbesitzer besonders ungerecht ist. Ri tig ist nur, daß die schwereren Böden mehr belastet werden. er Großgrundbesitz braucht für dieselben Flächen verhältnismäßig weniger Arbeitskräfte als die kleinen Besitzer. Der hauswirtschaftliche Unfall, ist in der Landwirtschaft von dem eigentlichen landwirk— schaftlichen Unfall schwer zu unterscheiden. Die Entschädigung der hauswirtschaftlichen Unfälle kommt aber besonders dem kleinen Landwirt zu gute. Der Maßstab der Arbeitskräfte verursacht sehr erhebliche Kosten, erhebliche Arbeitskräfte und wirkt auch nicht überall gerechter als der Grundsteuermaßstab. Der Lohn ist auch deshalb schwer zu Grunde zu legen, weil die kleinen Landwirte keine Buchführung haben. Die Entscheidung über diese Sätze muß den lokalen Organ n überlassen werden, die in der Lage sind, die ver— schiedenen Verhältnisse zu berücksichtigen. Man müßte den Selbst— verwaltungsorganen wirklich die Entscheidung diesem Zwecke sind wir dem Abg. Dörksen gekommen, alz wir es zugelassen haben, daß in g 1001 a auch andere Maßstäbe, zu Grunde gelegt werden können, z. B. die Kulturart, die Fläche in Verbindung mit der Grundsteuer, der Rein⸗ ertrag der Grundstücke als solcher und der Ertragswert aus dem 26 fachen dieses Reinertrages.

Abg. Vogt-Hall (wirtsch. Vgg.) polemisiert im Sinne des Grafen Westarp gegen die Ausführungen der Abgg. Molkenbuhr und Fegter. Wenn die Umlagen nach dem Grundsfeuermaßstab immer ungerecht wären, dann sollte der Abg. Fegter auf eine bessere und gerechtere Veranlagung der, Grundsteuer hinwirken. (Zuruf links Dann dürfte man guch die Kosten für diese Aenderung nicht scheuen. Die Erträge des Waldes seien mit den Jahren gestiegen und in seiner Heimat Württemberg bemühe man ssich seit Jahren vergebens, den Fiskus zu veranlassen, mit seinem Waldbestande in die Berufsgenossenschaft einzutreten. Er bitte, bei dem Kommissions⸗ beschluß stehen zu bleiben.

Abg. Herold (Zentr.): Zweifellos trifft die Umlage nach Arbeits— tagen und Gefahrenklassen das richtige, aber praktisch ist die Durch⸗ führung dieses Gedankens sehr schwierig. Mit dem Grundfteuer— maßstabe sind die. Berufsgenossenschaften tatsächlich in manchen Gegenden ganz zufrieden. Die Verteilung nach einem festen Maßstabe

überlassen. Zu insofern entgegen⸗

hat den großen Vorzug, daß auch die Nebenbetriebe erfaßt werden

können. Ich kann Sie auch nur bitten, anzunehmen. Abg. Fegter ffortschr. Volksp) (von der rechten Seite mit leb— Oh“ empfangen): Ich freue mich, daß Sie mich gern Woße fortdauernde Unruhe rechts und im Zentrum.) Sie so nach Belieben über eine Stunde über reden, dann müssen Sie auch uns anhören. haben wir wieder die Herren von den Mehr— itrnarteien wirklich reden hören; ich konstatiere aber, daß schen spezifisch agrarische Fragen sein müsfen, die sie veranlassen können, aus ihrer Schweigsamkeit herauszutreten. Auch der Regierungsvertreter hat zugeben müssen, daß die Grundsteuer als Maßstab roh ist. Die Beibehaltung der Grundsteuer durch 34 landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften ist anderseits noch kein Beweis für ihre Vorzüge; es können auch dabei egoistische Motive mitgewirkt haben. In allen landwirtschastlichen Berufsgenossen— schaften kommen wie in den Landwirtschaftskammern die Kreise des kleinen und mittleren Grundbesitzes nicht zur Geltung. Der Vorschlag des Abg. Vogt⸗Hall, die Grundsteuer neu zu veranlagen, würde in seiner Ausführung viel kostspieliger sein als die Umlegung nach Arbeitstagen unter Berücksichtigung der Gefahrenklassen. Die Herren rechts führen die Selbstverwaltung der Berussgenossenschaften, sie ziehen auch das Prinzip der Gerechtigkeit ins Feld, leider aber nur nicht allgemein sondern bloß dann, wenn es ihnen für ihre Sonder zwecke in den Kram paßt. (Schluß-Rufe, die sich mehrmals stärker wiederholen) Auch der Abg. Herold hat den Maßstab der Arbeitstage als richtig anerkannt und nur seine Durchführbarkeit bezweifelt. Ich bitte Sie nochmals, den Antrag Dörksen anzunehmen.

Damit schließt die Diskussion. Ueber den Antrag Dörksen— Gaebel wird namentlich abgestimmt.

die Kommissionsbeschlüsse

Das Ergebnis, ist die Ablehnung des Antrags mit 170 gegen 141 Stimmen; 3 Mitglieder enthalten sich der Abstimmung. .

8z 267 hat in der Kommission einen Zusatz 2. wonach das Reichsversicherungsamt, wenn es die Geschäfte der Genossenschaftsorgane zu führen hat, infolge des Nichtzustande⸗ kommens der Wahl von solchen oder infolge Weigerung der gesetzlichen Organe, sie zu führen, nicht berechtigt ist, an Stelle der Genossenschaften ö zu erlassen und technische Aufsichtsbeamte anzustellen. Diesen Zusa haben die Sozialdemokraten zu streichen beantragt; es fo darüber namentlich abgestimmt werden.

Abg. Eichhorn (Soz. tritt für die Streichung ein. Die unh gefahr sei besonders in der Landwirtschaft eine sehr große; die Zahl der Unfälle in der Landwirtschaft sei stetig 3 Die von den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften angestellte Zahl technischer Aufsichtsbeamter sei viel zu gering, das werde auch von den Auf⸗ sichtsbehörden beklagt. Der Maschinenbetrieb greife in der Land- wirtschaft immer mehr um sich und ihm stehe meist ein Perfonal von jungen Leuten gegenüber, die in ihrem Leben keine Maschine gesehen aben. Die vorgeschlagene Einschränkung der Befugnisse des Reichs⸗ versicherungsamts könne ja gar keinen anderen Grund haben, als daß die Aufsicht des Reichsbersicherungsamts den Herren in den land“ wirtschaftlichen Berufegenossenschaften unbeguem und lästig sei. In einem Jahre wären in der Landwirtschaft nicht weniger als 135 000 Unfälle zur Anmeldung gekommen; Entschädigungen erhalten hätten 61 000 Unfallperletzte, darunter nicht weniger als 3381 Kinder, d, h. Knaben und Mädchen unter 16 Jahren; auch hätten sich ca. 1000 Erwerbsunfähige darunter befunden. Das ergebe ein grausiges Bild von der Höhe der landwirtschaftlichen Unfallgefahr. Die Agrarier hätten von dem preußischen König selbst die Aufforderung zu hören bekommen, im Punkte der Unfallverhütung mehr als bisher ihre Pflicht zu tun. Sie wären dieser Aufforderung nicht nur nicht nach ekommen, sondern fielen hier sogar der Regierung direkt in den . Wo bleibe da die preusßische Regierung und die Reichsleitung mit ihrem »Unannehmbar“? Sei die preußische Regierung etwa sicher, daß sich an der obersten Stelle auch die Meinung gegen fruher geändert a. etwa wie in der Frage des Brotwuchers? Die preußische Regierung habe die Gesundheit des Volkes gewissenlos dem Junkertum, dem Brotwucher zum Opfer , (der Präsident rügt diesen Aus⸗ druck als unzulässig); hier solle auch Leben und Gesundheit der preußischen Landarbeiter dem preußischen Junkertum Überantwortet werden. Rühre die Regierung keinen Finger, so solle wenigstens . . ein Einsehen haben und den Zusatz der Kommission reichen.

Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Zu den vielen Unbegreiflich⸗ keiten, die die Kommission fertiggebracht hat, gehört auch die Ausnahme— bestimmung, daß das Reichsversicherungsamt nicht berechtigt sein soll, an Stelle der Genossenschaften Unfallverhütungsvorschriften zu er⸗ lassen und technische Aufsichtsbeamte anzustellen. Ich hätte nicht ge⸗ laubt, daß man den Mut gehabt hat, eine solche Bestimmung zu eschließen. Es gibt eine ganze Anzahl von landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die bisher von ihrem Rechte, Unfallverhütungs⸗ vorschriften zu erlassen, überhaupt keinen Gebrauch gemacht haben, dazu gehören vor allem die mecklenburgischen Berufsgenossen⸗ schaften. Wo sie aber erlassen sind, sind sie vielfach völlig un⸗ zulänglich. Das Reichsversicherungsamt hätte alle Veranlassung, Unfallverhütungsvorschriften für die gesamte Landwirtschaft zu er— lassen. Der Einwand, daß das Reichsversicherungsamt zum Erlasse solcher Vorschriften unfähig sei, ist von der Regierung in der Kommission 6 widerlegt worden. Aber auch die besten Unfall—⸗ verhütungsvorschriften nützen nichts, wenn sie auf dem Papier stehen bleiben, wenn die Kontrolle fehlt. Unsere Technik ist foweit vor⸗ eschritten, daß die Unfallverhütung sehr wohl durchzuführen sist. Man sieht aber auf dem Lande, daß Dreschmaschinen ufw. ohne alle Schutzporrichtung vorhanden sind, so daß namentlich zahlreiche Frauen verunglücken. Es ist eigentlich unerhört, da nan hier nicht energisch vorgeht. Es ist unser aller verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dafür zu sorgen, daß die ungeheure Unfallziffer in der Landwirtschaft fällt. Ich freue mich, daß über den fozialdemokratischen Antraf namentliche Abstimmung beantragt ist. Vielleicht überlegt es * noch mancher von Ihnen, ehe er dem Kommissionsbeschluß zustimmt.

Damit schließt die Diskussion.

Berichterstatter Abg. Dr. Mug dan (fortschr. Volksp.) weist unter lebhaften Hört-hört-⸗Rufen darauf hin, daß in der Kommission mehrere Regierungsvertreter sich gegen den Zusatz der Kommiffion ausgesprochen haben.

In namentlicher Abstimmung wird 8 967 Absatz 2 der Kommissionsbeschlüsse mit 188 gegen 150 Stimmen bei einer Stimmenthaltung aufrecht erhalten. 8 967 bleibt unverändert. J .

Der Rest der Vorschriften über die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird mit einem mehr redaktionellen Kom⸗ promißantrag Schultz ohne Debatte nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. ö

Der dritte Teil betrifft die „Seeunfallversicherung“.

Die 588 10636 = 1103 handeln von dem „Umfang und dem Gegenstand der Versicherung“. ? .

Nach 8 1912 gilt die Versicherung für Unfälle beim Be— triebe einschließlich der Unfälle, die während des Betriebs durch Elementarereignisse eintreten Getriebsunfälle).

Die Sozialdemokraten wollen dem hinzufügen: „und ein— schließlich der klimatischen Krankheiten“.

Nach 8 1018 sind auch Unternehmer gewerblicher Betriebe der Seeschiffahrt versichert, wenn das Seefahrzeug nicht mehr als 59 Raummeter Gesamtraum enthält.

Die Sozialdemokraten wollen die Zahl 50 durch 100 er— setzen und die Schlußbestimmung des Paragraphen streichen, wonach die Versicherungspflicht nur bestehen soll, wenn bei dem Betriebe regelmäßig keine oder höchstens 2 Versicherungspflich— tige gegen Entgelt beschäftigt werden.

§z 1060 besagt:

»Bei Personen der Schiffsbesatzung, für die kein besonderer Durchschnitt festaesetzt ist, werden dreiviertel des für Vollmatrofen festgesetzten Durchschnitts berechnet.“

Die Sozialdemokraten wollen für solche Personen die Durchschnittssätze der Personen gelten lassen, die ihnen im Range und der Heuer gleich oder am nächsten stehen.

Zu § 1073 soll sich das Maß der Fürsorge des Unter⸗ nehmers bei neuen Leuten richten nach den maßgebenden Be⸗ stimmungen des Handelsgesetzbuchs und der Seemannsordnung.

Die Sozialdemokraten wollen diese Fürsorge weiter aus—⸗ dehnen.

Abg. Schwartz-⸗Läheck (Soz.) empfiehlt diese Anträge zur An— nahme, insbesondere den Antrag wegen der klimatischen Krankheiten. Diese könnten mit beruflichen Krankheiten nicht verwechselt werden. Viele Seeleute schleppten diese Krankheiten über drei Monate mit sich herum und wenn die Krankheit zum Ausbruch kommt, haben sie ihren Anspruch verwirkt.

Abg. Molkkenbuhr (Soz.) weist darauf hin, daß sehr viel Seeleute an klimatischen Krankheiten zu Grunde gehen. Die Regierung habe früher anerkannt, daß diese Krankheit eine Begleiterscheinung der Seeschiffahrt wäre, und eine Erwägung darüber zugesagt, ob in einem künftigen Unfallversicherungsgesetz eine Gleichstellung der klimatischen Krankheiten mit den Betriebeunfällen? einzuführen sei. Den am gelben Fieber Erkrankten und den Hinterbliebenen der an dieser Krankheit Verstorbenen müsse ebenso zu Hilfe ge⸗ kommen werden wie denen, die ein Unfall betroffen habe.

Eine erhebliche Mehrbelastung würde durch Annahme di nicht herbeigeführt werden. ; ö . Anti

Sämtliche sozialdemokratischen Anträge werden ab ebenso ein Antrag Potthoff, der im S 1063, ; daß, soweit der Jahresarbeitsverdienst 1800 9 übersteigt nur mit einem Drittel angerechnet wird, statt 1800: 3) h setzen will.

§ 1151—1170 regeln das Umlage⸗

verfahren.

8 1156 besagt:

„Uebersteigt der Entgelt während der Beitragszeit im Jahreß

betrag 1800 , so wird vom Ueberschuß nur ein Dritt rechnet; übersteigt er 3000 M, so wird der Ueberschuß . 26

rechnet, soweit die Satzung der Versicherung sich auf einen höhere

Jahresarbeitsverdienst erstreckt hat.“

Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.) befürwortet ei statt zoͤßö zu fetzen boh0 4 sch p.) befürworte einen Antrag,

Nachdem der Direktor im Reichs amt des Innern Ca erklärt 6. daß die Regierung gegen diesen Antrag len he denken habe, wird er angenommen.

. Der Rest des dritten Buches Unfallversicherung“ wird mit einigen weiteren mehr redaktionellen Kompromißantrãgen ö n r an . ö.

a 2 Uhr wird die weitere Beratung auf Frei 12 Uhr vertagt. .

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 79. Sitzung vom 18. Mai 1911, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestri Nummer d. Bl. berichtet worden. gestrigen

Das Haus setzt die zweite Beratung des Gesetz entwurfg betreffend die Feuerbestattung, und zwar zunäcchst die De batte über 3 1 der Regierungsvorlage fort, der lautet:

Die Feuerbestattung darf nur in landespolizeilich genehmigten Anlagen erfolgen.“

Von den Abgg. von Goßler (kons) und Dr. Schrock er gn sind Anträge eingegangen, die, da die Kommission chließlich die ganze Vorlage abgelehnt hat, die Wiederherstellunn der Kommissionsbeschlüsse der zweiten Lesung zu den einzelnen Paragraphen vorschlagen.

Abg. von Wenden (kons.): Ich habe keine Veranlassung, auf die Ergebufe der Kommissionsberatung einzugehen. Die ablehnende Haltung derjenigen Teils meiner Freunde, wescher auf meinem Stand- punkt steht, ergibt sich aus ganz bestimmten Grundanschaunngen, die durch keinerlei Abänderungen des Gesetzentwurfs irgendwie eändert werden können. Tausende und aber Taufende draußen in ande stehen auf unserem Standpunkt. Die Kommissionsberatungen fanden gerade zu der Zeit statt, als in diesem Jahre in deutschen Landen das deutsche Volk sich anschickte, deutsche Ostern zu feiem, als es seinem Auferstehungsglauben in den Tiedern unserer Kirche warm empfundenen Ausdruck gab. In diese Stimmun hinein klang der Ruf nach der Leichenverbrennun der energis mit einem Aufwand von Pathos erhoben wurde. Baß eine so ziel bewußte und energische Agitation sche ln. zum Ziele gelangt, und daß sie auch mit der Zeit die Anschauungen der Re ierung erschüttert, sehen wir auf allen Gebieten des Bffentlichen When Das ist es, was das Herz des Vaterlandsfreundes bluten läßt und in tiefster Seele erschüttert. Wir sind uns darüber längst einig, dez g sich bei dieser ganzen Sache gar nicht um ein kirchliches Dem handelt, das Gefahr läuft, angetastet zu werden, aber um ein ge heiligte christliche Sitte, die hier auf das Empfindlichste angenfen werden soll. Wir leben in einem christlichen Staat, und diese n christlichen Grundlagen aufgebaute Staat sollte es seinen Bing nicht geflissentlich erleichtern, sich über die christlihen Sitten hinwegzusetzen. Die Königliche Staatsregierung wu die Aufgabe, an der Erhaltung des christlichen deutsche Volkes mitzuarbeiten. Ernst Moritz Arndt hakt einmal e— sagt: Scheue dich, nicht, das zu schonen und mn schirmen, was viele vielleicht als Torheit oder Aberglauben eine schätzen; es muß das erhalten werden, woran Glaube und Liebe festhalten. Wer sein Volk wahrhaft liebt, wird eben so denken. Das ist der Kern, um den es sich hier handelt. Glaube und Liebe hängt an den Grabstätten unserer Lieben, an den Gottesäckern, an der christlichen Bestattung. Es darf kein Hinter— bliebener gezwungen werden, die irdische Hülle eines Geliebten dem verheerenden Feuer eines Krematoriums übergeben zu sollen. Eine so erzwungene Leichenverbrennung muß die schmerzlichsten Gefühle hervorrufen. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß die christ liche Kirche unter dem starken Schutze des Staates stehen muß, daß aber auch die Kirche eine der starken 8 des Staates ist.

Abg. D. Hackenberg (n.): Auf die Abstimmung werden meine Worte allerdings keinen Einfluß haben, es können neue Gründe nicht vorgebracht werden. Die Sache muß ruhig und sachlich behandelt werden. Es gilt immerhin ein zartes Gebiet, das Lebensgewohnbeiten und Gefühle berührt. Es ist nicht am Platz, auf Heiterkeit und Lachsalven hinzuwirken, wie es gestern zu meinem Bedauern geschelen ist. Ich habe nur nochmals den Standpunkt meiner Freunde und aller derer, die der Vorlage zustimmen, kurz und bündig darzulegen und die Unterstellungen, die in letzter Zeit gemacht sind. zurückzuweisen. Es handelt sich schlechterdings nicht um ene religiöse Frage,; sondern um eine Frage der Billigkeit und des oͤffent lichen Interesses, um eine Forderung, die der moderne Staat = ich sage ausdrücklich nicht: der christliche Staat . füllen muß, und deren Erfüllung er in seinem Interesse nicht lãnger aufschieben darf. Gegen diesen Standpunkt erhebt sich ein gen Teil disses Hauses; die Einwände dieses Teils sind unberechtigt Der Minister hat gestern nachgewiesen, weshalb die Regierung ihre frühere Stellung gegen die Feuerbestattung au fgegehen e Vom kriminalistischen Standpunkt ist gerade die gegenwaͤr int 4 schädlicher, als sie nach dem neuen Gesetz sein wird; das ist ele n en klar nachgewiesen worden. Uebereinstimmung ist auf allen 1 darüber, daß keine christliche Lehre berührt wird, aber men =. fz. mit diesem allseitigen Zugeständnis doch nicht ne Herr Müller-Koblenz sagte nämlich trotz geständnisses, daß die Sache doch in einem sammenhang mit der christlichen Lehre stehe, daß die rg der Feuerbestattung Freidenker, Buddhisten oder wa? gu für Leute seien. Es ist nicht richtig. daß i m, hänger der Feuerbestattung nicht auf christlichem Boden stznen Wenn man Aeußerungen von Blättern zu Gunsten der harauf bestattung zitiert, die etwas überschwänglich sind, so kann man Inn denen, die sie zitieren, sagen: ihr versteht den christlich n erstehungeglauben nicht, wenn ihr sagt, daß er von der raff die Feuerbestattung i mag sei. Unwürdig für einen Ghrite z n 1. Feuerbestattung nicht. Es soll sich um eine alte, e henligt Volt christlichen Vollslebens handeln. Wer sollte den Wert a n. . sitten, die von den Vätern überkommen sind, unterschätzen, nige ice ihn bestreiten, und wer wollte die alte, gore r ice, a . Begräbniestätte stören? Niemand will das! Es treten do i her für die Zulassung, der Fenerbestattung ein, die selbst Unzählige alten christlichen Sitte für ihre Person gern , ,,. und ihren

86 9 ö j e be hreit . fromme Leute wollen aber einen anderen Weg bes ur wigder .

ehen Si

dieses ö! ewissen Zu⸗ 9e Freunde

Leib auf anderem Wege dem großen Haushalt der Na h führen. Ist es tolerant, diesen Weg ju erschweren?« i n en alle anderen Staaten rings herum an! Ist es des preußisch

und Erhebung

tun ; Wir freuen uns, daß die Regierung nicht allein ürdig, ö. beschritten, sondern die Vo ka, Tele. mit⸗

um diese Frage in einer Welse zu söfen, die auch

den ha . g rand hensche Site schizt; die Näen run! Llenpbaaft n!

ie Annen der modernen Zeit erkannt. Die alte Begräbnissitte

itzt, aber es wird auch Freiheit gewährt für die andere Art, . Sitte und Lehre widerspricht.

den Ab

olk

wird 3 men angenommen; un e glich enthält sich der Abstimmung. Für den g 1 stimmen hlosfen die gesamte Linke und die Freikonservativen (letztere . Ausnahme des Abg. Dr. von Woyna, der sich der Stimme enthlt, der Däne Kloppenborg⸗Skrumsager und von den Kon— sewatiden die Abgg. Bauer, Bethge, Boehmer, von Bredow⸗Görne, von Brüning, Dr. Busse, Graf Clairon d' Haussonville, r Dionysius, von Ditfurth, Eberhard, von Eisenhart⸗Rothe, Iinjlaff, von Goßler, ammer, Hofer, Hogrefe, Karow, Dr. m. Korn Rudelsdorf, r. von Kries, Dr. Krüger⸗Marienburg, Kuntze, Prinz zu Löwenstein⸗Wertheim Freudenberg, Freiherr un Maltzahn, von Prittwitz und Gaffron, Quehk, Reinecke— sußwitz Reiner-Ruhden, Freiherr von Schoenaich, Schulze⸗ stum, Siebert, von Stockhausen, von Tilly, von Waldow,

Heissermel, von Wentzel, von Wilckens.

zu 82 begntrggen die Abgg. von Goßler (kons.) und Dr, Schrock (freikons) die von der Kommission in zweiter

gelung beschlossene Fassung: „Die Genehmigung darf nur Gemeinden und Gemeinde⸗ perbnden oder solchen anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes, denen die Sorge für die Beschaffung der öffentlichen Begräbnisplätze obliegt, erteilt werden, fofern? die nach den be⸗ sichenden Staats⸗ oder Kirchengesetzen erforderliche Zustimmung der it zie Körperschaft zuständigen Aufsichtsbehörde vorliegt. (Die ,, niet die Bestimmung: „Die Genehmigung

pid erteilt usw.

lt. von Goßler empfiehlt seinen Antrag kurz zur Annahme.

Ninister des Innern von Dallwitz:

Meine Herren! Ich möchte nur ganz kurz erklären, daß gegen die stommissionsbeschlüsse seitens der Staatsregierung Bedenken nicht geltend zu machen sind.

Abg. Dr. Pachn icke (fortschr. Vollsp. : Wir haben in der Kom— mision diesem Kompromiß zugestimmt, werden also auch hier dafür stimmen.

. Dr. Lohmann (nl): Ich kann für meine Freunde dasselbe etlliten.

Abg. Hoffmann (Soz.: Wir sind nicht in der Lage, für die Verschlechterung zu stimmen.

sz? wird nach dem Antrage von Goßler angenommen, cheno werden bei den übrigen Paragraphen , , den Anträgen von Goßler die Kommissionsbeschlüsse wie erhergestellt. De zur Vorlage eingegangenen Petiti onen werden für er⸗ lchigt erklärt.

Es folgt die Beratung der Denkschrift für 1910 iber die Ausführung der Ansiedlungsgesetze für Pitpreußen und Posen.

Die Budgetkom mission (Berichterstatter Abg. von Itnin⸗Züsedom) beantragt, die Denkschrift durchde nntnis⸗ nahme für erledigt zu erklären.

Ainister für Landwirtschaft ꝛc. Egorle mer:

Meine Herren! Wenn die Ausführungen, welche ich bei Vorlage

Dr. Freiherr von

ker Denkschrift über die Tätigkeit der Ansiedlungskommission im

hte 1910 in der Budgetkommission dieses hohen Hauses gemacht übe, nicht in allen Punkten und auf allen Seiten Zustimmung ge— snden haben, so muß ich doch dankbar anerkennen, daß die an die dallage der Denkschrift und meine Ausführungen sich anknüpfende liötterung eine ebenso eingehende wie ruhige und sachliche gewesen ist. ah nehme selbstverständlich am wenigsten für das, was ich gesagt zibe, Unfehlbarkeit in Anspruch; aber auf der anderen Seite glaube ih doch zu der Bitte berechtigt zu sein, daß in einer so wichtigen und kz Staatsinteresse lebhaft berührenden Frage auf Phrasen und Echlagwörter nach Möglichkeit verzichtet wird. Wenn irgendwo, so kit es im öffentlichen Leben und in der Politik not, sich auf realen Böden zu stellen und nur das zu erstreben, was unter Berück— schigung der tatsächlichen Verhältnisse und aller in Betracht lunmenden Faktoren möglich und erreichbar erscheint. Die Stärke ciner Regierung beruht nicht überall in dem rücksichtslosen Draufgehen, sendern in dem Festhalten der als richtig erkannten Ziele und in der

J Autwahl der für die Erreichung dieser Ziele geeigneten ittel.

Was ich hier sage, das hat vor einigen Tagen und wohl mit nneffenderen Worten auf dem deutschen Handelstage der Herr ihelanzler ausgesprochen, wenn er ausführte: „nüchternes Kalkulieren, sichnen mit realen Größen, frelt von allem Phrasentum und doch sioße Ziele im Auge nur so kann der deutsche Kaufmann seinen Platz mn der Welt erobern und behaupten. Kann unser Staatsleben unter uderer Flagge segeln?“ Ich glaube, das hier gestellte Erfordernis nin auch bei der Beurteilung der Polen⸗ und Ansiedlungspolitik niht außer acht zu lassen sein. Schon in der Budgetkommission nut ich ausführen, daß es mir überflüssig erschien, noch einmal ein— chend auf die Gründe einzugehen, welche die Stellungnahme der hatzregierung in den Ostmarken seit Jahrzehnten bestimmt

n. Solange der polnische Volksteil nicht darauf verzichtet, nch Absonderung von seinen deutschen Nachbarn einen Staat im te zu bilden und Bestrebungen und Forderungen zu vertreten,

mn Erfüllung unmöglich und für das Wohl und die Sicherheit des wichen Staates gefahrdrohend ist, solange in den vorzugsweise

etracht kommenden Provinzen Posen und Westpreußen die nhtung nicht ausgeschlossen erscheint, daß der Rück. der deutschen Bevölkerung und des deutschen Besitzes

Neer anhalten und nicht imstande sein wird, auch unter

i Hen Zeitverhältnissen gegenüber dem Vordringen nichtdeutscher

Rte vom Osten nach dem Westen einen festen und unerschütter—

wa dumm jn bilden, so lange k eines Erachtens von el ore, . zu bilden, so lange kann meines rachtens von einer mn dichen Aenderung der Stellung der Staatsregierung gegenüber

den keine Rede sein. (Bravo! rechts.) 6 dem Bestreben, dem Veutschtum in den Ostmarken die ibm uf mende Stellung zu erhalten, hat die Königliche Staatsregierung lan, durch das Gesetz vom 26. April 1886 gezeichneten Wege

M die Ansiedlung deutscher Bevölkerung betrieben, wie auch in e ölen Jahren die Befestlgung des alten deutschen Groß und weißes zu fördern gesucht. Sie mußte sich aber von Anfang darüber klar sein, daß die Fördernng und

Erhaltung

des deutschen Besitzeg nur eine der Maßregeln darstellt, mit denen dem polnischen Volkstell entgegen getreten werden muß. Wer glaubt, daß allein auf dem Wege der Ansiedlung in dem Kampfe um den Boden die polnische Frage gelöst und Ruhe und Frieden wieder in die Ostmark gebracht werden könnte, der befindet sich meines Er— achtens in einem großen Irrtum; er vergißt, zu erwägen, daß die Vermehrung und Erhaltung des deutschen Besitzes sich doch vornehm⸗ lich nahezu ausschließlich nur auf dem Lande bemerkbar macht. Der auch heute noch festgestellten Zunahme der polnischen Bevölkerung der Städte, dem so vielfach beklagten Rückgang deutschen Handels und Gewerbes in der Ostmark, dem Vordringen der Polen in die benachbarten Provinzen und auch in dem Westen der Monarchie wird auf dem Wege weilerer Ansiedlungstätigkeit sicher ein Damm nicht entgegengesetzt werden können. Deshalb war ich auch berechtigt, in der Budgetkommission zu sagen, daß ich nicht den Anspruch erheben könnte, die Frage der Zu⸗ stimmung zur Ansiedlungspolitik der Staatsregierung zum Wert— messer nationaler Gesinnung zu machen, daß auch wir mit der Tat— sache zu rechnen haben, daß auch in den Kreisen, welche grundsätzlich mit der Staatsregierung in den Bestrebungen zur Stärkung des Deutschtums und zur Abwehr der Polen übereinstimmen, die An— sichten über die Wirkung der Ansiedlungspolitik vielfach geteilt sind. Aber auch hier möchte ich hervorheben, daß jeder, der unbefangen und auf Grund eigener und örtlicher Kenntnis der Verhältnisse die Zu⸗ stände in den Provinzen Posen und Westpreußen, wie sie gegenwärtig sind, mit denjenigen vor Beginn der Besiedlungstätigkeit vergleicht, sich der Anerkennung nicht verschließen kann, daß mit der Ansiedlung ein hervorragendes Werk geschaffen ist, daß auf diesem Wege Wohl—⸗ stand und Kultur in weite Gegenden getragen sind, und daß sie Seg⸗ nungen gebracht hat, die allen Bewohnern und vielleicht nicht zuletzt auch den Polen zugute gekommen sind. Wenn man dem gegenüberhält, daß es in dem harten und heißen Kampf um den Boden, der nunmehr über 25 Jahre dauert, in der Zeit vom Jahre 1896 bis zum Jahre 1910 den Polen gelungen ist, im Landerwerb gegenüber den Deutschen einen Vorsprung von 92 000 ha zu erzielen, dann darf man nicht vergessen, auch die Frage zu stellen, was aus der Ostmark unter den ob— waltendenden Verhältnissen geworden wäre, wenn ihr die Hilfe der Staatsregierung und die von Staatswegen betriebene Besiedlung nicht zuteil geworden wäre. (Sehr richtig!)

Ich glaube, meine Herren, daß man zu der Annahme berechtigt ist, daß es den Polen im Laufe weiterer Jahre nicht gelingen wird, in gleicher Weise den Landerwerb gegenüber den Deutschen mit Er— folg fortzusetzen. Dafür spricht einmal die zweifellos zutreffende Tat⸗ sache, daß im Laufe der vergangenen Jahre allmählich der größere Teil desjenigen deutschen Besitzes veräußert worden ist, der wegen drückender Schuldenlast vom Eigentümer nicht gehalten werden konnte; dafür spricht aber auch der große Fortschritt, der in der Be⸗ festigung des alten deutschen Besitzes gemacht worden ist. Ich glaube, wir werden uns gegenüber den in letzter Zeit so vielfach besprochenen Zahlen auch vergegenwärtigen müssen, daß schon am Schlusse des Jahres 1910 von dem deutschen Gesamtgrund⸗ besitz in der Provinz Posen, der 1618 680 ha umfaßt, rund S75 000 ha dauernd dem Deutschtum gesichert waren. In Westpreußen beträgt der gesamte deutsche Grundbesitz 1839 441 ha, und auch von diesem Besitz sind über 872 000 ha als Eigentum des Staats und deutscher Korporationen, als Ansiedlungsgrundbesitz, durch fidei⸗ kommissarische Bindung und durch Befestigung seitens der Deutschen Bauernbank dauernd dem Deutschtum erhalten. In Westpreußen beträgt der ganze polnische Grundbesitz nur 581 375 ha, in Posen 1124024 ha, wird also auch hier durch den deutschen Grundbesitz noch heute um nahezu 500 000 ha übertroffen. .

Meine Herren, ich führe diese Zahlen an, um damit einer vielfach in der Presse und auch sonst hervortretenden pessimistischen Auffassung entgegenzutreten, um auf der anderen Seite auch damit den Beweis zu liefern, daß es zur Unmöglichkeit gehört, wie noch vor einigen Tagen und meines Erachtens mit Unrecht in den Leipziger Neuesten Nachrichten als Programm des Ostmarkenvereins proklamiert wurde, die letzte Scholle polnischen Bodens in deutschen Besitz zu bringen. (Bört, hört! bei den Polen.)

Meine Herren, dahin können die Wege der Staatsregierung schon aus finanziellen Gründen niemals führen! Wenn selbst Amerika den Indianern, trotzdem sie noch immer gelegentlich Weiße skalpiert haben, ihre Reservationen belassen hat, dann werden wir auch als Deutsche und Preußen den letzten Polen nicht aus dem Lande treiben können. Wer so etwas fordert, der verdient wirklich den Namen eines politischen Kurpfuschers; er betritt den Boden der Phrase und er könnte mit gleichem Recht und vielleicht noch mit besserem Erfolge gegen die Polen die Wiederholung des bethlehemitischen Kindermords in Vorschlag bringen. (Widerspruch und Zustimmung.)

Meine Herren, gegenüber solchen Uebertreibungen, gegenüber solchen Utopien ist es wirklich notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Staatsregierung durch ihre Ansiedlungspolitik nicht den Zweck ver— folgt und auch nicht verfolgen kann, den gesamten polnischen Grund⸗ besitz in deutsche Hand zu überführen, daß auch die Ansiedlungspolitik vernünftigerweise sich darauf beschränken muß, durch Erhaltung und Vermehrung des deutschen Grundbesitzes dem Deutschtum in den Ostmarkenprovinzen auf dem Lande das erforderliche Uebergewicht und eine ausschlaggebende Bedeutung zu sichern. Ich glaube, aus diesem Gesichtswinkel wird man auch die Frage der Enteignung betrachten müssen. Daß sie keine andere Aufgabe als die eben bezeichnete haben sollte auch nach dem ursprünglichen Vorschlage der Staatsregie, rung —, gebt klar aus den bei Beratung des Gesetzes vom 20. März 1908 geführten Verhandlungen und auch aus dem Wortlaut des 5 13 dieses Gesetzes hervor. Nicht minder deutlich ist in dem Ge setze zum Ausdruck gebracht, daß die Staatsregierung die Enteignung nicht be—⸗ liebig, sondern nur nötigenfalls und nur dann zur Anwendung bringen kann, wenn die Sicherung des gefährdeten Deutschtums nicht anders als durch Abrundung und Stärkung deutscher Niederlassungen mittels Ansiedlungen möglich erscheint. Ich habe in der Budgetkommission diese gesetzlich festgelegten Voraussetzungen und Beschränkungen kurz als ultima ratio bezeichnet und ich muß auch heute noch an der Be— bauptung festhalten, daß dies die kürzeste und zutreffendste Uebersetzung des deutschen Wortlauts der Gesetzesbestimmungen ist.

Nun hat man sich in der Presse meinen Ausführungen gegenüber vor allem auf den früheren Reichskanzler Fürsten von Bülow be— rufen und die ‚Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“ hatte es sogar für erforderlich gehalten, den Fürsten selbst über seine Haltung in der Ostmarkenfrage zu befragen. Die Antwort, die der Fürst Bälow

erteilt hat, hätte auch bei einer Befragung des Delphischen Orakels nicht besser ausfallen können. (Sehr richtig! Große Heiterkeit.)

Da aber auch der Fürst Bülow sich darauf berufen hat, daß seine Haltung in der Ostmarkenfrage aus seinen Reden und aus seiner gesamten politischen Tätigkeit zweifellos hervorgehe, so ist es wohl erlaubt, auch hier darauf hinzuweisen, daß er im Herrenhause bei Beratung des Enteignungsgesetzes die Worte gesprochen hat:

Entweder Sie gewähren uns die Möglichkeit der Anwendung der Enteignung ich sage ausdrücklich: die Möglichkeit der An— wendung der Enteignung; ich teile die ausgesprochene Hoffnung, daß im Falle der Annahme des Antrages Adickes die Enteignung so selten wie möglich zur Anwendung gelangen wird

Diesen Worten hat der derzeitige Reichskanzler auch dadurch weitere Folge gegeben, daß während seiner Amtstätigkeit die Enteignung nicht zur Anwendung gekommen ist. Wie man daraus für die gegenwärtige Staatsregierung ein Abweichen von dem bewährten Kurse des Fürsten Bülow konstruieren kann, ist mir unerfindlich.

Wenn ungeachtet der Tatsachen, welche zum Erlaß des Enteignungs⸗ gesetzes geführt haben, wenn ungeachtet des Umstandes, daß die Not— wendigkeit der Enteignung bei Beratung des Gesetzes als besonders dringlich hingestellt wurde, noch anderthalb Jahre ins Land gegangen sind, und der damalige Leiter der Staatsregierung die Enteignung nicht zur Anwendung gebracht hat, dann darf, glaube ich, auch die gegenwärtige Staatsregierung wenigstens den Anspruch erheben, daß die für ihre Stellungnahme maßgebenden und ausgesprochenen Gründe einer sachlichen Beurteilung unterzogen werden.

Meine Herren, ich habe mit Zustimmung des Staats mini steriums im Herrenhause die Erklärung abgegeben und in der Budgetkommission dieses Hauses wiederholt, daß die Königliche Staatsregierung nicht gesonnen ist, die mit dem Gesetz vom 26. April 1886 betretenen Bahnen der Ansiedlungspolitik zu verlassen, und daß sie deshalb auch nicht darauf verzichten wird, von der ihr durch 513 des Gesetzes vom 20. März 1908 gegebenen Befugnis zur Enteignung Gebrauch zu machen, sobald die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen der Ent⸗ eignung als vorliegend zu erachten sind.

Ein Mitglied der freikonservativen Fraktion hat in einem sehr beachtenswerten Artikel vor einigen Tagen darauf hingewiesen, daß die Anwendung des 5 13 des Gesetzes vom 20. März 1908 nicht mit einem bloßen Landmangel der Ansiedlungskommission begründet werden kann, daß es notwendig ist, in jedem einzelnen Falle die Vor⸗ aussetzungen der genannten Gesetzesbestimmung zu prüfen und daß nur da enteignet werden kann, wo bereits deutsche Niederlassungen bestehen, wo das Deutschtum in ihnen gefährdet ist und wo eine Sicherung desselben nicht anders als durch Stärkung und Abrundung mittels Ansiedlung möglich erscheint.

Der Wortlaut des Gesetzes und die ihm zweifellos gegebene richtige Auslegung lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß in der Enteignungsbefugnis nicht das scharfe Schwert erblickt werden kann, mit dem in einem Schlage die Frage der Fortsetzung der An⸗ siedlungspolitik für ewige Zeiten gelöst werden kann.

Die Enteignung kann nur für einen bestimmten Bezirk in Frage kommen. Sie kann dort allerdings, wie ich gern zugebe, zur Abrundung und Erweiterung deutscher Besitzungen nützlich bei—⸗ tragen. Aber bei dem beschränkten Umfange, der der Enteignungs⸗ befugnis gegeben ist, glaube ich, ist es sicher gerechtfertigt, nicht von der Hand in den Mund weiter zu leben, sondern sich recht⸗ zeitig und klar die Frage zu beantworten, wie unter den obwaltenden Verhältnissen die notwendige Fortsetzung der Ansiedlungstãtigkeit zu ermöglichen ist. Die Staatsregierung wird, wie ich bereis in der Budgetkommission ausgesprochen habe, sich bei Prüfung der Voraus setzungen der Enteignung lediglich durch sachliche Erwägungen leiten lassen. Aber zu den hiernach in Betracht kommenden Genckterankter gehört meines Erachtens nicht allein die Frage, os die Enteignung einzelnen Ansiedlung oder dem einzelnen Bezirke Nate bringt s es wird auch die Frage zu prüfen und ju bearteerten it : Wirkung die Enteignung auf die gesamte weitere rnit lunats ti ausũben kann.

Tatsache Bestimmung

richtiger und näher ; 1 Besitz nach Möglichkeit vor weiterem Ankan? schützen und den polnischen Besitz nicht davonlaufen kann, erst im weiteren an? spruch zu nehmen.

Zu einem solchen Verfahren nötigen, daß leider vielfach bei den dent ick Posen nicht die Heimatliebe und das 8 welches den Polen besonders auszeichnet, n preise dauernd den Anreiz dafür bilden, den ziehung nicht so erfreulichen Besitz in der Dstmark abzustoßen und in Gegenden mit besseren Lebens., und Daseinsbedingungen neuen Besitz zu erwerben.

Auch in der Budgetkommission hatte ich bereits darauf hin— gewiesen, daß der hohe Stand der Güterpreise die Verminderung der Ankäufe der Ansiedlungskommission herbeigeführt habe. Wie man von einem guten Kaufmann nicht verlangen kann, daß er zu Zeiten boher Preise Vorräte aufspeichert, die er nur mit großem Verlust demnaächst verarbeiten und wiederverkaufen kann, so kann man es auch der Ansiedlungskommission gewiß nicht verdenken, daß sie in Rücksicht auf ihre Cinnabmequellen und auf die Staats finanzen sich in letzter Zeit auf notwendige und verhältnismäßig gün— stige Ankäufe beschränkt hat. Wenn beim Anhalten der jetzigen

Preise vielleicht im Laufe der nächsten Jahre gegenüber den Vorjahren