1911 / 119 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. Brühne 9 N: Wir beantragen, statt „ein Drittel“ zu setzen die Hälfte“, ö. die Beträge 66 werden, so werden wir und wird die Arbeiterschaft mit Freuden zustimmen.

Abg. Giesberts (Zentr.) ö. die verbündeten Regierungen um eine bestimmte Erklärung, welche Bedeutung die Beseitigung des Wortes „Alter“ aus dem bestehenden Gesetz unter den ö für die Gewährung der Invalidenrente habe. Bei der ö. ellung des Begriffes der Invalidität spiele doch das Alter, insbesondere bei den Bergleuten, eine nicht unerhebliche Rolle. Wenn das Wort „Alter. gestrichen werde, dann liege für die Zukunft die Gefahr einer ungünstigeren Praxis der Versicherungsanstalten gegenüber den Ver— sicherten vor.

Direktor im Reichsamt des Junern Caspar: Es besteht nicht die Absicht, an der bestehenden Praxis des Reichsversicherungsamts 2 ; ö ü t ö Ut. n, ,, wie bisher entsprechende Berücksichtigung finden können.

Abg. Sachse (Soz) tritt nochmals für den Antrag Albrecht ein, Invalidität schon anzunehmen, wenn der Versicherte nicht mehr die Hälfte dessen verdienen kann, was unter sonst gleichen, Umständen ein körperlich und geistig gesunder Arbeiter gleicher Beschäftigung zu ver⸗ dienen pflegt. Der Kostenpunkt dürfe nicht ausschlaggehend sein.

Abg. . (Soz.): Die Beanstandung, die der Ahg. Giesberts vortrug, haben wir schon in der Kommission vorgebracht, sind aber durch die Erklärung des Direktors Caspar zufriedengestellt worden.

§z 1240 bleibt unverändert.

Nach 8 1242 erhält Altersrente der Versicherte vom vollendeten 70. Lebenssahre an, auch wenn er noch nicht

invalide ist. ; Von der fortschrittlichen Volkspartei und von den Sozial⸗

demokraten liegen Anträge vor, die Altersgrenze auf das

65. Lebensjahr herabzusetzen. . .

Auf Antrag Schickert (dökons.) wird die Diskussion mit erstreckt auf den 3 13576, der die Beiträge festsetzt, und zwar nach den Kommissionsbeschlüsen in den Lohnklassen M auf 16, 24, 32, 40, 48 8, die Vorlage hatte die Skala 14, 24, 30, 38, 46.

26g. Dr. Mugdan (fortschr. Volksp.): Wir beantragen, das 65. Lebensjahr als Altersgrenze für den Bezug der Altersrente fest⸗ zusetzen. Die wenigen Millionen, die dabei in Frage kommen, können nicht den Ausschlag geben, und das Geld wäre sofort vorhanden, wenn die Rechte die Erbschaftssteuer bewilligt hätte. Zurufe: Kotierungssteuer) Sie rufen mir zu: Kotierungesteuer! Ich brauche nicht zu beweisen, daß diese Steuer unsinnig ist. Fragen Sie nur bei der Regierung an, die sie abgelehnt hat. Ohne die Herabsetzung der Altersgrenze darf dieses Reformwerk nicht ver— abschiedet werden.

Abg. Faber (Soz.) befürwortet einen Antrag seiner Partei, der dem der Freisinnigen entspricht.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Delbrück:

Es handelt sich bei dem hier vorliegenden Antrag nicht um die Frage, ob es zweckmäßig ist, die Altersgrenze für die Berechtigung zum Bezuge einer Invalidenrente auf das 65. Lebensjahr herabzusetzen, sondern es handelt sich um die Frage, ob im Rahmen der Reichs⸗ versicherungsordnung im Zusammenhang mit den zahlreichen neuen sozialpolitischen Wohltaten, aber auch mit den Belastungen, die dieser Gesetzentwurf bringt, auch noch die Herabsetzung der Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr notwendig und möglich ist. So nur kann die Frage gestellt werden und nur in Zusammenhang mit dem, was Ihre Kommission im Einvernehmen mit den verbündeten Regierungen im Laufe dieses Winters zur Reichsversicherungsordnung beschlossen hat, kann entschieden werden, ob diesem Wunsche entsprochen werden kann oder nicht. .

Nun, meine Herren, die Frage der Herabsetzung der Altersgrenze ist ja, ich kann wohl sagen, seit Jahr⸗ zehnten erörtert und nicht zur Ruhe gekommen, und auch die verbündeten Regierungen haben bei der Ausarbeitung des Ihnen jetzt vorliegenden Entwurfs eingehend erwogen, ob neben vielen anderen sozialpolitischen Wünschen, die uns in⸗ und außerhalb dieses hohen Hauses im Laufe der letzten 10 Jahre vor⸗ getragen sind, auch dieser Wunsch erfüllt werden könnte oder nicht. Wir haben uns aber gesagt, daß man sich in einer Zeit, wo so enorme neue Belastungen steuerlicher und sozialpolitischer Natur mit einem Mal auf unser gesamtes Erwerbsleben gelegt werden, doch eine gewisse Beschränkung auferlegen müsse bei der Auswahl der Wünsche, und daß man zweckmäßigerweise das herausnehmen müsse, was das Dringlichste und Notwendigste ist. (Sehr richtig! rechts.)

Dabei sind wir, auf Grund des Materials, das uns zur Ver⸗ fügung steht, und auf Grund der praktischen Erfahrungen, die einem großen Teil der Herren Vertreter der verbündeten Regierungen, mir und meinen Mitarbeitern, innewohnen, zu dem Ergebnis gekommen, daß die Herabsetzung der Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre bei der Invalidenversicherung nicht zu den wichtigeren und nicht zu den dringlicheren Forderungen gehört. (Widerspruch bei den Sozial⸗ demokraten.) Wir sind namentlich der Ansicht gewesen, daß diese Forderung, die vor Jahren, als die Invaliditäts, und Altersversicherung noch nicht lange in Kraft stand, mit einem gewissen Gewicht erhoben wurde, im Laufe der Zeit immer mehr an Gewicht verloren hat und verlieren muß, weil namentlich für den industriellen Arbeiter mit ziemlicher Sicherheit darauf gerechnet werden kann, daß in der Mehr⸗ zahl aller Fälle für ihn die höhere und günstigere Invalidenrente in Kraft tritt, bevor er überhaupt genötigt ist, die Altersrente in An spruch zu nehmen. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ja, meine Herren, man kann ja auch hierüber verschiedener Meinung sein; dies ist unsere Meinung, und diese Meinung ist, wie ich überzeugt bin, eine wohlbegründete und jedenfalls in dem Zusammenhange berück— sichtigenswert, in dem die ganze Frage heute hier erörtert wird.

Nun fragt es sich: Was bedeutet denn die Herabsetzung der Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre? Mir liegt hier eine Be— rechnung vor ich will sie nicht in ihren Einzelheiten vorführen, um Ihre Zeit nicht in Anspruch zu nehmen —, aus der sich ergibt, daß sich bei einer Herabsetzung der Altersgrenze um 5. Jahre die Mehrbelastung des Reichs belaufen würde auf 8 Ss0 000 (Zuruf von den Sozialdemokraten) und die jährliche Mehrausgabe der Versiche⸗ rungsträger auf 20 Millionen Mark. (Hört, hört! in der Mitte und rechts.) Nun, meine Herren, sagen Sie mir: „Das ist was Rechtes!“ (An⸗ dauernde Zurufe) Meine Herren, wenn Sie mich einmal weiter reden lassen wollen! Herr Dr. Potthoff, Sie haben ja nachher Zeit genug, Ibre Einwendungen vorzutragen! Die jährlichen Mehrausgaben der Versicherungsträger stellen sich also, wie gesagt, unter Zugrunde⸗ legung der durchschnittlichen Altersrente des Jahres 1909 mit 113,58 4A, obne Reichs zuschuß auf rund 20 Millionen Mark. Gleichzeitig ver⸗ kürzt sich für sämtliche Versicherungsträger aber auch die Beitrags⸗ dauer, da nach den bis ber gemachten Erfahrungen angenommen werden muß, daß nach dem Eintreten in den Rentengenuß in der Regel Bei⸗

träge nicht mehr entrichtet werden. Damit würde eine Erhöhung der Beiträge um jährlich 3 02 auf den Kopf des Versicherten notwendig werden. Rund würden die Beiträge der unter 665 Jahre alten Ver⸗ sicherten um jährlich 45 Millionen Mark zu erhöhen sein. (Sehr richtig! rechts) Diese Summen können nicht bestritten werden.

Nun sagen die Herren: das macht nichts. Meine Herren, 9 Millionen Mark für das Reich machen wohl etwas aus, wenn Sie diese Summe beurteilen in Erinnerung an die Schwierigkeiten, die die Verhandlungen Ihrer Budgetkommission alljährlich ergeben und auch in diesem Jahre ergeben haben, als es sich darum handelte, unsern Etat zu balanzieren, ohne neue Steuern aufzubringen. (Sehr richtig! rechts) Die Summe von 9 Millionen Mark, die wir mehr aufwenden sollen, spielt eine erhebliche Rolle und erscheint hoch, wenn Sie berücksichtigen, um wieviel kleinere notwendige Be— träge in fast allen Ressorts des Reichs bei der Aufstellung des Etats gekämpft werden muß. Die Summe von 9 Millionen Mark spielt eine Rolle, wenn wir uns darüber klar werden, daß wir erst dann in der Ausgabenbewilligung des Reichs large sein können, wenn unsere Finanzpolitik so gesichert, so gefestigt ist, daß wir mit einem glatten Aufsteigen der Einnahmen des Reichs rechnen können. Mein Herr Kollege vom Reichsschatzamt wird Ihnen nachher seine Meinung in dieser Beziehung sagen. (Zurufe von den Soztaldemokraten und Heiterkeit) Ja, meine Herren, Sie sagen uns Ihre Meinung so oft durch mehrere Redner einer Fraktion, daß Sie sich doch nicht wundern können, wenn wir uns in einer wichtigen Angelegenheit auch einmal zu mehreren sprechen. (Sehr wahr! und Heiterkeit.)

Aber, meine Herren, die 9 Millionen für das Reich kommen nicht allein in Betracht. Zu diesen 9 Millionen treten zweifellos auch die viel erheblicheren Lasten, die, wie ich schon vorhin ausführte, die Versicherungsträger treffen würden, wenn wir diese Herabsetzung der Altersgrenze vornehmen würden.

Meine Herren, ich möchte Ihnen einmal vorführen, welche Mehrbelastung die Versicherungsordnung so, wie sie jetzt vorliegt, für das Reich und für unser gesamtes Wirtschaftsleben bedeutet.

Es würden aufzuwenden sein nach dem Entwurf der verbündeten Regierungen für die Erweiterung der Krankenversicherung 60 288 200 M; zweitens für die Witwen- und Waisenversicherung 66 564 940 S. Nach Ihren Beschlüssen stellt sich aber die Mehraufwendung für das Invalidenkindergeld noch auf 8910000 „S, sodaß im ganzen 135 763 140 M mehr aufzubringen sind, wenn die Ver⸗ sicherungsordnung nach den Beschlüssen Ihrer Kommission in Kraft tritt. (Hört! hört! rechts und in der Mitte.) Davon entfallen auf das Reich jährlich 27,4 Millionen Mark, und den Rest mit rund 108 Millionen Mark zahlen die Arbeitgeber und die Versicherten.

Meine Herren, diese enorme Summe, die ich Ihnen vorgerechnet habe, erschöpft aber keineswegs das Maß der Leistungen, das die Versicherungsordnung bringt (sehr richtig! rechts und in der Mitte), sondern das sind nur diejenigen Beträge, die wir ohne weiteres mit mathematischer Sicherheit zu berechnen in der Lage sind. Dazu tritt noch eine ganze Reihe von Mehrleistungen, die in ihren Folgen auch eine weitere Belastungserhöhung bringen werden. Dabin gehören bei der Krankenversicherung: erstens die Versicherung der Lehrlinge ohne Entgelt die Herren wollen die 178 und 20a des Entwurfs ansehen —; zweitens die Erhöhung des anzurechnenden Grundlohns auf 5 bis 6 S für den Arbeitstag lsehr richtig! in der Mitte) § 195 —; drittens Zugrundelegung des Grundlohns für die in den Landkrankenkassen versicherten Betriebsbeamten, Werkmeister und anderen Angestellten in gehobener Stellung 5 196 des Entwurfs —. Bei der Unfallversicherung treten hinzu: die Erweiterung des Umfanges der Versicherung 5 560 —, die Einbeziehung der Betriebsbeamten, deren Jahresverdienst über 3000 , aber unter 5000 * bleibt die Herren wollen die S5 566, 918 und 1053 nachsehen —, ferner die Erhöhung des vollanrechnungsfähigen Arbeitsverdienstes von 1500 M auf 1800 S vergleichen Sie, bitte, die 58 584, 933 und 1068 —, ferner die Gewährung der Waisenrente auch an uneheliche Kinder, denen ein bei einem Unfall Getöteter nach gesetzlicher Pflicht Unterhalt gewährt hat.

Meine Herren, mögen die Summen, die sich hieraus noch ergeben, hoch oder niedrig sein, jedenfalls kommen Sie zu den beträchtlichen Lasten, die ich eben zahlenmäßig vorgeführt habe. Und wenn Sie in

Erwägung ziehen, daß Sie im Begriff sind, von den verbündeten Re⸗

gierungen auf Ihren dringenden Wunsch das Gesetz über die Ver— sicherung der Privatbeamten entgegenzunehmen, und daß dieses eine weitere Mebrbelastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestimmter Kategorien in Höhe von 160 Millionen bedeutet, so werden Sie es den verbündeten Regierungen nachempfinden können, wenn sie sagen: hier muß eine Grenze gemacht werden.

Also diese Erwägungen haben die verbündeten Regierungen an⸗ gestellt, als sie die Versicherungsordnung vorlegten, und sie sind sich damals darüber im klaren gewesen, daß über diese Summen nicht hinausgegangen werden darf. Es ist ausdrücklich beschlossen und von den einzelnen Vertretern der Bundesstaaten zu Protokoll erklärt worden, daß sie ihre Zustimmung zu der Vorlegung der Reichs⸗ versicherungsordnung nur unter der Voraussetzung geben könnten, daß eine Mehrbelastung des Reichs, der Bundetstaaten und unseres Erwerbslebens über die im Entwurf vorgesehene Grenze hinaus nicht eintreten werde, und ich habe mich verpflichten müssen, diesen Stand⸗ punkt der verbündeten Regierungen bei der Beratung des Gesetz⸗ entwurfs mit aller Entschiedenheit zu vertreten.

Nun, meine Herren, ist im Laufe der Beratungen der Kom⸗ mission im vorigen Sommer eine Fülle von nützlichen und wünschens⸗ werten Erweiterungen vorgeschlagen; aber die Kommission selbst ist zu dem Ergebnis gekommen, daß man diese Fülle von Mehrleistungen unmöglich beschließen könnte. Sie haben, soweit ich mich erinnere, um diese Frage auszuräumen, eine besondere Kommission niedergesetzt, die lediglich die Aufgabe hatte, aus der Fülle von Wünschen das aus⸗ zuscheiden, was nicht unbedingt notwendig wäre, und zu versuchen, elnige besonders dringliche und sachlich gerechtfertigte Wünsche viel leicht doch durchzusetzen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen, die monatelang gedauert haben, und an denen die verbündeten Regie⸗ rungen beteiligt gewesen sind, war, daß ich erklären mußte: „Wir sind nicht in der Lage, ein Plus zu bewilligen; aber wenn es sich lediglich um die eine Forderung handelt, nämlich um die Zusatzrente an die Invaliden, die Kinder unter 15 Jahren haben, so werde ich versuchen, bei den verbündeten Regierungen durchzusetzen, daß die Be⸗ willigung dieser Position keinen Widerstand findet und keine Ver⸗ aulassung sein soll für das Scheitern des Gesetzes.“

In dieser Zusage, von der ich hoffe, daß die verbün gierungen sie einlösen werden, liegt ein erhebliches Zug über die ursprünglichen Forderungen des Entwurfs hinaus es liegt hier ein Zugeständnis, das nach meiner Kenntnis der und nach dem, was ich im Laufe meines Lebens von Arbeitern geh habe, von diesen außerordentlich hoch bewertet wird (sehr richtig) sodaß sie, wenn sie die Wahl zwischen Herabsetzung der Grenze i die Altersrente auf 66 Jahre und zwischen dem Invalidenkinder hätten, unbedingt das letztere wählen würden. (Lebhafte Zustiumm rechts und in der Mitte.)

Also die verbündeten Regierungen werden hoffentlich in diesen Punkte Ihren Wünschen entgegenkommen. Aber diese Zusage j von mir im Laufe der Kompromißverhandlungen unter der autdtü lichen Voraussetzung gegeben, daß nun im weiteren Verlaufe der Verhandlungen nicht neue und so erhebliche Forderungen an den Säckel des Reichs, an die Leistungen von Arbeitgeber und Arbebz, nehmer gestellt werden, wie das durch diesen Antrag geschehen würde Nachdem nun wider Erwarten diese Forderung wieder aufgetaucht it und dem Anschein nach eine wider Erwarten große Unterstützung gefunden hat, bin ich noch einmal mit mir zu Rate gegangen, habe ich mich mit du Bevollmächtigten zum Bundesrat ins Benehmen gesetzt und soebn dem Herrn Reichskanzler Vortrag gehalten. Als das Ergebnis dien Rückfragen und dieses Vortrages habe ich zu erklären, daß die ve bündeten Regierungen einer Herabsetzung der Alterégrenze für d Bezug der Altersrente auf das 65. Lebensjahr nicht zustimmen könne und daß durch die Annahme dieses Antrags die Reichsversicherungt. ordnung für die verbündeten Regierungen unannehmbar werden würde, (Lebhafte Rufe: hört! hört! links) Meine Herren, Sie sagen „hörtt! hört!“ Ich kann dies „hört! hört!‘ mit Gelassenheit anhören, wem ich mich an das erinnere, was ich im Eingang meiner Ausführungen

gesagt habe. Die Mehrleistungen, die hier geboten werden, sind so

erheblich, daß sich die verbündeten Regierungen nicht zu schämen brauchen, und daß ich mich der Hoffnung hingebe, daß Sie an diese Streitfrage das Gesetz nicht werden scheitern lassen. (Bravo!)

Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:

Meine Herren! Nachdem der Herr Stellvertreter des Reich kanzlers namens des Herrn Reichskanzlers die Stellung der ve bündeten Regierungen Ihnen dargelegt hat, verbleibt für mich, noch mals mit aller Deutlichkeit zu erklären, daß die Vermehrung der Ausgaben, wie sie in dem hier besprochenen Antrage beabsichtigt win, nicht vereinbar ist mit dem Wirtschaftsprogramm, welches die ver, bündeten Reglerungen im Verein mit allen Parteien des Reichstage für unsere Finanzen aufgestellt haben. (Sehr richtig) Unsere Ver— antwortung, namentlich für die nächsten Jahre, ist schon dadurch auf das alleräußerste angespannt, daß wir in den nächsten Jahren nicht den vollen Durchschnitt der Belastung einsetzen werden, welche den Reich aus der Hinterbliebenenversicherung erwächst, sondern nur die, jenigen geringeren Beträge, welche in den ersten Jahren tatsächlich gezahlt werden. Wollten wir vollkommen den Kapitaldeckung. notwendigkeiten nachgehen, so würden wir die Differenz auch in den ersten Jahren zurückzustellen haben. Wenn wir das nicht tun, so übernehmen wir schon damit eine ganz erhebliche Verantwortung. Nicht mehr tragen aber das kann ich mit aller Sicherheit sagen können die Reichsfinanzen auch dieses Mehr noch von 9 Millionen Mark im Jahre, welches neben den 45 Millionen (hu! hu! linkh) für die Versicherungsträger dem Reiche noch zuwachsen wird. Man daf die Reichsfinanzfragen nicht so als Nebensache behandeln, wie daß bier geschehen ist. In diesem Falle sind die Verpflichtungen des Reich ganz gewiß keine Bagatelle; im Gegenteil übernimmt das Reich duch die Reichsversicherungsordnung eine überaus große Last. Es ist auf Seite 570 der Anlagen zum Entwurf einer Reichsversicherungsordnung errechnet worden, daß die für die Hinterbliebenenveisicherung vor⸗ gesehenen Reichszuschüsse bei Berücksichtigung der Bevölkerungk⸗ vermehrung eine Gesamtbelastung des Reichs von 2814 Millionen Mark Kapitalwert darstellen. Das ist also durch die Hinterbliebenen, versicherung eine Belastung des Reichs mit einem Kapitalwert von annähernd 3 Milliarden Mark (Zuruf links: Welcher Zinsfuß?), mehr als der ordentliche Reichshaushalt eines ganzen Jahres beträgt. Ich glaube nicht, daß man in der Lage ist, die Leistung des Reichs darauf⸗ hin hier so sehr als minderwertig darzustellen, wie es in den Aeuße⸗ rungen eines der Herren Antragsteller geschehen ist.

Und, meine Herren, das ist eine Last, die uns ganz neu ent— standen ist, das ist nicht etwa eine Verpflichtung, die wir von früber her übernehmen. Was war denn der Zweck der Bestimmung de § 15 des Zolltarifgesetzes? Der Zweck war einfach, festzustellen daß die erhöhten Zölle für Brotgetreide, Vieh, Fleisch in erster Linie bestimmt seien zum Schutz der notleidenden inländischen Produktion, und daß sie nicht als Finanzzölle betrachtet werden sollen, daß also die Erträgnisse dieser Zölle nicht in die Reichskasse zu fließen hätten. Wieviel infolge des erhöhten Schutzes tatsächlich an Zöllen für diese Waren eingehen würde, konnte damals keiner voraussehen. Es sind Errechnungen aufgestellt worden, aber auf überaus vager Grundlage, und ich verstehe nicht, wie ich hier einmal ausdrücklich erklären möchte, wie man fortwährend denjenigen, die die Gesetzesbestimmungen berfaßt baben, den Vorwurf machen kann, daß sie sich bei ihr vollständig ger irrt hätten. Das ist durchaus nicht der Fall. (Sehr richtig! rette) Die Erträge waren unsicher, und es konnten irgendwie bestimm Summen nicht eingesetzt werden. Aber in der tatsächlichen Ennm ; lung steht unzweifelhaft soviel fest, daß, abgesehen von dem Jabte 160 ; in welchem etwa 42 Millionen eingingen, die jetzt auf 4 Millionen angewachsen sind, Erträge überhaupt autblieben. Es steht ferner . daß auch im Jahre 1910 derartige Erträge nicht erwachsen find, un es erscheint mir überaus zweifelhaft, ob in den kommenden Jabten eine Zubuße erfolgen wird. Also es handelt sich hier bei 2 Leistungen, zu denen jetzt das Reich gesetzlich sich verpflichtet, nie um die Cinlösung eines Wechsels au früherer Zeit, sondern um an neues Opfer, das das Reich bringt, und um eine neue Tat in being auf die Sozialpolitik. mit

Meine Herren, wer dle Reichsversicherungsordnung jetzt r schafft, kann sich sagen, daß er der deutschen Arbeiterschaft allein nr. hteichtfmzs einen Kayttaltwert von fast 3 Mihliarden Margen neu zugeführt haben wird. (Hört! hört! rechts. Lachen und 8 . link) Mehr ist das Reich zu leisten außerstande. * unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren würde völlig

r dast hinzutrãte, den Fugen gehen, wenn plötzlich diese neue La Weise die Ste ihr jetzt zudenken. In vollkommen überraschender

(Schluß in der Zwelten Beilage.)

M 119.

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

.

Denn das, meine Herren, werden Sie doch nicht bestreiten, daß bei den Verhandlungen in der Kommission die Mehrheit wesentlich ab— sehnend gewesen ist. Ich glaube mich bei einzelnen Aeußerungen, die in der Kommission laut des Kommissionsberichts gefallen sind, nicht zu täuschen, wenn ich annehme, daß diese Aeußerungen auch von der linken Seite dieses hohen Hauses herrühren. (Sehr richtig! rechts.) Ich finde da beispielsweise eine Aeußerung, die ich auf einen Ver— treter der linken Seite des Hauses deswegen zurückführe, weil dort steuerpolitische Ansichten entwickelt sind, die durchaus den Ideen der linken Seite entsprechen. Ich finde z. B. folgende Aeußerung:

Der Wunsch, mit der Altersgrenze unter das 70. Lebensjahr herunterzugehen, sei bei allen Parteien vorhanden. Der Ausführung des Wunsches stellten sich aber schwere Bedenken entgegen.

(Hört! hört! rechts und in der Mitte.) Mit Wünschen lasse sich leicht paradieren. Wiederholtes Hört! hörth

Wenn es nur auf Wünsche ankomme, wären die Antragsteller licht zu überbieten.

Ebhaftes Hört, hört! rechts und in der Mitte.)

Man brauche ja nur das 60. Lebensjahr vorzuschlagen, und die lüiebertrumpfung sei da. Soweit dabei die Versicherten selbst in Frage kämen, biete die Angelegenheit auch keinerlei Schwierigkeiten. Anders aber liege die Sache bezüglich des Reichszuschusses.

(Hört, hört! rechts und in der Mitte.)

Alles das zusammengenommen, was seitens der Kommission in den Gesetzentwurf hineingebracht worden, sei doch wahrlich nicht gering, und bedeute für das Reich ein gewaltiges Mehr, das es in Zukunft zu diesen sozialen Zwecken zu leisten haben werde.

Wiederholtes lebhaftes Hört, hört! rechts und in der Mitte.)

Meine Herren, es gibt wenige Worte in diesen Darlegungen, welche ich zu unterschreiben nicht durchaus in der Lage wäre.

Nachdem nun, meine Herren, die Verhandlungen in der Kom mission in der ersten Lesung dahin ausgelaufen sind, daß die be— treffenden Anträge abgelehnt wurden, nachdem laut des Kommissions— berichts in der zweiten Lesung niemand überhaupt auf die Sache jurückgekommen ist, ist es für uns in der Tat einigermaßen uner— wartet, daß gerade im letzten Moment, wo doch die gesamte Lage der Verhältnisse schon einigermaßen bedrängt ist, hierauf in einer Art zurückgekommen wird, die doch immerhin die weitere Verhandlung be— züglich des ganzen großen Werkes einigermaßen in Schwierigkeiten zu bringen gedroht hat oder droht. Aber wenn das von Ihrer Seite her, meine Herren, unerwartet geschehen ist, so habe ich zu erklären, daß wir unserseits mit den Reichsfinanzen unsern Kalkül bereits auf Jahre hinaus aufgestellt haben und ihn nicht ändern können. Daß schon jetzt die Finanzierung für die nächsten Jahre nicht ganz leicht ist, das haben doch die Verhandlungen über die Friedenspräsenz⸗ stärke ergeben. Damals waren freilich die Rollen einigermaßen anders verteilt. Es haben uns die Herren Noske, Dr. Wiemer und Bassermann und auch der Herr Abg. Dr. Heim vorgehalten, daß es außerordentlich zweifelhaft sei, ob es gelingen werde, den Reichsetat in den nächsten fünf Jahren auf Grund der erhöhten Anforderungen für das Quinquennat zu balanzieren, und auch ich habe erklären müssen, daß es der alleräußersten Sparsamkeit bei jedem einzelnen Betrage bedürfe, wenn es gelingen solle, und ich glaube damit der Zustimmung des Hauses begegnet zu sein. (Sehr richtig! rechts. Zurufe links.)

Nun hört man ja fast schon die Einwendung: es sind also die erforderlichen Summen hier für den Moloch Militarismus in An— spruch genommen, und für die Sozialpolitik ist nichts übrig geblieben. (Sehr richtig! belt den Sozialdemokraten. Heiterkeit) Ich wartete auf ein Sehr richtig (Heiterkeitt, es würde aber durchaus unzutreffend sein. Die Leistung für Sozialpolitik, die wir jetzt auf den Reichshaushalt neu übernehmen, steht der Leistung, die wir für die Vermehrung des Heeres und damit für den Schutz des gesamten Inlandes neu übernommen haben, vollkommen ebenbürtig zur Seite, ja übersteigt sie bis zu einem gewissen Grade.

Aber, meine Herren, allerdings darf auch die Sozialpolitik nicht Ihrerseits sich völlig von dem Gesamtinteresse losgelöst betrachten: sie darf auch Ihrerseits nicht beanspruchen, daß sie für sich allein und ohne Rücksicht auf die übrigen Anforderungen, ohne Rücksicht ink— besondere auf die Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes betrachtet wird. Und hier ist ja nun die Aeußerung, die ich schon in den Kommissionsberichten gefunden habe:

Wenn der Etat an 9 Millionen Mark scheitern müsse, sei es um die Finanzen des Reichs doch traurig bestellt, eine Aeußerung, die der Herr Abg. Dr. Mugdan hier fast genau so wiederholt hat, doch außerordentlich charakteristisch für eine Auffassung, velche eine ganze Reihe von Jahren hier geherrscht (sehr richtig! in der Mitte), und welche uns zu einer Finanzkrisis geführt hat. (Leb— gastes Sehr richtig! rechts und in der Mitte) Das ist die Auf aßung, die jede Ausgabe für sich allein betrachtet (sehr richtig! icchtb und in der Mitte), die sagt: diese Auegabe ist für das deutsche doll, ist im besonderen für die von mir oder meiner Gruppe ver— dlgten Zwecke wünschenswert, und deshalb muß sie unbedingt erfüllt erden, ohne daß geprüft wird, ob auch die entsprechenden Hilfsquellen nhanden sind, um dieser Ausgabe eine entsprechende Deckung gegen— lerzustellen. Die Argumentation wird und kann, wenn man einmal uf diesem Grund und Boden steht, ohne weiteres für eine große heihe von Autzgaben nebeneinander verwertet werden. (Sehr richtig!) techtb und in der Mitte) Denn wenn man eine Ausgabe einmal aus dem eisernen Rahmen der Finanzwirtschaft loslöst, dann will ich (hen, wo das Halten bleibt. Wenn Sie jetzt erklären: das Deutsche Reich muß in der Lage sein, für diesen Zweck nächstes und jedes Jahr Millionen Mark zu gewähren, so garantiere ich Ihnen, daß der nächste Etat Ihnen 150 Milllonen Mark mehr bringt. (Hört, hört! techtg und in der Mitte) Das ist kelne Zahl, die ich aus dem

3wmweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 20. Mai

1911.

Aermel schüttle, sondern dasjenige, was ich auf Grund meiner Er— fahrung als unerläßlich bevorstehend bezeichnen kann.

Ich wiederhole: Mittels jener Auffassung sind wir in die schwere Finanzkrisis hineingetrieben, die wir nun allmählich zu überwinden beginnen, aus der wir in die Gesundung zu kommen im Begriff stehen. Lassen wir dieser Auffassung wieder freien Spielraum so wird das dem deutschen Volke schwere Opfer kosten (seht wahr! rechts und in der Mitte) und zwar Opfer das möchte ich hier auch einmal sagen die man nicht ohne weiteres durch die einfache Bemerkung beseitigen kann, es seien ja im Jahre 19609 noch einige Einnahme— quellen unausgeschöpft geblieben, die man in Anspruch nehmen könnte. Ich will die Stichworte, die dabei in Betracht kommen, hier gar nicht einmal erwähnen, möchte aber hervorheben, daß diejenigen Ein— nahmen, die dabei fort und fort wieder in den Vordergrund gerückt werden, durch die Anforderungen, die darauf von allen Seiten schon als dringlich angekündigt sind, um das Zehn- und Zwanzigfache über— zeichnet werden. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.)

Meine Herren, ich habe zu erklären, daß ich es für ausgeschlossen halte, daß wir, daß die verbündeten Regierungen einen Rückfall in die soeben erst überwundene finanzielle Krisis mitmachen werden. (Leb— hafter Beifall rechts und in der Mitte.)

Abg. Schickert (dkons.): Der Abg. Dr. Mugdan wird sich vielleicht erinnern, wer der Redner in der Kommission war, aus dessen Aeußerungen der Reichschatzsekretär zitiert hat: „mit Wünschen läßt sich leicht varadieren ꝛc.“ Auch wir haben den dringenden Wunsch, die Altersgrenze auf 65 Jahre herabzusetzen; aber der Finanzlage gegenüber müssen wir ihn zurückstellen. Es ist ja nicht verwunderlich, wenn diejenigen, die der Reichs— versicherungsordnung unfreundlich gegenüberstehen, diesen Antrag jetzt einbringen; sie führen das Scheitern der Vorlage herbei und geben sich draußen nun den Schein einer volkstümlichen Politik. Es ist schon auf die großen Beträge hingewiesen worden, um die die Wochenbeiträge dann erhöht werden müßten; der ersten und zweiten Klasse würde eine Steigerung um die Hälfte, der dritten bis fünften um z des bisherigen Betrages aufzuerlegen sein. Man hat dann auch auf die Reichseinkommensteuer, heute auch wieder auf die Reichserbschaftssteuer hingewiesen. Wir können doch nur Steuern beschließen, die eine Mehrheit im Reichs— tage finden, das erklärte schon 1906 der Nationalliberale Büsing. Von dem Eindruck unserer Abstimmung auf die Wähler hier lassen wir uns nicht leiten; wir treiben lediglich sachliche Politik. Wir werden für die Aufrechterbaltung der Kommissionsbeschlüsse stimmen und den Gegnern die Verantwortung für das Scheitern der Vorlage überlassen.

Abg. Dr. Stresemann (ul.): Es ist wohl communis opinio, daß die . der Herabsetzung auf 65 Jahre sachlich nicht bestritten wird. In letzterer Beziehung hat aber der Staatssekretär des Reichs— amts des Innern doch eine abweichende Haltung insoweit bekundet, als er die Bedeutung der Herabsetzung als zurücktretend charakterisierte. Trifft das zu, so stehen die finanziellen Gegengründe, die er und der Schatzsekretär entwickelten, damit einigermaßen im Widerspruch. Nicht nur dem invaliden Arbeiter wollte der Gesetzgeber in den 80er Jahren eine Rente geben, sondern im Hinblick auf den kleinen französischen Rentner wollte man auch dem alt Gewordenen, der sich noch im Vollbesitz wenigstens seiner geistigen Kräfte befindet, zu Hilfe kommen. Wir haben 176900 versicherte Arbeiter zwischen 65 und 70 Jahren. Die theoretische Anerkennung der Forderung ist also erfolgt, bezüglich der finanziellen Wirkung besteht ein großer Widerspruch zwischen den heutigen Darlegungen des Staatssekretärs Delbrück und den ähnlichen Erklärungen in der Kommission. Dort hat man nur von 29 Mill. Bedarf gesprochen, wovon 9 Millionen dem Reiche zur Last fallen würden. Wie erklärt sich die Differenz zwischen den 20 und den 45 Millionen? Für die Abstimmung vieler Mitglieder ist es doch von Bedeutnng, ob die Kosten für die Versicherungsträger und Versicherten sich auf 20 oder 45 Millionen belaufen. Daß jeder, der eine Altersrente empfängt, auch außer Arbeit tritt, ist ja doch keineswegs der Fall. Wenn die Wochenbeiträge von 36 auf 48 * steigen, so ist es das doch nur eine Steigerung um ein Drittel, nicht um zwei Drittel, wie der Abg. Schickert meinte. Die deutsche Arbeiterschaft wird sicher gern bereit sein, die durch die Herab⸗— setzung der Altersgrenze bedingte Erhöhung der Beiträge zu tragen. Was das Handwerk betrifft, so kann ja heute ein großer Teil davon nur mit Mühe die Beiträge aufbringen. Auch wir, die Mehrheit meiner Freunde, die wir dem Antrage der Fortschrittlichen Volkspartei zustimmen, nehmen für uns in Anspruch, nur sachliche Politik zu treiben; auch wir sind uns bewußt, daß damit ja neue, schwere Lasten auferlegt werden. Auch aus den Kreisen der Industrie sind Bedenken gegen neue Belastung durch die Sozialreform aufgetaucht; in dem Punkte ist ja eine Erleichterung eingetreten, indem die Halbierung der Krankenkassenbeiträge nicht durchgegangen ist. Gerade die Industriellen in unserer Fraktion haben ausschlag— gebendes Gewicht auf die Herabsetzung der Altersgrenze gelegt; die deutsche Industrie wird die Last auf sich nehmen aus dem Gefühl heraus, Gerechtigkeit gegen die Arbeiter zu üben. Bezüglich der Finanzen hat der Schatzsekretär eine eigentümliche Rechnung auf gemacht, mit der man dem Reichstage gar nicht kommen sollte. Was würde er sagen, wenn wir sagten, ein Minister kostet uns jährlich kapitalisiert eine Million Mark? Wir haben uns hier an die tatsächlichen Ziffern zu halten. Ich nehme auch meinerseits die 9 Millionen nicht leicht, die dem Reichsetat aufgebürdet werden müssen; es wird schwierig sein, den Etat zu balancieren, trotzdem eine gewisse Schönfärberei in bezug auf die Erträge der Steuern und Zölle so fortgesetzt in offiziö8sen Blättern vorgetragen wird. Wir haben doch auch für die Veteranen Mittel und Wege gefunden, die Deckung für die erweiterte Fürsorge zu beschaffen. Und ginge es nicht ohne neue Steuern, so würden wir diese selbst—

verständliche Konsequenz ziehen: wir verweisen auf die Erbschafts

Beiträge müssen von den verbleibenden Versicherten aufgebracht werden; im ganzen müssen also 20 Millionen plus 25 Millionen, gleich 45 Yi Mark mehr aufgebracht werden; oder auf den Kepf der Versicherten 3 im Jahre bei 15 Millionen Versicherten, oder 6 * für die Woche. . . Abg. Becke nnlrnsberg GZentr. : Der Staatssekretär meinte, wenn die Arbeiterschaft die Auswahl habe zwischen der Herabsetzung der Altersgrenze und der Kinderrente, so ziehe sie die letztere vor. Auch die christlich nationale Arbeiterschaft hält die Herabsetzung der Altersgrenze für sehr gut; sie zieht aber die Kinderrente vor, wie sie es schon auf ihrem Cölner Kongreß 1909 einstimmig erklärt hat. In letzter Zeit haben die Funktionäre der christlich- nationalen Arbeiterverbände ebenso einstimmig, also auch diejenigen, die der liberalen Partei angehören, gegen Anträge, die das Zustande⸗ kommen der Reichsversicherungsordnung erschweren würden, Front gemacht, selbst wenn solche Anträge populär wären. Man soll nicht zwei Hasen zugleich jagen und eventuell keinen fangen. Diese Arbeiter schaft hat ebenso gut ein Recht, hier gehört zu werden, wie die sozialdemokratische; die christlichen sahen auf ihrem letzten Kongreß über 1 Million deutscher Arbeiter vertreten. Die christliche Arbeiterschaft hat auch noch weitere Wünsche bezüglich der Invalidenversicherung, die aber merkwürdigerweise hier keine so warme Verteidigung finden wie die Herabsetzung der Altersgrenze, obwohl sie viel dringender sind als diese; sie lassen sich verwirklichen, wenn die Herren um Stresemann sich für eine Dividendensteuer erwärmen wollten. Damit würde dem Arbeiter⸗ stand ein viel größerer Dienst als durch diese Herab⸗ setzung erwiesen werden. Der Abg. Dr. Stresemann mag die Prohe machen, er mag mit mir in unsere Arbeiterversammlungen kommen; die Arbeiterschaft wird auf meiner Seite sein, nicht auf seiner. Der Bund der Industriellen hat doch nach meiner Information mehrfach ewarnt, Ausgaben über den Rahmen der Vorlage hinaus zu hewilligen. er Abg. Dr. Stresemann hätte, wenn er von der Not⸗ wendigkeit der Annahme des Antrages so durchdrungen ist, diese . veranlassen müssen, ihre Resolutionen nicht zu fassen. Der Abg r. Stresemann drängt mit seiner Stellungnahme die Regierung ; ihrem Unannehmbar; er soll die Industriellen, denen er t auffordern, seine heutige Stellungnahme durch ein solution zu unterstützen, und ich bin überzeugt, wird dann von ihrem „Unannehmbar“ zurücktreten. dustrie würde selbst bezeugt haben, daß sie ausländischen Konkurrenz doch noch im stande wäre, diese M belastung zu tragen, während die verbündeten Regierungen uns imme wieder sagen, die Industrie sei nach dem eigenen Geständnis Industriellen dazu nicht mehr fähig, wenn sie nicht auf dem markt unterliegen soll, und die Arbeiter nicht den Ast auf dem sie sitzen. Industriefreundlicher als die In brauchen doch die verbündeten Regierungen nicht zu sein. ür Antrag Kulerski auf Herabsetzung der Altersgrenze stimmte in der Kommission nur ein einziges freisinniges Mitglied. Namen darf man ja nicht nennen, aber vielleicht teilt Dr. Mugdan seinen k legen privatim mit, wer dieser Abgeordnete war. as betreffende Mitglied hat auch davon gesprochen, daß man nicht von der Altersversicherung zur Alterspersorgung kommen dürfe. Durch unsere Tätigkeit in der Gewerkschaftsbewegung haben wir Augenmaß genug bekommen, das Exreichbare zu erkennen und nicht dem Unerreichbaren nachzujagen und dabei das Erreichbare aufzugeben. So handeln wir immer im gewerkschaftlichen Leben. (Als der Redner näher auf die Taktik der christlichen Gewerkschaften bei Lohn⸗ differenzen im Gegensatz zu der der sozialdemokratischen Gewerkschaften eingeht, wird er vom Präsidenten unterbrochen. Ich hoffe, Sie werden die Kommissionsfassung annehmen. Dabei stütze ich mich auf die Wünsche der Arbeiterschaft, die in vielen Briefen an uns ausgesprochen sind. Darin, daß wir das Erreichbare nehmen auc Bezug auf die zur Debatte stehende Frage, sind sich alle christlich Gewerkschaftler einig. Wenn der freisinnige Antrag angeno wird, so wird sich in der Arbeiterschaft die Meinung Bahn brechen, daß der Antrag nicht gestellt war, um den Arbeitern zu belfen, sondern um das Gesetz zu Fall zu bringen aus politischen Gründen. Abg. Molkenbuhr (Soz.): Persönlich würde es au

die Altersgrenze bei 70 Jahr zu belassen. Wir könnten die Her setzung sehr wohl entbehren, wenn nämlich jeder wirkliche Inralide auch Invalidenrente bekäme. Das ist aber bei der ge sprechung des Reichsversicherungsamts bei einer großen

tatsächlich invalider Menschen nicht der Fall. Das zeigen mannig fache Beispiele aus den Monatsblättern für Arbeiterversick die vom Reichsversicherungsamt herausgegeben

es z. B. nicht nötig, daß ein Mensch sebhe

braucht nicht „Invalide! zu in

der seit 19 Jahren erblindet

gewisse Fertigkeit in allen möglichen

Er war sogar im stande als Geme

allerdings nur in Begleitung seiner ̃

Feuer den Lichtschein nicht hätte sehen können: weil er IJ00 M verdiente, wurde er als nicht erwerbsunfähig im Invalidenversicherungsgesetzes t

29 Millionen eine nennenswerte Sumn

und der Marineminister rechnen damit nicht

keit, die gar nicht in Betracht kommt

für die Sozialpolitik handelt, dann we

für 10, 20 und 30 Jahre genannt, s

Heute ist man dazu übergeg

Warum macht ma

Wenn man die gegen

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Volksabstimmung

stimmen, und

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haben. Gegen viele Anträge haben wir stimmen müssen, die uns sachlich als berechtigt erschienen wo aber die finanzielle Er

reichbarkeit nicht gegeben war; bier aber handelt es sich um etwas

auch finanziell Grreichbares. und darum macht die Mehrbeit meiner Freunde hier eine Ausnahme, weil es uns auch als Herzenz sache erscheint, diese Frage in einem Sinne zu erledigen, wie Hunderttausende von Volksgenossen es erwarten. Auch die Regiternng wird schwerlich die Verantwortung für die Ablehnung übernedme können.

Direktor im Reichsamt des Innern Caspar: In Punkte irrt der Vorredner, wie sich aus den Erklarnnger Staats sekretäre ergibt. Im Kommissionsbericht daß gegenüber der jetzigen Belastung mit Alterre GErböbung um 29 Millionen eintreten würde, weden 8 N Reichs mschuß wären. Mit dieser Mebrdelastung ist ed geian, denn in Julunst fallen die y JabrezlaFen Jabren mit ibren Weiträgen aug. Die Wlterewentner k deschäftigt werden, zadlen aber keine Beitrage medr. Dre and