es aber dafür, wie auch in zweiter Lesung beschlossen wurde, der Ge— nehmigung des Aufsichtsamts bedarf.
8§z 385 wird genehmigt.
Nach 5 448 könnnen auf Antrag des Arbeitgebers unter Wegfall des Anspruchs der Versicherten auf Krankengeld die Kassenbeiträge unter gewissen Voraussetzungen entsprechend er⸗ mäßigt werden.
Ein Antrag Albrecht, den der Abg. Hoch (Soz.) begründet, geht dahin, daß 8 25 entsprechend gelten soll. (8 25 regelt die Behandlung von Rückständen und das Beitreibungs⸗ verfahren.)
Geheimer Oberregierungsrat Spielhagen: Der Zusatz ist un⸗ bedenklich.
S§z 448 wird mit dem Antrag Albrecht angenommen.
In der zweiten Lesung ist zu 8 525a folgender Zusatz angenommen worden:
In die Generalversammlung und den Vorstand einer knapp⸗ schaftlichen Krankenkasse können auch Knappschaftsinvaliden gewählt werden, wenn sie als Mitglieder Beiträge zur Krankenkasse zahlen“.
Ein Antrag Schultz und Genossen will das Wort „auch“ streichen und hinter „gewählt werden“ fortfahren: „auch wenn sie als freiwillige Mitglieder Beiträge zur Krankenkasse zahlen“.
Abg. Hue (Soz.) befürwortet folgende Anträge Albrecht: Die Bestimmung, wie folgt, zu fassen:
In die Generalversammlung und den Vorstand der knapp— schaftlichen Krankenkassen, Knappschaftsvereine und Knappschafts— kassen können Knappschaftsinvaliden gewählt werden, wenn sie als versicherungspflichtige oder freiwillige Mitglieder Beiträge zur Krankenkasse zahlen.“
oder „In die Generalversammlung und den Vorstand der knappschaftlichen Krankenkassen, Knappschaftsvereine und Knapp⸗ schaftskassen können auch Knappschaftsinvaliden gewählt werden.“
Der Redner beantragt zugleich namentliche Abstimmung über den zuerst genannten Antrag.
Direktor im Reichsamt des Innern Caspar legt dar, daß auch bei Aufrechterbaltung der Beschlüsse zweiter Lesung die Knappschafts⸗ indaliden wählbar sind.
Abg. Sachse (Soz.) bezeichnet demgegenüber die sozialdemo⸗ kratische Fassung als empfehlenswerter.
Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Nach den Ausführungen des Ministerialdirektors würden die nach Inkrafttreten der R.⸗-V.⸗O. inpalide werdenden Mitglieder wählbar sein, die. vorher invalide gewordenen aber nicht. Das wäre eine unzulässige Einschränkung des . der Wählbaren. Deshalb ist der Antrag Albrecht vor⸗ zuziehen.
Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.) führt aus, daß die Reichs— versicherung nur insoweit Bestimmungen treffen könne, als die landes⸗ rechtlich geregelten Pensionskassen Krankenkassen⸗ und Invalidenkassen⸗ aufgaben zu erfüllen haben. Deswegen bedeuteten die sozialdemokratischen Anträge einen Eingriff in das Landesrecht.
Der sozialdemokratische Antrag wird in namentlicher Abstimmung mit 207 gegen 95 Stimmen bei einer Stimment⸗ haltung abgelehnt und darauf §525a einstimmig nach dem An⸗ trag Schultz angenommen.
Nach Ss 541 a wird für Ersatzkassen, deren Mitglieder über⸗ wiegend aus Handlungsgehilfen, Bühnen⸗ und Orchester⸗ mitgliedern und Lehrern und Erziehern bestehen, die Begünsti⸗ gung statuiert, daß auf Antrag dieser Ersatzkassen der Bundesrat widerruflich anordnen kann, daß die Krankenkassen an die Ersatz⸗ kasse die bei diesen für deren Mitglieder eingehenden Beitrags⸗ teile der Arbeitgeber zu 43 abzuführen haben.
Die Kompromißmehrheit will dieser Begünstigung auch die Bureauangestellten teilhaftig werden lassen.
Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.) begründet einen Antrag Ablaß und Genossen, auch die Werkmeister und ähnliche Angestellte in den Bereich des 5 541 a einzuschließen.
Direktor im Reichsamt des Innern Caspar erklärt sich gegen diesen weiter gehenden Antrag Ablaß, da dafür ein Bedürfnis nicht vorliege.
S 5412 wird mit dem Kompromißantrag angenommen, ebenso der Rest des zweiten Buchs ohne Debatte.
Darauf wird gegen 8 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Dienstag früh 10 Uhr vertagt.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 86. Sitzung vom 29. Mai 1911, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Losgesellschaften, die Veräußerung von In⸗ haberpapieren mit Prämien und den Handel mit Lotterielosen, auf Grund des Berichts der verstärkten Justizkommission. Die Kommission hat den Tert vielfach ge⸗ ändert und namentlich die Strafen gemildert. Der Bericht⸗ erstatter ist der Abg. Reinhard (Zentr.).
s 1 in der Kommissionsfassung bestimmt:
„Wer gewerbsmäßig in der Absicht, andere auszubeuten (Regie⸗ rungsvorlage: zum Zweck der Ausbeutung der Spielsucht), zur Be⸗ teiligung an Losgesellschaften auffordert oder sich mit deren Bildung oder Geschäftsführung befaßt, oder wer gewerbswäßig solche Los gesellschaften oder deren Bildung in anderer Weise wissentlich fördert, wird mit Gefängnis bis zu 3 (Vorlage: 6) Monaten und zugleich mit Geldstrafe von 1069 bis 3000 6 oder mit einer dieser Strafen bestraft. Losgesellschaften im Sinne dieses Gesetzes sind Vereinigungen jeder Art, welche die Gewinnaussichten von Serien- oder Prämienlosen oder von Lotterie⸗ oder Ausspielungslosen ausnutzen wellen.“ . ; ö
Abg. Böhmer (kons. ): Der sehr sorgfältige schriftliche Kom⸗ missionsbericht gestattet mir, kurz zu sein. Wenn wir auch der Ver⸗ mehrung der Gesetze nicht freundlich gegenüberstehen, so haben wir uns doch in der Kommission davon überzeugt, daß dieses Gesetz eine Not⸗ wendigkeit ist. Wir haben auch anerkennen müssen, daß der Weg der Landesgesetzgebung zulässig ist. Wir stimmen dem Kommissions⸗ beschluß zu. Die Kommission bat das in der Vorlage enthaltene Tatbestandsm Ausbeutung der Sxielsucht beseitigt, weil eigentlich die Sxielsucht ausgebeutet wird.
er 8 n, in der Absicht, andere auszubeuten, ohne Angabe der Zahl
antrage mi in der Abs e aus 7 71 rr H
1 — 1 — 1.
gegen die Ausbeutung unerfahrener Leute wirken enig angewendet werden wird. els freikons. ): Au ine Freunde haben keine ieuen Gesetzen, wir würden es gern s ; der Gesetzgebung
notwendig ist. Die Regierung, hat uns allerdings Material genug dafür beigebracht, aber es hätte vielleicht doch nicht ausgereicht, wenn nicht hinzugekommen wäre, daß andere Staaten wie Hamburg, Olden⸗ burg, Lübeck ähnliche Bestimmungen haben und dadurch gerade die Serien- und Prämienlose nach Preußen gedrängt würden,. Das hat uns hauptsächlich dazu bestimmt, die Bedürfnisfrage zu bejahen. Ueber die Frage, ob die Landesgesetzgebung zuständig ist, wogegen der Einwand erhoben werden könnte, daß die Gewerbefreiheit ent⸗ gegenstände, ist, wie es bei Juristen selhstverständlich ist, in der Kommission eingehend diskutiert worden; alle Gründe für und wider nochmals zu erörtern, würde bei der Besetzung des Hauses ein reines Vergnügen nicht bereiten, ich nehme daher auf den eingehenden und klaren Bericht des Kollegen Reinhard Bezug. Wir meinen, daß die Ge⸗ werbeordnung nicht im Wege steht und die Landesgesetzgebung zulässig ist. Wir waren in der Kommission einig, daß die Regierungsvorlage mit dem Ausdruck zum Zwecke der Ausbeutung der Spielsucht“ nicht das Richtige getroffen hat, da bei allen Lotterien auf die Spielsucht spekuliert wird und weil die objektive Feststellung der Spielsucht die größte Schwierigkeit machen würde, Die Kommission hat eine ge⸗ eignetere Fassung zu finden gesucht; ob die Fassung der Kommission ganz richtig ist, lasse ich dahingestellt; es ist mir zweifel⸗ haft, ob es richtig ist, ohne jedes sachliche Objekt die Aus⸗ beutungsabsicht zur Voraussetzung zu machen. Aber wir haben unsere Bedenken ausgeräumt und stimmen der Kommissions—⸗ fassung zu. Die Bestimmungen der Vorlage über die Bestrafung des Rückfalles hat die Kommission auch erheblich verbessert. Den Antrag des ö. Boehmer zu 5 7 unterstützen wir ebenfalls. Nach sz 9 wird auch bestraft, wer Lose einer öffentlichen Lotterie, die nur ür einen Teil des Staatsgebietes zugelassen sind, außerhalb dieses Gebietes feilhält. Wir haben uns davon Überzeugen lassen, daß eine solche territoriale Cinschränkung erforderlich ist. Gewisse Schwierigkeiten werden die Bestimmungen des 810 machen, daß jede einzelne Zuwider⸗ handlung gegen das Gesetz als besonderes, selbständiges Vergehen be⸗ straft wird, also nicht eine fortgesetzte Handlung vorliegt, aber wir haben das Vertrauen zu unseren Richtern, daß sie Mißgriffe ver⸗ meiden werden. Das Gesetz ist nicht vom fiskalischen Gesichtspunkt ih n, es handelt sich nur darum, schwache Personen vor Ausbeutung zu schützen. . . .
Abg. Goebel (Zentr.): Auch für meine politischen Freunde kann ich die Erklärung abgeben, daß wir dem Entwurf in der Kommissions⸗ fassung zustimmen, ebenso werden wir den vorliegenden Abänderungs—⸗ antrag annehmen. Wir sind auch nicht dafür, immer die Klinke der Gesetzgebung in Bewegung zu setzen; in der Kommission haben wir uns aber von der Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Eingreifens überzeugt. Es hat die Frage nahe gelegen, ob man die Lösung dieser Frage nicht der Reichsgesetzgebung überlassen sollte. Uns ist aber mitgeteilt worden, daß der Vorentwurf zum Strafgesetzbuch keinerlei Bestimmungen in dieser Hinsicht enthält. Wir haben deshalb den Weg der Landesgesetzgebung beschreiten müssen, wie es ja auch schon verschiedene andere deutsche Staaten getan haben. . Abg. Peltasohn ffortschr. Volksp.): Ich erkenne an, daß die LKommissionsfassung eine Reihe von Verbesserungen aufweist, so vor allen Dingen bezüglich der Strafhemessung. Es bleiben aber doch noch viele Bedenken zurück. So halten wir vor allem die landesgesetz liche Regelung nicht für richtig. Die Materie müßte durch die Reichs— gesetzgebung geregelt werden; denn es ist mit dem Reichsgedanken nicht vereinbar und der Rechtseinheit schädlich, wenn eine reichs— gesetzliche Regelung da unterlassen wird, wo die Reichsgesetzgebung zustaͤndig ist. Dieselben Uebelstände herrschen doch auch in den anderen Bundesstaaten, und es ist nicht richtig, wenn in dem einen Staat etwas strafbar ist, was in einem anderen Staate straffrei bleibt. Wenn einzelne Kleinstaaten schon diese Materie selbständig geregelt haben, so ist das noch kein Grund dafür, daß Preußen als größter Bundesstaat dem Beispiele folgt. Wenn man sagt, das Reichsgesetz ist nicht, vollkommen genug, so liegt es doch nahe, die Ergänzung eines Reichsgesetzes wieder durch ein Reichsgesetz herzustellen und nicht durch ein Landesgesetz. Gegen die reichsgeseßlichen Grundsätze verstößt es auch, den Versuch und die Beihilfe ebenso zu bestrasen, wie die vollendete Tat des Haupt— täters. Schwierigkeiten wird auch der Begriff der fortgesetzten Handlung bereiten. Wenn jemand z. B. 10 000 Drucksachen herstellt und in Zwischenräumen von einigen Tagen immer 1900 Stück ver⸗ sendet, liegt da eine einmalige oder eine fortgesetzte Handlung vor? Auch die Einzelhandlung stellt sich ihrer ganzen Natur nach nicht als etwas Einheitliches dar, sondern besteht in der Regel wieder aus einzelnen Handlungen. Das Gesetz von 1904 war ein Ausnahme⸗ gesetz, ein Kampfgesetz, das die anderen Bundesstaaten veranlassen sollte, die preußische Lotterie in ihren Gebieten zuzulassen. Ein solches Kampfgesetz liegt hier aber nicht vor. Der vorliegende Antrag ist mir sympathisch, wenn ich auch zugeben muß, daß das Anwendungs⸗ gebiet des 8]? dadurch erweitert wird. Die Bestimmung des 8 9, die jogar die gewerbsmäßige Verbreitung von Losen außerhalb des Gebietes des preußischen Staates, für das sie genehmigt sind, unter Strafe stellt, wird dazu führen, daß besonders die Wohl⸗ fahrtslotterien geschädigt werden. Es ist nicht immer möglich, die einzelnen provinziellen Grenzen inne zu halten, der Absatz der Lose wird dadurch beeinträchtigt: wir wünschen deshalb, daß die territoriale Beschränkung in § 9 gestrichen wird.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Namens der Staatsregierung erkläre ich die Zustimmung zu den Beschlüssen der Kommission des Hauses. Ich sehe in diesen Beschlüssen Verbesserungen namentlich der Fassung, aber hier und da auch sachliche Verbesserungen; auch gegen die Er⸗ mäßigung der Strafmaße habe ich nichts einzuwenden. Die Staats⸗ regierung ist auch mit dem Antrage einverstanden, der heute gestellt ist und den der Herr Berichterstatter bereits mitgeteilt hat, daß in § 7 die Worte: in der Absicht, andere auszubeuten“ gestrichen werden. . 9 Meine Herren, der Gesetzentwurf ist schon seit langer Zeit und sehr gründlich beraten worden, auch die Beratungen hier im Hause und in der Kommission sind sebr eingehend gewesen, namentlich auch hinsichtlich der rechtlichen Seite der Vorlage, sodaß wohl alle Gesichts punkte, die geltend gemacht werden können, auch bereits zur Sprache gebracht worden sind. Die große Mebrheit der Kommission hat sich zustimmend verhalten und ebenso die Redner des Hauses, welche heute gesprochen haben. Die Gründe sind von ihnen auch hervorgehoben worden, und ich könnte mich also darauf beschränken, meine Zustimmung zu dieser Be⸗ gründung auszusprechen. Mit Rücksicht aber darauf, daß der letzte der Herren Redner eingehender von den Rechtsfragen gesprochen hat, und wie ich anerkenne, mit wohl erwogener juristischer Begründung, halte ich es doch für geboten, wenigstens in aller Kürze meine entgegen⸗ stehenden Ansichten auszusprechen.
Zunächst hat Herr Abg. Peltasohn Zweifel darüber ausgesprochen, ob die Landesgesetzgebung zuständig sei; er meint, daß vielmehr nur die Reichsgesetzgebung eingreifen dürfe. Die Frage ist doch wohl kurz zu beantworten. Wenn wir uns die Bestimmungen des Straf⸗ gesetzbuchßs vor Augen halten, welche die Veranstaltung einer Lotterie ohne Zuftimmung mit Strafen bedrohen, und welche ferner in einem Uebertretungtparagraphen die Abhaltung von Gläͤcksspielen an öffentlichen Wegen ohne Zustimmung verbieten, so kann man doch unmöglich sagen, daß damit das ganze Lotteriewesen vom strafrechtlichen Standyunkt aus erschöpfend habe geregelt werden können und sollen. Hieraus allein folgt schon die Richtigkeit der Ansicht, daß — im Anschluß an die Bestimmungen
des 5 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch — die Landes gesetzgebung im übrigen freie Hand hat.
Der Herr Abgeordnete hat auf eine Entscheldung des Reichs⸗ gerichts, welche im 18. Bande abgedruckt ist, verwiesen, um die ent— gegenstehende Ansicht zu stätzen. Ich möchte darauf verweisen, daß das Reichsgericht später selbst Veranlassung genommen hat, seine in jener Entscheidung ausgesprochenen Ansichten zu deklarieren. Das ist in einer Entscheidung im 33. Bande geschehen. Ich kann hinzufügen, wie es, was ja auch bekannt ist, daß die Entscheidungen im 33. und 40. Bande gar keinen Zweifel lassen, daß das Reichsgericht in seiner Praxis auf dem Standpunkt steht, die Landes— gesetzgebung könne eingreifen. Das ist ja auch schon in gewisser Weise hier und da geschehen. Ich glaube also, daß Theorie und Praxis jetzt hierin übereinstimmen.
Dann hat der Herr Abgeordnete auf die Gewerbeordnung ver— wiesen und auch hier noch Bedenken gefunden, ob das Gesetz so, wie es vorgebracht ist, möglich sei, ohne mit der Gewerbeordnung in Widerspruch zu stehen. Wegen der Lose ist die Sache ja einfach, wegen der Prämienlose ist die Deduktion, der sich das Reichsgericht angeschlossen hat und die ich auch für richtig halte, die, daß bei Prämienlosen in der Regel das Lotteriemäßige das Uebergewicht hat, und daß infolgedessen auch anzunehmen ist, daß Prämienlose im Sinne der Gewerbeordnung als Lotterielose zu betrachten sind. Aber auch selbst wenn man das nicht annehmen wollte, so würde kein Grund bestehen, hier die Gesetzgebung des Landes nicht eingreifen zu lassen. Denn wenn auch das Gewerbe freigegeben ist, besteht doch in der Theorie und Praxis kein Zweifel darüber, daß auch dann die Art und Weise der Ausübung des Gewerbes noch besonderen Vorschriften unterworfen werden kann, damit Mißbrãäuche verhindert werden. Also auch von diesen Gesichtspunkten aus kann die Gewerbeordnung kein Hindernis für das Gesetz sein, das jetzt zur Beratung steht.
Nun hat der Herr Abgeordnete noch auf einige Punkte ver— wiesen, die er mehr als Schönheitsfehler ansieht wie als wirkliche Hinderungsgründe: Daß z. B. der Rückfall hier anders geregelt sei als sonst im gemeinen Strafrecht, daß auch die Teilnahme anders bestraft werde wie sonst. Es ist ja richtig, daß das gemeine Straf— recht sonst auf einem anderen Standpunkt steht; aber ebenso richtig ist es, daß die Landesgesetzgebung, wenn sie freie Hand hat wie hier, sich an diese Bestimmungen nicht zu binden braucht. Wir haben auch schon Vorgänge darin: wir bestrafen die Teilnahme und den Versuch mit der vollen Strafe schon im Gesetz, betreffend den Forst⸗ diebstahl, auch der Rückfall ist im Strafgesetzbuch nicht erschöpfend geregelt, und wir haben auch im Forstdiebstahlsgesetz den Rückfall schon so geregelt, daß auch ohne Verbüßung der Strafe die rechts⸗ kräftige Verurteilung allein genügt, um Räckfallstrafe eintreten zu lassen.
Den Hauptschwerpunkt selner Erwägungen schien der Herr Abg. Peltasohn heute darauf zu legen, daß er meinte, es sei besser, die Materie durch Reichsgesetz zu regeln als durch Landesgesetz. Das würde ja, wenn es erreichbar wäre, daß ein Reichsgesetz fürs ganze Reich gegeben würde, gewiß in vieler Hinsicht zu begrüßen sein. Aber ich kann mir keinen Erfolg davon versprechen, wenn jetzt Anregungen in diesem Sinne von den verbündeten Regierungen gegeben würden; denn wir haben schon elne Reihe von Gesetzen in anderen Staaten, und ob auf ein solches Ergänzungesgesetz, wie es der Herr Abgeordnete nennen würde, im Reichstage augenblicklich sehr zu rechnen wäre, ist mir sehr zweifelhaft. Denn gerade bei der Vorlage, die die Er— gänzung des Strafgesetzbuchs betrifft, haben wir eigentlich die entgegen- gesetzte Erfahrung gemacht. Diese Vorlage ist immer noch nicht zur Verabschiedung gekommen. Ich glaube, es würde sich mit einer Vor= lage im Sinne des jetzigen Gesetzes sehr ähnlich verhalten. Unter allen Umständen müssen wir aber annehmen, daß, wenn wir jetzt an das Reich gehen wollten, die Sache noch sehr viel länger dauern würde, als wenn wir von der Befugnis, das Gesetz im Lande zu erlassen, Gebrauch machen.
Die Gründe, aus denen das Gesetz gewünscht wird, sind schon genugsam vorgebracht worden und, wie ich wohl sagen kann, ziemlich allgemein anerkannt worden.
Ich sage nochmals, um den Standpunkt der Regierung klar zu stellen, daß irgend welche juristischen Bedenken gegen den Erlaß dieses Gesetzes nicht vorliegen. (Bravo)
Abg. Lieber (n.): Gewiß wäre es wünschenswert, wenn die Frage reichsgesetzlich geregelt würde, aber auf ein Reichsgesetz könnten wir noch lange warten; deshalb muß Preußen vorangehen, und wir meinen, daß es mit gutem Beispiel vorangebt. Die Kommission bat den Begriff der Ausbeutung besser festgestellt als die Regierungsvorlage; es soll eine sogenannte sgeietas leonina ber- hindert werden, bei der der eine den ganzen Vorteil hat, während alle anderen Teilnehmer ausgebeutet werden. Die territoriale Klaufel des s J ist notwendig; denn es genügte nicht, daß die Re— gierung eine Lotterie nur für einen Teil des Staatsgebiets zuließ, aber eine Bestrafung des Losevertriebs außerhalb des Gebiets nicht möglich war. Wir stimmen den Kommissionsbeschlüssen mit dem Antrag zu 5 7 zu. . . .
Abg. Dr. EL tebknecht (Soz.): Ich kann im wesentlichen den Aus⸗ führungen des Abg. Peltasohn zustimmen. Die Bedenken gegen die Landesgesetzgebung mit Rücksicht auf die Gewerbeordnung sind nicht befeitigt; ich kann mir nicht denken, daß das Reichsgericht der An⸗ sicht sich anschließen wird, daß das (Gesetz nicht in die Reichsgeseh— gebung übergreift. In der Hauptsache ist das Gesetz dazu bestimmt, den Fiskus gegen die Eingriffe in sein Lotteriemonopol, in ein Monbpol der Ausbeutung der Spielsucht durch Lotterien zu schützen. Die Gerichte haben Schwierigkeiten gehabt, die dosehãndler fuür die Ueberschreitung ihrer Konzession zu fassen, und das ist sicher⸗ lich der Anlaß zu dem Gesetz gewesen. In Bad Salzbrum soll mit Königlicher Genehmigung ein Roulett bestehen, um dem Fürsten Pleß die Erhaltung diejetJ Bades zu erleichtern; es ral. erwünscht, wenn darüber Klarheit gegeben wird, ob sich die d Gerücht bestätigt. Wenn dieses Gesetz einen sozialpolitischen (Charakter Haben. soll, weil es die Schwachen schützt, so würde dar ür die sozialpolitische Betätigung dieses Hauses nicht gerade enn glänzendes Zeugnis ausstellen; das wäre nur eine Sonialpolitit nach Art der weißen Salbe. Wir sind nicht in der Lage, für das Gesetz zu stimmen.
s 1 wirb gegen die Stimmen der Volkspartei und der Sozialdemokraten angenommen; 57 wird mit der. Aen herunj nach dem Antrage Boehmer angenommen; im übrigen stimmt bas Haus bei allen einzelnen Paragraphen der Komm issio ne fassung zu. Die zur Vorlage eingegangenen Petitionen wer . für erlebigt erklärt bis auf eine Petition, die sich auf *. bessere Kontrolle bei Lotterien bezieht und die der Regierung
als Material überwiesen wird. (Schluß in der Zweiten Beilage.)
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
In der sofort erfolgenden dritten Lesung wird das Gesetz ohne Debatte im einzelnen und bei der Gesamtabstimmung im ganzen gegen die Stimmen der Volkspartei und der Sozial— demokraten angenommen.
Die Spezialübersicht über die Verteilung der nach 8 53 des Lehrerbesoldungsgesetzes zur Gewährung von Er— gänzungszuschüssen an Schulverbände mit 25 oder weniger Schulstellen im Geltungsbereiche des Volksschulunter⸗ haltungsgesetzes bereitgestellten Mittel wird ohne Debatte in einmaliger Beratung durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
Es folgt die Beratung des Antrags der Abgg. Bitta (Zentr.) und Gen.: die Regierung zu ersuchen, alsbald einen Gesetzentwurf vor— zulegen, durch welchen die bei Erlaß der Berggesetznovelle vom 18. Juni 1907 vorbehaltene Ordnung der Uebertragung des Rechts zur Aufsuchung und Gewinnung der Steinkohle an andere Personen herbeigeführt wird.
Der Abg. Dr. Bell⸗Essen (Zentr) beantragt dazu noch folgenden Zusatz: die Regierung zu ersuchen, in dem Gesetzentwurf tunlichst die
Interessen derer zu berücksichtigen, die zu einer Zeit, wo die Ent—
deckung noch ein Mutungsrecht gab, eine Entdeckung gemacht und
nur wegen unverschuldeter Nichtwahrung der Felderstreckungsfrist dieses Recht verloren haben.
; 9 Bitta (Zentr.: Mein Antrag bezweckt, eine Lücke in der Gesetzgebung auszufüllen. Die lex Gamp vom 5. Juni 1905 hat die Bergbaufreiheit beschränkt auf zwei Jahre hinaus, ausgenommen waren lediglich die Schürfarbeiten, welche vor dem 1. März 1905 vor— genommen waren, oder welche im Zusammenhang mit noch schwebenden Mutungen vorgenommen wurden. Nach Ablauf der Frist der lex Gamp bestimmte die Novelle zum Allgemeinen Berggesetz von 1907, daß die Aufsuchung und Gewinnung der Steinkohle allein dem Staate zustehe, und daß nur von dieser Bestimmung die Provinzen Ostpreußen, Pommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein ausgenommen seien. Die Novelle behielt ferner dem Staate noch weitere 150 Maximal- felder vor, und bestimmte, daß die Verleihung des Bergwerksrechts innerhalb dreier Jahre erfolgen soll. Diese Frist ist am 8. Januar dieses Jahres abgelaufen. Das Herrenhaus hat der Novelle die Bestimmung hinzugefügt, daß die Ordnung der Ueber⸗ tragung des Bergrechts durch Gesetz erfolgen soll. Das Abgeordneten— haus hatte ursprünglich die Fassung beschlossen: „Die Uebertragung erfolgt durch Gesetz“. Nach dem Beschluß dieses Hauses sollte also das Bergwerksrecht für jeden einzelnen Fall durch Gesetz über— tragen werden. Daran nahm das Herrenhaus Anstoß und bestimmte, daß ein allgemeines Gesetz die Grundsätze für die Verleibung des Bergwerkseigentums regeln sollte. Ueber diese allgemeinen Grundsätze ist eine Einigung noch nicht möglich gewesen. Die Novelle zum Berggesetz von 1909 ließ diesen Punkt unberücksichtigt, so daß die Lücke heute noch besteht. Niemand kann heute Versuchs⸗ arbeiten vornehmen. Die Bergbehörden erklären sich sogar außer stande, eine Verleihung auszusprechen, mit der Begründung. daß die Mutung mangels eines Gesetzes nicht mehr verleihbar sei. Am besten würde die Lücke dadurch ausgefüllt werden, daß die frühere Berg— baufreiheit, die die Blüte des deutschen Bergbaues herbeigeführt hat, auch in den übrigen Provinzen wieder eingeführt wird. Ein solches Gesetz würde jetzt Annahme finden, denn die Verhältnisse haben sich seitdem wesentlich geändert. In der Zeit der Kohlennot rief alles nach der Hilfe des Staates. An der Deckung des Mebrbedarfs zur Beseitigung der Kohlennot hat sich aber der Fiskus nicht beteiligt. Die damalige Gesetzgebung begründet man auch damit, daß der Staat die Preissteigerung verhindern sollte: der Staat ist aber gar nicht in der Lage, unter den Marktpreis berunter— zugehen. Zudem würde, wenn man die sämtliche noch freie Kohle bis zu 2000 m. Tiefe dem Fiskus reservierte, der Anteil des Fiskus an der Gesamtheit nur 1074 oo ausmachen. Seinerzeit ist auch die Rücksicht auf sozialpolitsche Aufgaben geltend gemacht worden, die dem Staate obliegen. Der Staat hat in dieser Beziehung aber nicht mehr Aufgaben als die Privatindustrie, die sogar Opfer gebracht hat, die weit über die gesetzlichen Ver— pflichtungen hinausgehen. Die Angaben, die hierüber der Abg. Korfanty in bezug auf die oberschlesischen Betriebe gemacht hat, sind durchaus unrichtig: gerade bezüglich der Fürsorge für die Arbeiter hat die oberschlesische Industrie außerordentlich viel getan. Ich hatte wiederholt Gelegenheit, auf vielen Werken in Oberschlesien die Wohlfahrtseinrichtungen zu besichtigen. Die privaten Gruben würden gern auf die Beschäftigung von Frauen und Ausländern ver zichten, wenn sie genügend andere Arbeiter zur Verfügung hätten. Es kann auch gar keine Rede davon sein, daß plötzliche Arbeiterentlassungen erfolgen: das kann nur eine Verwechslung mit der sog. Karenzzeit sein, die vorsieht, daß ausländische Arbeiter nach sechs Monaten wieder in ihre Heimat zurückkehren müssen. Ebenso gibt es keine sog. ‚Lohn— konventionen“, die darauf hinzielen sollen, daß die Löhne nicht eine bestimmte Höhe überschreiten. Es bestebt nur das eine, daß der Wunsch erörtert worden ist, daß nicht einseitige Lohnerhöbungen vor genommen werden sollten, damit nicht die Arbeiter von den benachbarten Gruben weggenommen werden. Im Zentrum des Landes sind natürlich die Löhne höher als in der Peripherie; daher kommt es, daß auf manchen staatlichen Gruben die Löbne böher sind als bei privaten Gruben, die an der Grenze llegen. Der Abg. Korfanty würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er dahin wirken würde, daß die pol⸗ nische Bevölkerung ibre Lebenshaltung einrichtet nach den normalen Löhnen. Ohne Gewinn ist nun einmal ein Fortschritt auf dem Gebiete des Bergbaues nicht möglich. Wenn wir verhindern wollen, daß deutsches Kapital in das Ausland wandert, dann muß möglichst bald das in Aussicht gestellte Gesetz vorgklegt werden. ö. Abg. Dr. Bell (Zentr.) begründet den Zusatzantrag, dessen Forderungen unbedingt, bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs berücksichtigt werden müßten.
Geheimer Oberbergrat Steinbrinck: Es handelt sich um eine sehr schwierige und verzwickte Sache. Die Vorarbeiten sind längst in Angriff genommen und sind auch wesentlich gefördert worden, so daß der Entwurf bald der Bergbaudeputation vorgelegt werden kann. Auf die Einzelheiten einzugehen, hat heute keinen Zweck, da man doch nur einzelne Gesichtspunkte herausgreifen kännte, Auch der Antrag Bell greift nur eine einzelne Frage heraus; ich bitte, ihn deshalb ab— zulehnen.
Abg. Hirsch-Essen (n.): Wir werden für den Antrag Bitta und den Antrag Bell stimmen, weil wir den im Antrage Bell ge— außerten Wunsch als berechtigt anerkennen.
Abg. von Pappenheim (kons.): Auch wir halten den Erlaß eines Gesetzentwurfg über die vorliegende Materie für nötig, halten es aber nicht für praktisch, einen besonderen Gesichtspunkt herauszunehmen, wie es der Antrag Bell will.
Abg. Hoffmann (Soz): Wir lehnen die Anträge ab, weil wir in ihnen nur einen Schritt sehen, um den staatlichen Bergbau aufzuheben. z
Abg. Mertin Oels (frelkons. stimmt den Ausführungen des lonservatiyen HRednerg zu.
h Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1911.
Berlin, Dienstag, den 30. Mai
Der Antrag Bitta wird gegen die Stimmen der Sozial⸗— demokraten angenommen, der Antrag Bell gegen die des Zentrums und der Nationalliberalen abgelehnt.
Es folgt die Beratung von Petitionen.
Der frühere Buchhalter Kerwien in Königsberg i. Pr. petitioniert um Wiedereinstellung bei den Königlichen Bernsteinweiken in Königs⸗ berg. Die Handels⸗ und Gewerbekommission beantragt Uebergang zur Tagesordnung.
Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.) beantragt, die Petition zur Berücksichtigung zu überweisen. Der betreffende Beamte habe sich durch Fleiß und Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet; es habe ihm die Leitung der Bernsteinkaufe obgelegen, wodurch er sich gute Kennt nisse erworben habe. Er sei dann freiwillig aus dem Staatsdienst ausgeschieden, habe aber mit seinen Unternehmungen Unglück gehabt.
Abg. Dr. Bell (Zentr.) bittet, es bei dem Kommissionsbeschluß zu belassen. Die Gründe des Vorredners seien anzuerkennen, es sei aber keine Stelle frei, und Kerwien habe kein Recht auf Wiederein— stellung.
Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrage.
Eine Reihe weiterer Petitionen persönlichen Inhalts wird nach
Eynatten,
Mischung der Geschlechter nur eine vorübergehende gewesen sei,
auch nach der Anstellung der dritten Lehrkraft sei die Trennung Geschlechter nicht durchgeführt worden. Auf eine Beschwerde h die Regierung eine ablehnende Antwort erteilt, weil man System der aufsteigenden Klassen beibehalten wolle. Es handle sich darum aus prinzipiellen Gründen der Koedukation entgegenzutreten.
Abg. Dr. von Campe (nl.) wendet sich gegen den Antrag. Es gehe nicht an, daß ein junger Lehrer acht Jahrgänge zugleich zu— sammen unterrichte, wie es dort der Fall sein würde.
Abg. Dr. Iderboff (freikons.) bittet, es bei dem Kommissions⸗ antrage zu belassen. Es handle sich hier gar nicht um eine prinzipielle Entscheidung, sondern nur um Würdigung der in diesem Falle vor— liegenden Gründe.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die einklassige Schule ist der traurigste Zustand, den es geben kann. Wenn es hier möglich ist, unter Zusammenfassung der Geschlechter eine dreiklassige Schule zu erzielen, so muß die Gelegenheit freudig ergriffen werden. Daß die Herren des Zentrums diesen Fortschritt bekämpfen, zeigt, daß die Herren durch allerhand rückständige und abergläubische Anschauungen verbindert werden, entsprechend den Anforderungen des modernen Lebens die Schulverhältnisse zu gestalten. Das Zentrum ist eben die allerrückständigste Partei.
Abg. Strosser (kons.): Wenn der Vorredner von einem so rück— ständigen Hause spricht, so mag er diese Anschauung mit seinen Freunden erörtern; ich lehne es ab, darauf einzugehen. Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, um den Anschein zu vermeiden, als ob meine Freunde für den Kommissionsantrag stimmen aus den Gründen, die der Abg. Liebknecht angeführt hat. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Wir sind entschiedene Gegner der Koedukation. Wenn wir in diesem Fall in der Koedukation keinen Grund sehen, den Beschluß der Kommission umzustoßen, so geschieht es deshalb, weil wir in dem speziellen Fall keine Schwierigkeiten sehen.
Abg. Dr. Kaufmann (Zentr.): Wir wünschen nicht, daß gegen den Willen der Eltern die Koedukation eingeführt wird, wenn sie nicht unbedingt notwendig ist. Ich bitte dringend um Annahme unseres Antrages; die Sozialdemokraten treten doch sonst so für das Selbst⸗ bestimmungsrecht des Volkes ein.
Abg. Dr. von Cam pe (nl.): Für uns ist als Höchstes nicht der Wille der Eltern maßgebend, sondern das Wohl der Allgemeinbeit.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Wir können doch nicht den Willen eines rückständigen Teiles der Bevölkerung als maßgebend ansehen. Diese Petition riecht zu sehr nach München-Gladbacher Gewerkschaft.
Die Petition wird nach dem Kommissionsantrage durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Es folgt eine Petition des Bürgervereins in Geestemünde um Verleihung des Städterechts an die Gemeinde Geeste—⸗ münde. Die Gemeindekommission beantragt, die Petition mit Rück— sicht auf die ungünstige Lage der Gemeinde Geestemünde der Staats regierung insoweit zur Berücksichtigung zu überweisen, als in ihr die Bitte um Beschleunigung der Verhandlungen enthalten ist.
Abg. Dr. Habn (kons.) : Schon 1888 hat der Provinziallandtag empfohlen, der Gemeinde Stadtrecht zu verleihen. Inzwischen hat Geestemünde eine Seelenzahl von 25099 erreicht und ist damit an die achte Stelle aller hannoverschen Gemeinden getreten. Der Etat schloß mit 2693 363 M in Einnahmen und Ausgaben ab. Wie ich höre, stehen die beteiligten Minister der Stadtwerdung von Geeste münde wohlwollend gegenüber, aber die Verhandlungen über die Einzel⸗ heiten, namentlich über die Polizeikosten, ziehen sich lange hin. Die Stadt ist nun bereit, diese Kosten restlos zu übernehmen, wenn die Stadtwerdung beschleunigt wird. Der Redner schildert eingehend die schwierige Lage des Handels und des Schiffahrtsverkehrs in den Ge bieten der Unterweser und meint, daß Geestemünde mit schweren Sorgen der Zukunft entgegensehe, wenn es nicht vom Staate in dem Kampfe gegen die Konkurrenzhäfen Bremen, Hamburg, Cuxhaven gestützt werde. Geestemünde könne für seinen Anleihebedarf nur
günstige Bedingungen erzielen, wenn es die Stadtverfassung habe.
Die Entwicklung an der Unterweser, besonders in Geestemünde, stocke augenblicklich, weil es an Bewegungsfreiheit fehle.
Abg. Klußmann (nl.) unterstützt als Bürgermeister von Geeste münde die Ausführungen des Vorredners; der Provinziallandtag habe 1888 sogar gewünscht, daß Geestemünde zwangsweise zur Stadt gemacht werde, die Regierung habe aber den Zwang nicht ausüben wollen, um nicht in die Selbstverwaltung einzugreifen. Es sei gern zuzugeben, daß die Staatsregierung mit Geschäften überlastet sei. Die Lösung dieser Frage sei jetzt aber außerordentlich dringend, nicht nur für die Stadt, sondern auch für den Kreis.
Abg. Dr. Varenhorst (freikons.) widerspricht den in der Kom— mission von dem Regierungsvertreter vorgebrachten formellen Gründen, die gegen die Petition sprächen, und bittet, die Verhandlungen über die Verleihung des Städterechts an die Gemeinde Geestemünde zu beschleunigen.
Abg. Leinert (Soz.): Geestemünde muß sich das Stadtrecht teuer erkaufen. Die Staatsregierung will der Gemeinde die Polizei kosten über die gesetzliche Verpflichtung hinaus auferlegen. Es liegt gar kein Anlaß vor, in solche Hurrastimmung zu verfallen; die Regierung kann sich gar nicht dauernd der Verleihung des Städte— rechts entziehen, die Gemeinde braucht also gar nicht durch höhere Steuern das Stadtrecht zu erkaufen. Allerdings hat Herr Dr. Hahn das dringende Bedürfniß, die Beschleunigung der Verhandlungen zu wünschen, damit er bei den nächsten Reichstagswahlen zeigen kann, was er alles getan hat.
Abg. Reinhard (Zentr.) erklärt sich für den Antrag der Gemeindekommission.
Der Kommissiongantrag wird angenommen.
Schluß gegen Hin Uhr, Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr. (Petitionen, Eisenbahnanleihegesetz.;)
Statistik und Volkswirtschaft.
Nachweisung
der Roh solleinnahme an Reichs stempelabgabe für Wertpapiere
im Rechnungsjahre 1910.
Wertpapiere.
Inländische Aktien und Interimsscheine . 27 164 520 660 „Anteilscheine der deutschen Kolonialgesellschaften und der ihnen gleichgestellten deutschen Gesell— 1 Aus ländische Aktien und Interimsscheine ... „Inländische Renten- und Schuldverschreibungen 6 und Interimsscheine außer den unter V genannten 5 403 679 — „Inländische auf den Inhaber lautende und auf Grund staatlicher Genehmigung ausgegebene Renten- und Schuldverschreibungen der Kom⸗ munalverbände und Kommunen, der Korpo⸗ rationen ländlicher oder städtischer Grundbesitzer,
der Grundkredit⸗ und Hypothekenbanken oder der . Eisenbahngesellschaften sowie Interimsscheine b 475 468 80 Renten- und Schuldverschreibungen und Interims⸗ scheine ausländischer Staaten, Kommunalverbände, Kommunen und Eisenbahngesellschaften . ; VII. Ausländische Renten- und Schuldverschreibungen und Interimsscheine außer den unter VI ge— nannten 1 . VIII. Bergwerksanteilscheine und Einzahlungen auf k
IX. Genußscheine ,,
38 02680 3 523 744 40
o 22 8b so
408 255 -—
1374 26350 il 5336 =
zusammen . so0 252 44895
Berlin, den 30. Mai 1911. Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.
Handel und Gewerbe.
Konkurse im Auslande. Rumänien.
Schluß der Verifizierung am
Anmeldung der
8 Handelsgericht Name des Falliten Forderungen
bis
26. Mai / 6. 19. Juni 8. Juni 1911 1911.
S. M. Kahane u. M. H. Bries, Manufakturwaren en detail Amtsbezirk des Galatzer Konsulats. ⸗ Anmeldung Verifikation
der der Dom il Forderungen Forderungen
bis am
Jassy
Fallite Firmen
Daniel Bra ila 24.11. Mai 2. Juni Goldenberg 1915. 20. Mai 1511. Fratzi Tuluea et Braila 2. Juni. 14.1. Juni Guteseu, 20. Mai 19111 1911. in Firma „La Cuvioasa Paraschiva! ͤ
Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 29. Mai 1911. Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen HGestellt.. . 2h 2654 9117 Nicht gestellt . — —
— Der Versand der Werke des Stahlwerkverbandes in Produkten B betrug, laut Meldung des W. T. B.“ aus Düsseldorf, im April 1911 insgesamt 496 704 1 (Rohstahlgewicht) gegen old 8365 im März d. J. und 502 806 t im April 1910. Hiervon entfallen auf: Stabeisen 288 451 14 gegen 303 874 4 bezw. 297923 t, Wal;— draht 57 356 t gegen 61 8357 t bezw. 63 449 t, Bleche 86 514 t gegen S5 S6 t bezw. 88 430 t, Röhren 12968 1 gegen 14597 6 beim. S727 t, Guß⸗ und Schmiedestücke 41 415 1 gegen 496321 45177 t.
— Die Kaiserlich russische Finanz! und Handelsagentur teilt laut Meldung des . W. T. B.“ aus Berlin nachstehende Ziffern über den Außenhandel Rußlands (in Rubeln) mit:
Europäischer Handel. Ausfuhr vom 16.29. April bis 23. April / 6. Mai. vom 1.14. Januar bis 23. April / 6. Mai Einfuhr vom 16. 29. April bis 23. April 6. vom 1.14. Januar bis 23. April tz M Asiatischer Handel. Ausfuhr von F le n , , ,,,, vom 1.14. Januar bis 13. 26. April. Einfuhr vom 6. / 19. bis 13. 26. April . vom 1. / 14. Januar bis 13. 26. April
24 195 00, 310 510 000.
17 127 0009, 269 010 00.
trugen laut Meldung des W. T. B. im Avril d. J
Dollars, die Ausgaben 5 5Hl5 049 Dollars. Der Reingewinn weist mit 3 1656974 Dollars eine Zunahme von 175 863 Dollars gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres auf. .
London, 29. Mai. (W. T. B.) Es wird zur Subskription auf 5H Millionen Pfund Sterling First and ref Bonds der Oregon Washington Railroad d gation Company eingeladen. 2 500 000 Pfund erling von den Bonds für London reserviert und 12 50 009 Dollars New York. Die Bonds sind bedingungslos von der Union Pacife— Eisenbahn garantiert. Baring Brothers nehmen Anmeldungen zu 93 O entgegen.
Liquidationskurse der Mai 1911: 3 09 Dent eff iche Konsols 84, 3 0 sfinische Hog Anl. 1890 192
Chinesischeß o o Anleihe 1896 1
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