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des Gebiets nicht mehr um eine wirtschaftliche Einheit handle, seien nicht ganz unberechtigt, doch dürfe nicht übersehen werden, daß von den beiden Kreisen 90 der Einwohnerschaft an der Steuer— kraft nach Groß⸗Berlin gravitierten. Den Kreis Osthavelland ein⸗ zubeziehen, habe man abgelehnt, da dieser Kreis noch nicht Vororts— charakter trage; die Lösung dieser Frage sei der Zukunft vorbehalten worden. Beseitigt habe die n,, die erst vom Abgeordneten⸗ hause beschlossene Erweiterung der Aufgaben des Zweckverbandes durch die Fürsorge für den Bau von Kleinwohnungen geblieben seien die Aufgaben auf dem Gebiete der Verkehrsanlagen, der Bebauungs— pläne und der Beschaffung größerer Freiflächen bezw. Schaffung und Erhaltung eines Wald- und Wiesengürtels um Groß-Berlin. Als wünschenswert und notwendig habe die Kommission erklärt, daß in die Selbstverwaltung der Kommunen nicht tiefer eingegriffen werden dürfe, als absolut unumgänglich sei; in diesem Sinne habe die Kommission eine Reihe von Milderungen beschlossen, zu denen auch die Wieder— beseitigung der Befugnis des Zweckverbandes zum Bau von Klein— wohnungen gehöre.
Korreferent Herr Körte: Es ist mir die Aufgabe zuge— fallen, den. Standpunkt der Minderheit der Kommission zu ver— treten. Diese erblickt in der Art und Weise, wie das Haus mit der Sache im letzten Abschnitt der Session befaßt wird, eine wenig glückliche, Lösung. Die Staatsregierung hat ausdrücklich anerkannt, daß es sich hier um einen sehr wohl zu üͤberlegenden Schritt der Gesetz— gebung handelt, denn es soll ein neues Verwaltungsorgan ein— geführt werden, der Zweckverband. Die Vorlage hat im Abgeordneten hause begreiflicherweise eine sehr lebhafte Diskussion hervorgerufen und ist eingehend geprüft worden. Die Mitglieder des Herrenhauses konnten erst sehr spät die Beschlüsse des Abgeordnetenhaufes prüfen, und die Kommission hat eine volle Woche in anstrengenden Sitzungen sich damit beschäftigt. Heute, 4 Wochen nach Beendigung der dritten Lesung im Abgeordnetenhause, können wir uns leider erft mit der Vorlage beschäftigen. Es wäre richtiger gewesen, die Sache nicht so eilig zu behandeln. Die Staatsregierung hält eine schleunige Verabschiedung des Gesetzes für notwendig. Daß Groß-Berlin eine wirtschaftliche Einheit im Laufe der Jahrzehnte geworden ist, unterliegt keinem Zweifel. Es fragt sich nur, ob die kom munalen Verhältnisse Berlins einer kommunalen Neuregelung be— dürfen. Die Minderheit der Kommission glaubt, daß man hier nicht eklektisch vorgehen dürfe. Man dürfe nicht in Bausch und Bogen über Berlin urteilen. Die Minderheit hat von der Staatsregierung den Bericht des Oberbürgermeisters Kirschner über die kommunale Entwicklung Groß⸗-Berlins erbeten, den dieser 1906 erstattet hat. Dieser Bericht beweist, daß die Behörden die politische Weschbild⸗ grenze Groß⸗-Berlins unbeachtet lassen, so daß die Bewohner vielfach nicht wissen, wohin sie eigentlich gehören. Die gesamte Bebauung in der Umgegend Berlins erfolgt ohne jede Mitwirkung der Mutter—⸗ gemeinde. Von einer Einwirkung auf eine gesunde Bebauungspolitik kann daher bei Berlin nicht die Rede sein. Man muß anerkennen, daß vom kommunalen Gesichtspunkte aus die kommunalen Angelegen— heiten in Berlin und in den Vororten nicht so geordnet sind, wie es zu wünschen wäre. Die Minderbeit bestreitet nicht, daß Charlottenburg usw. vortrefflich verwaltet werden, aber das muß zugegeben werden, daß bisher die Möglichkeit einer zusammenschließenden Regelung gefehlt hat. Dadurch entsteht ein erheblicher , . und eine erhebliche Divergenz in der Armenfrage usw. Es ist nicht zweckmäßig, daß am Ende einer Straße nach diesem und am anderen Ende nach einem anderen Gesichtspunkt gearbeitet wird. Der Vor— wurf der Verlangsamung der Geschäfte kann Berlin und anderen um— liegenden Orten nicht erspart bleiben. Von diesen tatsächlichen Ver— hältnissen ausgehend, hat sich die Minderheit auf den Standpunkt gestellt, daß eine Besserung notwendig ist. Sie meint aber, daß der vorgeschlagene Weg nicht der richtige ist. Es hätte ein gesamter Verwaltungebezirk geschafft werden müssen, und zwar durch eine Eingemeindung der Vororte. Die Staatsregierung bat allerdings darauf hingewiesen, daß sie selber diesen Weg früher für den richtigen gehalten, die Stadt Berlin aber 1896 diesen Weg verworfen habe. Wenn zugegeben werden müßte, daß der Weg eines freiwilligen Zu— sammenschlusses der Gemeinden nicht mehr gangbar ist, so würde immer noch die zwangsweise Eingemeindung dem Wege vorzuziehen sein, den die Vorlage gehen will. Auch diese macht von dem Mittel des Zwanges einen sehr weitgehenden Gebrauch; sie gewährt aber nicht die richtige Remedur für die vorhandenen Uebelstände, denn sie zieht dem Zweckverbande einen viel zu engen Rahmen. Der Einwand, daß die preußische Städteordnung auf Riesenkommunen von 4 Millionen Einwohnern nicht zugeschnitten sei, ist unhaltbar. Die Steinsche Städteordnung hat sich über ein Fahrhundert bewährt und ist fat für die ganze Welt vorbildlich geworden. Sie gewährleistet nicht nur für kleine, son'ern auch für die allergrößten Gemeinwesen eine durchaus zweckmäßige Regelung und Verwaltung der kommunalen Angelegenheiten, und sie verbürgt zugleich die so dringend erforder— liche Einheitlichkeit der Verwaltung. Das Interesse des einzelnen an der tätigen Mitarbeit in der Lommune im Interesse des Staats— ganzen wird gelähmt, wenn das Steinsche Prinzip der Städteordnung durchbrochen, wenn an Stelle der Selbstverwaltung eine neue, gan; im Gegensatz zu dem Steinschen Prinzip überwiegend bureaukratisch gestaltete Behörde gesetzt wird. Der gegebene naturgemäße Weg ist doch der, daß man Berlin der Provin; Brandenburg wieder ein— verleibt und die Reichshauptstadt mit ihren Vorortsahneren dadurch wieder zu einem lebensfrohen und lebendigen Gliede der jetzt ent. fremdeten Provinz macht. Die Verschmelzung der beiden großen Land— kreise mit Groß-Berlin ist eine vollständig anorganische Maßnahme. Für die Kreisverwaltungen werden dadurch Aufgaben erwachsen, die unendlich weit über die gewöhnlichen Aufgaben und Geschäfte eines Kreises hinausgehen, sodaß dadurch die Bearbeitung der ci entlichen Kreisaufgaben durch die Landräte allmählich schwere Einbuße erleiden muß. Der Kreis Teltow ist ja bekanntlich auch selbst von dieser An— schauung durchdrungen, sogar bezüglich des Betriebes von Schienen— und Schnellbahnen, wie die Petition des Kreistages klar dartut; aber auch in betreff der Bebauungspläne hat er uns höchst gewichtige und sebr ernst zu nehmende Bedenken vorgetragen. In einer ganzen Reihe weiterer Petitionen, der geordneten Veitretungskörper— schaften von Vorortsgemeinden ist sodann der Standpunkt ver—
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; Verkehrspläne über⸗ erfolgen? Wer vor Jahren großzügige Unter— nehmungen ins Leben gerufen hat, dürfte bei dem „Prinzip des Interesses, zu kurz kommen, und abgelegene Orte werden vielleicht die entscheidende Stimme haben. Alle diese Gesichtsvunkte hat die Winderbeit in der Kommission leider vergeblich geltend gemacht. Die Minderheit glaubt, die hier in Betracht kommenden Verkaältnisse bessec zu kennen als die Mehrheit, und befürchtet, daß unter der Zwecksverbandsgemeinschaft egoistische Interessen sich in den Vorder⸗ grund drängen werden. Man wird durch Hintertüren und halbver⸗ schlossene Türen Spekulationsinteressen zu verfolgen suchen; einer wilden Srefulation wird Tür und Tor geöffnet sein. Die Verbands⸗ verwaltung kann diese Verhältnisse nicht übersehen. Es wird ein Kamrf und eine Gegensätzlichkeit entstehen, wie wir sie im kom⸗ munalen Leben noch nicht erlebt haben. Als Vertreter größerer Ge— meinwesen hielten wir uns für verpflichtet, in der Kommission 16 drücklich he vorzuheben. allen es Verbande gebiet nicht werden fonn Ma zu einem Verbandegebiet ge⸗ bis 60 Qu eilen umfaßt. Es handelt sich hier
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um ganz verschiedene Wirtschaftsgebiete. Den Kreis der Aufgaben des Zweckverbandes hat man möglichst erweitern wollen. Das Ziel ist offenbar eine staatlich verwaltete Provinz Groß-Berlin unter einem besonderen Oberpraͤsidenten. Wo bleibt denn die Selbst⸗ verwaltung der Gemeinden, wenn der Verband, so weitgehende Auf— gaben zugewiesen erhält? Nicht weniger bedenklich ist die Belastung, die diese Vorlage zur Folge haben würde. Allein die Regelung des Fluchtlinienwesens wurde viele Millionen kosten, ganz ab— gesehen von dem Erwerb der freien Flächen. Eine einzelne Gemeinde kann ihre Flächen viel hilliger erwerben als ein Verband. Die Schaffung eines Wald, und Wiesengürtels sollte der eigentliche Anlaß zu diesem Gesetze sein. Dabei ist doch bekannt, daß die Ge— meinden mit dem Landwirtschaftsminister hierüber verhandelt hatten. Ob der Zweckverband besser fahren wird, wenn er seiner— seits mit dem Minister verhandelt, ist doch sehr zweifelhaft. Die Organisgtion der Verwaltung des Zweckverbandes nach dem Muster der Provinzialbehörden erscheint uns verfehlt. Eine Selbst— verwaltung im Sinne der Steinschen Städteordnung ist das nicht, namentlich wenn man das vorgeschlagene Wahlrecht in Betracht zieht. Die Minorität erblickt in diesem Gesetzentwurf einen schweren Ein⸗ griff in die Selbstverwaltung, einen Schritt, der weitere nach sich jiehen muß. Ich schließe mit dem Wort, das ein Spandauer Ver— treter bei der Einweihung eines Nathauses gesprochen hat: Behüte uns des Kaisers Hand vor Groß⸗Berlin und Zweckverband.
Minister des Innern von Dallwitz:
Meine Herren! Ich werde mich darauf beschränken, den Vorwurf zu widerlegen, den der Herr Vorredner der Staatsregierung damlt gemacht hat, daß er es für unrichtig hielt, daß die Staatsregierung ihrerseits die Bildung eines Zweckverbandes zur Beseitigung der dringendsten Notstände in Groß⸗Berlin vorgeschlagen und nicht den Weg der Eingemeindung der sämtlichen zum Wirtschafts gebiet von Groß⸗ Berlin gehörenden Gemeinden nach der Stadt Berlin beschritten hat.
Es liegt mir fern, auf die Vergangenheit einzugehen und gar noch die Frage zu prüfen, wer die Schuld daran trägt, daß die im Jahre 1893 von der Regierung eingeleiteten Verhandlungen zur Ein— gemeindung der Vorortgemeinden nach Berlin seinerzeit gescheitert sind. Die Tatsache, daß damals auch die Gemeinden Widerspruch gegen die Eingemeindung erhoben haben, würde es allein noch nicht rechtfertigen, wenn die Regierung jetzt von der Verfolgung dieses Planes definitiv Abstand genommen hat. Es liegen noch andere Momente vor, die das Vorgehen der Staatsregierung als richtig und angezeigt erscheinen lassen. In eister Reihe ist es die Entwicklung, die die Vororte seit dem Jahre 1893 genommen haben. Handelte es sich damals um verhältnismäßig kleine Gemeinden, sowohl was die Zahl ihrer Ein— wohner, als auch was die Bedeutung ihrer kommunalen Einrichtungen betrifft, so haben diese Gemeinden in den letzten 18 Jahren einen Aufschwung genommen, der einen großen Teil von ihnen jetzt als durchaus lebensfähig und zur Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten geeignet erscheinen läßt. Ein Teil der Vororte hat großstädtischen Charakter erhalten: es handelt sich um Orte von mehr als 300 000 Einwohnern, die alle kommunalen Einrichtungen, welche selbständigen Kommunen obliegen und von ihnen erfüllt werden müssen in bester und durchaus zweckmäßiger Weise zu erfüllen in der Lage sind und sie tatsächlich auch erfüllen. Diese sämtlichen inzwischen aufgeblühten Gemeinden nun zum Teil gegen ihren Willen zwangs⸗ weise der Stadt Berlin anzuschließen, ihre eigene selbständige kommunale Existenz zu vernichten, würde meines Dafür— haltens ein Schritt sein, den die Staatsregierung nicht wohl verantworten könnte. Eine freiwillige Zustimmung der in Bttacht kommenden Gemeinden ist zum Tel wenigstens nicht in Aussicht zu nehmen. Es ist ja auch fraglich, ob in der Tat die Idee einer derartigen großen Inkommunalisierung in der Stadt Berlin selbst in der Weise populär sein würde, wie es nach den An— sichten des Magistrats der Fall sein soll. Tatsächlich aber kann sich der Staat nicht entschließen, ein derartiges gewalttätiges Vorgehen gegen durchaus leistungsfähige und ihre Pflicht erfüllende Gemeinden einzuschlagen.
Auch andere Momente sprechen noch mit, die es fraglich erscheinen lassen, ob ein solches Vorgehen praktisch und zweckmäßig oder auch nun durchführbar wäre. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, entsprechend den damals bestehenden städtischen Einrichtungen, die städtische Gesetz⸗ gebung auf kleinere Verbältnisse zugeschnitten war, und daß ein derartig enormes Gemeinwesen wie die Stadt Berlin es nach der Einverleibung von annähernd zwei Millionen Einwohnern und nach der Vergrößerung ibres Gebiets um das Dreifache geworden ist, dech Schwierigkeiten haben würde, die Verwaltung in der Weise fortzuführen, wie das erwünscht ist, trotz der hervorragenden Kräfte, die der Stadt Berlin zu Gebote stehen und trotz der hervorragenden Leistungen, die die Gemeindeverwaltung der Stadt Berlln, wie ich ohne weiteres anerkenne, bisher aufzuweisen hat. Nun mußte sich doch die Königliche Staatsregierung, wenn aus diesen Gründen die allgemeine Eingemeindung der Vororte nach Berlin nicht durchführbar erschien, die Frage vorlegen, ob ein anderer Weg nicht zu dem Ziele führen könnte, die dringend notwendigsten Verbesserungen einzuführen, um die Notstände zu beseitigen, die tatsächlich, int besondere auf dem Gebiete des Verkehrswesens, innerhalb des Wirtschaftsgebie s von Groß⸗Berlin hervorgetreten sind. Daß sehr weitgehende Uebelstände nach der Richtung hin bestehen, ist ja wohl allseitig anerkannt worden. Es ergibt sich dies aber auch daraus, daß seitens des Magistrats der Stadt Berlin bereits vor drei Jahren Verhandlungen wegen Bildung eines freiwilligen Verkehrszweckverbandes ein— geleitet worden waren, die nicht zum Ziele geführt hatten. Nach—ↄ dem vor einem Jahre das Scheitern der vom Magistrat Berlin an—Q— geregten Verhandlungen wegen Bildung dieses freiweiligen Verkehrs— verbandes bekannt geworden war, lag es nahe, daß die Königliche Staatsregierung sich die Frage vorlegen mußte, ob nun nicht der Zeit⸗ punkt gekommen sei, an dem sie ihrerseits einschreiten müßte, um das, was im Wege der Freiwilligkeit nicht ermöglicht werden konnte, im Wege der Gesetzgebung durchzuführen. Dazu kam, daß gleichzeitig die Frage der Erbaltung genügender Wald. und Wiesenflächen im Interesse der Hygiene akut geworden war, und daß auf Anregung des Berliner Magistrats zwischen Berlin und anderen Gemeinden und den beiden Kreisen mit der Staatsregierung Verhandlungen ein⸗ geleitet worden waren, über die Ueberlassung bezw. Erwerbung aus⸗ reichender Wald. und Wiesenflächen zur Bildung von sogenannten Freiflächen, wie sie im sanitären Interesse notwendig sind. In beiden Fällen war mithin seitens der Stadtgemeinde die Bil⸗ dung von Zweckverbänden in Aussicht genommen worden; in dem einen Falle war die Bildung des Zweckverbandes im Wege der freiwilligen Vereinbarung gescheitert, im anderen Falle war sie bisher noch nicht in Angriff genommen. Es lag dech nun nake, diese beiden wichtigen interkommunalen Fragen, die schon spruchreif
geworden waren, und deren Lösung dringlich geworden ist, im W der Bildung eines gesetzlichen Zweckverbandes zu lösen. Mithi .
2 ; ö m er— klärt es sich, daß die Königliche Staatsregierung einerselts den W der Bildung eines Zweckverbandes eingeschlagen hat, ferner aber . sie als die Hauptfragen, die dieser Zweckverband zu lösen berufen in. sollte, die Regelung des Verkehrswesens und die Schaffung , . Freiflächen in Aussicht genommen hat. Der dritte Punkt, den ö. Zweckoerband zu lösen haben wird, die Festsetzung von gluchtlin in einem beschränkten Umfange, ist lediglich eine Folge seiner ue. Aufgabe, nämlich das Verkehrswesen in zweckmäßiger Weise zu . Meine Herren, daß lebhafte Einwendungen gegen dieses Projekt . die Bildung eines Zweckverbandes seitens der Interessenten . werden würden, war vorauszusehen; handelt es sich doch darum die freie Selbstbestimmung der einzelnen Gemelnden in zwei wicht Punkten einzuschränken und einen Ausgleich der zum Teil schai pn Gegensͤtze der Interessen herbeizuführen, der eben nur dadurch zu a, reichen ist, daß die einzelne Gemeinde auf zwei Gebieten ihr Selbst. bestimmungsrecht einschränken läßt zugunsten eines Verbandes, der die Feuerprobe noch nicht bestanden hat. Ich halte es aber nicht fir richtig, wenn vorhin gesagt worden ist, daß die Bildung des Zweckverbandes das Prinzip der Städteordnung, das Prin jp der städtischen Selbstverwaltung verletze. Denn, meine Herren wenn überhaupt ein Verband zustande kommen soll, s muß notwendig auf einzelnen Gebieten seitens der Gemeinden einiges an ihren bisherigen Zuständigkeiten geopfert werden. Aber dieses Opfer wird doch nicht zugunsten des Staates oder gar der staatlichen Aufsichtsbehörde gebracht, sondern lediglich zugunsten eines neuen Selbstverwaltunge körpers, der mit der Gesamtheit der beteiligten Gemeinden identisch ist und sich organisch auf dlesen auf. baut, eines Selbstverwaltungskörpers, der der staatlichen Aufsicht nur in dem ganz beschränkten Umfange der Bestimmungen über das stast⸗ liche Aufsichtsrecht bei Provinzialverbänden unterliegt, mithin einer schwächeren Aufsicht, als sie gegenüber den einzelnen Gemeinden seitens der Staatsbehörde ausgeübt wird. Von einer Verleßun der Rechte der Selbstverwaltung kann meines Dafürhaltens win nicht wohl die Rede sein.
Nun ist von dem Herrn Vorredner die Ausdehnung des Zwel. verbandsgebletes bemängelt worden und der ganze Verband 4h ein unorganisches Gebilde bezeichnet worden, weil diesen Verband außer den nächstbelegenen Vororten auch die bjeiren angrenzenden Landkreise Teltow und Nieder Barnim angehören sollen. Ich möchte darauf hinweisen, daß auch der Magistia Berlin seinerzeit bei den Verhandlungen über die Bildung einez freiwilligen Verkehrsverbandes diese beiden Kreise mit herangezogen hat und davon ausgegangen ist, daß die beiden Kreise bei einem frei willigen Zweckverbande beteiligt sein müßten. Ganz dieselben Er, wägungen treffen auch zu bezüglich der Schaffung eines Wald- und Wiesengürtels bezw. der Erhaltung genügender unbebauter Flächen. Auch bei diesen Verhandlungen sind die beiden Kreise mit herangezogen worden. Sie waren mitbeteiligt, und es ist von vornherein gar nickt anders gedacht worden, als daß die Kreise bei dem eventuell zu Schaffung dieser Einrichtung erforderlichen Verbande mitherange zogen werden müßten. Es ist doch auch gar nicht anders möglich, als deß die Kreise bei der Sꝙaffung eines solchen Wald, und Wiesengürtels, der ziemlich erhebliche Bestandteile beider Kreise in Anspruch nehmen würde, derart beteiligt sein müssen. Sie ausju— schalten, erscheint mir daher nicht möglich. Nun muß man doch aber auch erwägen, daß die beiden Kreise derart in die wirtschaftlichn Interessensphäre von Groß-Berlin jetzt bereits hineingezogen sind daß es schon aus diesem Grunde nicht möglich ist, sie fortzulasscn. 90 0½ der Bevölkerung und der Steuerkraft gehören bei beiden Kreisen jetzt bereits in die Interessensphäre von Groß⸗Berlin Wollte man nun die Kreise in zwei Hälften teilen, den weitaus größten Teil dem Verbandsgebiet zulegen, den kleineren Teil außerhalb des Verbands— gebiets lassen, so würde man eine Auflösung der beiden Kreise be— wirken, die deswegen nicht angängig ist, weil diese beiden Kreise doch in erheblich größerem Maße als sonstige kleinere Land— kreise sich der Lösung großer kommunaler Aufgaben jett bereits angenommen haben. Ich erinnere an das enorme Chausseeneß, das sie gebaut, an die Bahnen, die sie hergestellt haben, an den Teltowkanal, kurzum an Unternehmungen, die eine finanzielle Be— lastung mit 40, 50 Millionen herbeigeführt haben, Unternehmungen, die es geradezu ausgeschlossen erscheinen lassen, daß man die Grund— lagen für derartige Unternehmungen, die Kreise, nun ohne weiteres in zwei Hälften teilt zerschneldet oder überbaupt in Atome auflöst.
Eine Abgrenzung nun in der Weise zu treffen, daß man einzelne Gemeinden, Gutsbezirke, Städte usw. dem Verbande zuweist, die übrigen aber draußen läßt, ist aus dem Grunde nicht zweckmäßig, weil die Entwicklung von Groß-Berlin von Jahr n Jahr aufsteigt, auch gar nicht abzusehen ist, wann sie demnächst Halt machen wird, und die Gesetzgebung dauernd in Anspruch genommen werden müßte, um dieser Entwick lung Folge zu leisten. Wir würden genötigt sein, immer neue Ge— meinden, Ortschaften und Bezirke dem Verbandsgebiet im Wege der Gesetzgebung zuzulegen, während es weit richtiger und zweckmäßiger ist, die vorhandenen kommunalen Gebiete, die ihrer Hauptsache nach jetzt schon dem Verbandsgebiet angehören, nunmehr vollständig dem selben zu überweisen. Ich glaube, daß es darum garnicht anders möß lich sein wird, als das Verbandsgebiet so festzuhalten, wie es regierung? seitig vorgeschlagen und seitens ihrer Kommission angenommen worden ist.
Schließlich hat der Herr Vorredner darauf hingewiesen, daß die Gründung dieses Verbandes einer wilden Spekulation Tür und Tor öffnen würde. Ich glaube, daß das etwas zu schwarz gesehen ist und dieser Erselg nicht eintreten wird. Das Spekulantentum wird einem einheitlichen Ve⸗ bande gegenüber, der die gesamten Verhältnisse Berlins zu regeln hat, lange nicht so mächtig und wliderstandsfähig sein, wie zahllosen Einzelgemeinden gegenüber. Dieser Verband Groß-Berlin ist viel weniger den Einflüssen von Spekulanten zugänglich als kleinere Ge⸗ meindeverwaltungen, die naturgemäß von dem Einfluß ihrer Bewohner abhängiger sein würden als das über dem Ganzen schwebende Groß⸗Berlin.
Meine Herren, auf die sonstigen Ausführungen des Herrn Vor⸗ redners, die sich zum Teil auf spätere Paragraphen des Gesetzes er— streckten, insbesondere auf den Veiteilungsmaßstab des Interesses, den er bemängelt hat, werde ich später bei den einzelnen Paragraphen zurückzukommen Gelegenheit haben. Ich glaube, daß ich mich jetz begnügen darf, die allgemeinen Gesichtepunkte, wie es eben gesche ben ist, dargelegt zu haben.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
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(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Herr Dr. Kirschner⸗Berlin: Ein kommunales Gebilde, das sic historisch und organisch entwickelt hat, gerät, wenn es. durch qãußere Einflüsse in, dieser Entwicklung gestört wird, in die Gefahr, nicht nur still zu stehen, sondern zurückzugehen. In dieser Lage befindet sich die Reichshauptstadt. Die letzte größere Gingemeindung von Berlin hat 1861 stattgefunden. Seitdem ist nur noch 1872 der Kleine Tiergarten eingemeindet worden. Seit 1861 bat also eine erhebliche raumliche Entwicklung Berlins nicht statt= gefunden. So ist denn die Reichshauptstadt schon nach ihrem Flächen⸗ nhalt erheblich zurückgeblieben hinter anderen Dauptstädten des Aus⸗ landes wie Wien, St. Petersburg, Moskau, Chicago, New Vork; aber auch Köln, Frankfurt g. M. Straßburg, Hamburg, München, Mann⸗ heim haben einen größeren Grundflächeninhalt als Berlin. Da neue Gebiete nicht hinzugekommen sind, stagniert auch die Zunahme der Be⸗ völkeiung: von 1965 bis 1910 hat sie nur 30 009 Köpfe betragen, während früher die Zunahme 50 009 jährlich und mehr betrug. Dazu kam, daß die Zunahme sich fast ausschließlich ergänzte aus den Kreisen der Minderbemittelten; das Einkommensteuersoll von 1910 hat egenüber 1909 nur um 1,83, dagegen in Charlottenburg um 8, n Schöneberg um 19. in Wilmersdorf um 16 C zugenemmen. Diefe Stagnation beschränkt sich aber nicht auf, das materielle Ge⸗ biet; die Abwanderung nach dem Westen entzieht Berlin auch eine große Menge von Intelligenz. Wir haben sogar schon Mühe, eine ausreichende Zahl von Beamten im Ehrenamt in der erwünschten Zualität für die Stadtverwaltung zu finden. Zu den Schwierig⸗ feiten und Verwicklungen, die zwischen den verschiedenen Vororten bestanden haben, kommt noch, daß die Staatsbehörden die Existenz der Gemeinden als solcher ignoriert haben, daß wir keinen Postbezirk Berlin mehr haben, keinen Justizbezirk Berlin, sodaß die Bewohner der Reichshauptstadt genötigt sind, unter Umständen in die Vororte zu gehen, um Recht zu suchen. Die Verhältnisse der Polizei sind derart verworren, daß es eines förmlichen Studiums bedarf, um sich auf diesem Gebiete Klarheit zu verschaffen. Sie werden begreifen, daß dies zu unerträglichen Zuständen geführt hat. Ich gehe nicht zu weit, wenn ich sage, daß die Zustände im heiligen römischen Reiche ideal dagegen gewesen sind. Die Staats⸗ regierung hat eine sehr einfache Antwort: sie sagt, Berlin hat 1896 versäumt, eine damals von der Staatsregierung angeregte Ein⸗ gemeindung in größerem Umfange vorzunehmen. Der Zeitpunkt ist vorübergegangen; die Wirkungen sind hinzunehmen als eine Schickung, der man nicht mehr ausweichen kann. Ich will nicht erörtern, wer 1396 die Schuld getragen hat. Man war sich bezüglich der Ein⸗ gemeindungen, nachdem von 1893 bis 1896 Verhandlungen geschwebt hatten, schließlich einig, eine Differenz bestand nur hinsichtlich Reinickendorfs, Pankows, Weißensees und Neu-⸗Weißensees. Ob es gerechtfertigt war, wegen dieser Differenz überhaupt auf den Ein⸗ gemeindungsgedanken zu verzichten und jede weitere Verhandlung abzu— brechen, will ich dahingestellt sein lassen. Ich kann nicht verstehen, daß die Staatsregierung etwas, was sie für notwendig und zweck— mäßig erachtet hat, nicht weiter verfolgt. Seit 1896 hat die Staats— regierung sich dahin schlüssig gemacht, den Eingemeindungsgedanken nicht nur nicht weiter zu verfolgen, sondern ihn zu bekämpfen. Ein großes Gelände der Gemeinde Treptow ist Eigentum der Stadt⸗ gemeinde Berlin; sie besitzt mehr als die Hälfte von ganz Treptow, und dieses war bereit, sich mit Berlin zu vereinigen. Wir haben es nicht erreichen können, daß diese Eingemeindung auch nur in beschränktem Umfange eintreten konnte. Es war bei der Staatsregierung der Gedanke aufgetaucht, Berlin mit einem Kranze größerer städtischer Gemeinwesen zu umgeben. Dieser Gedanke ist aufs eifrigste verfolgt worden, bis in die aller⸗ neueste Zeit. Demgegenüber muß ich betonen, daß es nicht richtig ist, eine organische naturgemäße Entwicklung zu stören. Berlin hat 1902 Verhandlungen wegen Eingemeindungen in größerem Umfange aufgenommen. Die Vororte waren auch einverstanden. Plötzlich erklärten sie: wir sind nicht in der Lage, weiter zu ver handeln; wir haben von den Landräten die Anweisung erhalten, die Verhandlungen abzubrechen. Ich habe mich vergeblich bemüht, die Vororte zu bestimmen, trotzdem weiter zu verhandeln, da die Forderung der Landräte nicht gerechtfertigt sei. Ich bin beim Minister Hammerstein vorstellig geworden; er erwiderte, es ist doch nicht zweckmäßig, noch zu verhandeln, da die Zentralinstanz doch nicht darauf eingehen kann. Was kann in einer so ernsten Sache, ernst nicht nur für Berlin, sondern für das ganze Deutsche Reich, geschehen, um diese Verhältnisse zu ändern? Ich kann keinen anderen Vorschlag machen, als daß man der naturgemäßen Entwicklung freien Lauf läßt, daß man die Eingemeindung da nicht hindert, wo sie von den Interessenten ge⸗ wünscht wird, und wo die Verhältnisse es fordern. Es würde heute noch möglich sein, allmählich und ohne den Zwang, der ja mit einem ewissen Rechte abgewiesen wird, zu einem Ziele zu gelangen. Wir haben heute sehr bedeutende Vorortgemeinden, die geneigt sind, dem Eingemeindungsgedanken näherzutreten. Ich nenne nur Schöneberg, Treptow, Stralau-Rummelsburg. Die Stagtsregierung schlägt bor, einzelne, nach ihrer Meinung dringende Mißstände auf dem Wege des Zweckverbandes zu beseitigen. Ich könnte mich dem an— schließen und es begrüßen, wenn es eine Etappe wäre auf dem Wege der Lösung der Frage überhaupt. Was aber die Regierung im gegen— wärtigen Entwurf vorschlägt, ist nicht geeignet, als eine solche Etappe angesehen zu werden, im Gegenteil, es wird ein Hindernis sein. Ich habe zwei Bedenken, zunächst die räumliche Abgrenzung, sie ist n der vorgeschlagenen Form ein Monstrum. 1893 bis 96 hat die Staatsregierung die wirtschaftliche Einheit anerkannt in dem Maße, daß sie um der vier genannten Gemeinden willen die ganze Cingemeindung scheitern ließ. Wenn die, Kreise hinsichtlich der⸗ senigen Zwecke, die jetzt feststehen, wirklich zerrissen würden, so wäre das doch keine Zerreißung der Kreise an sich. Es gibt sehr wohl Gesichtspunkte, nach welchen eine Abgrenzung der einzelnen Gemeinden eintreten könnte. Man hat Merkmale, die erkennen lassen, daß eine Ortschaft nicht nur eine ländliche ist, und zweitens ist ein sehr wesentliches Moment die Zunahme in der Dichtigkeit der Bevölkerung. Ich habe darüber eingehende Ermittlungen an⸗ gestellt, und es ist in die Augen springend, daß ein großer Teil der Ortschaften als einheitliches Wirtschaftsgebiet gar nicht in Frage kommt. Ferner, mit den Aufgaben, die dem Zweckverband zugewiesen werden, werden nur sehr wenig Uebelstände beseitigt, und auch diese nicht durchgreisend. Wo bleiben Wasserleitung, Kanalisation, Beleuchtung? Wenn wir einen Kanal bauen wollen, so ist auch fernerhin mit einer Unzahl von Gemeinden zu verhandeln; ein unerträglicher Zustand. Vinsichtlich der gewerblichen Verhältnisse, die eine Einheit bilden, Hdlleiben die Mißstände nach wie vor bestehen. Insbesondere ist eine verständige Bodenpolitik unmöglich. Man kann keiner Gemeinde zu— muten, sich dafür zu interessieren und Opfer zu bringen, daß an einer When Stelle des Zweckberbandes eing Arbeiterkolonie, oder eine IYihenolonie angelegt wird. Auf einem Gebiete bin ich allerdings der Neinung, daß sich das Vorgehen rechtfertigt, auf dem Gebiete des Verkehrs. Der Minister hat bereits , daß wir selbst daran des en Dien auf diesem Gebiete einen weiteren Zwecherhand zu bilden. Ei hatte seinen Grund in der Stellung, die die Große Berliner Straßenbahn eingenommen hat. Man kann auch hier nicht daran orbeigehen, daß Berhältnisse geschaffen worden sind, und zwar durch die taatreglerung, die unser Vorgehen gerechtfertigt erscheinen
. Zweite Beilage zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
Berlin, Montag, den 19. Juni
lassen. Es ist bekannt, daß die Stellung der Großen Berliner Straßenbahn, bald nachdem ein Königlicher Ministerialdirektor an ihre Spitze getreten war, auf das stärkste befestigt wurde durch die Verleihung der Konzession bis 1949. Es ist ja gelungen, die Verlängerung 6 nur bis 1919 erteilten Konzession durch— zusetzen, ohne daß die Stadtgemeinde Berlin mit ihren lebhaften Interessen an dieser Entwicklung Gelegenheit gehabt hätte, sich zu äußern. Dadurch waren wir in die Lage versetzt, uns entweder mit der Großen Berliner Straßenbahn ver⸗ ständigen zu müssen, oder im Ergänzungsverfahren die Zuständigkeit . zu lassen. Da aber das . vor dem⸗ selben Minister stattfand, der die Konzession erteilt hatte, so war es von vornherein aussichtslos. Wir haben damals die Untergrundbahnen nicht einbezogen und halten die Einbeziehung heute noch für einen roßen Fehler. Denn diese Bahnen sind, eine jede für sich, ein be⸗ kö zu beurteilendes Unternehmen. Was die Bebauungspläne betrifft, so ist es ja wünschenswert, daß gewisse Ausfalls⸗ und Durchgangsstraßen einheitlich festgelegt werden, aber das würde sich auch freiwillig und ohne Zwangsverfahren machen lassen. Nach— dem im Abgeordnetenhause und, wie ich dankbar anerkenne, insbesondere auch im Herrenhause lebhaft dafür eingetreten worden war, daß den Gemeinden der Erwerb groherer Waldflächen ermöglicht werden soll, haben sich die Ersten Bürgermeister der kreisfreien Städte mit der Forsiverwaltung und den beiden Landräten zusammengetan. Wir sind an die Staatsregierung, zunächst an den Landwirtschafts—
minister, herangetreten und haben um Mitteilung der Bedingungen“
gebeten. Das alles war im vorigen Jahre im besten Zuge. Der neue Minister sah die Sache auch außerordentlich günstig an; seit der Zeit aber haben wir uns vergeblich bemüht, Auskunft zu erhalten. Wenn wir nur eine irgend annehmbare Offerte bekommen hätten, so wäre es bei der herrschenden Stimmung möglich gewesen, das Vor— haben ohne Zwang durchzuführen. Ich kann nicht anerkennen, daß ein ausreichender Grund vorliegt zu der gekünstelten Konstruktion im Zweckverbandsgesetz. Dieser Gesetzentwurf und noch mehr das all— gemeine Zweckberbandsgesetz hat unter den Vertretern der Städte eine Aufregung hervorgerufen, wie ich sie in diesem Kreise bis jetzt noch nicht wahrgenommen habe. Diese beiden Gesetze lassen erkennen, daß die Staatsregierung von der Bedeutung der Gemeindeverfassung und von deren Wichtigkeit für unseren Staat nicht voll überzeugt ist, und daß sie ohne zwingenden Grund in diese Verfassung eingreift, den Gemeinden die eigene Verwaltung entzieht und sie anderen Organen überträgt. Das legt uns die Befürchtung nahe, daß man doch nicht diejenige Achtung vor der Bedeutung der städtischen Gemeinde und der Selbstverwaltung hat, die wir auch im Interesse des Staates in Anspruch nehmen zu müssen glauben. Bei feierlichen An— lässen, bei Zweckessen und dergleichen habe ich noch nicht einen Staatsbeamten gesehen, der nicht übergeströmt wäre von Ver— sicherungen, wie hoch er die Selbstverwaltung schätze. Anders aber ist es in der Gesetzgebung und Verwaltung. In der Gesetzgebung sind Schritt für Schritt immer mehr Gebiete der Selbstverwaltung entzogen worden. Das Kleinbahngesetz und das Volksschulgesetz waren ganz eminente Eingriffe in die Selbstverwaltung. Durch das Seuchengesetz kann einer Stadt vorgeschrieben werden, eine bestimmte Wasserleitung und Kanalisation zu errichten. Was die Verwaltung bekrifft, so haben wir zweifellos ausgezeichnete, pflicht— treue Beamte, die das Beste in Auge haben, aber die Natur der Dinge bringt es mit sich, daß wir zwei Beamtenkategorien haben, die der Selbstverwaltung gefährlich sind. Zu der einen gehören die Beamten, die zufrieden sind, wenn sie ein schön paragraphiertes Gesetz zustande gebracht haben, die aber kaum eine Idee haben, was für ein Unterschied es ist, mit Personen, mit Werten, mit Zahlen zu regieren oder mit Paragraphen. Die zweite Kategorie ist noch zahlreicher. Zu ihr gehören diejenigen Herren, die sich bewußt sind, etwas Gutes, Tüchtiges leisten zu können, und die das unter allen Umständen durchsetzen wollen, ganz gleichgültig, ob mit oder gegen den Willen der berafenen Instanzen. Prof. Gierke hat vor einigen Tagen einen Vortrag gehalten über die Städte. Er kam zu dem Ergebnis, daß, wenn auch die Zeiten an der Steinschen Städteordnung manches geändert haben, der Grund— gedanke, das Recht der Stadte auf eine eigene selbständige Ver— waltung, Gemeingut der Nation geworden ist. Wir Oberbürgermeister fürchten, daß dieser Grundgedanke gefährdet ist.
Herr Schustehrus⸗ Charlottenburg: Ich bedaure, daß der Standpunkt, den ich zu der Vorlage einnehme, dem des Vor⸗ redners durchaus entgegengesetzt ist; ich hätte viel lieber mit ihm, als gegen ihn gekämpft. Aber meine praktischen Erfahrungen gebieten mir, diesen Kampf aufzunehmen. Die Eingemeindung, die der Vorredner und der Korreferent an die Stelle der Vorlage setzen möchte, verwerfe ich aus innerer Ueberzeugung. Die Städteordnung von 1808 ging von ganz anderen Voraussetzungen aus, als sie heute zutreffen. Damals kannte man keine großen Städte; sie ist gemacht für kleinere Gemeinwesen. In der Bewunderung der Steinschen Städteordnung fühle ich mich durchaus mit den Vorrednern eins; aber für Millionen städte paßt sie nicht. Der Geschäftsgang in einer Stadt von 2 Millionen ist bereits schleppend; in Berlin wird offenkundig darüber geklagt. Ich mache daraus nicht etwa der Stadt einen Vor— wurf, sondern schiebe die Schuld der Städteordnung zu. Die Zwei⸗ millionenstadt zu einer Viermillionenstadt zu machen, würde ich für einen schweren Fehler halten. Um die Verwaltung einer solchen Riesenkommune zu führen, ist eine sehr starke Dezentralisation nötig, die ihrerseits die so bedeutsame Einheitlichkeit der Verwaltung durch
aus in Frage stellen müßte. Die CFingemeindung wird gewünscht; ;
von wem? Von Berlin; vielleicht noch nicht einmal von allen Stellen in Berlin. Berlin wünscht die Eingemeindugg etwa so wie früher, d. h. die steuerkräftigen Gemeinden wollte es gern eingemeinden, aber über Weißensee, Pankow, Reinickendorf, die nicht steuerkräftig sind, kam es zu keiner Einigung. Berlin wollte die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken. So kann man doch nicht verfahren. Uebrigens stand Berlin noch 1893 durchaus dem Gedanken der Eingemeindung feindlich gegenüber. In den Akten Charlottenburgs von 1891 be— findet sich eine Berliner Zuschrift, in der die Eingemeindung unserer Stadt abgelehnt und nur die Bereitwilligkeit erklärt wurde, den reichen Ostbezirk an der Joachimsthalerstraße einzuverleiben. Die Vorort— gemeinden haben sich nun auf ihre eigenen Kräfte verlassen müssen, sie haben sich aus eigener Kraft emporgearbeitet und sind blühende, kräftige Gemeinwesen geworden. Wie kann Berlin jetzt fordern, daß diese blühenden, kräftigen Gemeinwesen zerschlagen werden? Ich kann nicht anerkennen, daß es billig ist, daß nur Berlin ver größert wird, und die zitierten Worte Gierkes passen auf die Vor orte genau so wie auf Berlin. Der Berliner ist auch nicht aus sich selbst geworden. Berlin hat seinen Aufschwung auch erst genommen aus der Gründung des Deutschen Reiches; daraus hat es seine Kraft geschöpft, ebenso wie wir anderen nicht von Berlins, sondern von Reiches Gnaden das geworden sind, was wir sind. Die Vororte wollen der großen Mehrzahl nach auch gar nicht ihre Selb— ständigkeit aufgeben oder untergraben, sondern behalten; sie wollen sich nicht zum Appendix von Berlin machen lassen. Der Gedanke der Steinschen Städteordnung würde durch die Eingemeindung in großem Stile auch nicht gefördert werden; von den Hunderten von Stadtverordneten, die jetzt die Interessen der ein zelnen Stadtgemeinden wahrnehmen, würden doch höchstens 25 bis 30 nach Berlin kommen. Wegfallen würde auch die gesunde und frucht bare Wirkung des freien Wettbewerbs, der die größten Fortschritte zu Wege gebracht und auch Berlin großen Nutzen gebracht hat.
1911.
Gerade auf dem Gebiete des Bebauungs-, des Wohnungs- und des Schulwesens ist ein Wettbewerb von großem Nutzen. Man hat darauf hingewiesen, Groß⸗Berlin wäre eine wirtschaftliche Einbeit. Ist denn die wirtschaftliche Einheit ein feststehender Begriff? Bei näherem Zusehen ist dies eine Vokabel ohne inneren Gehalt. Wenn gesagt wird, 30 Berliner Innungen erstrecken sich über eine große Anzahl von Vororten, dann fehlen doch Vororte, und von einer wirtschaftlichen Einheitlichkeit ist nicht die Rede. Dasselbe gilt von der Versorgung mit Gas und Elektrizität. Oberbürgermeister Kirschner sagte: die wirtschaftliche Ein⸗ heit bestände zweifellos. Gegenüber solcher bestimmten Er⸗ klärung habe ich immer Argwohn, daß es an wirklichen Gründen fehlt. In Bezug auf den Verkehr liegt allerdings eine wirtschaftliche Einheit vor. Die durchgehenden Straßen sind im Bebauungsplan vorgesehen. Das hat ja auch unser Gesetzentwurf anerkannt. Er hat drei Aufgaben aufgestellt, für welche der Zweckverband sorgen soll: den Verkehr in den Straßen, die Bebauung in den Straßen und die Erhaltung eines Waldgürtels. Daß wir in bezug auf den ersten Punkt in einer großen Misere uns befinden, hat niemand glänzender dargelegt als Oberbürgermeister Kirschner in seiner Denk hit von 1896. Unser Verkehrswesen in bezug auf die Straßen bahnen ist in der Tat rückständig. Das liegt daran, daß unser Ver kehrswesen monopolisiert ist in der Hand einer Erwerbs-, nicht einer Verkehrsgesellschaft. Die Gesellschaft will natürlich zunächst ihre Dividenden erhöhen, Verkehrsinteressen stehen da zurück. Ueber diese Verhältnisse ist von allen Seiten große Unzufriedenheit ausgesprochen worden, und Herr Kirschner hat selbst für diesen Zweck die Bildung eines Zweckverbandes für notwendig erklärt, allerdings auf dem Wege freiwilliger Vereinbarungen, aber dieser Versuch ist gescheitert. Was soll nun heute bei dieser Sachlage geschehen? Ich habe das Vertrauen verloren, daß wir auf diesem Wege weiter kommen. Wir müssen die Sache auf dem Wege des Gesetzes zu— sammenschweißen. Ich habe das Vertrauen, daß wir einen gangbaren Weg gefunden haben, um alle diese Fragen zu lösen. Der Bau von Kleinwohnungen ist eine Aufgabe, die den einzelnen Gemeinden überlassen werden muß. Ich möchte da nicht ohne Not in die Selbstverwaltung eingreifen. Es ist kein Zweifel, daß dies Gesetz manches Bedenkliche enthält, aber ich bin überzeugt, daß es einen Fort⸗ schritt bedeutet. Wir sind in den Gemeinden genötigt, uns zu ver tragen und einander zu helfen, und dazu wird das Gesetz wesentlich ermuntern.
Herr Adickes-Frankfurt a. M.! Es wird mir schwer, das Wort zu ergreifen. Es handelt sich hier um eine weit tragende und schwierige Frage, wo große Interessen einander gegen— überstehen, wie die Reden der Oberbürgermeister Kirschner und Schustehrus bewiesen haben. Die Frage, wie Millionenstädte am besten regiert werden, ist überhaupt noch nicht gelöst, weder bei uns noch in England. Berlin hat sich seit 1871 sehr schnell entwickelt, und man sucht nach der besten Form der Verwaltung. Hier dürfen nicht theoretische, sondern nur praktische Gesichtspunkte entscheiden. Sollte wirklich die Eingemeindung der einzige Weg sein, ein Groß-Berlin zu schaffen? In den 60er Jahren wogte der Streit, ob Deutschland besser ein Einheits oder ein Bundesstaat würde. Dieser Vorgang drängt sich hier als Parallele auf. Der Einheits— staat hatte viele und begeisterte Anhänger, aber die Phantasie stieß sich an der harten Wirklichkeit, und es ist anders gekommen. Sollte es nicht möglich sein, analog dem deutschen Bundesstaat auch für Groß-Berlin Formen zu finden für einen leistungsfähigen Verband, der trotzdem den einzelnen Mitgliedern ihre Selbständigkeit beläßt? Diese Frage ist noch gar nicht genug vertieft worden. Ich bedauere ja, daß wir jetzt einen Be schluß fassen sollen; wir sind heute noch nicht so weit. Der Gesetz⸗ entwurf bringt gewiß keine definitive Lösung; es fragt sich aber, ob er nicht so viel an Möglichkeiten bietet, daß man dafür stimmen muß. Die Unhaltbarkeit des jetzigen Zustandes und die Größe der Diskrepanzen hat Herr Kirschner in seiner Schrift über zeugend dargelegt. Manche Vororte sind fast steuerfrei, andere von schweren Steuern niedergedrückt. Kann nur die Ein gemeindung diese Ungleichheit der Besteuerung beseitigen? Die Frage der Stadterweiterung von Groß⸗Berlin ist bisher in der Erörterung im Hintergrund geblieben. 80⸗ bis 100 000 Menschen kommen jedes Jahr für Groß-Berlin hinzu; Unterkunft für sie zu schaffen und für von ihnen zu leistende gewerbliche Arbeit, ist eine Riesenaufgabe. Jetzt macht jede kleine Ge⸗ meinde ihren Bebauungsplan für sich; einzelne sind künst⸗— lerisch entworfen, die große Masse schematisch angefertigt. Das ganze Elend dieser Tatsache kam erst zur allgemeinen Kenntnis, als der Wettbewerb Groß-Berlin ausgeschrieben war. Dieser Zustand ist unhaltbar; es muß eine Zentralstelle für die Stadterweiterung von Groß⸗Berlin geschaffen werden, und die Erfüllung dieser Aufgabe ist dringlich und notwendig. Die Berliner Etagenhäuser mit vier und fünf Stockwerken und engen Höfen gefährden das Familienleben aufs allerschlimmste. Da Abhilfe zu schaffen, sollten alle Beteiligten sich zusammentun. Die Vorlage bringt in dieser Richtung leider außerordentlich wenig; die Befugnisse des Verbandes sind da viel zu beschränkt, so beschränkt, daß es auch den besten Kräften nicht möglich sein wird, gesunde Verhältnisse herbeizuführen. Bestehende Fluchtlinien⸗ pläne müssen durch den Verband beseitigt werden können. Das Ab⸗ geordnetenhaus hatte auch eine Form dafür gefunden, die dem Verbande wenigstens etwas Luft gewährte. Gerade diesen Beschluß hat die Kommission aber gestrichen, und ich beantrage, ihn nach der Fassung des anderen Hauses wieder herzustellen. Es geschieht damit allerdings ein starker Eingriff in die Selbstverfügung der Gemeinden, ohne daß Sicherheit für den Erfolg gegeben wird; entwickelt sich aber der Verbandsausschuß wirklich zu einem Zentralpunkt für die Wohnungsverhältnisse von Groß-Berlin, so wird man über dies Be denken hinwegkommen können. Auch die Bestimmung über die Ver— fassung des Verbandes ruft große Bedenken bervor. Die Verbands⸗ versammlung soll nur von Delegierten beschickt werden; das hat die große Gefahr, daß dlese sich von vornherein als Vertreter der Inter essen der einzelnen Städte, Kreise und Gemeinden fühlen. Der Londoner Gounty council wird durch die ganze Grafschaft London direkt gewählt. Das Wort „Stadterweiterung“ kommt leider im ganzen Gesetz nicht vor. Auf diesem Gebiete sind stätkere Eingriffe notwendig. Die Abgrenzung des ganzen Bezirks ist rein willkürlich; es fehlt an einem Plan. Für die Auslassung des Kreises Osthavelland bin auch ich; die Revision des Gesetzes, die kommen muß, wird da ein⸗ zugreifen haben. Ein weiterer Uebelstand ist, daß der Zweckverband keine eigenen Einnahmen hat, dadurch wird das Verantwortlichkeits gefühl nicht gefördert. Besonders da die Arbeiter in Groß⸗Berlin geeignete Wohnungen baben müssen, babe ich beantragt, als eine Auf⸗ gabe des Zweckverbandes aufzustellen: Förderung und Unterstützung des Kleinwohnungsbaues, insbesondere auch Erwerbung von Flachen für den Bau von Kleinwohnungen. Leider ist das unglückliche all⸗ gemeine Zweckverbandsgeseßß mit diesem Gesetz verquickt worden. Zwei so große Gesetze zusammen zu erledigen, ist unmöglich. Man kann die Tragweite jenes Gesetzes gar nicht übersehen. Die An schauung ist verbreitet, daß es ein Gesetz gegen die großen Städte ist. Wenn einige von uns dem vorliegenden Gesetz zustimmen, so tun sie es in der Empfindung, daß man sich bescheiden muß, daß man ver⸗ suchen muß, auf diesem Wege weiterzukommen. Man wird Erfahrungen sammeln und könnte etwaige Mängel durck beseitigen, wie es bei dem Gesetz gescheben ist, das meinen