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Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 94. Sitzung vom 23. Juni 1911, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Interpellation der Abgg. Ahrens (Klein-Flöthe) und Genossen, betreffend die Weiterverbreitung der Maul- und Klauenseuche durch die Abhaltung von Manövern.
Nach der Begründung der Interpellation durch den Abg. Dr. Busse (kons.) ergreift das Wort der
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten
Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich muß leider dem Herrn Vorredner darin recht geben, daß ein wesentlicher Rückgang der Maul- und Klauen seuche auch heute noch im allgemeinen nicht zu verzeichnen ist, wenn⸗ gleich in einzelnen Bezirken die Seuche erheblich nachgelassen hat und andere Bezirke schon jetzt als seuchenfrei zu bezeichnen sind.
Was nun die Verhreitung der Maul- und Klauenseuche durch Truppenmärsche und insbesondere durch Manöver angeht, so liefert die seitherige Statistik keinen strikten Beweis dafür, daß in einzelnen Fällen durch die Truppen die Maul- und Klauenseuche weiter ver— breitet worden ist. Es ist aber trotzTdem ohne weiteres zuzugeben, daß schon mit Rücksicht darauf, daß der Ansteckungsstoff nach den gemachten Erfahrungen sehr oft durch Menschen übertragen wird, auch größere Truppenbewegungen in den Gebieten, in denen die Maul⸗ und Klauenseuche herrscht, zur Weiterverbreitung dieser Seuche in erheblichem Maße beitragen können.
Als mir die Interpellation des Herrn Abgeordneten Ahrens vor— gelegt wurde, bin ich sofort mit dem Herrn Kriegsminister ins Be— nehmen getreten. Es haben Verhandlungen unserer Kommissare stattgefunden, und ich kann auf Grund dieser Verhandlungen folgende Mitteilungen machen. Es erscheint aus militärischen, nahe liegenden Rücksichten ausgeschlossen, wegen der Maul, und Klauenseuche die Manöver ganz ausfallen zu lassen. Es kann auch mit Rücksicht auf die inzwischen schon getroffenen weitgehenden Vorkehrungen eine wesentliche Verschiebung des Manövergeländes kaum eintreten. Dagegen wird eine Reihe von Maßnahmen in Betracht gezogen werden, durch welche die Ansteckungfgefahr nach Möglichkeit verringert werden soll. Hierzu gehört zunächst die Anordnung, daß der Trans port der Truppen ins Manövergelände und aus diesem zurück möglichst durch die Eisenbahn erfolgen soll. Bisher ist die Infanterie schon regelmäßig mit der Eisenbahn transportiert worden; es wird nunmehr auch der Transport der Kavallerie und der Artillerie mittels der Eisenbahn in Aussicht genommen werden.
Sodann soll das Belegen von Seuchengehöften ganz und ebenso das Belegen von verseuchten Ortschaften, sowelt es möglich ist, die Truppen anderweitig unterzubringen, ebenfalls unterbleiben. Zu diesem Zwecke soll auf ein vermehrtes Biwakieren der Truppen, soweit es die Witterungs⸗ und örtliche Verhältnisse gestatten, hingewirkt werden.
Es werden ferner Kuh- und Schweineställe nicht mit Pferden belegt werden; man wird dafür sorgen, daß die Pferde entweder in Scheunen oder in den vorhandenen Pferdeställen Unterkunft finden; soweit es möglich ist, sollen Pferde selbst im Freien untergebracht werden.
Ich gebe ja zu, daß diese letztgenannte Maßnahme nicht ver⸗ hindern kann, daß die Mannschaften mit Personen in Berührung kommen, die von verseuchten Tieren den Ansteckungsstoff aufgenommen haben. Da aber ein nde Belehrung ffiziere wie der Mannschaften über die Seuchengefahr stattfinden und außerdem den Militärpersonen strengstens das Betreten von Seuchengehöften unte sagt werden wird, so wird auch diese Maßnahme dazu beitragen, die Ansteckungsgefahr erbeblich herabzusetzen.
Eine weitere Gefahr der Ansteckung li quirierung von Gespannen aus Ortschaf in Beobachtungsbezirken liegen. Auch mieden werden, ebenso auch der Bezu Stroh aus solchen Ortschaften.
Die landwirtschaftliche Verwaltung ministerium regelmäßig eine Uebersicht seuchten Bezi auch in einige
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Wahlrecht stimmen müssen, haben sich auch hier wieder als in höchstem Maße unzuverlässig gezeigt, wo es sich um Volksrechte handelt. Sie hätten es in der Hand gehabt, das geheime Wahlrecht durchzudrücken; aber es ist ihnen nicht ernst mit ihren liberalen Forderungen. Wir werden aber draußen im Lande dafür sorgen, daß diese Unzuverlässigkeit bekannt wird. Bei den vorliegenden Anträgen werden wir für diejenigen stimmen, die eine größere Demokratie in den Rheinlanden herbeiführen wollen. Der nationalliberalen Resolution, die die allgemeine Beseitigung der Arreststrafe für Gemeindebeamte fordert, werden wir zustimmen; aber wenn die Nationalliberalen so energisch für die Beseitigung der Arreststrafe eintreten, dann bätten sie die beste Gelegenheit gehabt, hier bei diesem Gesetz dem Paragraphen zuzustimmen, der die Arreststrafe aufhebt. Die kon— servative Resolution, die eine Beseitigung der von den beteiligten Bevölkerungskreisen mißliebig empfundenen vielfachen Mängel“ der rheinischen Landgemeindeordnung fordert, ist nur aus taktischen Gründen gestellt worden. Diese Resolution bedeutet nichts. Ebenso⸗ gut könnte die konservative Partei eine solche Resolution bezüglich
des preußischen Landtagswahlrechts beantragen. Wird der Antrag
auf geheime Stimmabgabe angenommen, dann werden wir dem Gesetzentwurfe zustimmen; nicht weil wir ibn dann für gut halten, sondern weil wir den größten Wert darauf legen, in dieser Beziehung einen Fortschritt zu erreichen.
Abg. von Gescher (kons.): Sie werden es nicht von mir erwarten, daß ich bei der gegenwärtigen Geschäftslage die Ausführungen des Vorredners widerlege. Aber die Ausführungen des Vorredners haben mir die dankenswerte Veranlassung gegeben, für unsere Resolution ein kurzes allgemeines Wort zu sagen. Wir denken gar nicht daran, alle Anregungen, die in diesem Hause gegeben sind, wie z. B. die von sozialdemokratischer Seite, der Regierung als Material für eine Reform der rheinischen Landgemeindeordnung zu überweisen. Der wesentliche Zweck des Gesetzentwurfs ist der, der Industrie eine bessere Stellung zu gewähren. Die berechtigte Stellung des Grund⸗ besitzes in den Gemeinden müssen wir allerdings aufrecht erhalten, wenn wir es auch als eine Forderung der Billigkeit ansehen, der Industrie entgegenzukommen. Von diesem Standpunkt werden wir bei der Stellungnahme zu den vorliegenden Anträgen ausgehen. Der größte Teil meiner Freunde wird auch für die nationalliberale Resolution auf Beseitigung der Arreststrafe stimmen. Der weiteren nationalliberalen Resolution, die die Verselbständigung des Gemeinde budgetrechts und die Hebung der Gemeindevorsteher fordert, können meine Freunde nicht zustimmen, da diese Resolution nur die Hebung der Stellung der Gemeindevorsteher in einzelnen Punkten fordert. Wir aber wollen die Stellung der Gemeindevorsteher wirklich erhöhen. Weiter halten wir auch eine gesetzliche Regelung der Anstellung der rheinischen Landbürgermeister und der westfälischen Landamtmänner für nötig. Wir wollen keines vegs eine Wählbarkeit, wie sie von links gefordert wird;
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wohl aber sind wir der Meinung, daß die Stellung der Bürgermeister und Amtmänner einer grundsätzlichen Regelung bedarf. Ob unsere Resolution, die eine allemeine Reform der rheinischen Landgemeindeordnung fordert, angenommen wird, ist mir aller— dings zweifelbaft nach den Erklärungen, die die Regierung in der zweiten Lesung abgegeben hat. Der Vertreter des Staats— ministeriums sprach davon, daß die Regierung in eine nähere Prüfung eintreten werde. Das ist doch aber etwas Selbstverständliches, was soll sonst die Regierung mit einer Resolution des Hauses machen? Wir wollen aber hoffen, daß die Regierung zunächst Erhebungen in der Rheinprovinz darüber anstellt, welche Reformen dort dringend gefordert werden. und dann einen Gesetzentwurf vorlegt. Abg. Fleuster (Zentr): Durch die Bestimmung, daß bei der Fest⸗ setzung der Meistbegüterten die am Orte wohnenden den auswärtigen sollen, hat die Kommission an der Vorlage eine Ver⸗ herbeigeführt. Ein Fortschritt ist auch die Aufhebung der Arreststrafe die Unterbeamten und die Bestimmung, wonach § 6 zemeindeordnung über die Vereinigung von Gemeinden verbessert en soll. Wir haben unsere Antrage der zweiten Lesung, soweit ie nicht angenommen wurden, wiederholt, sie betreffen die anderweite Regelung des Meistbegütertenrechts, die Bürgermeisterwahl, die gebeime Stimmabgabe und die Kontingentierung der ohne Wahl zum Gemeinde— din der Bürgermeistereiversammlung. Von den deckt sich im großen und ganzer über die bei der Verleihung des Personen heranzuziebende Ein⸗ Falls der 5 46 nicht nach unserem
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schon erkennen wird. Wir haben uns unserseits darauf beschrzntt,
die in der Praxis besonders hervorgetretenen Mängel hervorzuheben! wir wollen nicht, daß einfach der Hobel angesetzt und danach gearbeite wird, sondern wir wollen, daß lediglich besondere Mängel, die sich da gezeigt haben, für wert erachtet werden, in der Resolution Auf⸗ nahme zu finden.
Geheimer Qberregierungsrat Dr. Freund: Die Erklärungen, die Sie von der Staatsregierung zu den einzelnen Anträgen erwarten werde ich der Kürze halber bei der Spezialberatung abgeben. ;
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (rkons.): Ich werde wirklich kurz sein. Die Zentrumsanträge, die bereits in der zweiten Lesung abgelehnt und jetzt wieder, zum Teil in abgeschwächter Form, eingebracht worden sind, werden wir ab— lehnen. Was die Resolutionen anlangt, so empfiehlt es sich nicht, dem nationalliberalen Antrag in der von ihm beantragten spezialisierten Form zuzustimmen. Wir ziehen den konservativen An— trag vor. Ich möchte aber ganz besonders hervorheben, daß wir grundsätzlich an der Ernennung der Landbürgermeister fest halten. Wir bitten die Staatsregierung, von ihrem Standpunkt nicht ab— zuweichen. Gewiß sind wir bereit, der Selbstverwaltung weitere Rechte einzuräumen, als sie jetzt hat, aber an der Ernennung der Landbürgermeister halten wir fest.
Abg. Dr. Eickhoff (fortschr. Volksp.): Namens meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir diesem Gesetze in der Endabstimmung unsere Zustimmung geben werden. Von einer wirklichen Reform der rheinischen Landgemeindeordnung kann allerdings nicht die Rede sein. Wir begrüßen aber in dieser Novelle insofern einen Fort— schritt, als nunmehr auch der Industrie, wenn auch nur ein kleiner Einfluß im Gemeinderat gewährt werden soll, der In— dustrie, die schließlich die größten Lasten zu tragen hat. Von einer wirklichen Reform kann jchon deshalb nicht die Rede sein, weil nach den Beschlüssen zweiter Lesung die Wahl der Mit“ glieder des Gemeinderats nach wie vor eine öffentliche sein soll. Nur durch die gebeime Wahl ist auch in den Kommunen wie im Staat und Reich die völlige Freiheit der Wahl gewährleistet, und wir begrüßen es mit Genugtunng, daß das Zentrum sich unserem Ver— langen angeschlossen hat. Daß der Antrag, der die Wahl der Land— bürgermeister bezweckte, keine Mehrbeit in diesem Hause gefunden hat, bedauern wir. Wir werden für den Antrag des Zentruͤms stimmen. Wir bedauern ferner, daß die nationalliberale Partei sich in dritter Lesung auf eine Resolution zugunsten der Aufhebung der Arreststrafen für die Unterbeamten gestellt hat. Wir werden natürlich dieser Resolution zustimmen, da sie einen Wunsch enthält, den wir wiederholt ausgesprochen haben. Einverstanden sind wir mit der Resolution Gottschalk, die eine größere Selbständigkeit der Gemeinden bezweckt und die Stellung der Gemeindevorsteher heben will. Nach unserer Meinung bedarf nicht nur die Bürgermeister— versammlung, sondern auch der Gemeinderat einer Geschäftsordnung, die die Verhandlungen erleichtert. Die industriefeindlichen Anträge des Zentrums lehnen wir ab. Wir hoffen namentlich, daß der Antrag, der die Vertretung der Industrie von ein Viertel auf ein Sechsteb reduzieren will, im Hause keine Zustimmung finden wird, und ich bin ganz erstaunt, daß der Vermieter der Sozialdemokratie sich für diesen Antrag erklärt hat. Ich kann nur annehmen, daß er es deshalb getan hat, weil er die rheinischen Verhältnisse nicht kennt. Durch diesen Antrag wird tatsächlich der bescheidene Einfluß, den die Re— gierungsvorlage der Industrie gewähren will, wieder beseitigt. Im großen und ganzen enthält dieser Gesetzentwurf nur Flickwerk, wir werden aber für ihn stimmen, weil er der Industrie einen gewissen Einfluß gewährt.
Abg. Leinert (Soz.): Wenn der Abg. Gottschalk gesagt hat, aß wir mit unserem Votum für die Resolution der Konservativen der Regierung Vertrauen entgegenbringen, so befindet er sich im Irrtum. Wenn er dann weiter gesagt hat: wir Nationalliberalen steuern auf das Ziel los, das uns die Regierung gesteckt hat, und beachten nicht dasjenige, was uns am Wege gezeigt wird — so ist das auch nicht richtig: die Nationalliberalen heben wohl auf, was am Wege liegt, aber nur, was in ihren Parteikram paßt. Deshalb haben sie auch den Antrag über die Arreststrafen auf— genommen, weil sie die Stimmen der Unterbeamten bei den Wahlen
nicht verlieren, wollen. Der Abg. Eickhoff hat gemeint, daß wir
nicht in liberalem Sinne handelten, wenn wir für den Zenkrums— antrag hinsichtlich der Vertretung der Industrie mit einem Sechstel stimmten. Uns ist es vollständig gleichgültig, ob das Kapital in industrieller Form auftritt, die Hauptsache ist für uns, daß wir diesen Einfluß der privilegierten Kapitalisten herabdrücken, 3. das geschieht, wenn wir nur den sechsten Teil der Vertreter zulassen.
Abg. Eickhoff. (fortschr. Volksp.): Ich möchte dem Vorredner nur bemerken, daß ich von einer Verstärkung des liberalen Ein⸗ flusses in meiner Rede mit keiner Silbe gesprochen habe.
Abg. Leinert (Soz.): Ich habe dies angenommen, weil er es mir versönlich gesagt hat. Hätte ich gewußt, daß er es öffentlich nicht et hat, so würde ich diese Mitteilung natürlich nicht vorgebracht haben.
Damit schließt die Generaldiskussion.
In der zweiten Lesung hat der 86 der geltenden Ge— meindeordnung auf Antrag des Abg. Dr. Bell Zentr.) eine Abänderung durch eine Reihe von Bestimmungen erhalten, wonach behufs Beseitigung der sogenannten Zwerabildungen die Zusammenlegung von Landgemeinden untereinander oder von Gutsbezirken mit Landgemeinden durch Königliche Ge— nehmigung vorgesehen ist. Das mangelnde Einverständnis der Beteiligten kann durch den Kreisausschuß ersetzt werden; gegen ie Entscheidung des Kreisausschusses wird die Beschwerde an zen Bezirksausschuß und weiter an den Provinzialrat zugelassen.
Der Abg. Dr. Bell (Zentr.) beantragt nunmehr, diese Bestimmung wieder dahin zu ändern, daß die Bestimmungen ie Beschwerdeinstanzen gestrichen werden, sowie ferner
Bestimmung, daß den bisherigen Einzelgemeinden eine Ver— tretung im Gemeinderat der neuen Gemeinde zu sichern ist. Ein Regierungskommissar: Die Staatsregierung hat bereits in der zweiten Lesung erklart, daß sie diesem Antrage im wesentlichen zustimmend gegenäͤbersteht.
s 6 wird in der Form der neuen Anträge des Abg. Bell angenommen.
Zu 5 46, der Bestimmungen über die sogenannten ge⸗ borenen Gemeindevertreter, die Rechte der Meistbegüterten, der industriellen Gesellschaften und des Fiskus enthält, hat der Abg. Dr. Bell Gentr.) seine in der zweiten Lesung abgelehnten An— träge wieder eingebracht. Danach sollen die außerhalb wohnenden meistbegüterten Grundeigentümer nicht überhaupt Vertreter stellen können, sondern sich nur durch Pächter, Verwalter oder Söhne, die innerhalb der Gemeinde berechtigten Grundbesitz dauernd in Pacht oder Verwaltung haben, vertreten lassen können. Das Gemeindevertreterrecht der juristischen Personen der Industriegesellschaften) und des Fiskus soll ganz gestrichen werden, dafür sollen die Haus- und Grundbesitzer, die seit zehn Jahren in der Gemeinde wohnen und seit 5 Jahren mit 15 6 Grund⸗ und Gebäudestener veranlagt sind, das Ge⸗ meindevertreterrecht erhalten.
Die Zahl der meistbegüterten Grundeigentümer darf nach dem Beschluß der zweiten Lesung die Hälfte, die Zahl der Vertreter der juristischen Personen und des Fiskus ein Viertel der gewählten Verordneten nicht überschreiten. Der Abg. Dr. Bell beantragt, statt „ein Viertel“ „ein Sechstel“ zu sagen und hinzuzufügen, daß sich die Reihenfolge ber letzt nannten Vertreter nach der Höhe der Gesamtgrund⸗ und Gehaudesteuer bestimmt.
Für den Fall der Ablehnung dieser seiner Anträge be
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antragt der Abg. Bell (Zentr), daß die juristischen Personen zu mindestens 32 6, Grundsteüer von Grundbesitz im Gemeinde— bezirk veranlagt sein müssen und daß der Fiskus im Gemeinde⸗ bezirk Grundstücke in bestimmtem Umfange besitzen muß.
Der Staatsfiskus soll nach den Beschlüssen der zweiten Lesung das Gemeindevertreterrecht nur haben, wenn er zu den direkten Gemeindesteuern mit einem höheren Betrage heran— gezogen wird als der höchstbesteuerte Gemeindeangehörige an , ö und Gemeindesteuern, beide zusammengerechnet, entrichtet.
Der Abg. Dr. Bell (Zentr.) beantragt die Einschaltung: Hierbei sind die direkten Stagtssteuern nur zu demjenigen Be— trage zu berücksichtigen, der sich bei der Veranlagung nach dem in der Gemeinde steuerpflichtigen Einkommen ergibt.
Ferner stellt der Abg. Dr. Bell Gentr.) auch den Eventual—⸗ antrag, das Wort „Viertel“ durch „Sechstel“ zu ersetzen.
Der Abg. De. Gottschalk (nl) beantragt, daß bei der Be⸗ stimmung oder Voraussetzung einer gewissen Steuerleistung für die juristischen Personen die direkten Staatssteuern zu dem Betrage zu berücksichtigen sind, der sich bei der Veranlagung nach dem in der Gemeinde steuerpflichligen Gesamteinkommen ergeben würde.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. Freund: Die Regierung würde den Grundgedanken dieses Antrages Gottschalk für diskutierbar erachten. Der Antrag ist aber technisch nicht durchfübrbar. Ich möchte also bitten, diesen Antrag abzulehnen, ebenso den Antrag Bell, der sich auf die Veranlagung des Staatsfiekus bezieht.
In der Abstimmung wird der Prinzipalantrag des Zentrums gegen die Stimmen des Zentrums und der Polen abgelehnt, desgleichen die Eventualanträge derselben Fraktionen.
sz 46 wird nach den Beschlüssen zweiter Lesung unverändert angenommen.
Im 5 35 hat die zweite Lesung in Uebereinstimmung mit dem Herrenhause beschlossen, daß die Wahlen durch mündliche Stimmabgabe zu Protokoll erfolgen.
Die Abgg. Aronsohn Gfortschr. Volksp.) und Gen. be— antragen die Stimmabgabe mittels verdeckter Stimmzettel, und zwar nach den für das Reichstagswahlrecht geltende Vor— schriften.
Dasselbe beantragen die Abgg. Dr. Bell Zentr.) und Gen.
8 55 wird unter Ablehnung dieses Antrags unverändert in der Fassung der zweiten Lesung angenommen. Das Resultat ann erst nach Probe und Gegenprobe und abermaliger Probe festgestellt werden und ergibt eine sehr geringe Mehrheit gegen den Antrag, für den Zentrum, Volkspartei, Polen und Sozlal— demokraten stimmen. Die Verkündigung des Resultats wird von der Linken mit lauten Rufen des Unwillens und des Zweifels begleitet.
Für den 8§z 83 der geltenden Gemeindeordnung hat die zweite Lesung die Aufhebung der Arreststrafe für die Unter— beamten beschlossen.
Die Abgg. Dr. Gottschalk⸗-Solingen (nl.) u. Gen. be⸗ antragen, diese Aenderung wieder zu streichen und dafür folgende Resolution zu beschließen: „die Regierung wiederholt zu ersuchen, spätestens in der nächsten Session einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen, durch den die Arreststrafen gegen alle unteren Beamten im ganzen Umfange der Monarchie auf— gehoben werden.
Ferner liegt eine schon am 2. Februar eingebrachte Re⸗ solution der Abgg. Eckert (frkons.) u. Gen. wegen Aufhebung der Arreststrafen gegen untere Beamte sowie eine Petition des Bundes der deutschen Militäranwärter, die den gleichen Wunsch enthält, vor. Die Petitions kommission beantragt, diese Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweifen.
Unterstaatssekretär, Wirklicher Geheimer Oberregterungsrat Holtz erhebt Bedenken gegen die allgemeine Aufhebung der Arreststrafen? es würde große Schwierigkeiten machen, wenn b'i dieser Gelegenheit die Aufhebung beschlossen würde, dagegen sei die Regierung bereit, die Frage zu prüfen, ob die Arreststrafe auch für die militärisch organisierten Beamten abgeschafft werden könne.
Abg. Fritsch (ul,) spricht sich entschieden für die Beseitigung der Arreststrafe aus.
Abg. Eckert (frkons. tritt gleichfalls für die Aufhebung der Arrest⸗
fe ein und drückt seine Freude über die Erklärung der Regierung 3, daß die Frage geprüft werden solle, ob die Arreststrafe auch für die militärisch organisierten Beamten, also die Feuerwehr und' die Schutzmannschaft, aufgehoben werden könne. Die Regierung habe sich sher darauf berufen, daß beim Militär die Arreststrafe' nicht als renstrafe angesehen werde; nun stelle man sich aber einmal vor, daß ein alter Polizeiwachtmeister, der verheiratet sei und Kinder abe, e in Arrest gehen müsse. Seine Ehre sei dadurch total abgeschnitten. ᷣ Abg. Ko ysch (fortschr. Vol ksp.): Die Geschichte dieser Frage bietet ein typisches Beispiel dafür, wie die Staatsregierung und die Be— hörden Beschlüsse des Hauses, auch wenn sie fast einstimmig ge⸗ ät worden sind, glauben behandeln zu können. Obwohl sechsmal das Haus einen Beschluß auf Beseitigung gefaßt hat, ist nicht die Spur eines Entgegenfommens bei der Regierung zu bemerken; der nterstaatssekretar erklärt es im Gegenteil für unmöglich für die
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gierung, den Wünschen des Hauses entgegenzukommen. Der vor— übrige Bericht der Petitionskommniffion ergibt, daß eine Reihe von Nessorts solche Arreststrafen nicht mehr verhängen. Wenn die Auf— rechterhaltung der Arreststrafen notwendig sein soll zur Aufrecht— erhaltung der Disziplin, so müßte dies doch besonders auf das Eisenbahn— ssort zutreffen; dieses aber verhänge schon lange keine Arreststrafen mehr. Diesmal hat in der Petitionskommission nicht der Ministerpräsident, ndern ein Regierungsassessor vom Ministerium des Innern die Regierung vertreten, und das arme Wurm kann ja nicht anders, als die Meinung seines Chefs vortragen. Wir hören, daß die Arreststrafen n Bereich des Ministeriums des Innern als Disziplinarftrafen ei den militärisch organisierten Beamtenkötpern
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e In namentlicher Ahsilm mung wirh der Weschluß zweiter ung mit 132 gegen 110 Simmen abgelehnt; ein Mitglied
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enthält sich der Abstimmung. Die Resolution Gottschalk wird
hierauf gegen Zentrum und Polen angenommen, ebenso die Resolution Eckert. Auch der Antrag der Petitionskommission gelangt zur Annahme.
Die Abgg. Dr. Bell (Zentr.) u. Gen. haben ihren An— trag wieder eingebracht, im 5 103 der geltenden Gemeinde⸗ ordnung die Wahl der Bürgermeister durch die Bürgermeisterei— versammlung vorzuschreiben. ⸗
Abg. Hoeveler (Zentr) tritt kurz für diesen Antrag ein
und beantragt darüber namentliche Abstimmung.
Nachdem der Unterstaatssekretär Holtz das Haus ersucht hat, den Antrag aus denselhen Gründen, die bereits in der zweiten Lesung vom Regierungstisch angeführt worden seien, ab— zulehnen, wird zur namentlichen Abstimmung geschritten.
Die Abstimmung ergibt die Anwesenheit von nur 176 Mit— gliedern; das Haus ist also nicht beschlußfähig, die Verhandlung muß abgebrochen werden. .
Präsident von Kröcher beraumt die nächste Sitzung an auf Montag 1 Uhr. Die Tagesordnung wird den Mitgliedern mitgeteilt werden. (Schluß 5 Uhr.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Ein und Ausfuhr von Zucker vom 11. bis 20. Juni 1911 und im Betriebsjahr 1910/11, beglnnend mit 1. September.
Gattung des Zuckerg
Einfuhr Aus fuhr
in Spezialhandel im Spezialhandel
1. Sept. 1. Seyt. 1. Sept. 1. Sept.
II. bis 1910 1909 bis 1 bis bis
ö . 906 11. bis 1910 1909 20. Juni 20. Zuni 20. Juni 20. Jun 20. Junk 20. Juni
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Verbrauchszucker, raffinierter und dem raffinierten
glei gestestfter J nie dabon Veredelungsverkehr.. ..
Rübenzucker: ö (granulierter), (auch Sandzucker) (1765 ; ö
davon Veredelungs verkehr ..... Platten⸗, 6. und Würfelzucker (1760) geha ner eie (76d) .... davon Veredelungsverkehr ... Stücken⸗ und Krümelzucker 6 6) davon Veredelungsverkehr .. gemahlene Raffinade (1766) .. davon Veredelungsperkehr Bren , Farin äs h J davon Veredelungsverkehr ö , dabon Veredelungsverkehr anderer ö . k . Rohrzucker, roher, fester und flüssiger (176 b) Rübenzucker, roher, fester und flüssiger (1765 dahon Veredelungsverkehr .. anderer fester und flüssiger Zucker (flüssige Raffinade des Invertzuckersirups usw.) (176m . .... ; davon Veredelungsverkehtrt Füllmassen und Zuckerabläufe (Sirup, Melasse), Melassekraft⸗· futter; Rübensaft, . 1 davon Veredelungsberkehr. .. ... Zuckerhaltige Waren unter steue ramtlicher Aufsicht: k 7 Menge des darin enthaltenen Zuckers. .... kö
Berlin, den 24. Juni 1911.
einschlleßiich
1s oz ꝛ 18 663 4064157 3 529 2s 12 357 ; 8
1711
90
465 g0 595 4 605 126 2890012 1086 3 — 26 008 N 442 4568133 22 *
14728 13 646
Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.
Handel und Gewerbe.
(Aus den im Reichs amt des Innern zu sammengestellten Nachrichten für Handel und Industrie Y)
Frankreich.
Zelltarifänderung. Laut Gesetzes vom 7. Juni 1911 wird die Tabelle 2 zum Gesetze vom 11. Januar 1892, betreffend den allgemeinen Zolltarif, wie folgt ergänzt:
General ⸗ Mindest⸗ tarif tarif für 100 Kg Franken
Nummer Bezeichnung
252 bis Nikotin und nicht alkoholhaltige Lö— sungen von Nikotin; Nikotinsalze und nicht alkoholhaltige Lösungen von Ni— hotl ns en ,,, . 050 0, 25.
(I). Die Verwaltung kann, abweichend von den Bestimmungen in Nr., 169 des Zolltarifs, unter Bedingungen, die geeignet sind, Mißbräuchen vorzubeugen, durch Verordnung gestatten, daß Tabak- brühe (jus Gu sauges de tabach zu den durch den gegenwärtigen Artikel festgesetzten Zöllen eingeführt wird.
Die Einfuhr von Tabakbrühe (jus 9u sauces de tabac), Nikotin, von Nikatinsalzen sowie von ihren Vöfungen für Rechnung der Monopol verwaltung wird gestattet unter Befrejung von jede Einfuhrabgabe. (Journal officiel de la République Francaise.
Zolltarifierung von Waren, Eine Bekanntmachun Generalzolldirektion im „Journal officiel de la République Fran gaise“ vom 7. Juni 1911, S. 4446 bis 4452, entbält weitere En scheidungen über die Tarifierung einer Reihe von Waren, über deren Zollbehandlung weder im Zolltarif selbst noch in den Notes oxpl gatives und im Répertoire fgènral Bejtimmung f s U. a. ist darin bestimmt worden, daß Eisschränke aus gewöbn lichem Holze, innen mit Zink oder Gisen. oder Stablblech ausgestatt wie Hauswirtschaftsgeräte (Tarifnr. 569) behandelt werden fell— Die vernickelten Teile, sofern ihr Gewicht 5. v. S. des Gesamtgen übersteigt, werden besonders verzollt.
Ferner sind die Zollämter ermächtigt, bei Lokomotiven getriebenen oder ohne Schweißnaht bergest schmiedeeisernen oder stäblernen Röhren in selben wo kein Verdacht des Mißbrauchs vorliegt, das angemeldete Ger der Verzollung zugrunde zu legen, wenn eine Ginzelaufstellung der gelegt wird worin das Gewicht und die AbmeFungen der WMöbt sowie die Stellen angegeben sind, wo sie in den Arvaraten
bracht sind.
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Fällen
Portugal und Italien.
Vorläufiges Handelsabkem men zwichen deide Ländern. Zwischen dem portugtesischen inister der auswärt'ize Angelegenheiten und dem italienischen Gesandten in Siader Notenaustausch vom 9. Mai d. J. verein dart werden dan ds Abichluß eines Handelsvertrags zwischen Jtalien und Vertwal deide Länder sich hinsichtlich der Ein. und Aussahrselie de Jolle dre; der Umladung, und der Ausübung ven Vandel ned Dcdidadet ir allgemeinen die Behandlung als meistbenunstigte Nation Manchen Aus den Bestimmungen des Abkommens ann ih die Sondervergünstigungen abgeleltet werden Brasillen von Pertugal eingeräumt sind oder Gagen möchten, auch nicht auf die Vergünstigungen, welke Italien den angrenzenden Staaten eingeräumt baden lumen werden in der Absicht, den Grenswwerkedr Jlalienische Weine sollen in Portugal und portuglen Italien den in beiden Ländern bestebenden Pöchsten Jene lügen. Uusgenommen sind indes Marsalawemn
Wermut, die i Weine und X Platze komm den anliegende Bürgermeister (3Indi
ist. Anderseits sollen Italien die ermäßigten = einem anderen Orte kommer Gegend des Douro
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