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Preuszischer Landtag.
Herrenhaus. 17. Sitzung vom 27. Juni 1911, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Ueber den Beginn der Sitzung, in der zunächst der Ent⸗ wurf eines Ausführungsgesetzes zum Reichs⸗
zuwachssteuergesetz vom 14. Februar 1911 beraten wird, ist in der gestrigen Nummer des Blattes berichtet worden.
Finanzminister Dr. Lentze: Meine Herren! Die Grundsteuer nach dem gemeinen Wert ist eine Kommunalsteuer; sie wird nicht vom Staate erhoben, sondern von den Kommunen, und zwar wird sie von diesen an Stelle der staatlichen Grund⸗ und Gebäudesteuer durch Ortsstatut auf Grund des Kommunalabgabengesetzes eingeführt. Sie hat in den Kommunen bisher großen Anklang gefunden, aber nicht etwa deshalb, weil sie besonders ergiebig ist, sondern deshalb, weil man glaubt, damit eine vollkommenere Einschätzung herbeigeführt zu haben, als sie bisher möglich war. Bekanntlich wird nach dem staatlichen Steuergesetz die Grundsteuer nach dem Betrage erhoben, welcher 1860 fesigesetzt worden ist, die Gebäudesteuer nach dem Ertrage der einzelnen Ge⸗ bäude. Nun hat sich aber doch im Lauf der Zeit ergeben, daß die reine Ertragssteuer in vieler Hinsicht nicht zutrifft, daß — ich will einmal bei der Gebäudesteuer bleiben — gerade diejenigen Häuser, welche von kleinen Leuten bewohnt werden, und welche da— durch eine hohe Miete bringen, in der Gebäudesteuer zu hoch getroffen werden, wenn sie nach dem Ertrage besteuert werden. Die Häuser, welche von kleinen Leuten bewohnt werden, bringen ja eigentümlicher⸗ weise einen sehr viel höheren Ertrag als diejenigen Häuser, welche von wohlhabenden Leuten bewohnt werden. Die starke Abnutzung der Gebäude und außerdem das Risiko, das der Vermieter beim Vermieten der einzelnen Wohnungen läuft, hat dazu geführt, daß die Mieten in den kleinen Wohnungen erheblich höher sind als im Durchschnitt bei den anderen Häusern. Wenn man nun vier Prozent von dem Ertrage eines solchen Hauses als Gebäudesteuer festsetzt, so ergibt sich, daß gerade aus den Häusern, die von kleinen Leuten bewohnt werden, er— heblich höhere Steuern herausgezogen werden als aus den besseren Wohnungen. Auf der anderen Seite ist es aber doch gerade bei den Gebäuden erwünscht, daß die teueren Wohnungen auch in bezug auf die Steuer erheblich mit herangezogen werden, und des— halb war die Grundsteuer nach dem gemeinen Werte gerade ge— eignet, um da einen Ausgleich eintreten zu lassen. Wenn man bei einer Wohnung, welche für ein größeres Baukapital bergestellt worden ist, den Mietwert als solchen taxiert, so ist der Mietwert immer gering; denn es gibt nicht viele Leute in einer Stadt, welche sich eine Wohnung zu einem solchen Mietwerte mieten können. Dagegen ist der gemeine Wert des Grundstücks immerhin sehr genau zu taxieren, und infolgedessen werden solche Häuser — gerade die besseren Häuser — nach dem gemeinen Wert höher zur Steuer herangezogen werden. Bei den Grundstücken liegen, wenigstens in städtischen Gebieten, die Verhältnisse ganz ähnlich, denn eine Reihe von Grundstücken sind in die Hände von Leuten geraten, welche sie zu Bauspekulationszwecken ausnutzen wollen, und wenn da die Steuer so außerordentlich gering ist, wie sie das nach dem Grund⸗ steuergesetz aus den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist, so wird ein großes Kapital eigentlich gar nicht zur Grundsteuer ver⸗ anlagt. Die Grundsteuer ist im Verhältnis zum Werte der Grundstücke gerade in der Nähe der Städte so außerordentlich gering, daß eine beträchtliche Summe überhaupt nicht herauskommen kann. Nun will ich dem Herrn Vorredner darin durchaus recht geben, daß die Grundsteuer nach dem gemeinen Wert gefährlich wirken könnte, wenn nicht zugleich eine Höchstgrenze festgesetzt würde. In dem Kommunalabgabengesetz ist aber ausdrücklich bestimmt, daß die Grundsteuer nach dem gemeinen Wert in einer Gemeinde nicht mehr einbringen darf als die Grund- und Gebäudesteuern, wie sie vom Staate veranlagt worden sind. Es muß immer erst der staatliche Steuerertrag zugrunde gelegt werden, und dann erst wird die Grund⸗ steuer nach dem gemeinen Wert umgelegt; dadurch wird erreicht, daß die Endsummen dieselben sind, es ist nur die Art der Verteilung, die Unterverteilung auf die einzelnen Steuerpflichtigen, eine andere. Ich kann infolgedessen dem Herrn Vorredner auch nicht ganz beipflichten, wenn er sagt, daß die Grundsteuer nach dem gemeinen Wert gerade für den Grundbesitz gefährlich und verderblich wirken kann. Es mag ja sein, daß, wenn der Grundbesitz in die Hände von Spekulanten gerät, die ihn dann sehr lange festhalten, und vor allen Dingen in die Hände von Spekulanten, die sehr kapital⸗ kräftig sind, daß dadurch gerade das Gegenteil von dem erreicht wird, was man durch die Steuer hat erreichen wollen, nämlich die Grundstücke an den Markt zu bringen. Ich glaube auch, daß man nicht sagen kann, daß durch die Grundsteuer nach dem ge⸗ meinen Wert die Grundstücke nun alle ohne weiteres an den Markt gebracht werden. Kapitalkräftige Leute sind sehr wobl in der Lage, rotz der Steuer die Grundstücke in ihrer Hand zu bebalten und ab⸗ zuwarten, bis sie daran kommen: sie sind vor allen Dingen auch in der Lage, die Grundstücke derjenigen zu erwerben, denen die Grund⸗ steuer nach dem gemeinen Wert zu boch ist und die infolgedessen ver⸗ äußern müssen. Daß also eine zweischneidige Wirkung der Grund⸗ steuer nach dem gemeinen Werte eintreten kann, will ich nicht in hrede stellen. Auf der andern Seite aber liegt darin, daß Grundsteuer nach dem gemeinen Wert in ibrem Endeffekt . veranlagt werden kann, als die staatlichen Grund⸗ bäudesteuern, ein ganz wesentliches Korrektiv dageg infolgedessen glaube ich nicht, daß man die Grundsteuer nach d gemeinen Wert wieder abschaffen wird. Sie hat auch sehr wesentli Vorzüge. Die Vorzüge bei der Gebäudesteuer sind unverkennbar, denn es ist doch widersinnig, daß die Gebäude der kleinen Leute erheblich höher zur Gebäudesteuer herangezegen werden als große und nn man sowohl vom sozialpolitischen, als auch vom allgemeinen Standpunkte aus nicht verantworten; für die Ge⸗ bäudefteuer würde man also ven der Grundsteuer nach dem gemeinen Wert nicht abgehen können. der gewöhnlichen Grundsteuer
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Fürst zu Salm-Horstmar: Nach dem mir vorliegenden Ma⸗ terial ist die Einführung der Grundwertsteuer nach dem gemeinen Wert doch darauf zurückzuführen, daß die Steuer sehr ergiebig ist. Die Stadt Königsberg hat eine Vorsteuer eingeführt, die durchaus ungesetzlich ist. Meine Ausführungen gingen nicht sowohl gegen die Gebäude— steuer als gegen die Steuer auf den ,, Wohin soll es kommen, wenn die Mobilisierung des Grundbesitzes sich immer weiter ausbreitet? Dann ist der Zukunftsstaat fertig. Darüber, daß der Wert der Grundstücke leicht zu schätzen ist, wie der Ninister meinte, gehen die Meinungen doch sehr auselnander. Mit welchem Recht. will man dem Spekulanten, der doch einmal diesen Beruf hat, sein Eigen⸗ tum wegnehmen? Ich werde jede Gelegenheit benutzen, um gegen die Grundwertsteuer zu kämpfen. . ö
Herr Dr. Dehlers-⸗Düsseldorf: Ich muß gegen die Ausführungen des Fürsten Salm Stellung nehmen. Die Steuer nach dem gemeinen Werk ist eine gerechtere und objektivere Veranlagung, als nach dem Ertrage. Daß die Wertsteuer auf eine Enteignung hinausgeht, kann ich nicht zugeben. Jede neue Steuer wirkt schließlich auch wie eine Enteignung. Die Königsberger Vorsteuer ist zurückzuführen auf den Wegfall der Rayonbeschränkung, die es nahelegte, die Grundstücke höher heranzuziehen. Ich kann mich im übrigen den Ausführungen des Ministers anschließen.
Damit schließt die Generaldiskussion.
In der Spezialdiskussion äußert Herr von Buch zu § 2, der von den Rechtsmitteln handelt, schwere Bedenken über die schwere Belastung, die dem Kreisausschuß hierbei zugemutet wird. ö Zu 8 3, der von der Verteilung der Zuwachssteuer handelt, befürwortet ;
Fürst zu Salm-Horstmar einen Antrag, wonach die gezahlte Grundsteuer nach dem gemeinen Wert auf den den Gemeinden zu⸗ stehenden Teil der Reichswertzuwachssteuer angerechnet werden soll. Er will damit eine Doppelbesteuerung vermeiden.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Ich möchte Sie bitten, den Antrag des Fürsten zu Salm abzulehnen. Die beiden Steuerarten, welche Herr Fürst zu Salm miteinander vereinigen will, haben eigentlich mehr den Namen miteinander gemeinsam, als eine innere Verwandtschaft. Die Reichswertzuwachssteuer soll einen Teil des Erlöses des Grundstücks den Gemeinden und dem Reiche zuführen, während die Grundsteuer nach dem gemeinen Werte nur eine anders modifizierte Art der Grundbesteuerung im allgemeinen ist. Bis dahin hatten wir in Preußen schon die Grundbesteuerung, und nur in etwas anderer Form wird sie nach dem gemeinen Wert umgelegt. Nun würde es in keiner Weise billig sein, daß diese Grundsteuer nach dem gemeinen Wert auf die einmalige Steuer, welche fällig wird, wenn jemand sein Grundstück mit erheblichem Gewinn verkauft, angerechnet werden soll. Infolgedessen würde dies in den Rahmen des Gesctzes nicht hineinpassen. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag des Herrn Fürsten Salm ab⸗ zulehnen.
Der Antrag des Fürsten zu Salm wird abgelehnt und sz 3 unverändert angenommen.
Nach 8 4 soll von dem Anteil an der Zuwachssteuer, der nach den Vorschriften des Reichsgesetzes den Gemeinden und Gemeindeverbänden verbleibt, die kreisangehörige Gemeinde, sofern sie nicht mehr als 15 000 Einwohner hat, *, sofern sie mehr als 15 000 Einwohner hat, *, den Rest des Anteils der Kreis erhalten. Die Kreise haben den auf sie entfallenden Steueranteil für ihre eigenen Aufgaben und zum Teil, jedoch höchstens bis zur Hälfte, auch für diejenigen einzelner Ge⸗ meinden und Gutsbezirke zu verwenden. ;
Der Paragraph wird ohne Debatte unverändert an⸗ genommen, ebenso 55, der die Uebergangsbedingungen enthält, und der Rest des Gesetzes und das Gesetz im ganzen.
Die Kommunalkommission hat ferner beraten über den auf Antrag Albers (Zentr) im Abgeordnetenhause an⸗ genommenen Gesetzentwurf zur Abänderung des Ge⸗ setzes über die Einführung der Provinziglordnung von 1875 in der Provinz Westfalen, wonach hinfort für seden Kreis unter 60 000 Einwohnern 1 Abgeordneter, bei über 60 900 bis 120 000 Einwohnern 2, bei mehr als 120 960 Ein⸗ wohnern 3 und für jede weitere volle Zahl von 100 000 Ein⸗ wohnern 1 Abgeordneter mehr gewählt werden soll. ;
Die Kommission empfiehlt die Annahme des Gesetzentwurfs.
Herr Dr. Oehler-Düsseldorf beantragt die Zurückverweisung des Entwurfes an die Kommission. Für die vorgeschlagene Neuerung seien die Gründe der Antragsteller nicht bekannt ge⸗ geworden; auch die Regierung habe eine abwartende Stellung ein—⸗ genommen. Wegen der nicht übersehbaren Konsequenzen des Be— schlußses für andere Provinzen, wie die Rheinprovinz, Schlesien usw., und bei der Mangelhaftigkeit des Materigls sei es geboten, die Sache nicht zu übereilen und die Regelung auf später zu Lerschieben.
Referent Fürst zu Salm-Horstm ar verweist darauf, daß das Abgeordnetenhaus schon im vorigen Jahre denselben Antrag, und damals sehr einfach, verhandelt habe. Auch damals sei er ans Herren— haus gelangt, hier aber, da keine Kommissionsberatung statt⸗ gefunden habe, auf Antrag des Dr. Lentze, des jetzigen Finanz⸗ ministers, abgelehnt worden. Diesmal liege die Sache anders; es habe eine gründliche Kommissionsberatung stattgefunden.
Der Antrag Oehlers wird abgelehnt.
Der Referent geht nunmehr auf den materiellen Inhalt des Entwurfs, der einer Anregung des westfälischen Provinziallandtags entspringt, näher ein. Die Tendenz des Antrages sei die Erreichung einer gewissen Kontingentierung der Abgeordneten, um ihre Zahl nicht ins Ungemessene wachsen zu lassen, und der Notwendigkeit des kostspieligen Neubaues eines Ständehauses überhoben zu sein. Die hier und da ausgesprochene Besorgnis, daß der Antrag eine Ungerechtigkeit gegen die großen Städte sei, und das Uebergewicht des platten Landes, des agrarischen Teiles der Bevölkerung in per- petuum konservieren wolle, widerlege sich schon dadurch, daß der Provinziallandtag mit allen gegen 5 Stimmen den Antrag angenommen
ibe, worunter sich auch die Vertreter von Dortmund befanden. ings sei auch vom Oberbürgermeister von Gelsenkirchen eine
itien gegen den Antrag beim anderen Hause eingegangen, welche auch die Unterschriften von solchen trage, die im Provinziallandtage trag gestimmt hätten; es lasse sich aus diesem Um⸗
. In en Antrag —
aber kein ausreichender Grund gegen die Annahme des Ent⸗
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fs herleiten. Dem Herrenhause sei diese Petition nicht zugänglich
Der Gesetzentwurf wird angenommen. An dritter Stelle der Tagesordnung steht die Beratung
die Rheinprovinz auf Grund eines Berichts der mmunglkommission. Da die Vorlage noch nicht eingelaufen ällt die Beratung dieses Gegenstandes.
n der Wä
ge berechtigte Anstellung der Gestüttwärter Tagesordnung erledigt, nachdem ein Antrag sing auf Uebemeisung zur Berücksichtigung
,
Die Petition des Bürgermeisters zu Stolberg (Rheinland) um Abhaltung des Musterungs⸗ und Aushebungsgeschafts für die Stadt Stolberg und . in Stolberg wird der Staatsregierung zur
Erwägung überwiesen. ;
Ueber die Petition des Admirals z. D. von Knorr zu Berlin und der übrigen preußischen Mitglieder des Vertreterausschusses des anti⸗ ultramontanen Reichsverbandes um Aufhebung der diplomatischen Vertretung Preußens bei dem Päpstlichen Stuhl berichtet namens der Petitionskommission Herr von Putttam er. Die Petenten haben aus= gefübrt, daß nach Aufhebung des Kirchenstaates der Papst nur nech als Vertreter der katholiichen Christenheit in Betracht komme. Zahl⸗ reiche Staaten hätten überhaupt keine diplomatische Vertretung bei der päpstlichen Kurie, und dies habe zu Unzuträglichkeiten nicht geführt. Eine solche Vertreiung legitimiere einen unberechtigten politischen Einfluß des . Es sen auch eine Anomalie, daß e in Preußen keine päpstliche Nuntiatur gebe. In der Kommission ist auf die Ver handlungen des Abgeordnetenhauses vom März zurückgegriffen und auf die Haltung des Neichskanzlers zu dieser Frage hingewiesen worden. Das Abgeordnetenhaus hat sich den Argumenten des Reichskanzlers angeschlossen und die Kosten für die preußischen Gesandten bei der Kurie bewilligt; dasselbe hat das Herrenhaus getan. In der Kom— mission des Jerrenhauses wurde von einer Seite beantragt, die Petition der laat beg rung als Material zur weiteren Prüfung zu überweisen, während die Mehrheit Uebergang zur Tagegordnung empfohlen hat. Ich empfehle Ihnen diesen Beschluß zur. Annahme. Eine Debatte erhebt sich nicht; der Antrag der Kommission wird
zum Beschluß erhoben. . . Ueber die Petition der Handelskammer zu Altong um Berück—
sichtigung ihrer Vorschläge zur Verwaltungsreform wird mit Rück— sicht darauf, daß die Angelegenheit noch nicht spruchreif ist, zur Tages= ordnung übergegangen. Die Petition der Frau Justizrat Bennewitz zu Halle und Touise Wenzel zu Cöln, namens des Rechtsschutz verbandes für Frauen“ um gesetzliche Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Dienstboten, und die Fel n des Bromberger Bürgervereins um kostenlose Ueberlassung der Bromberger Schleusenpromenade an die Stadt zur Pflege und Unterhaltung werden der Staats⸗ regierung als Material überwiesen; die Petition des Bürgervereins Rirdorf-⸗Nord um Beseitigung der Wahlrechtsbeeinträchtigung, die den Beamten usw. gus ihrem Kommunalsteuerprivileg entsteht, wird duich ebergang zur Tagesordnung erledigt und die Petition des Magistrats und des Stadtverordnetenvorstehers zu Rybnik um Ausbau des König— lichen Progymnasiums daselbst zum Vollgymnasium mit Rücksicht darauf, daß nach Mitteilung der Staatsregierung die Angelegenheit im Sinne der Petenten ihre Erledigung finden wird, für erledigt erklärt. !
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. leinere Vorlagen und Petitionen.)
Haus der Abgeordneten. 96. Sitzung vom N. Juni 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Nach Erledigung der Interpellation der Abgg. Bitta und Genossen, betreffend Verhütung der Ueberschwem mungen am Oppaflusse, und des schleunigen Antrags, der Abgg. Engelsmann, D. Hackenberg und Genossen, betreffend Gewährung staatlicher Unterstützung an die durch Hagelwetter im Weinbaugebiete der Nahe geschädigten Bewohner, setzt das Haus die Be ratung des vom Herrenhause in abgeänderter Fassung zurück—⸗ gelangten Entwurfs eines Zweckverbandsgesetzes für Groß⸗Berlin fort. . ö.
Ueber den Anfang der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Zu S referiert der Berichterstatter
Urg. Dr. von Kries (kons.) ausführlich über die dazu vom Herrenhause beschlossenen Aenderungen. Speziell verbreitet er sich über die Tragweite des Herrenhausbeschlusses, wodurch in der Be— stimmung, daß der Verband berechtigt ist, den Kreisen und Gemeinden gehörende Bahnen gegen „angemessene“ Entschädigung zu erwerben, das Wort „angemessene“ gestrichen ist.
Nach einer kurzen Bemerkung des Abgeordneten Cassel sfortschr. Volksp.), der dieser Abänderung eine besondere Be⸗ deutung nicht beimessen kann, wird 8 4 nach dem Beschlusse des Herrenhauses angenommen, ebenso nach, unerheblicher weiterer Debatte der Rest des Gesetzes und schließlich das Gesetz im ganzen gegen die Stimmen der Polen, Sozialdemokraten und der Fortschrittlichen Volkspartei. Die Resolution Aronsohn auf baldmöglichste Vorlegung eines allgemeinen Wohnungs gesetzes wird abgelehnt, die Resolution von Brandenstein auf baldtunlichste Vorlegung eines Gesetzes wegen Verbesserung der Wohnungsverhältnisse in den Großstädten und Industriezentren angenommen.
Es folgt die Beratung des vom Herrenhause in ab— geänderter Fassung zurückgelangten Entwurfs eines all— gemeinen Zweckverbandsgesetzes.
Die Kommission beantragt die unveränderte Annahme nach den Beschlüssen des Herrenhauses.
Nach § 2 ist, wenn die Beteiligten mit der Bildung eines Zweckverbandes nicht einverstanden sind, dessen Bildung nur zur Erfüllung von solchen kommunalen Aufgaben, die allen Beteiligten gesetzlich obliegen und nur dann zulässig, wenn die Bildung des Zweckverbandes im öffentlichen Interesse not⸗ wendig ist. Auf Antrag von mindestens einem Drittel der Be teiligten oder auf Antrag der Kommunalaufsichtsbehörde kann der Oberpräsident die Beschlußfassung des Kreisausschusses über die Ergänzung der mangelnden Zustimmung herbeiführen. Gegen den Beschluß ist die Beschwerde an den Bezirks⸗ ausschuß und Provinzialrat sowie die Klage beim Ober⸗ verwaltungsgericht zulässig; die Klage kann jedoch nur darauf gestützt werden, daß die betreffenden Kommunal⸗ aufgaben den Beteiligten nicht gesetzlich obliegen. Das Herren= haus hat die Bestimmung hinzugefügt, daß die Bildung des Zweckverbandes unterbleibt, wenn ein Beteiligter die kommunalen Aufgaben selbst übernimmt und den übrigen Beteiligten die Mitbenutzung einer kommunalen Anstalt gegen Entschädigung einräumt. ö
Die Abgg. Cassel (fortschr. Volksp. und Genossen beantragen, den 8 2 ganz zu streichen und für den Fall der Ablehnung dieses Antrags statt „einem Drittel“ zu sagen: „der Mehrheit“ sowie die Worte „oder auf Antrag der Kammunal⸗ aufsichtsbehörde“ zu streichen; ferner an Stelle des Zusaßtes des Herrenhauset eine Bestimmung einzufügen, daß, wenn einer der Beteiligten ein Kreis ist, die Bildung des Zweckver= bandes hurch Gesetz zu erfolgen hat. 26
sz 7 trlfft Bestimmungen über die Regelung der Verhält⸗ nisse zwischen den Beteiligten bei der Bildung des Zwec⸗ verbandes. Einzelne Beteiligte können zu Vorausleistungen verpflichtet werben, wenn die übrigen schon vorher für gewin— Verbanbszwecke Vorsorge getroffen oder einen geringe Vorteil von der Verbindung haben.
.
Die Abg. Cassel u. , . . e e. u Gen. beantragen, statt „können“
u 5,42 (Verteilung der Abgeordneten auf die einzelne . beantragen dieselben . ö . stimmung weckverbüänden mit mehr als drei Verbands—
in gliedern * soll die Abgeordnetenzahl eines Verbandsgliebs der
* 2 * . ch er der Hälfte der Gesamtzahl zurückbleiben“ e n oder eventuell statt „der Hälfte“ zu sagen: „zwei Ir 8 B, wonach der Verbandsausschuß über die Oeffent— lichkei seinẽr Verhandlungen beschli e fn, . eschließt, beantra ,, die Fassung ö. J . Die Sitzungen des Verbandsgusschusses sind öffentlich. Fů einzelne Gegenstande kann durch . , if . fassenden Beschluß die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden.“ ; 3 Abgg. Bitta (Zentr.) u. Gen. beantragen zu 5 13 38 er Bestimmung, daß in der Rheinprovinz und Westfalen als Abgeordneter der Gemeinde an Stelle des Gemeindevorstehers durch den Kreisausschuß der Bürgermeister (Amtmann) zum k bestellt werden kann, die g, daß dies nur auf Antrag des Gemei
, . g Gemeindevorstehers erichterstatter Abg. Ecker-Winsen (nl) referiert über die n , en. die das Herrenhaus beschloffen hat, und empfiehlt deren Abg. Dr. Flessch (fortschr. Volksp.): Nach der Vorlage soll alles der Kreisausschuß machen. Wir Hiden g. diese . i. stimmen und befinden uns dabei in der guten Gesellschaft der sämt— lichen Vertreter der Städte im Herrenhaus. Dort ist das esetz als eine schwere Beeinträchtigung der Selbstverwaltung und der Ent— ng der Städte gekennzeichnet worden. Man kann mit Recht sagen, daß dies, nicht ein Gesetz für die Städte londern gegen die Stätte ist. Man muß fragen, wozi denn überhaupt dieses Gesetz gemacht wird. Die Regierung i t ich die Begründung leicht, indem sie einfach auf das eng? ich Vorbild hinweist. Das Haus hat allerdings einmal durch Veschluß die Regierung ersucht, die Zulassung von Zweck— verbänden nach der Landgemeindeordnung für die östlichen Provbinzen auf die ganze Monarchie auszudehnen Aber das ist elwas ganz anderes, denn da handelt es sich um die Zulassung von Verbänden nach diesem Gesetz aber kann ein Zwang ausgeübt werden. Vor allem wünschen wir, daß die Möglichkeit der Zwangsbildung in 52 6 gn wird, und daß, wenn ein Kreis beteiligt ist, die Verbands . ,,. erfolgen kann. Im ganzen müssen wir aber
Abg. Dr. Iderhoff (freikons. ): Wir wünschen, daß das Ges in dieser Session zustande tommt. de e f sind 1. 46 6 an, einen der vorliegenden freisinnigen Anträge anzunehmen. Nachdem der Minister in der Kommission erklärt hat, daß er die Landräte dahin verständigen werde, daß nur dann in der Rhein⸗ PNovini und Westfalen als Abgeordneter der Gemeinde an Stelle des Bemgin zevorstehers der Bürgermeister bezw. Amtinann zum Mitgliede des Verbandgausschusses besiellt werden soll, wenn der Gemeinde— vorsteher zustimmt, werden wir auch den Antrag Bitta ablehnen, um
nicht die Vorlage irgendwie zu gefährden. J
Abg. Dr. Ecke r⸗Winsen (nl): Der Entwurf enthält viele Ver— e r gen gegenüber der ursprünglichen Regierungsborlage. Eine Verbesserung ist auch die von den Gegnern eines Zwangszweck⸗ berbandes im Derrenhause eingebrachte Aenderung, daß die Jwangs⸗ . eines Zweckverbandes unterbleibt, sofern und solange ein Beteiligter bereit und im stande ist, die gemeinsame Aufgabe dadurch zu erfüllen, daß er den übrigen Beteiligten die Mitbenutzung liner kommunalen Anstalt gestattet. Eine Reihe weiterer Beschlüsse fordert aber einen großen Teil meiner Freunde zum Widerspruch gegen die Fassung des Herrenhauses heraus. Wir wollen aber daran die Vorlage nicht scheltern jassen und werden dem Gesetzentwurf in der Fassung des Herrenhauses zustimmen. e h farb, von Bran denstein (kons. : Die Aenderungen des Herren⸗ auses entsprechen zwar nicht unseren Ansichten und Wünschen, sind aber nicht erheblich genug, um eine Zurückverweisung an das andere Haus gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Wir werden darum dem Entwurf in der jetzigen Fassung zustimmen.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Unsere Stellungnahme gegen das
esez war von vornherein, klar. Wir lehnen einen jeden Zwangs⸗ zweckrerband ab, also auch die Fassung des Herrenhanses.
. bg Fink (nl.): Namens eines Teiles meiner Freunde muß ich zum Ausdruck bringen, daß wir nicht in der Lage sind, für den Gesetz—⸗ entwurf zu stimmen. Wir verkennen nicht, daß im einzelnen Falle ein Zweckverband gut und nützlich sein kann, müssen uns aber gegen den Zwang aussprechen, der in, diesem Gesetzentwurf enthalten ist, und glauben, daß solche Dinge besser der freien Entschließung und privgtrechtlichen Abmachungen überlassen werden. Ein Vedürfnis für ein solches Gesetz ist bis jetzt nicht hervorgetreten. Die Begründung des i gend fr. durch die Regierung enthält auch nur höchst mangelhaftes Material. Soweit schon jetzt die Möglichkeit zu einem solchen zwange, wie ihn das Gesetz vorsieht, gegeben ist, ist davon wenig Gebrauch gemacht worden. Die Sache ist nur ein Schlag gegen die Selbstberwaltung und das Selbstbestimmungstecht, und wir können den Weg, den das Gesetz beschreiten will, nicht gutheißen.
Damit schließt die allgemeine Besprechung.
In der Einzelberatung wird 5 1 ohne Debatte an⸗ genommen. .
In S 2 befürworten die Abgg. Cassel und Fl 6. J D . 5 . 4 6 1 esch sfortschr. Volksp.) noch einmal die fortschrittlichen Anträge. „S T2 wird unter Ablehnung der Anträge Cassel unver— ändert angenommen.
Zu 5 13 tritt der 1 Abg. Ser old Zentr.) für den Antrag Bitta ein. Die Gemeinde— vorsteher in Nheinland und Westfalen müßten den Gemeindevorstehern in den 6ltlichen Provinzen gleichgestellt werden. Die Erklärung der Regierung könne nicht genügen. Es müsse im Gesetz zum Aus— druck kommen, daß nur auf Antrag des Gemeindevorstehers die Ver— tretung durch den Bürgermeister oder Amtmann geschehen könne.
Minister des Innern von Dallwitz:
; Ich bin gern bereit, die Bedenken, die der Herr Vorredner soeben geäußert hat, zu zerstreuen. Es liegt tatsächlich in der Tendenz des Gesetes, daß nur ausnahmesweise die Gemeindevorsteher durch die Bürgermeister in diesen Funktionen ersetzt werden sollen. Ich kann deshalb erklären, daß ich bereit bin, in der Ausführungsanweisung die Landräte noch aucdrücklich anzuweisen, dem Kreisausschuß die Bestellung der Landbürgermeisser an Stelle der Gemeindevorsteher nur ausnahme weise und nur nach Anhörung der Gemeindevorsteher und nur dann dorzuschlagen, wenn besonders gewichtige Gründe hierzu Anlaß geben. dierbei wird zugleich auf die Verpflichtung hingewiesen werden, gegebenenfalls bei gegenteiligen, nicht sachlichen Beschlüssen der Kreis ausschüsse die Offizialbeschwerde gemäß S 123 des allgemeinen Landet⸗ derwaltungsgesetzes einzulegen. Eine derartige Anweisung ist umsomehr angebracht, als es sich hier um Funktionen handelt, die die Kreis— ausschüsse nicht als Organe der Selbstpeiwaltung, sondern als ein mit— wirkendes Organ bei der staatlichen Aufsicht ausüben.
Abg. Ca ssel (fertschr. Vollep.) erklärt sich für den Antrag Bilta. m6 im Falle der, Annahme das Gefsetz an das Hertenhaus' zurück wren müsse, sei kein Grund, inn auf die Annahme des Antrages zu
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die Regierung hat schon oft Er⸗ klärungen abgegeben, aber sie hat selbst felerliche Grklärungen nicht gehalten., Es wird hier immer Komödie gefpielt.
Präsident von Kröcher ruft den Rebner wegen dieses Vorwurfs gegen den Minister zur Ordnung.
Abg. Herold (Jentr) zieht nach der Erklärung des Ministers seinen Antrag zurück. ;
Abg. Casfel (fortschr. Volke): Die Erklärungen des Ministers haben nicht dieselbe Bedeutung wie eine gesetzliche Aktion. Es wäre deshalb besser gewesen, wenn der Vorredner den Antrag aufrecht erhalten hätte.
„Abg. Winckler (kons. ; Wenn der Minister, der mit der Aus— führung des Gesetzes beauftragt wird, Ausführungsanweisungen er— läßt, so wird darin ein . derjenigen Erwägungen zu sehen kein, die für die Fassung des betreffenden Gesetzes maßgebend waren.
Nach der jetzt abgegebenen Erklärung des Ministers ist also der Antrag vollkommen unnötig.
Die Abgg. Liebknecht (Soz. und Fle sch (fortschr. Volksp.) nehmen den Antrag Bitta wieder auf. . —
In der Abstimmung stimmen für den Antrag Bitta nur die Volkspartei, Polen und Sozialdemokraten. Der Antrag wird abgelehnt. Der 5 13 wird unverändert angenommen.
Ebenso werden die übrigen Teile des Gesetzes unter Ab— lehnung der Anträge der Volkspartei unverändert angenommen. In der Gesamtabstimmung wird das Gesetz gegen die Stimmen der Volkspartei, der Polen, der Sozialdemokraten und eines Teiles der Nationalliberalen angenommen.
Es folgt die Beratung des bereits am 10. Januar ein— gebrachten Antrages der Abgg. Aronsohn u. Gen.;
„die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, noch in dieser Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen 1) unter Ahänderung der Artikel 70, 71, 73 und 115 der Preußischen Ver— fassungsurkunde für die Wahlen zum Abgeordnetenbause das all— gemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit geheimer Stimmahgabe zur Einführung gelangt, 27 zu⸗ gleich auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung vom J. Dezember 1905 und eutsprechend den Grundsätzen vom 2. Jun 1866 eine anderweitige Feststellumg der Wahlbezirke für die Wahlen zum Abgeordnetenhause herbeigeführt und die Gesamtzahl der Abgeordneten neu bestimmt wird.“
Zur Begründung des Antrages erhält, während der Minister von Dallwitz und die übrigen Mitglieder der Staatsregierung den Saal verlassen, das Wort der e ö Abg. Traeg er (fortschr. Volksp.): Es ist erfreulich, daß man den Antrag noch auf die Tagesordnung gesetzt hat, weil seine Besprechung für das ganze Haus ein Bedürfnis ist. Ich kann aber das Bedauern nicht unterdrücken, daß wir den Ministerpräsidenten nicht an cinem Platze sehen und auch sonst keinen Regierungsvertreter. Nachdem der Wahlrechtsreformfeldzug durch den Rückzug der Re— gierung beendet war, blies die Regierung mitten in der Schamade mit einem Male Fanfare. Man glaubte, an vielen Aeußerungen erkennen zu müssen, daß sie ihr Ziel nicht aufgegeben hätte, sondern bei nächster Gelegenheit mit aller Beschleunigung eine Vorlage wieder einbringen würde. Diese Meinung war weit verbreitet. Man erklaͤrte, die Frage des Wahlrechts würde nierzur Ruhe kommen — auch der Abg. von Zedlitz sprach sich in diesem Sinne aus — und man war der Ansicht, ohne geheimes und direktes Wahlrecht würde der Ministerpräͤsident nicht mit einer neuen Vorlage konsmen dürfen. Die Regierung hätte den Versuch unternehmen müssen; es ist ja in letzter Zeit so iel versucht worden; auch gegenüber den Wählern wäre dies ihre Pflicht gewesen. Millionen von Wählern sind durch ihr Verhalten in die äußerste Erregung versetzt. Bei der Agitation für die bevorstehenden Reichstagswahlen wird die Frage des preußischen Wahlrechts eine verhängnisvolle Rolle spielen. Die Reformhedürfiigkeit ist seit langen Jahren anerkannt worden. Schon lange ist beraten, gesammelt und alles mögliche zur Vorbereitung unternommen worden. Mit der Nevelle von 1906 beginnt dann die glorreiche Aera unserer Wahl rechtsreform. Die Uebertragung des Reichswahlrechts auf Preußen wurde immer dringender gefordert, und durch die Vergeblichkeit des Bunsches wurde ein großer Unwille und Erbitterung hervorgerufen. Am 3. Januar 1908 wurde darüber im Reichstage verhandelt, und als m 29. Aktober der Landtag neu eröffnet wurde, bezeichnete die Thron? rede die Wahlreform als eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart. Die Negierung aber behandelte die Sache obenhin, und es wurde sogar be⸗ stritten, daß in der Thronrede eine bindende Zusicherung gegeben sei. Endlich wurde im Frühjahr 196) ein Gesetz vorgelegt. Es behielt die indirette Wahl bei, für die sich eigentlich niemand, solange ir hie Frage im Hause behandelt haben, erklart hat. Die geheime Wahl war ein Entgegenkommen gegen unsere Wünsche, aber für die Wahl, der Abgeordneten durch die Wahlmänner behielt man das öffentliche Verfahren bei, und wenn ich einmal einen heiteren Augenblick haben will, so brauche ich nur an die preußischen „Kultur— lraiger zu denken. Im Herrenhause wurde eine wesentliche Bestimmung der Regierungsvorlage, durch die die plutokratische Wirkung des Wahlrechts etwas abgeschwicht war, wieder geändert. durch die Drittelung in dem ganzen Wahlkreis: da erklärte die Regierung die ganze Vorlage für unannehmbar Damal nghm man dieses Wort noch etwas tragischer. Wenn der Ministerpräsident heute etwas für unannehmbar erklärt 3, ist er eines Heiterkeitserfolges sicher. Schließlich erklärte der Ninisterpräsident, daß die Regierung ihre Vorlage zurückziehe. Deshalb haben wir den Antrag wieder einbringen müssen. Aller— dings wird es kaum no möglich sein, in dieser Session eine neue Wahlrechtsvorlage zu machen; aber diese Legislatur periode darf, nicht zu Ende gehen, ohne daß nochmals der Versuch gemacht wird, das preußische. Wahlrecht in angemessener Weise zu reformieren, Deshalb muß die Vorlage in der nächsten Session wieder eingebracht werden. Wir verlangen das allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht mit geheimer Stimmabgabe. Der Minister präsident sagte einmal, das allgemeine gleiche Wahlrecht sei uns As ein Erbteil der deutschen Einheitsbestrebungen überkemmen— Das Reichswahlrecht hat es zuwege gebracht, daß eine ganze Reihe von Bundesstaaten das Reichswahlrecht auch bei sich eingeführt haben. Eine große Einheit muß auf demselben Fundament aufgebaut sein und das Fundament der Verfassung ist das Wahlrecht; es kann nur zu Unzuträglichkeiten führen, wenn das Wahlrecht in den verschiedenen Bundesstaaten verschieden ist. Gerade Preußen hat Verpflichtungen gegenüber dem Reich zu erfüllen. Preußen und Deutschland fallen zusammen, und wenn sie verschiedene Wahlrechte haben, muß die Verschiedenheit unter allen Umständen beseitigt werden. Der Minssterpräsident hat gesagt, daß die politische Kultur und Tie politische Erziehung duich das demokratische Wahlrecht geschädigt
werden, und daß die parlamentarischen Sitten bei diesem Wahlrecht
berflachen und verrghen. Trotzdem hat er den Elsaß Lotbringern das damekratische Wahlrecht gegeben. Er sagte ferner einmal, die Glsaß⸗ Lothringer müßten erzogen werden welches Erziehungsmittel wählte er Er wählte u Reichstagswabltecht, alfo das Wahlrecht, das
und die Sitten verroht und verflacht! Dr. Bethmann
sind alle vor dem Gesetze gleich. Aber zum Beispiel die Stellung unserer Gutsporsteher und dergleichen ist ein Mißbrauch der Gleich⸗ heit. Der Geist aber, der in Preußen herrscht, und die Regierung, die in Preußen ist, übt ihre Wirkung auf ganz Deutschland aus. Wir machen im Reiche eine Menge Gesetze, deren Ausführung den Einzelstaaten überlassen bleibt, und in Preußen werden sie manchmal ausgeführt, daß das Gegenteil herauskommt. Wiederholt hat der Reichskanzler beisichert, daß das Vereinsgesetz loval gehandhabt werden soll; ich zweifle nicht an dem guten Willen des Reichs— kanzlers, aber er ist nicht so stark wie die Nebenregierung. Wir halten daran fest, daß das Wahlrecht geändert werden muß, ent— sprechend dem Wahlrecht in den anderen Bundesstagten. Sonst wird die alte Mainlinie wieder hergestellt. Aber auch die Wahlkreis— einteilung muß neu vorgenommen werden. Jetzt wird die eine Hälste der Bevölkerung durch I03, die andere därch 140. Abgeordnete ver— treten. Preußen muß die Vormacht in Deutschland bleiben. Das wollen wir mit einer Reform des Wahlgesetzes erreichen. Mit dem Rufe der Stärkung Preußens als Vormacht in Deutschland gehen wir in den Wahlkampf. zj Abg. Ho füm ann (Soz); Es ist bezeichnend, daß diese wichtige Angelegenheit é gewissermaßen mit der Reisetasche in der Hand erledigt wird. Man sagt uns, wir hätten dann nicht so lange Reden halten sollen. Wenn Sie das meinen, so wenden Sie sich doch an Ihren Kollegen Diederich Hahn, daß er nicht wie ein Komet hier erscheint, eine lange Rede hält und dann wieder verschwindet, oder an den Freiherrn von Gamp, der hierher kommt, wenn er seinem Landrat drohen will. Wir haben hier so das Gefühl, als ob uns die Regierung bald nach Hause schicken wird. Sie selber ist ja schon nach Hause gegangen. Im Reichstage hat der Reichskanzler er— tlärt, daß es in Elsaß⸗Lothringen keine Staatsbürger zweiter Klasse mehr geben solle. Aber bei uns in Preußen gibt es sogar noch weiter Staatebirger dritter Klasse. Aber Preußen nimmt sich als Vorbild Mecklenburg, wo die Junker so finn= reich sich um das Wappen des DOchsenkopfes sammeln: es bleibt hinter der Türkei, ja selbst hinter Rußland zurück. Oesterreich hat das allgemeine Wahlrecht und hat bei den letzten Wahlen die klerikale befeitigt. Volkes, n Das Volk ist in den Augen der herrschenden Klassen nur zur schamlosesten Ausbeutung da; man gibt ihm eine stiefmütterliche Schulbildung. Die herrschenden Klassen sollten sich schämen, Unwissenheit und Knechtschaft zu erhalten. Aber es wird dahin kommen, daß die Empörung des frivol beleidigten Volkes. sich Luft machen wird. 90 0 des Volkes sind durch . niedertrachtigen Fewaltstreich entrechtet worden, der dem Yürgertum die erkämpften Verfassungsrechte wieder genommen hat. Bis heute ist dieses Verbrechen noch nicht gesühnk. Selbst der jetzige Inhaber der preußischen Königakrone, Wilhelm II. [Präsident von Kröcher: Sie dürfen den Namen Seiner Majestät und ihn selbst nicht in die Debatte ziehen), erklärte vor drei Jahren am 20. Oktober in der Thronrede, daß die Wahlreform dis wichtigste Frage der Gegenwart ist. Aber der ungekrönte König ist mächtiger, er befiehlt, und das Königswort darf nicht eingelöft werden. Mit diesen Junkern Arm in Armin wandert das zentrum. So macht das Zentrum Politik. Sie ist aber auch danach. Es fucht das Volk am Narrenseile zu führen, es macht, aber nach oben hinauf seine Einflüsse geltend. Es war einst die Zeit, wo ein deutscher Kaiser nach Rom pilgern mußte. Heute macht es das Zentrum um— gekehrt, heute muß Vater und Sohn von Rom wegbleiben, wenn es das Zentrum so will. Das Vorgehen des Zentrums bei der Wahl— vorlage muß auch dem Blindesten die Augen geöffnet haben. Es stimmte gegen das direkte Wahlrecht und gegen das geheime Wahl— verfahren der Abgeordnetenwahl, um nur ein Beispiel zu nennen. Präsident von Kröcher: Ich erfahre erst jetzt, daß Sie von de zunglaublichsten und unwürdigsten Komödie“ mit Beziehung auf Mitglieder des Zentrums gesprochen haben, d se Sie des wegen zur Ordnung.) Man sieht, was sicherungen des Zentrums nach Richtung geheimen Wahlrechts zu halten ist. daß sie es nicht wollen. Dagegen man aber so tut, als wollte man hintenherum hintertreibt man nech die Leute einfangen, die kann man von dem Zentrum sie säen nicht, und ernten doch. Aber es wird nicht immer Ihnen bei den kommenden Wablen j Ihnen einen Denkzettel gehen. Die Abwesenheit losigkeit, wie sie sich kein würde. Kein Wunder, daß da g en iur an den Abg. von Older
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Diesen Gedanken hat auch der Abg. von der Erbschaftssteuer ausgesprochen wahlrecht abschaffen selbst au
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Erzieher! Dr. von Bethmann hat sich eines besseren belehrt
er aber jetzt noch die Argumente gegen daz geheime und direkte recht 1 würde, so würde er das Hohngelächter de hervorrusen. Der Meinisterpräsident hat gesagt, es sei beife sn prüfen ob ein Volk. für dieses oder jenes Wahlrecht reif fei. Wenn Preußen nicht reif ist, wer ist denn sonst reif? Auch für das prenßische Volk gilt doch seit 40 Jahren im Reiche das Neichswaßltes und niemand fann sagen, daß sich eine politische Ünrese dem Gebrauch gezeigt habe. Man will das Peenßiche Wahlrech ,, Wa i den soll, ist gar nicht das alte preußisch Wahlrecht, ist gar nicht der preußische Geist. Der rent Geist ist in Stein und Hardenberg hervorgetreten, und für diese wan
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Verzi Coyrs, (e, FrR.*. 32 wwyz es 6a ö 5 zichten. Die Eikläͤrung des Ministers sei nicht genügend.
uicht irgendwelches Vorrecht maßgebend. Nach preußischem Recht
1 Mn . werden da die Gefangnifse leer ) Feen —ͤ ar K Maria Theresia und Karharina II., von vrt 1” a 19 23 ̃ 2 4 gelehrten nur nicht einig sind, wer die Baͤter