1911 / 251 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Oct 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Brotpreise und Futtermittel bat, müssen wir in Deutschland die un⸗ gebeueren Summen für die Einfuhrscheine zahlen; 1894 waren es erst 68 Millionen, 1900 aber 2232, 1905 347, 1910 123 Millionen Mark, die das deutsche Volk für die Einfuhrscheine zablte. Das ist die Folge der geradezu volkeverwüstenden Politik. Für eine Reihe von Lebensmitteln hat die Regierung allerdings, um wenigstens zu tun, als ob etwas geschähe, Frachtermäßigungen von 50 0/9 sowie Begünsti—⸗ gungen für gemeinnützige Institute, die ohne Verdienst Lebens⸗ mittel beziehen wollen, zugeffanden, aber auch dabei geht man so kleinlich vor, daß man die Konsumgenossenschaften ausschließt. Bemerkenswert ist die Begründung in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“: „Wenn auch die Frachtermäßigung für Seefische zunächst einer Unterstützung der deutschen Hochseefischerei dient, so wird sie auch zur Milderung der Leben mittelpreise beitragen. Die Ver⸗ günstigungen für die landwirtschaftlichen Brennereien sind auch in erster Linie zum Besten der Schnapsbrenner und nicht zur Ver⸗ billiaung der Lebensmittel bestimmt. Wie von agrarischer Seite gearbeitet wird, zeigte vor einigen Jahren das Benehmen eines der ersten Agrarheiligen, des Ministers von Podbielski; er sagte damals hier im Reickstag, in vier Wochen sei die ganze Fleischnot vorüber. Als er dafür im Preußischen Landtag zur Rede gestellt wurde, sagte er: „Was ich im Reichstag gesagt habe, habe ich natürlich felber nicht geglaubt.“ Die Regierung hat den Gemeinden geraten, was sie machen sullen. Hannemann, geh du voran, du hast Fie Wasserstiebeln an. Wenn Sie meinen, daß die Gemeinden die Pflicht baben, einzugreifen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, daß wir andere Gemeindevertretungen bekommen, damit sich nicht ein profitwütiges Hausagrariertum darin breit macht. Der Vertrieb von Tebensmitfeln durch die Gemeinden bedeutet nur die Ausschaltung des Mittelftandes, für den Sie (rechts) doch immer etwas tun wollen. Diese Leute leiden jetzt selbst mit unter der Not, und nun wollen Sie diesem Mittelstand weiter helfen, indem Sie ihn ausschalten! Wegen der Verteuerung durch den Zwischenhandel haben die Arbeiter und“ Beamten die Konsumgenossenschaften gegründet, die Sie uns als schweres Verbrechen anrechnen. Um nicht zuzugestehen, daß durch die Zollpolitik dem deutschen Volk das Fell über die Ohren getogen ift, gibt man jetzt die Schuld dem Zwischenhandel. Die Reichsregierung hütet sich, selber etwas zu tun, sie hat keine Gourage und fagt nur den Gemeinden: Macht ihr's. Damit erfüllt sie nicht ihre Pflicht. Die einzelnen Regierungen Dürfen nichts tun, weil der Bund der Landwirte es nicht duldet. Manche Leute, die 1902 den Zolltarif mitgemacht haben, haben inzwischen dazugelernt, oder es schlägt ibnen' das Gewissen; dazu gehören aber manche nationallibrale Blätter nicht. Die „Magdeburgische Zeitung“ kommt den Arbeitern mit der Mahnung, sie sollten sich nach der Decke strecken und weniger für Vergnügen ausgeben; die schlimme Zeit würde besser überwunden werden, wenn für Ausflüge, Kien⸗ Föppe und Tanzböden 2c. weniger ausgegeben würde. Mehr kann man die Arbeiter nicht verböbnen. Das wird den Nationalliberalen noch sehr bös aufstoßen. Die Abgg. Pichler und Dr. Heim vom Zentrum sind nicht die besten Freunde; Dr. Heim kennt als „Bauerndoktor“ die bäuerlichen Verhältnisse sehr gut, aber weil er etwas davon ver— steht, muß er hier den Mund halten. Die Rede des Abg. Spahn war nichts anderes, als eine Abschüttelung des Dr. Heim, und Ter Abg. Pichler will all die Einrichtungen aufrechterbalten, deren Be⸗ seitigung die christlichen Arbeiter wünschen. Ich habe die heutige Rede des Abg. Spahn nicht ganz verstehen können, obwohl ich hier ganz nahe saß, aber sie bedeutete doch eine glatte Abfage! an die Forderungen der christlichen Metallarbeiter. Der Abg. Spahn sprach heute im Namen seiner Freunde. Aber teilt man denn felne Freunde in fünf oder sechs Gruppen ein? Dr. Spahn hat in Eßlingen die Hauptforderungen der christlichen Arbeiter einfach glatt abgeschüttelt. Er schloß seine Rede mit der biblischen Mahnung, daß die Völker ibrem Könige untertan sein sollen. Was sst das für eine Abschürtlung der Arbeiter, die nach billigem Fleisch und Brot rufen! Der Abge Spahn wird auch wissen, daß himmlische Instrumente unter Umständen sehr falsch gestimmt sein können. Das, was Dr. Spahn und Pichler gesagt haben, kommt auf die Worte des Bischofs Saehndl ja zurück: Wer ein Knecht ist, soll ein Knecht bleiben. Das war die Stimmung der „Kreuzzeitung“, die geschrieben hat, je freier von Sorge die Arbeiter find, je mehr freie Zeit sie haben, desto weniger wird die Allgemeinheit einen Nutzen von ihnen haben. Also je mehr die Masse geschunden und geknechtet wird, und um so schlechter es dem Mittelstande und den Geschäftsleuten geht, um so besser geht es aber den vreußischen Junkern. Es kann nicht be⸗ stritten werden, daß das Volk eine schwere Not leidet. Die Einfuhr an Lebensmitteln übersteigt die Ausfuhr um rund 1327 Millionen Mark, sodaß wir zur Einfubr von Nahrungsmitteln aus dem Auslande „angewiesen sind. Wir müssen die Einfuhr haben, wenn wir nicht Hunger leiden sollen. Daß wir diese Einfuhr verteuern, ist ein un— geheurer Zustand. Ich möchte den Reichskanzler fragen, ob er bereit ist, im Sinne unserer Forderungen zu wirken. Herr Reichskanzler, Sie werden ja sagen müssen, wenn Sie dem Volke einschließlich der Landwirtschaft und Viehzucht treibenden Volksteile helfen wollen; Sie können nur dann nein sagen, wenn Ihnen das Wohlwollen einer kleinen, leider aber politisch noch mächtigen Kaste, die unser Volk schröpft und knechtet, über das Volkswohl geht. . Abg. ODeser (fortschr. Volksp. : Wir danken den Herren, die ie Möglichkeit zu dieser Nachsession gegeben haben. Man lte im Frübsahr nicht wählen, weil man hoffte, daß die Auf— ung im deutschen Volke sich legen würde; der vergangene mer hat aber eine Abglättung der erregten b verhindert, 1 vir haben mehr als je Veranlassung, uns damit zu befassen, ob die Polltik im Deutschen Reiche gut oder schlecht ist; gerade außer⸗ zewöbnliche Verhältnisse sind der richtige Prüfstein für eine Gesetzgebung, ie i versagt, muß geändert werden. Der lüc lückenlose Teuerung herbeigeführt. allein um das Wohl weiter Volkskreise. Auf eine ist auch immer eine Abschwächung der Konjunftur gefolgt; fie kommt nicht gleich, aber wird in verhältnismäßig kurzer Zeit ihr nachfolgen. Das zeigen eingeweihten Kreisen die Ereignisse an den Börsen. Die Denkschrift des Landwirtschaftsrates hat darauf hin⸗ gewiesen, daß die Preise über das Ziel hinausgeschossen sind. is ganz selbstverständlich: wenn einmal die Preise im Steigen sind, s schießen sie über ihr Ziel hinaus, das ist bei den Börsenpapieren so, das ist auch bier fo. Nun sagt man, wenn die Landwirtschaft unter einer minderen Ernte zu leiden hat, so solle man ihr höhere Preise als Ersatz zugestehen. Wir gönnen der Landwirtschaft alles Gute. Denn nach unserer Meinung sind wir bessere Freunde der Landwirt⸗ schaft als Sie (nach rechts). Es ist richtig, daß die jetzige Teuerung eine internationale Erscheinung ist, aber bei uns in Deutschland ist sie zum großen Teil hervorgerufen durch eine absichtlich herbeigeführte und gewollte Verteuerung der Produktion. Man hat bei Einführung der Einfuhrscheine usw. offen zugegeben, daß der Zweck der Gesetz gebung wäre, das Preisniveau in die Höhe

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und eine Gefetzgebung, die in ungewöhnlichen Zeiten kenlose Zolltarif hat die nicht

l handelt sich

.

9 . zu treiben. Seit 1906 sind die Verhältnisse noch schlimmer ge— worden. Wir sind genötigt gewesen, die Beamtengehälter zu erhöhen, die Kommunen sind nachgefolgt. 613 Millionen sind in einem Jahre für diefen Zweck bewilligt worden. Alle Leute, die diese Summe

zahlen müssen, müssen i 14 Milliarden im ganzen von der aufgebracht werden müssen. Die mit bervorgebracht, sie muß konsequent Der Zoll wirkt nicht nur verteuernd, son Verschiebung in der Produktion. Mein

hre Spesen auf die Ware schlagen, sodaß

n Volke für die Zollgesetzgebung hat die Teuerung werden.

Gesetzgebung weise geändert rn bewirkt auch eine ktion steht einheitlich

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müßte eine schwere Krisis in der Landwir führen, das erkennen wir an. Natürlich pari passu mit dem schrittweisen Abbau der Zölle für Land aft und Industrie vor⸗ gegangen werden. Selbstverständlich drückt ein Preis auf den anderen. Wir haben die Zollpolitik wesentlich bekämpft mit Rück— sicht auf das Steigen der Bodenrente.

und geschlossen auf dem Programm, wonach wir einen allmäblichen 9 s . 57 Mes 858 3 sIo D Abbau der Zölle, eine schritiweise Beseitigung der Zölle wünschen. Eine radikale Beseitigung der Zölle, so ischt sie an sich wäre, 1 * * aft und 86 P

ind Industrie herbei .

Die fabelhafte Steige⸗

rung der Güterpreise und der Pachten muß uns mit Sorge erfüllen. Bei' ciner derartigen Steigerung können selbswwersländlich die nach—

folgenden Besitzer die Rente nicht herauswirtschaften. Die Er⸗ höhung der Preise ist durch die steigenden Pachten vorweg ge⸗ nommen. Die neue Zollpolitik schafft reiche Väter und arme Söhne, Wer heute ein Gut zu teuren Preisen kauft, wird auf dem Gut schwer eine Rente finden. Im Osten ist kaum noch ein Gut nicht zu kaufen; eine große Zahl hat in wenigen Jahren zwei- oder dreimal den Besitzer gewechselt. Wir fragen den Reichskanzler auch, wie er sich zu den Einfuhrscheinen stellt. Mit durch sie sollte eine Erleichte⸗ rung für die Grenzbezirke herbeigeführt werden; in diesem Sinne ist sie von Richter und Rickert anfangs der 80er Jahre verlangt worden. 1894 wurden sie durch Caprivi eingeführt, und ihre Wirkung war eine frappante indem durch sie sofort der ganze Zollsatz im Getreidepreis bei uns zum Ausdruck kam. Wesentlich verändert hat man aber die Bedeutung der Scheine 1906, indem man aus einer lokalen Maßregel eine allgemeine machte, die Getreidesorten unter sich vertretbar machte und noch dazu zugestand, daß sie als Zollgeld bei der Einfuhr von Kaffee und Petroleum gelten dürfen. Eine solche Vertretbarkeit von Roggen und Petroleum und von Hafer und Kaffee, an sich schon widersinnig, liegt unmöglich im allgemeinen Interesse. Seit 1906 verstummen auch die Klagen über diefes neusse System nicht mehr. Die 123 Millionen, welche jetzt die Reichskasse in einem Jahre einbüßt, beweisen, daß das Ge⸗ trẽide aus dem ganzen Deutschen Reich über die Grenzen gedrängt und der deutsche Markt künstlich davon entblößt wird. Die Frachten für dieses ausgehende Getreide sind noch dazu erheblich niedriger als sonst. Die für Danzig, Königsberg usw. vorliegenden Ziffern liefern dafür den unwiderleglichen Beweis, daß bier öffentliche Mittel aufgewendet werden, um unseren einheimischen Markt von einheimischem Getreide zu entblößen. Die Denkschrift der Regierung tritt ja anscheinend für die Einfuhrscheine ein, aber wenn man näber zuschaut, blickt aus den bezüglichen Ausführungen deutlich das umflorte Auge des Neichs⸗ schatzsekretärs heraus. Deutscher Roggen wird in steigendem Maße als billiges Futtermittel nach Holland eingeführt, während unsere

einbeimischen Mühlen keine Beschäftigung haben. Daß die Haferausfuhr aus Deutschland hauptsächlich solcher Differenz⸗ geschäfte wegen betrieben wird, spricht die Denkschrift ganz unumwunden aus. In Cöln, Stuttgart, München find Einfuhrscheine in solcher Zahl ausgegeben worden,

daß man durchaus berechtigt ist, von einer Verallgemeinerung dieser Verwendung zum Schaden' des Konsums, zum Nachteil der Volks— ernährung zu fprechen. Das Zentrum hat ja früher ein gewisses Miß⸗ trauen gegen die Einfuhrscheine gehegt, ein bezüglicher Antrag Bachem, der ihre Anrechnungsfähigkeit beschränken wollte, wurde abgelehnt; aber die Zusage Miquels, daß in dieser Beziehung Remedur ein—⸗ treten würde, sobald sich eine Mehrausfuhr bemerkbar machen würde, ist nicht erfüllt worden. Was das Zentrum will, ist aus der Rede des Dr. Spahn nicht recht klar geworden; es schien, als wollte er sagen: Wir tun nichts, Kanzler, tue du auch nichts. Die Herab⸗ setzung der Geltungsfrist würde nichts bedeuten, auch der Ausschluß von Kaffee und Petroleum bei der Anrechnung bliebe wirkungslos. Man muß hier wirklich die Art an die Wurzel legen und die Ver⸗ tretbarkeit der Scheine fallen lassen. Die Ausfuhr von Hafer würde dadurch allerdings unmöglich sein, das würde aber gar nichts schaden. Auch der deutsche Roggen müßte nach Möglichkeit im Lande ver⸗

wandt werden. Was die Vieh- und Fleischwreise betrifft, so hatte sich der Rindviebbestand in den letzten Jahren geboben infolge

der zunehmenden Milchwirtschaft. Der Aufschwung ist aber leider kein dauernder gewesen. Unter der Einwirkung des Viebzolls und der Viehseuchen ist ein beklagenswerter Rückgang eingetreten. Wir können darum in absehbarer Zeit auf eine Ermäßigung der Rindviehpreise nicht rechnen. Der Schweinebestand hängt von der Kartoffelernte ab, auch die jetzige Schweineproduktion wird in⸗ folge der schlechten Kartoffelernte im nächsten Jahre zweifellos sinken. Es freut mich, daß die Zentrumsfraktion ihren Schippel in der Person des Abg. Deim bekommen hat, der für die bessere Lebenshaltung der deutschen Bauern eingetreten ist. In der Tat, nur wenn der Bauer billig produzieren kann, kommen er und das deutsche Volk auf ihre Rechnung. Das erste Erfordernis wäre die Befeitigung der Futtermittelzölle. Wir müssen darauf rechnen, in den nächsten Jahren mit neuen Preiserhöbungen beglückt zu werden. Gegen die Zulassung des amerikanischen Büchsenfleisches können triftige Gründe nicht ins Feld geführt werden, am wenigsten sanitäre. Auch die Be— schränkung der Einfuhr des Gefrierfleisches muß beseitigt werden. In bezug auf den Seuchenschutz sind wir der Meinung, daß alle ver⸗ nünftigen Mittel für den Seuchenschutz aufrecht zu erhalten sind, was darüber hinausgeht, ist vom Uebel. Man könnte nach Rußland und Desterreich hin erheblich entgegenkommen, ohne daß sanitäre Bedenken dem entgegenstünden. Nach Rußland besteht ja ein heträchtlicher Schmuggel. Was von seiten der Regierungen

. ; ö. verbündeten gegen die Teuerung geschehen ist, erkennen wir gern an.

Wir sind dankbar für die Tarifermäßigung der preußischen Eisenbahnverwaltung. Sie hat uns die Versorgung mit Nahrungs⸗ mitteln erleichtert. Wir sind auch der Meinung, daß die Gemeindeverwaltungen alle Veranlassung haben, zu prüfen,

ob die Verproviantierung der Städte heute noch sachgemäß erfolgt. Aber durch die Gemeinden können nur kleine lokale Verbesserungen herbeigeführt werden. Auch mit papiernen Resolutionen wird nichts erreicht. Man sollte sich nicht immer an andere wenden, sondern selbst etwas tun. Ueber den Zwischenhandel will ich nichts weiter sagen. Sie werden neugierig sein, was der Reichskanzler über alle diese Fragen zu sagen hat. Es handelt sich hier um Machtfragen, die politisch entschieden werden müssen, aber nicht auf der Straße. Millionen deutscher Augen sehen auf die Hände des Reichskanzlers. Sollten diese wieder leer sein, so würde sich eine herbe Enttäuschung bemerkbar machen und bei den nächsten Wahlen ihren Ausdruck finden.

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Der Herr Redner der sozialdemokratischen Partei ist mit der Haltung nicht zufrieden, welche die Regierungen bisher gegenüber den durch die außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse verursachten Schäden eingenommen haben. Wie es draußen in der Presse und in Versammlungen geschehen ist, werden die Folgen der bisherigen Dürre zum Anlaß einer allgemeinen Anklage unserer Wirtschaftspolitik genommen. Meine Herren, die sogenannten großen Mittel und der Herr Abg. Oeser erwartete ja in seinem Schluß⸗ wort auch große Mittel —, die Aufhebung der Zölle, ihre Suspension, die Oeffnung der Grenzen für Vieh und Fleisch

werden uns doch zu keinem anderen Endzweck angepriesen, als um die Grundlagen unserer Wirtschaftspolitik zu beseitigen

(Sehr rechts, oder, wie die Herren von der fort⸗

richtig!

schrittlichen Volkspartei wollen, sie allmählich abzubauen. Meine Herren, diesen Angriffen gegen unsere Wirtschaftspolitik

werden die Regierungen, wie bisher, einen entschiedenen Wider⸗ stand leisten. (Bravo! rechts) Wie ich wiederholt von dieser Stelle aus erklärt habe, ist für die verbündeten Regierungen das zähe und entschiedene Festhalten an unserer Wirtschaftspolitik Sache wohl⸗ begründeter Ueberzeugung (Bravo! rechts, und wir können uns auch durch die Folgen der diesjährigen Dürre, so beklagenswert sie sind, nicht von einem Wirtschaftsspstem abbringen lassen, von dem wir die Ueberzeugung haben, daß es dem Wirtschaftsleben der Nation zum Segen gereicht. (Bravo! rechts.)

Ueber eines werden Gegner und Freunde dieser Wirtschaftepolitik einer Meinung sein müssen: Kein Uebergang zu einem anderen Wirt— schaftssystem und keine behördliche Maßregel kann die Folgen davon auslöschen, daß es monatelang nicht geregnet hat, und daß deshalb auf

den Feldern weniger als sonst oder nichts gewachsen ist. Niemand, auch

Sie nicht, können dem Landwirt sein Manko an Getreide, Heu oder Kartoffeln ersetzen, und weil Sie das nicht können, kann auch nie— mand den Konsumenten vor dem Schaden bewahren, der eine nat— wendige Folge dieses Mankos ist. (Sehr richtig Meine Herren wir müssen daher, so schwer es Ihnen auch werden mag, uns auf beiden Seiten bescheiden und müssen uns auf die Mittel beschrãnken, die praktisch geeignet sind, uns über die bestehenden Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Gegenüber der Bedrängnis, in die viele mittlere und kleine Haushaltungen geraten sind, ist diese Beschränkung gew nicht angenehm. Aber auch Sie müssen sie, wenn Sie aufrichtig sind, für sich gelten lassen, und es heißt die bestehende Situation i unverantwortlicher Weise ausbeuten, wenn in sozialdemokratischen Reden, Flugblättern und Schriften dem Volke die Meinung hei. gebracht wird, nichts sei leichter, als die bestehende Not wegzuschaffen nur die böse Regierung unter dem Drucke der Agrarier wolle g nicht oder traue sich nicht. (Sehr richtig! links.) Nein, meine Herren, das ist nicht richtig und stimmt nicht mit der Wahrheit überein. (Sehr richtig! rechts) Gewiß würden auch wir gern meht tun; denn uns liegt die Sorge für die wirtschaftlich schwachen Existenzen genau so am Herzen wie Ihnen. (Noch mehr! rechte Aber, meine Herren, was ist es denn nun eigentlich, was Sie dor, schlagen? Und wie könnte uns das, worauf es doch zunächst an, kommt, über die gegenwärtigen schwierigen Verhältnisse hinwen helfen?

Aufhebung der Zölle. Die sie empfehlen, meinen, daß sie damit nicht nur dem Volke billigere Nahrung verschaffen, sondern awc unsere allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse zum mindesten ebenso günstig, wenn nicht günstiger gestalten würden, ls sie gegenwärtz sind. Der alte Streit zwischen Schutzzoll und Freihandel, über de wir uns bisher nicht geeinigt haben und wahrscheinlich auch in diese Stunde nicht einigen würden. Aber, meine Herren, selbst wem Sie eine andere Regierung hätten, eine Regierung, die zu dem Win, schaftssystem, das Sie anstreben, übergehen wollte, glauben Se denn im Ernst, daß diese Regierung überhaupt imstande wür, den landwirtschaftlichen Schutz aus unserem Wirtschaft system loszulösen und von heute auf morgen zu beseitigen und nur das würde uns aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten helfen —, ohne unser gesamtes Wirtschaftsleben auf den Kopf a stellen, unsere Handelsbeziehungen umzustoßen? Nein, meine Herren das vermöchte keine Regierung, und darum ist der Vorschlag der Aij— hebung der Zölle der Vorschlag eines unanwendbaren Mittels, eint Mittels, das schließlich nur agitatorischen Wert hat. (Lebhafte Sehr richtig! rechts.)

Weiter die Suspension der Zölle. Grundsätzlich haben die der— bündeten Regierungen bisher stets den Standpunkt vertreten, dez Zollsuspension sehr leicht der Anfang der Zollaufhebung ist (Aha! links), und daß die Zollsuspension deshalb in einem Lande, das de 3ollschutz für notwendig und zweckmäßig hält, ein außerordentlich ge ährliches Experiment ist. Aber auch wer auf anderem Standpunkte steht, muß doch zum mindesten fragen: wie und wieweit wirkt Ri Suspension? Kommt sie überhaupt demjenigen zugute, für den si berechnet ist? (Sehr wahr! rechts.)

Meine Herren, Sie erinnern sich der Suspension des olls in Frankreich im Jahre 1898. Der Handelsbericht vom Däne, lso ein kompetentes Urteil, sagt darüber folgendes:

Die Aufhebung des Weizenzolles von 7 Franken für (lam 4. Mai) hatte nicht den erwarteten Erfolg. (Hört rechts) Die Preise fielen nicht einmal um die Hälfte des frühen Zollbetrags, und es fanden sogar bei fremdem Weizen vor gehende Preissteigerungen statt. (Hört, hört! rechts.) Erst von Mitte Juni an, also zu der Zeit, wo die Wiedererhebung der Zölle

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bereits vor der Tür stand, wichen die Preise und fuhren damt wider Erwarten fort, auch nachdem die alten Zollsätze (mit deu 1. Juli) wieder in Kraft getreten waren. (Hört, hört! rechts.) Dieses Fazit scheint mir ganz natũrlich zu sein. Eine Zollsuspension, die nicht zur Zollaufhebung werden el

kann nur für eine vorübergehende, verhältnismäßig kin bemessene Zeit verfügt werden. Die momentane Wirkung

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Suspension ergreift, wie unsere Handelsberhältnisse einmal gelaget sind, nur die Großhandelskreise oder den Handel überhaupt. Sobab die Wirkung weiter nach unten zum Produzenten und Konsumenk vorzudringen beginnt, läuft entweder die Zeit ab, oder die wird durch die neue Ernte oder die Aussichten auf die neue Emnte wieder verwischt. Meine Herren, ich bin der Ueberzeugung, auch würden jetzt mit derartigen Suspensionen genau dieselbe Erfahtun machen. (Sehr richtig! rechts.)

Im einzelnen spricht man von der Suspension der Zölle auf die Futtermittel, an denen wir ja leider eine ungenügende Ernte gehabt haben. Man vergißt dabei, daß die große Masse derjenigen Futtermittel auf die der Landwirt in einem knappen Jahre, wie dem jetzigen, n

erstet Linie angewiesen ist, die Kraftfuttermittel, zollfrei eingehen,

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daß wir davon einen Import haben im Werte von jährlich 270 Millionen. (Sehr richtig! und Hört, hört! rechts.)

eine befriedigende Ernte gehabt haben, würde die Suspension haupt nicht in Frage kommen können. Beim Mais, der ein erwünschtes Futtermittel sein würde, stehh

wir nach allen bisher vorliegenden Nachrichten einer genügenden Welternte gegenüber. Argentinien und Amen scheinen bei steigendem eigenem Bedarf einen Ueberschuß für Export nicht zur Verfügung zu

Wir sind also im wesentlichen mit allen übrigen Maiebedürftigen a! die Donauländer angewiesen. Bei dieser Angebotslage erscheint mir doch außerordentlich bedenklich, eine Suspension zu verfügen, ke der es mehr als zweifelhaft ist, ob sie jetzt dem Viehbalter und dan dem Fleischverbraucher überhaupt zugute kommen würde. Een richtig! rechts.) Der Herr Abg. Dr. Spahn bat von der Susvension der 36 auf Gemüse gesprochen. Ich behalte einem meiner Herren Nachtm vor, im Laufe der Diskussion auf die Sache eventuell näher en zugehen. Ich möchte meinerseits nur bemerken, daß von di gesamten Gemüseimport 93 zollfrei eingehen, nur 70½ mit einn verhältnismäßig geringen Zoll belastet sind. (Hört, hört! recht⸗ Eine große Hilfe würde man also auch mit dieser Maßregel nick erzielen.

Meine Herren, weiter ist heute hier ausführlich das Thema J Einfuhrscheine behandelt worden. In der Presse wird es

meist so dargestellt, als ob dies ein besonders wirkung volles Mu

sein würde, und als ob es sich dabei um die allereinfachste Sache der Welt handelte. Daß dies nicht der Fall ist, das weiß der Reichstag aus der Denkschrift, die wir im vorigen Frühjahr ihm vorgelegt haben, und das geht ja auch aus den Reden, die bisher darüber ge⸗ halten worden sind, hervor. Aber gerade weil es sich um ein recht schwer zu behandelndes Thema handelt, ist es vielleicht für

Agitationszwecke besonders brauchbar. (Sehr gut! und Heiter— keit rechts. Zurufe bei den Sozialdemokraten, Meine

Derren, wer sich der Einführung der Einfuhrscheine erinnert, weiß doch, daß es sich dabei um ein System handelt, das Sie künstlich nennen mögen, das aber darauf berechnet war, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Produktions verhältnissen im Lande zu schaffen, und daß es den Einfuhrscheinen gelungen ist, diesen Ausgleich tatsächlich herzustellen. Deshalb sind auch in den Landesteilen, für die der Ausgleich bemessen war, Landwirtschaft und Handel vollkommen einmütig der Ansicht (Hört, hört! rechts), daß an dem System nichts geandert werden könne (Zurufe: Königsberg! Danzig!), ohne uns wieder zu Zuständen zurückzuführen, über deren Ungerechtigkeit lange und mit Recht geklagt worden ist.

Meine Derren, wir haben trotzdem die Frage einer Aenderung des Einfuhrscheinsystems sehr eingehend erwogen, sind aber zu dem Ergebnis gekommen, daß die vorgeschlagenen Aenderungen eine Ein⸗ wirkung auf die gegenwärtigen gesteigerten Preise nicht haben würden. Vört, bört links und rechts) Gewiß, meine Herren, ist das Einfuhr— scheinsystem mit Mängeln behaftet (Aha! links), namentlich für das Interesse der Reichskasse. (Hört, hört! und Sehr richtig! links.) Aber, wo e sich jetzt für uns nur darum handeln kann, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu beseitigen, würden diese Aenderungen doch dazu nicht geeignet sein. Meine Herren, Sie werden mir das zugeben, wie ich hoffe, wenn Sie die einzelnen vorgeschlagenen Aenderungen konkret anfassen.

Man hat vorgeschlagen, die bei der Ausfuhr von Hafer erteilten

Scheine nur bei der Einfuhr von Hafer verwenden zu lassen. Das

würde einen überaus schweren Eingriff in unsere landwirtschaftlichen Verhältnisse zur Folge haben. Denn, wie schon der Herr Vorredner hervorgehoben hat, hat die Einführung des Einfuhrscheinsystems zu einem wesentlich vermehrten Haferanbau geführt. Diesem vermehrten Daferanbau steht nun ein stark gewachsener Import an Futtergerste gegenüber. Dieser Import ist gewachsen in den letzten 10 Jahren von rund 5⸗ auf 28 000 000 dz. (Hört, hört! rechts.)

Meine Herren, nun können Sie theoretisch darüber streiten, ob die Beschränkung der Haferausfuhrscheine auf Hafereinfuhr der Cin— fuhr von Futtergetreide hinderlich sein müßte; praktisch aber müssen wir unter allen Umständen mit der Gefahr rechnen, daß eine solche Bef Hränkung die Preise für Futtergerste in die Höhe treiben würde Sehr richtig!), und ich wüßte nicht, wie wir gerade in diesem Jahre der Futterknappheit die Verantwortung für eine solche Maßregel übernehmen sollten. (Sehr gut! rechts.)

Meine Herren, dann wird weiter, ähnlich wie beim Hafer, ver— langt, daß die bei der Ausfuhr von Roggen erteilten Scheine nur beim Import von Roggen verwendet werden dürfen, um der Herr Vorredner hat das ja im einzelnen ausgeführt einer übergroßen Roggenausfuhr vorzubeugen. Ich glaube, auch in dieser Beziehung gib man sich übertriebenen Vorstellungen hin. Der gesamte Ueber- schuß unserer Roggenausfuhr über die Roggeneinfuhr beträgt 3,20, der inländischen Roggenerzeugung. Aus diesem Verhältnis geht hervor, daß es sich bei der Roggenausfuhr, wenn sie sich annähernd in den Grenzen hält wie bisher, nicht um einen Gegenstand handelt, welcher für die Verbältnisse des gesamten Landes von so großer Be⸗ deutung ist. Dabei kann es lokal gewiß höchst unerwünscht namentlich für Mühlen sein, wenn zu viel Roggen an der Stelle ausgeführt wird lokal! Aber für den Osten das geht aus den Vor— stellungen, die mir tagtäglich namentlich aus Handelskreisen des Ostens zugehen, hervor würden Sie durch eine derartige Be— schränkung der Einfuhrscheine Handel und Landwirtschaft in eine äußerst schwierige Lage bringen. (Hört, hört! rechts. Und endlich, meine Herren, ähnlich wie beim Hafer, übernehmen Sie die Garantie dafür, daß, wenn wir eine solche Beschränkung vornehmen, wir nicht *

. 8 ĩ die Weizenpreise steigern? Und wollen Sie bei dem zunehmenden 13 ; ie G

Sor . 4. . 2 Verbrauch von Weizenbrot wiederum gerade in diesem Jahr die Ge ahr einer solchen Steigerung auf sich nehmen?

Meine Herren, ich bin der Ansicht, daß mit diesen Aenderungen, die uns vorgeschlagen sind, die nicht gebracht würde, und darauf kommt es doch jetzt allein an, dafür aber Uebelstände herbeigefübrt werden könnten, die die Situation ver— schärfen würden. (Sehr richtig! rechts) Ich will dabei noch gar nicht darauf hinweisen, daß Sie Aenderungen im Einfuhrscheinsystem wahrscheinlich nicht mit sofortiger Wirksamkeit einführen könnten, sondern einen gewissen Zwischenraum bis zur Wirksamkeit verstreichen lassen müßten. Es würden dann, wenn wir solche Aenderungen mit zweimonatlicher Frist oder, ich weiß nicht, wie viel einführten, möglicherweise Verhältnisse eintreten, die ganz andere sind als die⸗ jenigen, unter denen wir leben.

Der Herr Abg. Dr. Spahn hat dann angeregt, wenn man auch an dem Einfuhrscheinsystem als solchem festhalte, doch gewisse Aus⸗ wüchse zu beschneiden. Als ein solcher ist bezeichnet worden die Verwendbarkeit der Getreideausfubrscheine für die Einfuhr von Petroleum und Kaffee, und ferner ist angeregt worden die Herab⸗ setzung der Gültigkeitsdauer der Scheine von 6 Monaten auf etwa die Hälfte. Ich habe nicht genau verstanden, ob der Herr Abg. Dr. Spahn das auch angeregt bat; jedenfalls ist es ein Vor— schlag, der sonst in der Oeffentlichkeit gemacht worden ist. Meine Herren, ich halte diese Vorschläge für akzeptabel, obwohl ich noch nicht der festen Ueberzeugung bin, daß sie eine übergroße Wirkung haben würden. (Zuruf links: Deshalb halten Sie sie für akzeptabel) Für diskutabel, habe ich gesagt! (Zuruf links: Akzeptabel) Dann habe ich mich versprochen; für diskutabel! Ich haben Ihnen vorhin gesagt: wir haben uns die Frage einer Aenderung des Einfuhrschein⸗ systems nach allen Seiten überlegt und haben die Maßregel, die hier vorgeschlagen worden ist, als eine Maßregel von minderer Bedeutung erachtet; und ich kann nur wiederholen: wenn ich diese Frage für dis⸗ kutabel erkläre, so bin ich für meine Person im gegenwärtigen Mo⸗ ment noch nicht absolut von der Wirksamkeit der Maßregel über⸗ zeugt. Denn es ist mit Recht von dem Herrn Abg. Oeser darauf hingewiesen worden, daß die Getreideeinfuhrscheine durch den Weizen⸗ i nvort vollkommen verzehrt werden, und daß die Umlaufszeit der Scheine tatsächlich nur etwa 2 Monate beträgt.

Einfuhrscheine gesprochen hat, hat er auch der Eisenbahnausfuhrtarife für Getreide gedacht. Meine Herren, ich kann mitteilen, daß die Frage der Aufhebung dieser Eisenbabnausfuhrtarife den Landeseisenbahnrat beschäftigen wird, der gesetzmäßig mit der Sache zu befassen ist. Um

Mißverständnissen ven vornherein vorzubeugen, will ich dabei be— merken, daß die besonderen Tarife für den Transport von Geteeide und Mühlenfabrikaten nach Danzig, Memel und Königsberg, welche überhaupt nicht an die Ausfuhr gebunden sind, hierbei nicht in Be⸗ tracht kommen würden.

Meine Herren, ich komme nun zu der Frage der Einfuhr von

, , , . 2 . Vieh und Fleisch. Ueber dieses Thema ist hier vor einem Jahre ausgiebig gesprochen, und es ist vom Bundesratstisch

aus erklärt worden, daß wir im Interesse unseres Vieh— bestandes auf den Grenzschutz nicht verzichten können, daß aber die Einfuhr von Schlachtvieh und von Fleisch in weitem Umfange schon jetzt zugelassen sei. Inzwischen sind für den Schlachtviehimport weitere Erleichterungen gegen Dänemark und Schweden eingetreten. Im vorigen Jahre haben die Verhältnisse auf dem Fleischmarkt un— günstiger gelegen, als sie gegenwärtig sind. Die Preise, welche dem Landwirt gegenwärtig für Schlachtvieh gezahlt werden, sind hoch, aber nicht übermäßig hoch (Sehr richtig! rechts, zum Teil, bei den Schweinen, sogar niedrig. Und das wegen der Futterknappheit zu er— wartende erhöhte Angebot würde zunächst doch nur einen Preisdruck zur Folge haben können. Gewiß fönnen sich die Verhältnisse ver—⸗ schärfen, wenn die Futterknappheit zu einer großen Verringerung unserer Viehbestände führen sollte. Aber auch in dieser Hinsicht bitte ich Sie, sich übertriebenen Vorstellungen nicht hinzugeben. Die, preußischen Landwirtschaftskammern haben im September dieses Jahres berichtet, daß es zwar in manchen Landstrichen schwer se werde, das Vieh durchzuhalten, daß dafür aber in anderen und zahl— reichen Gegenden wenn auch unter Schwierigkeiten und unter durchaus möglich sein werde.

Meine Herren, was die Erweiterung der Fleischeinfuhr anlangt, so kämen für sie im wesentlichen Rußland und Amerika in Betrach denn aus den anderen Ländern ist sie schon fast überall jetzt gestat Die Fleischeinfuhr aus Rußland ist versagt wegen der Rinderpest⸗ gefahr. Gegenüber Amerika besteht ein Einfubrverbot für Rindfleisch wegen der Gefahr der Einschleppung des Texasfiebers. Dagegen ist nicht verbeten die Einfuhr amerikanischen Schaf und Schweine⸗ fleisches. Allerdings müssen die Kautelen des Fleischbeschaugesetzes erfüllt werden. (Aha! links. Sehr richtig! rechts.) Gelingt es der Technik, meine Herren, den Vorschr dieses Gesetzes auch bei der Einfuhr gekühlten Fleisches aus dem Auslande nachzukommen, dann steht bei und Schweinen der Einführung nichts

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am Schafen ? entgegen. Wir können aber unmöglich jetzt die im Interesse der Hygiene erlassenen Bestimmungen des Fleischbeschaugesetzes ab—

r ändern (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Natürlich), weil möglicher⸗ weise die Futterknappheit zu einer beklagenswerten Preisstei f dem Fleischmarkte führen wird.

Meine Herren, Sie beklagen sich immer über einen übermäßigen Schutz unserer Viehbestände. Bedenken Sie doch, bitte, dabei, daß es der deutschen Landwirtschaft unter diesem Schutze gelungen ist, 95 0, des gesamten Fleischbedarfes aus dem Inlande zu decken. (Lebhafte Rufe: Hört, hört! rechts. Unrube links.) Dabei ist in den letzten

Jahrzehnten der Fleischkonsum in Deutschland so gestiegen, daß wir hinter dem von England kaum mehr zurückftehen. (Hört, hört) Von England unterscheiden wir uns nur insofern, als

dort nicht 95 0½, sondern nur die Hälfte des Fleischbedarfes aus Eigenem gedeckt wird. (Hört, hört! Dieser Vergleich scheint mir doch nicht zu Experimenten ermuntern, die unsere Viehbestände schädigen und uns damit allmählich in eine größere Abhängigkeit vom Auslande bringen würden. (Sehr wahr! rechts.) Eine solche Ab hängigkeit vom Auslande uns außerordentlich gefährlich sein. (Sehr richtig!) ;

Eins allerdings, meine Herren, will ich mit aller Entschiedenheit betonen: der Schutz, den die Landwirtschaft genießt, schließt Pflichten, große Pflichten gegenüber der Allgemeinheit, gegen— über den Konsumenten in sich. (Zurufe und Lachen

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Mme GSorwwo 6 riurr Her S ö! * Meine Herren, warum lachen Sie denn? J

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? Ich spreche ja jetzt Ihrem Sinne! (Sehr richtig! rechts. Zurufe links.) Jawoh meine Herren, darum richte ich auch von dieser Stelle d

Appell an die deutsche Landwirtschaft, mit allen Mitteln dagegen zu wirken, daß unser Viehstand verringert wird. Eine Verringerung des Viehstands würde sich nicht nur an der einzelnen Wirtschaft⸗ sondern an der Stellung der Landwirtschaft im ganzen bitter rächen. (Bravo! rechts.) Meine Herren, ich kann nach diesen Ausführungen nicht zu der Ueberzeugung gelangen, daß die von Ihnen vorgeschlagenen großen

hinweghelfen würden. Ich betone

bei dieser Kritik noch einmal, daß ich es für unmöglich erachte, den elementaren Ereignissen gegenüber durchgreifend abzuhelfen, und ich bin weit davon entfernt, es so darzustellen, als ob die Maßnahmen,

welche von den Regierungen eine solche durch⸗ greifende Abhilfe brächten. Aber wir haben nach Mitteln Ausschau gehalten, welche eine praktische Wirkung haben können, und ich sage dem Herrn Abg. Oeser meinen Dank, daß er in dieser Beziehung auch ein anerkennendes Wort für die Maßnahmen der Regierungen gefunden hat.

Meine Herren, wie in jedem geringen Erntejahre, diesmal aber vielleicht in besonderem Maße, hat sich gezeigt, daß die Detazilpreise für Lebensmittel den tatsächlichen Ernteergebnissen nicht entsprechen.

(Sehr richtig! rechts. Das ist zwar für den Konsumenten, der hohe dn, , e, a.

Detailpreise zu zahlen hat, kein Trost, aber an der Tatsache kann man nicht vorübergehen, man muß sie hervorheben. An Brotgetreide

haben wir kein Manko. Die Preise für Brotgetreide sind nicht über⸗ hoch (Sehr richtig! rechts), namentlich wenn man berücksichtigt, daß die Güte des diesjährig gewonnenen Brotgetreides eine erhöhte und bessere Ausbeute an Mehl liefert. Die Preise für Vieh sind gegen⸗ wärtig, wie ich soeben gesagt habe, keine abnormen. Allerdings haben wir an Gemüse und an Kartoffeln mit Untererträgen, zum Teil mit be—⸗ deutenden Untererträgen zu rechnen. Bei den Kartoffeln hat sich aber zum Glück, je mehr wir uns dem Ende der Ernte genähert haben, herausgestellt, daß der tatsächliche Ertrag über die früheren Schätzungen hinausgeht (Sehr richtig! rechts), daß wir in einzelnen Landesteilen mit ausgedehntem Kartoffelbau befrledigende, zum Teil gute Ernten haben, und daß auch

Im Anschluß an die Worte, die der Herr Abg. Oeser über die

doch lokal neben schlechten Erträgen gute Erträge zu finden sind. Ich hebe das absichtlich hervor, meine Herren, um nicht meinerseits dazu beizutragen, durch übertriebene Darstellungen auf ein Steigen der Detailpreise mit hinzuwirken. (Sehr gut! rechts.) Ich kann also nicht zugeben, daß, wenn wir die Ergebnisse der gesamten Ernte zu⸗ sammenfassen, die Detailpreise, die gezahlt werden, den tatsächlichen Ernteergebnissen wirklich entsprechen. (Sehr richtig! rechts Ueber

ie Gründe dieser Spannung ist bei jeder Teuerungsdebatte im Sw z *. ; 53 8 ; 2 2 Reichstage hin und her gestritten worden. Ich will auf die Einzel⸗

heiten auch meinerseits nicht eingehen. (Zuruf von den Sozialdemo— kraten. Nur so viel steht fest, daß an der übermäßigen Spannung zwischen Großhandels- und Detailpreisen weder die Dürre noch unsere Wirtschaftspolitik noch die Regierung Schuld trägt. (Sehr gut! rechts. Zurufe links. Nicht schuldlos aber sind di

triebenen Darstellungen der Teuerung (Lebhafte Zustimmung rechts),

die in denen sich ein großer Teil unserer Presse monatelang gefallen

ö . en,, n n . hat. (Lebhafter Beifall rechts. Diese übertriebenen Darstellungen haben keine preisdrückende, sondern sie haben eine preisschärfende n ö 853 gen, ,. . Wirkung ausgeübt. (Lebhafte Zustimmung rechts) Man hat an⸗— 61 o Loimem ? 1 55 J . T J geblich dem kleinen Mann helfen wollen, in der Tat hat man Rr 907 9 5 h ihm geschadet. (Sehr wahr! rechts.)

Meine Herren, die Regierungen sind bei den Mitteln, die sie angewendet haben, bestrebt gewesen, auf eine Herabminderung dieser Spannung, wo sie ungerechtfertigt, wo sie übermäßig ist, binzuwirken.

Die Reaiermnas Vle Regierungen

bekannten Frachte

haben das getan, indem

en m Erntejahre, das sich durch so den verschiedenen Landesteilen auszeichnet, die Vertei über das ganze Land zu erleichtern. Sie habe sie Einrichtungen der Kommunen unterst welche einem übermäßigen Anwachser wollen. Meine Herren, die Frachte die Gesamtheit der Eisenbahnverwalt agen

aber auch im einzelnen z. B. für auf ihr liegende Zoll bei mittleren Hamburg, gänzlich aufgehoben (Hört, hört! rech

M J Man hat diese Frachtermäßigunger

2 . K , F Pfennigbruchteile bekrittelt hat, um

1

verbilligt wird. Meine Herren, ich gl anders aufmachen. Vor einigen Wechen Eßkartoffeln in Ostpreußen 230 bis 2,90 in Berlin für dieselben Kartoffeln 5. bis rechts Das macht eine Steigerung bis zu

die Unkosten und der Gewinn, auf den

Anspruch hat. Aber, meine Herre die die Spannung von über 1000 Rufe: Sehr wahr! rechts Mit de unseren ermäßigten Tarifen nicht motir rechts); denn die Fracht beträgt bei Ka Berlin 30 3 für den Zentner. (Hört, hört! rechts.) Meine Herren, auch die Anregungen bei den Kommunen sind an—⸗

gefochten worden der Herr Abg. Scheidemann hat die ironische Bemerkung darüber gemacht, wir hätten den Kommunen gesagt: Hannemann, geh' Du voran! (Heiterkeit. Meine Herren, wozu diese Ironisierung? (Sehr richtig! rechts.) Zahlreiche großere Stadt⸗ verwaltungen haben mit Erfolg Einrichtungen getroffen oder in Aus—

sicht genommen, um im Hinblick auf e etwa eintretende

Fleisch⸗

gureruma do 6 . a n. j ) teuerung den Seefischverkauf zu erleichtern (Bravo!); und ich kann nur bie Snffnun orm n frre Hemm diese Einricht s⸗ hal nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Einrichtungen Bestand haben werden über die ten einer Teuerung (Bravo! rechts.) 3a eich Stadt rwastiumnaer 1 J Zahlreiche Stadtverwaltungen auch n ht

ok ar 61 J 64 Re 824 . 83 24

bekannt geblieben sein haben des weiteren Einrichtunger

1** . Bor rr SECO Ma . 1

um einem übermäßigen Ansteigen der Detailpreise

ñ F viss er . sl 18 2 Mar 14 . . wir wissen es alle aus den Nachrichten, die durch die Presse ge

ing derartiger Einri

1g ne Talon s Rat 3 Fällen schon ti um das Nir 10 2 nn ftia —835* 2 7 2 eine vernünftige Höhe zu bringen.

richtig!)

Mok r nber * 1Hovr ob vs 7 s 5 Rl Neben großen Privatunternehmungen und Genossenschaften halte eigentlich die Kommunen für die einzigen, welche in der Lage

* 1 3 ) * s 2 12 z 71 . J sind, einem übermäßigen Anwachsen der Detailpreise Einhalt zu ge—

bieten (Hört, hört! links), welche fähig sind, die Einrichtungen den örtlichen Verhältnissen anzupassen. Das ist natürlich notwendig. Denn ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, daß derartige E

richtungen überall, und überall in gleicher Weise, möglich wären Wie sie zu differenzieren sind, kann aber doch nur von einer Ver— waltung wie der Kommunalverwaltung entschieden werden. Ob in den Kommunalverwaltungen andere wirtschaftspolitische Anschauungen als die unsere Gesetzgebung beherrschenden vertreten sind, das ist

meiner Ansicht nach für die Sache Zeiten der Not heißt es doch: praktisch zugreifen! Und ich glaube, derjenige tut mehr, der dem Konsumenten beim täglichen Einkauf der Lebensmittel zu einem billigeren Preise zu verhelfen sucht, als derjenige, sich immer nur theoretisch über das Verkehrte unserer Wirtschafts— politik ausspricht. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte Aber, meine Herren, allem, was die Regierungen tun, auch bei

der Vertretung ihrer Wirtschaftspolitik, wird von den Gegnern stets der Einwand entgegengehalten: ja, wenn wir diese Wirtschaftspolitik nicht hätten, dann wäre keine Not entstande Lacher oder

wir würden sie leichter überstehen.

Meine Herren, praktisch hat unsere Wirtschaftspolitik lange genug gewirkt, um ihre Ergebnisse beurteilen zu können. (Sehr richtig! rechts und links. Als sie eingeleitet wurde, prophezeite man, daß sie das Grab unseres Exporthandels sein würde (Hört, Industrie und Handel in Fesseln schlage. Was ist aus dieser Prophezeiung geworden? Das gerade Gegenteil ist eingetreten. Handel und Industtie haben einen Aufschwung genommen, um den uns das Ausland beneidet. (Sehr wahr! Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten. Die Landwirtschaft hat an Produktions- und an Kauf⸗ kraft stark zugenommen. (Sehr richtig! rechts.)

Das sind Dinge, die unbestreitbar sind, die keines Beweises be⸗

6 6 ** hört), daß sie

dürfen. Freilich sind gleichzeitig die Kosten der Lebenshaltung ge⸗ stiegen. Diese Steigerung wird von den Gegnern unserer Wirtschafts—⸗

politik, soweit sie bei den landwirtschaftlichen Produkten eingetreten ist, eben auf diese Politik zurückgeführt. (Zuruf links: Mit Recht!)

7 Rake r ) abei, daß in den Zeiten des Freihandels, z. B.

in den Teilen, wo die Kartoffelernte im ganzen nicht befriedigt hat,

Die Herren übersehen d in der Periode von 1871— 1879, die Getreidepreise überhaupt höher