1911 / 270 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Nov 1911 18:00:01 GMT) scan diff

gar keine Kleinigkeit, sondern eine große Sache, denn es handelt sich nicht darum, einzelne Interessenten und Kapitalisten zu schützen, sondern für das deutsche Volk und die Arbeiterschaft in Ostasien einen Abfatz⸗ markt zu schaffen. Nicht ein paar Kapitalisten sollen Millionen ver— dienen, sondern es handelt sich für uns darum, einen Absatzmarkt zu schaffen, um überschüssige Indust ieerzeugnisse dort unterzubringen. Gegen die zwingende Kraft einer derartigen handelspolitischen Nützlich⸗

keit und Notwendigkeit richten die edel geführt hat, nichts aus.

ten Motive, die man ins Feld C e 1 * 2 Ich darf wohl seitens der verbündeten Re—

. die Hoffnung aussprechen, daß die große Mehrbeit dieses

guses dieses Gesetz, das durchaus nehmen wird.

eine Notwendigkeit ist, an⸗

Abg. Do pe (fortschr. Vollsp.): Wenn der Abg. Geck mit dem Satz schloß: Nicht Aktien brauchen die Arbeiter, sondern Brot, so handelt es sich gerade hier darum. Unfere Unternehmungen in Ost⸗ asien können sich nur in der Form der Aktiengesellschaft betätigen, und dazu ist die Form der kleinen Aktien notwendig. Der Abg. Roesicke meinte, lokale Rücksichten hätten dieses Gesetz hervorgerufen. Nicht lokale Nücksichten sind bestimmend, fondern unsere gesamte Welt

wirtschaft ist an der Förderung unserer Gesellschaften

interessiert, und darum müssen wir bestrebt fein,

in Ostgsien

Um unseren

Geschättsleuten in Ostafien den Wettbewerb mit den fremden Gesell—

geeignete Form

. erleichtern, die e Haben Sie denn so wenig

schaften zu finden.

Zutrauen zu

dafür zu sich selbst,

daß Sie sagen: wenn erst einmal hier der Anfang gemacht ist, dann

ist kein Ende abzufehen, dann müssen wir

weiter gehen?

Nun ist allerdings richtig, daß auch die Schutzgebiete eine Aus⸗ dehnung des Gesetzes auf sie verlangen. Die Windhuker Handels⸗

kammer hat deshalb den früheren Beschluß des Reichstags außer ordentlich bedauert, weil man guch in Südaffika die kleinen Aktien brauche. Hierdurch wird widerlegt, daß es sich hier um bestellte

Arbeit handelte, denn die Regierung hat' immer erklärt: n Man behauptet nun, daß

das Gesetz nicht für die Schutzgebiete.

wir wollen

durch die Ausgabe von Zweihnndertmarkaktien die Gefahr einer furchtbaren Spekulation in weitesten Kreifen heraufbeschworen würde.

Die Chinesen spekuligren doch bereits in kleinen sie sind wir also nicht die Verführer.

n Aktien; für Hängt aber bei uns die

Spekulgtion wirklich dabon ab, ob ein Papier an die Börse gebracht wird oder nicht? Es sind ja jetzt schon ausländische Papiere mit

solchen kleinen Anteilen an unseren Börfen zugelassen.

Wollen Sie

1

denn wirklich für die deutschen Gesellschaften ungünstigere Voraus⸗ setzungen treffen als für die ausländischen 2 Durch das Gesetz werden gerade die Leute geschützt, denn es wird hier eine Kontrolke an der

Börse geschaffen.

Gegen den Antrag Belzer, die Zulassung der

kleinen Aktien an unseren Börsen von der Genehmigung des Reichs— kanzlers abhängig zu machen, haben wir ebensowenig etwas ein— zuwenden wie gegen die Ueberweisung an die Kommission. Nur wünschen wir, daß es dort nicht ein Begräbnis erster Klasse erfährt.

Den Herren, die eine Ausdehnung d

3 Gesetzes auf die Schutz.

gebiete befürchten, möchte ich sagen, es ist wirklich nicht erforderlich,

wenn, man den ersten Schritt für richtig hält, für falsch, den ersten zu unterlassen.

Gerade bei

den zweiten

der Otavi⸗

gesellschaft handelt es sich um Aktien von 1000 M, und es sind bei den Kolonialgesellschaften zum großen Teil kleine Kapitalien mit

müssen unseren Gesellschaften

beteiligt. Wir ; erleichtern, sie sind unsere

den Wettbewerb Außenposten.

in Ostasien wirtschaftlich n Wenn wir einmal für unsere stark wachsfende Be—

völkerung Brot schaffen wollen, dann sind wir genötigt, unseren Geschäftsleuten das nötige Rüstzeug zu geben, um sich im Auslande

wirtschaftlich zu betätigen, und dafür müssen wir die beste Form

wählen. die wir haben.

einandergesetzt, daß gerade deswegen die Spekulatson in

Die Aktienform ist nun die vollkommenste Geschäftsform, Ter Handelskammerbericht von Windhuk hat aus“

YP

Viamanten⸗

werten so gefährlich geworden ist, weil man keine Aktiengesellschaften habe. Die Aktienform ist das beste Mittel, das Publikum vor Ver⸗ lusten zu schützen. Wir dürfen unseren wirtschaftlchen Pionieren im Auslande dieses Hilfsmittel nicht versagen, um sich an der wirtschaft⸗

lichen Betätigung im Auslande zu beteiligen. Abg. Dr. Arendt (Rp.):

Dem Wunsche, dem Deutschtum im

Auslande zu Hilfe zu kommen, schfieße sch mich durchaus an. Aus

diesem

Grunde wünschen wir auch, daß diese Vorlage zustande

kommt, und auch ich habe mich in der Zwischenzeit davon überzeugt,

daß es wünschenswert ist, wenn diefe Vorlage Gesetz

Voraussetzung dafür ist, daß sie in einer Form zustande kommt, die

wird. Aber 8

die prinzipiellen sehr schweren Bedenken berücksichtigt, und die vor allen Dingen den praktischen Verhältnissen draußen Rechnung trägt.

Das tut die Vorlage aber in der jetzigen Form nicht

sie würde

ein Schlag ins Wasser sein. Es ist eigentümlich, daß wir diese Vorlage zweimal in einer Sezession bekommen. Soweit ich mich

erinnere, ist das der erste Fall, seit der Reichstag beste

ht. Gerade

vom Auswärtigen Amt sind wir im allgemeinen nicht auf ein großes

Entgegenkommen dem bar, Laß man schon d hält, um in einer

X NR e Session zum zmeiten Male an den Reichstag zu gehen. Der Vorredner hat sich auch darauf berufen, daß man schon in Südwestafrika anfange auszusprechen, wie nötig man kleine Aktien

brauche.

Reichstage gegenüber gefaßt, und e in Beschluß einer Kommission für ausreichend

8 ist sonder⸗

*

Wir haben in Südwestafrika auch ohne die kleinen Aktien

schon recht böse Spekulationsausschreitungen gehabt, und wir haben gar keinen Anlaß, diese noch weiter zu fördern, wie es die Windhuker

Handelskammer will.

Wenn man gegenwärtig nur von Ostasien

spricht, so verkennt man, daß es sich hier nur um'einen Fühler handelt, und daß man weiter gehen will. Gerade vom Standpunkte der Kolonialinteressen aus muß ich es aber auf das entschsedenste ablehnen,

daß man für die kolonialen Unternehmungen kleine Attien einführt. Für unsere Kolonien sind wir schon über die Grenze des Erlaubten in bezug auf die Inanspruchnahme weiterer Volkskreise für derartige Erwerbsunternehmungen hinausgegangen. Aber um so mehr bedauere ich, daß in der „Deulschen Kolonialzeitung“ vom 4. November wieder

in einem Leitartikel der Standpunkt vertreten wird:

Die kleinen

Aktien sind an sich ein Vorzug, sie sind für die Kolonien besonders vorzüglich. Deshalb sollen wir namentlich für Ostasien diesen Gesetz⸗

entwurf schaffen, und dann wird wollen, auch sehr naiver Weise—

in sehr schlauer, oder, wenn Sie gesagt, daß das Gesetz zunächst

nur für den Konsulargerichtsbezirk und das Schutzgebiet Küiautschou gelten soll, und daß man genötigt sein wird, wenigstens um dies zu

veitergehende Wünsche im

erreichen, in gegenwärtigen

zurückustellen. Also im Augenblick

gegenwärtigen

Augenblick stellt man

die Bedenken zurück, wird aber der Gesetzentwurf in Kraft treten, dann braucht man sich nicht mehr zu genieren, dann sagt man, was für Ostasien zutrifft, das trifft auch für die anderen Kolonien zu, das ist eine Ehrensache für die Kolonien, daß wir das auch tun. Und

wenn man es erst in den Kolonien hat, kann man

es auch im

Mutterlande nicht versagen. Nun ist gesagt worden, daß die Chinesen,

wenn sie spekulieren wollen, nur kleine Aktien wollen, sie stoßen sich an den größeren Aktien. Ich kann mir nicht vorstellen, wie gerade durch die Zweihundertmarkaktien etwas erreicht werden soll, während

die Engländer doch die Zwanzigmarkaktien haben.

—w—

Durch meine

Korrespondenz mit unseren deutschen Landsleuten in Asien ist mir aber jetzt endlich klar geworden, um was es sich eigentlich handelt.

*

Mir würde erklärt, daß man den eigentlichen Grund nicht habe mit⸗ teilen können, weil ihnen gesagt worden sei von amtlichen Stellen,

daß man es nicht sagen sollte, worauf es ankomme,

dann werde

der Reichstag hellhörig, und es würde gar nichts aus der Sache.

Es ist mir also von den Herren in Ostasien gesagt worden; wir wollen gar keine kleinen Aktien, wir wollen nur Aktien, wie sie in Chin egründet man

üblich sind, in der chinesischen Währung. In China b

Aktiengesellschaften mit Aktien von 160 Dollar oder

In

100 Taels.

Mit der viel erörterten Brauerei in Tsingtau habe ich auch

korrespondiert.

Der Herr, der sie gegründet hat,

ist zuerst

in Tsingtau gewesen und hat den Gouverneur gefragt, ob es nicht möglich wäre, die Gesellschaft unter deutschem Schutz mit Hundert—

dollaraktien zu begründen. Wenn Sie sich die Petitionen genau ansehen, so finden Sie auch in der Deutschen Vereinigung Schanghat eine Stelle, hinweist. Nun sind 100 Dollar aber gar nicht 200 M.

vorliegenden

der Petition

die darauf Die Herren

XV lIe

haben mich wegen dieses Einwandes beruhigt. Und in der Tat ist in dem jetzigen Gesetzentwurf gegenüber dem ersten ein Punkt verändert worden. Es ist hinzugesetzt worden: „Für die Umrechnung in die andere Währung kann der Reichskanzler Durchschnittskurse festsezen.« Und in der Begründung ist hierzu gesagt: „Ohne eine solche Festsetzung könnte ein in fremder Währung geplantes Unter— nehmen dadurch in Schwierigkeiten geraten, daß während? der Gründungs⸗ vorgänge der Betrag, auf den die Aktie gestellt werden soll, infolge einer unbedeutenden Kursschwankung dem Werte von 200 S0 nicht mehr entspräche. Nun ist es mir aber unerfindlich, wie man auf dieser Grundlage das Gesetz so handhaben will, daß man Hundertdollaraktien ausschreiben will, die doch nur auf 185 stehen, und kein Mensch kann wissen, ob sie nicht in 4 Wochen nur 176 gelten. Für uns ist der Goldwert fest im Werte, für die Chinesen der Silberwert, und der Chinese will nicht di Kurs⸗ schwankungen riskieren, die die deutfche Goldschwankung für ihn hat. Deshalb will er sich am deutschen Gelde nicht beteiligen. Ich erkenne voll an, daß die Beteiligung des chinesischen Geldes für die Ausbreitung unseres Handels sehr wünschenswert ist, und ich bin deshalb durchaus für die Ausgabe von Hundertdollaraktien. Gesteht man diese zu, so kann sich kein anderes deutsches Schutzgebiet darauf berufen. Wie kann man nun aber sagen, man trage diesem praktischen Bedürfnis Rechnung, wenn der wahre Wert der 100 Dollar nur 185 ½ ist. Es wird ja dem Reichskanzler eine ungesetzliche Handlung zugemutet, wenn er einen Wert für' 200 erklärt, der nicht diesen Wert hat. Da wirft sich auch sofort die staatsrechtliche Frage auf, ob die etatsmäßige Relation von 1 Dollar gleich 2 S berechtigt ist. Unsere Budgetkommission ist darüber bis jetzt zu leicht hinweggegangen. Die Kurs— schwankungen des Silbers können leicht dazu führen, daß die Gehälter unserer Beamten und Soldaten entsprechend verkürzt werden. Ich be— grüße es sehr dankbar, daß auch diese Vorlage und ihre Begründung die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt gelenkt hat. Nun hat man auf gewisse Usancen hingewiesen, die hier bestehen sollen. Gewiß kann die Börse Durchschnittskurse festsetzen; aber was hier beabsichtigt ist, widerspricht dem objektiven Recht, das würde flagrant verletzt

werden. Das Bedürfnis ist nicht auf eine Zweihundertmarkaktie,

sondern auf eine Hundertdollaraktie gerichtet, in China gibt es keine Goldwährung, darum ist der Chinese nicht dafür zu haben! Das wird noch ausdrücklich durch Zuschristen bestätigt, die direkt in Zweifel ziehen, daß die Vorlage helfen wird, dieses Ziel zu erreichen. Zu meiner Freude hahe ich erfahren, daß der Kollege Görcke, der selbst in Ost asien gewesen ist, die Richtigkeit dieser Auffassung durchaus anerkennt. Hoffentlich wird es in der Kommission gelingen, die Vorlage in diesem Sinne zu reformteren. Nun verstehe ich aber abfolut nicht, warum man wegen dieser lokalen ostasiatischen Verhältnisse ein Gesetz für sämtliche Konsulargerichtsbezirke, also auch für die Türkei, für Marokko und Tripolis, machen will. Das Gesetz muß eingeschränkt werden auf das Gebiet, wo das Bedürfnis hervor⸗ getreten ist, auf Ostasien. Der von dem Zentrum angekündigte Antrag, die Zulassung in Deutschland in jedem Falle von der Zu⸗ stimmung des Reichskanzlers abhängig zu machen, erscheint mir nicht beifallswürdig, vielmehr gefährlich; es würde dann diese Zustimmung des Kanzlers mit einer gewissen Feierlichkeit betont und verwertet werden. Notwendig ist, alles zu tun, um der Aus— breitung der Spekulation und des Börsenspiels entgegenzuarbeiten, nicht aber die Dämme einzureißen, die wir noch besitzen, und zu den wichtigsten Vorbeugungsmaßregeln gehört das Verbot der kleinen Aktien. In diesem Punkte hat der Kollege Geck durchaus recht; haben wir einmal A gesagt, dann sind die Konsequenzen von selbst gegeben. Hätten wir die Vorlage im vorigen Jahre angenommen, so waͤre nicht einmal der famose Ausweg des Durchschnittskurses vor handen gewesen. Mir ist es noch nicht vorgekommen, wie man derart praktisch Bedürfnisse vom grünen Tische aus verballhornt hat. Jedenfalls darf prinzipiell an den Prinzipien unserer Aktiengesetz⸗ gebung nicht gerüttelt werden.

Kommissar des Bundesrats, Vizepräsident des Reichsbank⸗ direktoriums Dr von Glasenapp: Ber Vorwurf, daß bei diesem Gesetzentwurf eine Art Illoyalität begangen sei, ist vollkommen unbegründet. Der Entwurf bestimmt, daß durch Anordnung des Reichskanzlers für einen Konsulargerichtsbezirk bestimmt werden kann, daß die Aktien auf einen Beirag von weniger als 1000, jedoch nicht von weniger als 200 S oder auf einen entsprechenden Betrag in einer anderen Währung gestellt werden dürfen, und daß für die Umrechnung in die andere Wäbrung der Reichskanzler Durchschnitts⸗ kurse festsetzen kann. Die verbündeten Regierungen sind der Meinung, daß der Wert von 200 als richtig angesehen werden kann. Da nun sehr viel daran liegt, daß die Aktien auch nach anderer Währung aus⸗ gestellt werden durfen, so ist es zur Ausführung des Gesetzes not wendig, daß der Reichskanzler Durchschnittskurse festsetzen kann. Nun sagt der Abg. Arendt, dahinter stecke der Gedanke, daß unter allen Umständen 100 Dollar für die Aktie angenommen werden, und darauf komme es den deutschen Kaufleuten in China an. Diese Behauptung ist nicht zutreffend. Die überwiegende Anzabl der ausländischen Aktiengesellschaften dort hat nicht Aktien nach Dollars, sondern nach Taels. Der Abg. Arendt meint ferner, daß seit 10 Jabren der Kurs von 100 mexikanischen Dollars nicht den Wert von 2060 M er reicht habe. Tatsächlich ist aber noch 1905 der Wert 207 . gewesen, 1906 235 S, 1907 228,5 SS, und in allerneuester Zeit, am 19. Oktober d. J. stellte sich der Kurs auf 207,5 S6. Der Kurs des mexikanischen Dollars richtet sich natürlich nach dem Silberwert, aber nicht ausschließlich danach, es kommen noch andere Gesichts punkte in Betracht, insbesondere auch Angebot und Nachfrage. Der Reichskanzler wird natürlich den Kurs nach eingehender Er

wagung auf Grund der Informationen, die er im Osten eingezogen

agu hat, und unter Berücksichtigung der gesamten Gestaltung des Kurses des mexikanischen Dollars in Ostasien, des bisherigen Kurses, des gegenwartigen Kurses und des zu erwartenden Kurses, sowie unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse festsetzen.

Abg. Ortel (nl.): Ich für meine Person freue mich, es noch erlebt zu haben, daß dieses Gesetz wiedergekommen ist. Meine Freunde sind bei der Wöichtigkeit der Materie der Meinung, daß sie nicht der Budgetkommission überwiesen wird, fondern eine be sondere Kommission von 14 Mitgliedern erforderlich ist. Mit der Anregung des Abg. Beljer wegen der Zustimmung des Reichskanzlers bei der Julassung in Deutschland stimme ich überein. Es heißt, die Festsetzung eines Durchschnittskurses durch den Reichskanzler sei ver⸗ sassungswidrig; mit der Verfassung hat das aber gar nichts zu tun. Die Gegnerschaft sieht die Gefahr, daß die kleinen Aktien auch nach Deutschland übergreifen werden. Aber so viel Zutrauen müssen wir doch zu der Regierung haben, wenn sie bündig erklärt, daß das nicht geschehen soll. Der Beteiligung des kleinen chinesischen Kapitals an unseren Unternehmungen lege ich großen Wert bei, damit der deutsche Kaufmann konkurrenzfähig gegen den Engländer bleibt. Wenn das Gesetz nur für einen bestimmten Konsulargerichtsbezirk gelten soll, so kann mit Leichtigkeit die Bestimmung für Sstasien hineingeschrieben werden. Wir bitten also um die Ueberweisung an eine Kommission von 14 Mitgliedern.

Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Bei früheren parlamentarischen Verhandlungen hat man immer großen Wert auf die Grenze von 1990 46 für Aktien gelegt, und der Abg. Eugen Richter hat ent⸗ schieden einer Herabsetzung des Aktienwerts auf 266 oder 6600 Ib widersprochen, und der frühere Kolonialstaatssekretär Dernburg hat gesagt, daß gerade diese Grenze uns vor zahlreicheren Unglücksfällen an der Börse bewahrt habe. Nun aber will man zweierlei Recht zwischen dem Deutschen Reich und den Konfulargerichtsbezirken schaffen; gerade dieser Umstand sollte denjenigen den Geschmack an der Vorlage verderben, die sonst immer nach dem gleichen Recht für alle rufen. Die wirtschaftlichen Interessen einzelner brauchen unt nscht zu zwingen, das zu tun, was sie wünschen; wir können auf fie nur Rück⸗ sicht nehmen, wenn mit der Erfüllung solcher Wünsche keinerlei Be— denken für die Gesamthelt verbunden sind. Die Gefamtheit des deutschen Volkes ist aber an diesen kleinen Aktien gar nicht inter⸗ essiert, und die Frage wird überhaupt niemals eine große Bedeutung

haben. Das Ansehen Deutschlands soll verletzt sein, wenn Deutsche mit ihren Unternehmungen unter ein fremdes Gesetz gehen; ich meine, das Ansehen Deutschlands wird in viel höherem Maße dadurch ge⸗ wahrt, daß unsere Unternehmungen draußen zu allen Zeiten im Rufe der strengsten Solidität und Anständigkeit fliehen. Der Ünternehmer, der mit seiner persönlichen und materiellen Verantwortung hinter seinem Unternehmen steht, wird das berücksichtigen, aber nicht eine Aktiengesellschaft, gerade weil sie unpersönlich ist. In Frankreich nennt man die Aktiengesellschaften bekanntlich anenyme Gesellschaften. Die Gründungsgeschichte solcher Gesellschaften zeigt, daß man lediglich mit Hilfe kleiner Gründungskapitalien Millionen verdienen will. Dernburg hat sich früher mit aller Bestimmtheit gegen die kleinen Aktien in den Schutzgebieten ausgesprochen. Seit 1902 ist für die Kolonien die Form“ der Kolonialgesellschaften mit An⸗ teilen von 190 S0 zugelassen worden, aber unter der aus— drücklichen Voraussetzung, daß diefe Gesellschaften von der Genehmigung des Reichskanzlers abhängen sollten. Wenn dagegen angeführt worden ist, daß die Genehmigung zu lange dauere, so beweist dies, daß die Betreffenden eine Prüfung fürchteten. Ich hin der Meinung, daß das Gesetz der Spekulation Tür und Tor öffnen wird. Ich bedauere, daß der Kollege Heckscher nicht bier ist, er hat denselben Gedanken vertreten. Dr Karl Peters hat ebenfalls wie der Abg. Heckscher auf die englische Spielwut hin⸗ gewiesen; von dieser ist leider auch ein Teil. unserer deutschen Reichsangehörigen ergriffen. Ich habe nichts dagegen, daß sich die Großen in Boörsenspiel die Gurgel abschneiden, aber bedenklich ist, wenn auch die Kleinen in die Spekulation hineingezogen werden. Die kleinen Aktien werden unter den kleinen Leuten in VUuslande ebenso perhängnisvoll wirken wie bei uns. Es werden darunter Leute sein, die nicht einmal lesen und schreiben können. Verkracht ein solches Unternehmen, gehen die Kurfe und- die Dividenden“ her— unter, dann werden die kleinen Leute dort ihrer Wut noch einen ganz anderen Ausdruck geben, als es in Deutschland geschieht. Der Abg. Dove sagte, die Leute spekulierten heute schon; gewiß, aber wir wollen wenigstens unser Schuldkonto nicht ver⸗ größern und die Reibungsflächen im Auslande nicht noch. verschärfen. Bedauerlich ist die Haltung des Zentrums von heute. Es will zu⸗ frieden sein, wenn nicht mehr der einzelne Börsenvorstand, sondern der Reichskanzler über die Zulassung der kleinen Aktien entscheiden soll. Der Abg. Arendt haf schon darauf hingewiesen, wie prekär dieses Mittel ist. Der Reichskanzler hat ja diese Vorlage unter— schrieben, er kann tun, was er will. Warum gebt man nicht einen Schritt weiter und läßt den Reichstag entscheiden? In unseren demekratischen Zeitläuften wäre das notwendig. Es müßte in das Gesetz hineingeschrieben werden, daß solche Zulassungen hinfällig sein müssen, wenn der Reichstag nachträglich feine Zustimmung verweigert. Im übrigen kann ich empfehlen, die Vorlage an die Budgetkommission zu verweisen, weil die Angelegenheit eine finanzielle ist? Werfet die Vorlage in die Kommission, hoffentlich auf Nimmerwiedersehen.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:

Meine Herren! Es ist auch heute wieder mehrfach der Be⸗ fürchtung Ausdruck gegeben worden, daß, wenn dieses Gesetz von Ihnen verabschiedet würde, ein Einbruch in die in ländische Gesetzgebung erfolgen könnte, daß der Art. 180 des Handelsgesetz⸗ buchs, der sich für unsere inländischen Verhältnisse als segensreich er⸗ wiesen habe, abgeändert, daß also Aktien unter 1000 „6 bei uns zu⸗ gelassen werden könnten. Ich bin dieser Befürchtung schon in der Sitzung vom 25. April 1910 mit aller Entschiedenheit entgegen— getreten und kann auch heute namens der Reichsregierung nur bündig erklären, daß diese nicht daran denkt, an unserer inländischen Gesetz⸗ gebung rütteln zu lassen.

Ich möchte noch das eine erwähnen. Der Herr Abg. Dr. Arendt hat von einem zu dem vorliegenden Gesetzentwurf erstatteten Gut⸗ achten des Reichsjustizamts gesprochen. Es wird ja heutzutage öfter von Gutachten des Reichsjustizamts, die ich erstattet haben soll, gesprechen. (Heiterkeit) Meine Herren, von einem Gutachten in der vorliegenden Angelegenheit ist mir nichts bekannt.

Abg. Kam pf (fortschr. Volksp.): Der Abg. Arendt hatte mir mitgeteilt, daß er etwas ganz Neues vorbringen würde. Er hatte mich neugierig gemacht, welche Geheimnisse er hat, seine Rede hat mich aber durchaus enttäuscht. Denn was er gesagt hat, ist in der Vorlage ausdrücklich und breit auseinandergesetzt. Mit seiner Ent deckung der Hundertdollaraktien hat er gar nichis Neues gesagt. Es bandelt sich hier nicht um lokale, sondern um große allgemeine Interessen. Geht China aus der Revolution gestärkt hervor, so werden wir einen großen Aufschwung des chinesischen Reiches erleben. An diesem Aufschwung können wir aber nur Anteil nebinen, wenn wir das rechte Rüstzeug haben. Die Engländer und Amerikaner suchen durch Schulen die Chinesen mit ihren Interessen zu verknüpfen. Durch die Schaffung der kleinen Aktien könnten wir das chinesische Kapital ebenfalls an unsere Interessen fesseln.

Abg. Dr. Görcke (nl. : Um der Wirtschaftlichen Vereinigung entgegenzukommen, sind wir damit einverstanden, daß der Entwur nicht an eine Kommission von 14, sondern an eine solche pon 21 Mitgliedern geht. Für die Ueberweisung an die Budget— kommission sind wir nicht, da würde der Entwurf nicht mehr heraus kommen. Wir würden es sehr bedauern, wenn diese Vorlage nicht verabschiedet werden könnte. Denn es ist allerhöchste Zeit, daß wir der dortigen Kaufmannschaft zu Hilfe kommen. Gewiß, auch wir wünschen keine Spekulation, aber auch jetzt ist schon genügend spekuliert worden, trotzdem wir die kleinen Aktien nicht gehabt haben. Gewiß wollen wir darauf halten, daß unsere Gesellschaften draußen reelle Geschäfte machen; aber zunächst müssen sie doch einmal da sein. Was die Gehälter in Tsingtau betrifft, so hat der Abg. Dr. Arendt da in der Tat einen Punkt berührt, der auch schon in der Rechnungs⸗ kommission zur Sprache gekommen ist. Ein Nachteil für den deutschen Beamten dort entsteht durch die Kureschwankungen nicht, wohl aber für die eingeborenen Beamten und Angestellten. Immerhin wird es angezeigt sein, auch in der Budgetkommission darüber weiter Klarheit zu schaffen. Der Abg. Geck meinte, die deutschen Arbeiter brauchten Brot. Das wollen wir ja gerade auch dadurch schaffen, daß unser Absatz in diesem Gebiet sich vermehrt.

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1

J 1Br* Fahre

d

Die Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen. Darauf setzt das Haus die Besprechung der Inter⸗

pellgtison der Sozialdemokraten über die Entlassung von Reichseisenbahnarbeitern fort.

Abg. Böhle (Soz.): Die linksstehenden bürgerlichen Parteien haben sich in der Besprechung mit dem Vorgehen der Verwaltung der Reichseisenhahnen nicht ganz einverstanden erklärt. Sie billiaten die sofortige Entlassung nicht und gaben dem Verlangen Aus druck, daß bezüglich der Arbeiterausschüsse usw. zeitgemäße Reformen erfolgen möchten. Hoffen wir, daß diese Ausführungen nicht nur vor den Wahlen, sondern auch nach denselben ihren Wert behalten. Da— gegen hat sich der Abgeordnete Behrens auch diesmal wieder als ein Arbeiterführer erwiesen, der die Geschäfte der rechten Seite des Hauses besorgt. Durch seine gestrige Rede hat er sich noch ganz ausdrücklich für die ihm so wie so sichere Unterstützung der Konserbativen in empfehlende Grinnerung bringen wollen. Ich kann dem Abg. Behrens als Arbeiterführer überhaupt nicht ernst nehmen; darüber haben doch nicht die Konservativen, sondern in eister Linie die Arbeiter selbst zu entscheiden. Der Abg. Becker-⸗Arnsberg hat einen Eiertanz aufgeführt, wie es sich für einen

richtigen Zentrumsmann geziemt. Er sprach von dem sozialdemo— kratischen Terrorismus. In Bayern hat das Zentrum einen Be⸗ schluß gefaßt, der den Ausschluß der sozialdemokratischen Arbeiter aus den Staatäeisenbahnwerkstätten verlangt; dieser Beschluß hat heute zur Auflösung des hayerischen Landtag? geführt. Eine Partei, die einen solchen Ferrarismus übt, die Ausnahmegesetze für die Arbeiter fordert, hat kein Necht, sich über sozialdemokratischen Terrorismus zu heschmeren;. Dem Minister von Brestenbach gegeniiben vertecten n den Standpunkt, daß auch die Fisenbahnwerkstttenar beiter unter die Gewerbe⸗ ordnung fallen. Auch der fortschrittliche Abg. Cuno teilt dies⸗ Anschauung. Wir bestreiten der Eisenbahnverwaltung“ das Recht, Arbeiterbereine die außerhalb des Betriebs gegründet sind, zu überwachen. Das Vor! gehen der Verwaltung ist, ein ungesetzlicheß und muß entschieden zurückgewiesen werden. Ebenso bestreiten wir, daß die Arbeiter den in die. Versammlung entsandten Beamten Achtung und Gehorsam schuldig sind. Wäre der Standpunkt des Ministers richtig, dann wären die Eisenbahnarbeiter Staatsbürger minderen Rechts Auch das Verlangen, daß der Verband der Verwaltung Mitteilung über Mitgliederzahl, Kassenbestand usw. machen sollte, ist unberechtigt. Wie kommt ferner die Verwaltung der Reichseifenbahnen dazu zu verlangen daß ihr mitgeteilt wird, welche Arbeiter den Kon“ umbereinen angehören? Das ist ein ganz unerbörfer Eingriff in das Privatleben der Arbeiter, eine unzulässige Bevormundung. Das sind reine Privatgründungen, mit denen die Sozial⸗ demokraten gar nichts zu tun haben. Der Minister hat gestern gesagt, daß den Verband der Eisenbahnarbeiter der Verwaltung den größten Widerstand entgegensetzte, daß der Verband bestimmt habe, daß bei der nächsten Wahl nur organisierte Arbeiter in den Aus schuß gewählt werden solsen. Dazu haben die organisierten Arbeiter das echt. Der Minister sagte, die Löhne in Mnmhen Eisenbahn⸗ werkstätten seien um 283 6 gestfegen. Das ist richtig; aber man muß dabei beräcksichtigen, daß die Löhne vorher sehr niedrig waren und daß die Lebenshaltung viel teurer geworden ist. Der Minisser hat die Kritik des Schmiebs Oertel in einer Versammlung in Metz als verletzend und verhetzend bezeichnet. Der Vertrauensmann der Verwaltung bat die Aeußerung nicht richtig wiedergegeben. Außerdem handelt es sich bei den Gemaßregelten um Leute, die 25, 38 Jahre tätig waren, von denen einer eine Belobigung erhalten hät Der offiztelle Aufsichtsbeamte hat sich lobend über das Referat des Schmieds Oertel ausgesprochen. Ez war aber noch ein nicht— offtzieller Beamter zur Ueberwachung des anderen Beamten da, und dieser hat Oertel Worte in den Mund gelegt, die er nicht getan hat. Die Vernehmung von Zeugen, die sie bestätigen sollt'n, wurde von der Verwaltung abgelehnt. Es ist ein Skandal, daß der Chef der Verwaltung so etwas duldete. Jedenfalls muß man sagen, daß das Verfabren, das da eingeschlagen wurde, nicht korrekt war. Die Arbeiter haben gegen ein Verfahren prötestiert, das einer Bespitzelung sehr ähnlich sieht. Ich erwarte vom Minister von Breitenbach, daß er klipp und klar uns den Namen jenes Beamten nennt, damit sich die Arbeiter vorsehen Fönnen. Die Eisenbahnarbeiter in den Bischheimer Werkstätten haben keinen Einfluß auf die Pensions— und Krankenkasse und dürfen ohne Genehmigung der Verwaltung nicht zusammentreten. Den Mitgliedern der Ausschüffe ift es ver boten, ihren Kollegen über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten. Das Zufriedenheit hervorrufen. Der Minister sagte, daß die mokratie die Disziplin, die Autorität der Verwaltung unter— Ich stelle fest, daß der Verband auf das Streikrecht ver⸗ hbhtet hat. Danach hat der Minister nicht das echt, zu sagen, die reine stehen auf. dem Boden des Streikrechts. Daß? die Arbeiter bon ihrem Kündigungsrecht Gebranch machen, ist ihre Sache. ĩ er. Minister hat Legien nicht vollständig zitiert. Legien tat den Ausspruch, um gegen „den Massenstreik zu ovponieren. Er hat das Gegenteil bon dem gesagt, was ihm der Minister untergelegt hat. Das Vorgehen des Ministers ist nicht gerechtfertigt. Er kennt den Volkscharakter an der Westgrenze nicht. Die preußische Schnesdigkeit bat doch eines Tages ein Ende. Aber fahren Sie nur ruhig so fort, das ist die beste Agitation. .

de R

h Preußischer Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: r

Meine Herren! Ich müßte meine Rede vom gestrigen Tage zum zweiten Male halten, wenn ich auf die Gesamtheit der Beschwerden des Herrn Vorredners eingehen wollte. Einiges will ich aber doch heraasgreifen. Er sagte u. a. was im Privatbetriebe möglich sei, nüsse auch im Betrtebe der Reichseisenbahnen möglich sein. Ich be— dauere, daß der Herr Vorredner meinen gestrigen Ausführungen so wenig gefolgt ist und auch, daß er so wenig gehört hat, was von dem überwiegenden Teile der Herren Abgeordneten gestern vorgebracht worden ist. Es ist ausdrücklich festgestellt worden, daß gewisse Ein⸗ schränkungen der Vereins. und Versammlungsfreiheit notwendig sind, aber doch, wie der Herr Redner der Nationalliberalen sehr zutreffend sagte, nur insoweit, als die salus publica es erfordert. Ich drückte es in der Form aus, daß ich sagte: soweit es die zwingende Not⸗ wendigkeit des Eisenbahnbetriebes erfordert. Darin bestand n den Vertretern der Reichsregierung und fast sämt⸗

Parteien vollständige Uebereinstimmung. Mir hat es

geschienen, als wenn auch der Herr Abg. Dr. Müller (Meiningen) dieser Auffassung nicht fernstand. Ich habe das aus der Mitte seiner Partei von dem Herrn Abg. Konrad Haußmann vor ein oder zwei Jahren ausdrücklich feststellen hören. Er sagte: dem Eisenbahner ist der Streik verschlossen. An dieser Auffassung ist der Herr Abg. Böhle vollständig vorübergegangen. Das möchte ich vorweg feststellen.

Dann hat der Herr Abgeordnete noch einmal die einzelnen Falle unter die Lupe genommen, die den Beschwerden zugrunde liegen. Ich meine, wenn man über die Vorgänge urteilen will, so muß man die Frage in toto beurteilen, und aus dem gesamten Verhalten de Mitalieder des Verbandes hat die verantwortliche Verwaltung in Elsaß Lothringen den Schluß gezogen, daß dieser nicht mit der Ver— waltung, sondern gegen sie arbeitet, daß sich Mitglieder von ihm gegen die Autorität auflehnten und den Gehorsam verweigerten. Daraus ist zu erklären, daß in dem einzelnen Falle scharf eingegriffen worden ist. Wenn eine Verwaltung sich entschließt, einen Arbeiter, der 28 Jahre in ihren Diensten steht, zu entlassen, dann müssen doch außerordentlich schwere Gründe vorliegen. Wir gehen doch nicht mit den Interessen unserer Arbeiterschaft leichtsinnig um, sondern im Gegenteil, wir setzen uns für unsere Arbeiter nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten ein. (Zuruse bei den Sozial— demokraten.) . Was nun den Fall des Arbeiters Oertel anlangt, der infolge seiner Rede in Metz entlassen worden ist, so mag der Fall liegen, wie er will. Der Arbelter hat, nachdem er sich mit der General— direktion verständigt hatte, eine bestimmte Erklärung im Verbands organ abzugeben, dieses Versprechen dadurch völlig annulliert, daß er vor diese Erklärung, die ich bereits verlas, setzte: Ich komme hiermit dieser Aufforderung nach, obgleich ich mit den in der Zuschrift ut baltenen Anmaßungen und Erklärungen nicht einverstanden bin. Das Wesentliche aber seiner Beschwerden, seiner Angriffe, seiner ge⸗ hässigen Agitation hat er zugestanden. Darüber besteht nicht 9 geringste Zweifel. Wenn nun die Generaldirektion der gteickseisenbahnverwaltung diesem Arbeiter im Juni 1911 be— stätigt, daß er zufriedenstellend 25 Jahre gearbeitet habe

zweifellos, daß in dem Augenblick, wo sie dieses Belobigungsschreiben aufsetzte, die Verwaltung ohne Kenntnis der Vorgänge gewesen ist, die dem Arbeiter nachher zum Vorwurf gemacht wurden, die zu seiner

schwerde herjuleiten; darum kann man der Verwaltung nicht vor— werfen, daß sie ein Unrecht begangen habe. (Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten.)

Was die von dem Herrn Abgeordneten neuerlich behandelte Frage betrifft, ob bestimmte Gruppen der Arbeiter der Reichseisenbahn oder überhaupt sämtlicher Gisenbahnverwaltungen der Gewerbeordnun g unterliegen, so ist dies eine alte Streitfrage, die sich durch viele

der höchste Gerichtshof des Reichs, das Reichsgericht, daß eine Reihe anderer hoher Gerichtshöfe übereinstimmend festgestellt haben, die Gewerbeordnung finde auf die Werkstättenarbeiter der Eisenbahn⸗ verwaltungen keine Anwendung.

Meine Herren, in gewissem Sinne bedaure ich das außerordent— lich. Wir können mit aller Ruhe die Gewerbeordnung auf uns an— wenden lassen; denn unsere Einrichtungen in den Werkstätten insbesondere bezüglich des Schutzes der Arbeiter sind so hervorragende, daß wir zu keiner Zeit, als die Beamten der Gewerbeinspektion revi⸗ dierten, Anstände gehabt haben; im Gegenteil, es ist festgestellt worden, daß unsere Einrichtungen über dasjenige hinausgingen, was gefordert werden mußte.

Wenn der Herr Abgeordnete nochmals auf die Acußerungen des Herrn Legien auf dem Mannheimer Parteitage zurückgekommen ist und mir vorgeworfen hat, daß ich diese Aeußerungen aus dem Zu⸗ sammenhange gerissen hier vorgetragen habe unter Auslassung wesent⸗ licher Worte, so bemerke ich, daß mein Zitat wörtlich mit dem des Herrn Abgeordneten übereinstimmt; es fehlen nur die Worte „und diese'. Es heißt:

Um das Getriebe des Staats lahmzulegen, bedürfen wir in erster Linie der Organisation der Transportarbeiter, „und diese insbesondere die Eisenbahner, . ..

Ich hatte die Worte „und diese“ weggelassen und nur gesagt: ins⸗ besondere die Eisenbahner fehlen unserer Organisation“. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Abg. Legien bedauerte das. Er sagte im Anfang seiner Rede:

„Entweder man sucht durch den politischen Massenstreik das ganze Getriebe des Staates lahmzulegen und dadurch die herrschen— den Klassen zu zwingen, die Anforderungen des Proletariats anzu⸗ nehmen, oder man betrachtet einen solchen polttischen Massenstreik als Demonstration nach außen, um zu zeigen, welche Massen heute für die Forderungen des Proletariats eintreten. Daß wir das erstere wenigstens in der gegebenen Situation nicht können, darüber sind wir uns wohl alle klar. (Hört! hört! rechts.)

Daraus folgt doch, daß er es lebhaft bedauert, daß er das in der gegenwärtigen Situation nicht ausführen kann. (Sehr richtig rechts) Ich begreife nicht, wie man diese Worte des Abg. Legien, die ich jedem friedlichen Staatsbürger ins Stammbuch schreiben möchte, ableugnen kann. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, ich gehe dann auf einige Aeußerungen und einige Wünsche ein, denen die Herren Redner am gestrigen Tage Autdruck gegeben haben. Der Herr Abg. Becker (Cöln) meinte, daß der freiwillige Verzicht der Arbeiter auf das Streikrecht von seiten der Verwaltung ein gewisses Aequivalent erfordere. Das ist ja ein Gedanke, der nicht unnatürlich ist. Aber wenn man davon ausgeht, daß der Verzicht auf das Streikrecht des halb erforderlich ist, weil die salus publica dazu zwingt, dann, meine ich, kann man auch von einem Aequivalent nicht sprechen. Tatsächlich aber stehen die Arbeiter der Reichs- und Staateeisenbahnbetriebe ganz erheblich besser als alle anderen Arbeiter, auch die der anderen Staate betriebe, ine besender als die in Privatbetrieben tätigen.

Der Herr Abg. Behrens hat gestern bereits auf das Einrücken der Arbeiter in die Interbeamtenstellen hingewiesen. Ich will die Zahlen nicht noch einmal bekannt geben. Ich habe bei den Etats verhandlungen für 1911 bier in ausführlichster Weise dargetan welcher außerordentlich große Prozentsatz von Arbeitern dauernd in Beamtenstellen aufgenommen wird. Der Herr Abg. Behrens ent— wickelte sehr richtig, daß schon aus diesen Grunde, weil ein großer Teil unserer Arbeiter in Beamtenstellen übergeht und weil es un⸗ denkbar und unmöglich sei, daß ein Beamter, der dem Kaiser und dem König den Treueid leistet, Sozialdemokrat sei, unsere Arbeiter auch keine Sozialdemokraten sein dürften, eine Argumentation, die mir außerordentlich einleuchtet. Also, meine Herren, das ist das Erste und Wesentlichste, daß wir einem großen Teil unserer Arbeiter so gesicherte Stellen geben, wie sie die Beamtenstellungen darstellen.

Dann, meine Herren, ein weiteres, was gar nicht genügend ge würdigt werden kann: daß wir aus der Lage des Wirtschastsmarkts niemals die Konsequenz ziehen, überschüssige Arbeiter abzustoßen. Diese Auffassung hat sich so fest in der Verwaltung eingebürgert, daß wir, als die Depression im Jahre 1907 einsetzte und sich in den Jahren 1908 und 1809 fortsetzte, im Betriebe der Reichseisenbahn eine außerordentlich große Zahl ich wage es gar nicht zu sagen, wie viel es gewesen sind von Arbeitern durchgehalten haben, indem wir uns sagten: weil dieser Staatsbetrieb an die Arbeiter ganz be⸗ sondere Anforderungen stellt, halten wir sie. (Lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.)

Ein Weiteres. In der Zeit der wirtschaftlichen Depression setzten wir die Löhne nicht herunter. Wenn Sie die Statistik der Löhne in den Privatbetrieben, in den Bergwerlebetrieben, in den Hochofen— betrieben, in Betrieben der Walzwerke verfolgen, so werden Sie ein Sinken der Löhne feststellen. Das wird mir niemand bestreiten können Und nun stellen Sie fest, wie sich die Reichseisenbahnverwal— tung und wie sich die Staate verwaltungen in solchen Situationen verhalten: kein Lohnsatz wird heruntergesetzt; der Arbeiter hat die Sicherheit, daß er mit dem, was ihm in besseren Zeiten zugebilligt ist, weiter wirtschaften darf. (Hört! hört! rechts.)

Meine Herren, wir haben ferner einem ausdrücklichen Wunsche dieses hohen Hauses entsprochen und unseren Arbeitern eine weitere Sicherstellung gegeben: wir haben angeordnet, nicht nur daß die Mitglieder der Arbeiterausschüsse nur unter ganz besonderen Be dingungen entlassen werden dürfen, nein, auch wenn ein Arbeiter, der über 10 Jahre der Verwaltung angehört, entlassen werden soll, be⸗ darf es einer Entscheidung der Direktion. (Oört! hört! rechts.) Es sst sogar erforderlich, daß der Präsident oder sein Vertreter die endgültige Entscheidung mitzeichnet. (Hört! hört! rechts) Ich glaube, jeder Un—

und infolgedessen eine Belobigung verdiene, so ist doch ganz

befangene wird anerkennen müssen, daß alle diese Maßnahmen und Ein

Entlassung führten. Ich meine, daraus ist doch sicherlich keine Be⸗

parlamentarische Verhandlungen gezogen hat. Ich stelle nun fest, daß“

richtungen dafür zeugen, daß die Verwaltung der besonderen Stellung ihrer Arbeiterschaft besondere Rechnung tragen will, und mir scheint der Vorwurf in keiner Weise begründet zu sein, der mir hier von seiten der Sozialdemokratie entgegengeschleudert wurde.

Meine Herren, es ist mir zufällig gestern eine ganz kurze Notiz vorgelegt worden aus der „Deutschen Volkswirtschaftlichen Korre⸗ spondenz“, und zwar ist es eine Zuschrift aus Südfrankreich. Tie

Aeußerung sleht offenbar noch unter den Eindrücken, die der französische Eisenbahnerstreik dort hinterlassen hat, der ja heute noch in seinen Folgewirkungen mächtig nachwirkt. Da heißt es:

Wir wollen uns hüten, die Festigkeit und Straffheit unserer staatlichen Organisationen, den Sinn für die Unterordnung unter staatliche Notwendigkeiten, die Achtung auch vor dem harten Gesetz verschwinden zu lassen.

Meine Herren, das sind die Auffassungen, die mich in der Ver—⸗ waltung dieses ver— ntwortlichen Amtes leiten und stets leiten werden. (Bravo! rechts.)

ö Abg. D Sp ahn⸗ Warburg Zentr.): Schon im August hat er Abg. Böhle von dem Verband in einer Resolution den Auftrag erhalten, das Verhalten der Generaldirektion vor aller Welt zu „brandmarlen! und an den Pranger zu stellen. Diese Brand⸗ markung ist dem Herrn nicht gelungen, und auch die Linke hat sich nicht identifiziert mit den Darlegungen der Sozialdemokratie. Die hr ße Mehrheit der Liberalen hat bloß Krstik geübt an Ten Arbeiterentlassungen. Das ist auch von unserer Seite geschehen. Die Kritik der bürgerlichen Parteien hat es beklagt, daß die Verwaltung gleich mit Entlassungen vorgegangen ist, daß sie zu hart war, und wir unserseits haben Aequivalente dafür verlangt, daß die Arbeiter auf das Streikrecht verzichten. Der Abg. Becker di ausschüsse miteinander in? erweitert werden.

n B

llassen In ist, der Krüppel im Eisenbahndienst ge⸗

Ich bitte die Verwaltung, nachzuprüfen, ob nicht eine

keichterung der Lage für Marchand und fär die anderen Be⸗ tzoffenen eintreten kann. Kein Verständnis habe ich aber für die Art, wie die Sozialdemokratie im Intereffe der Agitation aufgetreten t. Der Abg. Böhle forderte, daß der Minister den Namen des Nannes nennen solle, der der Verwaltung berichtet hat; er sprach von Skandal uswm. Es gehört viel Mut dazu, dem Minister gegenüber so starke Worte zu gebrauchen, wo er sich in einer ganz verwandten Sache Bor acht bis vierzehn Tagen geweigert bat, den Namen zu nennen. 88 war behauptet worden es wären Mitglieder der Straßburger Jentrumspartei an die Sozialdemokrafie behufs Abschlusses eines Wahlbündnisses he treten. Wir haben das bestritten, wir haben verlangt, daß der Name Ihres Vertrauensmannes genannt würde; Sie s abgelehnt, Sie wollten einen solchen Vertrauenshruch nicht und Sie haben fortgefahren, diefe Behauptung zu verbreiten. i es sich im Falle Oertel um eine Denunziation

. Verwaltung befindet sich gewissermaßen im föustande ordnungsfeindlichen Bestrebungen gegenüber. Man kann Bedauern haben mit Ten Dpfern der Affäre; wirklich anklagbar scheint mir bloß das Verhalten der Sozial⸗ demokratie zu sein. Was nützt uns, wenn man uns hier die Statuten vorführt, während der Streit doch gerade darum geht, daß diesen uten gemäß seitens des V es nicht gehandelt wird? Im Jahre

1395 hat der Abg. Bebel im Reichstage erklärt, die Verwaltung sei auf falschem Wege, wenn sie Sozialdemokraten nicht im Dienst behalten wollte; sie würde dann nur Heuchler erziehen. Zu dieser Erziehung haben sicherlich die Sozialdemokraten am meisten bei— getragen. Im Statut steht, man wolle sich im Rahmen der be— sehenden Gesetze halten; dann darf man auch nicht werbend für das Streikrecht der Eisenbahnarbeiter auftreten. Der Abg. Böhle schien bon Kommentatoren zu sprechen, die auf feiten der Sozialdemo⸗ kratie in diesem Punkt ständen; er hat diese Kommentatoren nich genannt. Im Jahre 1909 gab der Abg. Böhle auch eine ausweichende Ant⸗ wort au] die Frage nach der Stellung der Sozialdemokratie zu diefer Frage. . Böhle etwas deutlicher geworden zu sein; auf das Streikrecht hinaus, er sprach von das kommt aber die Unterbrechung des

Betriebs hinaus; wir aber müssen auf die

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zenu in de J dere der dortige Führer Beirotes; sie habe cht ermangelt, sofort für die nächsten Wahlen Kapital daraus zu chlagen. Diese stürmische Agit ie enge Beziehung der Sozi Das grundsaͤtzliche ung gegen den sonach als völlig gerechtf dar. Die zialdemokratie geht mit dem Koalitionsrech er ihr nicht an⸗ gehörigen Arbeiter ganz anders um, als es je di ung getan hat. Der Hinweis Abg. Böhle auf den Beschluß des bayerischen Zentrumsparteitages, wonach Sozialdemokraten! n 3⸗ betrieben angestellt werden sollen ist nicht Beschluß hat mit Terrorismus nichts zu tun. Indem der Verband den Arbeiterausschuß Rechenschaft zog, hat er seine Befugnis überschritten. Der Abg. Emmel hat uns Scharfmacherei vorgeworfen; aber wenn er gegen Beamte nach dem Staatsanwalt schreit, ist das keine Scharfmacherei? 1908 hat die Verwaltung den Eisenbahn— arbeitern den Beitritt zum Süddeutschen Verbande verboten; die Bildung des Reichsländischen Verbandes ist die Folge dieses Verbots gewesen. Die elsaß⸗lothringische Bevölkerung ist frei⸗ beitlich gesinnt, hat aber ein gutes Veiständnis für Recht und Dilligkeit.; sie hat das bei den letzten Wablen bewiesen. Nun meine ich, die Behörden müßten vor dem Verdacht gesichert sein, daß sie irgendwelche Nachgiebigkeit gegenüber der So zial demokratie zeigen. In Elsaß-⸗Lothringen besteht aber bei vielen der Verdacht, daß einzelne Behörden unseres Landes nicht durchaus in demselben Sinne wirken, wie wir es von der Zentralinstanz der Eisenbahnverwaltung zu unserer Freude gehört haben. In Colmar hat der weitaus größte Tell der Beamten wenigstens in der Nachwahl für den Sozialdemokraten s t Es konnte in einer Versammlung festgestellt werden, obenher gewünscht wurde, daß die Beamten in der Nach⸗ für die Sozialdemokratie eintreten sollten. Leider ist das von Verwaltung nicht dementiert worden. Wie kommt es, daß zerwaltung keinerlei Warnung an Die Beamten er⸗

imm t.

hat? Die Behörden haͤtten die Pflicht gehabt,

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