1911 / 287 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Dec 1911 18:00:01 GMT) scan diff

betreffend die Gründung eines landeskirchlichen Fonds zur Unterstützung von Kirchengemeinden, die aus kirchlichen Mitteln Gemeindehelfer oder Gemeindehelferinnen anstellen, ein. Die Vorlage wurde nach längerer Verhandlung der großen Kom⸗ mission überwiesen.

Sachsen.

In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer be— antwortete der Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt eine konservative Interpellation, betreffend die Maul- und Klauenseuche. . .

Laut Bericht des W. T. B.“ stellte der Minister fest, daß die Maßnahmen, die bisher zum Schutze gegen die Seuche ergriffen worden seien, sich während eines langen Zeitraumes als ausreichend bewährt hätten. Allerdings sei im Jahre 1911 die Anzahl der verseuchten Gehöfte im Deutschen Reiche auf 0 900, in Sachsen auf 1609 gestiegen. Doch sei es jetzt gelungen, die Weiterverbreitung zum Still stand zu bringen. Eine Einschleppung der 84 über die böhmische Grenze sei nicht nachgewiesen. Was die . r einer Einschleppung über die russische Grenze betreffe, so habe die preußische Regierung bereits alle erforderlichen Maßnahmen, intzbesendere auch gegen den Vieh— schmuggel, getroffen, sodaß sich alle weteren Schritte im Bundesrat in diefer Frage erübrigten. Der Miniter betonte schließlich, daß der polizeiliche Schutz nicht das allein Mittel zur Bekämpfung der Seuche bilden könne, sondern daß die Selbsthilfe der Landwirte unbe⸗ dingt hinzutreten muͤsse.

DOesterreich⸗Ungarn.

In der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses des österreichischen Abgeordnetenhauses wurde zunächst die Debatte über die Verteidigung der Landesgrenzen fortgesetzt.

Nach dem Bericht des W. T. B.“ verwies der Slovene Korosec auf die Befürchtungen bei den Südvölkern, daß die öster⸗ reichische Südwestgrenze nicht genügend geschützt sei, und erklärte das Bündnis mit Italien für nutzlos. Die Lage Oesterreichs werde sich noch verschlechtern, wenn Italien nach Beendigung des Tripoliskrieges seine Ansprüche auf Albanien geltend machen werde. Der Sozialist Seitz wandte sich gegen die vorgestern vom Abg. Schraffl beantragte Resolution, betreffend Verteidigung der Grenzen, und führte aus, daß Italien für Oesterreich niemals ungefährlicher gewesen sei als jetzt. Eine Zusammenziehung von Truppen an der Südgrenze wäre daher gegenwärtig sinnlos oder der Anfang einer aggressiven Politik.

Der Ausschuß beschloß, die Abstimmung über die Resolu⸗ tionen, die nicht zum Gegenstande der Verhandlung gehören, darunter über die Resolution Schraffl, zu vertagen. Darauf wurde das Budgetprovisorium bis zum Juli 1912 mit 2 gegen 20 Stimmen bewilligt. Zum ersten Male seit drei Jahren stimmten die Tschechen mit Ausnahme zweier Tschechisch— Radikaler dafür. Der Ausschuß ermächtigte die Regierung zur Aufnahme von Anleihen in Höhe von 25 Millionen zur Tilgung der Staatsschuld, von 129 Millionen für Eisenbahn⸗ investitionen und von 20 Millionen für Telephonanlagen. Ein Antrag Korosec, drei Millionen zur Behebung der Nahrungs— mittelnot zu bewilligen, wurde angenommen.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause gab gestern der Parlamentsuntersekretär Acland auf eine Persien betreffende Anfrage laut Meldung des „W. T. B.“ folgende Erklärung ab: ᷣᷣ

Die britische Regierung halte an der Erklärung fest, die durch die Vertreter Großbritanniens und Rußlands im September 1907 in Teheran abgegeben worden sei, und habe niemals etwas getan, noch werden sie je etwas tun, von ihr abzuweichen. Die russische Re⸗ gierung habe die bestimmtesten Versicherungen abgegeben, daß ihr Vorgehen einen rein provisorischen Charakter trage und daß sie nicht die i habe, die Grundsätze des englisch⸗russischen Abkommens zu

verletzen. Frankreich.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer wies der Abg. Vaillant bei der Beratung des Budgets für die Kolonialtruppen auf die außergewöhnliche Sterblichkeit der schwarzen Truppen hin, die in Südalgier verwendet werden.

Wie W. T. B.‘ meldet, erklärte Vaillant, daß der Versuch, der mit diesen Truppen gemacht worden sei, mißglückt sei. Auf der anderen Seite babe die im Auslande allgemein verbreitete Ansicht im Deutschen Reichstage ein Echo gefunden, daß die Verwendung schwarzer Truppen ein Rückfall in die Barbarei sei. Der Berichterstatter Raiberti fübrte aus, diese vorzüglichen Truppen brächten überall, wo sie hinkämen, Sicherheit und Zivilisation hin. Der Abg. Jaures bezeichnete den Wunsch, die Senegalesen in Algier zu akklimatisieren, als eine verhängnisvolle Illusion. Der Kolonialminister Messim v erklärte, die Verwendung von Senegalesen auf den trockenen Hoch⸗ ebenen von Südoran sei auch unter den günstigsten Umständen nicht geglückt. Die Versuche müßten an der Küste des Mittelmeers fort— gesetzt werden, aber wenn sie mißlingen sollten, könnten diese Truppen 5 Westmarokko verwandt werden, wo sie sich sehr wobl befunden

ãtten.

Darauf wurde das Budget für die Kolonialtruppen be— willigt.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung begründete der Abg. Dam our einen Antrag, der die Regierung auffordert, die Veröffentlichung eines Gelbbuches über die fran— zösisch-deutschen Verhandlung en zu beschleunigen.

Die Abgg. Jaur es und Charles Benoi st unterstätzten den Antrag. Der Minister des Aeußern de Sel ves erklärte, er befände sich mit Damour in Uebereinstimmung über die Dringlichkeit der Besprechung des Abkommens. Er sel bereit, alle erforderlichen Aufklärungen zu geben, aber die Veröffentlichung eines Gelbbuches erfordere lange Zeit, und man könne dason die Besprechung des Ab— kommens nicht abbängig machen. Der Ministerpräsident Cailla ux sprach in dem gleichen Sinne und erklärte, Gründe der auswärtigen 6 sowie die damit engverbundene Würde der Kammer wider— prächen einer Veröffentlichung, die übrigens keine Regierung ver— weigert habe. Caillaux stellte hierauf die Vertrauen frage über den Antrag.

Der Antrag Dam our wurde mit 342 gegen 110 Stimmen abgelehnt und darnach die Sitzung geschlossen.

Die Kom missison der Deputiertenkammer für aus— wärtige Angelegenheiten hat gestern, obiger Quelle zu⸗ folge, mit 11 gegen 7 Stimmen beschlossen, den Antrag des Abgeordneten de Mun auf Vertagung der Verhand⸗ lungen über das deutsch⸗französische Abkommen zu bekämpfen. Die Kommission hat sich weiter dafür ausgesprochen, daß sie über den Antrag Hubert kein Urteil abzugeben habe.

Rußland.

Vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldungen zufolge hat die russische Regierung der Pforte eine Note überreicht, in der sie die Forderung auf freie Durchfahrt für die russische Schwarzmeerflotte durch die Meerengen des Bosporus und der Dardanellen erhebt und verlangt, daß den Kriegs⸗ flotten der anderen Mächte der Zugang zu den Meerengen auch weiterhin verwehrt werde. Demgegenüber erfährt die ‚Nowoje Wremja“ vom Ministerium des Aeußern, daß die russische

Regierung keine offiziellen Verhandlungen mit der e, . Regierung über die Dardanellenfrage führe und auch keine Kenntnis von Privatgesprächen zwischen dem russischen Bot— schafter in Konstantinopel Tscharykow und dem türkischen Minister des Aeußern über diese Frage habe.

Die Reichs du ma hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die ganze Vorlage über die Beamtenverantwortlichkeit mit einer Uebergangsformel der Oktobristen angenommen, wonach zur unbeugsamen gerichtlichen Verfolgung von Amtsvergehen vor allem die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von der Ver⸗ waltung und die Rückkehr zum Institut der unabsetzbaren Untersuchungsrichter erforderlich ist.

. Belgien.

In der gestrigen Sitzung der Deputierten kam mer antwortete der Kolonialminister Renkin im voraus auf eine sozialistische Interpellation, in der die Sozialisten die Kolonialverwaltung des Vergehens gegen die Gesetze der Kolonie und der Rechtsbeugung anklagen und behaupten, es würden Grausamkeiten gegen die Eingeborenen verübt. Der Kolonialminister erklärte hierzu, wie ‚W. T. B.“ meldet, die Anklage stütze sich auf gestohlene unvollständige Papiere und schädige die Kolonie vor dem Auslande. Hierauf begann der Sozialistenführer Vandervel de zur Begründung der Anklagen eine Rede, die er heute fortsetzen wird.

Türkei.

Die P . hat beschlossen, die Eisenbahnlinien in Mazedonien durch Truppenabteilungen überwachen zu lassen, und an ihre Botschafter eine Runddepesche gerichtet, in der die dieser Tage verübten Bombenanschläge geschildert werden. Diesem Berichte wird hinzugefügt, daß alle Maßregeln zur Auf⸗ rechterhaltung der Ruhe und Ordnung ergriffen worden seien und die Schuldigen streng bestraft werden würden.

Der Kommissar der Gegend von Bajesid an der türkisch⸗ russischen Grenze meldet, einer Depesche des „Wiener K. K. Telegraphen⸗Korrespondenzbureaus“ zufolge, daß es vorgestern bei der Ortschaft Mossun zwischen türkischen und russischen Truppen zu einem Zusammenstoß gekommen sei, der großen Umfang angenommen und bis früh morgens angedauert habe. Auf beiden Seiten seien die Kommandanten dazwischengetreten, denen es gelungen wäre, die Einstellung des Feuers zu be— wirken. Ein türkischer Soldat wurde getötet, ein zweiter ver— letzt. An Ort und Stelle ist eine Untersuchung über die Ver— antwortung für den Zwischenfall eingeleitet worden.

Amerika.

Die jährliche Botschaft des Präsidenten Taft ist gestern dem Kongreß übermittelt worden. Sie handelt nur von der Trustfrage und gibt bekannt, daß noch einige andere Botschaften über wichtige Gegenstände folgen werden.

Wie W. T. B. meldet, erklärt der Präsident nach Hinweis auf die Entscheidungen bezüglich der Standard Dil Company und des Tabaktrusts, daß erst in den letzten paar Jahren die schwere Hand des Gesetzes auf die großen, ungesetzlichen Ringe gelegt worden sei. Die Gerichte hätten bisher gejögert, Uebertreter ins Gefängnis zu schicken, da jedoch das Vergehen besser erkannt sei, so würden die Gerichte auch zur Verhängung von Gefängnisstrafen kommen. Es sei nicht beabsichtigt, die Anhäufung großer Kapitalien zum Zweck der Herabsetzung der Produktionskosten und der Preise zu verhindern; das Anfitrustgesetz richte sich nur gegen die Ver— einigung von 8a zum Zweck der ite gf der Kon⸗ kurrenz und der Aufrichtung von Monopolen. Taft ist für ein Ergãnzungegesetz, das * unlauteren Konkurrenzmethoden dar⸗ legt und rügt. Er miüehlt erneut ein allgemeines Gesetz, das die freiwillige Bildung von Korporationen jum Zwecke des Handels 233 den einzelnen Staaten sowie mit dem Ausland regelt, und schlägt die Errichtung eines Bundes bureaus oder einer Kommission im Handelsamt vor, dem in zweifelhaften Fällen die Firmen, die Vereinbarungen beabsichtigen, ihre Pläne unterbreiten sollen, und das die endgültige Ueberwachung der Ausgabe von Aktien und Bonds ausüben solle. Diesem Bureau könnte sehr wobl die Verpflichtung auferlegt werden, die Gerichtshöfe bei der Auflösung respektive der Wiederaufrichtung von Trusts innerhalb der bundes—⸗ gesetzlichen Grenzen zu unterstützen.

Asien.

Der König und die Königin von England sind gestern abend von Bombay nach Delhi abgereist.

Nach einer Meldung der „Morning Post“ hat sich eine in Schanghai zusammengetretene Versammlung Delegierter von 14 Provinzen für eine vorläufige Militärregierung mit Nanking als Hauptstadt entschieden. Huangshin ist zum Generalissimus und Liyuanheng zum zweiten Befehlshaber bestimmt worden. Aus dem Hauptquartier von Wutschang wird gemeldet, daß die Revolutionäre von Kiukiang, die in Vormarsch begriffen sind, um die Bahnlinie von Peking nach Hankau zu unterbrechen, einen 12 Meilen von der Bahnlinie entfernten Punkt erreicht haben.

In der Sitzung des japanischen Kabinetts vom 24. November ist, wie die Zeitung „Jiji Schimpo“ nachträg— lich meldet, ein Kompromiß zwischen den Vertretern des militärischen und des wirtschaftlichen Standpunktes geschlossen worden. Obgleich der Finanzminister Jam amoto mit seiner Ablehnung des weitgehenden Flottenprogramms des Marine⸗ ministers Saito durchgedrungen war, hat das Kabinett dennoch einem Programm zugestimmt, das eine Ausgabe von 921 Millionen Jen für den Bau eines Schlachtschiffes und dreier Panzer⸗ kreuzer, sämtlich vom Ueberdreadnoughttyp erfordert. Von dieser Summe sollen 1912 2300 000, 1913 zehn Millionen, 1914 zehn Millionen, 1915 zwanzig Millionen, 1916 fünfundvierzig Millionen und 1917 fünf Millionen auf⸗ gewendet werden. Ein Beamter der Admiralität hat dem Korrespondenten des Reuterschen Bureaus bestätigt, daß in diesem und in den nächsten Jahren vier Schiffe auf Kiel ge⸗ legt werden würden. Somit werden die Vertreter des mili⸗ tärischen Standpunktes im Kabinet die gewünschte Flotten⸗ verstärkung erhalten, während die Befürworter des wirtschaft— lichen Prinzips ihr Versprechen erfüllen, den jährlichen Kosten⸗ 6 nicht zu erhöhen.

Afrika.

Ueber den vorgestrigen Sieg der italienischen Tru e en wird in Ergänzung der gestrigen Mitteilungen noch emeldet: ) Der Vorstoß erfolgte in drel Kolonnen unter furchtbarem Sturm und Regen. Die Kolonne zur Rechten, die gegen Ainzara vorrücken sollte, wurde von dem General Picori Giraldi kommandiert, die mittlere unter dem General Rainaldi Luigi sollte die Operationen der ersten unterstützen indem sie die feindlichen Streitkräfte jwischen Ainzara und der Dase angriff, die Kolonne zur Linken hatte die Auf⸗ abe, dem so angegriffenen Feind von dem Fort Meßri ber in die 5 und in den Rücken zu fallen. Der Vormarsch wurde unter—

tützt durch die Gebirgsbarterlen, die die Angriffskolonnen begleiteten, und durch die Batterien der festen ltalienischen Stellungen.

Bei Benghasi wurde, der „Agenzia Stefani“ zufolge, während der vorletzten Nacht eines der kleinen iialienischen Forts von einer feindlichen Abteilung angegriffen. Der Feind wurde jedoch mit erheblichen Verlusten zurückgewiesen, während auf K Seite vier Mann getötet und vier verwundet wurden.

Der Kreuzer „Calabria“ ist von seiner Kreuzfahrt auf dem Roten Meere nach Massaua zurückgekehrt und be⸗ richtet, obiger Quelle zufolge, nachstehende Einzelheiten:

Am 30. November entdeckte der Volturno“ zahlreiche Fahrzeuge im Hafen von Mokka; er zerstörte fünf davon durch Geschützfeuer und ließ die übrigen durch eine Landungsabteilung versenken. Die türkischen Truppen machten einen Angriff, wurden aber durch das italienische Geschützfeuer zurückgeworfen. Zehn Meilen nördlich davon zerstörte der Volturno“' sieben andere Schiffe und gab einige Schüsse auf feindliche Kavallerie ab. Unterdessen entdeckte die Calabria bei Scheik Said ein türkisches Lager und wurde von dort beschossen. Das Schiff brachte durch seine Artillerie das Feuer zum Schwelgen und zer— störte das Lager. Die, Calabria“ fuhr dann an der Insel Perkin vorbei und strich die Flagge zur Respektierung der neutralen Gewässer. Kaum war sie jedoch an der Spitze von Perim vorübergefahren, als das Fort das . aus einigen Geschützen mittleren Kalibers eröffnete. Die „Calabria“ antwortete und zerstörte zwei Kanonen und einen Teil des Forts und des Lagers. Der ‚Volturno. kehrte am 1. De⸗ zember nach Mokka zurück und zerstörte oder beschädigte dort fünfzehn weitere Schiffe. Die ‚Calahria! und der Volturno“ untersuchten dann nochmals die ganze Küste, ohne auf Schiffe zu stoßen. Die italienische Flottenaktion macht jede weitere Bedrohung der gegenüber⸗ liegenden italienischen Kolonie unmöglich. Die italienischen Schiffe sind nicht beschädigt, die Mannschaften unverletzt.

50 Jahre vom Sydrographischen Bureau des Königlich Preuszischen Marineministeriums zum Nautischen Departement des Reichsmarineamts.

Von jeher hat in allen Kulturstagten ein enger Zusammenhang zwischen den Kriegsmarinen und den Seeinteressen bestande n. Dieser Zusammenhang erstreckte sich nicht nur auf die Förderung und den Schutz der Handelsmarine, sondern auch auf eine Reihe anderer Lebensfragen, die die Wassergren e des Landes, die Eingangsstraßen des Seehandels und die Häfen mit ihren Einrichtungen zum Schutz und zur Beaufsichtigung der eigenen und der fremden Schiffahrt be— trafen. Ueberall da, wo es sich um einen Schutz mit der Waffe oder um die Polizeiaufsicht außerhalb der Häfen handelte, hatten die Kriegs⸗ schiffe einzugreifen. Hieraus entwickelte sich in allen Staaten mit der Zeit ein großer Einfluß der Admiralitäten auf die Seeinteressen des Landes. Es war naiürlich, daß der Staat mit dem Anwachsen seiner in bewaffneten Schiffen angelegten Kapitalien ein immer größeres Interesse gewann, diese vor Vernichtung durch elementare Gewalten zu schützen, um sie im Kriegsfall bereit zu haben. Daher gingen allmählich die Seevermessungen, die Anfertigung von See—⸗ karten und die Oberaufsicht über das Leuchtfeuer, Betonnungs⸗ und Lotsenwesen auf die Zentralbehörden der Kriegsmarinen über oder sicherten ihnen eine ausschlaggebende Stimme. Mit dem ungeheuren Aufschwung der Segelschiffahrt und des Handelsverkebrs nach über— seeischen Landern in der langen Friedenszeit auf dem Wasser nach der Schlacht bei Trafalgar wuchs das Bedürfnis nach einer Organisation des Nachrichten⸗ und Wettermeldedienstes, den gleichfalls überall die Marinebehörden übernahmen.

Es war erklärlich, daß zur Zeit der Segelschiffabrt, als schnelle Reisen das Ziel seemannischen Ehrgeizes waren, das Studium der Nautik und der Meteorologie bei allen Kriegsmarinen die sorg— fältigste Pflege fanden und bei der damals noch geringen Beschäfti⸗

ung des Seeoffizierkorps mit taktischen Problemen zur Lösung wissen⸗

öfter Aufgaben genügend Zeit und Mittel vorhanden waren. Erst in den letzten beiden Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts trat hierin ein Wandel ein. Die schnelle Entwicklung der Dampfschiffahrt und des ganzen Verkehrswesens hatten die Wichtigkeit der borher er— wähnten Einrichtungen für den Seeverkehr erhöht, die Vermessungs— tätigkeit gesteigert und das Nachrichtenwesen fester auf internationaler Grundlage organisiert; auf der anderen Seite aber hatten Taktik und Seekriegsfragen wesentlich an Bedeutung gewonnen. So sehen wir heute das militärische Interesse für den bydrographischen Dienst durch die wachsende Bedeutung anderer Dienstzweige beschränkt, trotzdem aber alle Verwaltungen der Kriegsmarinen eifrig bemüht, die ibnen auf bydrographischem Gebiete historisch zugefallenen Aufgaben im all⸗ gemeinen Seeinteresse ihrer Länder zu erweitern.

Welche Wandlungen der hydrographische Dienst in unseter jungen Marine durchgemacht hat und wie eng und umfassend die Verbindung zwischen der Kaiserlichen Marine und den allgemeinen Seeinteressen des Reichs ist, wird in einer kürzlich vom Reichsmarine⸗ amt unter dem obigen Titel herausgegebenen Denkschrift dargelegt, der wir folgendes entnehmen:

Die erste Anregung zur Errichtung eines Hydrographischen Amts bei der Admiralität, der durch Allerböchste Kabinettsorder vom 14. No— vember 1853 eingesetzten Zentralbebörde für die oberste Leitung der ge samten Marineangelegenheiten, stammt von dem Professor Heinrich Berghaus, dem Altmeister der deutschen Kartograpble, der dem Ober befeblehaber der Marine Seiner Sen glichen Hoheit dem Prinzen Adalbert von Preußen eine umfassende Denkschrift einreichte, die fast das ganze Arbeitsgebiet des späteren Hydrographischen Amts umfaßte und auch die Enmwicklungskeime zu manchen anderen Veröffentlichungen und Bearbeitungen enthielt, die später unternommen wurden. Wegen Mangels an den nötigen Fonds batten die gegebenen Anregungen keinen Erfolg. Als dürftiger Ersatz für ein Hodrograpbhisches Amt wurde 1854 ein Navigationeressort bei der Krienswerft in Dansig geschaffen, dem die Augrüstung der Schfffe mit Seekarten, Seehandbücheirn und nautischen Instrumenten wie die Bearbeitung aller hydrographischen Angelegenheiten oblag. Dahei war man für die meisten Gewässer auf die Arbeiten des britischen Hydrographischen Amts angewiesen. Nur für die Ostsee benutzte man die Karten von Preußens Seeatlas‘, der aus zwei Segelkarten und zwanzig Küstenkarten der östlichen Sstfee vom Darß bis Memel bestand; für den westlichen Teil des baltischen Meeres standen nur dänische Seekarten zur Verfügung und in der Rordsee neben den englischen einige wenige Käüstenkarten und Hafenplãne, die Damburg und Bremen herausgegeben hatten. Die dringende Not— RFendigkeit einer von der Königlichen Marine geleiteten Vermessung stellte sich zum ersten Male mit der Üebernabme des Jadegebiets durch Preußen im Jabre 1854 ein;: auf Befebl des Prinzen Atalbert wurde mit der Aufnahme der Jadegewässer 1855 begonnen und Als Ergebnis der Vermessungen 185855 der Seeatlas der Jade, Weser⸗ und Elbmündungen“ dag erste Seckartenwerk der preußischen Admiralitãt herausgegeben.

Der Mangel eines Hydrographischen Bureaus machte sich bald immer mehr bemerkbar. Es wurde daher in dem 1551 nach Auf— hebung der Admirglität errichteten Marineministerum beschlossen, die Bearbeitung der bydrographischen Angelegenbeiten einem besonderen, dem Dezernat für Ausrüstung unterstelltem Bureau zu übertragen, dessen Geschäftebereich die Aufnahme von Früsten, Häfen, Fluß= . usme, die Anfertigung, Berichtigung und Beschaffung der Seekarten sowie deren Aufbewahrung, ferner die Anzwabl unk Beschaffung der zum Steuermannzinventat der verschiebenen Schiffe gehörigen und sonst erforderlichen nautischen Instrumente überwiesen wurden. Das Sammeln den „Nachrichlen für Seesahrer“ war zu— nächst eine der wichtigsten Aufgaben des Hybrograpbischen Bureali, um die Karten und Bücher berichtigen zu können. Nach dem Kriege bon 1866 mehrte sich auch die Verpfl chtung zur Ausführung bon Kusten. bermefsungen. In der nunmehr preußifchen Provinz Hannover batte 1862 bis st eine sorafãltige Aufnahme der Kusten stattgefunden, die aber infolge des Auebruchs des Krieges nicht mehr veröffentlicht wurde.

Dieser Umstand und die häufigen Fahrwasseränderungen an der Nord⸗ seeküste machten eine gründliche Revisions⸗ und Neuvermessung nötig, mit der der Korvettenkapitän Grapow beauftragt wurde. Bereits 1868 konnten die revidierte Uebersichtskarte der . Weser⸗ und Glbmündungen und die Spezialkarte der Eider . werden, denen 1869 die Karte der schleswig-⸗holsteinschen Westküste und 1876 die der ostfriefischen Inseln sowie die erste Segelkarte der Deutschen Bucht der Nordsee folgten. .

Auf eine Anregung des Hydrographen des Navigationsbureaus in Wasbington, eines Preußen namens Knorr, machte der Kriegs⸗ und Marineminister, Generalleutnant von Roon dem Handels- minister den Vorschlag, die Schiffsführer und Steuerleute der Handels- marine zur hydrograpbischen Mitarbeit zu gewinnen und ihnen für die Lieferung zahlreicher und korrekter Notizen eine entsprechende An⸗ erkennung zuteil werden zu lassen. Sowobl den Schiffsführern und Steuerleuten der Handelsschiffe als auch den die Navigationsschule besuchenden Steuermanng · und Schiffereleven wurde daraufhin empfohlen, alle auf Seereisen aufgefundenen Inseln, Untiefen, gefährliche Punkte usw. möglichst genau zu bestimmen und das Ergebnis ibrer Beobachtungen unter Beifügung der zugehörigen Berechnungen dem Oydrographischen Bureau des Marineministeriums mitzuteilen. ieraus entwickelte sich im Laufe der Zeit eine immer regere hydrographische Mitarbeit der Kapitäne und Schiffsoffiziere der deutschen Handelsmarine, der sehr viele wichtige Nachrichten, ausführliche Berichte, Karten und Küsten⸗ anfichten zu verdanken sind, die in Seehandbüchern und Nachträgen verwendet werden und dadurch allen an der Seeschiffahrt Beteiligten jugute kommen. In der schnellen Veröffentlichung dieser und aller 3 wichtigen nautischen Nachrichten begann das Hydrographische

ee, nun seine wichtigste Aufgabe für die praktische Seefahrt zu erblicken.

Durch A. K. O. vom 30. November 1871 wurde als einzige Zentralbebörde der nunmehr Kaiserlich! gewordenen Marine die Admiralität gegründet und der Generalleutnant von Stosch als erster Cbef an ihre Spitze gestellt. In der neuen Behörde trug man der Wichtigkeit des Hydrographischen Bureaus dadurch Rechnung, daß man es zu einem selbständigen Dezernat machte. In der 1872 er— lassenen Dienstordnung wurde ihm die Aufgabe gesetz, alle für die Kriegs⸗ und Handelsmarine zur Schiffahrt notwendigen oder nützlichen Lenntnisse zu sammeln und nutzbar zu machen?‘. Ein gewaltiges Arbeitsprogramm! Umfaßte es doch die Küstenvermessung aller eigenen Gebiete, die Herausgabe von Seekarten und Seehandbüchern für alle Meere der Erde, die Vervollkommnung aller nautischen Instrumente und Berechnungsmethoden, wissenschaftlich⸗nautische Ausbildung und maritime wissenschaftliche Forschung, soweit sie zur Förderung der Schiffahrt notwendig oder nützlich ist. Um das Ziel dieses Progamms zu erreichen, galt es nunmehr, neue Organisationen zu schaffen und neue Arheitsgebiete zu betreten und zu pflegen. In letzterer Be—= ziehung forderten der zunehmende Uebergang vom Holz- zum Eisen⸗ schiffbau und die Panzerung der Kriegsschiffe dringend die Entwicklung des Kompasses. Man erkannte erst jetzt, daß die durch Hämmern auf der Werft unregelmäßig magnetisierien Eisenmassen des Schiffs⸗ körpers die Richtkraft der Kompaßnadel schwächten und ablenkten. Dadurch tauchten wissenschaftliche Probleme auf, die gelöst werden mußten und die Heranziehung geschulter Fachleute auf geophysikalischem Gebiete nötig machten. Im Jahre 18754 begannen ferner die spste—⸗ matischen Chronometeruntersuchungen, die die Hebung der Zeitmesser⸗ industrie zum Zwecke hatten und zum Bau der Obser—⸗ vatorien in Wilhelmshaven und Kiel führten. Auch die optischen Anstalten und die Werkstätten für Präzisions⸗ mechanik wurden durch Bestellungen und Konkurrenzen zur Ver— besserung ihrer Erzeugnisse angespornt. Auf Anregung des um dle wissenschaftliche Entwicklung des Seeoffizierkops verdienten Hydro⸗

raphen der Admiralität, Professors Dr. Neumayer wurde in dem⸗ r. Jahre eine Expedition S. M. Korvette „Gazelle“ zur Be⸗ obachtung des Venusdurchgangs ausgerüstet, die nicht nur bedeutungs⸗ voll war als erste große wissenschaftliche Unternehmung, die dag Deutsche Reich durch seine junge Marine ausführen ließ sondern auch neben der gleichzeitigen Forschungsreise der brltischen Fregatte Challenger“ bahnbrechend war für die Meeresforschung. So drang vom Hydrographischen Bureau wissenschaftliches Interesse und Ver— ständnis in die gesamte Marine; war bisher die Nautik als wenig beachtenswertes Steuermannshandwerk behandelt worden, so wurde sie nun, in der damaligen Zeit der langen Segelschiffgreisen und fast vrogrammäßigen Erdumsegelungen der Seekadetten⸗Schulschiffe, die eigentliche Grundlage für das Fachwissen der Seeoffiziere.

Rationale Begeisterung für deutsche Forschungen auf dem Meere schuf um dieselbe Zeit (1875) eine amtliche Zentralstelle für maritime Meteorologie in Hamburg, die Deutsche Seewarte, zu deren Geschästs⸗ bereich von Anfang an auch die ausübende Witterungskunde und die Sturmwarnung fur die Seeschiffahrt und die Seefischerei gehörten. Außerdem fiel ihr die Aufgabe zu, die nautisch⸗wissenschaftlichen Be— dürfnisse der Handelsmarine zu befriedigen sowobl durch unmittelbare Unterweisungen wie auch durch Prüfung und Förderung der für die Dandelsschiffahrt üblichen und zweckmäßigen nautischen Instrumente. Dadurch erfuhr das Hydrographische Bureau zwar eine gewisse Ein— schränkung seines seit 1372 erweiterten Tatigkeits feldes, konnte seine gesamte Kraft aber um sosmehr auf sein jetzt scharf begrenztes Gebiet, die Küstenvermessung und die Bearbeitung der Seekarten und See⸗ handbücher, richten.

Durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 16. Dezember 1879 erhielt das Hvdrographische Bureau den Titel Hydrographisches Amt der Admiralität! und durch Verfügung des Chess der Admiralität folgenden Geschäfte plan: Dejernat 1: Sektion 1: Vermessungen, Lotsen., Betonnungs⸗ und Leuchtfeuerwesen; Sektion II: Herstellung von Karten, Plänen usw.: Sektion 111: Literarische Arbeiten; Karten, Bücher und Zeitschriftensammlung. Dezernat HII: Sektion IV: Instrumentenwesen:; Sektion V: Wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete der Meteorologie usw., experimentelle Untersuchungen; Observatorium Wilhelmshaven für astronomische, magnetische, geodätische und andere wissenschaftliche Arbeiten. Neben der weiteren Ausbildung des Nachrichtenwesens waren es hauptsächlich Vermessungen und die Herausgabe von Karten und Seehandbũchern, die das Amt in den Jahren von 1876 —1885 beschäftigten. Bis 1882 waren die notwendigsten deutschen Seekarten der Vord. und Ostsee sowle eine Uebersichtskarte des Englischen Kanals erschienen; 1885 begannen die jährlichen Revisions⸗ dermessungen in. den heimischen Gewässern. Wie früber wurden den Schiffen der Kriegsmarine auch wissenschaftliche Aufgaben übertragen; so wurden in der Nordsee neben wichtigen Gezeitenbeobachtungen Untersuchungen über Meeresströmungen, Salj⸗ gebalt, spezlfisches Gewicht und Wärme des Seewassers, Grund⸗ Proben usw. angestellt. S. M. S. „Olga“ erhielt den Auftrag, Tiefseetemperaturmessungen in einem Gebieie des Atlantischen Ozeans auszuführen, das wegen der auffälligen Temperaturdifferenzen in den aberen Wasserschichten schon lange Interesse erregt batte. Die

orschungen und Vermessungen S. M. S. „Albatroß', der auf

rund ausführlicher Anweisungen in den Gewässern von West—⸗ Patagonien eine den Picton mit dem Falloskanal verbindende neue n , für große Schiffe (Stoschkanal) fand, erstreckten sich auf das ganze, damals noch meist unerforschte Gebiet zwischen dem Trinidadkanal und dem Golf von Penaßz.

Vom Jahre 1886 datiert ein neuer Abschnitt in der Entwicklung des Hydrographischen Amtes, das von diesem Jahre bis 1911 einen häufigen Wechsel in der Leitung durchzumachen hatte, der dem stetigen Fortschritt der hydrographischen Arbeiten nicht immer förderlich war; es muß aber berücksichtigt werden, daß das letzte Jahrjehnt auf dem militärischen Gebiete unserer Marineentwicklung so 22 und so schnelle Fortschritte brachte, daß das Hydrographische Amt eine etwas langsamere Ausbreitung seines 8 als bisher wohl vertragen konnte. Die Entwicklung des Betriebes gab 1885 Anlaß zur Ver⸗ Infachung des Geschäftsvertellungsplang. Die Einteilung in Sektionen Fel fort; zur Entlastung des Dezernats f I (Vermeffungen, Segel anweisungen, Betonnung), dessen Arbeiten am stärksten angewachfen waren, wurden alle Angelegenheiten des Instrumentenwesens und der

Kartendepots an das Dezernat H I überwiesen, während alle wissenschafilichen Aufgaben und das Nachrichtenwesen dem Dezernat H III zufielen.

Von der 1889 eingetretenen Organisationsänderung der Marine⸗ derwaltung, der Errichtung des Reschémarineamts an Stelle der Admiralitaͤt, wurde das Hydrographische Amt zunächst nicht berührt. Als aber im Jahre 15893 die e, a, über die Seeschiffahrts⸗ zeichen von dem Reichs amt des Innern an das Reichsmarineamt über⸗ ging, wurde dem Hydrographischen Amt ein neues Arbeitsgebiet über⸗ wiesen. Es fiel ihm die Aufgahe zu, die vorhandenen Seezeichen auf richtige Cage und zweckmäßige Einrichtung und Bedienung zu über⸗ wachen sowie bei allen Neuanlagen im Bereich des Befeuerungs. und Seezeichenwesens zu prüfen, ob vom technischen Standpunkt aus mit den vorhandenen Mitteln das Beste erreicht sei, was nach dem Stande der neuesten Erfindungen zu erreichen war. Auch galt es, durch An⸗ regungen, die der Industrie gegeben wurden, die bis dahin recht , Leistungen der einschlägigen Fabriken zu erhöhen.

as Seezeichenwesen hatte, wie viele andere in den letzten Jahren gufgengmmene Arbeiten, wohl mit der Nautik d. h. der prak- tischen Seeschiffahrt zu tun, aber nicht mit der Hydrographie; ander- seits waren in den letzten Jahren die hydrographisch⸗-wissenschaftlichen Arbeiten mehr und mehr an die Deutsche Seewarte übergegangen. Diese und noch andere Gründe veranlaßten den damaligen Vorftand des Oydrographischen Amtes für dieses die Bezeichnung „‚Nautische Ab⸗ teilung des Reichsmarineamts“ vorzuschlagen, die auch durch A. K. O. vom 8. Mai 1893 eingeführt wurde. Gleichzeitig wurde der Geschäfts⸗ plan durch Bildung eines vierten Dezernats, wie folgt, erweltert: HI; Vermessungen, Anfertigung von Seekarten, Kartographisches Archip. N i: Nautisches Instrumentenwesen, Navigation, nautisch · physikalische Arbeiten, Instrumentenprüfung, Aufstellung und Kompensation der Kompasse an Bord, Versorgung der Schiffe mit Büchern und Karten, ferner Angelegenheiten, den Geschäftsbereich der Seewarte und der Observatorien betreffend, Bibliothek der Abteilung und Redaktion der Nachrichten für Seefahrer. H III: Lotsen⸗, Betonnungs. und Seezeichenwesen, Brieftaubenwesen, Angelegenheiten der Reichsaufsicht über das See⸗ zeichenwesen, Internatlonale Schiffahrtsangelegen beiten. H IV: Bearbeitungen von Segelanwelsungen und Leuchtfeuerverzeichnissen. Die außerordentliche Zunahme der nautisch⸗ hydographischen Arbeiten und die Vergrößerung des Betriebes machten 19658 die Erhebung der bis herigen Nautischen Abteilung zum Departement erforderlich. Damit erreichte das einstige kleine Hydographische Bureau die Gleich— berechtigung mit den anderen großen Gruppen des Reichsmarineamts. Was die Königlich preußische Marine begonnen hat, wird die Kaiserlich deutsche Marine fortsetzen. Neben der möglichst baldigen Vollendung des nationalen Seekartenwerkes mit den dazu gehörigen Seebandbüͤchern und Neuvermessungen werden dem Nautischen Devartement neue Aufgaben zufallen, die der Seeschiffahrt von Nutzen sind. Die Gefahren des Nebels können durch weitere Einführung und Entwicklung der Unterwasserschallsignale gemindert, die Wetter⸗ vorhersage kann entwickelt werden; weitreichende funkentelegraphische Zeitfignale werden vielleicht den Chronometer unnötig machen, eben— solche Wetterberichte an die Schiffe auf See imstande sein, sie vor Sturmgefahren zu warnen. Die Ozeanograyhie und die Meteorologie werden durch die Tätigkeit der neuen Vermessungsschiffe, die mit den modernsten Instrumenten versehen und von wissenschaftlich besonders ausgebildeten Seeoffizieren kommandiert und besetzt sind, reiche Bei⸗ träge erhalten. Die in unsern Kolonia! gebieten noch in größerem Umfange anzustellenden Beobachtungen der 62 und Stromverhältnisse werden nicht nur den Kolonien, sondern auch der Schiffahrt zugute kommen und Schlüsse auf klimatologische, biologische und geologische Verhältnisse gestatten. Der Schutz und die Förderung unser Hochsee⸗ fischerei wird weiter ausgebaut, Schulschiffvereine und Jugendwehren werden unterstützt werden, um der Handelsschiffahrt gute Elemente zuzuführen und damit auch den Ersatz der Kaiserlichen Marine zu vermehren und zu verbessern. Nautisch⸗praktische Wissenschaft wird gefördert werden, um die Navigierung auf See und an der Küste zu erleichtern, und schließlich hofft die Marineverwaltung mit dem neu— e Signalverkebrsbuch und anderen Einrichtungen die Ver⸗ tändigung zwischen Kriegs⸗ und Handelsmarine im wörtlichen wie im idealen Sinne zu fördern.

Koloniales.

Zur Tanganjika⸗Bahn vorlage

berichtet das Kolonialwirtschaftliche Komitee: Nach Annahme der Vorlage, die jetzt an den Reichstag feng lst, wird der Plan der ostafrifanischen . endlich voll durchgeführt werden, den auch das Kolonialwirtschaftliche Komitee durch die wirtschaftlichen Eisenbahnerkundungen im Jahre 1906 und durch eine dem Reichstage und den verbündeten Regierungen eingereichte Eingabe gefördert hat. Auch neuerdings noch hat das Komitee eine wirtschafts., und verkehrs- politische Erkundungsreise in die Tanganjika⸗Länder unterstützt, die vom Frübjabr bis Oktober 1911 unternommen wurde. Diese Erkundungsreise hat zu der wichtigen Bahnbaufrage und der Frage der Schaffung eines regelmäßigen Schiffsverkehrs auf dem Tanganjikasee das Folgende ergeben: Die volle wirtschaftliche Ent⸗ wicklung Taboras und seiner Umgebung ist nur durch den Bahnbau Tabora —=Kigoma zu erreichen. Ostwärts, süd. und nordwärts von Tabora ist mit einer Ausdehnung der Kulturzone, die erhebliche Aus⸗ gaben fordern würde, nicht viel zu erzielen; im Westen dagegen liegen sehr entwicklungsfäbige Landschaften, deren Erschließung Tabora zu einem w. Baumwoll ** Salz⸗ und Reismarkt machen wird. Im Nordwesten von Tabora berechtigen die noch ziemlich gut bevölkerten Sultanate Uschietu und Ubagwe, die beide sehr guten Boden besitzen, zu schönen Hoffnungen, namentlich wenn noch Wasser erschlossen wird. Beide Sultanate sind für Baumwollbau geeignet. In den flachen Taliügen, Mbugag= genannt, die zur Regenzeit überschwemmt sind, baut Uschietu Reis an. Reisbau wäre besonders möglich in der Gombe⸗Mlagrassi⸗Niederung, wo durch Regelung der Bewässerung an 160 000 Hektar guten, fuͤr Reis⸗, Baumwollbau und Oelpalmenkultur geeigneten Bodens gewonnen werden können. Die sogenannte Kulturzone, die westwärts von Tabora bis Ussoke reicht, läßt sich nach Norden und Süden verbreitern; dann liegt südlich vom Gombemittellauf bis zum Mlagrassiübergang bin ein günstiges Anbaugebiet, das die Bahn zur Blüte bringen wird. Der Teil des Sultanats Uwinsa, der zwischen Mlagrassi und Rutschugi liegt, hat landwirtschaftlich geringeren Wert; er ist aber für die Kolonie und ihren Handel sehr bedeutungsvoll durch seinen großen Salzreichtum. Eine Steigerung der Saligewinnung bis auf 106 000t im Jahre ist wobl möglich. Westwärts vom Rutschugi bis zum Tanganjikasee liegen ebenfalls sehr entwicklungsfähige Gebiete; die Flüsse führen großenteils dauernd Wasser; die Flußtäler und Fluß⸗ niederungen sind von üppiger Fruchtbarkeit. ie Reis- und dle Qelpalmenkultur wie der Anbau von Zuckerrohr können in diesen Strichen sehr ausgedehnt werden. Süd- Uha ist wertvolles Ansiede— lungsgebiet; die noch scheuen, aber entwicklungsfähigen Bewobner, die Waha, sind durch vorsichtige Bebandlung zu brauchbaren, wert⸗ vollen Arbeltern zu 1 Auch ohne Erzausfuhren aus dem belgischen Congo über die Zentralbahn dürfte Kigoma (der 6 . 5 km nördlich von Udjidih in we gen en eine Güter ewegung von 20 009 Tonnen baben; es wird als Zentralpunkt des Tanganjikaverkehrs eine bedeutende Entwicklung nehmen. Von Urundi, dem nördlichen deutschen Uferlande am Tanganjikasee, ist zu er⸗ warten, daß der * Teil, der nach allen Richtungen 3 bis 4 Tage märsche weit nach dem Innern dem See vorgelagert ist, mit Ein, richtung eines Dampferverkebrs zwischen Kigoma und Usumbura dem Tanganjifaverkehr zufällt. In diesem Gebiet, das herrliche DHochweiden besitzt, steben 150 009 bis 180 900 Stück Großdieh. Dieses ausgezeichnete Viebzuchtgebiet erscheint für Wollschafzucht besonders geeignet. Urundi, ein reines Agrarland, hat außergewöhnlich niedrige eim fh, für seine Produktion; w ß. sind so billig einzukaufen, daß der Transport zum Weltmarkt lohnend ist. Bei Nsumbura und südlich

dapon bis nach Udjidii stehen noch an 1 Million Stück Oelpalmen. Sie stehen meist zu dicht und sind zuweilen mit hohem Gras und dichtem Busch durchwachsen; infolge der Vernachläfsigung der Be— stände hat sich die Glossina palpalis eingenistet. Durch ntfernung der Zwischenkulturen und Durchlichtung der Bestände wäre die Schlaf⸗ krankheit aus den Oelpalmenbejirken zu bannen, und allein bei Usumhurg wären durch solche Maßnahmen 200 000 Stück Selvalmen wirtschaftlich nußbar zu machen. Für die Erweiterung und Verbilli- gung des Schiffahrtsverkehrs auf dem Tanganjikasee erstrebt das Kolonialwirtschaftliche Komitee die Einführung einer mit deutschen Dieselmotoren ausgerũsteten Motorschiffahrt.

Nach einer telegraphischen Meldung aus Deutsch Ostafrika befand sich, wie die ‚Deutsche Kolonialzettung“ mitteilt, die Gleis. spitz' der Zentralbahn nur noch 55 Km von Ta bora entfernt. Es besteht kein Zweifel daran, daß Tabora im Februar des nächsten Jahres erreicht werden wird.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußhericht über die gestrige Sitzung des Reichs—⸗ tags befindet sich in der Ersten Beilage.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Einigungsverbhandlungen in der Berliner Me— tallindustrie (o9gl. Nr. 2865 d. Bl.), die gestern vormittag von neuem begonnen haben, wurden wieder streng vertraulich geführt. Ihr Ergebnis sollte, wie die ‚Voss. Itg.“ mitteilt, der für beute einbe— rufenen Versammlung der streikenden Former unterbreitet werden.

Dem Vernehmen des. W. T. B. zufolge hat der Landrat des Kreises Minden i. W. Unterhandlungen zur Beilegung der Tabakarbeiteraussperrung in Westfalen eingeleitet. Die Unterhandlungen sollen sich zunächst auf diejenigen Betriebe beziehen, in denen von den Arbeitern die Forderung nach höheren Löhnen er— boben worden ist und die damit den Anlaß zur Aussperrung gegeben haben. (Vgl. Nr. 267 d. Bl.) ö

Der Deutsche Transportarbeiterverband bat in

Solingen eine Lohnbewegung eingeleitet, die, wie die Köln. Ztg. erfährt, den Abschluß eines Tarifvertrags für Hausdiener bejweckt, und bat einen Vertragsentwurf eingereicht. Zu diefem Ent wurf hat eine vom Verein zur Wahrung kaufmännischer Intereffen und Rechte einberufene Versammlung der interessierten Geschäftsleute einen Beschluß gefaßt, in dem es abgelehnt wird, den Vertragsentwurf anzuerkennen und überhaupt wegen des Abschlusses eines einkeitlichen Vertrags für Hausdiener in Unterbandlung zu treten. . . Beit der gestrigen Lohnzahlung an die Arsenalarbeiter in Lorient wurde den an den Vorgängen auf dem Courbet“ Beteiligten ein Abzug von einem Tageslohn gemacht. Die Lohnzablung verlief obne irgend eine Störung. Vgl. Nr. 283 d. Bl) Aus Genf wird der Voss. Ztg. telegraphiert: In der Gold? schalenindustrie ist gelegentlich der Erneuerung der vor vier Jahren festgelegten Konvention eine neue Lohnbewegung ausgebrochen, die sich auf die ganze Uhrenindustrie der Westschwelz erstreckt. Das Arheitersndikat fordert die sogenannte englische Arbeitszeit. Fin großer Teil der Arbeitgeber ist der Forderung abgeneigt.

(Weitere Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Das unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin stehende Deutsche Hilfskomitee für die durch Hochwasserkatastrophe in Süd Brafilien Ge— schädigten erläßt folgenden Aufruf: Ueber weite Land— striche Süd⸗Brasillens, namentlich über das bekanntlich von deutsch— brasilianischen Kolonisten dicht besiedelte Muniziv Blumenau, hat eine verbeerende Wasserkatastrophe namenloses Unglück gebracht. Der Itajahy⸗Strom ist plötzlich zwanzig Meter hoch aus seinen Ufern getreten und bat Wobhnbäuser und Ställe, Geschäftsbäuser und Fabriken, Schulen und sonstige öffentliche Gebäude, Pflanzungen und

isenbahnen zeistört. Der Wobhlstand der Siedlungen, der in langen Jahren harter Arbeit aufgebaut war, ist auf Jahre binaus Ter— nichtet.

An die Herzen des deutschen Volkes, die aller fremden Not stets offen gewesen, ergeht heute der Ruf, der vom Unglück Betroffenen, unter denen sich so viele unseter Stammes brüder befinden, werktätig zu gedenken. Von ihrer neuen Heimat, deren gute Bürger sie ge—= worden sind, seiner Zeit gastfrei aufgenommen, haben die deutschen Auswanderer im brasilianischen Urwald deutscher Kultur und deutschem Geist eine Heimstätte geschaffen, die dem deutschen Namen weit über Brasiliens Grenzen hinaus Ehre und Ansehen gebracht hat. Soll vor der Größe ihres jetzigen Unglücks ihre Zähigkeit und Tatkraft nicht erlahmen, so bedürfen sie unserer schnellen und reichen Hilfe.

An die oft erprobte Opferfreudigkeit des deutschen Volkes wenden wir uns deshalb mit der herzlichen Bitte um Beistand für die Ge— schädigten in Süd⸗Brasilien.

Das Bureau des Hilfskomitees befindet sich Berlin XW. 40, Alsenstraße 10.

Geldspenden nehmen entgegen: Die Reichsbank in Berlin sowie die sämtlichen Reichsbank Haupt. und Nebenstellen, die Königliche Seehandlung, Bank für Handel und Industrie, Berliner Dandelsgesellschaft, S. Bleichrõder, Commerz und Discontobank, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Direction der Disconto Gesellschaft, Mendelssobn u. Co., Mitteldeutsche Creditbank, Nationalbank für Deutschland, A. Schaaffhausen'scher Bankverein sowie die sämtlichen Depositenkassen vorstehender Banken, Delbrück, Schickler u. Co., Georg Fromberg u. Co. von der Heydt u. Co., Jacquier u. Securius, F. W. rause u. Co., Bankgeschäft.

Welche wesentlichen Abänderungen sind bei der In— validenversicherung im Deutschen Reich vom 1. Fanuar 1912 an ju beachten?

In der letzten Nummer der Amtlichen Mitteilungen der Landes. versicherungsanstalt Berlin wird folgendes bekanntgegeben:

I) Nach Artikel 73 Abs. 2 des Einfübrungsgesetzes zur Reichs⸗ versicherungsordnung werden nach dem 1. Januar 1917 alle diejenigen wieder versicherungespflichtig, welche auf ibren Antrag nach 5 6 Abs. 1, 5 7 des Invalidenversicherungegesetzes von der Versicherungspflicht befreit waren, solange sie nicht nach der Reichs ˖ versicherungsordnung neu von der Versicherungepflicht befreit sind.

Infolgedessen verlieren sämtliche von den unteren Verwaltunge.⸗ behörden auf Grund des 5 6 Abs. 1, 57 des Invalidenversicherungs⸗ gesetzes erteilten Befreiungsbeschlüsse mit dem Ablauf des Jahres 1911 ihre Gültigkeit, sodaß die Pflicht zur Verwendung von Beitrags⸗ . u, . 1 1912 wieder eintritt, falls versicherungs⸗

flichtige Beschäftigung vorliegt. . 6 Bezug einer Unfallrente und die Vollendung des 70. Lebens- jabres bilden für die Zeit nach dem 31. Dezember 1911 keinen Be⸗ freiungsgrund mehr.

2 Nach § 1283 der Reichs versicherungsordnung lebt die Anwart⸗ schaft aus dem alten Versicherungs verhältnis wieder auf, wenn der Versicherte wieder eine versiche rung pflichtig Beschãftigung aufnimmt oder durch freiwillige Beitragsleistung das Versicherungsverhältnis er⸗ neuert und danach eine Wartezeit von zweihundert Beitragswochen zurũcklegt.