1912 / 1 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 02 Jan 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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Krüer.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den bisher als Hilfsarbeiter im Ministerium für Land— wirtschaft, Domänen und Forsten , Landstallmeister

und Dirigenten des Hauptgestüts Tralehnen Burchard von

Dettingen zum Sberlandslallmeister in diesem Ministerium,

den bisher als Hilfsarbeiter im Ministerium für Land“ wirtschaft, Domänen und Forsten beschäftigten Regierungs, und Baurat Thoholte aus Potsdam zum Geheimen Baurat und nortragenden Rat in diesem Ministerium sowie die Regierungsräte Kallien in Breslau und Ueber— schaer in Cassel zu Oberregierungsräten zu ernennen, dem Landgerichtsrat a. D. Koester in Bonn den Charakter als Geheimer Justizrat zu verleihen, dem Geheimen Registrator beim Evangelischen Ober⸗ kirchenrat, Rechnungsrat Julius Scheithauer in Tempelhof die nachgesuchte Entlassung aus seinem Amte mit Pension und unter Verleihung des Charakters als Geheimer Rechnungsrat zu erteilen, dem Landgerichtssekretär Schönrade bei dem Land— . L Berlin und dem Polizeisekretär Gustax Herrmann Mn Berlin, dem Letztgenannten anläßlich seines Scheidens aus ddDem Dienste, den Eharakter als Rechnungsrat und dem Geheimen Kanzleisekretär bei der Oberrechnungskammer Kemnitz aus Anlaß seines Uebertritts in den Ruhestand den Charakter als Kanzleirat zu verleihen sowie der Wahl des Oberlehrers Dr. Heinrich E gbring an dem städtischen Ghymnasium nebst Realgymnasium in Münster i. W. zum Direktor des in der Entwicklung begriffenen Realgymnasiums nebst Realschule in Altenessen die Allerhöchste Bestätigung zu erteilen und . der von der Stadtverordntenversammlung und den unbesoldeten Mitgliedern des Magistrats in Hanau getroffenen Wahl den Fabrikanten Karl Glafer daselbst als Ersten unbe⸗ . Beigeordneten der Stadt Hanau für die gesetzliche mtsdauer von sechs Jahren zu bestätigen.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Versetzt worden sind:

zum 1. Januar 1912 der Gewerbeassessor Schmidt in Vohwinkel nach Lingen zur Verwaltung der dortigen Gewerbe⸗ inspektion,

zum 15. Januar 1912 der Gewerbeinspektor Dr. Brandes in Gleiwitz nach Oppeln unter Verleihung der etatmäßigen Stelle eines gewerbetechnischen Hilfsarbeiters bei der dortigen Regierung, ;

zum 1. Februar 1912 der Gewerbeassessor Dr. Syrup in Düsseldorf⸗-Stadt nach Gleiwitz zur Verwaltung der dortigen Gewerbeinspektion,

zum 1. März 1912 der Gewerbeassessor Wehl mann in Osnabrück nach Berlin zur Verwaltung der Gewerbeinspektion Berlin 8.,

zum 1. April 1912 die Gewerbeassessoren Dr. Ing. Hesse in Frankfurt a. M-⸗Land nach Osnabrück, Dr. Schwanke! ln Dortmund nach Halle a. S. Dr. Tittler in Halle a. S. nach Ratibor, Dr.-Ing. Siemonsen in Goͤrlitz nach Frankfurt a. M.⸗ Land, Bollmeyer von Berlin S nach Schweidnitz, Schirmer von Breslau-Land nach Potsdam, Em mel von Oppeln nach Dortmund, Winter hager von Schweidnitz nach Merseburg, Gebhardt von Neisse nach Cassel, Ahrens von Hagen nach Berlin N., Blaudszun von Merseburg nach Breslau⸗Land, Mareczi⸗ nowski in Ratibor nach Hagen i. W. Uthemann von Berlin N. nach Neisse, Sal m von Potsdam nach Kiel, Utsch von Kiel nach Görlitz, Goeldner von Cassel nach Vohwinkel und Grimm von Berlin CO. nach Oppeln.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Der Gestütssekretär Wilhelm Rohde aus Pr. Stargard ist zum Geheimen expedierenden Sekretär und Kalkulator im Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ernannt worden.

Die Oberförsterstellen Lautenburg im Regierungs⸗ bezirk Marienwerder und Seelzerthurm im Regierungs⸗ bezirk Hildesheim sind zum 1. April 1912 zu befetzen. Be— werbungen müssen bis zum 1. Februar 1912 eingehen.

Ministerium des Innern.

Der Stadtassistenzarzu Dr. Rühs aus Barmen ist zum Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreisarztbezirks Kreis Goldap beauftragt worden.

Die Stelle des Kreis assistenzarztes und Assistenten

bei dem Medizinaluntersuchungsamt in Gumbinnen ist zu besetzen.

Die Diphterieheilsera mit den Kontrollnummern 1112 bis 1142, geschrieben: ‚Eintausendeinhundertzwölf bis Eintausendeinhundert⸗ zweiundvierzig“, aus den Höchster Farbwerken, 223 bis 229, geschrieben: „Zweihundertdreiundzwanzig bis Zweihundertneun⸗ undzwanzig“ aus der Merckschen Fabrik in Därmstadt, 164 bis 172, schrieben: „Einhundertvierundsechzig bis Einhundertzweiund⸗ zzig“ aus dem J Ruete⸗Enoch in Hamburg, 230, geschrieben: „Zweihundertunddreißig“ aus der Fabrik vormals E. Schering in Berlin sind vom 1. Januar 1912 ab wegen Ablaufs der staatlichen Gewährdauer zur Einziehung be— stim mt.

F inanzministeriumn

Dem Oberregierungsrat Kallien in Breslau ist die Stelle des Oberregierungsrats für das Stempel und Erbschafts⸗ steuerwesen bei der Oberzolldirektion in Altona a. E. und

dem Oberregierungsrat Ueberschaer in Cassel die Stelle des Oberregierungsrats für die allgemeine Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern bei der Oberzolldirektion in Cassel

verliehen worden.

Das Kataster amt Frankfurt a. M. II im Regierungs⸗

bezirk Wiesbaden ist zu besetzen.

Oberrechnungs kammer.

. bisherige Regierungskanzlist Gantz er aus Potsdam ist zum Geheimen Kanzleisekretär bei der Königlichen Ober—

rechnungskammer ernannt worden.

Bekanntmachung.

Aus der Dr. Hermann Günther⸗Stiftung Beschluß des Lehrerkollegiums der Königlichen akademischen Hochschule für die bildenden Künste mit Zustimmung des Kuratoriums der ge⸗ nannten Stiftung der Studierende der Hochschule, Maler

Willy Schomann aus Parchim

ein Stipendium von 1398 ½ für das Jahr 1512 verliehen erhalten.

Charlottenburg, den 1. Januar 1912. Der Vorsitzende

des Kuratoriums der Dr. Hermann Günther⸗Stistung.

A. von Werner,

Direktor der Königlichen akademischen Hochschule

für die bildenden Künste.

D n nt me hun g.

Den Markscheidern Walter Schmidt zu Zabrze O. S. und Paul Wabner zu Altwasser ist von heuté ab die Be fugnis zur selbständigen Verrichtung von Markscheiderarbeiten für den Umfang des preußischen Staates erteilt worden.

Breslau, den 27. Dezember 1911. Königliches Oberbergamt. Schmeißer.

In der Fünften Beilage zur heutigen Nummer des und Staatsanzeigers“ ist eine Genehmigung betreffend eine Anleihe der Stabt Magdeburg, ver—

öfferoicht.

surkunde,

Aichlamlliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 2. Januar.

Seine. Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse den Vortrag

des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Infanterie Frei⸗

herrn von Lyncker entgegen.

Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, Allerhöchstwelche gestern morgen zur Neujahrsfeier vom Neuen Palais bei Potsdam im hiesigen Königlichen Schlosse einge— troffen waren, nahmen, „W. T. B.“ zufolge, bald nach der Ankunft in der Schwarzen Adlerkammer die Glückwünsche des Königlichen Hauses und im Kapitelsaal die der Hofstaaten entgegen. Vorher hatte Seine Majestät der Kaiser und König den kommandierenden General des XVIII. Armeekorps, General der Infanterie von Eichhorn und den Generalkapitän der Schloß⸗ und Leibgarde, General der Kavallerie von Scholl empfangen. Um 10 Uhr fand in der Schloßkapelle Gottes dienst statt, an dem außer den Majestäten, den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses und den hier eingetroffenen Fürstlichkeiten die Mit— glieder des hohen Adels, der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, die Bevollmächtigten zum Bundesrat, die General⸗ feldmarschälle und Generalobersten, die Generalität und Ad— miralität, die Ritter des Schwarzen Adlerordens, die Kom— mandeure der Leibregimenter, die aktiven und inaktiven Staats— Landtags und die Räte der obersten Klassen teilnahmen. Nach dem Gottes⸗

minister, die Staatssekretäre, die Präsidien des

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dienst begaben Sich die Majestäten in feierlichem Zuge nach

dem Weißen Saal zur Entgegennahme

lationsdefiliercour. Danach empfing Seine Majestät der Kaiser

und, König die Glückwünsche der Botschafter,

ministeriums und der kommandierenden Generale und Admirale, mit denen sich die Generalfeldmarschälle und Generalinspekteure, der Kriegsminister, der Ehef des Generalstabes, der Staats—⸗ sekretär des Reichsmarineamts und der Chef des Admiral⸗ stabes u. a, vereinigt hatten. Um 123, Uhr begab Sich Seine Majestät, begleitet von Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen Eitel⸗Friedrich, August Wilhelm, Sskar und Joachim und den Herren des Hauptquartiers, zu Fuß nach dem Zeughaus zur Paroleausgabe und kehrte darauf nach dem Königlichen Schloß zurück, wo Frühstückstafel stattfand. Später fuhr Seine der Kaiser bei den Botschaftern vor und wohnte Abends mit Ihrer Majestät der Kaiserin, den Prinzen und Prinze der Festvorstellung im Königlichen Opernhause bei.

Der Geheime Postrat und vortragende Rat postamt Braun ist am 30. Dezember 191 1 um 10 Uhr Vormittags, 2 Tage vor Vollendung seines 55. Lebensjahres, am Herzschlag verstorben. Der Heimgegangene trat 1877 in den höheren Dienst der Reichs post⸗ und Telegraphenverwaltung, wurde 1902 zum Post⸗ rat und 1909 zum Geheimen Postrat und vortragenden Rah er— nannt. In dem Entschlafenen verliert die Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung einen Beamten von hervorragender Be⸗ gabung, vorbildlicher Hingebung an seinen Beruf und ausge⸗ zeichneten Fachkenntnissen. Sein Hinscheiden wird von seinen Vorgesetzten und Mitarbeitern um so schmerzlicher empfunden, als Braun ein Mann von herzgewinnendem Wesen und lauterster Gesinnung war. Sein Andenken wird dauernd in

Ehren gehalten werden.

im Reichs⸗

Unterm 28. Dezember 1911 hat der gif in mier eine allgemeine Verfügung, betreffend die Bekämpfung des Handels mit unzüchtigen Schriften, . und Darstellungen, erlassen, die, wie folgt, lautet:

Auf Grund des internationalen Abkommens zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Veröffentlichungen vom 4 Mal i919 (Reichs⸗ gesetznl,. S. 209) ist als deut sche Zenkrasstelle zur Erfüllung der n Artikel 1 und 3 des Abkommens bezeichneten Aufgaben das Polizeipräsidium in Berlin bestellt worden, bei dem eine Zentralnachrichtenstelle unter der Bezeichnung Zentralpolizei⸗ stelle zur,. Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften“ in Wirksamkeit getreten ist (Bekanntmachung des Reichs⸗ kanzlers vom 12. September 1911 Zentralblatt für bas Deutsche Reich S. Ho —).

Die Staatganwaltschaften haben der Zentralpolizeistelle eine Ab— schrift der den Registerbehörden nach den beftehenden Vorschriften zu übersendenden Strafnachrichten mitzuteilen, wenn die Verurteilung wegen 'ines Vergehens gegen 5184 Str. GB. ergangen jst, deffen Tt bestandsmerkmgle einen internationalen Charakter haben (Artikel ] Ziffer J des Abkommens vom 4. Mai 1910). Hierunter sind im Sinne des Abkommens nicht nur solche Vergehen gegen 184 Str.⸗G.- B. zu verstehen, deren eigentliche Tatbestandsmerkmale auf verschiedene Länder entfallen, sondern auch solche, deren Tatbestand zwar ganz im Inland erfüllt ist, die aber doch etwa im Hinblick auf die Persönlichkeit des Täters oder auf begleitende Umstände der Tat eine internationale Bedeutung haben. Sh hiernach Veranlassung vorliegt, der Zentralpolizeistelle eine Abschrift der Strafnachricht zwecks Mitteilung an Tie Vertragsstaaten zu übersenden, haben die Staatsanwaltschaften in jedem einzelnen Falle zu prüfen; auch haben sie, sofern der inter— nationale Charakter der Straftat sich nicht schon aus dem Inhalte der Strafnachricht z. B. aus dem Umstande, daß der Verurteilte im Auslande wohnhaft ist ergibt, zu erwägen, inwieweit der für die Zentralpolizeistelle bestimmten Abschrift ein er⸗ läuternder Zusatz zu geben sein wird. Die bestehenden Vorschriften über die Mitteilung von Strafnachrichten an ausländische Regierungen, wenn der Verurteilte ein Ausländer ist (vgl. Müller, Just. Verwaltung, 6. Auflage S. 1268 ff.), werden hierdurch nicht berührt.

Die Zentralpolizeistelle vermittelt auch die Uebersendung von Denkschriften an ausländische Behörden zwecks Herbeiführung der Bestrafung im Auslande lebender Händler wegen Verbreitung von unzüchtigen Schriften usü. Ziffer [I 5 der Rundverfügung an die Oberstaats anwälte vom 22. Sktober 1919, J. 5262, wird dahin ab geändert, daß die Staatsanwaltschaft beim Landgericht J in Berlin solche Denkschriften unmittelbar an die Zentraspolizeibehörde zur weiteren Veranlassung zu senden hat. Eine sachliche Nachprüfung der Denkschriften durch die Zentralpolizeibehörde findet nicht statt.

Dieser Verfügung des Justizministers ist der nachstehende Organisationsplan der Zentralpolizeistelke zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften bei⸗ gefügt:

IJ. Zur wirksamen Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild wird beim Königlichen Poltzeipräsidium in Berlin eine Zentral polizeistelle errichtet.

Sie führt die amtliche Bezeichnung: „Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder und Schriften in Berlin“. Ihre Telegrammadresse ist: „Polunbi“. .

II. Ihre Zuständigkeit umfaßt die Wahrnehmung:

a. der orts- und landespolizeilichen Befugnisse des Polizei präsidenten in Berlin auf dem Gebiete der Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild,

P., der über das Gebiet der orts- und landespoltzeilichen Befug nisse hinausgehenden preußisch⸗ und reichspolizeilichen Aufgaben nach näherer Vorschrift dieses Planes,

c. der Geschäfte der in Artikel 1 des internationalen Abkommens vom 4. Mai 1910 über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen vorgesehenen Behörde.

III. Die Zentralstelle beobachtet:

a. die Herstellung, den Vertrieb, das Feilbieten und Vorrãtig halten unzüchtiger, dem Gesetz über die Presse unterliegender Erzeug nisse einschlleßlich der kinematographischen Films im Gebiete des Deutschen Reichs,

b. den Handel mit unzüchtigen figürlichen Darstellungen im Gebiete des Deutschen Reichs,

C. die Ein⸗ und Ausfuhr der zu 1 und II genannten Gegenstände über die Zollgrenze.

Diese Beobachtung erfolgt durch regelmäßige Durchsicht und Lektüre verdächtiger Schriften, Ankauf geeigneter verdächtiger Zeit⸗ schriften und Witzblätter, Prüfung der im Anzelgenteile dieser Blätter erscheinenden Ankündigungen sowie der Kataloge und Prospekte solcher Verleger und Händler, die sich mit dem Verkrieb unzüchtiger Bilder und Schriften befassen, ferner durch Inanspruchnahme der am ö gegen die öffentliche Unsittlichkeit beteiligten Behörden des Reichs.

IV. Die Zentralstelle sammelt die bei der Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild gemachten Erfahrungen.

, Auf Grund ihrer Tätigkeit zu III und IV führt die Zentral— stelle Verzeichnisse und Sammlungen unzüchtiger Bilder, Schriften, Darstellungen und Verzeichnisse der am Vertriebe beteiligten Personen.

Die am Kampfe gegen die öffentliche Unsittlichkeit beteiligten Behörden, insbesondere die Staatganwaltschaft beim Landgericht J in Berlin überweisen der Zentralstelle geeignete Gegenstände, soweit sie im eigenen Dienstgebrauch entbehrlich sind, insbefondere die zur Ver⸗ nichtung bestimmten unzüchtigen Presseerzeugnisse einschließlich der kinematographischen Films. .

VI. Die Zentralstelle sammelt die auf die Bekämpfung unsittlicher Schriften und Bilder sich beziehenden gerichtlichen Erkenntnisse, soweit sie grundsätzlicher Natur sind.

Desgleichen sammelt sie die einschlägige ausländische Gesetzgebung gemäß Artikel 1 Ziffer 3 des Abkommens vom 4. Mal 1910.

VII.. Aus dem zu II bis VI gewonnenen Material erteilt die Zentralstelle allen öffentlichen Behörden des Reichs Rat und Auskunft.

Die Auskunftserteilung an ausländische Behörden erfolgt nach Artikel, J Nr. 2 des Abkommens vom 4. Mai 19106. =

Die Auskunftserteilung an nichtamtliche Stellen bleibt der Ent— scheidung der Zentralstelle bon Fall zu Fall vorbehalten.

VIII. Die Zentralstelle leitet die ihr nach Artikel 3 des Ab- kommens vom 4 Mai 1910 zugehenden Strafnachrichten an die in Artikel L a. 9. O. angegebene ausländische Behörde weiter.

1X. Die Zentralstelle ist befugt, direkt an alle bei der Be⸗ kämpfung des Schmutzes in Wort und Bild beteiligten Behörden des Reichs Ersuchen und Anträge zu richten. Dies gilt insbesondere 3 den Anträgen auf Einleitung einer Durchsuchung und Beschlag⸗ nahme. ne. Die Zentralstelle und die Staatsanwaltschaft beim Land⸗ gericht I in Berlin werden in enge Fühlung zueinander treten. Die nähere Ausgestaltung dieser Beziehungen bleibt der Vereinbarung beider Behörden überlassen.

XI. Meinungsverschiedenheiten, die sich aus der Handhabung der vorstehenden Bestimmungen ergeben, wird die Zentralstelle dem preußt⸗ schen Minister des Innern vortragen, der seinerseits mit dem zustaͤndigen preußischen Ressortchef., der beteiligten Landesregierung oder dem Reichskanzler ins Benehmen tritt, je nachdem eine preußische, eine andere bundet stagtliche oder eine Reichsbehörde beteiligt ist.

XII. Der Zentralstelle bleibt es überlassen, im Rahmen ihrer Befugnisse und der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in den geeignet erscheinenden Fällen die gewerblichen Beruforganifationen des Buch- und Kunsthandels, die gemeinnützigen Sittlichkeitz. und Volkswohlfahrtseinrichtungen sowie Privatpersonen in ihren der Be— kämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit gewidmeten Beftrebungen zu unterstitzen und sich ihrer Mitwirkung und ihres Rates zu bedienen. Das Entsprechende gilt für den Verkehr mit der Preffe; dieser können

Nachwelse über die Tätigkeit der Zentrale von Zelt zu Zeit mitgeteilt * . dies ohne Gefährdung der Zwecke der Strafverfolgung

möglich ist.

Nachdem der bisherige Kaiserliche Geschäftsträger in Kristiania, Erbgraf von Schlitz genannt von Görtz, am 29. v. M. verstorben ist, werden bis zur Ankunft des neu⸗ ernannten Gesandten, Graf Oberndorff, die Geschäfte der Ge⸗ sandtschaft in Kristiania von dem dortigen Kaiserlichen General— konsul, Legationsrat Freiherrn von Speßhardt geführt.

Bayern.

Am gestrigen Neujahrstage wohnte Seine König—⸗ liche Höheit der Prinz⸗Regent, dessen Befinden sich nach Meldungen des „W. T. B.“ wesentlich gebessert hat, der Messe in der alten Hofkapelle hei und empfing später die General- und Flügeladjutanten zur Gratulation. In Ver⸗ tretung Seiner Königlichen Hoheit des Regenten nahmen Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin bw ih am Nachmittage die Glückwünsche des diplomatischen Korps entgegen. Im An—⸗ schluß daran fand zu Ehren der in München anwesenden diplomgtischen Vertreter Hoftafel statt, bei der Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz Ludwig im Auftrage seines Vaters auf die Oberhäupter derjenigen Staaten einen Trinkspruch aus— brachte, die bei der Tafel vertreten waren. Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten sind auch in diesem Jahre von Ihren Majestäten dem Kaiser Wilhelm und der Kaiserin Auguste Victoria, dem Kaiser von Oester— reich, sämtlichen Bundesfürsten und anderen Souveränen sowie vom Papst herzliche Neujahrsglückwünsche zugegangen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph, dessen Befinden laut Meldung des, W. T. B.“ ausnehmend gut ist, empfing gestern vormittag zunächst den Thronfolger allein und sodann die Erzherzöge Peter Ferdinand, Leopold Salvator, Friedrich und Rainer zur Entgegennahme ihrer Glück— wünsche zum Jahreswechsel.

Die Mitglieder der ungarischen Regierungs— partei begaben sich gestern in corpore zum Ministerpräsi— denten Grafen von Khuen-Hédervary, um diesem und seinen Kollegen ihre Neujahrswünsche zu übermitteln. Der Ministerpräsident führte, obiger Quelle zufolge, in Erwiderung auf, die Ansprache des Redners der Partei, des ehemaligen Justizministers Plosz, aus:

Die nächste Aufgabe der Regierung sei, die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu sichern, und zwar mit gefetzlichen Mitteln, aber mit solchen, durch die dieses Ziel erreicht werden könne. Der Minister— präsident dankte für die bisherige Unterstützung der Partei und erbat diese auch für die Zukunft; die Haltung der Parkei gegenüber der Abstruktion habe, allgemeine Sympathie und Billigung in allen Schichten der Nation gefunden. Die vollständige Solidarität zwischen der Regierung und der sie unterstützenden Partei bilde die Garantie für die Verwirklichung des liberalen Pnro gramms der Regierung.

Die Rede wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen.

Frankreich.

Der Präsident Fallieres empfing gestern nachmittag das diplomatische Korps, dessen Doyen, der britische Botschafter Bertie, die Glückwünsche zum Jahreswechsel aussprach. Der Präsident wie der Botschafter drückten, wie „W. T. B.“ meldet, den Wunsch aus, daß das internationale Schiedsgericht sich weiter entwickeln und in allen internationalen Streitfällen eine friedliche Lösung herbeiführen möge. Bei den weiteren Empfängen im Elysce wies der Vizepräsident des Staats rats in einer Rede auf die patriotischen Anstrengungen hin, die die Regierung im Dienste des Vaterlandes ge— macht habe, um dem , . Frankreichs einen neuen Zuwachs und neuen Glanz zu verleihen. Der Präsident der Handerskammer von Paris erklärte, die Welt der Arbeit habe die patriotischen Beklemmungen der Regierung geteilt und sei glücklich über die Lösung, die die Würde des Vaterlandes in keiner Weise berühre und zur Vermehrung des Einflusses Frankreichs in der Welt beitrage, indem sie dem nationalen Unternehmungsgeist neue Absatzgebiete auf dem alten Boden Afrikas eröffne. .

Zu Beginn der Sitzung der Senatskommission zur Prüfung des deutsch⸗französischen Abkommens am Sonnabend verlas der Ministerpräsident Caillaux den angekündigten Brief Cruppis, der obiger Quelle zufolge nach⸗ stehenden Wortlaut hat:

In meinen mit unserm Botschafter in Berlin im Juni ßepflogenen Unterhaltungen habe ich nie eine Frage berührt, die nicht im Ministerrat geprüft worden wäre, und keing meiner Ünterhaltungen mit Jules Camwoon hat sich in irgend einem Augenblick auch nur an⸗ deutungsweise auf die Möglichkeit von territorialen Kompenfationen oder eines Austausches am Congo oder anderswo bezogen, in der Art, wie die Kompensation, für die wir seither die Verantwortung auf uns genommen haben. Die Instruktionen, die ich dem Botschafter gegeben habe, die Jules Cambon in seinen Briefen ausdrücklich beftätigt hat und die in den amtlichen Telegrammen wiedergegeben find, hatten aus— schließlich auf die Ausdehnung unserer militärischen Operationen in Marokko Bezug. Die Anschauungen und Absichten, denen ich Aus⸗ druck gegeben habe und auf die unser Botschafter an espielt hat, be⸗ zogen sich ausschließlich, wie mir Jules Cambon fegen bestätigt hat, auf die laufenden wirtschaftlichen und handelspolitischen Fragen, d. h. auf die Eisenbahnen in Marokko und auf Zollschwierigkeiten, deren Regelung meine Verbalnote vom 29. Mai jum Ziele hatte. Ich habe mein Bedauern ausgedrückt, die Besprechungen, zu denen diese Fragen Anlaß gegeben hatten, unterbrochen worden sind, und habe unserem Botschafter empfohlen, zu versuchen, die deutschen Absichten zu erforschen. Was die sogenannten Ideen“ anbetrifft, die vielleicht auf eigene Verantwortung hin in der Kissinger Unterredung formuliert worden sind, so werden sie durch den folgenden Satz gekennzeichnet, der den eigentlichen Schluß seineg am 23. Juni, d. am Tage vor dem Sturz des Minifteriums Monis, von Tambon geschriebenen Hriefes bildet, der am folgenden Tage in meine Hände gelangt ist. ‚Diese Ideen sind neu; ich werde sie meiner Regierung unterbreiten, da ich nach Paris gehe..

Der ehemalige Ministerpräsident Méline richtete an die Regierung eine Anfrage bezüglich der zukünftigen Orga⸗ nisation Marokkos und führte etwa folgendes ans:

„Etz. sei unerläßlich, die Regierung über die wirtschaftliche und milltärische Organisierung des marokkanischen Protektorats zu befragen. Zunächst müsse geprüft werden, in welcher Weise ein Protektorat ein⸗ gerichtet werden könne, mit dem internationale Fragen ,. seien. Die Einnahmen eines Protektoratlandeg beruhen auf Zöllen und inneren Steuern. In Marokko würden die Zölle für das Budget

nichts ergeben, und für die Steuerleistung kämen nur eineinhalb Millionen Marokkaner, in Betracht. Noch wichtiger sei die Frage der militärischen Organisierung. Gegenwärtig stehen in Marokko 54 000 Mann. Man müsse wissen, welcher Art die etwa von der Regierung geplante Exypeditior sein werde, und ob die Wiederbesetzung Marokkos nicht die nationale Verteidigung schädige. General Billot habe seinerzeit als Kriegsminister festgestellt, daß eine bloße Säuberungserpedition nach Algerlen, bei welcher es sich nicht um Eroberungen, sondern lediglich um den Schutz diefes Landes handle, 25 000 Mann und 60 Millionen Franes erfordere.

Ribot erinnerte daran, daß er die Regierung um Auf⸗ schluß ersucht habe über die Möglichkeit, das Abkommen mit Deutschland und den Protektoratsvertrag mit dem Machsen gleich⸗ zeitig zur Abstimmung zu bringen. Die Kommission beauftragte Poincaré, der Regierung alle von Meline und Ribot angeregten Fragen vorzulegen und alle Schriftstücke und Aufschlüsse über die Vergangenheit, soweit sie nützlich scheinen sollten, zu fordern. Zu Beginn der Sitzung hatte der Ministerpräfident Caill aun die Regierung entschuldigt, daß sie nicht in der Lage sei, ihre Mitteilungen vor der Kommission in dieser Sitzung fort—= zusetzen, da sowohl er wie seine Kollegen an der Debatte über das Finanzgesetz in der Kammer teilnehmen müßten. Am 9. Ja— nuar sollen die Sitzungen der Kommission wieder aufgenommen werden.

Die Deputiertenkammer hat am Sonnabend den Etat von 1912 im ganzen mit 425 gegen 79 Stimmen an— genommen und ferner mit 401 gegen 77 Stimmen die Be⸗ willigung eines provisorischen Budgetzwölftels be⸗ schlossen. . -

Der Senat hat am Sonnabend ein provisorisches Budgetzwölftel angenommen. Dann wurde die Tagung des Parlaments geschlossen.

Rußland.

Der Kaiser und die Kaiserliche Familie sind vor—⸗

gestern abend in Zarskoje⸗Sselo eingetroffen.

Der Reichsrat hat am 30. vorigen Monats die Gesetzes vorlage, betreffend Verstaatlichung der Warschau— Wiener Bahn, in der Fassung der Duma einstimmig a n⸗ genomm en und den . nach einer sofortigen Anpassung des Gleises an das Normalgleis ausgesprochen.

Nach dem Bericht des W. T. B.“ über den Verlauf der Sitzung hob der Ministerpräsident Kokowzow die Vorteilhaftigkeit des An⸗ kaufs gerade im gegenwärtigen Augenblick hervor, wo der Barbestand des Staatsschatzes eine Rekordziffer von 528 Millionen Rubel erreicht habe und nach Abzug der für die Hilfsaktion im Notstandsrayon be— stimmten Summen immerhin ein Barbestand von 350 Millionen Rubel übrig bleibe. In Erwiderung auf die Bemerkung des Mitglieds des Reichsrats Schebeko, daß die Auslandsaktionäre durch die Verstaatlichung der Warschau⸗ Wiener Eisenbahn Verluste erleiden könnten, erklärte der Ministerpräsident, die Berechnung sei auf Grund der Einnahmen gemacht, die die Bahn vor dem Bau der Kaltsch⸗Bahn hatte. Im Auslande sei wegen dieser Angelegenheit zu viel Lärm geschlagen worden; in Deutschland habe sich sogar ein Schutzkomitee der Aktionäre gegen den russischen Fiskus gebildet. Dieses Komitee führe einen ume gegen den russischen Finanzminister und scheue sogar vor Drohungen nicht zurück. Der Ministerpräsident erklärte bestimnt, 2zurch solche Drohungen werde man sich nicht beeinflussen lassen. Die russische Regierung sei stets ihren Verpflichtungen pünktlich nachgekommen. Die Aktionäre der Bahn würden das erhalten, worauf sie unantastbares Anrecht be⸗ säßen. Wenn die Regierung sich in der Berechnung geirrt haben sollte, was er jedoch bestreite, so sollten die Aktionäre diesen Fehler nachweisen. Die Regierung werde dann unverzüglich bei den gesetz⸗ geberischen Körperschaften vorstellig werden, die dann weitere An—⸗ weisungen erteilen würden, um die Aktionäre zu befriedigen.

Italien.

Der König und die Königin empfingen gestern die Ritter des Annunciatenordens, die Minister und Abordnungen aller staatlichen Körperschaften, um deren Glückwünsche zum neuen Jahre entgegenzunehmen. Die Präsidenten des Senats und der Kammer erinnerten, wie ‚W. T. B.“ meldet, in ihren Ansprachen an die Fünfzigjahrfeier Italiens und an die aus diesem Anlaß dargebrachten Sympathiekundgebungen aller fremden Nationen; sie erwähnten ferner den Krieg in Tripolis, betonten die Wichtigkeit der Einmütigkeit in den Gefühlen des Landes und wünschten den siegreichen italienischen Waffen end— gültigen Triumph. Der König dankte und zog die Mitglieder der einzelnen Abordnungen ins Gespräch.

Aus Anlaß des Jahreswechsels sind, der Agenzia Stefani“ zufolge, zwischen dem Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg und den Ministern des Aeußern Grafen von Aehren—⸗ thal und Marquis di San Giuliano herzliche Glück— wunschtele gramme ausgetauscht worden, in denen der deutsche Reichskanzler und Graf Aehrenthal den wärmsten Wünschen für den König von Italien und der Marquis di San Giuliano ebensolchen Wünschen für den Kaiser Wilhelm und den Kaiser Franz Joseph Ausdruck geben.

Spanien.

Der französische Botschafter Geoffray hatte, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend voriger Woche eine neue Unterredung mit dem Minister des Aeußern Garcia Prieto, der auch der englische Botschafter beiwohnte. Geoffray überreichte dem Minister die Antwort der französi⸗ schen Regierung auf den spanischen Gegenvorschlag. Prieto erklärte, er würde dem Ministerrat darüber Bericht erstatten.

Ein neuer spanischer Zolltarif ist vorgestern ver⸗ öffentlicht worden und tritt am 1. d. M. in Kraft. Soweit er Zollerhöhungen enthält, sinden diese keine Anwendung auf Waren, die bis 31. Dezember einschließlich zum Versand gelangen.

Der Ministerrat hat als Termin sür den Wieder⸗ zusammentritt des Parlaments den 18. Januar fest⸗ gesetzt.

Belgien.

Der König Albert ist, wie „W. T. B.“ meldet, an Grippe leicht erkrankt. Infolgedessen ist der Empfang am 1. Januar abgesagt worden.

Deutschland und Belgien haben den Verkehr mit Spirituosen über die deutsch⸗belgische Grenze, obiger Quelle zufolge, durch ein Abkommen neu geregelt, durch das die Ge⸗ währung von Steuerfreiheit ö ausgeführten Branntwein usw. von der Vorlage bestimmter Nachweise abhängig gemacht wird. Das Abkommen ist am 1. Januar d. J. an Stelle des bisher geltenden Abkommens vom 1. August 1902 in Kraft getreten.

Türkei.

Für die Sitzung der Deputiertenkam mer am Sonnabend hatte die Polizei besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen. Von 6 an hielten die Parteien Beratungen ab. Da die Mit⸗ glieder der Entente libérale sich auf den Standpunkt der

Unabhängigen gestellt hatten bezüglich einer Abänderun der Verfassung in dem Sinne, 6 dem Sultan das Recht gewährt wird, die Kammer in Kriegszeiten zu vertagen, mußten sich die Unabhängigen gemäß einer vorher abgegebenen Erklärung auf die Seite der Opposition stellen. Die Partei der Jungtürken konnte dem Standpunkt der Unabhängigen nicht zustimmen. Da die Albanesen, die sonst zur jungtürkischen Partei gehören, und auch die Griechen zur Opposition über⸗ traten, die zu obstruieren und sich von der Sitzung . beschloß, war es unmöglich, die zur Eröffnung der Sitzung notwendige Anzahl von Abgeordneten herbeizuschaffen.

Der roh wesir Said-⸗Pascha hielt an die anwesenden Abge⸗ orkneten eine Ansprache, in der er laut Meldung des W. T. B.“ auf die Schwierigkeiten hinwies, die sich der Arbeit der Regierung entgegengestellt hätten, insbesondere weil es an wichtigen Gesetzen fehle. Die Regierung habe Reformen in Albanien und Anatolten geplant, aber Artikel 35 habe sie daran gehindert. Der Redner be⸗ gründete die von der Regierung vorgeschlagenen Aenderungen des Längeren und verwies daben auf die Verfassungen anderer Lander. Die Regterung habe die Rechte der Krone, die durch den bisherigen Ar⸗ tikel 35 stark beschränkt worden sesen, erweitern wollen. Diefer Artstel sei von einigen Botschaftern als schlecht bezeichnet worden. Der Großwesir tadelte die Haltung der Opposillon, die weine Preßkampagne hervorgerufen und dadurch die Gemüter erregt habe; er schilderte die Gefahr, die sich aus den Zwistigkeiten der Parteien ergeben würde, und wies dabei auf das Beispiel Polens hin. Ueberakl sage man, die türkische Verfassung habe Schiffbruch gelitten und die Türkel sei für eine Konstitution ungeeignet. Der Großwesir mahnte zur Ruhe und Eintracht. Die Spposition verlange sechs Portefeuilles und wünsche den Ausschluß der Minister des Kabinetts Hakki, obwohl sie nicht verurteilt seien. Er weise diese Bedingungen zurück. Wenn er seine Entlassung gebe, werde er das Großwesirat nicht von der Gnade der Parteien annehmen, da der Sultan allein das Recht habe, Minister zu ernennen. Das Kabinett werde über die Lage beraten; Der Kriegsminister erhob. Einspruch gegen die Be— hauptung, das Kabinett wolle einen Schlag gegen' die Verfassung führen. Das Heer sei der einzige Hüter der Verfassung. Wenn die Kammer die vorgeschlagene Abänderung annehme, werde das zum Heil des Landes sein, andernfalls werde das Land in Unruhen geraten.

Während einer Pause beschloß das Kabinett, u demissionieren. Bei Wiederaufnahme der Sitzung stellte der Präsident von neuem fest, daß die erforderliche Zahl von Abgeordneten nicht vorhanden war.

Der Großwesir wiederholte, daß das Kabinett mit der Ab— änderung des Artikels 35 die Verfassung stärken und nicht schwächen wolle. Die aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzte Türkei könne ohne Verfassung nicht mehr leben, aber man müffe dem Sultan seine legitimen Rechte geben. Der Großwesir erklärte schließlich, er betrachte die Entfernung der Opposition aus dem Saal als eine Ab- lehnung der Abänderung des Artikels 35 und als einen Konflikt zwischen Kammer und Regierung. Daher habe das Kabinett be— schlossen, zurückzutreten.

Darauf vertagte sich die Kammer auf Montag.

Der Sultan hat vorgestern einige Mitglieder der Entente libérale empfangen und mit ihnen über eine Ver— ständigung beraten. Der Sprecher Gumuldjina Ismail erklärte, obiger Quelle zufolge, daß die Haltung der Opposition gegen die Abänderung des Artikels 35 keinen Widerstand gegen eine Verstärkung der Rechte der Krone bedeute, sondern ein einfaches Mißtrauensvotum gegen Said Pascha darstelle. Gumuldjina Ismail bat ferner, Said Pascha nicht wieder zum Großwesir zu ernennen. Der Sultan erwiderte, das Recht, den Großwesir zu ernennen, stehe der Krone zu. Später empfing der Sultan den Kammerpräsidenten, wobei er erklärte, daß die Krone, solange die Kammer im Dienste des Vater⸗ landes arbeite, ihre Rechte nicht mißbrauchen werde. Dem Befehle des Sultans gemäß haben die Unabhängigen die Ver⸗ mittlung zwischen der jungtürkischen Partei und der Opposition wieder aufgenommen.

Norwegen.

Die Delegierten Norwegens, Schwedens und Rußlands werden, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, am 15. d. M. in Christiania zusammentreten, um die Verhandlungen über die Spitzbergenfrage fortzusetzen.

Amerika.

Die Ruhe in Ecuador ist laut Meldung des, W. T. B.“ vom 31. v. Monats augenblicklich wieder hergestellt. Es befinden sich aber noch zwei Generale im Aufstande gegen die konstitutionelle Regierung.

Der brasilianische Senat hat am Sonnabend den bereits von der Kammer gebilligten Gesetzentwurf zum Schutz des geistigen Eigentums angenommen, durch den Literatur— werke ausländischer Verfasser denselben Schutz und dieselben Rechte erhalten, wie diejenigen der brasilianischen Schriftsteller.

Asien.

Nach Meldungen der „St. Petersburger Telegraphen⸗ agentur“ hat das russische Generalkonsulat in Täbris eine Bekanntmachung erlassen, in der die Bevölkerung aufgefordert wird, die Basare zu öffnen und ihre friedliche Beschäftigung wieder aufzunehmen. Die Basarordnung werde von den russischen Truppen aufrechterhalten werden. Der Telegraphen⸗ verkehr zwischen Täbris und Dschulfa ist wiederhergestellt. Gestern sind das sechste und das achte Schützenregiment sowie zwei Batterien der Grenadierbrigade unter dem neuernannten Kommandeur der russischen Truppen Generalmajor Woropanow in Täbris angekommen.

Der englische Kreuzer For“ hat in Abuschehr 169 Mann eines indischen Infanterieregiments gelandet. Die Verluste auf englischer Seite bei dem Angriff auf den britischen Konsul unweit Kazerun belaufen sich ö. fünf Tote und zehn Verletzte. Die Eingeborenen waren mit den neuesten Magazin⸗ gewehren bewaffnet. ö

Der König und die Königin von England sind, „W. T. B.“ zufolge, am Sonnabend in Kalkutta eingetroffen und von der Bevölkerung herzlich begrüßt worden.

Die Friedens kanferenz in Schanghai hat, wie das „Reutersche ö meldet, am Sonnabend beschlossen, daß sede Propinz Chinas drei Vertreter zu dem Nationalkonvent wählen soll. Auch die Mongolei und Tibet sollen . drei Abgeordnete vertreten sein. Die 71 der Ab⸗ geordneten wird zum Teil im Namen der Mandschus und zum 3 im Namen der provisorischen republikanischen Regierung erfolgen.

Wie die Regierung in Peking bekannt gibt, haben 4000 Revolutionäre vorgestern abend Hankau angegriffen. Nach Meldungen aus ö haben die dortigen Mon⸗ golen die Autonomie erklärt und den chinesischen Militär= gouverneur aufgefordert, abzureisen. Als er sich weigerte, dies zu tun, ersuchten die Mongolen den russischen Konsul um seine Vermittlung.

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