Hauptverwaltung der Staatsschulden.
Bekanntmachung.
Bei der heute öffentlich in Gegenwart eines Notars be— wirkten Verlosung der 4½ proz. Prioritätsobligationen (L. Emission) der früheren Braunschweigischen Eisen— bahngesellschaft sind folgende Nummern gezogen worden:
Nr. 50, 52, 58, 59, 61, 63, 66, 67, 76, 74, 320, 322, 323, 328, 329, 334, 355, 338, ai, 342, 384, 388, 3h, 353, 395 bis 398, 401, 409 bis 411, 416, 417, 422, 423, 425, 1426, 429, 433 — 40 Stück à 3000 M — 120 060 6;
Nr. 1289, 1294, 1295, 1298, 1299, 1803, 1306, 1308, 1311, 1313, 1322, 1324, 1325, 1328, 1329, 1337, 1343 bis 1346, 1458, 1461, 1463, 1465, 1468, 1469, 1472, 1474, 1475, 1477 bis 1479, 1484, 1485, 1487, 1488, 1493, 1500, 1502, 1504, 1638, 1642 bis 1646, 1648, 1649, 1651, 1652, 1660, 1661, 1667 bis 1669, 1674, 1675, 1679, 1684, 1685, 1817, 1820, 1825, 1828, 1832, 1834 bis 1837, 1840, 1846 bis 1850, 1854, 1855, 1858, 1863, 1865, 307, 3018, 3020, 3022 bis 3024, 3033, 3036, 3038, 3040, 3041, 3048 bis 3050, 3052, 3053, 3055, 3059, 3060, 3063 — 160 Stück 3 15060 S6 2 150 000 MS;
Nr. 3503, 3504, 3506, 3510, 3511, 3513 bis 3515, 3517,
3525, 3527, 3529, 3530, 3535, 3537, 3539, 3547 bis 3551, 3552, 3560, 3563, 3564, Z3566 bis 3569, 3571, 4555, 4554, 4560 bis 4563, 4565, 4566, 4570 bis 4581, 4584, 4590, 4592, 4504, 4556 bis 4598, 466, 14603, 4604, 4607 bis 4609, 4611, 4613, 5690 bis S694 bis 5696, 5698, 5700, 5702, 5704, 5706, 5709, 5715, 5720 bis 5722, 5724, 5728, 5729, 5736, 5759, 5742, 5748 bis 5750, 5754, 5762 5765, 5981, 5984, 5986, 5988, 5990, 5993, 5995, 5996, 6000, 6001, 6004, 6005, 6008, 6011, 6013 6018, 6020, 6022, 6027, 6029 bis 6033, bis 6163, 6167, 6168, 6170, 6171, 6173 bis 6179, Sl81, GIs, Cloz, Gl9gö, 6lgö ga03, a0, 62ib, 62l6, 6220, 6221, 6973, 6975, 6978, 6979, 6985, 6988, 6991, 6992, 6996 bis 6998, 7001, 7003, 7006, 7007, 7015, 7016, 7018 bis zo20, 7023 bis M7, 7029, 7631, 7032, 7035, 7791, 7792, 7794
779, 7g, 75802, 7803, 7805, 7806, 78609, 780, 7812, 7815 bis 7818, 7821, 7824, 7826, 7827, 7831 bis 7834, 7836 bis 7839, 8234, S236 bis S244, S246, S248, 3aö0, S252, Sah, 25h, 826 bis Sas, S269 bis Sa74, 8276 bis 8280, 8361 bis S353, S358, 8360 bis S368, 8373 bis 8375, 8378, 8780, 8784, 8786, 8788, 8791, 8794 bis z! 96, 830l, sz, Ss0ö, ssb, Ss 1, S5 3, S815 bis SsI7, 5 lg, Szal, Szat, SS3 l. sss, Sötzz, Ss37 bis Ss, S841, S844, 9064, 9067, 9069, 9075, 9079 bis 9085, 9087 bis 909hl, 9094, 9096, 9097, 9099, lol, 102, gioß bis 9108, Ml 13, 9115, 9116, i 18, 9l 19, 9319 bis gséö4, ges, götz!, S6 2, 9864, 9867, 9868, 9870, 9872, 9874 bis WI 6, 9878, 9879, Ws 9884. 9869, 93h, 9s ä, 9shö, 9s96, 99h, 9hö0, Ihö, 9903, 11 811, 11812. 11 815, 11 819 bis 11 824, 11 zs), 11 85, 11 830, 11 838 bis 11840, 11 842, il S5l, 11 852, 12 094, 12095, 12098, 12099,
12110 bis 12112, 12 118, 12 119, 12121,
13 407, 12 409, 12 410, i2 412 bis 13 4,
124253, 17 424, 12 427 bis 12429, 12431,
12439, 12 440, 12 442, 12 444 bis 13 448,
12 455, 12 455, 12 456 - J0)9 Stück 4 300 7 zusammen 549 Stück über 392 700 „6.
Dieselben werden den Besitzern zum 1. April 1912 mit der Aufforderung gekündigt, die in den ausgelosten Nummern verschriebenen Kapitalbeträge nebst den Stückzinsen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1912 gegen Quittung und Rückgabe der Obligationen und der nach dem Kündigungs termine zahlbar werdenden Zinsscheine Serie IV Nr. 16 bis 20 nebst Erneuerungsschein (Talon) für die nächste Zinsscheinreihe bei der Staatsschuldentilgungskasse in Berlin W. 8, Tauben— straße 29, zu erheben. Die Zahlung erfolgt werktäglich von 9 Uhr Vormittags bis 1 Uhr Nachmittags mit Ausschluß der letzten beiden Geschäftstage jedes Monats.
Die Einlösung geschieht auch bei den Regierungshaupt— kassen und in Frankfurt a. M. bei der Kreiskasse und ferner bei den Bankhäusern Lehmann, Oppenheimer u. Sohn in Braunschweig, Mendelssohn u. Co. in Berlin und der Berliner Dandelsggesellschaft in Berlin. Die Effekten können diesen Stellen schon vom 1. März 1912 ab eingereicht werden, die sie der Stgatsschuldentilgungskasse zur Prüfung vorzulegen und nach der Feststellung die Auszahlung vom 1. April 1912 ab zu bewirken haben. —
Der Betrag der etwa fehlenden Zinsscheine wird vom Kapital zurückbehalten. Mat dem 31. März 1912 hört die Verzinsung der verlosten Obligationen auf.
Gleichzeitig werden die bereits früher ausgelosten, nach— stehend aufgeführten, noch rückständigen Obli galionen wieder— holt und mit dem Bemerken aufgerufen, daß deren Verzinsung mit dem 31. März des Jahres ihrer Verlosung aufgehört hat und jeder Anspruch aus ihnen erlischt, wenn sie 10 Jahre lang . einmal öffentlich aufgerufen und dessenungeachtet nicht spätestens binnen Jahresfrist nach dem letzten öffentlichen Auf⸗ rufe zur Einlösung vorgelegt sein werden.
Aus der Kündigung zum 1. April 1906 zu 300 6 Nr. 7174, 8022, S150, 8760, 10191.
Aus der Kündigung zum 1. April 1907
300 S Nr. 4345, 808.
Aus der Kündigung zum 1. April 1908
3000 MS Nr. 702,
1500 S6 Nr. 1450, 2191,
300 66 Nr. 5407, 8731, 10 446, 10 807.
Aus der Kündigung zum 1. April 1909
1500 S6 Nr. 3065, 3066,
300 S6 Nr. 7193, 7194, g322, 9g323.
Aus der Kündigung zum 1. April 1910
1500 S6 Nr. 1993, 2946,
300 S Nr. 6754, or 84.
Aus der Kündigung zum 1. April 1911
1500 S Nr. 2196, 2239,
zu 300 6. Nr. M69, 6246, 9gi73, 974, gi77, gels, 9218, 9226, 9559, 9567.
Formulare zu den Quittungen werden von sämtlichen Ein— lösungsstellen unentgeltlich verabfolgt.
Berlin, den 2. Januar 1912.
Hauptverwaltung der Staatsschulden. von Bischoffshausen.
Bekanntmachung.
Dem Markscheider Otto Uhde aus Bernburg ist von uns heute die Befugnis zur selbständigen Markscheidertätig⸗ keit für den Umfang des Preußischen Staates erteilt worden.
Uhde hat seinen Wohnsitz in Bernburg genommen.
Halle a. S., den 30. Dezember 1911.
Königliches Oberbergamt. Scharf.
Abgereist: Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister für Land⸗ wirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schor⸗ lemer, nach der Rheinprovinz.
Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 8. Januar.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute im Neuen Palais bei Potsdam den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rates von Valentini.
Seine Majestät der Kaiser und König begaben Sich, wie „W. T. B.“ meldet, gestern vormittag vom Neuen Palais bei Potsdam nach Charlottenburg, um im Mausoleum am Sarkophage weiland Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta, deren Todestag war, einen Kranz niederzulegen.
Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr
hielt heute eine Sitzung.
Das Handbuch über den Königlich preußischen Hof und Staat für das Jahr 1912 ist in Kommission bei R. von Deckers Verlag (G. Schenck, Königlicher Hofbuch⸗ händler) hierselbst soeben erschienen.
Die Technische Hochschule zu Berlin wird das Geburtstagsfest Seiner Majestät des Kaisers und Königs am Freitag, den 26. Januar 1912, Abends 6 Uhr, in der Halle des Hauptgebäudes festlich begehen. Der Zutritt findet nur durch den Haupteingang statt; es wird ersucht, dort⸗ selbst die Einlaßkarten vorzuzeigen.
Laut Meldung des, W. T. B.“ sind am 5. d. M. S. M. S. „Bremen“ in Havana und S. M. S. „Vineta“ in Port⸗au⸗ Prince auf Haiti, am 6. d. M. S. M. S. „Gneisenau“ in Schanghai eingetroffen.
Hannover, 6. Januar. Die La ndessynode der evangelisch-lutherischen Kirche der Provinz Hannover nahm, wie der „Hannoversche Courier“ meldet, in der gestrigen Sitzung nach längerer Debatte die Anträge an, betreffend Zusammenlegung verschiedener Fonds und Auf stellung eines Haushaltsplanes, betreffend Fonds zur Auf⸗ besserung der mit einem Schulamte verbundenen Kirchenämter
2
sowie Gründung eines landeskirchlichen Fonds zur Unterstützung von Kirchengemeinden für die Anstellung von Gemeindehelfern und helferinnen, und stimmte folgender Resolution bezüglich der Jugendpflege zu:
Die Landessynode begrüßt dankbar den Erlaß des Herrn Ministers der geistlichen Angelegenheiten vom 18. Januar 1911 über die Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend, insbesondere auch das von dem Herrn Minister ausgesprochene Vertrauen in die wertbolle Hilfe der Geistlichen.
Sie ist der Ueberzeugung, daß dieses Vertrauen nicht getäuscht werden wird, und in der Erkenntnis, daß eine nachhaltige Jugendpflege nur alf dem festen Grunde des Wortes Gottes erfolgen kann, bittet sie, von der Mithilfe der Geistlichen, auch durch Zuwendung von Geld— mitteln an die kirchliche Jugendpflege, tunlichst weitgehenden Gebrauch zu machen, auch dafür Sorge zu tragen, daß die bereits vorhandene kirchliche Jugendpflege nicht durch Organifationen der staatlichen Jugendpflege beeinträchtigt, vielmehr die weitere Ausdehnung der kirchlichen Jugendpflege auch staatlicherseits wohlwollend gefördert werde. Die Landessynode ist endlich davon durchdrungen, daß die Pflege der weiblichen Jugend keine geringere Bedeutung hat, als die der märgichen, und hofft, daß die Königliche Staats regierung auch diesem (teren Zwelge der Jugendpfl ge baldfunlichst das gleiche Interesse zuwenden werde, wie sie es für die männliche Jugend ge⸗ zeigt hat.
Die Landessynode richtet an alle Geistlichen die Bitte, sich auch fernerhin der kirchlichen Jugendpflege auf das wärmste anzunehmen und zu diesem Ende sich allen Organisationen der Jugendpflege an⸗ zuschließen, in denen kirchliche Mitarbeit erbeten oser zugelassen wird. Insbesondere bittet sie die Geistlichen, den ländlichen Fort⸗ bildungsschulen sowie auch den gewerblichen Forthildungeschulen ihr besonderes Interesse zuzuwenden. Die Landegfynode spricht ferner ihre Zuversicht aus, daß sie auch bei der kirchlichen Jugendpflege auf eine vertrauensvolle Mitarbeit der Lehrer rechnen kann. Sie empfiehlt endlich den Staats und Gemeindebehörden fowie den Kirchenvorständen, sich der Fürsorge für die hauswirischaftliche Aus— bildung der weiblichen Jugend, insbeson dere der in der Landwirtschaft und Industrie beschäftigten Lohnarbeiterinnen, warm anzunehmen.
Württemberg.
Zu Ehren Ihrer Königlichen Hoheiten des Groß⸗ herzogs und der Großherzogin von Mecklenburg⸗ Schwerin fand vorgestern abend im Weißen Saale des Residenzschlosses Galatafel statt, an der, „W. T. B.“ zufolge, außer der Königlichen Familie, die Staatsminister, das diplo⸗ matische Korps, Graf von Zeppelin, die Hofchargen und die Vertreter der Stadtgemeinde kellnahmen. Während des Mahles wechselten Seine Majestät der König und Seine König⸗ liche Ho heit der Großherzog herzliche Trinksprüche. Spät Abends erfolgte die Abreise des Großherzoglichen Paares nach Regensburg.
Großzbritannien und Irland.
Ein Memorandum der Admiralität kündigt, wie, W T. B.“ meldet, die unmittelbare Bildung eines Admiralstabes . an, der sich aus drei Abteilungen zusammensetzen wird.
Frankreich.
. Gestern haben hundert Wahlen zum Senat in den senigen Deyartements stattgefunden, deren Namen mit einem der Buchstaben a bis g anfangen, oder in denen durch Todes⸗ fälle Sitze frei geworden sind. Nach den bis heute morgen im Ministerium des Innern eingegangenen Ergebnissen sind, wie W. T. B.“ meldet, 5 Reaktionäre, 23 Progressisten, 19 Linksrepublikaner, 48 Radikale und Sozialistisch⸗Radikale sowie 3 sozialistische Republikaner gewählt worden. Es fehlen noch die Ergebnisse von Guadeloupe und La Raunion. Bisher ge—⸗ winnen die Linksrepublikaner 8 Sitze, die sozialistischen Republi⸗ kaner einen Sitz. Die Reaktionäre verlieren 2, die Progressisten 4, die Radikalen und die Sozialistisch Radikalen 3 Sitze.
— Der Ministerpräsident Caillaux hat vorgestern als Vorsitzender eines Banketts der „Blauen aus der Normandie“, einer radikalen politischen Vereinigung, eine Rede gehalten, in der er auf die von dem Parlament angenommenen Gesetz entwürfe einging, insbesondere auf die Annahme des Budgets und des deutsch-französischen Abkommens durch die Kammer. Wie „W. T. B.“ meldet, führte Caillaux aus:
Dank der Tätigkelt des Parlaments sei das Terrain gut geebnet. Während der Senat das Budget und das deutsch⸗französische Ab—⸗ kommen erledige, dessen endgültige Annahme sich nicht länger ver— zögern dürfe, konne die Kammer die Wahlreform, die Gesetze zur Verteidigung der Laienschule und das Schiff sbauprogramm, dessen Annahme für die Sicherheit und Größe Frankreichs notwendig fei, beenden. Die Regierung werde die Kammer zur Verwirklichung einer nalionalen Politik auffordern, um die Verteidigung und damit die Sicherheit des Landes in größerem Umfange sicherzustellen, die Ver waltung zu konsolidieren und auf der sozialen Stusenleiter pon oben bis unten Ordnung und Disziplin durchzuführen. Das sei das Werk, das man verfolgen müsse. Die Regierung werde danach trachten, dag Programm einer wirtschaftlichen Verjüngung aktion damit zu ver— binden. Sie werde sich bemühen, die Ersparnisse des Lantes auf die Verbesserung der Häfen und der Schiffahrtsstraßen sowie auf die Verbesserung des Eisenbahnnetzes hinzulenken, denn wenn man sich auch aus verschiedenen praktischen Gesichtspunkten über die Geld anlagen im Auslande freuen müßte, die Frankreich zum Kommanditär, des Fortschritts in der Welt machten, dürfte es doch angezeigt sein in gewissem Maße dem Mißverhältnis entgegenzuwirken, das zwischen diesen Anlagen und der Verwendung der Kapitalien im Innern platz= greifen könnte. Ohne daß man sich gewaltsam der Ausdehnungsö⸗ bewegung, die in der Natur der Sache liege, widersetze, müßten doch alle wertschaffenden Kräfte des Landes inniger zu seüner Entwicklung und seiner Wohlfahrt zusammenwirken.
Der Ministerpräsident schloß mit einem Aufruf an die Eintracht und Disziplin unter den Republikanern.
Italien.
Da die Kammern noch nicht versammelt sind, veröffentlicht der Schatzminister Tedesco laut Meldung des . an Stelle des üblichen Finanzexposes folgende Mitteilungen über den Staatshaushalt und die Lage des Schaßes—
Seit dem Jahre 1898 wird die Entwicklung der italienischen Staatsfinanzen charakterisiert durch ein beträchtliches und ununter— brochenes Anwachsen der Einnabmen, eine rasche und anhaltende Steigerung der Ausgaben und mehr oder weniger große Ueberschüsse. Das endgültige Budget für 1916/11 wies einen Ueberschuß von 32,? Millionen Lire auf, etwa doppelt so viel als das vorangegangene; das berichtigte Budget für 1911312 einen solchen von mehr' als 9 Millionen, von denen nach Abzug der unvorhergesehenen Ausgaben immer noch etwa 23,7 Millionen verbleiben. Für das Rechnunge jahr 1912113 ist ein Ueberschuß von 14,5 Millionen vorgesehen, wobei alle Etats mit Ausnahme des Schatzes Mehrausgaben aufweisen, die beim öffentlichen Unterricht 35 Millionen Lire betragen. Die Vermehrung der wichtigsten Einnahmen in den Rechnung jahren von 19601563 bis 1910711 beträgt, abgesehen von den Getreidezöllen, 534 Millionen und ist fast ausschließlich auf die natürliche Entwicklung der Einnahme—⸗ kapitel und nur zu einem kleinen Teil auf gesetzgeberische Maßnahmen zurückzuführen; die Steigerung der Ausgaben von 1818/99 bis 19g? 13, d. h;, seit dem Beginn der Periode blühender Finanzen, die eine bessere Bexrücksichtigung aller sozialen, wirtschaftlichen und nationalen Bedürf— nisse und daneben auch eine ausgiebige Hilfsaktion fär die Opfer des Erdbebens von 1908 gestattete, beläuft sich auf 593 Millionen Lire. Am stärksten ist diese Steigerung zutage getreten beim öffentlichen Unterrichtswesen, den öffentlichen Arbeiten, dem Ackerbau, dem Post und Telegraphenwesen.
Ueber die Kriegsaufwendungen bemerkt der Minister:
Zu den normalen Ausgaben treten gegenwärtig die außeror ent lichen für die Unternehmung hinzu, die das Volk mit aufrichtigem Beifall und Kundgebungen der Begeisterung für die tapferen Matrofen und Soldaten und des Vertrauens in die Zukunft der neuen italienischen Länder kegrüßt hat. Indessen können und sollen, wie der Ministerpräsident in völliger Uebereinstimmung mit dem ganzen Kabinett erklärt hat, dle Kriegsgusgaben die Ausführung der auf die Entwicklung des nationalen Lebens abzielenden Reformen weder unterbrechen noch verlangsamen, und der Budgetvoranschlag ent hält alle in. Erwägung gezogenen Ausgabesteigerungen, so 33 Millionen für den Volksschulunterricht und mehr ais nen für öffentliche Arbeiten, ohne daß das Gleichgewicht des Budgets irgendwie gefährdet würde. Zur Bestreitung der Kosten des Krieges genügen die Ueberschüsse der früheren Rechnungejahre zusammen mit dem im laufenden Jahre vorgesehenen Ueberschuß sowie ein Teil der ordentlichen Mittel der Schatzverwaltung, die zurzeit in Höhe von nicht weniger als 500 Millionen verfügbar sind.
Der Minister kommt sodann auf die befriedigende Lage der Börsen, der Emissionsbanken sowie des Geldumlaufs zu sprechen und bemerkt über die Lage des Schatzes: .
Die in Umlauf gesetzten Schatzanweisungen, deren Betrag sich während der zehn Jahre von 190102 bis 1910311 zwischen 286 Millionen (Juli 1901) und 80 Millionen (Februar 1911) be⸗ wegte waren am 20. November 1911 auf etwa 45 Millionen gesunken. Die Lage der Staatskasse ist trotz der verschiedenen Anforderungen, die der Schatz zu befriedigen hatie, immer gut geblieben, und der Schatz verfügt noch über etwa 225 Millionen Schatzanweisungen und 125 Millionen statutenmäßige Vorschüsse der Emisstons⸗ banken, abgesehen von den namhaften Summen, die bei der Banca d'ltalia für den Dienst des Schatzes und in laufender Rechnung bei ausländischen Kreditinstituten (in Oesterreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, England, den Niederlanden und der Schweiz) deponiert sind. Diese Summen helaufen sich auf, mehr als 109 Millionen und sind seit dem 30. September, d. h. seit der Kriegs⸗ erklärung, in bemerkenswerter Weise noch um einige Millionen erhöht worden. Der Minister erörtert dann noch die sehr befriedigende Lage der Depositenkasse und schließt: Die Italiener konnten das Gedächtnis ihrer nationalen Wiedergebuit nicht würdiger felern als dadurch, daß sie in rascher Zusammenfassung die Offenbarungen des er= habenen und vielgestaltigen Erneuerungswerkes sammelten und in die Erscheinung treten ließen, das sie unter Kämpfen und Opfern, in Zeiten der Begeisterung und der Entmutigung während eines halben Jahrhunderts vollendet hatten, einer sehr kurzen Spanne Zeit in der Geschichte der Völker. Aus den heiligen Mah— nungen seiner nationalen Wiedergeburt, aus der Erinnerung an dag
in den letzten fünfzig Jahren vollbracht Werk, aus den mannhaften Beispielen der Gegenwart schöpft das italienische Volk in diesem von Frinnerungen wie von Zukunfißahnungen erfüllten Jahr ein um so sichereres Bewußtsein seiner Leistungsfähigkeit, ein Gefühl um so größeren Selbstvertrauens und, wie im Besitz einer neuen Kraft, weiß es in unbesiegbarem Geiste und in vermehrter Stärke auf den
schwierigen Pfaden der Zivilisation weiterzuschreiten. Türkei.
Wie die Konstantinopler Blätter melden, hat die Pforte ihre Botschafter beauftragt, die Klagen der bulggrischen Re⸗ gierung gegen die türkischen Behörden anläßlich der Unruhen in Istip zurückzuweisen, gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Mächte auf das Treiben des mazedonisch⸗bulgarischen Komitees zu richten und die Absicht der Pforte mitzuteilen, baldigst die Ruhe in Mazedonien herzustellen. Ein neuerliches Com⸗ muniqus über die Ereignisse in Istip stellt fest, daß dank dem Eingreifen des Kaimakams und der Offiziere die Ruhe wiederhergestellt ist. ; .
Die Deputierten kammer setzte vorgestern die Dis⸗ kussioen über den Artikel 35 fort. Zwei oppositionelle Abgeordnete wandten sich laut Bericht des „W. T. B.“ in langen Ausführungen gegen die Abänderung, die unangebracht sei und nur den Zweck habe, die Auflösung der Kammer herbeizuführen, um den Jungtürken die Aufrechterhaltung ihrer Machtstellung zu sichern. Der Unterrichtsminister entgegnete im Namen der Regierung.
Die Mufti, Ulema, Bürgermeister, Notabeln und Grundbesitzer von Prizrend, Prischtina, Ipek und Djakowa haben an den Großwesir ein Telegramm gesandt, in dem sie der Aufhebung des Artikels 35 zustimmen, gegen die Ge— rüchte, daß eine neue aufständische Bewegung sich vorbereite, Einspruch erheben und im Namen aller mohammedanischer Arnauten dem Sultan Treue bis zum letzten Blutstropfen zusichern.
Asien.
Das persische Kabinett hat, wie das „Reutersche Bureau“ meldet, dem Generalschatzmeister Shuster amtlich mitgeteilt, daß eine Kommission ernannt ist, die aus dem belgischen Zolldirektor Mornard und vier Persern besteht und Shusters Obliegenheiten übernehmen wird. Mornard soll vor⸗ läufig als Schatzmeister tätig sein. .
Laut Meldung der „St. Petersburger Telegraphen— agentur“ ist das Todesurteil des Feldgerichts in Täbris gegen den Führer der Fidais Hadschi Ali Dawafurusch sowie gegen den Neffen Sattar Chans, den Führer der Fidais des Stadtviertels Emirhis, Emir Mohammed Chan, und gegen die Redakteure des Revolutionsblatts Schurak und Kerim Chan gestern vollzogen worden. Das Haus des Dawafurusch ist in die Luft gesprengt worden. Das russische General— konsulat hat Maßregeln zum Schutze des Vorsitzenden des Endschumen, Adlie Beledie und einer Reihe anderer Personen ergriffen, die an den Feindseligkeiten gegen die Russen nicht teilgenommen haben, gegen die die Bevölkerung jedoch äußerst erregt ist wegen ihres früheren Zusammengehens mit den Fidais.
Wie das „Reutersche Bureau“ aus Peking meldet, haben die Mächte vorgestern in Uebereinstimmung mit dem jüngst gefaßten Plan die Bahnlinie von Peking nach der See besetzen lassen.
Afrika.
Wie die „Agenzia Stefani“ aus Tripolis meldet, hat vorgestern eine Erkundungsabteilung der Kavallerie festgestellt, daß das Land in einem Umkreis von acht Kilometern von Ainzara vom Feinde geräumt ist. In Bengasi war die Lage am 5. d. M. unverändert. Bei Derna wurden vorgestern auf die im Bau befindlichen Festungswerke einige Schüsse ab⸗ gegeben, die jedoch wirkungslos waren. In Homs wurden vorgestern zwei Bataillone, die zum Schutze von Verschanzungen an einer entfernteren Stelle verwendet wurden, von zahlreichen Arabern angegriffen. In einem heftigen Kampfe, der drei Stunden dauerte, erlitten die Araber schwere Verluste. Die Italiener hatten 21 Verwundete.
Die Unruhen in der Umgebung von Sefru dauern an. Wie „W. T. B.“ aus Fez meldet, ist der Masor Brsmond mit Truppen abgegangen, um die aufrührerischen Stämme zu züchtigen. Auch der General Dalbiez hat Mekines mit zwei Bataillonen Infanterie, einer Batterie und einer
Schwadron in der Richtung auf Sefru verlassen, wo er zu— sammen mit Major Brämond vorgehen wird, um die Berber abzuschneiden. Eine Erkundungsstreifwache ist im Motorboot von Mehedig den Sebufluß stromaufwärts bis nach Sidimo— hammed⸗ei⸗Euh vorgedrungen, wo die Stromfälle die weitere Fahrt sperrten.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Sterblichkeit in den deutschen Großstädten im November 1911. e Nach den Mitteilungen des Statistischen Amts der Stadt Cöln üer die Sterblichkeit in den deutschen Großstädten während des Monats November starben in 40 Städten, von denen zurzest die ent- brechenden Angaben vorliegen, auf JY.„558 Millionen Einwohner 19 924 Personen ober auf 1060 Einwohner und 1 Jahr 13,35 (gegen 13,79 und 1732 im Oktober und September d J. und 14,40 im November v. I), und zwar Kinder des ersten Lebensjahres 2321 oder 234 3,zzl, 6,56, 3, 48), Personen höheren Alters 8603 oder 1051 (lo. 13, 10,35, 10, gi). Die Sauglingsfterblichkeit ist hiernach weiter zurückgegangen und auf dem tiefsten Stand des Jahres 1911 angelangt Die Sterbeziffer für die Personen höheren Alters hat sich dagegen etwas erhöht, jedoch nur in dem Maße, daß auch die Gesamtziffer sich noch niedriger stellte als in den Vormonaten. Im einzelnen stgrben auf 1060 Finwohner und 1 Jahr berechnet, in Königsberg 1802 Personen, in Danzig, Aachen und Palle sowie Posen 17,86, 17.65 und 17,2t, in Breslau It, )?, in Görlitz, Altona und Stettin 15,94, . und 15,53, in Gelsenkirchen, Elben feld, Lübeck, Stuttgart und Fhemnitz 1457 iä o? 14 49, 129 und 14 10, in! Münchner Du burg, Ther den, Wiekbaden, Straßturg und Eöht 18, g5. IJ. 33, 13,774, 13,66, 4330 und 153, i, in Freiburg i. Br. Saarbrücken, deipzig, Kiel Plauen, Bremen- Karlsruhe, Charlottenburg und Hannover 12494, 13 35. 19,7, 1254, 17,58, 13, 5i, 1247, 12.33 und 12.08, in Grefeld, Mannheim, Nürnberg, Gaffel und Parmen 11,98. 1196, 11536. 11,27 und 11,08 in Schöneberg, Essen a. d. Ruhr, Frankfurt und Důsseldorf sowie Rirdorf 1071, Jo, t, 10,31 und 1510 Und endlich in Deutsch Wilmersdorf Ho. Nach der Sterbeziffer des Sãuglingtaltert nahmen dabei Gelsenkirchen, Chemnitz, Duisburg, Königsberg und Rirdorf mit 336, b, i, 6s, 4.0, ünd 01 die ersten und Hannober, Cassel, Wiegbaden, Deutsch Wilmersdorf und Schöneberg mit 1,9, 1373, 1,365, 1,0ß und 1.03 die letzten Stellen ein. Für das Verhältnis zwischen der Gesamtzabk der Lebendgeborenen des Berichtsmonats und der vorhergehenden [I Monate und der auf 1 Jahr
berechneten Zahl der gestorbenen Kinder des ersten Lebensjahres wiesen Chemnitz, Stettin, Rixdorf, Königsberg und Kiel mit 1922, 16,21, 15,5, 1313 und 15, 12 30 die höchsten und Straßburg, Wiesbaden, Cassel, Düsseldorf und Schöneberg mit 7 95, 743, 7.57, 7, 0 und 6,78 Co die niedrigsten Werte der Säuglinge sterblichkeit auf, während der Durchschnitt sich auf 11,95 (im Oktober und September d. J. auf 15.24 und 37,26, im November v. J auf 13,24) ,½ belief.
Von den Todesursachen nahm im Berichtsmonat die Tuberkulose wieder die erste Stelle ein, und zwar mit 1,56 (im Oktober 2,00) Sterbefällen auf 1 Jahr und 1006 Einwohner, darunter die Lungen⸗ tuberkulose mit 1,27 (1,28); weiter folgten: Lunge entzündung mit l, O. (L 08), Krebs mit 0,99 (0,95), Magen- und Darm kalarrh, Brech— durchfall und Kinderatrophie mit 0.89 (1,70), angeborene Lebens— schwäche einschließlich von Bildungsfehlern mit O, Sz (1, 0), organische Derzleiden mit 0,68 (0, 66) die Kinderinfektionskrankheiten = Scharlach, Masern, Diphtherie und Keuchhusten — mit O57 (0 52) usw. Dabei be? wegte sich die Sterbeziffer für Tuherkulose zwischen 257, 2 40, 2,30, 2,11 und 207 in Breslau, Danzig, Freiburg i. Br. Dresden und Cöln und O56, JI, 0, b9 und (, It in Kiel sowie Schöneberg, Duisburg. Aachen und Deutsch Wilmersdorf, insbesondere für Lungentuberkulose zwischen 2 36, 1, 51 und L827 in Breslau, Cöln und Danzig und O67, 6,54 und 0,16 in Duisburg, Aachen und Deutsch Wilmersdorf, — für Lungen⸗ entzündung zwischen 279, 2,9 und 2,02 in Aachen, Posen und Duis⸗ burg und bh, 0,4, O40 und O16 in Schöneberg, Charlottenburg sowie Karlsruhe, Straßburg und Deutsch Wilmersdorf, — für Krebs zwischen 2.93 und 1,74 in Halle und Danzig sowte Freiburg 6. Br. und 948, 0,7 und O, 2 in Rixdorf, Mannheim und Saarbruͤcken, — für Magen. und Darmkatarrh, Brechdurchfall und Kinderatrephie zwischen 1.92, 1679 und 163 in Chemnitz, Gelsenkirchen und Rärn⸗ berg und 0, 23, 0, 13 und (,08 in Wiesbaden, Schöneberg und Deutsch Wilmersdorf, — für angeborene Lebensschwäche einschließlich von Bildungsfehlern zwischen 1651, 155 und 1,44 in Saarbrücken, Plauen und Elberfeld und 0,27, 0,24 und O21 in Freiburg i. Br., Lübeck und Schöneberg, — für organische Herzleiden zwischen 1,560, 1,165, 1,10 und L109 in München, Freiburg i. Br.. Altona und Breslau und 9.15, 0, 14. 0, 11 und O,I0 in Posen, Gelsenkirchen, Wiesbaden und Plauen. Von den Kinderinfektionskrankheiten traten als Todes— ursache am häufigsten auf: Scharlach in Barmen (Sterbeziffer 54h, Masern in Aachen (254), Diphtherie in Altona (L, i0) und Keuch' husten in Königsberg (9.39).
Zur Arbeiterbewegung.
Zum Ausstand der belgischen Bergarbeiter (vgl. Nr. 5 d. Bl.) wird dem W. T. B.“ aus Brüssel gemeldet, daß ein Ver⸗ treter der Grubenbesitzer des Borinage am Sonnabend dem Gouverneur der Provinz Hennegau erklärte, die Grubenbesitzer würden nur auf eine Lohnzahlung an jedem zweiten Sonnabend esn— gehen können, daß sie es aber ablehnen, Lohnvorschüsse zu geben. Die Vertreter der Bergarbeiter des Borinage erklärten am Sonn? abendabend, daß sie auf der Forderung achttägiger Lohnzahlung beharren.
In Rotterdam sind, wie die Rh.⸗Westf. Itg.“ erfährt, die Fuhrleute, welche die Güter der Schiffe befördern, ausstandig. Der ganze Wagenverkehr im Hafen steht fast still, er kann nur durch einige Automobile aufrecht erhalten werden.
(Weitere Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)
Wohlfahrtspflege.
Gewinnbeteiligung der Arbeiter bei den Zeißwerken in Jena.
Die weltbekannte Firma Karl Zeiß in Jena, für die der Arbeiter freund Professor Ernst Abee eine einzig dasfehende Stiftung errichtete, bat in ähnlicher Weise wie in den letzten Jahren auch im Dezember 1911 wieder Gewinnanteile unter der Bezeichnung ‚Lohn- und Ge— haltsnachzahlungen' in der Höhe von 85½ an Beamte und Arbeiter gewährt. Es ist also auch das Geschäftssahr 1910711 gut ge⸗ wesen, an dessen Erträgnis die Arbeiter und Beamten durch diefe Nachzahlung teilnehmen. Auch die Firma Schott u. Gen. hat die übliche Lohnnachzahlung (für Lohnseute einen Betrag in Höhe des in 4 Wochen verdienten festen Lohns, für Gehaltlseute ., des Gehalts) gewährt und außerdem dem Personal, soweit es ein Einkommen von nicht über 3000 6 bezieht, folgende Teuerungszulage bewilligt: Ver⸗ heirateten mit einem Einkommen unter 1260 SM Lohn für 8 Tage, von 1200 bis 1600 F Lohn für 5 Tage und von 1600 bis 3009 Arbeitslohn für 3 Tage; den ledigen Arbeitern wurde eine einmalige Teuerungszulage im Betrage des Lohnes für 3 Tage bewilligt.
(Sozialkorrespondenz )
Die Al tersrenten der Arbeiter in Großbritannien.
Das vom Internationalen Landwirtschaftsinstitut in Rom heraus— gegebene „Bulletin du Bureau des institutions Séconomiques et sociales“ enthält im 10. Heft des zweiten Jahrgangs als Fortsetzung einer Reihe von Beiträgen über die soziale Versicherung in den ver— schiedenen Staaten einen interessanten Aufsatz über die Altersrenten der Arbeiter in Großbritannien, dem wir die folgenden Ausführungen entnehmen.
Fast 30 Jahre hat die Erörterung über die Arbeiterversicherung im Vereinigten Königreich angedauert. Es handelte sich hauptsächlich um die Frage, ob von den Versicherten Beiträge zu erheben fein würden oder nicht. Der englische Arbeiter zeigt wohl eine gewisse Vorsorge für die Zukunft, doch richtet sie sich auf nähere Ziele als das Alter. Er tritt zum Beispiel einem Verein zu gegenseltiger Unterstützung oder zum Erwerb eines Häuschen bei usw. Die Für— sprecher einer auf ein geringes Maß beschränkten Altersrente, zu der die Versicherten selbst nichts beizutragen hätten, verfochten den Stand punkt, daß ihr System die Volksmassen zum Sparen für die alten Tage anhalten würde, wenn sie schon die Aussicht auf eine kleine feste Rente hätten Der Reeder Charles Booth, der Vorkämpfer für diese Auffassung, sah seine Argumente später von den Leitern der Regierung wieder aufgenommen und bestätigt. Bei der Beratung der Versicherungsvorlage im Unterhause hob der Schatzkanzler be⸗ sonders hervor, daß der Arbeiter, der durch die indirekten Steuern schwer belastet sei, der mit seiner Kraft, Gesundheit und Geschicklich. keit zur Schaffung und Mehrung des Nationalreichtums beitrag, hierdurch schon der Staatskasse seinen Beitrag geleistet habe, die ihm dafür später eine Rente auszahle. So beruhe im Grunde das System der von den Staatskassen getragenen Altersrenten ebenso auf den Beiträgen der Versicherten wie das deutsche Spstem der direkten Beiträge der Arbeiter. Das englische Gesetz vom J. August 1865, das fast einstimmig vom Parlament angenommen wurde, beweisst, wie die darin vertretene Auffassung in England vorherrscht.
Der genannte Aufsatz beschäftigt sich sehr eingehend mit dem Gesetz, das für das Alter großes Entgegenkommen zeigt. Es sichert allen mindestens 70 Jahre alten Personen, deren Einkommen 31 Pfund 19 Schilling (630 46) nicht übersteigt, eine wöchentlich vorauszuzablende Rente von meist 5. Schilling (9 M6), d. s. 260 Schilling (260 ) jährlich. Die Anwärter auf die Rente haben nur zu erweisen, daß sie britische Staatsangehörige sind, seit mindestens 20 Jabren im Vereinigten Königreich wohnen, daß ihr Einkommen den festgesetzten Betrag nicht übersteigt, und daß sie wenigstens 70 Jahre alt Find. Die Methode dieser Feststellungen ist sehr einfach. Das Alter kann durch Tauf⸗ oder Trauschein sowie durch Milttärpapiere 2c. erwiesen werden. Eine ganz eigenartige Verfügung, die sich nirgends fonst findet, trifft das englische Gesetz, indem es nur den Per sonen Altersrenten zuerkennt, die beweifen können, daß sie während ihrer Arbeitsjahre sich bemübt haben, für spätere Jahre vorzusorgen. Die übrigen können ihr Leben im , ,. beschließen, wo sie zwar nicht frei sind, aber wenigstenz nicht verhungern können.
Der Mechanismus des Gesetzes ist sehr einfach, sodaß es mit großer Leichtigkeit wirksam ist. Bei den Ortskommisstonen befindet
sich ein vom Schatzsekretariat delegierter Beamter, der die Renten⸗ forderungen, die ihm die Postämter übermitteln, zu prüfen hat, worauf die Kommission ihr Urteil fällt, gegen das bei der Orts regierungs⸗ behörde Berufung eingelegt werden kann.
Die Ergebnisse, die sich aus verschiedenen in dem genannten Aufsatz enthaltenen Tabellen ergeben, sind: I) eine erhebliche Anzahl Zurück— weisungen von Rentenforderungen, was ein Beweis für die vorzügliche Kontrolle ist; 2) das Fehlen bon Altersersparnissen bei den englischen Arbeitern, deren Vorsorge sich auf andere Gegenstände richtet.
Die Ausgaben betragen gegenwärtig 249 800 000 S, die S69 377 Rentenempliängern zugute kommen, d. s. fast zwel Brittel aller Greise des Vereinigten Königreichs. Diese Kosten sind fast um die Hälfte höher als die anfangs veranschlagten, „aber“, fährt der Verfasser des Aufsatzes fort, indem England neuerdings die Wohltat des Gesetzes auf 260 960 neu hinzugekommene Personen ausgedehnt hat, beweist es, welchen Schluß es aus dieser Tatsache zieht und welches Vertrauen es zu der Wirksamkeit des von ihm geschaffenen Mechanismus hat?.
Kunst und Wissenschaft.
Im Ausstellungsraum der Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseum s, Prinz Albrechtstraße 8, ist soeben eine Aus stellung von Landschaftsstudien des jungen Malers Ich v. Wicht eröffnet worden. Die nahezu 50 Blätter, in Kohle und Bleistift aus⸗ geführt, zeigen in reicher Abwechslung Motive der eigenartigen Land⸗ schaft Schottlands. Die Ausstellung, die künsterisch und geg enständlich dem Interesse auch weiterer Kreise begegnen dürfte, ist wochentäglich von 11—2 Uhr bei freiem Eintritt zu besichtigen.
Im Institut für Meereskunde, Georgenstraße 34— 36 wird am 13. d. M. der Professor Sr. Georg Sobernheim Abteilungsvorsteher am Hyglenischen Untersuchungsamt der Stadt Berlin, über Fischvergiftung sprechen. Eintritts karten zu 025 S zu dem Vortrag sind in der Geschäftästelle des Inftitutz zwischen 9 und 3 Uhr und am Vortragsabend selbst von 6 Uhr an zu haben.
Ueber die interessanten Erscheinungen und Organe, die mit der Gleichgewichtslage der Organismen in Zusammenhang stehen, führt Dr. H. Dekker in seinem kürzlich erschtenenen Büchlein: „Fühlen und Hören (Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Stutt⸗ gart, geh. 1 S6, geb. 1 80 S), aus: „Sehen wir uns in einem Aguarium die zarten Medusen an. Glashell, wie liebliche, aus feinstem Duft gewebte Sonnenschirmchen mit köstlich blauen und violetten Schattierungen. Wie ruhig und schön, wie graziös sie durch das Wasser schwimmen, indem sie ihren Sonnenschirm auf— spannen und schließen, immer mit der Oeffnung nach unten. Ihr Schwerpunkt liegt nicht so, daß sie ohne weiteres in die ser Lage schwimmen können. Und alle die zarten Seetierchen, Medusen, Rippenquallen, Krebse, Mollusken, Seewürmer, sie alle haben ein genaues Gefühl dafür, was oben Und was unten ist, und wenn man sie umdreht oder wenn sie durch irgendeinen Zu⸗ fall in eine falsche Lage kommen, so richten sie sich sofort auf. Wie wirkt nun die Schwerkraft, durch welche Mittel und Einri tungen, daß sich die Tierchen so genau danach richten können? Gg ist fast unglaublich, was von der Wissenschaft darüber festgestellt wurde. Die Tierchen haben besondere Organe, die Richtung der Schwerkraft zu bestimmen. Wie wir mit Lot und Wage die Richtung der Schwere bestimmen, so haben diese Tiere ihr Lot in sich. Ein Bläschen und in dem Bläschen einen Stein. Bel jeder Bewegung rollt der Stein. Aber an der Innenwand des Bläschen sitzen feine Nervenendigungen mit ganz feinen Borstenhärchen, die genau jene Bewegung des Steinchens angeben. Werden die Bläschen an der Knterseite don Tem Steinchen gedrückt, dann ssts richtig. Dann befin det sich das Tier im Gleichgewicht. Drückt daz Steinchen auf die Härchen rechts oder links, ist eben kein Gleichgewicht da, dann muß das Tier schleunigst so eingestellt werden, daß wieder die richtige Stelle den Druck verspürt. Und diese Regelung geschieht rasch und sicher, automatisch. Das klingt wie eine Fabel und hat doch seine Richtigkeit. Kreidl hats an Krebfen bewiesen. Auch diese haben ein solches Richtbläschen mit Steinchen. Aber sie benutzen als Steinchen Sandkörner, die sie sich selbst mit den Scheren in die Bläschen bringen. An freischwimmenden Larven von Hummern, die man nach der Häutung in staubfreies Wasser setzte, konnte man sehen, daß sie sich planlos bewegten, von einer Seite auf die andere rollten und, wenn es sich so traf, auch mit der Bauchseite nach oben schwammen. Und da man obendrein bei andern Seetieren nach Entfernung dieser Richtbläschen das selbe Bild des Verlustes des Gleichgewichts beob— achtete, so blieb kein Zweifel: die Richtbläscchen mit ihren Steinchen sind das Lot, nach dem sich die Tiere richten, um im Gleichgewicht sich zu erbalten. Genau so ists beim Menschen. Auch wir tragen
Senkblei stets bei uns, in unserm Kopfe. Tief im Knochen bettet liegt ein verzwicktes Organ, das Labyrinth. Ein Teil in, die Schnecke, dient zum Hören. Bis in die neuefte Zeit hinein man sich, daß dieser ganze innere Teil des Ohres nur zum
en da sei. Vor 20 Jahren wurde aber nachgewiesen, daß ein ßer Teil des Labyrinths, der Vorhof und die Bogengänge, mit dem nichts zu tun habe, sondern der Gleichgewichtserhaltung diene. Der Vorhof ist unser Richtbläschen, in ihm haben wir klein? Kalkkristalle als Richtsteinchen. Jede Neigung des Kopfes ändert die Lage der Steinchen. Danach wissen wir auch immer, in welcher Lage zur Erde wir uns befinden. Nun ists aber etwas anderes, das Gleichgewicht zu erhalten, wenn der Körper in Ruhe, als wenn er in Bewegung ist. In der Ruhe ists eine leichte Sache. Die Steinchen drücken ungestört nach unten. Daraus erkennt der Körper leicht die Richtung. Aber bei Be— wegungen ists anders. Es kommt die lebendige Kraft der Bewegung störend hinzu, und die Abschätzung mit den Richtsteinchen wird un⸗ sicher. Es müssen eben auch die Bewegungen nach ihrer Richtung und Geschwindigkeit abgeschätzt werden. Bazu dient ein anderer Apparat, die Bogengänge, ein ganz außerordentlich sinnreich gehautes Instrument. Auch im innern Ohr. An jeder Seite drei hohle Ringe, mit Blutwasser gefüllt, in eigentümlicher Anordnung: sie stehen fenk— recht aufeing der, einer wagerecht, einer quer senkrecht, einer längs senkrecht. Ein Wunderwerk mathemat sch⸗mechanischer Feinarbeit. Die Röhren sind so miteinander verbunden, daß jede bon beiden Sesten in eine erweiterte Buchtung mündet. In diesen Erweiterungen stecken Aufnahmeapparate, Nervenendorgane, die mit steifen, borstigen Härchen in das Innere ragen. Das ist die Konstruktion. Ünd die Wirkung? Drehen wir den Kopf nach rechts, so kann die Flüssigteit in wagrechten Bogengang nicht so rasch folgen, sie bleibt zurück, reibt sich an den haarigen Nervenenden, und von da wird ins Innere telegraphiert: Kopfdrebung von mittelmäßiger Geschwindigkest nach rechts. Und da das Kleinhirn gleichzeitig auch von den tiefen Teilen und vom Muskelsinn Meldungen erhält, so weiß es, ob der Kopf allein oder mit dem übrigen Körper nach rechts gedreht wurde, ob durch eigene Muskelkraft oder etwa auf einem Drehstuhl, und richtet danach damit man nicht falle, die Muskeln zur Erhaltung des Gleich- gewichts. Automatisch, auf reflektorischem Wege werden Augen, , . ganze Körper in die vom Augenblick geforderte Gewichtstage gebracht.
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Bauwesen.
Ein Preisausschreiben um Entwürfe für einen Urnenhain nebst dazugehörigen Kolumbarien erläßt der Verein für Feuerbestattung in Mainz. Eingeladen sind Künstler, die im Großherzogtum Hessen, in Hessen Nassau und in der Rheinprovinz ihren Wohnsitz baben. Ausgesetzt sind drei Preise von b00, 309 und 150 1. Der Ankauf weiterer Entwürfe zum Preise von 100 blelbt vorbehalten. Die Pläne sind bis zum 15. März 1912 ein⸗ zurelchen. Mie Unterlagen versendet der Verein für Feuerbestattung in Malnz kostenlos.
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