1912 / 24 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Jan 1912 18:00:01 GMT) scan diff

meister Dr. Kirschner, der Stadtverordnetenvorsteher Michelet, der Po 22 Jagow u. a. Zwei Offiziere und vier Mfann vom Regiment Gardes du Corps hatten die Reichsinsignien nach der Bildergalerie geleitet. Der Oberzeremonienmeister Graf A. Eulenburg meldete Se iner Majestät dem Kaiser und König, daß die Versammlung im Weißen Saale ge⸗ ordnet sei, uud nun betrat der Hof in feierlichem Zuge den Saal. Die Schloßgardekompagnie mit der silberbrokatenen Fahne unter dem Oberstleutnant und Flügeladjutanten von Mutius marschierte voran. Es folgten die Hoffuriere, die Pagen, zwei adelige Herolde mit den zepterähnlichen Herolds⸗ stäben in preußischer und brandenburgischer Wappenpracht, die Hof⸗, Vizeoberhof die Oberhof⸗ und die Qbersten Hofchargen, paarweise, zuletzt Fürst zu Solms⸗Baruth, ir zu Fürstenberg und Fürst von Radolin. Dann kamen die Reichs—⸗ insignien: das Reichsinsiegel, auf einem Kissen von drah argent, getragen von dem General der Infanterie Chef des Generalstabes der Armee von Moltke; das entblößte Reichsschwert, aufrecht getragen von dem Kriegsminister General der Infanterie von Heeringen und rechts davon der Reichs⸗ apfel, auf einem Kissen von drap d'argent, getragen vom Großadmiral Staatssekretär von Tirpitz; der Zepter, auf einem Kissen von drap d'or, getragen von dem Ge—⸗ neralfeldmarschall Freiherrn von der Goltz, und rechts davon die Krone, auf, einem Kissen von drap d'or, getragen von dem Generalfeldmarschall Graf von Schlieffen; das Reichtz⸗ panier getragen von dem Generaloberst von Kessel, den die Generale der Infanterie von Loewenfeld und von Hoepfner geleiteten. Ihnen folgte Seine Majestät der Kaiser und König in der Uniform der Gardes du Corps mit dem Bande des Schwarzen Adlerordens, dem Brustschild und dem Adler— helm. Hinter Seiner Majestät schritten Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Eitel⸗Friedrich, August Wilhelm, Sskar, Joachim, Heinrich, Waldemar, Friedrich Leopold, Friedrich Sigismund, Friedrich Karl, Friedrich Wilhelm, Georg von Griechenland und der Erbprinz von Hohenzollern, denen sich die Generaladjutanten, Generale und Admirale à la suite, die Flügeladjutanten, der Geheime, Kabinettsrat, Wirkliche Geheime Rat von Valentini und die Gefolge anschlossen. Während des Einzuges erklangen Fanfaren, dann ertönte der Psalm 100 („Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ in der Kom— position von Otto Nicolai, von einem gemischten Chor unter Prof. Rüdel gesungen. Seine Majestät trat vor den Thron, be— deckte Sein Haupt, die Prinzen traten zur Rechten des Thrones. Der Träger des Reichspaniers rechts, derjenige des Reichsschwertes links hinter den Kaiser, die anderen Insignien wurden auf Tabourets niedergelegt. Die Herolde stellten sich rechts und links vor den Thron. Seine Majestät erteilte nunmehr durch den Ober— zeremonienmeister dem vorsitzenden Sekretar der Akademie der Wissenschaften, Geheimen Medizinalrat, Professor Dr. Wal deyer den Auftrag, mit der Eröffnung des Festaktes zu beginnen. Vor dem Einzug des Kaisers war auf der Kapellentribüne des Weißen Saales Ihre Majestät die Kaiserin und Königin er— schienen, mit ihr Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessin Viktoria Luise, die Kronprinzessin von Griechenland, die Prinzesfin Friedrich Carl von Hessen, die Prinzessinnen Heinrich, Friedrich Leopold, Viktoria Margarete, Eitel⸗Friedrich und Auguft Wilhelm.

Professor Dr. Walde yer nahm nunmehr das Wort zu einer einleitenden Ansprache.

Die Königliche Alademie der Wissenschaften danke Seiner Majestät, daß sie diese Festsitzung hier im Königsschlosse in dem ge⸗ wohnten Rahmen ihrer Friedrichssitzungen abhalten dürfe, ein Beweis für die Pietät Seiner Majestät gegenüber seinem hohen Ahnherin. Die Akademie ehre in König Friedrich ihren zweiten Stifter. Mit der Friedrichssitzung verbinde sie aber auch ihre Feier des Kaiserlichen Hehurtefestes. Wenn ihre wissenschaftlichen Arbeiten ruhig fort— schritten, so zieme es ihr, dem beglückenden Bewußtsein Ausdruck zu verleihen, wieviel Anteil daran auch Seiner Majestät dem Kaiser und Könige zukomme, der den Frieden schätze und immer die Unter— nehmungen der Akademie gefördert habe. Die Akademie werde den Geist Friedrichs des Großen nicht aus ihrer Mitte lassen, das sei der beste Dank, den sie darbringen könne, Friedrichs des Großen, der gesagt habe: „Die Wissenschaft ist unsere treue Gefährtin in jedem Alter und in jeder Lage, und wenn alle anderen Freuden verschwinden, sie bleibt uns doch.“

Nunmehr nahm Seine Majestät der Kaiser und König, aus den Händen des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini eine Ansprache entgegen und verlas diese. Die Ansprache hatte, wie, W. T. B.“ meldet, folgenden Wortlaut:

„Wie einst König Friedrichs Majestät am Vorabende Seines Geburtstages 1744 die erneuerte Akademie der Wissenschaften in diesem Schloß bei Sich willkommen hieß, so habe Ich ihre Mitglieder heute um Mich versammeln wollen, um an dem zweihundertsten Jubeltage Meines großen Ahnherrn die Feier, mit der die Akademie seit alters alljährlich Seinem Gedächtnis huldigt, mit ihr gemeinsam zu begehen. Mit Mir und Meinem Hause feiert heute das ganze Vaterland den 24 Januar als einen Tag weihevollster Erinnerung. Einen besonderen Anlaß aber zu dankbarem Gedenken haben diejenigen Glieder unseres Gemeinwesens, deren Geschichte mit dem Namen des großen Königs unmlttelbar verknüpft ist. Hat der Morgen des heutigen Tages der Feier des Heetes und vor allem derjenigen Truppenteile gehört, die ihre Stiftung auf den „König-Connetable“ zurückführen, so grüße Ich hier die Akademie der Wissenschaften als die geistige Glitetruppe, die Friedrich der Große angeworben und auf ihren Ehrenposten gestellt hat. Hat doch der jugendliche König, noch ehe Er der Mehrer Seines Reiches an kriegerischen Erfolgen geworden ist, die Wissenschaft und Sich selbst mit dem unvergeßlichen Worte geehrt, daß er die Gewinnung des deu rschen Philosophen, den Er zunächst für den Vorsitz in der Akademie in Autãsicht genommen hatte, als eine Conquéête im Lande der Wahrheit“ betrachten wolle. So gilt für die Akademie insbesondere das Zeugnis, das Mein in Gott ruhender Herr Großvater in bezug auf Friedrich den Großen bei festlichem Anlaß abgelegt hat: „Alles, was wir Großes und Gutes in unserem Lande bewundern, ist auf den Fundamenten gegründet, die Er gelegt hat. Die Akademie setzt ihre Ehre darein, ihre Dankesschuld gegen ihren Wiederhersteller abzu⸗ tragen durch ihre Betätigung für die Aufhellung Seiner Geschichte, für die Sammlung und Erforschung der urkundlichen Zeugnisse Seiner Geistesarbeit und Seiner Taten. An die ihr durch König Friedrich Wilhelm IV. gestellte Aufgabe, die literarischen Schriften des Philo— sophen von Sanssouei in einer Gesamtausgabe zu vereinigen, schloß sich der Auftrag Kaiser Wilhelms des Großen zur Herausgabe der

Politischen Korrespondenz' und der Denkmäler der preußischen Staats⸗ verwaltung im 18. Jahrhundert‘. Es freut Mich, der Akademie neuen Stoff für diese ihre umfassende Aufgabe an dem heutigen Tage zur Verfügung stellen zu können, nämlich die reiche Sammlung

des amtlichen und persönlichen Schriftwechsels jwischen dem Großen Könige und einem seiner treuesten Diener und Gefährten, dem nach⸗ maligen Generalfeldmarschall von Moellendorff, dessen Erbe Mir diese wertvollen Schriftstücke soeben in patriotischem Sinne als Geschenk für Mein Staatsarchiv angeboten hat. Nicht nur der Wiederhersteller und Schutzherr der Akademie, auch ihr ständiger Mitarbeiter ist König Friedrich gewesen. Ich erinnere die Akademie daran, daß in einer ihrer Sitzungen die Abhandlung zur Verlesung gelangt ist, in welcher der erlauchte Verfasser gegen eine mater lalistisch gerichtete Geschichtsbetrachtung der Auffassung Ausdruck gegeben hat, daß Reichtum und materielle Güter ein toter Stoff seien, der erst durch die Intelligen; und die Geschicklich⸗ keit Leben und Bewegung erhalte. Und diese Abhandlung birgt zu⸗ gleich das erkenntnisreiche Wort, daß die Stärke der Staaten auf den großen Männern beruht, welche die Natur ihnen zur rechten Stunde geboren werden läßt. Ein Wort, das wir dankerfüllt heute auf Ihn selbst anwenden und das unserer Feier den Grundton gibt. Uns aber ziemt es, des Großen Königs Werk auszubauen und die Kräfte zu nutzen, die Gottes Weisheit und unendliche Güte in Ihm unserem Preußenvolk geschenkt hat. Dazu an Meinem Teile zu wirken, wird man Mich stets bereit finden. Und so will Ich auch die Akademie der Wissenschaften weiter in Meinen besonderen landes— väterlichen Schutz nehmen und ihr zur Erreichung ihrer Ziele ein Helfer sein. Des zum Zeichen habe Ich in Aussicht ge⸗ nommen, ihr die ersehnte Verstärkung ihrer Mitgliederzahl in der Philosophisch⸗historischen Klasse vor allem für die historischen und staatswissenschaftlichen Fächer zuteil werden zu lassen und so die alte Gleichheit in den Sitzen der beiden Klassen wiederherzustellen. Des weiteren werde Ich darauf bedacht sein, daß ihr die erforderlichen Mittel zur Erfüllung der ihr obliegenden bedeutsamen Aufgaben, namentlich auf dem Gebiete der deutschen Sprachforschung, in aus— kömmlichem Maße gewährt werden. Die Akademie aber wird, so vertraue Ich, den großen und freien Geist, in dem ihr zweiter Be— gründer in ihr und auf sie gewirkt hat, in ihrer Mitte siets lebendig halten zum Segen der Wissenschaft und zum Heile des Vaterlandes.“

Nachdem Seine Majestät wieder auf dem Thronsessel Platz genommen, betrat der Generaldirektor der Staatsarchive, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. Koser das in der Mitte des Saales errichtete Katheder und hielt die Festrede, die etwa folgenden Gedankengang hatte:

Der Redner gedachte zunächst der teuren Pietätspflicht, welche die Akademie der Wissenschaften mit ihrem Königlichen Wiederhersteller verbinde, und betonte, daß auch die heutige Feier im Zeichen der Dankbarkeit stehe, der Dankbarkeit für das, was der große König der Akademie gewesen, und für das, was er ihr noch heute ist oder sein lann. „Friedrichs dauerndes Erbe in der Gegenwart gehört feinem Volke, gehört uns allein; sein Bild in der Geschichte ist das Gemeingut vieler geworden, der Besitz aller derer, deren Teil⸗ nahme durch dieses Leben in seinen heroischen Umrissen und mit seinem rein menschlichen Gehalt, mit feinen Wechselfällen, Steigerungen und Kontrasten angezogen wurde und gefesselt wird“. Der Redner skizzierte sodann in großen Zügen den äußeren Verlauf der Regierung des Königs und die Rückwirkung auf sein Seelen⸗ leben. Als er aus zwei Feldzügen in die Heimat zurückkehrt, darf der Dreißigjährige sich rühmen, mehr als einer feiner Vorfahren für die Größe seines Staats erreicht zu haben. Iin Siegerkranz glüht er, den Aufgaben des Friedens sich zu weihen. Nun verbündek sich Guropa gegen den König von Preußen. Neuer Ruhm, Lorbeer! in überreicher Fülle fällt ihm zu, aber auch für ihn wird der Lorbeerkranz ein Zeichen mehr des Leidens als des Glücks“. Als der Held des Jahrhunderts, aber frühzeitig zum Greise geworden, geht er aus dem ungleichen Kampfe hervor, und in neuer Friedensarbeit werden die Fäden alle wieder angeknüpft, die der Krieg jerrissen hat. Die Tat war Anfang, Mitt und Ende seiner Regierung, seines Tages, seines Lebens. Zugleich aber führte diefer starke Gewaltige im Reiche der Tat ein Doppelleben im Reiche der Betrachtung, im un⸗ endlichen Raume des Gedankens. Tief. innerliche Neigung lenkt ihn immer wieder zur Gedankenarbeit und zum Schrifttum zurück. „Friedrichs Augenblicke gelten Jahre“, mit diesem Worte, das damals in ganz Europa widerhallte, hat in der Berliner Akademie ihr Präsident Maupertuis die glänzende Formel gefunden, für diese auf atemloser Zeitausnutzung beruhende Arbeitsleistung. Diese Spannkraft eines wuchtigen Willens, diese Geschlossenheit und Straff⸗ heit seines ganzen Wesens hat sich bewährt in dem nie versagenden Mut zum Entschluß, in dem hellen Blick für die Auf⸗ spürung und Erfaffung des günstigen Zeitpunktes, in dem Augenmaß für das Erreichbare, in dem bisweilen fehlgreifenden, aber immer entschiedenen Urteil über Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit der zur Auswahl stehenden Mittel, in der Unerschöpflichkeit an aus⸗ helfenden Eingebungen und Antrieben, mit einem Worte in allen den Eigenschasten, die den großen Mann, den genialen Staatsmann und den genialen Feldherrn ausmachen. Voll aber offenbarte sich die Stärke und Tiefe seiner Seelenkräfte erst im Unglück. Er hält die Probe durch, auf die seine Nerven gestellt werden, während jener schier endlosen Schreckenszeit, über ein Trümmerfeld von Entwürfen und Hoffnungen dahinschreitend, dem Leiden vertraut, dem Tode vertraut. Und scheint er einmal unter der Wucht der Schicksalschläge zusammenzubrechen, er richtet sich am neuen Tage riesengroß wieder auf, hält sich fest an dem kategorischen Impe⸗ rativ seiner Königspflicht und behauptet fich sieghaft als der Mann, „der, da alle wankten, noch ssand?. Der Redner wies sodann darauf hin, daß die heutige Generation vor der von 1812 für die Beantwortung der Frage nach dem Gegenwartswert von Friedrichs Erbe den zwiefachen Vorteil der Befreiung von dem finsteren Gewölk, das damals den Blick träbte und das Krteil unsicher machte, und der Erweiterung des Gesichtsfeldes durch den größeren zeitlichen Abstand voraus habe, Als der Feldzug von 1513 Lie un— erschöpfliche Leistungsfähigkeit des Preußischen Staats der über— raschten Welt offenbart hatte, habe einer der besten Männer des neuen Preußen, Wilhelm von Humboldt, geurteilt, daß der Grund des jetzigen Impulses in Preußen unleugbar noch von Friedrich herkomme. Am deutlichsten aber tritt der Zusammen⸗ hang mit der Vergangenheit uns entgegen in unferer Stellung nach außen, in unserer Großmachtstellung. Das neue Deutsche Reich steht im Stagtensystem, mit gesteigerten Machtmitteln, lediglich auf dem alten Platze Preußens, guf, dem Machtfundament, das Friedrich gelegt

hat. Und was uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, wenn auch den meisten heute unbewußt, das ist der Niederschlag, den Friedrichs Wesen und. Wirken in unserem Nationalcharakter hinterlassen hat. So ist der große König seinem Volk ein Erzieher gewesen und dieser Erzieher weiß uns heute noch zu lehren und zu raten. Nicht daß wir im einzelnen Falle die Frage stellen dürften, wie Friedrich der Große sich bei dieser Gelegenheit verhalten haben würde; denn der Satz ist unbestreilbar, daß die großen Männer nicht als Vorbilder in die Weltgeschichte hineingesetzt sind, sondern als Aufnghmen. Wohl aber wird jeder Staat auß dem Schatze seiner Ueberlieferungen eine Summe von allgemeinen Grundfätzen, Er— fahrungen, Lehren und Beispielen, von Antrieben und Warnungen sich entnehmen können. Und was Friedrich zu diesem Schatze politischer Erbweieheit beigesteuert hat, das ist zum guten Teil bis heute alt laufende Münze im Verkehr geblieben, dank der scharfen Prägung, die seine goldenen Worte durch die unnachahmliche Ver— hbrüderung von treffendem Urtest und prägnantem Ausdruck erhalten haben. Der Redner erinnerte an einige Worte dieser Art, die in Ver⸗

gangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichen Klang und gleichen Wert

haben werden, an seine Worte von der Duldung, von der

bor der Justij, von dem König als dem ersten . lar er fr und fuhr dann fort, Unsere Feier itt eing Erinnerunggfeier an ernste Zeit in ernster Zeit. Noch heute müssen wir, um Fried Worte zu wiederholen, scharf auf unsere Nachbarn achten und bereit sein, uns von heute auf morgen gegen die verderblichen An- schläge zu verteidigen“. Was Friedrich sich selber als Gesetz vorschrieb und unverbrüchlich gehalten hat, das hat er jedem einzelnen zur Aufgabe gesetzt: Die erfte Pflicht jedes Staatsbürgers ist, seinem Vaterlande zu dienen. Der Redner schloß mit dem Schlußworte des Testaments des großen Königs: „Möge dieses Reich der glücklichste aller Staaten sein durch die Milde der Gesetze, der bestverwastete in seinem Haushalt, der am tapfersten verteidigte dank einem Heere, das nur Ehre und edlen Ruhm atmet, und möge es blühen und dauern bis an das Ende der Zeiten.“

Hierauf brachte der ,. Sekretar der Akademie Geheimer Medizinalrat, Professor Dr. Waldeyer das Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus und die ganze Festversammlung hörte stehend das vom Chor gesungene Löwesche „Salyum fac regem“ an. Dann verließen Seine Majestät und der Hof unter Fanfaren des Bläserchors in der vorbeschriebenen Ordnung den Saal.

Den glanzvollen Abschluß der gestrigen Feier bildete die Festvorstellung im Königlichen Opernhause, die einen vorwiegend militärischen Charakter trug, war doch das Parkett fast ausschließlich den Offizieren aller Waffengattungen eingeräumt. Unter ihnen fielen hauptsächlich die hohen Ge⸗ stalten der Offiziere der Gardes du Corps in ihren roten Waffenröcken auf, auf denen die von Seiner Majestät gestifteten neuen Brustschilder glänzten. In den Logen rechts hatten der Reichskanzler, die Minister und Staats sekretäre und die kommandierenden Generale Platz genommen. Im ersten Rang erblickte man den Rektor der Universität, Pro⸗ fessor Rubner, den Präsidenten der Akademie der Künste, Pro⸗ fessor Artur Kampf und zahlreiche andere Vertreter der Gelehrten⸗ und Kunstwelt, ferner den Oberbürgermeister Dr. Kirschner u. a. In den oberen Rängen saßen Mannschaften und Chargierte vom 1. Garderegiment zu Fuß, den Gardejägern und den Gardes du Corps. Um 8 Uhr betraten Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten die große Hofloge, von dem Oberhofmarschall Grafen zu Eulenburg und dem General— intendanten der Königlichen Schauspiele Grafen von Hülsen⸗ Häseler geleitet. Mit den Majestäten erschienen die hier anwesenden ö und Prinzessinnen. Rechts neben Seiner Majestät dem Kaiser nahmen Platz Ihre Königlichen Hoheiten die Kronprinzessin von Griechenland, die Prinzessinnen Heinrich und Friedrich Leopold, links neben Ihrer Majestät der Kaiserin Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen Friedrich Karl von Hessen, August Wilhelm und Eite l-⸗Frie dr ich. Die Majestäten verneigten sich zu der Gesellschaft. Als einleitende Musik ertönte die Ouvertüre König Friedrichs zu dem Schäferspiel „II Ra Pastore“. Dann teilte sich die in Rokoko stilisierte blaue Gardine, in deren Medaillons das charakteristische „. R.“ prangte.

Als Festspiel wurde eine von Joseph Lauff für die Feier verfaßte Gelegenheitsdichtung aufgeführt: „Der große König“, drei Bilder aus seinem Leben, 1. Bild: Rheins— berg, 2. Bild: Hohenfriedberg, 3. Bild: Sans souei, die der Wiesbadener Hofkapellmeister, Professor Joseph Schlar mit einer von ihm bearbeiteten Folge von . stücken umrahmt hatte, die zum größten Teil von dem großen König selbst herrührten. Es waren drei fesselnde Stimmungsbilder, in denen Joseph Lauff, mit vollem Verständnis für Fie Schwierigkeit seiner Aufgabe, den König einführt. Zumeist läßt er ihn durch seine Um⸗ gebung charakterisieren; die wenigen Worte, die er ihn am Schlusse der beiden ersten Bilder selbst sprechen läßt, sind fast ausschließlich urkundlich beglaubigt, d. h. aus Friedrichs Aufzeichnungen oder aus zuverlässigen Berichten eninommen. Dabei verschlägt es wenig, daß hier und da ein Anachronismus mit unterläuft. Das Rheinsberger Idyll lernt man bei den Vorbereitungen zu einem Schäferspiel im Park kennen. Graun mit seinen Musikern ist zugegen, und das Fräulein von Veltheim (Fräulein Hempel) probiert just eine kfolorierte Arie aus „Il Re pastöre“, dann wird ein zier⸗ liches Menuett getanzt. Es wird Abend. Flötenspiel tönt über den See, auf dem der Prinz im Kahne vorbeifährt. Dann ein jähes Ende des fröhlichen Treibens; der Qberst von Derschau bringt aus Berlin die Nachricht von der schweren Erkrankung König Friedrich Wilhelms J. Kriege⸗ rische Musik (der Mollwitzer Marsch“, zweistimmige Kavallerie⸗ signale, wie damals üblich, und der „Preußische Armeemarsch Nr. 1“) leiten zum zweiten Bild „Hohenfriedberg“ über, an das Lagerfeuer vor dem Hauptquartler des Königs, wo (frei nach „Wallensteins Lager“ Soldaten verschiedener Gattungen ihre Meinungen über den König austaguschen. Der Befehl zum heimlichen Vormarsch in der Nacht wird erteilt, die letzten Vorbereitungen zum Angriff gegen die an 39l übermächtigen Oesterreicher werden getroffen. Zuletzt erscheint der junge König auf der Szene, um seinen versammelten Generalen die letzten Weisungen zu geben. Bei den kriegerischen Klängen des Hohenfriedberger Marsches verdunkelt sich dann die Szene, um gleich darauf das herrlichste Bühnenbild zu zeigen, das die Festvorstellung brachte, den Siegesmorgen von Hohenfriedberg, ein wundervolles lebendes Gemälde: der König auf dem Schimmel auf dem Schlachtfelde, mit dem Dreispitäz vor den erbeuteten Fahnen unb Trophäen salutierend. Das dritte Bild „Sanssouci“ zeigt die Schloß— terrasse bei den letzten Strahlen der Abendsonne! Der Gärtner unterhält sich mit seinem Jungen über den König. Es wird dunkel. In dem Schlosse erklingt Flötenspiel, bald darauf tritt der König heraus. Diener rücken die Kissen und Decken des Sessels zurecht und lassen den Herrscher dann allein. Während hinter der Szene Chor und Orgelspiel lnach dem Adagio Nr. 1 des Könige) ertönt und . abermals leise hineinklingt, blickt der vereinsamte Philofoph von Sanssouci sinnend ins Weit Die Gestalt des jungen wie des alten Fritz verkörperte Herr Clewing in Maske, Spiel und Redeweise ausgezeichnet. Neben ihm war fast das gesamte Personal des Königlichen Schauspielhauses beschäftigt, in den Hauptrollen die Herren 9 Staege⸗ mann, Vallentin, Patry, Henke, von Ledebur, eßler, Mann⸗ . Nesper, Boettcher, Geisendörfer, Sommerstor Kraußneck,

ie Damen Hempel, Arnstädt, Steinsieck und Heisler. Nach der Vorstellung, die ohne Paufe stattfand, hielten die Majestäten im Foyer, das wieder herrlich geschmückt war, Cercle.

Das Denkmal Friedrichs des Großen Unter den

Linden war Abends durch Scheinwerfer beleuchtet.

Das Königliche Kammergericht hielt Nachmittags in der Aula der Universität eine Gedächtnisfeier ab, der u. 4. der Justizminister Dr. Beseler, der Staatsminister Dr. von Schönstedt

kde Professor Dr. Hoetz

Staatssekretär des Reichsjustizamts a. D., Wirkliche 1 Rat Nieberding beiwohnten. Den Festwortrag hielt ch von der Kaiser Wilhelm⸗Akademie

in Posen über „Friedrich den Großen und Preußens innere Entwicklung“.

Der Berliner Bezirksverein deutscher Ingenieure feierte das Andenken des großen Königs mit einer Festsitzung in der Aula der Technischen Hochschule. C. Matschoß sprach über „Friedrich der Große als Industriebegründer“.

Ber Vortragende zeigte, wie der König vom ersten Tage seiner Regierung an mit zäher Energie bestrebt war, in seinem Lande Gewerbe und Industrie zu fördern. In dem Vordergrund. des Interesses stand damals die Textilindustrie und hier wieder die Seiden⸗ industrie. Es ist bekonnt, in welch erheblichem Maße der König gerade nach dieser Richtung hin gearbeitet hat. Nicht minder bedeutsam war die Tätigkeit Friedrichs II. auf dem Gebiete des Berg, Hütten⸗ und Salinenwesens. Unter unsäglichen Schwierigkeiten, es fehlte vor allem an geeigneten Fachleuten, hat der König auch dieses heute zu so großer wirtschaftlicher Bedeutung gelangte industrielle Arbeltsgebtet wesentlich gefördert. Auch mit den neuen großen Er⸗ sindungen auf dem Geblete des Maschinenbaues, die damals aus England zu uns kamen, mit den Dampfmaschinen und den Arbeits—⸗ maschlnen für die Textilindustrie, hat er sich in seinen letzten Lebensjahren noch eingehend beschäftigt und wiederholt seine Minister angewiesen, sie sollten diese neuen großen technischen Taten für seine Lande nutzhar machen. Noch viel bedeut⸗ samer als die großen unmittelbaren Erfolge, die sich zahlen⸗ mäßig ausdrücken lassen, war die erzieherische Wirkung des Königs, auf die er selbst den größten Wert legte. Die Erziehung zur intensiven Mitarbeit des gansen Volkes war das Ziel, dem er unablässig zustrebte; kein Mittel war ihm zu gering, hier auch im einzelnen kleine Erfolge zu erzielen. Den Reichtum seines Landes sah er in der Arbeitskraft seiner Bevölkerung. Die Liebe zum Vater⸗ land, die sich in der ununterbrochenen Arbeit im Dienst, des Allge⸗ nesnwohls ausdrücken sollte, war das Ziel, das er feinem Volke stellte, es ist zugleich auch das Vermächtnis, das der große König uns hinterlassen hat.

Ueber auswärtige Feiern Meldungen des „W. T. B.“ vor: .

Bromberg, 25. Januar. In Bromberg, der durch Friedrich den Großen geschaffenen Hauptstadt des Netzedistrikts, fand eine ganz spontane, ungemein machtvolle Volkskundgebung zu Ehren Friedrichs des Großen statt. Für den Abend war ein Fackelzug sämtlicher deutscher Vereine vorgesehen, an dem statt der erwarteten 4000 Personen über D000 Personen aller Stände, auch Arbeitervereine, teilnahmen. Am Denkmal Friedrichs des Großen, wo im Beisein der Spitzen der Militär⸗ und Zivilbehörden der Aufmarsch unter den Klängen von sechs Regimentskapellen erfolgte, hielt der Oberbürgermeister Mitzlaff eine An⸗ sprache. Dann kam es zu einer gewaltigen Volkskundgebung. Etwa 30 000 Personen sangen nach dem Kaiserhoch entblößten Hauptes die Nationalhymne und „Deutschland, Deutschland über alles.. Es war die größte Kundgebung des nationalen Deutschtums, die jemals in Bromberg stattgefunden hat.

liegen heute folgende

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenarsitzung; vorher hielten der Ausschuß für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll! und Steuerwefen, für Handel und Verkehr, für Justizwesen und für Rechnungswesen und die vereinigten Ausschüͤsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen Sitzungen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrat, Senator Dr. Fehling aus Lübeck und Senator Dr. Donandt aus Bremen sind in Berlin angekommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „See— adler“ am 22. Januar in East London (Kapland), S. M. S. „Hertha“ am 253 in Bermudas, S. M. S. „Scharnhorst“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders am 24. in Schanghai uud S. M. S. „Luchs“ an demselben Tage in Nanking an—⸗ gekommen.

Braunschweig.

Gestern vormittag wurde im Weißen Saale des Herzog— lichen Residenzschlosfes in Braunschweig die 31. ordentki he Landesversammlung feierlich eröffnet. Seine Hoheit der Herzog-Regent verlas eine Thronrede, in der' es laut Meldung des „W. T. B.“ u. a. heißt:

Der Landtag trete zu einer Zeit zusammen, wo die treu zu Kaiser und Reich stehende Bevölkerung Deutschlands mit ernstem Blick in die Zukunft sehe, einer Zeit, in der manche Umstände davon zurück⸗ halten könnten, an bewährten Einrichtungen des Staates Aenderungen vorzunehmen,. Dennoch habe dies zu geschehen, und unter Zugrunde⸗ legung der direkten und geheimen Wahl nach dem Dreiklassenwahl⸗ ystem würden dem Landtag sogleich die Entwürfe eines Gesetzes über die Zusammensetzung der Landesversammlung und eines Gesetzes über die Wahlen zur Landesversammlung zugehen.

Neben dem die Landtagswahlen betreffenden Gesetz werden dem Landtage die Voranschläge der ,, und Ausgaben angekündigt. Die Finanzlage des Herzogtums wird bei Bei⸗ behaltung der nur für die laufende Finanzperiode bewilligten Steuerzuschläge als nicht ungünstig bezeichnet. Infolge der geplanten Durchführung der Wahlreform werden dem Landtage neben den Etats nur noch einzelne Gesetzentwürfe unterbreitet werden, die, wie das Ausführungsgesetz zu dem mutmaßlich am 1. April in Kraft tretenden Reichsviehseuchengesetz, eine baldige Verabschiedung erheischen.

DOesterreich⸗ Ungarn.

Im ungarischen Abgeordnetenhause beantwortete gestern der Unterrichtsminister Graf Zichy die Interpella— tion des Mitglieds der katholischen Volkspartei , über die Gründung der katholischen Hungariaban die eine Verpachtung . Güter in Parzellen bezweckt.

Wie . W. T. B. meldet, erklärte der Minister, daß er jede vollswirtschaftliche Einrichtung auf konfesstoneller Grundlage miß⸗ billige. Falls Bischöfe Aftien' diefer Bank gezeichnet haben sollten, so könnten sie dies nur aus ihrem Privatvermögen getan haben. Er werde jeden Persuch, die geistlichen Güter ihrer bisherigen Ver— waltung zu entziehen, entschieden zurũckweisen.

Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärte der Ackerbau— minister Serenvi in Beantwortung einer Interpellation Simonyis (Katholische Volkspartei), in der angefragt wird, ob

die Interessen der Rübenbauer auf der Brüsseler Zucker⸗ konferenz gewahrt würden, obiger Quelle zufolge: ͤ

Ungarn werde auf der Brüsseler Konferenz in die Erhöhung des russischen Exportkontingents auf 500 000 t einwilligen, weitergehende Forderungen aber ablehnen.

Großbritannien und Irland.

Der König und die Königin sind nach einer Depesche des „W. T. B.“ gestern unter dem Jubel der Bevölkerung auf Malta angekommen.

Frankreich.

Der Ministerpräsident Po in cars hat vom französischen Botschafter Barrere in Rom ein Telegramm erhalten, in dem dieser über die Besprechungen, die er mit der italienischen Regierung bezüglich des Manuba⸗Z3Zwischenfalles eingeleitet hat, Bericht erstattet. Wie „W. T. B.“ meldet, hätten der Minister des Aeußern Marquis di San Giuliano und Ministerpräsident Giolit ti in ihren Unterredungen mit dem Botschafter Barr ere ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, die in Cagliari ausgeschifften 29 Türken auszuliefern. Die italienische Regierung wünsche, daß die Regelung des Zwischen⸗ falles in einer schriftlichen Note verzeichnet werde, mit beren Abfassung der Botschafter Barrère betraut worden sei. Man bemühe sich, eine Formel zu finden, durch die die Würde der beiden Nationen gewahrt werden solle.

Die Senats kommission zur Prüfung des deutsch⸗französischen Abkommens krat gestern unter dem Vorsitz Ribots zusammen und hörte den Bericht Baudins. Dieser schildert, obiger Quelle zufolge, die Lage vor 1909, sodann den Vertrag und die Schwierigkeiten seiner Anwendung und Auslegung, die verschiedenen dadurch hervorgerufenen Phasen, die dem Marsch auf Fes vorangingen, sowie die Ver⸗ handlungen, die diesem Marsche folgten. Baudin behandelt in seinem Bericht ferner das Uebereinkommen von 1911, unterzieht die, einzelnen Artikel in ihren günstigen oder ungünstigen Wirkungen sowie endlich die zukünftige Srganisation Marokkos einer eingehenden Betrachtung und führt aus:

Die wesentlichen Ursachen der Enttäuschungen, die sich hüben und drüben aus dem Abkommen von 1904 ergeben hätten, felen darin zu suchen, daß man in Frankreich und in Deutschland äber die Politik und insbesondere über die Wirtschaftspoltrik nicht dieselbe Auffassung habe. Daraus erkläre sich auch, daß die unter verschiedenen Ministerien und unter verschiedenen Bedingungen unternommenen Versuche eines wirtschaftlichen und kommerzlellen, Zusammenwirkens, das für die Deutschen viel leichter als für die Franzosen sei, von fortgesetzten Mißerfolgen begleitet gewesen selen. Die hieraus auf deutscher Seite entsftandene Unzufriedenheit und das dort durch den Marsch nach Fes entstandene ungerechtfertigte Mißtrauen bildeten eine Erklärung Für die Kundgebung von Agadir. Was die durch die Anwendung des Abkommens vom 4. November 1911 befürchteten Schwierigkeiten an⸗ lange, so könnten diese wohl vermieden werden, wenn beide vertrag schließenden Teile sich in gegenseitigem guten Willen betätigten.

Die Senatsmmission fügte in den Bericht Baudins einen Zusatz ein, der gegen den Mißbrauch Einspruch erhebt, der mit Geheimverträgen getrieben worden sei, und besonders da— gegen, daß veröffentlichten Verträgen Geheimklauseln hinzu⸗ gefügt würden, die deren Tragweite vergrößerten oder ver— änderten. Dieser Zusatz, der von dem Kommissionsvorsitzenden Ribot eingebracht worden war, wurde einstimmig angenommen und wird vor seiner Veröffentlichung dem Ministerpräsidenten Poincars unterbreitet werden.

Rußland.

Die Reichs duma hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, in dritter Lesung die betreffend die Unfall⸗ versicherung der Arbeiter und betreffend die Ent— schädigung für Verluste, die durch Verfügungen von Amt spersonen verursacht werden, angenommen. Zur zweiten Vorlage wurde eine von der Kadettenpartei vorgeschlagene Uebergangsformel angenommen, die die zivilrechtliche Ver— antwortlichkeit der Amtspersonen für ungenügend erklärt und Entschädigung aus der Staatskasse verlangt.

Das J ist, obiger Quelle zufolge, beim Ministerrate dahin vorstellig geworden, daß sämtliche Gegen— stände und Requisiten, deren aus ländische Theaterunter— nehmungen, Theatertruppen, Schauspieler, Akrobaten usw. zu Vorstellungen in Rußland bedürfen, bei der Einführung der Berzollung unterworfen sein sollen, ohne daß bei Rück— sendung der Gegenstände nach dem Auslande eine Rückvergütung des erlegten Zolles erfolgt.

Italien.

Der Minister des Aeußern Marquis di San Giuliano hat laut Meldung des „W. T. B.“ den Vertretern der . Mächte in Rom mitgeteilt, daß die vom Kommandanten

er Seestreitkräfte im Roten Meer über die türkische Küste

von Ras Isa bis Ras Gulaifacs verhängte Blockade am 24. d. M. anstatt am 2. begon nen habe. Den neutralen Schiffen sei eine Frist von fünf Tagen, vom Tage des Beginns der Blockade an gerechnet, bewilligt worden, innerhalb deren sie unbehelligt aus der Zone der Blockade gelangen können.

Vorgestern hat in Rom eine von der deutschen evan— gelischen Gemeinde veranstaltete Kaisergeburtstags feier mit besonderer Rücksichttahme auf den zweih undertsten Geburtstag Friedrichs des Großen ö An⸗ wesend waren der deutsche Botschafter von Jagow, der preußische Gesandte heim päpstlichen Stuhl Dr. von Mühlberg, der bayerische Gesandte . von und zu der Tann⸗Rathsam⸗ hausen sowie zahlreiche Mitglieder der Gemeinde. Die Feier begann mit der Begrüßung und dem Kaiserhoch, worauf Dr. Ebert einen Vortrag über Friedrich den Großen hielt. Hieran schlossen sich musikalische Vorträge.

Spanien.

In der Deputierten kammer stellte gestern, wie W,. T. B.“ meldet, der Ministerpräsident Canakejas die im Umlauf befindlichen Gerüchte über eine Kabinettskrife formell in Abrede und erklärte, daß das Kabinett niemals des Königlichen Vertrauens oder der Ünterstützung der Kammer— mehrheit beraubt gewesen sei; es herrsche volle Ueberein— stimmung zwischen allen Kabinetts mitgliedern. Auch Maura erklärte die Gerüchte, die ihm bei der angeblichen Krise eine Rolle zuteilen, für falsch. Damit war die Angelegenheit in der Kammer erledigt.

Amerika. Wie „W. T. B.“ mitteilt, melden die Zeitungen in Buenos Aires, der Minister des Aeußern Bosch habe den argentinischen Gesandten in Asuncion angewiesen, förmlich Ein spruch gegen die Angriffe zu erheben, die gegen argentinische

Schifh und Unternehmungen ausgeführt worden seien. Da sich die Regierung von Paraguay rücksichtslos geweigert

habe, Aufklärungen zu geben, so habe der Minister des Aus. wärtigen angeordnet, der Gesandte in 6 solle

tunng innerhalb von 24 Stunden fordern; falls diese verweigert werde, würde der Gesandte unverzüglich abberufen werden.

Die streikenden Bahnangestellten haben erklärt, daß sie ungeachtet der letzten Regierungskundgebung im Streit beharren würden.

Im Kong reß erklärte gestern,, W. T. B.“ zufolge, der Minister des Innern Dr. Gomez auf eine Interpellation über den Eisenbahnerstreik, er habe die Rechte der Gesell⸗= Heft, und der Arbeiter geachtet nach dem Scheitern der Versöhnungsversuche es . als notwendig betrachtet, Maß⸗ regeln zur Wiederherstellung bes öffentlichen Dienstes zu treffen.

Afsien.

Einem chinesischen Bericht zufolge haben 2000 Mann Kaiserliche Truppen in Hsiangyangfu, nordwestlich von Hankau, gemeutert. Wie „W. T. B.“ ferner meldet, werden die Vorsichtsmaßregeln zur Sicherheit uanschikais weniger streng gehandhabt. Die Aufregung in Peking läßt nach, da die Gerüchte, daß Japan die Mandschus unterstützen werde, weniger Glauben finden.

Nach einer von „W. T. B.“ verbreiteten amtlichen Mel⸗ dung haben sich in Rondeng an der Westküste des Bezirks Atjeh, auf Sumatra siebzehn Rebellenführer den Holländern unterworfen. Es sind nur noch zwei Rebellenführer unter den Waffen.

Afrika.

Der Dampfer „Pera“ mit der deutschen Expedition des Roten Kreuzes an Bord ist, wie „W. T. B' meldet, gestern vormittag in La Goletta angekommen. Die Teilnehmer an der Expedition wurden durch den deutschen Generalkonsul in der Residenz vorgestellt. Die Expedition wird nach Ben Guardan weiterfahren, wo sie ausgeschifft werden wird, um von da den Marsch nach dem türkischen Lager anzutreten.

. Aus Marrakesch wird, obiger Quelle zufolge, berichtet, daß der einflußreiche Kaid M' Tugi eine heftige Agitation gegen das französische Protektorat entfalte. M Tugi bemühe sich, namentlich den früheren Großwesir El Glaui, der im vorigen Jahre auf Veranlassung der Franzosen von Mulay Hafid abgesetzt wurde, für seine Umtriebe zu gewinnen.

Noloniales.

Die „Koloniale Rundschau“, Monatsschrift für die Inter⸗ essen unserer Schutzgebiete und ibrer Bewohner (Herausgeber: Ernst Voh sen, Schriftleitung: Professor Diedrich Westerm ann, Ver⸗ lag von Dietrich Reimer, Berlin, Preis des Jahrgangs von 12 Heften 1040), hat ihren zweiten Jahrgang abgeschlossen. Bie Zeitschrift, deren Ziele in der Förderung der kolonialen Entwicklung ünd ins besondere in Behandlung der Eingeborenen⸗ und Raffenfragen liegen, hat den Erwartungen, die man an ihr Erscheinen knüpfte, vollauf entsprochen und durch zahlreiche gediegene Auffätze der kolonialen Sache wesentlich genützt. Aus dem reichen Inhalt der letzten Hefte des zweiten Jahrgangs möchten wir namentlich Dr. Külz' Abhandlung über Französisch Guinea und Kamerun“ hervorheben; der schon durch andere kolonialliterarische Arbeiten bekannte Regierungs⸗ arzt vergleicht darin die Verwaltungsmethoden und re Er⸗ gebnisse in Französisch Guineg und in Kamerun. G. Hilde⸗ brand, behandelt die Arbeiterfrage in Südafrika, wohl eineg der schwierigsten kolonialen Probleme. Das Zusammenströmen von Hunderttausenden farbiger Arbeiter aus den verschiedensten Stämmen Afrikas in den Minen, die daraus entstehenden fanitären, sozialen und politischen Gefahren, der Wettbewerb zwischen weißen und farbigen Arbeitern, die Frage der Chinesen- und Hindueinwande—⸗ zung, alles kommt hier zusammen, um die Regierung der südafrikani— schen Union vor fast unlösbar erscheinende Aufgaben zu stellen. Hildebrand ist abweichend von den weißen Arbeiterfüͤhrern Südafrikas der Meinung, daß die Arbeit der Farbigen für Südafrika unent⸗ behrlich ist, daß zumal angesichts der wachfenden Qualität der Farbigenarbeit in absehbarer . ein Arbeitermangel nicht eintreten wird, daß sich aber auch die Minen wie andere 1 derart ausdehnen lassen, um allen arbeitenden Farbigen auch in Zukunft Be⸗ schäftigung zu gewähren. Hildebrand empfiehlt die Schaffung eines wirklichen Arbelierstammes, der dauernd am Arbeitsort wohnt und dem durch ausreichende Löhne, und soziale Fürsorge das städtische Leben, abseits von seiner klimatischen Umgebung, annehmbar gemacht wird. In einem Aufsatz ‚Deutsche Wolle welst Oberbürgermeister Dr. Kuh auf die Wichtigkeit der Deckung des Bedarfs der fur die Industrie jährlich notwendigen 200 Millionen Kllogramm Schafwolle aus eigener Produktion hin. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß eine deutsche Wollindustrie, die 25 0,0 des gesamten Rohstoffbedarfs der Welt verarbeitet und dabei fast nichts aus der Produktion des eigenen Landes nehmen kann, unter außerordentlich gefährlichen Existenz⸗ bedingungen arbeitet. Die Deutsch südwestafrikanische Wollschaferei⸗ Gesellschaft m. b. H. hat sich die Aufgabe gestellt, die Erzeugung von Rohwolle durch eine se lem ch f durchgeführte Reinzucht von Merinoschafen in die Wege zu leiten. Für die hier gestellten großen Aufgaben in den deutschen Kolonien sucht der Aufsgtz zu wirken. Dr. Moszkowski berichtet über ein von ihm erprobtes Verfahren zur Verhütung und Hei . der Beriberi. Dr. jur, et phil. Asmis liefert einen interessanten Beltrag zur Lehre vom Strafvollzug in den Kolonien, betitelt Die Besserungssiedlung an der Chra (in Togo). Ausgehend von der Erfahrung, 9. unsere europäischen Strafmittel den Auffassungen des Negers gegenüber viel fach versagen, hat das Gouvernement in Togo einen Verfuch gemacht, schwerere Verbrecher durch zwangsweise Ansiedlung in einem abgesonderten Gebiet für ein geordnetes Leben zu erziehen und sie fo der Kolonie zu erhalten. Die bisherigen Erfolge rechtfertigen den Versuch als einen gelungenen, und die Ausführungen des Verfassers legen den Gedanken nahe, ob ähnliche Einrichtungen wohl auch in anderen Kolonien Gutes wirken würden. Aus der Feder des verstorbenen Koloniedtrektors Canstatt stammt ein Aufsatz Über die brasilianische Rassenfrage, in dem besonders das Negerelement und seine Be— deutung für Brasiliens Entwicklung hervorgehoben wird. Dr. Adolf Arndt (Königsberg) behandelt den Rechtscharakter der Bergwerks⸗ abgaben der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südweslafrika. Eine Arbeit über den Kakao aus Westafrika zeigt die außerordent⸗ lichen Fortschritte, die Westafrika in dieser Kultur gemacht hat, insofern heute J der Kakaowelternte aus Westafrika kommt, als Er⸗ zeugnis schwarzer Arbeit:: 70 Millionen Kilogramm im Jahre 1810 Regen 53 Millionen Kilogramm im Jahre 19659. Zwei Nuffätze mit Rartenfkizzen . den wirtschaftlichen Verhältnissen in den von Frankreich an Deutschland abgetretenen Gebleten füdlich und östlich don Kamerun gewidmet. Danach bedeutet die neue Erwerbung einen Zuwachs bon 280 0099 4km mit einem jährlichen Handel im Werte don 10 Millignen Franks; die Einnahmen an Steuern und Iöllen betragen im Jahre 1800 900 Frks.; die Einwohnerzahl wird von Franzosen auf 1260 9009 geschätzl, was wahrscheinlich zu h gegriffen ist. Es wird die Aufhebung der Monopole der Konjeffionggesens= schaften befürwortet, weil nach allgemeiner kolonialer Erfahrung nur kiesenigen Länder sich befriedigend? entwickeit hatten, in dench Fres⸗ handel herrscht und die Eingeborenen freie Verfü ung über die Produkte des Bodens haben. Nur so sei auch eine bung der ein⸗ eborenen Bevölkerung möglich, ohne die uns die Kolonie wertlos fei. n einem „Die Freihandelszone“ überschriebenen Artikel wird eben

falls die Aufhebung der Monopole in Neukamerun befürwortet, weil