1912 / 30 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Feb 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Personalverän derungen.

Aöniglich Preußische Armee.

Offiziere, Fähnriche usw. Berlin, 23. Januar. Boltz, It. im s Lothring. Feldart. Regt. Nr. 69, von dem Kommando zur 3 . . 6 . . ' des Feldart. Regts, von Clausewitz (1. Oberschlef.) Nr.: (Ratibor) der Abschled bewiherzt. . Berlin, 30. Janugr. Krasse, Gen. Lt. und Inspekteur der 1. Pion. Insp., von der Stellung als Mitglied der Studienkommifston der Kriege akademie enthoben. Kaempffer, Gen. Major und JIuspekteur der 2. Ingen. Insp., zum Mitglied der Studien kommission der Lriege akademie ernannk. Suur, Major und Bats. Kommandeur im Inf. Regt. von Horn (3. Rhein.) Nr. 29, mit der gesetzlichen Pension zur Disp. gestellt und zur Dienstleistung beim Kommando des Landw. Beztrks Neuß, dessen Uniform er zu tragen hat, kom— mandiert. Prinz Wolfgang von Löwenstein-⸗Wertheim— , als Lt. im Leibdrag. Regt. (2. Großherzogl. Heff)

Nr. 24 angeste t, und zwar vorläufig ohne Patent.

. Königlich Bayerische Armee.

München, 26. Januar. Im Namen Seiner Majestät des Königs. Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser, haben Sich mit Aller— höchster Entschließung vom 26. 8 M. bewogen gefunden, nachstehende Personal veränderungen Allergnädigst zu verfügen:

a. bei den Offizieren und Fähnrichen: im aktiven Heere: den Ohersten . D. Schterfinger, zugeteilt dem Generaskommando IL. Armer korps, zur Dienstleistung im Kriegsministertum zu berufen; den Oberstlt. . D. Kirchgeßner dem Generalkommando' JJ. ÄArmee— korps zuzuteilen; den Hauptm. Sauter des 6. Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen, unter Enthebung von der Stellung als Komp. Chef zum Beklesdungsamt 1. Armeekorps zu kommandieren;

mit der gesetzlichen Pension zur Disp. zu stellen: den Obersten Vogl, Vorsignd des Bekleidungsamts J. Armeckorps, unter. Ver— leihung des Charakters als Gen. Major, dann mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform: den Obersten Wening, Kommandeur des 18. Inf. Regts. Prinz Ludwig Ferdinand, die Majore Schneider, Abteil. Kommandeur im 5. Feldart. Regt. Prinz Ferdinand von Bourbon, Herzog von Calabrien, Huber, Bats. Kommandeur im 2 Fußart Regt, den Hauptm. Schneider, Komp. Chef im 8. Inf. Regt. Großherzog Friedrich JJ. von Baden, mit der Erlaubnis zum Tiagen der Uniform des 2. Inf. Reats. Kronprinz: den Hauptm. Grafen b. Freven⸗Seyboltstorff, Verrn zu Seyboltstorff, Komp. Chef im 5. Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen, sämtliche mit den bestimmungsmäß. Abzeichen;

den Abschied mit der gesetzlichen Pension zu bewilligen: den Hauptleuten Frhrn. v. Brück, Komp Chef im 20. Inf Regt. Prinz Rupprecht, und Frhrn. Lochner v. Hüttenbach, Komp. Chef im 23. Inf. Regt, beiden, mit der Erlaubnis zum Forttragen der bieherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen:

den Abschied unter Fortgewährung der Pension zu bewilligen: den Oberstl 8. z. D August Schmidt unter ausnahmsweiser nach— träglicher Verleihung der Aussicht auf Anstellung im Zivildienst und mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform und Micheler, Stabsoffizier beim Bezirks kom mando J München, mit der Erlaubnis zum Tiagen der Uniform des 22. Inf. Regts., beiden mit den für Verabschiedete vorgesch iehenen Abzeichen;

zu entheben: von der Verwendung im Kriege ministerium den Obersten z. D. Backert, bieher Sektionsvorstand bei der Pensions, und Ver— sorgungsabteil. von der Stellung als Archspar beim Kriegsarchiv den Major z. D. Lutz, beide mit der Erlaubuis zum Forttragen der bisherigen Uniform, von der Stellung als Kommandeur des Landw. Bezirks Bayreuth den Oberstlt. z. D. Karl Eberhard mit der Er— laubnis zum Tragen der Uniform des 7. Inf. Regts. Prinz Leopold, sämtliche mit den bestimmungs mäßigen Abzeichen, vom Kommando zur Kaiserlichen Fortisikation Metz vom 56. Februar d. J. ab den Oberlt. Steinheimer der Fortifikation Germersh im;

zu ernennen: zum Kommandeur des 18. Inf. Regts. Prin; Ludwig Ferdinand den Oberstlt. Sartmann beim Stabe des 20. Inf. Regts. Prinz Räpprecht unter Beförderung zum Obersten (), zum Vorstand des Bekleidungsamts J Armeekorps den Oberstlt. v, Kloeber, Stabsoffizier bei diesem Bekleidungsamt, unter Be— förderung zum Obersten (3), zum Stabsoffizier ceim Bekleidungsamt . Armeekorps den Major v. Kirsch baum, Mitglied dieses Be— kleidungsamts, unter Verleihung eines Patents seines Dienstgrades Lom 25. Oktober 1909 (10a), zu Bats. Kommandeuren die Majore Bram beim Stabe des 21. Infanterieregiments Großherzog Friedrich Franz 17. von Mecklenburg-Schwerin in diesem Truppentesle und Kemmer, bisher verwendet im Reichsdienst als Artillerieoffizier vom Platz in Ulm, im 2. Fußartillerte= regiment, zum Ahteilungskommandeur im 6. Feldart. Regt. Prinz Ferdinand von Bourbon, Herzog von Calabrien, den Hauptm. v. Parseval beim Stabe des 5. Feldart. Regts. Prinz Teopold unter Beförderung zum Major ohne Patent, zum Adjutanten bet der Feldzeugmeisterei den Haupkm. Barensfektd der Insp. der Tech⸗ nischen Institute, zu Komp. Chefs die Hauptleute Löffler, Adjutanten hei der 1. Inf. Brig, Venzl des 21. Inf. Regts. Großherzog Friedrich Franz JV von Mecklenburg Schwerin und Treudel des 7. Inf. Regts. Prinz Leopold, sämtliche im 6. Inf. Regt. Kaiser Wilhelm, König von Preußen, Hofmann des 8. Inf. Regts. Großherzog Friedrich I. von Baden und Sondermann des 20. Inf. Regts. Prinz Rupprecht in ihren Truppenteilen und Modschiedler des 21. Inf. Regts. Großherzog Friedrich Franz IV. von M cklenburg⸗Schwerin im 23. Inf. Regt. , zum Battr. Chef im 1. Fußart. Regt. vakant Bothmer den Oberlt. Zeitler des 2. Fußart. Regks. unter Beförderung zum Hauptm ohne Patent, zum Adjutanten bei der J. Inf. Brig den Oberlt. Bröß ker des 15. Int. Regts. König Friedrich August von Sachsen, zum Kom— mandeur des Landw. Bezirks Bayreuth den Oberstlt. z D. Heyl, zum Archivar beim Kriegsaschly den Oberstlt. z. D. Sixt, zum Stabsoffizier beim Bezirkskommando 1 München den Masor z. D. Marg, Bezirksoffizier bei diesem Bezirkskommando, unter Verleihung des Charakters als Oberstlt, zum Bezitksoffizier beim Bezirks⸗ kommando 1 München den Major z. D. Brug

zu Versetzen: den Obherstlt. Steinbauer, Bats. Kommandeur im 21 Inf. Regt. Großherzog Friedrich Franz V. von Mecklenburg— Schwerin, zum Stabe des 70. Inf. Reats. Prinz Rupprecht, die Majore Zirngibl, Komp. Chef im 6. Inf. Regt Kaiser Wilbelm, König von Preußen, zum Stabe dieses Regis. und Frhrn. v. Botz⸗ heim, Adjutanten bei der Feldzeugmeisterei, zum Stabe des 1. Fußatt. Regts. vekant Bothmer, die Hauptleute Heßert des 10. Feldart. Regts., bisher ohne Gehalt beurlaubt, zum Stabe des 3. Feldart. Regts. Prinz Leopold und Salb, Battr. Chef im 1. Fuüßart. Regt. vakant Bothmer, zur Insp. der Technischen Institute, den Festungts⸗ hault. Pnraller von der Fortifikatlon Ingolstadt zur Fortifikation Germersheim;

zu befördern: zum Obersten (2) den Oberstlt. Harlander, Kommandeur des 3. Feldart. Reats. Prinz Leopold, zu Lts. mit Patent vom 26. Oktober 1911 die Fähnriche Wilhelm Meier des 12. Inf Regts. Prinz Arnulf, Schleip des 5. Feldart. Regts. König Alfons XIII. von Spanien und Kempter des 2. Fußart. Regt, zum Fähnr. den Fahnenjunker, Unteroff. Friedrich Pückert des 8. Chev. Regts.;

zu charakterisieren: als Oberstlts. die Majore z. D. Ernst Elzemann, zugeteilt dem Generalkommando J. Armeekorps, und Albert Kleemann, Kommandeur des Landw. Bezirks Ingolstadt.

XIII. (Rönialich Württembergisches) Armeekorps.

Offiziere, Fähnriche usw. Stuttgart, 27. Januar. Zöppritz, Hauptm. beim Stabe des Füs. Regts. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König von Ungarn Nr. 172, Fack, Hauptm. beim Stabe des 8. Inf. Regts. Nr. 126 Großherzog Friedrich von

Baden, n überzaähl. Majoren befördert. Holtz hau sen, Hauptm. z. D. und Platzmajor in Ludwigsburg, der Jin h als Major verliehen, Tauffmann, Major beim Stabe des Grenadier— regiments nig Karl Nr. 123, zum Inf Regt. König Wilbelm J. Nr. 124, v. Greiff, Hauptm. im Generalstabe des XVII. Armee- orks, unter Enthebung von dem Kommando nach Preußen zum Inf. Regt. Alt⸗Würt emberg Nr. 121, als aggreg. versetzt.

Kinigl. preuß. äberzähl. Major, kommandiert nach

bisher uptm. und Komp. Chef im S8. Bad. Inf ß, beim Stabe des Gren. Regts. König Karl Nr. 123

eingeteilt. v. Pla ten, Königl. preuß. Pauptm. im Gencralstabe des Armeekorps, von dieser Stellung behufs Verwendung als Komp. Chef im 2. Unterelsäss. Inf. Regt. Rr. 137 enthoben. v. Un ruh, Vänigl. preuß. anptm, kommandiert nach Württemberg, bisher e, r- Adjutant, in den Generalstab des Armeekorps eingeteilt. k e

Befördert: Wolf, Oberlt. im Inf. Neat. Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, Holland, Oberlt. im Gren. Regt. König Karl Nr. 123, Herbert, Oberlt. im Inf. Regt. König Wilhelm J. Ur 124 Seiffert, Oberlt. im 8. Inf. Regt. Nr. 126 Großherzog Friedrich vor Baden, zu Üb erzähl. Sauptseuten, Va sall, Oberlt. z. D. und Bezirksoffizter beim Landw. Bezirk Biberach, zum Hauptm, Kohler, Hahn, ts. im Inf. Regt. Alt— Württemberg Nr. Lal, Niegele, Lt. im Füs. Regt. Kaifer Franz Joseph von Oesterreich, König von Ungarn Nr. 122, Erath, Ruoff, Lts. im Inf. Regt. Küser Friedrich, König von Preußen Nr. 125, zu Oberlts,, Graf v. De genfeld⸗Schonburg, Oberlt. und persön⸗ licher Adsutant Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Robert von Württemberg, zum Rittm.,, v. Bülow, Lt. im Uian. Regt. König Wilhelm J. Nr. 20 zum Oberlt., Landauer, Major und Abtein. Kommandeur im Torgauer Feldart. Regt. Nr. 74, Köhler, Major und Abteil. Kommandeur im Fildart. Regt König Karl Nr. 13, zu Qberstlts, Höne, Oberlt. und Adjutant der 27. Feldart. Brig. (2. K. W) zum Hauptm., Heyd, Lt. im 4. Feldart. Regt. Nr. 65, Drück, Lt im Pion. Bat. Nr. 13, Hug, de Ahna, Ltg. im Trainbat. Nr. 13. zu Qberlts.; zu Leutnants mit Patent vom 36. Ja— nuar 1910: die Fähnriche: Loe ser, Heimerdinger, Ma ente im Füs. Regt. Kaiser Franz Joseph von Desterreich, König von Ungarn Nr. 122, Ruckenb rod, Bayer, Rom mel im Inf. Regt. König Wilhelm J. Nr. 124, Wagner, Floeck im Inf. Reat. Faiser Friedrich, König von Preußen Nr. 125, Äö6 bisch, Kob, Fischer, Englert im 9g. Inf. Regt. Nr. 127, Bu de rus v Carls⸗ hausen im Brag. Regt. König Rr. 25, Vößlter im Ulan. Regt. König Karl Nr. 19, Köck ler im Pian. Bat. Nr. 13; Weinmeyr, Fähnr im 9 Inf. Regt. Nr. 127, zum Lt., Sta bl, Unteroff. im Füs Regt. Kanser Franz Joseph von Oesterreich, König von Ungarn Nr. 122, zum Fähnr. 1

Im Beurlaubtenstande. Befördert: zu Oberlts.: die Lis. der Res: Löffler (Stuttgart) des Inf. Regt. Kaiser Friedrich, König von Preußen Nr. 125. Reichle (Reutlingen) des 9. Inf— Regt‘. Nr. 127, die Lts; Schweickhardt, Lehm ann (Reutlingen) der Landw. Inf 2 Aufgeboté; zu Lts. der Ref.: die Vtzefeldw. bzw. Vizewachtm. Nitschke, Süskind (Stuttgart), des Gren. Regts. Königin Olga Nr. 119, Offner (Mergentheim), des Inf. Regts. Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120, Sich mid (Ludwigs burg) des Inf. Regts. Alc⸗Württemberg Nr. 121, Sch midt (Halh, des Füs. Regts. Kaiser Franz Joseph von Oesterréich, König von Ungarn Nr. 122, Keppler, Hager (Stuttgart), des Inf. Regts Kaiser Friedrich, König von Preußen Nr. 125, Miller (Mergentheim), des 8. Inf. Regts. Nr. 123 Großherzog Friedrich von Baden, S chuchart (Ludwigsburg), des Drag. Regts. Königin Olga Rr 25, Hohner (Rottweil), des 4. Feldart Regts. Nr. 65; zu ts. der Landw. Inf. J. Aufgebets: die Vizefeldw.: Kämmerer, Bode (Stuttgart).

Verseßt: Weber (Horb), Lt. der Res. des S. Inf. Regts. Nr. 126 Großherzog Friedcich von Baden, zu den Res. Sifizieren des Württemberg Detachements des Königl. preuß. Luftschifferbats. Rr. 3.

Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 4. Sitzung vom 31. Januar 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, auf deren Tagesordnung die Fortsetzung der ersten Beratung des Entw urfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1912 steht, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Auf daselbst auszugsweise wiedergegebene Ausführungen des Abg. Dr. Friedberg (nl.) erwidert der

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Meine Herren! Die späte Einberufung des Landtags hat auch die Königliche Staatereglerung bedauert. Sie bedauert mit Ihnen die in der Erledigung der Arbeiten, die dem Landtage obliegen, hier— durch eintretende Verzögerung. Wenn sie trotzdem geglaubt hat, den Landtag nicht früher einberufen zu sollen, so hat sie sich hierbei durch sachliche Erwägungen von überwiegender Bedeutung leiten lassen. Meine Herren, die lange Dauer der letzten Session, deren Verhand⸗ lungen sich bis tief in den Sommer erstreckt haben, bis tief in die Urlaubs- und Ferienzeit, hat es mit sich gebracht, daß die Vorarbeiten zu den dem Landtage vorzulegenden Gesetzentwürfen nicht so gefördert werden konpten, als es sonst vielleicht möglich gewesen wäre, und daß auch die Berafungen der einzelnen beteiligten Ressorts erst verhältnis⸗ mäßig spät stattgefunden haben.

Insbesondere ist es nicht stellung des Etats derartig zu

möglich gewesen, die Fertig—

beschleunigen, daß er wesentlich früher als geschehen dem hohen Hause hätte vorgelegt werden können. Dies gilt ingleichen von den anderen Gesetzesvorlagen, so auch von dem Gesetzentwurf zur Aenderung der Staatseinkommen— steuer. Der einzige Gesetzentwurf, der allenfalls vor Weihnachten dem Landtage hätte vorgelegt werden können, war das Wassergesetz. (Zuruf links: Na also) Aber auch die Erledigung dieses Gesetzes in erster Lesung und seine Ueberweisung an eine Kommission würde die Arbeiten des Landtags nicht wesentlich gefördert und seine Geschäftslage nicht wesentlich gebessert haben. Denn alsbald würde sich erneut Mangel an Arbeitsstoff eingestellt haben, der zu einer Unterbrechung der Arbeiten des Landtags geführt haben würde. (Widerspruch links.) Anderer— seits mußte auch berücksichtigt werden, daß ein sehr erheblicher Teil der Mitglieder des hohen Hauses durch die bevorstehenden Reichstags⸗ wahlen derart in Anspruch genommen war (sehr richtig! rechts), daß auf ihre dauernde Anwesenheit und auf eine regelmäßige Beschlußfähigkeit dieses hohen Hauses vor Erledigung der Reichs tagswahlen nicht gerechnet werden konnte. (Sehr richtig! rechts.) Aus diesen Gründen hat die Königliche Staattzregierung es für ge⸗ boten gehalten, den Landtag nicht vor Erledigung der Reichstagt⸗ wahlen einzuberufen.

Meine Herren, Herr Abg. Dr. Friedberg hat Gerüchte erwähnt, die dahin gingen, daß ein Wechsel im Kurse der Poleupolitik einge⸗ treten sei. Ich kann diese Gerüchte, soweit sie die Polenpolitik der Regierung betreffen, als durchaus unzutreffend bezeichnen. Die

Staatsregierung ist nach wie vor entschlofsen, zwar unseren polnisch

sprechenden Landsleuten die erforderliche Objektivität und Sachlichkeit entgegenzubringen, andererseits aber auch den Deutschen in den Ost⸗ marken den zur Erhaltung und Förderung des Deutschtums not⸗ wendigen staatlichen Schutz angedeihen zu lassen, und zwar in der Er⸗ kenntnis, daß wir zu dauernd friedlichen geordneten Zuständen in den Ostmarken nur dann gelangen werden, wenn durch die scharfe Zurück⸗ weisung aller polnischen Sonderbestrebungen und durch das Einsetzen eines festen, zielbewußten deutschnationalen Willens eine Besserung gegenüber den jetzigen Zuständen eingetreten sein wird.

Meine Herren, wenn in den Ausführungen des Herrn Abg. Tr. Friedberg ein leichter Zweifel in bezug auf die Stellungnahme des Beamtentums gegenüber den Welfen enthalten zu sein schien, so muß ich das für die Beamten mit aller Entschiedenheit zurückweisen.

Herr Abg. Dr. Friedberg hat sich darüber verbreitet, daß sich die Siaatsregierung über die Wahlrechtsreform in keiner Weise geäußert habe. Meine Herren, vor zwei Jahren ist Ihnen bekanntlich ein Wahlrechtsentwurf vorgelegt worden (Abg. Hoffmann: Und was für einer!), der aber gescheitert ist. Im vorigen Jahre habe ich mir bei der ersten Lesung des Etats erlaubt, die Gründe darzulegen, welche die Wiedereinbringung einer Wahlrechtsvorlage im vorigen Jahre als untunlich erscheinen ließen. Ich habe darauf hingewiesen, daß unter den obwaltenden Umständen, so namentlich bei den bestehenden weit⸗ gehenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der bürgerlichen Parteien über Art und Umfang einer Wahlrechtsreform, keine Möglichkeit gegeben war, die bestehenden Gegensätze zu überbrücken und eine Verständigung für eine Wahlrechtsänderung auf einer auch für die Staatsregierung annehmbaren Basis herbeizuführen. Ich kann nun nicht anerkennen, daß die Verhältnisse seit dem Vorjahre sich in dieser Beziehung ge— ändert hätten. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.) Viel— mehr haben die Verhandlungen bei der Beratung des Wahlrechts— antrags der Herren Abgg. Aronsohn und Genossen am Schluß der letzten Session, am 27. Juni des vorigen Jahres, ganz deutlich er— wiesen, daß eine Klärung und Annäherung der widerstreitenden Meinungen nicht stattgefunden hatte (sehr richtig! rechts), daß sogar die bestehenden Gegensätze, die im Jahre 1910 zum Scheitern der damaligen Wahlrechtsvorlage geführt hatten, sich eher verschärft als vermindert hatten. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, meine Herren, daß auch die Reichstagswahlen die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt haben. (Sehr richtig! rechts.) Unter diesen Umständen würde der jetzige Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Wahlrechts— vorlage nach meinem Dafürhalten der denkbar ungünstigste sein. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch links.)

Meine Herren, Herr Abgeordneter Friedberg hat die Aus— führungsbestimmun gen zum Feuerbestattungsgesetz einer allgemeinen Kritik unterzogen und hat sich vorbehalten, später auf Einzelheiten einzugehen. Ich will ihm darin folgen und will nur darauf hin— weisen, daß bei allen Parteien dieses hohen Hauses und auch im Herrenhause, welche überhaupt den Feuerbestattungsentwurf haben wollten, volle Einmütigkeit darin bestand, daß die Feuerbestattun einmal nicht dazu dienen solle, die bestehende Sitte der Eidbestaitung zu bekämpfen und zuröckzudrängen, daß die Feuerbestattung vielmehr nur aus Gründen der Toleranz zugelassen werden solle, um den— jenigen, die den Wunsch hegten, nach ihrem Tode auf diese Weise beigesetzt zu werden, diesen Wunsch in Preußen erfüllen zu können, daß ferner alle Kautelen getroffen werden müßten, welche notwendig sind, um eine Verschleierung begangener Verbrechen und eine Be— einträchtigung der Sicherheit der Rechtspflege zu verhindern. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, den in das Gesetz hiernach aufgenommenen Be— stimmungen und den Erklärungen, die in diesem hohen Hause nach dieser Richtung abgegeben worden sind, ist in den Ausführungs— bestimmungen lediglich Rechnung getragen. Ich muß es zurück zeisen, daß bei Abfassung der Ausführungsbestimmungen die Absicht vor⸗ handen gewesen sei, oder daß die Ausführungebestimmungen geeignet sein könnten, die Feuerbestattung unnütz zu erschweren (Widerspruch links) und bei der Bevölkerung in Mißkredit zu bringen.

Ueber die Einzelheiten werden wir uns voraussichtlich noch später unterhalten. Ich will angesichts der Angriffe, welche die eine in— zwischen zurückgenommene Bestimmung der Leichenbeschauordnung er— fahren hat, Ihnen nur ganz kurz mitteilen, daß der Entwurf zur Leichenbeschauordnung nach seiner Fertigstellung einer größeren Anzahl der bedeutendsten fachmännischen Autoritäten zur Begutachtung über⸗ sandt worden ist. Diese wissenschaftlichen Autoritäten haben die Leichenbeschauordnung an sich zwar gebilligt, doch einzelne Aende— rungen vorgeschlagen, und zwar ist erst auf Grund der Gut— achten dieser wissenschaftlichen Autoritäten die in Rede stehende Bestimmung nachträglich in den Entwurf aufgenommen worden. Ich kann Ihnen versichern, daß die Herren, die das Gutachten ab⸗ gegeben haben, keineswegs Gegner der Feuerbestattung sind.

Meine Herren, ich muß nun noch auf den gestrigen Tag zurück⸗ kommen. Es ist ein Erlaß, ein sogenannter Wahlerlaß erwähnt worden, durch den die Regierungespräsidenten aufgefordert worden seien, der Zentralinstanz über etwaige Angriffe gegen die Regierungs⸗ politik Bericht zu erstatten. Dieser Erlaß ist zuerst in einer Notiz der „Frankfurter Zeitungs erwähnt worden, und zwar in fol⸗ gender Form:

Nachdem der Termin für die Reichstagswahlen bekanntgegeben ist, beginnt die Regierung aus ihrer bisherigen Neutralität heraus⸗ zutreten. Es ist bereits eine Anweisung an die Landräte ergangen, worin diese zur „nachhaltigeren Orientierung“ über schwerwiegende Angriffe gegen die Regierung in der Presse oder in Flugblättern, die auf die nächsten Reichstagswahlen einwirken könnten, auf⸗ gefordert werden, damit darauf sachliche Erwiderungen gegeben werden können. Die Landräte sollen auch gleich Vorschläge über die Art der Erwiderung und Aufklärung machen uff. . . . Gleich⸗ zeitig soll die Höhe der erforderlichen Auflagen der Erwiderungen angegeben werden.

Meine Herren, abgesehen davon, daß dieser Erlaß nicht erst nach Feststellung des Wahltermins, sondern bereits am 12. September vorigen Jahres ergangen ist, und daß er sich keineswegs auf die Wahlzeit beschränkte, sondern eine ganz allgemeine Anweisung an die Regierungepräsidenten enthält, ist der Inhalt des Erlasses nach Sinn und Wortlaut in der vorgelesenen Notiz zutreffend wiedergegeben. Es hätte für mich mithin kein Anlaß vorgelegen, dieser Veröffent— lichung welter Beachtung zu schenken, wenn nicht alsbald der Versuch gemacht worden wäre, in anderen Blättern teilweise durch frei er⸗ fundene Zusätze den Erlaß zu stigmatisieren als eine einseitige Partei⸗ nahme der Regierung im bevorstehenden Wahlkampf zugunsten des

Zentrums und der Konservativen, als eine Mobilmachung der Land⸗ räte gegen die anderen Parteien und als eine auf Korruption und Vertrauens bruch beruhende Regierungsaktion. Es ist demgegenüber alebald am 30. Oktober festgestellt worden, daß der Minister des Innern lediglich die Regierungspräsidenten, und zwar bereits am 12. September, ersucht hat, ihm über die in der Provinz gegen die Politik der Staatsregierung gerichteten, auf wirkliches oder angebliches Tatsachen- oder Zahlenmaterial gestützten Angriffe schwerwiegender Natur, welche die kommenden Reichstagswahlen zu beeinflussen ver⸗ mögen“, Bericht zu erstatten, um so eventuell Gelegenheit zu haben, „in sachlicher Form“ gehaltene Erwiderungen zu peranlassen. Von einem Ersuchen um „Angabe der Kosten der betreffenden Er— widerungen sowie von einem Rat an die Landräte, sich die Flug⸗ blätter der Parteien auf vertraulichem Wege zu beschaffen!“, enthält der Erlaß kein Wort.

Daß in einem derartigen Ersuchen an die Regierungspräsidenten, über schwerwiegende Angriffe gegen die Regierungspolitik Bericht zu erstatten, ebensowenig eine einseitige Parteinahme zugunsten einzelner Parteien oder Parteigruppen zu erkennen ist, wie eine Mobilmachung der Landräte oder eine Anregung zu Vertrauensbruch oder Korruption, das wird wohl in diesem hohen Hause ernstlich nicht bestritten werden können. Andererseits ist es aber die ganz selbstverständliche Pflicht des Ministers des Innern, sich über die Angriffe zu orientieren, die im Lande gegen die Regierungspolitik erhoben werden, um sie geeignetenfalls zurückzuweisen, gleichviel welcher Parteirichtung die Urheber angehören. (Sehr richtig! rechts) Wie ich dieser Pflicht anders genügen könnte als durch eine dahingehende Inanspruchnahme der Regierungspräsidenten, ist mir nicht erfindlich, da mir andere Organe für diesen Zweck nicht zur Verfügung stehen.

Wenn nun tagtäglich in den liberalen Blättern zu lesen war, daß durch den Erlaß die Regierungspräsidenten und die Landräte zu Agenten des schwarz-blauen Blocks gestempelt werden sollen, so ergibt sich wohl von selbst, wie unzutreffend diese Behauptung ist. (Widerspruch links. Sehr richtig! rechts.) Daß aber eine derartige Behauptung geradezu widersinnig ist, ergibt sich auch aus der Tat⸗ sache, daß gerade dadurch, daß eine Berichterstattung an die Zentral⸗ instanz in solchen Fällen erfordert worden ist, die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Entgegnung erlassen werden soll, und zutreffendenfalls in welcher Form, in die Zentralstelle verlegt und den Lokal- und Provinzialstellen entzogen worden ist.

Daß solche Entgegnungen gegenüber den Verdrehungen und Ent— stelüungen, deren sich die Sozialdemokratie bei ihrem Kampfe gegen den Staat und die bestehende Staatsordnung vielfach bedient, not— wendig sind, und daß es notwendig ist, diese Entgegnungen namentlich auch denjenigen Kreisen zugänglich zu machen, die jetzt noch im Banne der Sozialdemokratie sich befinden, das brauche ich wohl nicht näher auseinanderzusetzen. Denn darüber kann doch gar kein Zweifel bestehen, daß die Sozialdemokratie, die früher zur Zeit des Bestehens des Sozialistengesetzes gar nicht genug die Vorzüge zu rühmen wußte, die im Falle der Aufhebung des Sozialistengesetzes durch den an dessen Stelle tretenden Kampf mit geistigen Waffen sich ergeben würden, jetzt von Grund auf diese Stellung revidiert hat (Abg. Liebknecht: Unglaubliches Zeug!, daß sie jetzt bestrebt ist, alles das von ihren Anhängern fern zu halten, was den Köhlerglauben an die Unfehlbarkeit der sozialdemokratischen Führer irgendwie zu erschüttern in der Lage wäre (Bravo! rechts), daß sie darin ängstlich bemüht ist, ihre Anhänger auf diejenige Kost und Nahrung zu beschränken (Abg. Liebknecht: Waisenknabe !), welche ihnen von den ordentlichen Parteigewaltigen in reichlicher Weise zuteil wird in Form von sozialdemokratischen Volks-, Flug- und Witzblättern und nicht nur ihnen zur Verfügung gestellt, sondern nur zu oft felbst gegen ihren Willen aufgedrängt wird. (Sehr richtig! rechts. Abg. Liebknecht: Wer hat Ihnen das Märchen aufgebunden?)

Ich brauche nicht ausdrücklich zu betonen, daß dieser Erlaß ver⸗ anlaßt ist durch die zunehmende Maßlosigkeit der Angriffe und Agitation, deren sich die Sozialdemokratie in ihrem Kampf gegen den preußischen Staat und die bestehende Staatsordnung befleißigt. Dieser zersetzenden Tätigkeit der Sozialdemokratie auch auf diesem Wege soweit als möglich entgegenzutreten, ist die Pflicht der Staatsregterung. Sehr richtig! rechts Darum wird unter allen Umständen die Staatsregierung für sich das Recht in Anspruch nehmen, die gegen sie und ihre Politik gerichteten Angriffe jederzeit zurückzuweisen und zu widerlegen, woher sie auch kommen mögen.

Der Abg. Hirsch hat gestern einen patriotischen Wahlaufruf einer größeren Anzahl von Beamtenvereinigungen einer Krittk un erzogen und sich dabei zu dem Ausspruch verstiegen, daß die Wahl eines Sozial⸗ demokraten mit dem Beamteneid sehr wohl vereinbar sei, und daß eine abweichende Auffassung die Erziehung der Beamten zu Heuchlern zur Folge haben werde. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, ein Beamter, der seinem Landesherrn den Treueid geleistet hat, bricht diesen Eid (sehr richtig! rechts) in dem Augenblick, in dem er mittelbar oder unmittelbar die Bestrebungen einer anti⸗ monarchischen Partei zu fördern unternimmt. (Sehr richtig! rechts.) Wenn ein Beamter noch Gefühl für Ehre, Anstand und Gewissen hat, so wird er in dem Augenblick, wo er glaubt, sich der Sozial⸗ demokratie anschließen zu müssen, daraus die Konsequenzen ziehen und aus seinem Amt ausscheiden. (Bravo! rechts) Tut er das nicht, dann wird er zum Eidbrecher und Heuchler. (Bravo! rechts.) Das kann nicht geduldet werden im Interesse des Staates, der eidvergessene Beamte nicht brauchen kann, im Interesse des Volkes, das noch andere Begriffe von Treu und Glauben hat, wie sie leider nach den Ausführungen des Abg. Hirsch bet einem Teil der Ihnen näher⸗ stehenden Krelse vorhanden zu sein scheinen, im Interesse der Beamten⸗ schaft, die mit Lügnern und Heuchlern nichts zu tun haben will. (Lebhaftes Bravo! rechts. Zischen bei den Sozialdemokraten.)

Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Herr Abg. Dr. Liebknecht, Sie haben, wie mir mitgeteilt worden ist, dem Minister gegenüber den Ausdruck „‚Unglaubliches Zeug“ gebraucht; ich rufe Sie zur

rdnung!

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Friedberg hat bet der allge⸗ meinen Besprechung des Etats der Frage einen breiteren Raum gewidmet, ob es angesichts des jetzigen Zustandes des Etats überhaupt angebracht sei, eine Steuernovelle einzubringen mit dem Ziel, daß die bisherigen Zuschläge in das Gesetz hineingearbeitet werden möchten. An sich hatte ich angenommen, daß diese Frage weniger beim Etat als bei der Steuernovelle selbst zur Verhandlung kommen würde. Da aber der Herr Abg. Dr. Friedberg sie hier in ziemlich ausg. ebiger Weise

behandelt hat, so fähle ich mich verpflichtet, auf sie in Kürze ein— zugehen. .

Der Herr Abg. Dr. Friedberg hat das war eine seiner Haupt⸗ waffen immer mit einer Tabelle operiert, die in der Denkschrift des Finanzministers mit aufgeführt ist. Diese Tabelle stammt aber gar nicht aus dem Finanzministerium, sondern von einem Dritten, sie rührt von einem Herrn her, der einen Vorschlag gemacht hat, wie man verfahren möchte. Ich muß infolgedessen die Schlußfolgerungen und die gesamten Zahlenangaben, die Herr Abg. Dr. Friedberg aus dieser Tabelle ableitet, zurückweisen; denn die ganze Tabelle stellt lediglich die Vorschläge eines Dritten und nicht die Vorschläge der Königlichen Staatsreglerung dar, und die einzelnen Ziffern, die in der Tabelle enthalten sind, sind auch nur die Konsequenz dieses Vor— schlags. Ich möchte also bitten, daß hier kein Irrtum entsteht.

Herr Abg. Dr. Friedberg hat mir den Vorwurf gemacht, ich wäre doch eigentlich recht leicht über die Prüfung hinweggegangen, ob es nicht besser wäre, die Steuerzuschläge jetzt in Fortfall kommen zu lassen und sie lieber auf Zeiten zu versparen, wo der Staat wirklich Not hätte, neues Geld zu bekommen. Ich muß diesen Vorwurf als sehr hart bezeichnen, denn dieser Vorwurf er ist mehrere Male gemacht mit den Worten: ich wäre leicht darüber hinweggegangen“ bedeutet eigentlich den Vorwurf der Oberflächlich⸗ keit und auch der mangelnden Gründlichkeit.

Herr Abg. Friedberg hat es beliebt, den Etat so außerordentlich günstig darzustellen, daß er daraus die Schlußfolgerung ableiten konnte, daß der Etat es durchaus vertrüge, wenn die Steuerzuschläge unterblieben. Er ist dabei sehr eingehend auf die alte Streitfrage eingegangen, welche zwischen ihm und dem Finanzministerium schon länger bestanden hat, ob die Regelung, die 1910 zum ersten Male getroffen worden ist, daß 2,10 , des statistischen Anlagekapitals der Eisenbahn nur noch zu Staatszwecken verwendet werden dürfen, im übrigen aber 1,150, der Betriebsüberschüsse der Eisen⸗ bahn in das Extraordinarium einzustellen sind, eine richtige ist oder nicht. Die Regelung, welche im Jahre 1910 getroffen ist, ist allerdings ein Provisorium. Aber, meine Herren, wenn Herr Abg. Dr. Friedberg immer wieder betont, sie wäre ein Provisorium, dann verläßt er diesen Standpunkt in demselben Moment, wo er aus den günstigen Zahlen, die sich während dieses Provisortums ergeben, schon Schlüsse zieht und sagt, die Zahlen wären so günstig, daß wir garnicht imstande sind, gegenüber diesen Zahlen etwas anderes zu tun als die Steuerzuschläge zu unterlassen. Bei der Streitfrage hat er immer folgende Argumentation: Er sagt, unsere Eisenbahneinnahme bringt eine reine Rente von 6 0 ; von diesen 6 0 sind, wenn die Mittel zu Neuaufwendungen aus Anleihen bestritten sind, nur 4,3 oo zum Schuldendienst notwendig, es bleiben also 1,4 0ꝭ übrig, dies 1,4 0/9 sind Gewinn, und infolgedessen kann die Staatsregierung es garnicht verantworten, daß sie nicht das Extraordinarium darleiht, da sie dabei noch einen Gewinn einstreicht; die Staatsregierung handelt daher unrichtig, wenn sie die gesamte Summe des Extraordinarlums aus laufenden Betriebsmitteln einstellt. Ich glaube, Herr Abg. Dr. Friedberg hat dabei aber den einen Punkt aus den Augen gelassen, daß die Staatsregierung bei allen ihren Maßnahmen damit rechnen muß, in Zukunft wirklich den vollen Betrag der 2,10 0o des statistischen Anlagekapitals für ihre Staatszwecke zu erhalten. Ursprünglich haben die Staatsregierung und auch der Landtag immer im Auge gehabt, die Eisenbahneinnahmen zu Staats— zwecken nicht heranzuziehen, sondern lediglich der Eisenbahn zu belassen. Sehr bald war man aber genötigt, aus Finanznot diesen Weg zu ver⸗ lassen, und man ist leider dazu übergegangen, in ganz erheblichem Maße die Einnahmen der Eisenbahnverwaltung zu Zwecken der Staatsregierung heranzuziehen. Nachdem dies geschehen ist, ist es ganz unabwendbar, daß die Königliche Staatsregierung darauf sehen muß, daß sie den Betrag, den die Eisenbahn ihr liefern muß, auch wirklich erhält; und da ergibt sich allerdings die große Meinungsverschiedenheit zwischen Herrn Dr. Friedberg und der Staatsreglerung, daß Herr Dr. Fried— berg meint, die Staatsregierung wäre imstande, die 2,10 0 dauernd zu bekommen, und die Finanzverwaltung der Ueberzeugung ist, daß sei unmöglich, wenn das Extraordinarium auf Anleihe genommen werde.

Melne Herren, in der Denkschrift, die Herr Dr. Friedberg mehr⸗ mals zittert hat, ist diese Frage ganz eingehend erörtert, und ich war eigentlich erstaunt, daß er ihr trotzdem so wenig Bedeutung beigelegt hat. Er ist über das Endergebnis dieser Erörterung mit der Be⸗ merkung hinweggegangen, diese Frage sei von so tiefer volkswirtschaft⸗ licher Bedeutung, daß man das rechnerische Ergebnis beiseite stellen und die volkswirtschaftliche Bedeutung voranstellen müsse. Diese liegt nach seiner Auffassung darin, daß die Gegenwart unnöterweise zu— gunsten der Zukunft belastet wird. Die Staatsregierung t nicht dieser Meinung; denn es wird in diesem Falle nicht die Gegenwart zugunsten der Zukunft belastet, sondern es wird die Gegenwart so belastet, wie es geschehen muß, damit in der Zukunft nicht überhaupt ein Bankrott oder besser ein Zusammenbruch eintritt. (Unruhe bei den Natl.)

Meine Herren, das läßt sich sofort ganz kurz ziffernmäßig dar— legen. Nach dem bisherigen Verfahren wird das Extraordinarium der Eisenbahnverwaltung mit 1,15 eυ, also augenblicklich mit 124 Millionen, aus laufenden Mitteln, aus BetriebsÜberschüssen der Eisenbahn, gespeist. Diese 124 Millionen jährliche Kapitalsauf wendungen bekommt die Eisenbahn zinslos, infolgedessen arbeiten sie bei der Eisenbahn mit den 6 o½, die Herr Dr. Friedberg ange— nommen hat. Werden diese 124 Millionen dargeliehen, dann sind sie mit 46 belastet. Nun wird aber die Rente, die die Eisen— bahn an den Staat abliefern muß, nach den Kapitalsaufwendungen berechnet, die in die Eisenbahnen gesteckt sind, und infolgedessen auch mit nach diesen 124 Millionen. Wenn nun diese an sich schon mit 4,5 o/o belastet sind, dann sind sie gar nicht imstande, die 2, 10 0 an den Staat abzuliefern, sondern es fehlen jedesmal 0,7 o; und wenn das nun jahraus jahrein kommt, dann wird die Rente der Eisen⸗ bahn immer weiter heruntergedrückt. Infolgedessen ist sie in der Zukunft, nach Ablauf von 20 oder 25 Jahren, gar nicht imstande, die vollen 2, 104/90 der Staatzregierung zu überweisen. Meine Herren, das ist ein Rechenexempel, es ist genau das, was ich im vorigen Jahre erklärt habe, wogegen ez eigentlich einen Gegenbeweis gar nicht gibt. Es ist ein mathematisches Exempel, das sich tabellarisch aus— rechnen läßt. Infolgedessen muß die Staatsregierung darauf sehen, daß ihr die 2,10 ono der Eisenbahnüberschüsse nicht in Zukunft entzogen werden; und sie werden ihr entzogen, wenn nach dem Vorschlage des Herrn Abg. Dr. Friedberg verfahren wird.

Nun hat Herr Dr. Friedberg allerdings gesagt, der Vorschlag, den Erzellenz Kirchhoff gemacht hat, wäre annehmbar, daß nicht das gesamte Extraordinarium, sondern nur ein Teil davon aus Anleihe⸗ mitteln bestritten werden möge. Ja, meine Herren, auch wenn nur ein Teil daraus bestritten wird, and der übrige Teil nicht zu ver— zinsen ist, dann wird natürlich der Zeltpunkt, daß die 2,10 s ge⸗ fährdet sind, nicht in dem Jahre eintreten, wie bei der vollen Ver⸗ wendung aus Anleihemitteln, aber er wird zweifellos eintreten, und der Erfolg ist genau derselbe, daß in Zukunft, wenn nicht ganz ver⸗ änderte Verhältnisse eintreten, der feste Bezug der Rente von 2, 10 060 gefährdet ist.

Herr Abg. Dr. Friedberg hat dann moniert, daß dieses Ab⸗ kommen in der Form eines Etatsvermerks gemacht sei, und er glaubt, daß das nicht zulässig sei, weil durch dieses Abkommen dem Aus— gleichsfond,s Summen entzogen würden, die ihm nicht zu entziehen wären. Wie ich mir bei meiner Etatsrede schon auszu⸗ führen erlaubte, besteht der Ausgleichsfonds aus zwei Ab⸗— teilungen. Die eine Abteilung fließt dem Ausgleichsfonds zu auf Grund des Gesetzes von 1963. schreibt vor, daß die vorhandenen Neberschüsse des gesamten Staatshaushalts in einem Ausgleichsfonds aufzusammeln sind. Zu gleicher Zeit ist eine besondere Verwendung für diesen Ausgleichsfonds vorgesehen. Untei den besonderen Verwendungszwecken dieses Ausgleichsfonds, Herr Dr. Friedberg, befinden sich die beiden von Ihnen gerügten

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Punkte, erstens die Speisung des Dispositionsfonds des Eisenbahn— ministers und zweitens die angemessene Ausgestaltung des Ertra⸗ Die zweite Abteilung des Ausgleichsfonds besteht aus n, welche durch den Etat der Eisenbahnverwaltung 3

ordinartumt. denjenigen Beträge dem Ausgleichsfonds von vornherein zugewiesen und hinterher durch die Rechnung entsprechend festgestellt werden. Bei dieser zweiten Zu⸗ weisung ist es etatsrechtlich durchaus zulässig, daß die Bestimmungen, unter denen die Verwendung dieser Zuweisung erfolgen soll, durch einen Etatspermerk, durch ein Dispositiv besonders getroffen werden. Allerdings ist im Jahre 1909 bestimmt worden, daß aus dem Aus⸗ gleichs fonds nur 15 Millionen dem Eisenbahnmintster als Dispositions⸗ fonds überwiesen werden sollen und nicht insgesamt 30 Millionen. An sich ist also das Verfahren durchaus zulässig.

Herr Dr. Friedberg hat dann gesagt, die Finanzverwaltung operiere in ihrer Denkschrift immer mit der bekannten Streitfrage, ob das Extraordinarium werbend sei oder nicht. Er hat vor allen Dingen bemängelt, daß die Finanzverwaltung in der Denkschrift be⸗ haupte, das Extraordinarium sei nur zum Teil werbend, während die Eisenbahnverwaltung im vorigen Jahre ausdrücklich zugestanden habe, daß das Extraordinarium voll weibend sei. Ich habe inzwischen die Denkschrift der Eisenbahnverwaltung durchgesehen. Ich möchte Herrn Dr. Friedberg bitten, mir die Stelle zu zeigen, an welcher die Eisen⸗ bahnverwaltung erklärt hat, daß das Extraordinarium rein werbend sei. In der Denkschrift steht lediglich, daß das Extraordinarium dazu da wäre, um nachträgliche Kapitalaufwendungen daraus vorzunehmen. Das ist aber etwas ganz anderes, ob eine nachträgliche Kapitalaufwendung vorgenommen wird, oder ob über die innere materielle Frage gestritten wird: ist die Aufwendung, die gemacht werden soll, werbend oder nicht? Also diese Streitfrage wird durch uns nicht anders entschieden, es besteht gar kein Widerspruch zwischen der Auffassung der Eisenbahnverwaltung und der der Finanzverwaltung.

Meine Herren, daß die Finanzverwaltung das Extraordinarium für zum Teil nichtwerbend erklärt, ist auch kein Widerspruch mit den Ausführungen, die mein Herr Amtsvorgänger gemacht hat. Ich habe gelesen, daß Herr Dr. Friedberg mit daraus einen Vorwurf gemacht hat, daß ich im Gegensatz zu meinem Herrn Amtsvorgänger das Extra⸗ ordinarium zum großen Teil für nichtwerbend erklärt habe. Meine Herren, ich glaube, er muß diesen Vorwurf zurücknehmen. Bevor die Neuregelung im Jahre 1910 getroffen wurde, enthielt das Extra⸗ ordinarium einen großen Teil von Ausgaben, die ohne Frage werbender Natur sind. Sie sind aber seit 1910 aus dem Extraordinarium aus⸗ geschieden; das sind die gesamten Ausgaben für zweite und dritte Gleise, für die Erweiterung des Fuhrparks, für Umwandlung von Nebenbahnen in Hauptbahnen und für Uebergang zu einer neuen Betriebsweise. Jetzt befindet sich im Extraordinartum ein großer Teil von Kapitalaufwendungen, die ohne Frage nichtwerbender Natur sind. Wenn in einer großen Bahnhofsanlage kostspielige Gebäude weggerissen und durch andere ersetzt werden müssen, so sind die dafür aufgewendeten Kosten ohne Frage nicht Wert schaffend, nicht werbend, sondern es werden Werte vernichtet. Deshalb kann man nicht behaupten, ß das Extraordinarium durchweg werbender Natur sei. Daß ein Teil davon werbend ist, ist klar. Ich glaube, wir können diese Streitfrage vorläufig beiseite lassen, denn augenblicklich ist die Beantwortung der Frage maß⸗ gebend: ist es bei dem jetzigen Eisenbahnetat und bei den jetzigen wirt⸗ schaftlichen Verhältnissen möglich, daß das Extraordinarium ohne Ge⸗ fährdung der Staatseinnahmen aus Anleihen bestritten wird? Meine Herren, die Finanzverwaltung steht nach wie vor auf dem Stand- punkt, daß das unmöglich ist, und die Finanzverwaltung hat bisher auch keinen Nachweis dafür gesehen, daß ihre Annahme rechnerisch und volkswirtschaftlich unzutreffend ist. Daß die Zukunft auch erheb— liche Lasten haben wird, unterliegt doch keinem Zweifel. Denken wir doch an die früheren Zeiten. Shaltsetat

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l Da war der Staatshau

sehr viel enger begrenzt als heute, und die Lasten sind heute enorm viel höher als vor 30 Jahren. Glauben Sie, daß das in Zukunft nachlassen wird, daß unsere Kinder oder Kindeskinder einmal ohne Lasten sein werden? Ich glaube das nicht. Infolgedessen bin ich der Meinung, daß der Staat gerade so handeln muß, wie das jeder Famllienvater tut, daß er diejenigen Lasten, die er tragen muß, auch trägt, und daß er sie nicht seinen Kindern zuschiebt, weil er glaubt, daß die Gegenwart sie nicht ganz tragen könnte. Denn sobald man der Zukunft die 2,10 schmälert, ist in ihr ein großer Teil des Staatshaushaltsetats ungedeckt, und dann müssen die Steuern ganz anders echöht werden, als es jetzt von der Staatsregterung bor— geschlagen ist.

Der Herr Abg. Friedberg ist dann auf die Frage gekommen, ob es ratsam gewesen ist, im vorigen Jahre keine Anleihen auf⸗ zunehmen. Meine Herten, ich will durchaus zugeben, daß man über diese Frage ganz verschiedener Meinung sein kann. Die Königliche Staatsregierung hat im vorigen Jahre damit, daß sie keine Anleihen auferlegt hat, garnicht behaupten wollen, daß sie das allein Richtige täte; aber, meine Herren, es hatte sich der betrübende Zustand herausgestellt, daß die Staate⸗ anleihen, welche alllährlich aufgelegt wurden, allmählich bei den