Deutscher Reichstag. 3. Sitzung vom 9. Februar 1912, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsidenten, der Vizepräsidenten und der Schriftführer.
Rach Eröffnung der 2 durch den Alterspräsidenten Trae ger verliest der Schriftführer Abg. Dr. Bärwinckel (ul.) die auf den Wahlmodus bezüglichen Bestimmungen der Ge⸗ 16 Darauf schreitet das Haus zur Wahl des Ersten Präsidenten. . . ö. Schriftführer Abg. Rogalla von Bieberstein (dkons.) vollzieht den Namensaufruf. ö
Um 3 Uhr 15 Min. verkündet der Alterspräsident Traeger das Ergebnis des Wahlganges. Es sind abgegeben 388 Stimm⸗ zettel, davon 3 unbeschrieben, also ungültig. Von den ver⸗ bleibenden 385 gültigen Stimmzetteln lauten 185 auf den Abg. Spahn Gentr.), 116 auf den Abg. Bebel (Soz), 83 auf den Abg. Prinz zu Carolath (nl,), je eine auf die Abgg. Dr. Paasche (nl. und Heine (Soz.). Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erhalten hat, muß eine engere Wahl stattfinden, in der nach der Geschäftsordnung sämtliche fünf Kandidaten, die gültige Stimmen erhalten haben, konkurrieren.
Um 4 Uhr 5 Minuten verkündet der Alterspräsident das Ergebnis des zweiten Wahlganges: Abgegeben sind 388 Stimmen, absolute Mehrheit 195. Es haben er⸗ halten der Abg. Spahn 186 Stimmen, der Abg. Bebel 114 Stimmen, der Abg. Prinz zu Carolath 85 Stimmen. Es bleibt uns also nichts übrig, da wiederum keine absolute Mehrheit erzielt ist, als heute die lückenlose Geschäftsordnung über uns ergehen zu lassen. Es kommen zur zweiten engeren Wahl die beiden Herren, die die meisten Stimmen erhalten haben, die Abgg. Spahn und Bebel. . .
Um 4 Uhr 50 Minuten wird das Resultat des dritten Wahlganges von dem Alterspräsidenten bekannt⸗ gegeben: Abgegeben sind 334 Stimmzettel, davon 13 ungültig. Von den gültigen Stimmen haben erhalten der Abg. Dr. Spahn Jentr.) 196, der Abg. Bebel (Soz.) 175. Der Abg. Dr. Spahn ist somit mit absoluter Mehrheit zum Ersten Präsidenten ge— wählt; ich frage ihn, ob er die Wahl annimmt?
Abg. Dr. Spahn: Mit Dank für das hohe Haus nehme ich die auf mich gefallene Wahl an (den Vorsitz übernehmend). Ich glaube, den Wunschen des ganzen Hauses zu entsprechen, wenn ich zunächst den Dank des Hauses unserem Herrn Alterspräsidenten aus— spreche und auch die Freude des Hauses darüber, daß er dieses nicht ganz mühelose Geschäft mit soviel Humor und soviel Ausdauer ge⸗
führt hat. ; . ; J J . Indem ich mich in den Dienst dieses Hauses stelle, darf ich auch
an jeden einzelnen von Ihnen die Bitte richten, daß Sie mich in dem Bestreben unterstützen, die Würde und das Ansehen des hohen Hauses zu wahren und 66 Geschäfte zu fördern.
Das Haus schreitet zur Wahl des Ersten Vizepräsidenten.
Es werden 386 Stimmzettel abgegeben, von denen 21 un⸗ gültig sind; es verbleiben 365 gültige Stimmen. Von diesen erhalten der Abg. Scheidemann (Soz.) 188, der Abg. Dietrich (dkons.) 174 und der Abg. Dr. Paasche (ul.) 3. . .
Der Abg. Scheide mann ist somit zum Ersten Vize—⸗ präsidenten gewählt und erklärt auf die Frage des Präsidenten Dr. Spahn, daß er die Wahl annimmt. ö
Das Haus geht über zur Wahl des Zweiten Vizepräsidenten.
Die Abstimmung hat folgendes Ergebnis: Es sind im ganzen abgegeben 385 Stimmzettel, davon ungültig 95; es bleiben 290 gültige Stimmzettel. Davon haben erhalten der Abg. Dr. Paasche (nl) A4, der Abg. Kaempf (fortschr. Volksp.) 12, der Abg. Dietrich (dkons.) 2, der Abg. von Heydebrand (dkons.) eine und der Abg. Stadthagen (Soz.) eine.
Der Abg. Dr. Paasche ist somit zum Zweiten Vize⸗ präsidenten gewählt und erklärt auf die Frage des Präsidenten, daß er die Wahl annimmt. .
Das Haus schreitet sodann zur Wahl der 8 Schriftführer, die in einem Wahlgange gewählt werden.
Nach Abschluß des Wahlganges wird auf Vorschlag des Präsidenten Dr. Spahn beschlossen, das Resultat der Abstim⸗ mung durch die provisorischen Schriftführer und das Bureau nach der Sitzung ermitteln zu lassen; dasselbe wird bei Beginn der nächsten Plenarsitzung mitgeteilt werden,
Damit ist der Reichstag konstituiert. Der Präsident wird nicht unterlassen, davon Seiner Majestät dem Kaiser die pflichtmäßige Anzeige zu erstatten.
Zu Quästoren ernennt der Präsident mann (nl. ) und Dr. von Savigny (Zentr..
Es sind Anträge Albrecht (Soz.) eingegangen, schwebende Strafverfahren gegen die Abgg. Ebert, Fischer-Sachsen und Feuerstein für die Dauer der Session einzustellen.
Ferner liegen zwei Interpellationen vor:
I) Interpellation Bassermann, betreffend die Wahrung der deutschen Interessen gegenüber den russischen Anforderungen auf der Brüsseler Zuckerkonferenz.
2) Interpellation Ablaß wegen Suspendierung des Kartoffel- zolls und zeitweiliger Aufhebung der Futtermittelzölle mit Rücksicht auf die berrschende Teuerung und den bherrschenden Futtermangel.
Schluß 63 Uhr.
Nächste Sitzung Dienstag, 13. Februar, 2 Uhr. (Schleunige Anträge Albrecht; Interpellationen; erste Lesung des Etats für 1912.)
die Abgg. Basser⸗
Prensßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 10. Sitzung vom 9. Februar 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von s Ueber den ersten
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und seitlich geheftet geliefert werden.
Herausgabe der. Gesetzsammlung⸗ eist auf den 1. Januar nächsten Jahres
Regierungskommi irklicker Geheimer Oberregierungsrat . aben: b ., des Herrn Vorredners wird erfüllt
Es muß aber diese Verbesserung
auch auf dag. Reichegesetzblatt ausgedehnt werden, dessen Bezieher um großen Teile die ie. sind 41* Bezieher der „ Gesetzsammlung'. Da die Schaffung der erforderlichen technischen Einrichtungen eine geraume het in Anspruch nimmt, so kann der Beginn der veränderten
sestgesetzt werden. Wag die Wünsche des Herrn Abg. von Strom heck be⸗ trifft, so bedauere ich, ihm keine andere Antwort geben zu können als die, die ich ihm schon vor zwei Jahren bei der damaligen Anregung der Sache durch den Herrn Abgeordneten gegeben habe. Das hohe Haus hat, soweit ich mich erinnere, damals felbst die Ersetzung des jetzigen Quartformats der. Gesetzsammlung“ durch das Oktavformat nicht gerade für eine Verbesserung gehalten. Es stimmte vielmehr meiner Aus—⸗ führung zu, daß die Handhabung der „ Gesetzsammlung“ durch Ver. wendung des Oktavformats wahrscheinlich nur noch mehr erschwert werden würde. Was die übrigen Wünsche des Herrn Abg. von Strombeck betrifft, so habe ich damals bemerkt, daß voraussichtlich die Immediatkommission sich mit diesen Fragen beschaͤftigen werde, und ich kann auch heute keine andere Antwort geben.
Der Etat des Gesetzlammlungsamts wird bewilligt.
Beim Etat des Kriegsministeriums bringt
Abg. Ern st (fortschr. Volksp.) Wünsche bezüglich der Garnisonen seines Wahlkreises zur Sprache, wird aber vom Präsidenten Dr. Freiherrn von Erffa an weiteren Ausführungen gehindert, weil diese Sachen nicht hierher gehörten. . . . Abg. Dr. Arendt (freikons. : Wenn jeder derartige Wünsche vorbringen wollte, dann würden sich zu dieser Frage wohl an dreißig Redner aus dem Hause melden.
Zum Etat des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten liegt folgender Antrag der Abgg. Dr. von Campe, Dr. Friedberg u. Gen. (nl.) vor: die Königliche Staatsregierung gufzufordern, dem Abgeordneten⸗
haus möglichst bald authentische Mitteilungen über die mit der Kurie über das neueste päpstliche Motuproprio, betreffend das Gerichtsverfahren gegen Kleriker, gepflogenen Verhandlungen zu machen, insbesondere den darauf bezüäglichen amtlichen Schriftwechsel vorzulegen.“ . ö
Die Beratung dieses Antrages wird auf Antrag des Abg. Dr. Friedberg (nl), womit sich Abg. von Pappen⸗ heim (kons.) einverstanden erklärt, in der Beratung des Etats vorweg genommen. Zur Begründung des Antrages erhält das Wort Abg. Dr. von Campe (nl): Es scheint naturgemäß geworden zu sein oder werden zu sollen, daß wir alljährlich von Rom mit Kundgebungen bedacht werden, die eine weitgehende Beunruhigung unserer Bevölkerung hervorrufen und den konfessionellen Frieden zu stören geeignet sind. Wenn ich an die gründung unseres Antrages berantrete, so werde ich es tun aus denjenigen Rücksichten heraus, die wir auch den berechtigten Gefühlen unserer katholischen Mitbürger schuldig und allezeit 36 zubringen geneigt sind. Ich sage das in voller Ueber⸗ einstimmung mit der Gesamtheit meiner politischen Freunde. Es werden daher diejenigen, die etwa glauben sollten, daß hier ein fanatischer Kulturkampf entfacht werden soll, nicht auf ihre Rechnung kommen. Ich bin genötigt, das zu sagen mit Rücksicht auf Be— merkungen, welche die Zentrumspresse in den letzten Tagen an unseren Antrag geknüpft hat. Aber mit Lerartigen Bemerkungen, wie fanatischer Haß, . kulturkämpferische Anträgen, ist dem Frieden nicht gedient. Wenn man den Frieden ernstlich will, dann muß man sich von derartigen Uebertreibungen fernhalten und abwarten, von welchen Gesichtspunkten aus dieser Antrag begründet wird und angesehen sein will. Wenn ich auf der einen Seite diese Rücksichten nehmen werde, so werde ich doch auf der anderen Seite mit voller Entschiedenheit betonen, daß hier sehr tiefgründige Rechte des Staates auf dem Spiele stehen, und daß wir mit aller Entschiedenheit für diese Rechte eine Lanze brechen werden. Das neueste Motuproprio ist keine einzelne Kundgebung. Ich erinnere an die Verhandlungen, die wir über die Borromaäͤus⸗Enzpklika vor zwei Jahren gepflogen haben, die das ganze Haus mit Ausnahme des Zentrums als eine schwere Gefährdung des konfessionellen Friedens ansah; ich erinnere daran, daß selbst der Ministerpräsident damals erklärte, daß es sich um eine Verletzung religiöser, sittlicher, ja staatlicher Empfindungen handelte, daß der konfessionelle Friede tat⸗ sächlich gefährdet erschien. Daß die Absicht einer konfessionellen Friedensstörung vorlag, wurde hier im Hause unwider⸗ sprochen ausgeführt. Diese Worte kamen nicht etwa von denjenigen Seiten, denen kulturkämpferische Neigungen nachgesagt werden, nein, sie
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kamen aus den konservativen Reihen beraus. Es handelte sich damals um die Umwertung geschichtlicher Urteile, bei den Verhandlungen über den Modernisteneid darum, daß auf dem Gebiet der Wissenschaft und Lehre, auf dem Gebiet der Schule die Gewissen geknechtet, der freien Forschung ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Auch damals wurde vom Regierungstisch ausgesprochen, daß mit derartigen Kundgebungen nur von neuem Reibungsflächen im Deutschen Reich in unserer interkonfessionellen Bevölkerung geschaffen vürden, und daß bei derartigen Kundgebungen seitens der Kurie nicht immer mit derjenigen Rücksicht verfahren wurde, die sie unserer Be⸗ völkerung schuldig sei, und es wurde ausdrücklich anerkannt, daß unter gewissen Umständen die hochgradige Erregung im deutschen Volke eine durchaus berechtigte sei. Wenn ich zu dem neuesten Motuproprio übergehe, so wissen wir ja alle, daß die katholische Kirche Anspruch erhebt auf den privilegierten Gerichtsstand für seine Geistlichen. Es wird sogar als ein unanfechtbares Recht bezeichnet. Päpstliche Kund⸗ gebungen baben immer wieder auf dieses Recht hingewiesen und es als das wichtigste Privilegium, das die Kirche für sich in Anspruch nehme, bezeichnet. 1869 und schon vorher im Spllabus von 1864 ist dieses Privilenium wieder aufs neue betont worden. Nachdem dann eine Kurialentscheidung von 1886 diesen früheren Anforderungen gegen über gewisse Konzessionen gemacht hatte, indem man ausfübrte, daß nur diejenigen, die wirklich einen Geistlichen vor das weltliche Gericht zwängen, unter den Bann fallen sollten, will dieses neueste Motu— proprio dieses Anerkenntnis wiederum zurückrevidieren, und es wird den früberen Kundgebungen eine weitergehende Interpretation darin gegeben, 5ß es als ein sacrilegium facinus, geradezu als eine verbrecherische at bezeichnete, wenn man in Kriminal- oder Zivilsachen ohne Erlaubnis er kirchlichen Behörden Geistliche vor ein weltliches Gericht ziehe. gen verstößt, wird mit der scommunieatio latas bedroht, was ungefähr der kirchlichen Todesstrafe gleich
an wollte ursprünglich ein solches Recht im weltlichen durchsetzen. Davon kann heute selbstverständlich in praxi
mehr die Rede sein, und wenn man mit den Herren vom
m spri so hört man vielfach: es verstebt sich doch ganz
umzuwersen.
Gewiß ist es selbstverständlich,
Aber damit ist die Bedeutung derartiger Be nicht erschöpft; denn es handelt sich hier um
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wenn die Kurie doch
Erregung, wer ; einfach umzuwerfen?
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die moderne Staatsauffassung
die Kurie nicht die Absicht haben kann, die Gesetze f und es auf Granit beißen, wer derartiges wollte, und es wäre Gott Dank ein Versuch an einem durchaus untauglichen Objekt, wenn ie K gegen den Staat Sturm laufen und Gesetze für null und
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erartige Kundgebungen einen Stoß bedeuten gegen einen Krieg gegen die Grundlagen des
Deffentlichkeit, hat auch die Zentrumspresse seinerzeit durchgefühlt. Ich erinnere an die Ihnen allen bekannten vorsichtigen Artikel der Kölnischen Volkszeitung“, die mindestens ein Gefühl innerer Un— zufriedenheit verrieten. In kleineren Blättern fand diese Kund—
866 ein ganz anderes Echo, das schrillste vielleicht in dem Heidel.
erger Zentrumeblatt; da hieß es: Es ist nichts zu dumm, es findet sein liberales Publikum. Der Gedanke, daß der Papst wohl von solchen Dingen zuerst die katholischen Bischöfe und Prlester in
Kenntnis setzt, bevor er dem liberalen Zeitungsberichterstatter der
„Münchner Neuesten Nachrichten“ davon Mitteilung macht, ist wohl bei einem liberalen Redaktionsdenkorgan noch nicht aufgestiegen und bei den liberal denkenden Lesern natürlich auch nicht.. Außerdem aber müßte die Unsinnigkeit der Mitteilung jeden denkenden Menschen abhalten, solches einem anderen denkenden Menschen vorzusetzen.“ Das war eine Zentrumsstimme, deren Schroffheit ich mir keineswegs zu eigen mache, weil ich mich in die Denkweise des Katholizismus hineindenken und vertiefen will, um von da aus das Entstehen und das Wie des Entstehens dieser Dinge zu begreifen und so diesen An— schauungen von meinem diametral entgegengesetzten Standpunkt ge— recht zu werden. Ich erinnere daran, daß Professor Triebs in Breslau, wie man annimmt, mit Zustimmung des Kardinals Kopp, unlängst einen Artikel veröffentlicht hat, wo es heißt, falls das Motu= proprio dahin auszulegen sein sollie, daß es auch verböte, einen Geistlichen als Zeugen vor Gericht zu laden, so würde damit allerdings die staatliche Rechtspflege lahmgelegt sein. Aber, setzt er hinzu, die kanonische Lehre geht nichk dabin. Das mag seine Auffassung sein; von anderen Autoritäten, z. B. von Hinschius, wird sie nicht geteilt. Ganz anders natürlich lauteten die protestantischen Stimmen. Ein konservatives Blatt, die „Schlesische Zeitung“, schrieb von Verstimmung, von Verärgerung bis welt in die Kreise der Katholiken hinein. Ein anderes Blatt sprach von einer Provokation des Staates, davon, daß die Absicht vorliege, uns den konfessionellen Frieden zu stören, daß dieses Anblasen des kon— fessionellen Haders besser unterblieben wäre. Das schrieb kein kultur— kämpferisches Blatt, sondern die Kreuzzeitung“; und wenn diese sogar zu solchen Worten sich aufrafft, so sollte das doch auch unseren katholischen Mitbürgern zu denken geben. Es handelt sich hier tat— sächlich um einen Vorstoß gegen die Rechtshoheit des Staates; es wird eine Zwischeninstanz geschaffen, von der unser weltliches Recht nichts weiß; es wird Sturm gelaufen gegen die Grundlagen jedes modernen Staates, und ein entgegenstehendes Verhalten wird als ein sacrilegium facinus bezeichnet. Man soll es doch verstehen, wenn hier der Abg. von Kardorff ausspricht, daß es ein geradezu un— erträglicher Zustand sei, wenn wir immer und immer wieder alle Jahre mit solchen Bestimmungen versehen werden. Was beißt das anders als daß ganz prinzipiell der uralte Kampf zwischen Königtum und Priestertum hier in unsere Reihen hineingeworfen wird? Damit verstößt man gegen das Gesetz des Quieta non movere. Man dient nicht dem konfessionellen Frieden, wenn man immer wieder Rüstkammer des Mittelalters solche verrosteten Waffen gegen den modernen Staat hervorbolt. Die Reibungsflächen, die wir durch unsere moderne Ent wicklung glücklich überwunden glaubten, werden uns immer wieder gezeigt. Die Kurie versteht vielleicht am besten, ihre letzten Grundsätze im Herzen zu bewahren, das Prinzip nicht aufzugeben und schließlich zu einem modus vivendi zu gelangen; aber solche Erlasse dienen dem konfessionellen Frieden nicht Es ist im vorigen Jahre hier im Hause von dem Abg. von Heyde— brand und, irre ich nicht, auch vom Ministerpräsidenten darüber ge klagt worden, daß die Kurie nun einmal unsere Verhältnisse in Deutschland nicht kennt und offenbar nicht kennen will. Da ist geradezu die historische Aufgabe unseres deutschen Episkopats, mit aller Energie dafür zu sorgen, daß in Rom endlich einmal die Kenntnis über unsere nationalen Verhältnisse aufgeht, und da ist es die nationale Aufgabe der katholischen Mitbürger, wider den Episkopat zu stehen und ein freimütiges Wort zu sagen in dem Sinne: nit dienst Du uns nicht, wir wollen mit unseren protestantischen Mit bürgern in Frieden leben; wenn aber immer diese Vorstöße gescheben, dann geht das einmal nicht. Die Redner des Zentrums haben immer gesagt: ‚Wir müssen einander verstehen lernen, auch das ist Ihre und unsere Aufgabe; Sie hahen bier deutsche Aufgaben zu erfüllen, und wenn Sie ein solch offenes Wort in aller Ehrfurcht so wäre das geradezu eine erlösende Tat. Wenn wir es sager keinen Eindruck machen, wohl aber, wenn Sie es sagen darauf, daß Sie diese nationale Pflicht erfüllen. leicht noch als der Inhalt erscheint mir die Form, man in Rom in solchen Dingen ̃ in der diese Sachen nachher der Kurie geregelt?! zu werden p sächlich obne genaue Kenntnis unsere immer wieder in der Weise vorgeht, sichtslosigkeit gegen das deutsche Volk ur regierung, die energisch sich dies zu v Es ist eine Rücksichtslosigkeit, weil wi einen Gesandten in Rom n, zeigen gegen unsere katholischen Mitbürge weiß doch auch in Rom, de Staaten haben, daß zwei evangelisch sind, daß
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vorher war eine päpstliche Verfügung ergangen,
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sich nachbek als irrig und unrichtig, wir warten eine Auskunft vom Kultusminister, wie dieser Irrtum
ist. Bei diesen Erfahrungen setzen wir mit unserem Antra wünschen autbentische Mitteilungen darüber, was in di
Fs 1 . 1 * ar E ri , . Es erreicht ist, und die Vorlegung des schriftlichen Notenwechse
Nordd. Allg. Ztg.“ bat ja mitgeteilt, daß die Ku mündlich und schrift lich abgegeben habe. 8 if Wirkl erreicht? ie amtliche Erilärung des Reichsanzeigers“ Dezember . (Lachen im Zentrum — Abg. vo ? beim (kons.): Die Sache ist zu ernst, um darüber
gebe dem Abg. von Pappenheim recht; daß macht, damit kommt man nicht weit. Der
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Der Kardinalstaatsselretär habe erklärt, daß die Grundsätze, die Monsignore Heiner in seinem Aufsatz entwickelt habe, mt den fanonischen Lehren übereinstimme und deshalb das Motuproprio Quantavis diligentia Deutschland uicht berühre. Nach dem An— erkenntnitz der Kurie, daß das Motuproprio für Deutschland kein? Geltung habe, bestehe für die Staatsregierung kein Anlaß mehr, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Nein, es ist nicht richtig, es ist anders. Aehnlich lauteten Erklärungen in der Norddeutschen All. gemeinen Zeitung“ mit dem Zusatz, daß die Erklärung der Kurie mündlich und schriftlich erfolgt sei, und mit dem weiteren nicht zu vergessenden Zusatz, die Anfrage der Königlichen Staatsregierung sei dahm gegangen, ob das Motuproprio für Deutschland Geltung babe. An demselben Tagge erschien aber im „Osservatore Romano“, der die Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ des Papstes ist, eine Auscinander— setzung, wonach Monsignore Heiner geschrieben habe, daß, wenn ein recht⸗ mäßiges Gewohnheitsrecht in Deutschland bestehe, das Motuproprio da⸗ durch aufgehoben sei, und zweitens die preußische Regierung die Anfrage dahin gestellt habe, wie die Kurie sich zu den Auslassungen des Herrn Heiner stelle. Davon aber, daß das Motuproprio in Deutschland keine Geltung habe, war in dem „Osservatore Romano“ gar nicht die Rede. Dies letztere war also im ‚Reichsanzeiger“ lediglich eine Schlußfolgerung, wie auch deutlich erkennbar war. Ob bei diesen Widersprüchen zwischen der amtlichen Erklärung bei uns und der Erklärung im „Osserpvatore Romano“ die An gelegenheit befriedigend erledigt ist, fragt sich. Uns be⸗ friedigt die Erledigung ganz und gar nicht. Gegenüber der Biegsamkeit und Schmiegsan keit der Kurse, die immer noch eine Hintertür findet, muß man sehr auf der Hut sein, wenn man sein Recht von ihr bekommen will. Es ist eine eigentümliche Art der Erledigung, wenn in einem offiziellen Schriftstück, das den Frieden sichern soll, auf einen Privat⸗ aufsatz Bezug genommen wird, auf einen Aufsatz in einer Zeitung. Wenn Herr Heiner in seinem langen Aufsatz in der „Kölnischen Volkszeitung“ erklärt, daß das Motuproprio und das Privisegium fori in Deutschland nicht Platz greife, und die Kurie erklärt, daß diese Auffassung xichtig sei, warum zieht sie dann nicht einfach das Motu⸗ proprio zurück? Wenn es im „Osservatore Romano“ heißt: „Wenn diese Grundsätze rechtmäßiges Gewohnheitsrecht sind — * welche Hintersüren eröffnen sich da! Die Kurie erklärt, die preußische Re⸗ gierung habe angefragt, ob die Grundsätze Heiners richtig sind, während die preußische Regierung sagt, sie habe gefragt, ob das Motuproprio gültig ist. Dieses Motuproprio ist in den Acta sedis abgstolicae verkündet, damit ist es in der ganzen Welt ver— kündet. Jetzt tritt aber ein Staat nach dem anderen an die Kurie heran und bekommt immer die Antwort: Ja, bei euch gilt es nicht. Das ist doch ein eigentümliches Vorgehen. Erst verkündet man es für die ganze Welt, und dann gilt es nicht. Es taucht eine ganze Reihe von Fragen auf, z. BS. ob Rechtsanwälte in folchen Fällen eine Vertretung übernehmen können, ob Gendarmen, Staatsanwälte darunter fallen. Heiner läßt sich über diese Fragen nicht aus, aber zweifellos ist immer noch, der Kultusminister der cogens. Nach unserem Strafgesetzbuch wird bestraft, wer Verbrechen, die er hätte hindern. können, nicht anzeigt. Danach können Bischöfe, die vielleicht Kenntnis von verbrecherischen Ab— sichten erhalten, sogar wegen Begünstigung bestraft werden. Hier liegen Konflikte neben Konfükten. Der Aufsatz von Deiner gibt keine Antwort. In der Literatur sind verschiedene Stimmen laut geworden: Tatsaͤchliche Uebung ist es in Deutsch⸗ land doch, daß die Zustimmung des Bischofs eingeholt wird. Ich erinnere Sie nur an die Bischofshirtenbriefe von Mainz und Fulda usw. Es bleibt also dabei, daß ein Gewissenszwang durch das Motuproprio den Katholiken auferlegt ist. Daß dieser Gewissens⸗ zwang von ihnen genommen sel, den Beweis haben wir nicht. Diesen ist uns die Köntgliche Staatsregierung schuldig. Wer bürgt dafür, daß die Kurie sich nicht hartnäckig auf den Standpunkt stellt: bei dem Gewissenszwang bleibt es doch? Schreibt doch z. B. selbst die Kreuz⸗ zeitung“ daß aus der Antwort der Kurie nur das Zugeständnis zu ersehen sei, daß die Kurie aus diesem Anlaß keinen Konflikt mit den deutschen Staatsbehörden wünsche; die Kurie hätte die Versicherung abgeben, müssen, daß der deutsche Beichtvater nicht gehalten sei, auf die Erfüllung dieser Forderung zu dringen. Daß ist die Hauptsache. Sle werden es also begreiflich finden, daß wir diefen Antrag gestellt baben, nicht etwa aus irgendwelchen fanatischen oder kustur— kämpferischen Neigungen, sondern weil es uns gilt, die Grundlagen des Staateg aufrecht, zu erhalten. Es ist sonst nicht im dipko— matischen Verkehr üblich, daß ein Schriftenwechsel auf Privat— meinungen und private Zeitungsartikel Bezug nimmt. Würde die Staatsregierung es zulassen, daß in dem amtlichen Verkehr z. B. mit England oder Oesterreich auf die Privaterklärungen eines Professors Bezug genommen wird und dann dle betreffende Regierun erklärt, ich gehe damit konform? Sonst ist es doch immer üblich, 36 der Inhalt dessen, worauf es ankommt, noch einmal in die Note aufgenommen wird. Nachdem nun solche Sachen immer wieder vorgekommen sind und wohl auch noch weiter vorkommen werden, muß in dem Bewußtsein unserer Bevölkerung der Wert der Gesandtschaft in Rom fehr in Frage gestellt sein. Das ist hier schon früher im Plenum hervor— gehoben worden. Selbst der Ministerpräsident hat damals erklärt, wenn solche Sachen weiter vorkommen, dann würde Wasser auf die Mühlen derjenigen getrieben, welche das Bestreben haben, daß der Gesandte in Rom abberufen wird. Weshalb haben wir denn einen Gesandten in Rom? Vielfach wird die Gesandtschaft damit bekämpft, daß wir durch deren Unterhaltung die Souveränität des Papstes an⸗ erkennen. Ich halte diesen Grund nicht für richtig. Unfere katholischen Mitbürger sehen mit Ehrfurcht nach Rom, und so ist es ein Entgegen⸗ kommen gegen die Empfindungen der katholischen Mitbürger, daß wir diese Gesandtschaft unterhalten. Wir wollen Ihre Gefühle kennen lernen, wir wollen die Stimmungen in Rom kennen lernen, wir wollen mit Ihnen in Frieden leben. Aber darüber hinaus gibt es doch eine weitere Frage; Was nützt uns auch von diesem Gesichts⸗ puntte aus die Gesandtschaft in Rom? Was hat sie un enützt? Es ist doch eine Tatsache, daß wir durch Privatnachrichten 33 das, was in Rom vorgegangen ist, früher unterrichtet worden sind als durch unseren eigenen Gesandten in Rom. Hat denn der Gesandte irgend etwas verhindert, was uns schädlich fein konnte? Darüber habe ich nie etwas gehört. Und wenn der Ministerpräsident darauf hingewiesen hat, daß die Kurie Gelegenheit hätte, ihrerseits sich über unsere Verhältnisse zu unterrichten, so habe ich noch nie gehört, daß die Kurie von diefer ihr bereit? willigst gegebenen. Gelegenheit irgendwelchen Gebrauch gemacht hätte. Deshalb ist die Frage, ob wir dauernd einen Gesandten in Rom haben sollen, recht ernstlich in Erwägung zu ziehen. So kann es nicht weitergehen. Ich möchte der Hoffnung Auedruck geben, daß es das letzte Mal sein möchte, daß wir über solche Ueber⸗ riffe und Störungen zu klagen haben. Seien Sie sich in den Reihen unserer katholischen Mitbürger darüber klar, daß es schwere Belastungsproben sind, denen Sie unser evangelisches Bewußtsein und unser Staatsbewußtsein aussetzen. Wenn wir Ihnen ruhig? ent— gegentreten so ist es das Bewußtsein der Stärke unserer Position, bon der Kräftigkeit der Sache, die wir hier vertreten, nicht der Gedanke an einen Kulturkampf.
Abg. Dr. Por sch (Zentr.) (zur Geschäftsordnung): Da beschlossen worden ist, daß nur der Antrag, nicht aber der Etat des Auswärtigen Amts mit zur Besprechung steht, so hätte der Abg. von Campe nicht auf die Frage der Gesandtschaft in Rom eingehen dürfen. Ich bitte festzustellen, daß diese Frage jetzt ausgeschaltet wird.
Pröäsident Dr. Freiherr von Erffa: Ich muß die Herren bitten, sich eine gewisse Selbstbeschrmnkung aufzuerlegen, aber es ist anderseits schwer, diese Fragen zu trennen.
Abg. Dr. von Campe (nl. : Ich bin einigermaßen erstaunt über die Worte des Abg. Dr. Porsch. Die Frage der Gesandtschaft läßt sich nicht ausscheiden.
. Abg. Dr. Po rsch Gentr.): Hätten wir das gewußt, so hätten wir nicht für den Antrag gestimmt.
Abg. von Pappenheim (kons.) : Ich habe den Antrag so wie der Abg. von Campe aufgefaßt. Es ist ganz unmöglich, die
Begleitumstände wegzulassen und auf die Frage der Gesandtschaft nicht einzu ern, —
Abg. Dr. Porsch (Gentr): Ich muß meinen Freunden vor— behalten, etwaige Konsequenzen aus dem eben Gesagten zu ziehen.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen— aechter:
Meine Herren! Der erste Wunsch der Herren Antragsteller geht dahin, authentische Mitteilungen über die mit der Kurie über das neueste Motuproprio gepflogenen Verhandlungen zu erhalten. Ich will mich zunächst darauf beschränken, diesem Wunsch zu entsprechen. Das Motu proprio Quanta vis diligentia ist datlert vom 9. Oktober und ist bekannt gegeben worden in dem Acta apostolicae sedis unter dem 9. Nobember. Es hat sich in der Presse sofort eine große Polemik über seine Wirksamkeit in Deutschland entwickelt, und es ist ganz besonders von katholischer Seite und zwar von wissenschaftlicher katholischer Seite bestritten worden, daß das Motuproprio für Deutschland Gültigkeit habe. Natürlich interessierte uns an dem Motuproprio nur die Frage, welchen Einfluß hat es in Deutschland, ist es da gültig oder nicht? Unter den Kundgebungen, die dafür ein⸗ traten, daß dies Motuproprio für Deutschland nicht gültig sei, nimmt einen hervorragenden Raum und Stellung ein Artikel in der Kölnischen Volkszeitung! vom 27. November ein; das ist der Haupt⸗ artikel, auf den nachher immer Bezug genommen ist.
¶Dteser Artikel war geschrieben von Professor Heiner. Der Artikel hat eine besondere Bedeutung zunächst wegen der Persönlichkeit, die ihn geschrieben hat — Monsignore Heiner ist Mitglied der rota romana, des höchsten katholischen kirchlichen Gerichtshofes — sein Artikel und sein Gutachten hatten aber außerdem noch eine besondere Bedeutung und verdienen besondere Beachtung, weil der Monsignore deiner ausdrücklich sagte, ich schreibe das, ohne befürchten zu müssen, von irgend einer Seite desavouiert zu werden. Dies wies auf einen offiziösen Ursprung des Artikels oder jedenfalls offiziöse Zu⸗ stimmung zu demselben hin.
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat deshalb im Einverstãndnis mit den anderen beteiligten Ressorts den Königlichen Gesandten beim Vatlkan angewiesen, auf den Artikel hinzuweisen und die Frage zu stellen: sind die rechtlichen Ausführungen richtig und erkennt ihr an — und das war die ausdrückliche Frage — daß dieses Motuproprio wegen der derogatio privilegii fori auf Deutschland keine Anwendung findet? Die Verhandlungen sind darüber mündlich geführt worden. (Aha! links.) Es ist aber das Ergebnis dieser Ver⸗ handlungen schriftlich niedergelegt worden. Ich erlaube mir, Ihnen die bekannten Aeußerungen des Kardinal staatssekretärs nochmals vor⸗ zulesen:
Die Prinzipien des kanonischen Rechts, die Monsignore Heiner in seinem bekannten Artikel über das Motu proprio Quantavis diligentia und die derogatio privilegii fori durch Gewohnheits⸗ recht entwickelt hat, sind konform den kanonischen Lehren der Kirche.
Es berührt — das steht in der schriftlichen Aufzeichnung des Kardinalstaatssekretärs — das Motu proprio Quanta vis diligentia Deutschland nicht. Damit begegne ich schon einem Einwand des Herrn von Campe, daß diese letztere nicht mit in dem Text gestanden habe. Die Erklärung ist deutsch und französisch abgefaßt worden, und ich möchte Ihnen den französischen Text — den Schlußsatz — vor— lesen, weil er vielleicht den Gedanken noch prägnanter ausdrückt: Par conséquent le Motu proprio Quantavis diligentia n'affecte pas l'Allemagne. berührt Deutschland nicht. Es war also ausdrücklich anerkannt, daß das Motuproprio Deutschland nicht berühre, und es war außerdem anerkannt die Derogatio privilegi fori. Deshalb hat die Regierung den Gesandten beim Vatikan angewiesen, die Erklärung so entgegen⸗ zunehmen. Dabei ist der Gesandte ausdrücklich angewiesen — und hat diesen Auftrag ausgeführt, — dem Kardinalstaatssekretär zu er⸗ klären, daß, ganz abgesehen von dem vorliegenden Fall, die Königliche Staatsregierung jeder Verfügung ihre Wirksamkeit für unser Land versagen müßte, welche mit den Reichs- und Landesgesetzen in Widerspruch stehe. Nach dieser Verwahrung haben wir den Zwischen⸗ fall für erledigt halten müssen. Wir konnten auch darüber mit der Kurie nicht rechten, ob es notwendig war, das ganze Motuproprio zu erlassen oder nicht. Es war für uns nicht gültig, und das ist aus— drücklich anerkannt worden.
Ich hoffe, daß die Herren diese Erklärung über den Vorgang bei den Verhandlungen für ausreichend halten, und bitte daher, daß das hohe Haus den weitergehenden Wunsch der Herren Antragsteller, nämlich den Wunsch, daß wir die Akten vorlegen sollen, nicht zum Beschluß erhebt. Es sind keine Noten gewechselt worden; es ist nichts weiter schriftlich verhandelt worden, als was ich Ihnen hier vorgelesen habe. Es würde ein bedenkliches Präßedenz sein (sehr richtig! rechts), wenn wir jedesmal auf Antrag unsere Schriftstücke vorlegen müßten. (Sehr richtig! rechts) Der Gesandte spricht sich natürlich in Be⸗ richten ganz anders und offener aus, wenn er weiß, daß sie nachher nicht vorgelegt werden müssen. Wenn die Herren im einzelnen noch eine Auskunft haben wollen, so stehe ich ihnen persönlich gern zur Verfügung. Ich bitte nur, nicht zu beschließen, daß wir die Akten vorlegen sollen. (Bravo! rechts.)
Abg. Graf von Moltke (freikons. ): Wie ernst das Motuproprio zu nehmen ist, geht schon daraus hervor, daß es die Uebertreter mit der schärfsten Strafe bedroht, welche der katholischen Kirche überhaupt zur Verfügung steht. Es handelt sich hierbei, wie schon ausgeführt worden ist, nicht um ein Novum, sondern um eine Forderung, die zu allen Zeiten von der Kurie erhoben worden ist. Der Fundamentalgrundsatz ist der: zie kirchliche Gewalt ist erhaben über der weltlichen, und wo ein Konflikt zwischen beiden Gewalten entsteht, ist der Katholik gebunden und gehalten, sich ohne weiteres, ohne Besinnen den Geboten der Kirche zu unterwerfen, auch wenn er damit mit der weltlichen Gewalt in Konflikt gerät. Ein zweiter Grundsatz, der auch durch alle Zeiten hindurch geht, ist der, daß zwischen dem Kleriker und dem Laien eine tiefe Kluft besteht, und daß der letztere in einem Konflikte mit dem ersteren sich an das kirchliche Forum zu wenden hat. Das ist im Prinzip immer wieder von neuem betont worden. Allerdings ist dieses Prinzip als grundsätzliche Forderung nicht immer mit der gleichen Schärfe betont worden. Um so überraschender und irri— kierender mußte es sein, daß jetzt diese alte Forderung aus der Rüstkammer der Kurie hervorgeholt wurde, in keiner anderen Absicht, als sich damit gegen den modernen Staat zu wenden. Es sind nun die heftigsten Rontroversen eutstanden, ob dieses Motuproprio für Deutschland gilt oder nicht. Jedenfalls durfte und konnte die Staats- regierung an dieser Erscheinung nicht vorbeigehen, denn es handelte sich ihr gegenüber um die Aufrechterhaltung der staatlichen Autorität. Wir haben ja die Antwort des Staatssekretärs gehört. Wir glauben, daß nach wie vor der Staat seine Augen offen halten wird und zu seben hat, ob nicht in der Praxis die staatlichen Normen außer acht gelassen werden. Es ist ferner scharf darauf zu achten, daß der verfassungsmãßige
Grundsatz der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz durchaus ge— wahit bleibe. Es ist zu befürchten, daß von alfred . 28 Laien, wenn nicht eboten, so doch geraten wird, die weltlichen Gerichte, wenn es sich um Streitigkeiten zwischen Laken und Klerikern handelt, zu umgehen. Wir können unmö lich neben dem weltlichen geistliche Jerich ẽhõfe anerkennen; das 14 mit der Verfassung in Widerspruch. Das Recht des Staates muß unbedingt und i! aller Schärfe auf⸗ recht erhalten werden. Es ist, wie 6 neulich mein politischer Freund von Nardorff ausgeführt hat, eine tief traurige Erscheinung, daß solche Kundgebungen sich immer wieder wiederholen und den konfessionellen Frieden stören. Das kann auch den deutschen Katholiken nicht erwünscht sein. Ob es dem kirchlichen Interesse entspricht, will ich nicht ent⸗ scheiden, dem staatlichen Interesse entspricht es sicherlich nicht. Es wird erforderlich sein, die staatliche Autorität in vollem Umfange allen diesen Versuchen gegenüber zu wahren. Ganz besonders aber 2 . . ee , . gegen err, Angriffe zu zahren. as wird besonders di gab ni
. 3 ie Aufgabe der Königlichen Staats—
g. von Pappenheim (kons. Wir haben all
Ausnahme hier im Haufe nach meiner Ansicht i ,,. dieses Antrages dankbar zu sein. Ich möchte aber meinen Dank auch ausdehnen auf die Art, wie der Antrag hier begründet ist. Die Ausführungen des Abg. Dr. von Campe waren getragen don wirklich echtem protestantischen Bewußtsein gegenüber der Bedeutung einer Frage, die uns alle tief bewegt hai, und wir danken es ihm daß er seine sachlichen Ausführungen in einer form vor- getiagen hat, die nach kelner Seite irgendwie verletzend wirken konnte. Diese Art der Begründung überhebt mich längerer Ausführungen. Ich kann aber einige allgemeine Betrachtungen nicht unter- drücken. Wiederum haben weltfremde Männer, eine weltfremde Um⸗ gebung, den Papst nicht davon abhalten können, in einem Motu— proprio Eiklärungen abzugeben, die geeignet waren, Zweifel über das hinaus, was er selbst gewollt hat, und Beunruhigung in der Welt. hervorzurufen. Meiner feften lÜeberzeugung 2. ist die Absicht des Papstes nicht dahin gegangen, berletzend und beunruhigend zu wirken. Aer die Fassung und Redaftign dieses Motuproprio gab allert ings berechtigte Veranlassung zur Beunruhigung; an dieser Tatsache können wir nicht vorübergehen. Wenn heute noch seitens der Kurie sei es, wer es ei, ein Privilegium fori beansprucht wird für die Diener ihrer Kirche, wenn sie diese Rechtsauffassung als eine Grundlage ihrer kirchlichen Anschauungen hinstelst, so müssen wir das als unvereinbar mit der heutigen Auffassung der Staatsrechte erklären, und an dieser Tatsache können wir auch nicht vorübergehen wenn dieses Eri vilegium fori auf den allerkleinsten Teil beschrãnkt wird. Das Motuproprio steht in Widerspruch mit der modernen Gesetzgebung, mit der modernen Auffassung der Staatsrechte, und wir können deshalb trotz der Beschränkung, die jetzt die Kurie dem Motuproprio gibt, auch trotz einer Zurücknahme des Motuproprio die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß ein solches Motuproprio noch existiert. Es ist nicht aus der Wen zu schaffen, daß, wenn die Kurie für ihre Gläubigen es für elne schwere, todes würdige Sünde an irgendeiner Stelle des, Weltteils erklärt, wenn dagegen perstoßen wird, dies auch für die anderen Teile Bedeutung hat. Wir bedauern die Demonstration der Kurie, denn wir wollen den konfessionellen Frieden aufrecht erhalten, und wir müssen be⸗ fürchten, daß durch solche immer wiederkehrende Kundgebungen der kirchliche Friede bei uns gefährdet wird. Es ist nicht nur unsere Aufgabe, die wir Vertreter der evangelischen Kirche sind, in dieser Beziehung eine ernste Mahnung auszusprechen, fondern in erster Linie gilt auch den Herren diese Mahnung, die immer sagen, sie seien bereit, den konfessionellen Frieden aufrecht zu erhalten. Es ist ganz gewiß nicht nur die Aufgabe des Staats, darüber zu wachen, es ist die Aufgabe des deutschen Episkopats, darüber zu wachen, es ist. die Aufgabe jedes Christen in Deutschland, der den ernsten Willen hat, den konfessionellen Frieden aufrecht zu erhalten, darüber zu wachen, daß solche Störungen des Friedens bermieden und für die Zukunft verhindert werden. Es wird in der Hauptsache die Aufgabe der deutschen Gesandtschaft beim päpstlichen Stuhl sein, diese Aufgabe immer zielbewußt im Auge zu behalten. Wir müssen unsere Mahnung auch an die Staatsregierung richten. Hoffen wir, daß die ruhige, sachliche Beratung, wie bisher, auch weiter diesem Antrage gerecht wird, dann wird er am besten das erreichen, was er erreichen will. Nach den Erklärungen des Staats sekretãrs erkennt auch die Staatsregierung an, daß es ihre Pflicht ist, mit aller Sorgfalt zu versuchen, solche Erscheinungen, die den konfessionellen Frieden stören, hintanzuhalten. Der Staatsfekretär hat auch die Schritte mitgeteilt, die zu diesem Zwecke getan sind. Ich glaube, daß weitere Mitteilungen einen praktischen Wert für uns kaum haben werden. Ich bin sehr dorsichtig in dieser Ausdrucks welse, damit ein Antrag. den ich jetzt mitzuteilen habe, nicht falsch verstanden wird. Mein Antrag geht dahin, das Abgeordnetenhaus wolle beschließen, mit Rücksicht auf die Erklärung des Staatsfekretärs des us wärtigen Amts über den Antrag von Campe zur Ta esordnung über⸗ zugehen. Ich bin vorsichtig, damit nicht etwa die an n Platz greift, als ob mein Antrag eine Abschwächung des Antrages Tampe und seiner Freunde sein soll. Ich halte den Antrag für durchaus berechtigt, und es wird auch nicht der geringste Zweifel fein, ob wir ihm zustimmen können, wenn nicht nach der Rede des Staatssekretärs es klar wäre, daß die Mitteilung von Schriftstücken kaum noch einen praktischen Erfolg für die Lösung dieser Frage hat. Wir wollen nur dem augenblicklichen, durch Hie Ausführungen des Staatssekretärs geschaffenen Zustande gerecht werden. Wir wollen nach wie vor bei dieser Gelegenheit alles bekämpfen und allem ent- gegentreten, was geeignet ist, eine Beunrubigung in dem Verbältnisse zu schaffen. das zwischen unseren katbolischen Mitbürgern und uns besteht. Wir wollen und müssen den Frieden aufrecht erhalten, und alles, was wir tun, werden wir nach dieser Richtung prüfen, und wir werden damit am besten den Pflichten gegen unsere evangelische Kirche gerecht. ĩ
. Abg; Dr. Pr sch (Zentr.): In dem Antrage von Pappenheim liegt nicht eine Billigung des Antrages der Natlonalliberafen. Ich möchte die Aufmerksamkeit nicht von dem eigentlichen Gegenstand ab⸗ lenken und widerspreche daher einer ganzen Reihe von Ausführungen nicht; wenn ich darüber schweige, so darf das also nicht als Zu⸗ stimmung aufgefaßt werden. Die Rechtslage wird in wesentlichen Punkten volllommen verkannt. Graf Moltke bat nach diefer Richtung manches Gute gefagt, und ich bin ibm dankbar für sein⸗ ruhige Art. Eine gleiche Anerkennung kann ich aber dem Abg. von Campe nicht zuteil werden lassen. Wir find jetzt nicht bei dem Etat des Auswärtigen Amtes, sondern mitten! im schönsten Kulturkampf. (Abg. Hoffmann (Soj.): Das ist Ihr Vergnügen) Nein, Abg. Hoffmann, wenn Sie glauben, daß uns das ein besonderes Vergnügen macht, so irren Sie sich es ist, mir nichts widerwärtiger, als wenn ich für meinen angegriffenen Glauben auf dieser Tribüne streiten muß. Aber es ift unsere Pflicht, gegen solche Angriffe auf unseren Glauben aufzutreten und wir werden es immer tun. (Zwischenruf inks.) Ja, unseren Glauben. (Lebhafte Zwischenrufe links; Ich kann Ynicht alle Zwischenrufe mit einem Male beantworten. Der Abg. von Campe mag von den besten Absichten für den konfessionellen Frieden bescelt gewesen sein, aber ebiektiv haben seine Ausführungen dem Frieden nicht gedient, sie haben in den Kreisen meiner Freunde außerordentlich verstimmt. Der Abg. von Campe mag sich redliche Mäbe gegeben haben, die Sache zu studieren, aber es wäre ung viel lieber wenn er sie gar nicht studierte, und wenn er sich nicht be⸗ rufen fühlte, uns Verlesungen darüber zu halten, wie wir uns gegen unsere kirchlichen Oberen zu verhalten haben. Wenn der Abg. von Campe von der Biegsamkeit und Schmiegsamkeit der Kurie spricht, die immer noch eine Hintertür finde, so kann uns das nur unangenehm berübren, und ich weise es mit Entschiedenbeit zurück. Diese Ausführungen mögen in Versammlungen des ebangelischen Bundes angemessen sein, aber nicht in diesem Dause. Wenn wir uns Mühe geben wollten, evangelische Dinge zu studieren, wozu wir vollständig berechtigt wären, und wenn wir z. B. fragen
wollten, wie weit die weitere Entwicklung des Jathoismus für