1912 / 53 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Feb 1912 18:00:01 GMT) scan diff

„Einwirkung der Reformation auf Coblenz im 16. Jahr⸗ hundert“ in den Monatsheften zur Rheinischen Kirchengeschichte. Jahrgang 5.

„Das Strafverfahren wider Joh. Lutter von Cobern wegen m,, 1536“ in dem Werke: „Rechtspflege im alten Coblenz“.

Richter: „Die ältesten Coblenzer Schöffensiegel“ in dem Werke: „Rechtspflege im alten Coblenz“.

Rosenfeld: „Frankenberg im Mittelalter“. Frankenberg.

Salzer: „Stahl und Rotenhan. Briefe des ersten an den zweiten“ in der Historischen Vierteljahrsschrift.

„Ein Brief Leos an Stahl“ in der Konservativen Monats⸗ chrift.

: e chottmüller: „Adam Wiebe, ein Danziger Ingenieur im 17. Jahrhundert“ in den Mitteilungen des Westpreußischen Geschichtsvereins. Jahrgang 10.

„Aus der neuen Literatur über Napoleon L. und die Polen“ in den Historischen Monatsblättern für Posen. Jahr⸗ gang 12.

Schu bert: „Haus Eller bei Düsseldorf. Geschichte eines niederrheinischen Edelsitzes“. Düsseldorf. .

Schultze: „Eine Urkundenfälschung im Martinsstift zu Kassel“ in der Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Banb 45.

Stephan: „Die Straßennamen Danzigs“ in den Quellen und den Darstellungen zur Geschichte Westpreußens. Heft 7.

Wachter und Brug mans: „Briefwechsel des Ubbo Emmius“, Band J. Aurich.

Warschauer: „Heinrich Heine in Posen“. Posen.

„Das Hexenkind. Eine Erzählung aus alten Akten der Stadt Gnesen“ in der Zeitschrift „Aus dem Posener Lande“ 1911.

„Führer durch Posen“. 6. Auflage. Posen.

„Das Posener Rathaus“ im Deutschen Ostmarkenkalender. 1911.

Wolff: „Berliner geschriebene Zeitungen aus dem Jahre 1740. Der Regierungsanfang Friedrichs des Großen“ in den Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins. Heft 44. Berlin.

„Der Ursprung des Honsteiner Grafengeschlechts“ in der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde. Band 44.

Wutke: „Stamm⸗ und Uebersichtstafeln der schlesischen Fürsten nebst Anmerkungen“ (2. Hälfte). Breslau.

„Studien zur älteren schlesischen Geschichte“ in der Zeit— schrift für Geschichte Schlesiens. Band 45.

Außerdem haben Archivbeamte ebenso wie in früheren Jahren kleine Mitteilungen und Rezensionen in verschiedenen historischen Zeitschriften veröffentlicht, auch die Redaktionen solcher Zeitschriften geführt.

Deutscher Reichstag. 14. Sitzung vom 2. Februar 1912, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Nach Erledigung der drei ersten Punkte der Tagesordnung, worüber in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, wird die erste Beratung der Entwürfe eines Reichs⸗ und Staatsangehörigkeitsgesetzes, eines Gesetzes zur Ab⸗ änderung des Reichsmilitärgesetzes sowie des Gesetzes, betreffend Aenderung der Wehrpflicht, vom 11. Fe— bruar 1888 fortgesetzt.

Abg. von Liebert (Rp.): Wir stehen in der Reihe der euro⸗ päischen Kulturstaaten hinsichtlich der Verbreitung der Sprachen an zweiter Stelle; 109 Millionen sprechen Deutsch, uns vorauf sind bloß die Angelsachsen. Auch die Literatur liefert den Beweis für die weite Verbreitung der deutschen Sprache. Der Versuch von 1870, die so bedeutsame Frage der Staatsangehörigkeit zu regeln, war nur schüchtern und platonisch, denn der Norddeutsche Bund war noch nicht im Be— sitze der Machtmittel, die das große Deutsche Reich heute besitzt. Es ist daher nicht verwunderlich, daß bald der allgemeine Ruf er⸗ scholl: das Gesetz von 1870 genügt uns nicht! Eine besondere Schwierigkeit bot die Regelung der deutschen Militärpflichtigen im Auslande; es ist nichts übrig geblieben, als das Reichsmilitär⸗ und das Wehrpflichtgesetz zu ändern. Wir müssen anerkennen, daß gute Arbeit gemacht worden ist, vor allem vom nationalen Stand— punkte. Auf die geäußerten Bedenken in juristischer Beziehung wird in der Kommission näher einzugehen sein, so insbesondere auf die Frage der mehrfachen Staatsangehörigkeit. Was in dem Entwurf neu ist, ist ganz überwiegend auch gut. Wenn der Abg. Liebknecht beanstandet, daß die anderen Staaten beim Er⸗ werb einer Staatsangehörigkeit durch einen Ausländer mitzusprechen haben sollen oder mindestens gehört werden müssen, so kann ich diese Meinung nicht teilen, denn es ist für ganz Deutschland, nicht bloß für den betreffenden Staat von Wichtigkeit, zu wissen, wer die Reichsangehörigkeit nachgesucht hat, und wem sie verliehen werden soll. Die nationalen Verbände fordern, daß auch die Söhne der Aus—⸗ wanderer, die schuldlos ihre Staatsangehörigkeit verloren haben, ein Recht auf Wiederaufnahme haben sollen. Ein Recht auf Reichs— angehörigkeit ohne Staatsangebörigkeit wird auch in der Vorlage neu

atuiert, leider nur für die Schutzgebiete; es fragt sich, ob hier nicht eine Verallgemeinerung durchführbar ist. Weiter fragt sich, ob nicht der alte Bancroftvertrag mit Amerika zur Kündigung reif ist. Die Abänderung der Militärgesetze huldigt dem schönen Grundsatzz Ohne Wehrgemeinschatt keine Volksgemeinschaft“; das ist echt deutsch. Die Reichsdeutschen im Auslande sollen mit dem Vaterlande in Verbindung bleiben und die Wehrpflicht erfüllen. Zumal die Söhne der Auswanderer sollen auf diese Weise in die Lage kommen, im Vaterlande vaterländischen Geist zu atmen; daneben wird der Militärdienst auch gestattet auf den Schiffen der Kaiserlichen

Marine und in den Schutztruppen. Die Zugeständnisse, die den aus—

lande, der nicht bis zum 31. Jahre seiner Wehipflicht genügt hat, die Staatsangehörigkeit verlieren soll, ist vollberechtigt und wird kaum Widerspruch finden. Es ist der Vorschlag gemacht worden, den Auslandsdeutschen die Sache durch Einführung einer Wehrsteuer zu erleichtern. Ich bin sonst mit für diese Wehrsteuer eingetreten, aber für diesen Fall würde dies doch nicht - am Plaze sein. Es könnten sich dann viele der Wehrpflicht durch eine kleine Steuer entziehen, indem sie nach einem benachbarten Auslandsstaate gehen. Die Aufhebung der Losung bei den Militärpflichtigen halte ich für durchaus richtig; die hier aufgestellten Kriterien für die Art der Ein⸗ stellung bieten jede Garantie für die richtige Einstellung in den Militärdienst; namentlich das Moment der Diensttauglichkeit ist sehr richtig. Alles in allem liegt in beiden Gesetzen gute nationale Arbeit vor. Wir hoffen dadurch die Auslandsdeutschen inniger an Groß— deutschland zu fesseln. ; ÄAbg Herzog (wirtsch. Vgg.): Ich kann mich darauf be⸗ schränken, unsere Stellung zu dem Entwurf klarzustellen. Es ist eigentlich kein Bravourstück der Regierung, daß sie mit dieser so lange herbeigesehnten Vorlage jetzt endlich hervorgetreten ist. Aber besser spät als gar nicht. Die bestehenden Vorschriften genügten lange nicht. Unsere Stellung zu der Vorlage ist niedergelegt in unserem Antrage

Graef Weimar 1909. Wir sind damlt einverstanden, daß staatsbürger⸗ liche Rechte nur zusammenhängen können mit staatsbürgerlichen HMichten und dazu gehört vor allem die Erfüllung der Wehipflicht.

ir begrüßen es, daß der Verlust der Reichsangehörigkeit erschwert und die Wiedererlangung erleichtert wird. Viele völkische Elemente sind uns früher durch die bestehende Gesetzgebung verloren ge⸗ gangen. Vor allem handelt es sich um die Erhaltung und Stärkung des Deutschtums. Die geographische Lage Deutschlands mahnt zur Vorsicht gegen die Aufnahme von Ausländern, namentlich aus dem Osten. Sit un haben mir versichert, daß der Zuwachs gewisser jüdischer Elemente aus dem Osten gar nicht als etwas Erfreuliches anzusehen ist. Außerdem wird mir von Gastwirten mit⸗ geteilt, daß Ausländer in Berlin sehr leicht die Konzession zum Ausschank erhalten. Von den Arbeitern betrachten namentlich die Gewerkschaften die ausländischen Arbeiter als Lohndrücker, als Kon⸗ kurrenten, die die Lebenshaltung der Deutschen verschlechtern helfen. Es müßte an eine generelle gesetzliche Regelung des Fremdenrechts ge⸗ gangen werden. Der Schutz der Reichsangehörigen im Auslande muß bon den Behörden so geübt werden, daß die Ausländer sich bestreben, den deutschen Schutz nachzusuchen. Hoffentlich wird das Gesetz ver⸗ hindern, daß wertvolle deutsche Elemente dem Deutschen Reich ver⸗ loren gehen, und daß die deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeit ge⸗ wissermaßen ein Asyl für Elemente, die dem Deutschen Reich nicht zur Ehre und zum Segen gereichen, wird.

Abg. Sanssen (Däne): Die Vorlage bedeutet zweifellos einen wesentlichen Fortschritt, trotzdem sie noch verschiedene Mängel auf⸗ weist. Bei der Besprechung des 5] ist von verschiedenen Seiten die Schaffung eines Reichsverwaltungsgerichts angeregt worden. Mit einem solchen Gerichte könnte vielleicht auch die Instanz geschaffen werden, die die Staatsangehörigkeit einer Person in einer für alle Zukunft entscheidenden und bindenden Weise festsetzt. Die Einrichtung einer solchen Instanz erscheint mir dringend geboten im Hinblick auf die ungerechte Behandlung der Staatslosen in Nordschleswig. Besonders charakteristisch ist in dieser Beziehung die Behandlung eines früheren Schiffsführers in Apenrade, der Ende der 60 er Jahre Schiffbruch erlitt und mit seinen gesamten Schiffspapieren auch seinen Staatsangehörigkeitsauswels verlor. Als er vor 20 Jahren nach seiner Vaterstadk zurückkehrte, wurde er zunächst als Preuße angesehen, später aber im Jahre 1902 ausgewiesen. Als er wieder zurück— kehrte, wurde er angeklagt und dann mit der Begründung frei⸗ gesprochen, daß er Inländer sei und deshalb nicht ausgewiesen werden konnte. Trotzdem wird er bis zum heutigen Tage als Ausländer be— handelt. Ich stimme dem Abg. Dr. Liebknecht zu, daß diejenigen, die in Deutschland ihrer Militärpflicht genügt haben, auch ein An⸗ recht auf die Reichsangehörigkeit haben sollten. Wenn aber eine ganze Anzahl Veteranen, die den deutsch⸗französischen Krieg mitgemacht haben, und deren Söhne später auch im deutschen Heere gedient haben, aus dem deutschen Reichsverbande ausgewiesen worden sind, so fehlt mir dafür der parlamentarlsche Ausdruck. Verträge über die Aufnahme der Ausländer müßten als Gegenseitigkeitsvertraͤge abgeschlossen werden. Deutschland nimmt hierin mit Oesterreich und Rußland nach dem vor⸗ liegenden Gesetzentwurf eine Ausnahmestellung ein. In allen zivilisierten und, man kann wohl hinzufügen, halbzivilisierten Stagten erwirbt das Kind durch Geburt innerhalb des Staatsgebiets die Staatsangehörig⸗ keit oder wenigstens gewisse Rechte auf ihre spätere Erwerbung. Als in den 60 er und 70er Jahren in Nordschleswig infolge starker Auswanderung ein empfindlicher Mangel an Arbeitskräften herrschte, wurden zahlreiche ausländische Arbeiter, meistens Dänen und Schweden ins Land gezogen. Die Nachkommen dieser Leute sind zum größten Teil staatslos, sodaß sich die Zahl der Staatslosen in Nordschleswig auf eiwa 2000 beläuft. Sobald nun ein solcher Staatsloser sich ver⸗ heiratet und mit seiner Ehefrau eine eigene Wohnung bezieht, wird er ausgewiesen und, wenn er der Ausweisung nicht Folge leistet, mit schweren Geld- oder Haftstrafen belegt. Die Folge dieser wunder⸗ baren Staatsraison ist, daß die so staatslos Gemachten die wilde Ehe der legitimen vorziehen. Deutsche Frauen, die in wilder Ehe leben, können nämlich nicht ausgewiesen werden, und uneheliche Kinder er— halten die Staatsangehörigkeit der Mütter. Das sind doch ganz unhaltbare, ungeheuerliche, unerhörte Zustände. Die Rechte der Nach= kommen inländischer Frauen müssen erweitert werden. Soffentlich gelingt es in der Kommission, dieses Ziel zu erreichen. .

Abg. Landsberg (Soz.): Die bisherige Bestimmung, daß die Staatsangehörigkeit nach 10jährigem Aufenthalt im Auslande ver— loren wurde, ist zutreffend in der Diskussion ein großer Irrtum ge⸗ nannt worden, und es ist nur zu verwundern, daß es 42 Jahre ge⸗ dauert hat, bis man sich zur Abschaffung entschlossen hat. Es ist aber eine starke Üebertreibung, wenn man davon spricht, daß dadurch Millionen von Deutschen dem Vaterlande entzogen worden sind. An der Ent nationalisierung von Millionen Deutscher ist diese gesetzliche Be⸗ stimmung ganz unschuldig, dafür sind ganz andere Umstände maß gebend gewesen. In Böhmen ist es eine geradezu gesetzmäßige Er scheinung, je deutscher der Name eines Tschechen ist, um so deutsch feindlicher ist seine Gesinnung. Das allerbeste Mittel, der deutschen Nation Kräfte zu erhalten, ist, zur Auswanderung keinen Anlaß zu geben, innere Kolonisation zu treiben und freiheitliche innere Einrichtungen zu treffen. Erforderlich ist, daß, wer in Deutschland seiner Wehrpflicht genügt hat, damit ipso iure die deutsche Reichsangehörigkeit erwirbt. Wenn auf die Entziehung von der Wehrpflicht der Verlust der Staatsangehörigkeit als Strafe gesetzt werden soll, so wäre auch zu erwägen, ob nicht auch die viel schlimmeren Fälle der Selbstverstümm⸗ lung zu demselben Zwecke und die noch schlimmeren des Landesverrats mit dieser Strafe zu belegen wären. Aber davon abgesehen, ist die neue Konstruktion des Entwurfs in dieser Hinsicht zu weitgehend, denn sie trifft auch den Krüppel, der nie Soldat zu werden braucht, für den in seinem Falle rein formellen Verstoß, daß er sich nicht gestellt hat, mit der Strafe des Verlustes der Staatsangehörigkeit. Da stehen Vergehen und Strafe doch in schreiendem Mißyerhältnis; der Verlust des Staatsbürgerrechts darf nur an die schweren Fälle der Verletzung der Wehrpflicht geknüpft werden, und dafür ist eine Verwaltungsbehörde, ein Reichs⸗ verwaltungsgericht einzusetzen, das mit endgültiger Entscheidungs— befugnis ausgerüstet sein muß. Warum räumt man ferner nicht mit dem üblen Zustand auf, daß die Geschlechtsnachfolge für die Erwerhung oder den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Heiraten maßgebend ist? Wir verlangen ferner, daß bei Uebersiedlung eines Staats— angehörigen in einen anderen Bundesstaat der Erwerb der Staats- angehörigkeit in diesem Bundesstagt von selbst eintritt, ohne daß es erst eines Antrags bedarf. Dieser Wunsch ist schon 1870 von Bockum-Dolffs durch einen Antrag vertreten worden, und der Abg. Karl Braun hatte seinerseits beantragt, diese Frage sofort bei der Anmeldung des Zuzugs auf dem Meldezettel zur Erledigung zu bringen. Wir werden in der Kommission diesem Wunsche entsprechende Anträge stellen. Unter gewissen Bedingungen sollte jeder Ausländer die Relchsangehörigkeit erwerben dürfen. Selbstverständlich wird niemand dem Deutschen Reiche und einem Bundesstaate zumuten, Krethi und Plethi zu naturalisieren. Wenn wir aber die Gelegenheit haben, füchtige und vollständig einwandfreie Ausländer zu gewinnen, sollen wir damit so lange warten, bis ein anderer Staat dazu übergeht, dem Deutschen Reich wertvolle Kräfte zu entziehen? Vie deutschen Gewerkschaften wehren sich nur gegen den Import solcher Arbeiter, die zu Arbeitssklaven gemacht werden sollen, nicht gegen freie Arbeiter. Bei uns ist man von einem außerordentlichen Heer nnen gegen die Aufnahme von Ausländern erfüllt, das nicht berechtigt ist. Man schießt in dem Entwurf wirklich mit Kanonen nach Spatzen, wenn man bestimmt, daß die anderen Staaten über die Aufnahme eines Ausländers gefragt werden sollen. Was rechtfertigt eine solche Maßregel? Mißnände haben sich doch auf diesem Gebiete nicht gezeigt, darum heißt es auch hier; Guigta n9n moneré. Man will hier ganz ungenlert einen kühnen Eingriff, in die Verhältnisse der Einzelstaaten machen, um die preußische Praxisz für ganz Deutschland einzuführen. Wir kennen diese Praxis zur Genüge. Wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was der Kollege Hanssen angeführt hak, so haben wir keine Veranlassung, die Verhältnisse in der Nordmark, die wahrhaft beschämend für die

preußis Verwaltung sind, bestehen zu lassen. Preußen ist mit der Handvoll Dänen bis heute nicht fertig geworden und sieht sich genötigt, zu solchen barbarischen Maßnahmen zu grelfen! Es ist ein ungerechter und unbilliger Zustand, daß der Sohn einez Deutschamerikaners, der nach 15 Jahren nach Deutschland zurück, kehrt, ausgewiesen werden darf. Zugunsten derjenigen Leute, die infolge der ehemaligen Kleinstaaterei ihr Staatsbürgerrecht verloren haben, oder Ausländer geworden sind, wird eine Klausel in das Gesetz aufzunehmen sein. Der Kollege Liebknecht bat schon den Fall aus Wilhelmsburg in Hannover angeführt. Wir haben in Deutschland eine ganze Anzahl kerndeutscher Personen, die Dänen oder andere Ausländer geblieben sind; diesen muß die Staatsangehörigkeit erleichtert werden. .

Abg. von Richthofen (nl.): Die Klagen über das big— herige Gesetz stammen keineswegs aus dem Inlande, sondern aus dem Auslande. Man beschwert sich darüber, daß schon die Außeracht— lassung einer reinen Formalität wie der Nichteintragung in die Konsulatsmatrikel den Verlust der Reichsangehörigkeit zur Folge hat. Wir haben ganz zweifellos ein starkes Interesse, die Deutschen im Auslande als Reichsangehörige festzuhalten. Dies gilt nament— lich von den deutschen Kaufleuten; das deutsche Ansehen im Aus— lande kann dadurch nur gewinnen. Wir begrüßen es, daß das Gesetz vorsieht, daß Deutsche auf Antrag die sremde Staats angehörigkeit behalten dürfen. Das kann unter Umständen nament— lich für unsere Kaufleute von Vorteil sein. Ich denke nament 1 an solche Deutsche, die die Londoner Börse besuchen. Wenn solche Deutsche die englische Staatsangehörigkeit nicht besitzen, so ist für sie die Konkurrenz mit denjenigen, die sie erworben haben, nicht leicht. An dem bewährten Zustande, daß die Frau die Staats angehörigkeit des Mannes erhält, mit dem sie die Ehe eingeht, während sie ihre eigene Staatsangehörigkeit verliert, glauben wir festhalten zu sollen. Es würde im Auslande zu den schwierigsten Verhältnissen führen, wenn z. B. die deutsche Vertretung eintreten müßte für den Mann, der Deutscher ist, und die französische Ver— tretung für die Frau, weil sie Französin geblieben ist. Auf diesem Standpunkt stehen auch fast alle übrigen Staaten. Wir sind im Prinzip ganz damit einverstanden, daß ein Deutscher, der im Aus— lande lebt und seiner Heerespflicht nicht nachkommt, nach einem gewissen Zeitraum der Reichsangehörigkeit verlustig geht. Es handelt sich hier nicht um eine Strafe, aber daß das Deutsche Reich für Personen eintritt, die meistens das Deutsche Reich noch niemals betreten haben und sich so wenig um ihre Reichsangehörigkeit kümmern, daß sie nicht einmal ihre militärischen Verhältnisse in Ordnung bringen, ist doch wohl nicht berechtigt. Ich halte es sodann nicht für ausreichend, daß Deutschen, die ihrer Militarpflicht genügt haben, nur dann Erleichterungen gewährt werden, wenn sie sich in außereuropäischen Ländern befinden. Wir haben genau dasselbe Inter esse daran, den deutschen Kaufmannsstand in den Ländern Europas zu stärken wie außerhalb Europas. Der Verlust der Reichsangehörigkeit durch Nichterfüllung der Militärpflicht ist eine harte Strafe. Oft haben solche Personen nicht das erforderliche Vermögen, um in die Heimat zu kommen, und die 10000 „S, die dafür ausgeworfen sind, die Reisekosten zu bestreiten, sind vollkommen unzureichend, Auch Deutschen, die im Auslande eine unseren Schulen mit dem“ Reifezeugnis für den Einjährigendienst äquivalente Schule besucht haben, sollte die Erwerbung dieses Reifezeugnisses erleichtert werden. Um die Rückwanderung von Deutschen in ihre Heimat zu heben, sollte man solchen Deutschen, die die Bedingung des § 7 erfüllen, ohne weiteres die Reichsangehörigkeit geben. Es gibt viele Deutsche, die nach Amerika gegangen sind, dort ein Vermögen erworben haben und dann zurückkehren, um hier ihr Geld zu ver— zehren. Weiter halten wir eine einheitliche Regelung der Kosten des Wiedererwerbs der Staatsangehörigkeit für wünschenswert; in den einzelnen Bundesstaaten sind die Bestimmungen hierüber ganz verschieden. Ausländern, die hier in Deutschland wohnen und bis zum 21. Jahre mit kurzen Unter brechungen hier gelebt haben, die in Wirklichkeit vollständig Deutsche geworden sind, auch wenn sie ausländische Eltern gehabt haben, könnte wohl die Reichsangehörigkeit gegeben werden. Die Behandlung der Ausländer im Inlande ist im großen und ganzen immer eine Frage des Taktes gewesen, und wir können ja bei den einzelnen Organen der Poltzei nicht gerade über ein außergewöhnlichtes Maß von taktvollem Benehmen klagen, aber trotzdem kann nicht die Rede davon sein, daß wir ein starkes Interesse daran haben, Fremden die Staatsangehörigkeit zu geben. Ich hoffe, daß der preußische Minister des Innern uns hier noch einige weitere Aufklärungen über die Fälle, die der Abg. Hanssen angeführt hat, geben wird. Es ist recht, daß an den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch einen Aus länder zum mindesten die Bedingung der Zustimmung der anderen Bundes staaten geknüpft ist. So weit wie der Entwurf möchte ich allerdings nicht gehen, ich halte eine stillschweigende Zustimmung für ausreichend, die vielleicht an eine Frist gebunden sein könnte, in der die Bundesstaaten sich zu äußern haben. Auch etwas detailliertere Bestimmungen über die Gründe der Ablehnung wären notwendig Konfessionelle Momente müßten bei der Entscheidung der Bunder staaten unbedingt ausgeschlossen sein. Einen kleinen Vorwurf kann ich dem Gesetze nicht ersparen, daß nämlich durch das Ganze ein leiser, aber doch merklicher partikularistischer Zug geht. Dahin ge hört insbesondere die Bestimmung über den Verlust der Staatk angehörigkeit in einem Bundesstaate, wenn man die Staatsangehörig keik in einem anderen Bundesstaate erwirbt. Wir halten diese Be stimmung nicht für notwendig. Als einen Schönheitsfehler möchte ich die Bessimmung bezeichnen, daß, wenn irgendwo im Auslande Berufs konsuln nicht vorhanden sind, dann an ihre Stelle bei der Bescheinigung über die Militärtauglichkeit die Gesandtschaften des Reichs und gebenenfalls auch die Gesandtschaften der Bundesstaaten zu treten haben. Es stärkt im Auslande ganz gewiß nicht die Empfindung daß wir ein ganz einiges Deutsches Reich haben, wenn der Ausländer sieht, daß neben der Reichsvertretung auch noch Vertretungen der einzelnen Bundesstaaten im Auslande bestehen, und daß dieser Zu stand durch dieses Gesetz nun weiterhin noch verewigt werden soll, halten wir für überflüssig. Wir sehen in dem Entwurf ein nütz— liches Werkzeug, das eine Vermehrung des gesamten deutschen An sehens im Auslande herbeiführen und die Zusammengehörigkeit der Deutschen untereinander wie auch ihre Verbindung mit dem Heimat lande stärken wird. l

Abg. Seyda (Pole): Wir stehen dem Entwurf nicht un sympathisch gegenüber, halten ihn aber mindestens für sehr ver besserungsbedürftig; wir stimmen der Vorberatung in einer Kom mission zu.

Damit schließt die erste Beratung; die Vorlage geht an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Es folgt die erste Beratung des Entwurfs eines Schut truppengesetzes.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf:

Meine Herren! Der Entwurf zum Schutztrup pengesetz, der dem hohen Hause heute vorgelegt wird, bietet kein neues Recht; er konsolidiert und verbessert nur und faßt altes Recht zusammen— unter Weglassung aller derjenigen Bestimmungen, die mit Rücksicht auf die inzwischen veränderten Verhältnisse in den Schutz gebieten obsolet geworden sind. Außerdem schafft er die rechtliche Basis fir Zustände in den deutschen Schutztruppen, die durch Uebung bereit bestehen.

Grundlegend für die Erwägung, diesen Entwurf dem hoben Hause vorzulegen, sind die Verhältnisse des Schutzgebiete Südwestafrika. In diesem Gebiete, in dem die größte Anjabl von weißen Ansiedlern lebt, in dem allein eine Schutztruppe bon deutschen Soldaten besteht, hat sich herausgestellt, daß auf Grund 9 Hestimmungen der alten Schutztruppengesetze vom Jahre 1896 und

Jahre 1902 die Wehrhaftigkeit nicht genügend gesteigert werden Allerdings kat der Gouverneur die Befugnls, in Zeiten von fänden diejenigen Mannschaften des Beurlaubtenstandes des is und der Marine, die im Schutzgebiet aufhältlich sind, zur särkung der Schutztruppen heranzuziehen. Doch ist dieses vom sirischen Standpunkte keine genügende Maßregel; denn nur wenige ten Mannschaften, die in Südwestafrika zum Beurlaubtenstande fen, gehören den berittenen Waffengattungen an oder dem tlaubtenstande der Schutztruppen selbst; die meisten sind stuppen, und die können im dortigen Gelände nicht ohne haes benutzt werden, jedenfalls nicht zur Verstärkung der regulären ven. Es hat sich also herausgestellt, daß für die Bedürfnisse des zgebiets Südwestafrika es durchaus notwendig war, zur Wehr— sekeit der Schutztruppen in ernsten Zeiten der Gefahren einen sen eigenen südwestafrikanischen Beurlaubtenstand affen. Das ist das wesentlichste Merkmal des neuen Entwurfs, der m vorgelegt wird. Alle Mannschaften, die diesem Beurlaubtenstande angehören, sind moepflichtig im Schutzgebiet. Die Einrichtung dieses Beurlaubten— zes hat weitere Konsequenzen: Während die Beurlaubten des s und der Marine, die in den Schutzgebieten wohnhaft sind, min Berlin von den Bezirkskommandos LI bis 1 kontrolliert n, wird nunmehr durch dieses neue Gesetz eine Kontrolle im utzgebiet selbst eingerichtet. Damit man bei dieser Kontrolle die schrsverhältnisse und sonstigen eigentümlichen, von den unsrigen pichenden Verhältnissen des Schutzgebietes in Betracht ziehen ist nicht vom grünen Tisch aus im einzelnen reglementiert den, wie die Kontrollversammlungen im Schutzgebiete stattzufinden kn, sondern es ist dem Kaiserlichen Gouverneur genügender Spiel— mm gelassen, ohne Schematisierung und ohne viele Formvorschriften nigen Kontrollein richtungen zu schaffen, die er militärisch für not— din hält. Er kann Kontrollversammlungen stattfinden lassen und Cinzelheiten der Zusammenberufung nach seinem Ermessen gestalten. Weitere Bestimmungen, die durch den Entwurf für Kamerun und sorika geschaffen werden, beziehen sich in der Hauptsache darauf, daß mmnicht der Zwang zu Kontrollversammlungen geschaffen werden soll, heber immerhin dem Gouverneur eine größere Kontrolle über die in hSchutzgebieten aufhältlichen Militärpersonen geboten werden soll, war in der Form, daß durch Kaiserliche Verordnung, wenn nötig, Meldepflicht eingeführt werden kann.

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S

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Meine Herren, wie das Gesetz, wenn Sie den Entwurf phmen, wirken wird, läßt sich mit Gewißheit noch t übersehen. Es wird sich erst ergeben, wenn einige gänge der eingezogenen Mannschaften des Beurlaubtenstandes nReserven in der Schutztruppe selbst gedient haben. Wir hoffen n, daß wir dadurch der von diesem hohen Hause bei so vielen Ge⸗ mnbeiten gewünschten Ersparnis bei den Verwaltungskosten der hutztruppe näher kommen.

Die Verwendung dieses neuen Beurlaubtenstandes als saveteil der Schutztruppe müssen Sie sich ungefähr folgendermaßen ken: Von den Mannschaften des Beurlaubtenstandes, die draußen n und zur Verwendung kommen können, fallen zunächst alle die— zen aus, die im Schutzgebiet als Farmer angesiedelt sind, da sie Falle eines Aufstandes oder Krieges zum Schutz ihrer Familien ihrer Farmen als unabkömmlich gelten müssen, ferner alle die⸗ shen, die im Dienst der Polizeitruppe angestellt sind. Von den sizen disponiblen Mannschaften des Beurlaubtenstandes werden zu⸗ 6st die Feldkompagnien komplettiert und so viel neue Kompagnien scaffen, wie die Anzahl der Mannschaften des Beurlaubtenstandes fattet. Diejenigen, die wegen ihrer Ausbildung nicht direkt als cidaten der Schutztruppe eingestellt werden können, werden in den sstizten Plätzen, bei den Etappen und zur Bewachung der üinen verwendet. So weit ungefähr die Verwendung der Reserve Schutztruppe.

Et sind dann weitere Bestimmungen getroffen über die Versorgung Angehörigen und noch andere Bestimmungen, über die Sie den Erläuterungen zu dem Gesetzentwurf das Nähere finden. Meine Herren, ich möchte Ihnen diesen Entwurf zur Annahme hgend anempfehlen. Er schematisiert nicht, er ist so frei gestaltet, 5 den Lokalbehörden, insbesondere dem Gouverneur ausreichende ssugni zur praktischen Ausarbeitung der notwendigen Bestimmungen hben wird. Ich glaube, wir können uns nur darüber freuen, daß sere Schutzgebiete schon in den ersten 25 Jahren ihrer Entwicklung weit gediehen sind, daß die Heeresverwaltung auf einen so aus— behnten Beurlaubtenstand in den Kolonien rechnen kann, daß die hierung in der Lage ist, Ihnen diesen Gesetzentwurf vorzulegen. bitte sehr um seine Annahme. (Bravo!) 9

Ab 31

Ubg. Noske (Soz.): Die Vorlage entspricht wiederholt vom äckttag geäußerten Wünschen. Den Forderungen, denen der Reichs Ausdruck gab, entspricht aber die Vorlage durchaus nicht, sie t, wie schwer es den amtlichen Stellen wird, sich von einmal nsewurzelten schablonenhaften Vorstellungen freizumgchen. Der nnrf ermöglicht eine bessere Ausnutzung der Wehikrakt der Schutz sietEbevölkerung; damit können wir uns schon aus Sparsamkeits⸗ kressen einverstanden erklären, aber nicht mit den Einzelheiten des nwurfs. Gegen die Bildung einer Art Landsturm in den drei ghen Kolonien haben wir nichts einzuwenden, auch nicht dagegen, ä gegebenenfalls Verlängerung der Dauer des Dienstes bei der bibtnnppe angeordnet wird. Man sollte aber weder der nnteuerlust, noch der Bereicherungssucht der Landfremden Vorschub fen. Auch muß dem vorgebeugk werden, daß Leute aus Deutsch⸗ „nach einer Kolonie gehen, um dort ihre Reserpeübungen zu clbieren; ganz klar ist der Entwurf in dieser Beziehung nicht. (ir Südwestafrika vorgeschlagenen besonderen Bestimmungen srdigen mich ganz und gar nicht, denn sie enthalten die einfache bertragung des preußischen militaristischen Systems auf dieses wuhgebiet. Wir haben gerade Maßregeln gefordert, die . Fhwgstafrita eine weitere Verringerung des dꝛeichszuschusses m bringen, denn es ist Deutschland gerade teuer genug ge— den. Die ECifenbahnen sind nahezu fertig, und trotzdem soll die higztruppe im Jahre 1912 nur um einige 200 Mann vermindert werden.

ö ßingeborenengefahr ist doch nicht nur in. Südwestafrika, sondern nlen Schutzgebieten vorhanden. In Britisch Betschuangland, das

[ 7 ist wie Südwestafrika, und dessen weiße Bevölkerung 3 it hat man nur ein Budget von 63 000 Astx. gegenüber 36 . Millionen Mark Jahresausgaben für Deutsch Südwestafrika. ö oben für die Schutztruppe sind doch reine Polizeikosten. Die é nuppe soll doch nur die Eingeborenen niederhalten. Diese nel olle eigentlich daz Schutzgebiek selbst aufbringen. Für den wr en Soldaten beziffern fich die Kosten in Südwestafrila auf iy s 6 4, dabei ist die Eingeborenenbevöl kerung nur 81 009 erz ark, dank der schmachvollen Trothaischen Aug ottungẽpolitil e chstens g0 000, dazu faft durchweg unbewaffnete Männer. Nach ö rechtfertigt sich doch eine ganz bedeutende Reduktion der

Schutztruppe, wie sie voriges Jahr ganz besonders dringend gefordert wurde, man sollte also nicht einen solchen , Beurlaubtenstand“, sondern eine Miliz schaffen. Allerdings widerstreben zahlreiche Elemente in der Kolonie einer solchen Verringerung, weil sie dann mit den Truppen weniger Geschäfte machen können, und schon kommen auch aus der Kolonie die übiichen Proteste schon die Verringerung um 200 Mann habe lebhajte Unruhe hervorgerufen, und die Petenten fragen, ob das etwa eine Folge der neuen Wehrordnung sei. Den ganzen preußischen Militarismus in Südwestafrika bodenständig zu machen, wird der Verwaltung auf die Dauer freilich nicht gelingen. Die zweijährige Dienstzeit sieht man doch auch in Deutschland auf vielen Seiten für zu lang an; dennoch soll sie dort eingeführt werden; ebenso wird das Militärstrafrecht mit allen seinen Mängeln ohne jede Rücksicht auf das Verlangen nach Reform dorthin über⸗ tragen werden. Davon, daß der Eigenart der Kolonien Rechnung getragen wird, ist nirgends die Rede. Zweifellos wird aus dem zwei— sährigen Dienst nach preußischer Manier sehr bald Unheil entstehen. Es geht einfach nicht, die preußischen militärischen Einrichtungen so schablonenmäßig dort einzuführen. Von der Abneigung der dortigen Ansiedler gegen Deutschland haben wir ohnehin schon oft Proben erhalten; werden sie jetzt noch dem preußischen Gamaschendrill unter⸗ worfen, so möchte das das beste Mittel sein, Südwestafrika, dem süd⸗ afrikanischen Staatenbunde in die Arme zu treiben. Die Vorlage wird zweckmäßig der Budgetkommission zu überweisen sein.

Abg. Erzberger (Zentr.): Wir sind mit diesem Antrage einverstanden. Der Entwurf ist nicht so harmlos, wie es der Staatssekretär darstellte; hier liegen Fußangeln“ ist die Marke, die er bekommen muß. Seit Jahren hat der Reichstag ein neues Schutztruppengesetz verlangt; eine Reihe von Wünschen des Hauses sind auch berücksichtigt, so die Bildung eines Beurlaubtenstandes und eines Landsturms. Ob es mit dem sozialdemokratischen Parteiprogramm der Miliz in Südwest— afrila gehen wird, muß die Kommission näher prüfen. Dle Dauptsache für uns ist, weniger Reichszuschuß zu bezahlen. Die Vorlage muß in der Kommission wesentlich umgestaltet und ergänzt werden, soll sie nicht für die ganze koloniale Entwicklung große Nachteile nach sich ziehen. Es wird allzu viel der Kaiserlichen Verordnung überlassen. Das mochte 1896 recht sein; heute, nachdem wir soviele Millionen in die Kolonlen gesteckt haben, muß der deutschen Volksvertretung ein ganz anderes Maß von Mitwirkung zugestanden werden. Hier aber wird das Budgetrecht des Reichstags in ganz einseitiger Weise gebunden, indem die Ver⸗ valtung uns das Recht entziehen will, zu bestimmen, wo Schutz⸗ truppen gehalten werden sollen. Würde der Reichstag einmal verlangen, daß geprüft würde, ob nicht in Kamerun die Schutztruppen vermindert, die Polizeitruppen vermehrt werden könnten, so würde der Staats⸗ sekreiär mit dem Gesetz in der Tasche das einfach ablehnen. Jetzt sollen die Schutztruppen in Krieg und Frieden unter dem Befehl des Kaisers stehen. Ueber die Kardinalfrage, wem die Schutztruppe unter⸗ steht, wird mit Stillschweigen hinweggegangen. Auch bei der Organi⸗ sation der Schutztruppe wird die Kompetenz des Kanzlers und des Gouverneurs eingeengt, die der Militärverwaltung

erweitert. Es wird klargestellt werden müssen, daß der einheitlich oberste Verantwortliche für die Schutztruppen der Gouverneur und nicht der Offizier ist. Das ist ja heute

geltendes Recht, und die Vorlage will ja doch nach der Erklärung des Staatssekretärs das geltende Recht zusammenfassen. Warum haben die verbündeten Regierungen das bestehende Recht nicht in das Gesetz selbst aufgenommen? Die Regierung wird sich schwerlich dagegen sträuben können, wenn ein dahingehender Antrag gestellt wird. Schwieriger ist die Frage der Verantwortlichkeit. Wer ist verantwortlich für die Pensionierung der Offiziere? Sachsen, Bayern und Württemberg haben die Gegenzeichnung des Kriegs⸗ ministers, Preußen nicht. Die Frage ist hier brennend, weil es sich dort um ein eigenes Reichsheer handelt. Da muß irgendeine Persönlichkeit im Gesetze genannt werden, die verantwortlich ist für eine solche Maßregel. Die Sache ist insofern von großer praktischer Bedeutung, als die Pensionen für unsere Schutztruppen mit jedem Jahre bedeutend wachsen. Weite Kreise des Volks sind der Meinung, daß man bei der Pensionierung der Angehörigen der Schutztruppe nicht den strengen Maßstab anlegt wie im Inlande. Es ist auffällig, daß so viele junge Leutnants in den Schutzgebieten pensioniert werden. Alles das wird gemacht ohne jede Gegenzeichnung. Wie diese erfolgen kann, das zu bestimmen, wird Aufgabe der Budgetkommission sein. Eine Lösung dieser Frage ist um so dringender, als verschiedene Be⸗ stimmungen des heimischen Strafrechts auf das Schutzgebiet über— tragen werden sollen. Ich kenne Fälle, wo während des Aufstandes in Südwestafrika Leute wegen relativ geringer Vergehen zu sehr harten Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Der Reichstag sollte es sich sehr überlegen, ob so scharfe Strafbestimmungen ohne weiteres auf die Schutzgebiete ausgedehnt werden sollen. Die dortigen Verhältnisse sind doch ganz anders zu beurteilen als die in der Heimat. Hoffentlich erfahren wir in der Kommission Näheres, wie weit das heimische Strafverfahren auf die Kolonien ausgedehnt werden soll. Ich fürchte, daß die Oeffentlichkeit der Verhandlungen in Militärsachen in den Kolonien eingeschränkt werden wird. Alle die Bestimmungen über die Ehrengerichte usw. dort einzuführen, würde uns nur lächerlich machen. Ich will auf alle Kinderkrankheiten in den Kolonien nicht eingehen. Jedenfalls müssen die Verhältnisse in den Kolonien mehr berücksichtigt werden, aber so, daß, soweit es möglich ist, nicht alles der Verwaltung überlassen wird, sondern ge⸗ wisse Grundnormen in das Gesetz aufgenommen werden. Wir be grüßen im übrigen den Entwurf als einen Fortschritt; hoffentlich er⸗ halten wir ein brauchbares Schutztruppengesetz, das der Auf⸗ gabe genügt, unsere Kolonien zu einer rascheren Entwicklung zu bringen.

Abg. Götting (nl): Wir begrüßen den Entwurf mit Freude als einen Versuch, unsere Militärverwaltung auf die Schützgebiete zu übertragen. Ueber die Kostenfrage zur Ausführung dieses Grund⸗ gedankens brauchen wir nicht allzu ängstlich zu sein, haben doch ein⸗ zelne Kolonien ihre Ausgaben selbst bestritten. Für uns ist es eine Ehrenpflicht, den Kolonien das Rückgrat zu geben durch Schaffung einer eigenen Wehrkraft. Südwestafrika ist in der Entwicklung am weitesten vorgeschritten. Man hat noch davon gesprochen, daß die Schutztruppen verringert werden sollen wegen des Ausbaues der Eisenbahnen. Meine politischen Freunde verkennen diesen Einwurf nicht, aber es kann doch nur in der Zukunft von einer Verringerung die Rede sein. Wir müssen doch das Vertrauen zu der Militärver⸗ waltung haben, daß die Militärverwaltung selbst uns sagt, sie brauche ein großes Maß von Truppen nicht. Wir meinen, wir müssen recht vorsichtig sein, ehe wir Südwest von Truppen entblößen. Wir erwarten darüber weitere Aufklärung in der Kommission. Was die Bereitschaft durch eigene Reserven und durch eigene Land⸗ wehr mit militärischer Kontrolle betrifft, so halten wir es an und für sich für durchaus richtig, daß nicht nur ein Ver⸗ zeichnis der Zivilbehörden, sondern auch eine militärtechnische Kontrolle geführt wird. Gewisse Abschwächungen sind allerdings an—⸗ gebracht, z. B. daß die Kontrollversammlungen nur einmal im Jahre stattfinden oder eventuell durch schriftliche Meldungen ersetzt werden, und daß für durchaus notwendige Kontrollversammlungen die Reisekosten ersetzt werden. Auch in den anderen Kolonien darf noch keine Verminderung der Schutztruppen eintreten. In dieser Beziehung ist mir aufgefallen, daß in Veutsch Ostafrika die Maschinen⸗ gewehrkompagnie aufgehoben ist. Ich nehme an, daß die Maschinen⸗ gewehre den einzelnen Kompagnien zugewiesen werden sollen. Das hat gewisse Bedenken, und ich erinnere daran, daß schon einmal im Reichstage die Ansicht ausgesprochen worden ist, diese Spezial⸗ waffen niemals in die Hände der Farbigen zu geben. Ferner dürfen die Farbigen niemals Weißen als Vorgesetzte über⸗ geordnet werden. Auch mit der Versorgung der Angehörigen der Schutz⸗ kruppen ist in dem Entwurf im allgemeinen das Richtige getroffen. Ein ganz neues Militärstrafverfahren in den Kolonien einzuführen, halte ich nicht für richtig, und die Angriffe, die der Vorredner im Zusammenhang mit diesem Vorschlage gegen unser heimisches Spystem

in Deutschland gemacht hat, sind nicht berechtigt. Wir werden der Ueberweisung des Gesetzentwurfes an die Budgetkommission zustimmen. Der Grundgedanke des Gesetzes ist richtig, und es wird zur Stärkung . des Deutschtums in den Kolonien beitragen. Deshalb schrecken wir auch nicht vor den finanziellen Folgen, die wir tragen müssen, zuräck.

Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (dkons.): Der vorliegende Stoff ist so interessant, daß ich wie die Vorredner darüber lange sprechen könnte; ich will aber bei der vorgerückten Zeit möglichst kurz sein. Daß das Schutztruppengesetz jetzt zur Vorlage kommen konnte, ist ein sehr erfreuliches Zeichen für die gedeihliche Entwicklung, die unsere Schutzgebiete in der letzten Zeit genommen haben. Es soll dadurch hauptsächlich bewirkt werden eine volle Ausnutzung der dort vorhandenen Wehrkraft, und zu meiner Freude kann ich feststellen, daß alle Vorredner bierzu ihre volle Zustimmung ausgesprochen haben. Die geltend gemachten Bedenken haben durchweg auf anderem Gebiete gelegen. In diesem Gesetz wird das gesamte Aushebungsgeschäft, das ders irolln esen usw. geregelt. Die Ersatz⸗ kommission und die Oberersatzkommission gehören zusammen, als zweite Instanz steht darüber der Schutztruppenkommandeur und als dritte Instanz bier das Kommando der Schutztruppen. Es ist das Bedenken erhoben worden, daß durch das Ersatzgeschäft, das Kontroll⸗ geschäft und die Kontrollversammlungen verhältnismäßig hohe Kosten entstehen würden. Ich glaube, wir können mit Zuversicht von der Kolonialverwaltung erwarten, daß sie dieses ganze Musterungs⸗, Aus⸗ hebungs⸗ und Kontrollgeschäft den örtlichen Verhältnissen in einer Weise anpassen wird, daß es sich praktisch und vor allen Dingen wohl⸗ feil gestaltet. Es ist sehr wohl möglich, daß man Offiziere oder Beamte damit betraut, die ohnehin dorthin Reisen zu unternehmen haben. Daß man Freiwilligen die Möglichkeit gibt, sich anwerben zu lassen, ist sehr erfreulich, dasselbe gilt von den Ausländern; natürlich muß man sich diese in bezug auf ihre Brauchbarkeit usw. genau ansehen. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß in der Aufstandszeit in Südwestafrika viele junge deutsche Männer, die sich dort aufhielten, nicht erst abgewartet haben, bis das Schutztruppengesetz da war, sondern zur Flinte griffen und sich in hervorragender Weise an der Niederdrückung des Aufstandes beteiligt haben. Sie haben damit gezeigt, daß sie kernige, tüchtige und brave Deutsche sind. Eine Neuerung dieses Gesetzes ist auch, daß für unser Schutzgebiet ein Beurlaubtenstand geschaffen wird. Das ist eine sehr wesentliche Verbesserung. Es werden dadurch viele Reisekosten erspart, da die Angehörigen des Beurlaubtenstandes dort im Schutzgebiet ihre Uebungen machen können. Mit großer Freude ist zu begrüßen, daß es nach Verabschie⸗ dung dieses Gesetzes möglich sein wird, in den Kolonien seine Dienst⸗ zeit abzumachen. Es wird dadurch zwischen den Schutzgebieten und dem Heimatlande ein festes Band geschlungen. Einverstanden sind wir auch damit, daß in Zukunft die Losung der Rekruten fort⸗ fallen soll. Der Abg. Erzberger hat bemängelt, daß die Beziehungen zwischen dem Gouverneur des Schutzgebiets und dem betreffenden Kommandeur der Schutztruppen keine Regelung erfahren haben. Nach meiner Erinnerung ist dies bereits geregelt. Nach den bestebenden Vorschriften ist der Gouverneur ein für allemal der

ienstvorgesetzte. Ueber das Verhältnis der Schutztruppen zu den Polizeitruppen will ich mich in diesem Augenblick nicht näher äußern. Ich möchte nur sagen, daß den Wünschen des Reichstages und seiner Kommission in den letzten Jahren Folge gegeben ist, indem die Schutztruppe in Südwestafrika auf ein Minimum reduziert worden ist. Es ist schon früher darauf hingewiesen worden, daß, wenn erst die Eisenbahnen dort fertig sein würden, die Zahl der Schutztruppen sich vermindern ließe. Man darf dabei nicht übersehen, daß durch diese Eisenbahnen außerordentlich große Gebiete aufgeschlossen werden, für die doch auch eine Sicherung vorhanden sein muß. Man kann also aus der Tatsache des Eisenbahnbaues an sich noch nicht folgern, daß die Zahl der Schutztruppen vermindert werden kann. Wir müssen jedenfalls dafür sorgen, daß die Wehrkraft in den Schutzgebieten entwickelt wird. Togo z. B., das Schoßkind unserer Kolonien, hat bis jetzt gar keine Schutztruppe. Den all⸗ gemeinen Bemerkungen des Vorredners kann ich nur beistimmen und der Freude meiner Partei Ausdruck geben, daß diese Gesetzvorlage ge⸗ kommen ist. Daß verschiedene Dinge durch Kaiserliche Verordnung geregelt werden, entspricht den verschiedenen Verhältnissen in den Schutzgebieten; daraus kann man der Regierung keinen Vorwurf machen, sie wird wohl nachweisen können, daß das gar nicht anders geht. Ich beantrage, wie die Vorredner, den Gesetzentwurf einer Kommission zu überweisen.

Abg. Do ve ortschr. Volksp.): Die Vorlage wird allerdings schon der finanziellen Konsequenzen wegen an die Budgetkommission zu überweisen sein; aber die Prüfung der staatsrechtlichen Fragen, die sie aufwirft, wird deshalb nicht in den Hintergrund treten dürfen. Tatsächlich wird allzu viel der Kaiserlichen Verordnung überlassen. Warum sollen nicht die Erleichterungen, unter denen die AÄbleistung der Dienstpflicht in den Schutz⸗ gebieten erfolgen kann, in das Gesetz selbst hineingeschrieben werden können? Unter den Kaiserlichen Verordnungen werden im übrigen doch immer solche zu verstehen sein, die unter der Verantwortung des Reichskanzlers ergehen. Der höchst nebelhafte Begriff der Kommandogewalt, mit dem wir uns fast jedes Jahr bei der Beratung des Militärbudgets zu befassen haben, muß aus der Vorlage beseitigt werden. Es kann kein Zweifel darüber aufkommen, daß unter allen Umständen der Gouverneur der Schutztruppe vorgesetzt ist. Der Staatssekretär selbst hat ein Interesse daran, seine Befugnisse gegenüber den militärischen Instanzen außer Zweifel zu stellen. Der Hauptvorteil des Gesetzes ist, daß es eine rechtliche Grundlage für die Verhältnisse in unseren Kolonien zu schaffen unternimmt; leider geschieht das hier nur in sehr skizzenhafter Weise, und die Kommission wird mit dem weiteren Ausbau noch viel zu tun haben. Dem Staatssekretär aber gebührt Dank für die Inangriffnahme einer solchen Gesetzgebung; hoffentlich wird er bald auch zu einer Regelung des Beamtenrechts übergehen.

Abg. von Liebert (Rp.): Ich möchte, um die Schnellebigkeit unserer Zeit zu illustrieren, nur darauf hinweisen, wie rasch die Sklaven und der Sklavenhandel, die uns zuerst in unseren Kolonien so viel zu schaffen machten, daraus verschwunden sind, wie günstig sich unsere Kolonien in verhältnismäßig kurzer Zeit entwickelt haben. Bald wird es in Südwestafrika Ersatzbehörden, Rekruten, Landwehr, selbst Landsturm geben, also eine Annäherung an unsere heimischen Verhältnisse, wie sie erfreulicher kaum gedacht werden kann. Die Bedenken, die insbesondere der Abg. Erzberger vorgetragen hat. werden sich in der Kommission leicht ausräumen lassen. In Süd⸗ westafrika haben wir schon eine weiße Bevölkerung von 14 000 Köpfen. Möglich, daß wir bei der fluktuierenden Bevölkerung in Südwest auch unsichere Heerespflichtige in größerer Zahl bekommen; es wäre, um die Kosten des Transports dieser Elemente nach der Heimat zu ersparen, auch hier eine Kaiserliche Verordnung am Platze, wonach eine Verpflichtung für diese zur Ahleistung der Dienstpflicht in der Schutztruppe statuiert wird. Die An. siedlung auch in den tropischen Kolonien liegt mir speziell deshalb so am Herzen, damit wir in den Ansiedlern und deren Söhnen eine militärische Bevölkerung dort bekommen, denn es können auch Ereignisse eintreten, wo wir uns auf die Farbigen nicht verlassen können. Insbesondere eignet sich hierfür Kamerun. In Südwestafrika ist der Begriff Gemeinde noch nicht durchgeführt; es muß also der Gouverneur bestimmen können, welche Dienststellen die Stammrollen zu fühten haben. Unseren braven Schutztruppen muß ich noch ein Wort der Anerkennung von dieser Stelle aus⸗ svrechen; sie haben sich, die weißen, wie die farbigen, in Disziplin, in Friedensarbeit und im Gefecht ausgezeichnet bewährt.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf:

Melne Herren! Ich glaube, die Kolonialverwaltung kann mit dem Ausgang der Debatte sehr zufrieden sein. Ich kann wenigstens zu meiner Freude konstatieren, daß sämtliche Redner sich dem Grund⸗ gedanken des Gesetzes als richtig und gut für die Zukunft ange—⸗

schlossen haben. Den dankenswerten Anregungen der einzelnen