gesprochen. Man sagt, wie kann das Volk so unzufrieden sein? Ich meine, mit einer Paragraphenfabrik andert man nichts an der Grund— stimmung des Voltes. Die Unzufriedenheit hängt meist zusammen mit der Art und Weise, wie bei uns gearbeitet wird. Unser Volk ist in dem kurzen Zeitraum der letzten Wahlbewegung um Jahre reifer geworden; es kann und mag die Politik der Nadelstiche durch eine engherzige bureaukratische Verwaltung nicht länger ertragen. Um nur eins anzuführen; der Jammer der Wahlurnen bleibt trotz aller Bitten und Beschwerden bestehen. weshalb wird denn hier nicht mit energischem Griff aufgeräumt? Die Fest— stellung der Thronrede über unsere Wirtschaftspolitik und ihre Grundlagen begrüßen wir mit Freude. In der Wahl⸗ bewegung ist ein neuer Zolltarif angekündigt worden, um den wieder beftige Kämpfe entbrennen werden. Ich nehme an, davon ist nicht die Rede, und wir dürfen wohl erwarten, daß auch in dieser Hinsicht der Staatssekretär Mitteilungen machen wird. Als Fürst Bismarck mit seiner neuen Wirtschafts⸗ und Zollpolitik einsetzte, war die nationalliberale Partei uneinig, es kam über diese Frage zur Se⸗ zession. Als das Heidelberger Programm eine neue Grundlage schuf, wanen die Meinungen über Schutzzoll und Freihandel bei uns immer noch geteilt; heute sind wir einig auf dem Boden der Schutzzollpolitik. Ich frage den Reichskanzler: ist das eine Linksentwicklung? Auch bei der fortschrittlichen Volkspartei könnte man von der scharfen Rechts entwicklung sprechen, die die Sozialdemokratie uns vorwirft, sowohl bei der Wirtschafts,, wie namentlich bei der Kolonialpolitik. Also etwas mehr Qbjektivität, wenn der Reichskanzler sich überhaupt in die internen Verhältnisse einer Partei einmischt, — ich bin aber überzeugt, es war sein gutes Herz, was ihn dazu trieb; er wollte uns damit aus unseren inneren Schwierigkeiten vor dem Lande heraus⸗ helfen. Das Zustandebringen von Handelsverträgen wird immer schwieriger; die Ausgestaltung unserer auswärtigen Missionen mit Elementen, die in den Wirtschaftsfragen volle Orientierung haben, wird eine immer dringendere Notwendigkeit. An den 41 Millionen sozialdemokratischer Stimmen darf kein Politiker vorübergehen; es darf da nicht mehr heißen: „Es bleibt alles beim Alten. Man kann auch nicht sagen: „Es darf „eder radikal, noch reaktionär regiert werden“, es gibt da ein reiches Zwischenfeld der Betätigungen, indem ie Verwaltung dem Volke innerlich näherzukommen versucht und sich zem modernen Gedanken nicht starr entgegenstellt. Das wäre nd Versöhnende. Der Reichskanzler spricht von der Sehnsucht des Volkes nach größeren Aufgaben, aber was seine Regierung bietet an solchen Aufgaben, ist doch recht dürftig. Wir wünschen eine starke Regierungsgewalt und eine starke Monarchie; wir wünschen aber auch eine Regierung, die stark genug ist, die notwendigen Reformen durch⸗ zusetzen, auch bei starken Widerständen, so in der Steuerpolitik. wünschen, daß aufgeräumt wird mit dem Kastengeist, den Kastenvor⸗ rechten und Kastenvorurteilen. So in der Diplomatie. Vertrauen wir auf unser Volk. Die Mittel, die soziale Frage von einer Legislatur periode zur andern zu lösen, haben wir nicht; aber hinwegsehen darf man über die große Bewegung der deutschen Sozialdemokratie nicht. In einer Millionenpartei kann die Entwicklung nicht stillstehen, und die große Frage wird sein, ob über den Revisionismus hinweg die Zurückleitung gelingen wird, von der Graf Posadowsky sprach, oder ob der Radikalismus siegt. Ich glaube, daß die Beratungen der sozialdemokratischen Parteitage die großen Gegensätze innerhalb der Sozialdemokratie zeigen. Wer ehrlich das Staatsleben verfolgt, wird sehen, welch tiefes Verständnis für patriotische Fragen vorhanden t Hoffen wir, daß es gelingt,
das
Mr r* Wir
das hat die Marokkoaffäre bewiesen. der gärenden Zeiten Herr zu werden und die Grundlagen zu schaffen ür eine weitere ruhige Entwicklung des Volkes. — Abg. Do ormann fortschr. Volksp.): Was der Abg. Basser⸗ mann über die Struktur des Reichsamts des Innern gesagt hat, kann ich nur unterschreiben. Der Abg. Wurm hat die Reichsver—⸗ sicherungsordnung als ein Linsengericht bezeichnet. Auch uns sind die vielen Verschlechterungen der Reichsversicherungsordnung ein Gegenstand der Beschwerde gewesen, und manche von uns haben gegen das Gesetz gestimmt. Aber ein Linsengericht war das Gesetz nicht; wir müssen jedenfalls erst seine Wirkung abwarten. Leider ist die
Derabsetzung der Altersgrenze bei der Altersrente auf das 55. Jahr an dem Widerstande des Staatssekretärs gescheitert. sich doch die finanzielle 3 des Reichs gebessert.
Inzwischen hat ü Auffallend war mir, daß gerade der Graf Posadowsky sich gegen die Herabsetzung der Altersgrenze ausgesprochen hat. Was er anführte, war eher für die Herabsetzung. Der Abg. Wurm meinte, die . sei mit der Sozialdemokratie geboren, und er verwies auf Ausführungen meines He, nd Henffeisch Meine politischen Freunde gehen weiter als der Abg. Bassermann. Die Sozialdemokratie hat den bürgerlichen Parteien das Gewissen geschärft. Wir sind seinerzeit nur zögernd für die Sozialreform eingetreten, weil wir den Zwang dabei bekämpften. Heute müssen wir anerkennen, daß wir uns ge⸗ irrt haben. Der Abg. Wurm hat sich dagegen verwahrt, daß die Sozialdemokratie auf dem Prinzip: Alles oder nichts! beharre. Wenn man auch die überaus fleißige Mitarbeit der Sozialdemo⸗ kratie bei der Reichsversicherungsordnung anerkennen muß, so hat sie doch Forderungen erhoben, die, wenn sie angenommen wären, die Reichsversicherungsordnung auf das schwerste gefährdet hätten. Wir wünschen, wie der Abg. Bassermann, einen stetigen und maßvollen Fortschritt auf dem Gebiete der Sozialpolitik. Hinsichtlich unseres Antrages, die 5 152 und 153 der Reichsgewerbeordnung auszubauen, hat der Staatssekretär des Innern darauf hingewiesen, daß sich unter diesen Bestimmungen doch die gewaltige Entwicklung der Arbeit⸗ geber⸗ und Arbeitnehmerorganisationen vollzogen habe. Das ist richtig, aber auf der anderen Seite zeigt sich doch eine große Menge von Auswüchsen in dieser Bewegung, die sich hätten vermeiden lassen. Es ist wiederholt vom Reichstag darauf hingewiesen worden, daß die strafbaren Fälle auf die Seite der Arbeitnehmer und die straffreien auf die Seite der Arbeitgeber fallen. Alle Ausschreitungen, den Terrorismus, einerlei von welcher Seite er kommen möge, verurteilen wir auf das schärfste, und wir sehen in dem Terrorismus, wie er sich hin und wieder zeigt, die größte Gefahr für die Koalitions⸗ freiheit. Der Frage der Arbeitstarifverträge bringen wir nach wie vor das größte Interesse entgegen. Alle diese neuen Erscheinungen auf dem Gebiete des Arbeitsvertrages müssen sich zunächst einmal ein— leben. In der Langfristigkeit der Tarifverträge liegt die Schwierig⸗ keit, daß es bei ihnen sowohl den Arbeitgebern wie Arbeitnehmern unmöglich ist, sich veränderten Konjunkturen anzupassen, und das wird ihnen oft zu großem Schaden gereichen. Wenn auch bei dem Handwerkerstand ein Abbröckelungsprozeß unverkennbar ist, so glauben wir doch, daß dieser Stand jetzt stark genug sein wird, sich zu er— halten. Die Aufhebung des 5 1004 der Gewerbeordnung wird selbst in Handwerkerkreisen nicht gewünscht. Die Mißstände im Sub⸗ missionswesen sind allgemein anerkannt. Vorschläge zur Abhilfe sind in Hülle und Fülle gemacht worden, aber es gilt von ihnen das Wort: „Was neu ist, ist nicht gut, und was gut ist, ist nicht neu.“ Der Abg. Pauli hat geklagt daß sich die Behörden an die Erlasse nicht kehren, auf der andern Seite will er sich aber mit solchen Er⸗ lassen begnügen; eine reichs⸗ oder landesgesetzliche Regelung hält er nicht für notwendig. Wir haben nichts dagegen, daß die Arbeiten unmittelbar an die Handwerker vergeben werden und nicht erst an die Unternehmer. Die Konkurrenz der Gefängnisarbeit darf nicht ver⸗ kannt werden, aber die Behörden haben doch alles getan, um hier Abhilfe zu schaffen. Unter keinen Umständen kann die Arbeit in den Gefängnissen und in den Arbeitshäusern beseitigt werden, und überall, wo Arbeit geleistet wird, wird sie auch Konkurrenz machen. Von einer probeweisen Einführung des zweiten Teils des Gesetzes wegen Sicherung der Bauforderungen kann unseres Erachtens nicht die Rede sein, das würde die Erschütterung des Baumarkts in Per— manenz erklären. Die verlangte Scheidegrenze zwischen Fabrik und Handwerk ist ungeheuer schwer zu finden, und einen Teil der uner— freulichen Erscheinungen, die sich auf diesem Gebiete eingestellt haben, werden wir dauernd auftreten sehen. Die Heranziehung der Fabrik betriebe zu den Kosten der Ausbildung der Handwerkslehrlinge halte ich in gewissen Grenzen für durchaus billig. Das Handwerk hat sich bisher gegen die großartige Entwicklung der Industrie gut ge—
daß das Handwerk seine geachtete Stellung innerhalb der Erwerbs⸗ stände behaupten wird.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Innern Dr. Delbrück: .
Meine Herren! Ein großer Teil der Fraktionen dieses hohen Hauses hat eine sehr weitgehende Arbeitsteilung eintreten lassen in der Behandlung der verschiedenen Fragen, die aus Anlaß der Be—⸗ ratungen meines Etats hier zum Gegenstand von Erörterungen ge— macht werden. Es wird mir nichts weiter übrig bleiben, als diesem Vor⸗ gang zu folgen, und ich werde mich heute darauf beschränken, einige allgemeine Ausführungen den sozialpolitischen Fragen zu machen, die seitens der Herren Vorredner mehr oder minder ein⸗ gehend behandelt worden sind. Ich behalte mir vor, auf Einzelheiten später zurückzukommen oder über einzelne Fragen rein tatsächlicher Natur durch meine Kommissare Auskunft geben zu lassen.
Nun, meine Herren, wenn ich Ihrem Beispiel folge und eine Teilung der Materien in der Behandlung vor diesem hohen Hause eintreten lasse, so geschieht das nicht, um damit eines Teilung meines Amtes zu inaugurieren oder als zweckentsprechend zu empfehlen. Meine Herren, das Amt ist nicht so groß, und meine Aufgaben sind nicht so verschiedenartig, wie derjenige glauben könnte, der sie lediglich mißt an der Fulle von Anregungen, Fragen und Forderungen, die alljährlich hier beiJ der Beratung meines Etats auf mich herniederregnen und mich zum Teil garnichts angehen. Das Maß der Geschäfte meines Amtes ist auch nicht so groß, wie derjenige annehmen könnte, der sie beurteilt nach den Geschäften der ver—⸗ schiedenen bundesstaatlichen Ressorts, die in meinem Amt vereinigt sind. Denn man darf nicht vergessen, daß in meinem Amte die große Zahl von Verwaltungkgeschäften fehlt oder eine untergeordnete Rolle spielt, die den Ressortminister eines Einzelstaates beinahe mehr be⸗ schäftigen als die Arbeiten mit dem Parlament und für das Parlament.
Ich bin also der Meinung, Amt zu teilen, nicht so groß Ich bin aber auch anderseits gegen eine Teilung des Amtes
Staatssekretär des
zu
die Notwendigkeit, das wie man gemeiniglich meint. der Meinung, daß die Gründe, die sprechen, nicht hinreichend gewürdigt worden sind von allen denen, die heute und früher eine Tellung des Amtes empfohlen haben. (Sehr richtig! im Zentrum.) Fast alle die Fragen, die uns hier beschäftigen — insbesondere die Sozialpolitik, die allgemeine Wirtschaftspolitik und die Mittelstandspolitik — sind auf einem und demselben Boden gewachsen; sie können in ihrer Be handlung gar nicht von einander getrennt werden, wenn man den einzelnen Fragen nicht unrecht tun will.
Einer der Herren Redner von gestern — ich glaube, es war der Herr Graf Posadowsky — hat dem Gedanken Ausdruck gegeben, die Entwicklung unserer Zeit sei beherrscht von der Dampfkraft und der Elektrizität. Ich möchte das etwas anders formulieren und sagen: von der Maschine und dem Großbetrieb. Die Maschine und der Großbetrieb haben nicht bloß diejenigen wirtschaftlichen Fragen entstehen lassen, die besonders von der linken Seite als speziell sozial⸗ politische Forderungen aufgestellt werden, sondern fie haben auch die Wirtschaftspolitik entstehen lassen, die wir während der letzten dreißig Jahre mit Erfolg betrieben haben, und sie haben die Schwierigkeiten zutage treten lassen, die seit Jahrzehnten unserer Landwirtschaft und speziell der östlichen Landwirtschaft er⸗ wachsen sind durch die Entwicklung unserer Industrie, durch die Ab⸗ wanderung der ländlichen Arbeiter und durch die Notwendigkeit eines plötzlichen Uebergangs von der Natural⸗ zur Geldwirtschaft. Wenn man diese Fragen auseinanderreißt, so verliert man leicht den Ueber— blick über das Ganze, das Verständnis für den inneren Zusammen⸗ hang, ohne das diese Fragen mit Erfolg nicht gelöst werden können. Es kommt — was ich beiläufig bemerken will — hinzu, daß jedes neue Amt das Maß von Reibungen vermehrt (sehr richtig! rechts) und die Maschine der Regierung stärker belastet als bisher, ein erhebliches Maß von überflüssiger Arbeit auslöst und eine noch größere Verzögerung in der Erledigung der Geschäfte herbei—⸗ führt, als sie jetzt schon von Ihnen bei jeder sich bietenden Ge— legenheit beklagt wird. (Zustimmung im Zentrum und rechts.) Meine Herren, mit den sozialpolitischen Fragen im engeren Sinne und mit den damit in Verbindung stehenden anderen wirt schaftlichen Fragen, die Maschine und Großbetrieb haben entstehen lassen, hängen aber auch eine ganze Reihe etbischer Fragen von höchster Bedeutung eng jusammen, die nicht eine einzelne Partei, sondern das ganze deutsche Volk beschäftigen und interessieren, an deren Lösung das ganze deutsche Volk mitzuarbeiten ein Recht und den Willen hat.
Sle haben gestern auf den Frauenkongreß hingewiesen, der in diesen Tagen seine Verhandlungen hier in Berlin abhält. Was ist denn an den Verhandlungen gerade dieses Kongresses so interessant? Das Interessante an diesen Verhandlungen ist, daß dort nicht nur wirtschaftliche Fragen behandelt werden, sondern eine große Zahl anderer Fragen, sittliche Fragen vom höchsten Ernst, welche die Tochter des Ministers genau so angehen und genau so interessieren wie die Tochter des Arbeiters, und deren Gewicht soastark ist, daß sich über die Kluft von Weltanschauungen hinweg Frauen aus allen Kreisen, aus den verschiedenen Konfessionen, den verschiedensten Berufen zusammengefunden haben, um eine gemeinsame Lösung zu versuchen. Wenn das der Fall ist, wenn! alle die Fragen gemein⸗ schaftliche sind, wenn es Fragen sind, die nicht eine einzelne Partei, die nicht eine einzelne Klasse interessieren, wenn es Fragen sind, die nicht nur wirtschaftlicher Natur sind, sondern Fragen, die auf das ethische Gebiet übergreifen, dann fällt auch die Behauptung, die gestern hier aufge⸗ stellt ist, daß die Sozialpolitik durch die sozialdemokratische Partei geboren wäre, und daß die Erfolge, die wir auf dem Gebiet der Sozialpolitik erzielt haben, lediglich ein Erfolg der Tätigkeit der Sozial⸗ demokratie ist. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Es bleibt doch wahr ) Was wir auf dem Gebiete der Sozialpolitik erreicht haben, ist nicht die Arbeit einer einzelnen Partei, ist nicht die Errungenschaft einer einzelnen Klasse, das ist die Arbeit des ganzen deutschen Volles (sehr richtig!), eine Arbeit, auf die das ganze deutsche Volk stolz sein kann; es ist die Arbeit aller Parteien dieses hohen Hauses. (Unruhe und Zurufe von den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, daß eine Partei, die unablässig mit extremen Forderungen hervortritt (Lachen bei den Sozialdemokraten), daß eine Partei, die in der Verfolgung dieser Forderungen so weit geht, daß ihr das Augenmaß für das Erreichbare verloren geht (leb=
halten; das läßt auch für die Zukunft die begründete Hoffnung offen,
Partei ein treibendes Moment ist bei der Lösung allgemeiner Zeit⸗ fragen, das kann nicht bestritten werden. (Na also! bei den Sozial⸗ demokraten) Aber, meine Herren, wem die praktischen Erfolge zu verdanken sind (sehr richtig! im Zentrum), das ist eine andere Frage (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.)
Meine Herren, es gehört zu den überlieferten Gepflogenheiten, daß, wenn etwas nicht zustande kommt, gesagt wird, die Rechte, die Konservativen, die Reaktionäre seien daran schuld. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Gewiß! meine Herren: ein konser⸗ vativer Radikalismus kann unter Umständen die Entwicklung er⸗ schweren; aber der Radikalismus von der anderen Seite erschwert ebenso sehr das Zustandekommen wirksamer und brauchbarer Re⸗ formen (Unruhe und Lachen bei den Sozialdemokraten), und wenn Sie sich fragen: wer denn nun eigentlich die großen Fortschritte auf sozialpolitischem Gebiete herbeigeführt hat, die Sie (zu den Sozialdemokraten) doch selbst in stillen Stunden und unter vier Augen nicht in Abrede stellen (lebhafte Rufe: Sehr gut! Sehr richtig! rechts und im Zentrum), dann werden Sie finden, daß das die bürgerlichen Parteien gewesen sind, Parteien, die unter großen inneren Schwierigkeiten, unter Kämpfen mit ihren Wählern, die Festigkeit des Entschlusses und den Willen gehabt haben, das, was die Entwicklung des Volkes fordert, zu geben, unter Um⸗ ständen zu ihrem eigenen Schaden lsehr richtig! rechts und im Zentrum), das habe ich noch einmal aussprechen wollen, bevor ich darauf auf— merksam mache, daß auch die verbündeten Regierungen auf diesem Gebiete ein gut Teil Arbeit geleistet und wesentlich mitgeholfen haben bet den Errungenschaften unserer Sozialpolitik, die ja im Laufe der letzten Tage von den verschiedenen Rednern dieses hohen Hauses wiederholt anerkannt sind.
Die verbündeten Regierungen haben, unbeirrt durch Haß und Gunst, unablässig das eine Ziel im Auge behalten, die Fragen, die uns unsere moderne wutschaftliche Entwicklung gestellt hat, so zu fördern, wie es mit den gegebenen Mitteln unter den gegebenen Ver⸗ hältnissen möglich war, unter sorgsamer Abwägung widerstreitender Interessen, unter sorgsamer Scheidung des Erreichbaren von dem Unerreichbaren. Eine solche Förderung haben wir bei Ihnen (zu den Sozialdemokraten) in der Regel nicht bemerkt (sehr richtig! rechts. Lachen den Sozialdemokraten), denn Sie haben bei der Mehrzahl der wichtigsten Gesetze mit nein gestimmt.
den Nationalliberalen.
(Sehr richtig! rechts, im Zent bei Und wenn bei vielen dieser Gesetze nicht mehr in Ihrem Sinne er, o liegt das zum Teil daran, 5 Sie es an
reicht worden ist, s Sie e positiver Mitarbeit haben fehlen lassen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Diejenigen Partein, sie mögen im Parlament sitzen wo sie wollen, die ihre Mitwirkung bei der Lösung notwendiger politischer Aufgaben versagen, stärken den Einfluß derjenigen, bereit entschlossen sind, ihre positive Arbeit in den Dienst dieser Dinge zu stellen. (Zuruf von den Sozial demokraten.)
Also, meine Herren, ich habe das noch einmal sagen müssen. (Rufe von den Sozialdemokraten: Ja! ja) Der Herr Abg. Basser mann hat es ja auch ausgeführt. (Rufe von den Sozialdemokraten: Müssen! — Meine Herren, ich habe es sagen müssen (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), weil es meine ehrliche Ueberzeugung ist (bravo! rechts), weil ich es für meine Pflicht halte, an der Stelle, wo ich hier stehe, Zeugnis abzulegen für das, was ich für meine Pflicht, und für das, was ich für richtig halte. (Lebhafter Beifall rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)
Es ist dann aber ferner gestern behauptet worden, Stillstand in unserer Sozialpolitik eingetreten. Meine Herren, das ist behauptet worden wenige Monate, nachdem auf sozialpolitischem Gebiet eine Reihe der wichtigsten Bestimmungen Gesetz geworden ist (sehr richtig!, nach⸗ dem wir eben die Krankenversicherung ausgedehnt haben auf die land und forstwirtschaftlichen Arbelter und die Heimarbeiter, nachdem wir eine Hinterbliebenenversicherung geschaffen haben.
(Rufe von den Sozialdemokraten: Aber was für eine) Meine Herren, wieder, wie richtig ich Sie
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Sie sagen: was für eine! Das beweist vorhin beurteilt habe. (Stürmische Zustimmung rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen. Rom ist auch nicht in einem Tage erbaut worden. Alle schwierigen Arbeiten politischer und wirtschaft⸗ licher Natur vollziehen sich in Etappen, und wer nicht den Mut hat, das Erreichbare zu nehmen, der hat in erster Linie die Schuld, wenn noch weniger als das Erreichbare erreicht wird. (Lebhafte Zustimmung rechts und im Zentrum.) Es ist behauptet worden, es sei ein Still⸗ stand eingetreten auf sozialpolitischem Gebiet, nachdem wir das An— gestelltenversicherungsgesetz verabschiedet haben; es ist behauptet worden, es sei ein Rückstand eingetreten auf sozialpolitischem Gebiet, nachdem die überaus schwierige Aufgabe eines Eingriffs in die Verhältnisse der Heimarbeit glücklich gelöst ist (oh! oh! bei den Sozialdemokraten) und, wie ich ausdrücklich anerkenne, in diesem Falle unter Ihrer (zu den Sozialdemokraten) Mitwirkung gelöst ist.
Also, meine Herren, von einem Stillstand kann doch nicht wohl die Rede sein. Oder folgern Sie einen Stillstand daraus, daß Ihnen im Augenblick nicht wieder neue große sozialpolitische Aufgaben gestellt sind? Ja, meine Herren, das erklärt sich doch sehr einfach. Die Ausführung der in der letzten Session beschlossenen großen sozlal— politischen Gesetze erfordert nicht nur für mein Amt, sondern für die Behörden aller Bundesstaaten ein Maß von Arbeit, daß es aus⸗— geschlossen sein würde, jetzt schon wieder mit großen gesetz— gebertschen Aufgaben an den Reichstag heranzutreten. (Sehr wahr! rechts.) Im übrigen werden Sie, meine Herren, wenn Sie im stillen Kämmerlein über die gegenwärtige Geschäftslage des Reichstags nachdenken, sagen: Gott sei Dank (Lachen bei den Sozial demokraten), daß die Regierung endlich begriffen hat, daß man den Reichstag nicht unablässig mit Gesetzesvorlagen belastet, die er zu er= ledigen außer stande ist. (Sehr richtig! rechts, im Zentrum und links. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Ich bin doch nun schon lange im Parlament tätig. Wenn die Reichstagstagung an⸗ fängt, so kommen die Herren mit ihren Forderungen, und es können gar nicht genug Gesetzentwürfe vorgelegt werden; wenn sich aber die Session ihrem Ende zuneigt, dann heißt es: wie konnte die Regierung einem so mit Geschäften belasteten Reichstage noch diese wichtige Vorlage zumuten?! (Lachen bei den Sozialdemokraten. Sehr richtig! rechts Sie gehen noch weiter, meine Herren. Wenn wir eine Vorlage machen, die das Haus ein⸗ stimmig verlangt und als notwendig erklärt hat, dann heißt es unter
hafte Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten), daß eine solche
Umständen: es geschieht der Regierung recht, wenn die Sache nicht
o nennen darf, die aus f ‚ X 39 15 rr m rie 9
riskieren. Es ist zweifellos wünschenswert, daß die Materie geregelt wird. gestellt, der
unterliegt.
einen den Kreis der versicherten Personen erweitert haben über den Kreis derjenigen, die im wesentlichen dem Lohnarbeiterstande angehören oder
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eingehen darf, so
Krankenpfleger, der Lebensretter
ih Versicherung
großen T
erabschiedet ist; wie konnte sie einen zie Erledigung dieses Gesetzentwurfs wählen?! hei den Sozialdemokraten.) ;
Von einem Stillstand ist also nicht die Rede und soll auch nicht e Rede sein. Ein Wechsel in der Behandlung kann allerdings ein⸗ reten, wenn man 30 Jahre lang dieselbe Materie gesetzlich behandelt hat — wenn ich mich so ausdrücken darf. Auch das Tempo kann Unter solchen Verhältnissen ein anderes werden.
Wenn ich nun die drei großen Gruppen sozialpolitischer Fragen, hie uns seither beschäftigt haben und weiter beschäftigen werden, hier d kurz charakterisieren darf, wenn ich kurz auf die Aufgaben, die uns d noch bleiben, auf die Art ihrer Loösung und den Zeitpunkt ihrer Lösung möchte ich zunächst noch einmal auf das eben schon gegen Krank⸗
(Lachen und Zurufe
gestreifte Gebiet der Versicherung der Arbeiter
beit, gegen Unfallgefahr, gegen Alter, auf die Versicherung der Hinter⸗ f bliebenen d
diesem Gebiete die Arbeiten namentlich der letzten Session die zu lösenden Aufgaben zu einem gewissen Abschluß gebracht haben. Es
ist eine Forderung rückständig geblieben
er Arbeiter kommen. Sie werden mir zugeben, daß auf
deren Berechtigung ich nicht verkenne, nämlich die Versicherung der Feuerwehrleute, der — wenn ich diejenigen kurz freier Entschließung ihr Leben zugunsten anderer
ist in melnem Amt ein entsprechender Gesetzentwurf auf⸗ augenblicklich der Erörterung mit den preußischen Ressorts Er wird vor dem Heibst nicht an den Bundesrat kommen kznnen; denn Sie dürfen sich nicht darüber täuschen, daß in der 2ö5sung dieser Aufgabe, so selbstverständlich und so einfach sie erscheint, erhebliche Schwierigkeiten liegen. haben bei dem
Wir
W 15 25 1e nes au ein neues
Schritt
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wir
Angestelltenversicherungsgesetz Gebiet getan, insofern
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im wirtschaftlich gleich stehen. Immerhin handelt es sich bei dieser
noch um die Regelung von Verhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese Grundlage entfällt bei einem Kategorie von Personen, die ie jetzt schützen wollen. Das Mitglied einer städtischen Pflichtfeuerwehr oder einer freiwilligen Feuerwehr steht zu der Kommune nicht mehr im Verhältnis eines
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231 Ro Teil der
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Arbeitnebmers. Es arbeitet und hilft eventuell im öffent lichen Dienst. Die einzelne Krankenschwester, die in Aus— z ihres freien Berufs um Leben und Gesundheit kommt, kann man nicht bel ihrer Versicherung in Beziehung zu bestimmten Arbeit⸗ nn Sie nun vollends die große Kategorie von Personen nehmen, die in Fällen von gemeinsamer Gefahr ihr Leben und ihre Gejundheit in die Schanze schlagen, um Gut und Leben ibrer Mitbürger zu schützen und zu retten, so werden mir daß bier die Grundlagen, auf denen unsere Versicherungs⸗ bisher aufgebaut waren, vollständig versagen. Das notigt uns, vè andere zu geben, als wir es bei den bis— herigen Versicherungsgesetzen getan haben, das nötigt auch, zu anderen Organisationen zu greifen, als wir sie bisher gehabt baben. Also, mei „Sie sehen, im Reichsamt des Innern steht „die Entwicklung nicht still ).
Nun ist natürlich die zweite große Frage — ich wundere mich, daß Sie mich noch nicht darauf angerufen haben wie steht es mit der Arbeitslosenversicherung? Ueber die Arbeitslosen⸗ versicherung habe ich mich im vorigen und im vorvorigen Jahre ein · gebend geäußert. Ich habe damals die Schwierigkeiten klargelegt, d
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ie einer Lösung dieser Aufgabe jedenfalls zurzeit entgegenstehen. Ich babe hier der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Arbeitslosen⸗ wenn sie überbaupt in Angriff genommen werden soll, bis auf weiteres nur in Angriff genommen kann durch die Kommunen. Ich bin heute in Auffassung noch nicht irre geworden. Frage Arbeitslosenversorgung bängt so eng mit
iner Reihe von Aufgaben der Kommunen, sie ist auch so abhängig den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb der einzelnen Kommunen, d ich mir eine andere Lösung als auf kommunaler Grundlage vorläufig nicht denken kann. Nun könnten Sie mir ia sagen: selbst wenn die Frage auf kommunaler Grundlage gelöst werden soll, könnte doch von dem Reich diese Lösung durch ein Gesetz geregelt werden. Aber, meine Herren, um eine solche Lösung in An⸗ griff zu nehmen, fehlen nach meiner Ansicht auch noch die erforder⸗ lichen Grundlagen. Ehe die Dinge in den einzelnen Kommunen nicht weiter gefördert sind, ist das Reich völlig außerstande, dieser Frage im Wege eines Reichsgesetzes irgendwie näher zu treten. Wir werden uns also auf diesem Gebiete vorläufig noch auf theoretische Erörte⸗ rungen hier in diesem Hause beschränken müssen. Nun, meine Herren, sind von den Herren Rednern von der linken Seite des Hauses im Laufe der letzten Debatten eine Reihe von Forderungen erhoben, die darauf hinauslaufen, die Versicherungẽ⸗ ordnung, die noch garnicht einmal oder nur zum Teil in Kraft getreten ist, abzuändern. Ich nehme an, daß dlese Forderungen nicht ernst gemeint sind. (Oho! linkt). Ich habe wenigstens gehofft, daß Sie mir nicht zutrauen würden, daß ich auf solche Forderungen eingehen würde. (Heiterkeit, Denn ein Gesetz, das mit so vielen Schwierig⸗ keiten und unter Ueberwindung aller möglichen Hindernisse zustande gekommen ist, erprobt man praktisch, ehe man in seine Aenderung eintritt hinsichtlich bestimmter Forderungen, die gestern erörtert worden sind, beispielsweise der Frage der Herabsetzung der Altersgrenze bei der Invalidenversicherung sind uns über dieses ja im Gesetz Fristen gestellt und wenn der Moment herangekommen sein wird, werden wir uns darüber unterhalten können.
versicherung, heute und
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Meine Herren, ein zweites großes Gebiet, das uns auf dem weiten Felde der Sozialpolitik eingehend beschäftigt hat, daß unsere Gesetzgebung ununterbrochen in Bewegung gehalten bat, das ist die Sorge für den Schutz von Leben und Gesundheit der Arbeiter. Nun, meine Herren, Sie werden nicht in Abrede stellen wollen, daß auf diesem Gebiete erhebliches geleistet worden ist. Ich erinnere an die Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherung. Ich erinnere an die zahlreichen Bundesratzverordnungen, die sich mit der Abwendung von Gefahren für das Leben der Arbeiter in den einzelnen Betrieben beschäftigen. Ich erinnere an die Bestimmungen über die Einführung eines sanitären Maximalarbeltstages. Ich erinnere an die Be⸗ schränkung der Frauenarbeit, die bei uns zum Teil weiter fort⸗
so ungeeigneten Zeitpunkt für ] das Kinderschutzgesetz, dessen Ausführung, wie ich anerkennen will, allerhand Schwierigkeiten zuleben. für die Heimarbeiter, das gesetz geschaffen ist. wohl in Abrede stellen können.
kämpfen und werden unablässig kämpfen um den gesetzlichen Maximal⸗ arbeitstag. Die verbündeten Regierungen haben bisher und zwar mit
Gründen, daß es aber unrichtig ohne Räcksicht auf Art, Gefahr und Schwierigkeit der Betriebe gleich⸗ mäßig einen Maximalarbeitstag festsetzen würde.
ratsverordnungen, in denjenigen Betrieben, in denen das Maß der Arbeitszeit zweifellos schädigend Herabsetzung der Arbeitszeit allmählich heranzutreten.
zur Sprache gebracht worder Sor politik auf diesem Gebiete speziell daraus gefolgert worden, daß nicht mehr in dem Maße wie früher Bundesratsverordnungen zum Schutze der Arbeiter ergingen.
gemacht hat, das aber anfängt sich ein⸗ das erhebliche Mehr an sanitärer Fürsorge in dem jüngst verabschiedeten Heimarbeiter⸗ alles sind Errungenschaften, die Sie nicht
Ich erinnere an
Das
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Nun wird mir die Forderung entgegengehalten werden ja wir
er Mehrheit dieses hohen Hauses auf dem Standpunkt gestanden, aß ein Maximalarbeitstag nur eingeführt werden soll aus sanitären sein würde, wenn die Gesetzgebung
Daran halten wir
Luar dos Bundes⸗
est, aber wir sind nach wie vor bereit, im Rahmen der
für die Arbeiter wirkt, an eine Nun, meine Herren, ist — es ist das auch im vergangenen Jahre — ein Stillstand in unserer Sozlal⸗
Meine Herren, ich habe schon einmal darauf hingewiesen — und möchte das heute nochmals betonen —, daß es richtig ist, daß nicht mehr in dem Tempo früher Bundesratsverordnungen erlassen werden. Das hängt damit zusammen, daß diejenigen Materien, die durch Bundesratsverordnungen zweckentsprechend geregelt werden konnten, im wesentlichen durch Bundesratsverordnungen geregelt sind, die in gewissen Zwischenräumen revidiert und allmählich den zu stellenden Anforderungen näher gebracht werden. Sie wissen: wir haben solche Verordnungen schon für die Akkumulatorenfabriken, wir haben sie für Chromatfabriken, für die Bleifarbenfabriken, auch für die Verwendung von B rben für Maler und Anstreicher, für die Thomasschlackenanlagen, für die Vulkanisierung von Gummi, für die Großeisenindustrie, und wir sind augenblicklich dabei, derartige Ver ordnungen vorzubereiten fär die Arbeiten unter Preßluft und für den Verkehr mit Anilinfarben und Bleiweiß. Nun sind für eine ganze Reihe anderer Betriebe von Ihrer Seite wiederholt ähnliche Verordnungen gefordert worden; eine eingehende Prüfung der Verhältnisse dieser Betriebe, eine Anhörung der einzelnen Bundes⸗ staaten hat aber ergeben, daß die Verhältnisse in diesen Betrieben so verschieden liegen, daß die Bundesratsverordnungen sich auf allgemeine Bestimmungen beschränken müßten und zwar beschränken müßten mit dem Erfolge, daß die Bundesratsverordnungen für einen großen Teil der Betriebe den hinreichenden Schutz für den Arbeiter nicht bieten. Es liegt ja in der Natur der Dinge, daß, wenn man eine Verordnung für den Umfang des Reiches erläßt, die sich bezieht auf Betriebe, die unter ganz verschiedenen Voraussetzungen und mit ganz verschiedenen in ganz verschiedenen Verhältnissen arbeiten, dann, je Verschiedenheiten sind, um so matter die betreffende Verordnung des Bundesrats ausfallen muß. Das hat nun speziell für den Arbeiter den Nachteil, daß eine solche Anordnung des Bundesrats die Maximalforderung darstellt. Es wird also wenig damit geholfen. Wir sind infolgedessen neuerdings den Weg gegangen, den ich für den richtigen halte: es sind allgemeine Normen aufgestellt. Diese Normen sind von den verbündeten Regierungen als Grundlage für die gewerbepolizeiliche Behandlung der betreffenden Anlagen aus⸗ drücklich festgelegt, und es ist nun den Provinzialbehörden, in erster je aber den Gewerbeaufsichtsbeamten überlassen, erforderliche Maß von Anordnungen für den einzelnen Betrieb zu treffen. Das zedeutet einen unbedingten Fortschritt. Ich will Sie auf ein Bei piel hinweisen. einen Schutz zu der Schleiferei. Wir sind zu dem damit nichts erreichen würden; wir Solingen durch sorgsam durchdachte, Anordnungen der Gewerbeaufsichtẽbeamten
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erreichen können. Sie werden habe, entnehmen, daß diese Stillstand, sondern einen schritt, weil wir individualisieren vidualisierung weiterkommen als
nicht einer einen Fort dieser Indi Verfügungen
Behandlung der Dinge Fortschritt bedeutet, können und in mit generellen
Normen die einzelnen Bundesregierungen darauf Bedacht nehmen bel der Erteilung von Konzessionen für gefährliche Betriebe in de Konzessionsurkunde die besonderen
notwendig sind, und sich weitere Anordnungen dieser Art für di Zukunft vorzubehalten. Auf diese Art ergibt sich die Möglichkei einer organischen Vervollkommnung des Betriebs auch in der Richtun des Arbeiterschutzes. Das ist nach meiner Ansicht nützlich, jedenfall nützlicher als das fortwährende Reglementieren, das den Schein eine erfolgreichen Arbeit erweckt, aber tatsächlich lange nicht die Erfolg zeitigt, die man davon erwartet. weiterarbeiten, aber zum Teil gegangen sind.
Mit der Arbeiter hängt
andere
eine für die Städte höchst Unerwünschte Erweit
Wir haben versucht, durch generelle Verordnung schaffen gegen die gesundheitsschädlichen Wirkungen Ergebnis gekommen, daß wir in weiterentwickelte Zustände erreicht, wie wir sie mit einer allgemeinen generellen Verfügung niemals würden haben aus dem, was ich eben ausgeführt
Dazu kommt ferner, daß ebenfalls auf Grund von vereinbarten
Vorschriften anzuordnen, die nach ihrer Auffassung zum Schutze von Leben und Gesundheit der Arbeiter
Wir werden also auf diesem Gebiete Wege gehen, als wir bisher
Frage des Schutzes von Leben und Gesundheit der eng zusammen die von fast allen Rednern gestreiste
2
polizeilicher
Befugnisse bringen. Das sind Dinge, die ein Bundes staat eventuell
im Rahmen seiner Gesetzgebung anordnen und mit seinen gesetz⸗
gebenden Körperschaften vereinbaren kann, die aber in der starren
Form des Reichsgesetzes außerordentliche Unbequemlichkeiten und
Lasten bringen würden. Meine Herren, Sie werden sich erinnern, daß ich aus diesem Grunde wiederholt gesagt babe: ich hoffe bestimmt, daß die Bundesstaaten ihrerseits diese Frage in die Hand nehmen, da sie dann zweckentsprechender geregelt wird als von uns aus. Diese Hoffnung hat sich nun bisher nicht erfüllt, und ich gebe zu, daß auf dem Gebiete des Wohnungswesens so viele Mißstände bestehen, daß auf die Dauer ein völliges Gehenlassen unmöglich ist. Wenn die Bundesstaaten weiterhin versagen, dann werden wir allerdings wohl an die Lösung dieser Frage herantreten müssen, was nach meiner Ansicht zweckentsprechenderweise so zu geschehen hätte, daß zunãchst einmal eine Kommission im Reichsamt des Innern zusammen⸗ tritt, die sich über die Fragen verständigt, die überhaupt in das Gebiet der Förderung des Wohnungswesens fallen, und die sich nicht bloß beschränkt auf die Forderungen, die speziell im Rahmen des Reichswohnungsgesetzes zu regeln sein würden. (Zuruf rechts: Erbbaurecht!) Ich rechne zu diesen allgemeinen Fragen, die zu regeln sein würden, vor allem auch die Frage des Erbbaurechts, mit dem sich mehrere der Herren Redner heute und gestern beschäftigt haben, und mit dem ich, solange ich die Ehre habe, hier meinen Etat zu vertreten, mich zu beschäftigen gehabt habe. Nun ist hier früher
wiederholt die Forderung gestellt, man möge doch in einer Denk⸗ schrift die Verhältnisse des Erbbaurechts nach der rechtlichen Seite und nach der praktischen Durchführbarkeit erörtern und diese dem Reichstage zugänglich machen. Die Sache ist weiter gefördert durch eine Denkschrift des Vereins zur Förderung des Bankiergewerbes, die eine Reihe sehr schätzenswerten Materials gebracht hat. Ich habe aber Bedenken getragen, damit etwa eine die Frage ab⸗ schließende Denkschrift aufzustellen, weil sich inzwischen der Deutsche Juristentag dankenswerterweise der wichtigen Rechts⸗ fragen angenommen hat, die auf diesem Gebiete zu lösen sind, und ich halte es für zweckmäßig, daß man, ehe eine Ent— scheidung gefällt wird, die nächste Tagung des Deutschen Juristen tages abwartet, die wahrscheinlich für die rechtliche Beurteilung der Dinge eine brauchbare Grundlage und eine nützliche Klärung bringen wird. Aber, meine Herren, selbst wenn es uns gelingt, die formalen Schwierigkeiten zu beseitigen, welche die jetzige Gesetzgebung für Hypothekenbanken, gemeinnützige Institute und dergleichen bei der Beleihung eines Erbbaurechts bietet, so habe ich doch die Besorgnis, daß wir damit den Kern der Sache nicht treffen werden ssehr richtig! rechts); denn die Frage liegt doch, praktisch betrachtet, so: Ein Grund⸗ stück mit einem Haus darauf, das im Eigentum des Grundbesitzers steht, bietet für eine Hypothek ein höheres Wertobjekt als ein Recht an einem Grundstück, das zeitlich begrenzt wird, und das Pfandrecht an einem Hause, das der Natur der Dinge nach auf beschränkte Zeit gebaut, nicht mit dem Maß von Sorgfalt unterhalten und nicht in dem Umfange verbessert wird, wie ein Haus, das auf dem Grundstũck des Eigentümers erbaut ist. Die geringere Sicherheit, die ein Erb- baurecht mit dem dazu gehörigen Hause bietet, wird immer ein Hindernis für eine ausgiebige Beleihung sein, namentlich für die Be—⸗ leihung mit solchen Geldern, deren mündelsichere Anlegung gesetzlich vorgeschrieben ist.
In neuester Zeit ist auf diesem Gebiet ein sehr intere ssanter Oesterreich gemacht worden. Man hat dort einen zhnungsfonds nach dem Muster des unsrigen zur Verfügung ge⸗ stellt, hat aber nur einen Teil des Fonds zur Hergabe von Darlehen, den Rest aber dazu bestimmt, eine Garantie für den Ausfall von Hypotheken zu bestellen, die auf die mit Erbbaurecht ausgestatteten Grundstũcke gegeben werden. Auf diesem Wege kann man mit dem zur Verfügung gestellten Kapital das Vielfache von dem leisten, was man durch Hergabe von Darlehn in natura erreichen kann, voraus⸗ gesetzt, daß man solchen mit einer Zinsgarantie ausgestatteten Hyvo⸗ theken die Mündelsicherheit verleiht, d. h., daß man alle diejenigen Institute, die verpflichtet sind, ihre Mittel mündelsicher anzulegen, in die Lage versetzt, über die gewöhnliche Grenze der Mündelsicherheit binaus gemeinnützige Bauten zu beleihen, sofern nur eine Garantie seitens einer öffentlichen Körperschaft übernommen wurde. Wirtlsam wird . natürlich auch diese Maßregel nur werden, wenn sich nicht das Reich . und nicht die einzelnen Bundesstaaten darauf beschränken, derartige Garantien zu übernehmen, sondern wenn auch einzelne Kommunen im Interesse der Förderung des Kleinwohnungsbaues innerhalb ihrer engeren Grenzen sich zu ähnlichen Maßnahmen herbeilassen und die r' Möglichkeit geschaffen wird, auch den Darlehen, für die eine Garantie seitens der Kommunalverbände übernommen ist, den Charakter einer mündelsicheren Anlage zu geben. (Sehr richtig) Meine Herren, in e dieser neuesten Phase des Problems liegen nach meiner Ansicht An⸗ t sätze zu einer vielleicht wirksamen Lösung, und ich werde mir be⸗ sonders angelegen sein lassen, auf diesem Gebiet eventnell weiter zu
erung
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9 8 kommen.
r Nun, meine Herren, die dritte große Gruppe von Fragen auf e sozialpolitischem Gebiet, die uns noch geraume Zeit beschäftigem wird und die uns nach meiner Ansicht zurzeit auch die bei weitem schwierigsten Fragen zu lösen gibt, das ist die Gruppe, die sich mit dem Koalitionsrecht, mit den Beziehungen zwischen Arbeit- gebern und Arbeitnehmern, mit dem Austrag von Lohnstreitigkeiten, mit der Errichtung von Einigungsämtern, mit dem gesetzlichen Ausbau des Tarifvertrags befaßt. Meine Herren, hier steht die Regierung
Frage der Wohnungsfürsorge. Sie haben ja aus dem Etat gesehen und sich mit mir darüber gefreut, daß es mir gelungen ist, den Betrag von 4 Millionen Mark zur Unterstützung des Klein wohnungsbaues, der früher im Etat gestanden hat, wiederum in den Etat zu bringen. Aber verschiedene Redner haben auch darauf hin⸗ gewiesen, daß damit eigentlich nur ein einzelnes Gebiet der Wohnungs frage eine angemessene Berücksichtigung finde. Man hat vornehmlich eine reichsgesetzliche Regelung des Wohnungswesens ge—⸗ fordert. Nun, ich habe ja über diese Frage schon wiederholt gesprochen. Ich habe die Bedenken dargelegt, die ich gegen eine reichsgesetzliche Regelung dieser Materie babe. Sie beruhen im wesentlichen darauf, daß eine derartige reichsgesetzliche Regelung in Materilen eingreift, die bisher der Gesetzgebung der Bundesstaaten überlassen waren und ihr eigentlich verständigerweise überlassen bleiben müßten. Dahin gehört das Straßenrecht, das Fluchtlinienrecht, wie man es in Preußen nennt. Eine derartige reichsgesetzliche Regelung würde Eingriffe bedeuten in das Selbstverwaltungsrecht der Städte, wie es in den verschiedenen
stets vor entgegengesetzten Forderungen. Von rechts wird eine Be⸗ schränkung der Koalitionsfreiheit gefordert. Von rechts wird eine Verschärfung aller derjenigen Bestimmungen gefordert, die Exzesse unter Strafe stellen, die in Ausübung des Koalittionsrechts begangen werden. Von der andern Seite wird eine Erweiterung der Koalitlons · freihelt gefordert. Ich bin im allgemeinen der Ansicht, daß die
8 152 bis 153 der Gewerbeordnung dle Koalitionsfreiheit in bin⸗ reichendem Maße gewährleisten, und zwar gewährleisten für Arbeit⸗ geber wie für Arbeitnehmer. Ich bin — ich habe das schon wieder⸗ holt gesagt — der Ansicht, daß, wenn wir an eine gesetzliche Neu⸗ regelung des Koalitionerechts herantreten würden, das wahrscheinlich in einer Weise gescheben würde, die keinen von beiden Teilen be⸗ friedigen würde, daß es in einer Weise geschehen würde, die schließlich mehr Beschränkungen als Befreiungen für das Koalitionrecht (bort hört! bel den Soslialdemokraten) sowohl für den Arbeitgeber wie für den Arbeltnehmer bringen würde. Detwegen bin ich der Meinung,
geschritten ist, als durch die Berner Konvention den zu dieser Konvention gehörigen Staaten vorgeschrieben ist. Ich erinnere an
Bundesstaaten auf verschiedenen Grundlagen aufgebaut ist. Es würde
daß man es bei dem geltenden Recht, so wie e ist, lassen und nicht