1912 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

versuchen sollte, eine gesetz liche Lösung herbeizuführen, deren Ende niemand absehen kann. Es kommt dazu, meine Herren, daß manche der Schwierigkeiten, die speziell in der Inter Pretation der fraglichen Paragraphen gelegen haben, durch die Judikatur des Reichsgerichts ausgeräumt sind, so daß das Koalitions⸗ recht allmählich verständig und zweckdienlich ausgebaut wird, zweck⸗ dienlicher, als es voraussichtlich geschehen würde, wenn in diesem hohen Hause auf Grund von Kompromissen ein Gesetz geschaffen würde, das schließlich keinen befriedigte. Die zweite Frage, meine Herren, die ja in unseren Erörterungen eine besondere Rolle gespielt hat und weiterhin spielen wird das ist der Tarifvertrag und das Verlangen nach einem Ginigungs. amt. Ja, meine Herren, auch über den Tarifvertrag haben wir ein— gehend gesprochen, und ich habe meine Auffassung darüber eingehend dargelegt. Ich habe, soweit ich mich erinnere, darauf hingewiesen daß ich in dem Tarifvertrag allerdings ein wesentliches Mittel sehe,

Meine Herres, sie dürfen nicht vergessen, daß der S 153 der Gewerbe⸗ ordnung an sich eine Verschärfung der Strafbestimmungen für diejenigen Delikte enthält, die aus Anlaß eines Streik; um mich einmal kurz auszudrücken begangen werden. Sie wissen, daß durch diesen Paragraphen insbesondere ohne Antrag des Beleidigten alle Be⸗ leidigungen verfolgt werden können, die zugefügt werden aus Anlaß eines Lohnkampfes, und es hat sich herausgestellt, daß diese Bestim— mungen vollständig genügen, um eine angemessene Bestrafung solcher Delikte herbeizuführen, vorausgesetzt, daß es gelingt, die Deliquenten zu fassen.

Die Schwierigkeit das ist ja von dieser Stelle wiederholt ausgesprochen liegt nicht darin, Gesetzesparagraphen zu machen die haben wir —, sondern die Schwierigkeit liegt darin, die Leute zu aassen, auf die diese Gesetzesparagraphen angewandt werden. (Heiterkeit) Deshalb bin ich der Meinung, daß auch ein Gesetz, das

und ich darf hinzufügen: wir werden auch bei der Lösung dieser Auf

gaben bestrebt sein, sie zu lösen nicht im Interesse einzelner oder zun

Schaden einer einzelnen Gruppe, sondern wir werden, wie wir daz

gewöhnt sind, auch hier versuchen, eine Lösung zu finden, die den ver

schiedenartigen Interessen und den politischen Bedürfnissen der All

gemeinheit gerecht wird. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum)

Abg. Freiherr von Gamp (Rp.): Ich möchte doch meinen 6 55.

daß der Verwallungsorganismus der Reichseinrichtungen eine Ver! . *

, 3 sehe . ö warum im Reichsamt des

2 Dem Rate ba ge d , (Schluß aus der Ersten Beilage,)

dent n ,, ,n, . Aufstellun Durch diesen Erwerb wird auch der Arbeiter in die Lage gesetzt, not=

den süngsten. Wahlen den ge r . 4 5 a wendige ebenemittel selbst z Produneren, Deh elbe. V um sohte

JJ . unterstützen und die Bundesstaaten dringend auffordern, selbst auf diesem Gebiete vorzugehen, wenn sie nicht gewärtigen wollen,

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

1912.

Berlin, Freitag, den 1 März

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Ich halte es doch für außerordentlich verant⸗ wortungsvoll, hier vor dem ganzen Lande zu erklären, daß die Unter⸗ stützungen, die für die Assistenten vorgesehen werden, bei weitem nicht ausreichen, und daß die Unterstützungen noch ganz erheblich erhöht werden müßten bis an die Höhe det jenigen Satzes, den die Assistenten im Reich als Gehalt beziehen. Ein solcher Ausspruch tut sich leichter,

der Remuneratlonen die berechtigten Ansprüche zu befriedigen versucht hat, ist in der Kommission nicht durchweg auf Billigung gestoßen. Vor allem sollte die Staatsregierung nicht davor zurückschrecken, die betreffenden Fonds zu erhöhen. Unser Antrag bezweckt nicht, die grundsätzlichen Fragen wieder aufßurollen, noch soll der endgültigen Regelung durch den Antrag vorgegriffen werden. Es sind bekanntlich zehn neue Stellen ausgeworfen, sodaß im ganzen 57 Vorsitzende von Veranlagungskommissionen im Etat stehen. Ueber die Art der Besetzung der neuen Stellen hoffen wir Auskunft zu er⸗

Auffassung des Kanzlers die richtige war, auch Graf Po ; ie wan, 0 adows hat in dieser Beziehung seine abweichende Meinung , .

gewerbliche Streitigkeiten zu verhindern oder hinauszuschieben. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, daß auch der Tarifvertrag nicht ein Instrument des absoluten Friedens ist, sondern daß er eigentlich nur einen bewaffneten Frieden, eine Waffenruhe schafft. Ich habe ferner darauf hingewtesen, daß ein solcher Tarifvertrag nur solange von Wert ist, als er beiden Teilen, Arbeitgebern und Arbeltnehmern genehm ist und nützt. Sodann habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß auch das Recht des Tartfvertrags durch die Judikatur des Reichsgerichts in einer fortschreitenden und nach meiner Ansicht erfreulich fortschreitenden Entwicklung gehalten wird und ich habe endlich darauf hingewiesen, meine Herren, daß jede ge⸗ setzliche Regelung des Tarifvertrags so lange bedeutungelos bleibt, als nicht die Korporationen, die Verbände, die hüben und drüben diese Verträge schließen, unbeschränkte Rechtsfähigkeit besitzen, und solange diese Korporationen nicht unter dem gemeinen Recht stehen, d. h. die⸗ jenigen Verpflichtungen haben, welche alle anderen Korporationen haben, nämlich die, daß sie mit ihrem Vermögen haften für das, was ihre Organe getan oder unterlassen haben. (Zuruf bel den National— liberalen: Rechtsfähigkeit der Berufsvereine) Ez wird mir eben zugerufen Rechtsfähigkeit der Berufsvereine'. Da der Herr Abg. Junck mich darauf aufmerksam macht, darf ich vielleicht bei diesem Wort wenige Augenblicke verweilen. Meine Herren, die Frage der Rechtsfähigkeit der Berufs⸗ vereine ist für mich immer besonders lehrreich, weill sie zeigt, wohin man mit verpaßten Gelegenheiten kommt. (Geiterkeit.) Wenn man die Berufevereine bei Emanation des Bürgerlichen Gesetz⸗· buchs den eingetragenen Vereinen gleichgestellt hätte, was damals nicht die geringsten Schwierigkeiten gemacht hätte, so würden wir jetzt einen nach meiner Ansicht einwandfreien und idealen Zustand haben. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen. Wir würden vor allen Dingen auch klagbare Tarifverträge haben, und wir würden in der Lage sein über vollstreckbare Tarifverträge zu verfügen. So lange aber diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, meine Herren, halte ich es für zweckmäßig, auch an den Tarifvertrag im Wege der Gesetzgebung nicht zu rühren, den Tarifvertrag, der ja einen Siegeszug eigentlich durch alle Gewerbebetriebe mit wenigen Ausnahmen gemacht hat, sich selbst zu überlassen und es der Judikatur des Reichsgerichts zu überlassen, das Recht des Tarifvertrags allmählich zu entwickeln. Ich habe oft gesagt und ich kann es nur bei dieser Gelegenheit wiederholen —: für alle Verhältnisse, wo es irgend tunlich ist, ist es förderlicher, die Ausbildung eines Rechtsinstituts der wirtschaftlichen Ent⸗ wicklung und der Judikatur der Gerichte zu überlassen, als in der— artige Fragen mit einem Gesetz hereinzufahren, das in den seltensten Fällen nach juristischen und ethischen Gesichtspunkten, sondern im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt politischer Machtverhältnisse zu⸗ stande kommt.

Und nun, meine Herren, hängt ja mit der Frage der Vollstreck= barkeit der Tarifverträge eng zusammen die Frage, ob wir Ein— richtungen treffen sollen, die als ständige Institutionen des Reiches berufen sind, Streitigkeiten, die über die Auslegung eines Tarifvertrages entstehen, zu begleichen oder die Arbeitgeber und Arbeitnehmerverbände, die sich über einen Tarifvertrag nicht einigen können, beim Abschluß eines Tarifvertrages zu unterstũtzen. Das würde im wesentlichen die Aufgabe der Einigungsämter seln, die ja wiederholt im Reichstage gefordert und mit einer ganzen Reihe von Gründen als zweckmäßig und nützlich hingestellt sind. Meine Herren, auch hierüber habe ich mich wiederholt geäußert, und ich kann nur

sich speziell mit dem Streikpostenstehen beschäfti t, ni = wendig ist. Alle Delikte, die ein Streikposten ö ö. , den verschärften Bestimmungen des 153 und werden nach der Praxis unserer Gerichte unnachsichtlich und mit relativ hohen Strafen ge—⸗ ahndet. (Unruhe bei den Sozialdemokraten) Dazu kommt, daß wir darũber hinaus in der Lage gewesen sind, durch Polizeiverordnungen über die Regelung des Verkehrs, deren Gültigkeit von allen Gerichten anerkannt ist, Ausschreitungen von Streikposten, welche die Ruhe und Ordnung, die Sicherheit des Verkehrs auf den Straßen stören, zu ahnden. .

Ich würde also dringend davor warnen, dem Uebel auf diesem Wege zu Leibe gehen zu wollen, ganz abgesehen davon, daß die Gesetz⸗ gebung anderer Staaten eher den entgegengesetzten Weg geht, als den von Ihnen gewünschten. Wobei ich bemerken möchte, daß auch andere Staaten zu denselben Ergebnissen gelangt sind, zu denen die ver— bündeten Regierungen mein Herr Amtsvorgänger, der hier vor mir sitzt, und ich immer wieder gekommen sind.

Nun gebe ich Ihnen aber zu, meine Herren, daß die Forderung eines Schutzes der Arbeitswilligen elner gewissen Berechtigung nicht entbehrt. Es handelt sich bei den Belästigungen der Arbeitswilligen durch die Angestellten und Angehörigen der Organisationen um das Symptom einer Entwickelung, die sich nicht bloß auf dem Gebiete der Arbeitskämpfe, sondern überhaupt in unserem wirtschaftlichen, in unserem öffentlichen und in unserem politischen Leben zeigt einer Erscheinung, die nicht bloß die Arbeiter betrifft, sondern die mehr oder weniger alle Kreise und alle Stände des Volkes berührt. Einer der Herren Redner ich glaube, es war der Herr Abg. Bassermann hat vorhin bei der Erörterung von Miltelstandsfragen darauf hin— gewiesen, daß wir uns in vieler Beziehung in einer Rückbildung der Verhältnisse befänden. Er hat darauf hingewiesen, daß jeʒt beinahe alle Parteien im Interesse des Mittelstandes und speziell des Handwerks Forderungen stellen, die noch vor 20 Jahren unvereinbar gewesen wären mit den damaligen Anschauungen über die Gewerbe— freiheit und mlt den damaligen Programmen fast aller politischen Parteien. Das ist ein ganz normaler Vorgang, ein Vorgang, der sich auf allen Gebieten wiederholt. Jede politische, jede wirtschaft⸗ liche Maßnahme schlägt zu weit aus; sie ist nicht bloß in der Lage ihre Vorteile, sie ist auch in der Lage, ihre Fehler zur Geltung zu bringen; und das führt dann naturgemäß zu Beschränkungen dessen, was man vor fünfzig Jahren als das Palladium der Freiheit, als das Palladium einer gefunden wirtschaftlichen Entwicklung an— gesehen hat.

Ich möchte um hier noch ein besonders interessantes Beispiel herauszugreifen auf die verschiedenen Vorstellungen hinweisen, die sich im Laufe des letzten Jahrhunderts über die Behandlung, die Mobilisierung des Grundeigentums entwickelt haben. Fünfzig Jahre lang ist unsere Gesetzgebung, sind unsere Politiker von der Vorstellung beherrscht gewesen, daß das Ideal einer wirtschaftlichen Ent⸗ wicklung wäre: eine Mobilisierung des Grundbesitzes, eine völlige Loslösung des Grundbesitzes von allen die Veräußerung und die Teilung einengenden Bedingungen. Meine Herren, wir sind längst zu anderen Auf— fassungen gekommen. Wir fangen an, die alte superficies in der Form des Erbbaurechts wieder erstehen zu lassen, und wir zerbrechen uns den Kopf, wie wir das Institut nutzbar machen können. Wenn man das vor 50 oder 60 Jahren einem Herrn der liberalen Parteien gesagt hätte, würde er mit der Achsel gezuckt und gesagt haben: wle ist das möglich!

Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich auf einem anderen Gebiete. Die Parlamente, die Gesetzgebung aus der Mitte des

Die, Beamten haben nach meiner Ansicht die Verpflichtung, für die Politik des Reichz einzutreten und in erster Reihe die Sozial demokratie zu bekämpfen. (Stürmischer Widerspruch links) Ich habe doch nicht die Verpflichtung, mich dieser Aufgabe in dem Wahlkampf zu unterziehen wie ein Beamter, der doch schließlich dafür bezahlt wird. (Stürmische Heiterkeit und Zurufe links.) Ich bedauere, daß nicht ein Präsident amtiert, der mich wirkfamer gegen diese Zurufe schützt. (Vizepräsident Do ve; Eine solche Kritik des Prä⸗ sidenten steht Ihnen nicht zu, und ich verbitte mir dies.) Durch seine Anweisung an die Beamten hat der Reichskanzler es geschchen lassen daß die Wahlen einen sehr viel ungünstigeren Charakter gehabt haben und den Sozialdemokraten in großem Umfange zugute gekommen sind Die Geschäftslage ist ja eine günstigere; aber aus hohen Dividenden einiger Großaktiengesellschaften den Schluß zu zieben, daß die Lage im allgemeinen günstiger geworden? sei ist doch nicht zulässig. Es gibt große Industriezweige, die an diesem Aufschwung keinen Anteil haben. Der Abg. Wurm hat die Be— seitigung der Frauenarbeit verlangt; ich mache ihn darauf aufmerksam daß die Textilindustrie sich ganz wesentlich einschränken müßte wenn die Frauenarbeit verboten würde. (Zuruf des Abg. W ur m.) Dann habe ich das also mißverstanden und konstatiere hier vor dem Lande daß der Abg. Wurm die Entfernung der Frauen aus den Fabriken nicht wünscht. Im Durchschnitt der Jahre hat die Rente der Landwirk. schaft auch noch nicht entfernt den Durchschnitt der Rente unserer sichersten Papiere erreicht, das kann ich bezeugen, über 409 ist der Ertrag nur selten, und die Landwirtschaft ist ja auch eins der gefãbr⸗ lichsten Gewerbe. Das Jahr 1911 war eines der besten innerhalb der beiden letzten Jahrzehnte, aber die vorher notwendig gewesenen Opfer haben die Rente auf eine Reihe von Jahren hinaus abforbiert Die Latifundienwirtschaft hat in keiner Zeit weniger Fortschritte ge⸗ macht als heute, vielmehr sind Hunderte und Taufende von Latifundien jzerschlagen worden, um Bauerngüter zu schaffen (Stürmische Rufe bei den Sozialdemokraten: Wo denn?) Gg sind allein 25 909 Rentengüter geschaffen worden; in Pioeiemern und Ost⸗ Preußen sind Ansiedlungsgesellschaften ins Leben getreten, die die Zerschlagung der Latifundien und die Schaffung von Bauernhöfen sich zur Aufgabe gemacht haben. Graf Posadowskv hat sich mit erhobener Stimme gegen das Bauernlegen erklärt; diese Zeiten find längst vor über. Von solchen Dingen sollte man hier doch in solchem Tone nicht reden; ich muß dem im Interesse des östlichen Grund— besitzes durchaus entgegentreten. Unter Weiterentwicklung der Sozialpolitik versteht hier im Hause jede Partel etwas anderes Bie Anträge der Sozialdemokraten saffen alles Paß und alle Befonnen— hat dermissen und unterscheiden sich von den Forderungen des Abg. Bassermann wie Feuer von Wasser. In der heutigen geit stellen fi weite Kreise in den Dienst der Wohltätigkeit und bringen den Ar eiterklassen ein großes Maß von Liebe und Charitas entgegen Es sind keine egoistischen Motive, die die Töchter Wohlbabe der veranlassen, in die Kinderheime einzutreten. (Zuruf links: Sport) = Wenn Sie glauben, daß diese Frauen das zum Vergnügen tun dann haben Sie keine Ahnung von den Dingen. Gewiß ist noch nicht alles, wie es sein soll; aber hat es früher eine Zeit gegeben, wo sich wie heute die Frauen zu Hunderten und Taufenden' einreiben in den Kampf gegen die Tuberkulose? Wag sollen da diese ge⸗ hasstgen Angiiffe? Die Sozialdemokraten haben abermals Wr be- auf Verkürzung der Arbeitszeit gestellt. Ja, wenn wir in Deutsch land ein abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet bildeten; aber unter den tatsächlichen Verbältnissen kann man das nicht zugestehen wir müssen auf das Ausland Rücksicht nehmen, oder aber die Arbeiter erhalten die Bewilligung ihrer Wäünsche, müssen dann aber die Kon sequenzen tragen. (Abg. Wurm: Wir wünschen ja internationale Verein- barungen.) Wir auch; aber die können nicht von Regierung zu Re zierun sondern die müssen von Arbeiterschaft zu Arbeiterschaft . Wenden Sie sich an Ihre Freunde in England, Amerika grant. reich und sorgen Sie zunächst dafür, daß dort die Industrle mit den sozialen Lasten versehen wird, die sie in Deutschland zu tragen hat. In England wird es ja jetzt anders kommen aber es ist auf die englischen Gesinnungsgenossen des Abg. Wurm wenig Verlaß; in der Budgetkommiffion habe ich daft: einen sehr bezeichnenden Beleg erhalten. Sie können doch nur der Landwirtschaft dankbar sein, daß sie die Viehproduktion so ge— steigert hat, daß sie fast den vollen Bedarf deckt. Alerdin as müssen Industrie und Landwirtschaft ausländische Arbeiter heran ziehen

den

sagen, daß ich meine Meinung in diesem Punkte im Laufe des letzten Jahres in nichts geändert habe. Ich bin der Ansicht, daß solche Instanzen, die eine Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern herbeiführen sollen, wenn nicht der Verhandlungszwang und nicht die Vollstreckbarkeit der Entscheidungen gegeben ist, zweckmäßig ad hoc gebildet werden, daß sie gebildet werden möglichst frei von dem Ein⸗ fluß der Behörde und ohne behördlichen Charakter, daß sie so ge— bildet werden, daß die Mitglieder und der Vorsitzende ihre Stellung nur für den betreffenden Fall erhalten und durch das Vertrauen beider Teile erhalten. Nur so gibt man! den Entscheldungen des Einigungẽe⸗ amtes, dem die Möglichkeit einer Vollstreckung seiner Entscheidungen nicht zusteht, das nötige Gewicht.

Ich bin wiederholt angegangen, bei der Bildung derartiger Einigungsämter mitzuwirken, ich habe dem gern entsprochen, ich werde das jederzeit gern wieder tun; ich habe meinerseits, soweit die Ver— wendung von Beamten in Frage gekommen ist, die dadurch ent⸗— stehenden Kosten aus meinem Geschäftsbedürfnisfonds entnommen; ich habe das hier schon wiederholt gesagt; es hat sich nie ein Widerspruch dagegen erhoben. Ich halte es für zweckmäßig, die Entwicklung dieser Sache so zu lassen, wie sie augenblicklich besteht. Sie können ver— sichert sein, daß, was an mir liegt, zur Förderung von Tarifverträgen alles mögliche geschehen wird.

Nun, meine Herren, ist eine besondere Forderung, die auf der einen Seite gestellt, auf der anderen Seite bekämpft wird, und die auch zusammenhängt mit den 152 und 163 der Gewerbeordnung, die Frage des Schutzes der Arbeitswilligen. Die Herren von der Rechten haben einen Antrag gestellt, man möge vor Emanation des neuen Strafgesetzbuches ein besonderes Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen erlassen. Meine Herren, es ist von en verbündeten Regierungen wiederholt der Auffassung Ausdruck gegeben, daß es eines solchen Gesetzes nicht bedarf lsehr richtig), und ich kann diese Auffassung nur bestätigen auf Grund der Eindrücke, die ich bei einer dauernden Bearbeltung dieser Sache, bei elner dauernden sorgsamen Kontrolle der

vorigen Jahrhunderts sind von der Vorstellung beherrscht gewesen, daß man dem einzelnen Staatsbürger, daß man dem Individuum volle Freiheit sichern müsse, und unter dieser Freiheit hat man eine Be⸗— freiung von der Bevormundung des Staates verstanden, eine Sicher— heit gegen Eingriffe des Staates in die wirtschaftliche und politische Be⸗ tätigung des einzelnen. Nun, meine Herren, diese Freiheit haben Sie im Deutschen Reiche in einem Maße erreicht, wie sie kaum in einem anderen Staate besteht.

Aber jetzt treten die Rückschläge ein. Etwas, was vor 50 Jahren niemand vorher gesehen hat, ist die Entwicklung des Koali—⸗ tionsgedankens, und in einer Ueberspannung des Koalitionsgedankens liegt eine Gefahr für die Freiheit des einzelnen (sehr richtig! rechts), für die wirtschaftliche und politische Freiheit des einzelnen, die viel größer ist als die Gefahr einer Beeinträchtigung der politischen und wirtschaftlichen Freiheit durch den Staat. Der Boykott aus wirtschaftlichen, aus politischen Gründen und dergl. ist eine Erscheinung, die auf diesem Boden gewachsen ist, und wir werden uns allerdings ernsthaft die Frage vorlegen müssen, ob die gesetzlichen Bestimmungen, die wir zum Schutze der persoönlichen Frelhelt gegen Uebergriffe des Staates erlassen haben, ausreichen gegen⸗ über den zunehmenden Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit durch die Organisationen. (Sehr richtig! rechts. Aber, meine Herren, das ist nicht eine Frage, die die Organisationen der Arbeiter allein haben entstehen lassen, sondern das ist eine Frage, die alle Organisationen betrifft (sehr richtig), eine Frage, die alle politischen Parteien betrifft; und auf dieser Grundlage werden wir allerdings an die Frage herantreten müssen, ob eine Veränderung der gesetzlichen Bestimmungen, die zum Schutze der persönlichen Freiheit bestehen, notwendig ist mit Rücksicht auf die inzwischen immer größer werdende Macht der Organisationen. (Sehr richtig! rechts.)

Sie sehen, meine Herren, daß wir nach wie vor entschlossen sind, nicht nur die überkommenen Aufgaben auf dem Gebiete der Sozial⸗ politik weiter zu fördern, sondern auch an neue Probleme heran—

einzelnen zu meiner Kenntnis gelangten Vorgänge gewonnen habe.

Wie würde es aber erst sein, wenn der Achtstundentag eingefü zürde? Graf Posadowsky sagte, die Staatssekretäre . in ern nn en, gebunden, sie müßten auf andere Ressorts Rücksicht nehmen. Ich inuß sagen: Gott sei Dank, daß es so ist. Der Staatssekretär hat, wi? ich anerkenne, sehr maßvoll gesprochen und sich von allen Extra⸗ baganzen fern gehalten. Er hätte allerdings auch derer gedenken sollen die ein Hauptverdienst an der Sozialpolltik gehabt haben, des alten Kaisers Wilhelm und des Fürsten Bismarck. Von einer Versicherung der Witwen und Waisen war schon die Rede, als an die So zial demokraten noch nicht gedacht wurde. Haben Sie (zu den So zial⸗ demokraten) nicht das Unfallgesetz zweimal zu Fall gebracht waren Die Freisinnigen nicht selne Gegner? Selbst ; den Nationalliberalen war ein solches sozialpolstisches

ständnis noch nicht zum Durchbruch gekommen; große

haben gegen die sozialpolitischen Gelen gestimmt.

Zunahme. der sozialdemokratischen Stimmen ist ei Sorge. Ich halte es nicht für nötig, auf dem Wege des Zwanges dle Sozialdemokratie zurüczudrängen. Aber ebensowen g ver⸗ spreche ich mir von einer Fortführung der Sozialpolitik in dieser Beziehung. Seit. zwanzig Jahren werden diese Gesetze gehäuft Tausende von Millionen werden für diese Zwecke ausgegeben aber die Sozialdemokratie wächst und wächst. Was müssen wir tun, um die nicht zielbewußten n n der Sozialdemokratie dieser zu entziehen? Es muß der Terror bekämpft werden. Der Staatssekretär agle es genügen dazu die bestehenden Gesetze. Er würde eine solche Auffassung nicht aussprechen, wenn er die Erbitterung der kleinen Gewerbetteihenden über den sozialdemokratischen Terror kennte. Die großen Betriebe können sich ja helfen. Was die Gesetzgebung kun kann und muß, ist, daß sie die Arbeiter schützt, die von Ihren Mit— arbeitern im Lande (ju den Sozialdemokraten) gehindert werden zu arbeiten. Der Staat hat da unter allen Umständen die Ver“ pflichtung, entgegenzutreten. Polizeiverordnungen müssen doch erst erlassen werden, sorgen Sie dafür, daß die Polizei auch da ist, um die Arbeiter zu schützen. Es heißt, daß Samburg und Sachsen im Bundesrat einen solchen Schutz verlangt haben. Hat Preußen durch seine Majorität die anderen Staaten zu einer Ab lehnung dieses Schutzes veranlaßt? Das zweite wirksame Mittel zur Zurückdrängung der Sozialdemokratie erblicke ich in der Seßhaftmachung der Arbeiter, auf die schon Fürst Bismarck selnerzeit in einem Erlaß hingewiesen hat. Gerade im Ruhrgebiet haben die Arbeiter das dringende Bedürfnis, sich ein Häuschen und Grund und Boden zu erwerben.

eine ernste

jutreten, die uns unsere wirtschaftliche und politische Entwicklung bietet,

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

daß ihnen von Reichs wegen die nötigen Direktiven gegeben werden. Ein weiteres Mittel zur Wiedererlangung von sozlaldemokratisch angekränkelten Arbeitern ist, daß wir diejenigen Kreise stärken, bei denen die Sozialdemokraten auf Stimmenfang ausgehen, die kleinen Gewerbetreibenden in Stadt und Land. Wir müssen das Klein⸗ gewerbe schützen, damit es widerstandsfählger wird gegen die Sozial demokratie. Früher sagte einmal der Oberbürge rmeister Baumbach, die Zeit des Handwerks sei vorüber. Heute hat der Freisinn seine Auffassung glücklicherweise geändert. Wir sind mit dem Zentrum und den Konservativen schon seit Jahren für das Hand- werk eingetreten. Unsere Wünsche über das Submissionswesen haben wir in einer Resolution detailliert niedergelegt. Unter⸗ streichen möchte ich aber das, was unser Parteifreund Rabardt über den Bauschwindel im Abgeordnetenhause gesagt hat. Wenn der Handelsminister Sydow selbst zugegeben hat, daß sich 264 Be⸗ schwerden als gerechtfertigt herausgestellt haben, so sollte er daraus doch den Anlaß nehmen, Schritte zu tun, damit der zweite Teil des Gesetzes über die Bauforderungen der Handwerker endlich in Kraft gesetzt wird. Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage des Geld. und Kreditwesens. In dieser Beziehung möchte ich das unterstützen, was neulich der Kollege Maver-Kaufbeuren gesagt hat. Die Reichsbank hat sich genötigt geseben, gegenüber den Großbanken hinsichtlich des Lombardverkehrs Maßregeln zu ergreifen, die diesen gewiß nicht gefallen haben. Wir haben schon früher darauf hin⸗ gewiesen, daß die Großbanken nicht liquide Mittel haben, und daß sie verpflichtet werden müßten, einen gewissen Prozentsatz bei der Reichsbank zu hinterlegen. Das Reichsamt des Innern sollte die Reichsbank in ihrem Kampfe gegen die Großbanken zum Besten der Allgemeinheit unterstützen. Es ist kein Zweifel, daß durch die große Inanspruchnahme der Bankmittel der Bankdiskont künsilich in die Höhe getrieben und der Hypothekenmarkt geschädigt wird. Hoffentlich wird sich der jetzige Reichsbankpräsident nicht wie sein Vorgänger durch die Großbanken einschüchtern lassen. Durch das Abwandern des Geldes nach dem Auslande wird das Volk geschädigt. Die Banken brauchen ihr Geld doch in der Haupt⸗ sache zu Spekulationszwecken, sie haben sich wiederholt als Agenten des Auslandes erwiesen.

Abg. Dr. Wil l⸗-Schlettstadt (Els. : Gegenüber den Angriffen auf den elsaß⸗lothringischen Landtag möchte ich ausdrücklich feststellen, daß die Budgetkommission der elsaß - lothringischen Zweiten Kammer bei ihrem Beschluß über die Ablehnung des Dispositions⸗ fonds lediglich ibr Budgetrecht ausgeübt hat. Jahrelang ist der Dispositionsfonds von 16 000 für das Kaiser Wilhelmdenkmal ver— wendet worden; eine nähere Einsicht in die wirklichen Verhältnisse bat man uns verweigert. Wenn der Landtag Mittel bewilligen soll, so darf er auch verlangen, daß ihm Rechenschait über die Ver⸗ wendung der Mittel gegeben wird. So ist der Konflikt gekommen. Wir konnen doch nicht, wie Graf Posadoweky es bezüglich der Militärforderungen verlangt hat, der Regierung blindlings vertrauen. So wie man kei uns in verschiedenen Ressorts gewirtschaftet hat, darf nicht weiter gewirtschaftet werden. Der Redner polemisiert dann noch gegen die nenlichen Ausführungen des Abg. Grafen Posadowsky in bejug auf die Haltung und Gesinnung der Elsaß Lothringer, ver— weist darauf, daß die Regierung die Sozialdemokraten auch bei den letzten Wahlen gehätschelt habe, und schließt mit der Ver sicherung, daß, wenn man die Elsaß⸗Lothringer so gut behandeln werde, wie ez zur Franzosenzeit gescheben war, sie auch das nötige Kontingent für Offizlere und Mannschaften des Reichsheeres und der Marine und für die Beamtenschaft stellen würden.

Nach persönlichen Bemerkungen der Abgg. Wurm, Ledebour und Freiherr von Gamp wird um 6 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Freitag 1 Uhr vertagt.

Preusdischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 26. Sitzung vom 29. Februar 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. Das Haus geht zur Beratung des Etats für die Ver⸗ waltung der direkten Steuern über. Die Diskussion über die Einnahmen aus der Ein⸗ kommensteuer, 352 500 000 6, wird mit der Besprechung der Ausgaben für die Einkommensteuerveranlagungs⸗ kom misfionen und Gewerbesteuerausschüsse verbunden. Der Ausgabetitel für diese Kommissionen und Ausschüsse führt neben 88I Steuersekretären 57 Vorsitzende und stellverkretende Vorsitzende auf. . Dazu liegt ein Antrag der Abgg. von Hennigs⸗ Techlin (kons.) und Wallenborn Gentr.) vor, Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende nur zu bestellen für Kreise, in denen der Umfang oder die Schwierigkeit des Veranlagungs⸗ bezirks die Wahrnehmung des Veranlagungsgeschäfts durch einen besonderen Beamten erfordert. . Referent der Budgetkommission ist der Abg. Schmedding (Zentr.), der beantragt, die Uebersicht der Ergebnisse der Ver⸗ anlagung zur Einkommensteuer für 1910 und 1911 und zur Ergänzungssteuer für 1908/1910 und 191111913 für durch Kenntnisnahme erledigt zu erklären. . Abg von Hennigs⸗Techlin (kons): Die Einkommensteuer und die Ergänzungssteuer haben sich in normaler Weise entwickelt; sie bringen zusammen jetzt 414 Millionen. Woran es liegt, daß der Er⸗ trag' der Besteuerung der juristischen Personen zurückgegangen ist, wird erft später erkannt werden können. Mit gutem Recht können wir in Anspruch nehmen, daß der Ausbau unseres direkten Steuersystems den Charakter sozialer Gerechtigkeit in hohem Maße an sich trägt, Dag heutige Steuerminimum wird angegriffen, es soll, weil z 1831 sest= gesetzt wurde, jetzt nach jwanzig Jahren den wirklichen Verhältnissen nicht mehr entsprechen. Ein ssarres Steuerminimum kann man allerdings nicht festbalten; ein Ausweg ist aber inzwischen durch das Kinder privileg gefunden worden. Ob im § 20 des Gesetzes noch welter gegangen werden kann, wird die Beratung in der Steuergesetz kommission erweisen. Die Ergänzungesteuer hat sich ebenfalls ent⸗ sprechend entwickelt. Zu bemängeln ist die Gestaltung des Rechts. mitte lverfahreng, die üoch immer nicht genügt., An Steuerstrafen für Steuerhinterztehung ist 1911 etwa 14 Million aufgekommen. Die Gebaltsfrage fur die Assistenten harrt auch hier noch einer be⸗

halten und werden danach unsere Stellungnahme bestimmen. Ueber

die Grundsätze, nach denen solche besonderen selbständigen Kommissare

als Vorsitzende bestellt werden, hat der Minister sich in der Kom

mission geäußert; wir haben diese Grundsätze in unseren Antrag auf—

genommen.

Finanzminister Dr. Lentze:

Meine Herren! Ich möchte nicht unterlassen, erhebliche Bedenken

gegen die Annahme des Antrags von Hennigs⸗Wallenborn hier vor⸗

zubringen. Der Antrag soll in Zukunft im Wege eines Etatsdispositivs

die Voraussetzungen schaffen, welche für die Anstellung besonderer

Veranlagungskommissare bei der Veranlagung zur Einkommensteuer vorliegen müssen. Meine Herren, das geht nach meiner Ueberzeugung schon etatsrechtlich nicht (sehr richtig! links); denn wenn ein Dispositiv in den Etat eingefügt werden soll, welches die Richtschnur für die Verausgabung bildet, dann müssen ganz positive, un“ zweideutige Merkmale vorliegen, nicht aber solche, welche in das Ermessen der betreffenden Behörde gestellt sind. Sobald nur Merkmale des Ermessens vorlegen, entsteht nachher leicht die unangenehme Folge, daß einmal Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Parlament entstehen können, daß aber auch zweitens was sehr viel schwerwiegender ist hinterher auch erhebliche Meinungkverschiedenbeiten zwischen der Regierung und der Ober— rechnungskammer entstehen. Die Oberrechnungskammer ist verpflichtet, alle Rechnungen nachzuprüfen und auch zu kontrollieren, ob tatsächlich die Voraussetzungen für die Verausgabung der einzelnen Positionen vorgelegen haben. Wenn nun die Verausgabung in das Ermessen einer Behörde gestellt ist, dann muß die Oberrechnungskammer selbstredend auch nachprüfen, ob das Ermessen auch zutreffend gewesen ist, und da man stets bei diesen Fragen zweierlei Melnung sein kann, so würde das dazu führen, daß die Oberrechnungskammer zum Teil in die Exekutive der Regierung hineingriffe, und schwere Differenzen entständen, die nicht im Interesse des Ganzen liegen.

Ich habe aber auch neben diesen etatsrechtlichen Bedenken erhebliche gesetzliche Bedenken. Meine Herren, nach dem Ein— kommensteuergesetz ist es der Regierung überlassen, zu bestimmen, wo Veranlagungskommissare angestellt werden sollen. Wenn nun durch einen solchen Etatsvermerk eine Einschränkung dieser Bestimmung vorgenommen wird, wenn bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, welche vorsehen, daß nur unter den und den Voraussetzungen ein Kommissar angestellt werden soll, dann wird die Regierung in ihrer freien Entschließung eingeengt (sehr richtig! linke), und er bedeutet daher auch zweitens einen Eingriff in die Exekutive der Regierung. (Sehr richtig! bei den National- liberalen Das Steuergesetz hat es der Exekutive der Regierung übertragen, in welchen Fällen der Veranlagungskommissar bestellt werden soll. Eine derartige Einschränkung durch ein Dispositiv des Etats würde zu gleicher Zeit eine Gesetzesänderung und auch einen Eingriff in die Exekutive der Regierung bedeuten. (Sehr wahr] Ich möchte nicht unterlassen, diese ernsten Bedenken hier zur Geltung zu bringen und Sie zu bitten, den Antrag lieber nicht anzunehmen. (Bravo! bei den Nationalliberalen.)

Abg. von dem Hagen Gentr.): Nach der Erklärung Tes Ministers können wir heute nicht zur Entscheidung kommen. Ich beantrage deshalb Zurückverweisung des Ausgabetitels, zu dem der Antrag vorliegt, an die Budgetkommission. .

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neu kirch (freikons): Ich bin auch der Meinung, daß eine Reihe der Bedenken, die der Minister erhoben hat, recht zutreffend sind, wenn auch meine Freunde in der Annahme des Antrages eine gel! erwünschte Entwicklung sehen würden, sowohl nach unserer Richtung bin, als auch für die konservative Partei. Ich möchte bitten, dem Antrage des Vorredners zu folgen und den Antrag an die Budgetkommission zurückzuverweisen.

Abg. Dr. Friedberg (ul.): Ich würde nichts dagegen haben, wenn der Antrag zurückverwiesen wird. Der Antrag würde tat⸗ sächlich in die Exekutive der Regierung eingreifen. Das. wäre eine Erweiterung der Befugnis der DOberrechnungskammer, die sich die Staatsregierung unter keinen Umständen gefallen lassen kann. Ebenfo ist auch klar, daß er im Widerspruch mit 8 130 des Ein⸗ kommensteuergesetzes steben würde. Danach steht es im Ermessen der Regierung, Vorsitzende der Veranlagungskommissionen zu ernennen. Eine derartige gesetzliche Bestimmung kann man unmöglich durch einen Ctatspermerk abändern. Dazu kommt, daß sich das Herren haus in einer ganz unmöglichen staatsrechtlichen Lage befinden würde. Wenn Sie durch einen Etatsvermerk das Gesetz abändern wollen, so schalten Sie das Herrenhaus als gesetzgeberischen Faktor aus, da das Herrenbaäus nur das Recht hat, den Giat im ganzen anzunehmen oder abzulehnen. Ich muß mich außerordentlich wundern, daß diesen Antrag eine Parten gestellt hat, die in dieser Zeit immer mit aller Schärfe betont, daß sie nicht das Recht des Parlaments zu Ungunsten der Regierung erweitern will. Hier liegt aber ein solcher Eingriff vor. Aus diesem Grunde würde ich es für das richtigste halten, wenn die Derren Antragsteller ihren Antrag zurückziehen. Sollten sie sich nicht dazu entschließen können, so würde die Verweisung an die Tommissien das beste sein, um dort die Rechtslage zu prüfen. Aber aus staatsrechtlichen Gründen sollte der Antrag überbaupt nicht aufrecht erbalten werden.

Abg. Gvßling (fortschr. Volksp): Die Ausfübrungen des Vorredners und des Finanzministers enthalten die Gründe, weshalb auch wir gegen den Antrag sind, der einen Eingriff in die Exekutive bedeutet. Ber Antrag könnte höchstens in die Etatserläuterungen aufgenommen werden, hätte dort aber auch keinen Zweck. Meine Freunde sehen in dem Antrag keine Hinneigung der Konservativen nach unserer Richtung. sondern dlelmehr den Versuch, der Ernennung der befonderen Steuerkommissare einen Riegel vorzuschieben. Meine Freunde lehnen den Antrag ab, auch wenn er der Kommission über⸗ wiefen werden follte. Der vorliegende Steueretgt zeigt, daß die Finanzlage sebr viel ginstiger ist, als in der Regel angenommen wird. Ver Eitrag der Einkommensteuer ist wieder um 4000 höher angesetzt, angesichts der günstigen Wirtschaftslage könnten 2 gut 5H oo mehr einstelln. Die Assistentenfrage ist nicht glü lich

elöst, der Unterstützungssonds muß so weit erhöht werden, daß alle

als er verwirklicht werden kann. Hoffnungen erregt, die nicht zu erfüllen sind. Im vorigen Jahre hat das hohe Haus, soviel ich mich erinnere, einstimmig beschlossen, es möchten Vorkehrungen getroffen werden, wonach den Assistenten ein Ausgleich gewährt würde, aber unter Aufrechterhaltung der Be— soldungsordnung. Besoldungsordnung aufrecht erhalten wollen, dann gab es aber gar keinen anderen Weg als den der Unterstützung; denn wenn man

(Sehr richtig! rechts) Es werden

Das war die Voraussetzung. Wenn wir die

sämtlichen Beamten gleichmäßig eine Aufbesserung gegeben hätte, so wäre das eine verschleierte Aenderung der Besoldungs⸗ ordnung, etwas gesetzlich Unzuläßliches gewesen. Es ließ sich daher in keiner anderen Weise ein Ausweg finden, welcher den Wünschen des hohen Hauses und der Assistenten gerecht würde, als der, eine Unter⸗ stützung zu normieren. Das Wort „Unterstützung“ sagt ja von vorn⸗ herein, daß die Unterstützung nicht allen gewährt werden kann, sondern nur bestimmten Beamten unter bestimmten Voraussetzungen; denn wenn man allen die Unterstützung gewährt, so wäre das wiederum eine verschleierte Abänderung der Besoldungsordnung. Infolgedessen war es für die Königliche Staatsregierung sehr schwierig, eine be⸗ stimmte Norm zu finden. Sie ist aber überzeugt, eine gute und richtige Norm gefunden zu haben und empfiehlt sie Ihnen zur Annahme. Die Assistenten können in dieser Hinsicht zufrieden sein. Ich habe allerdings gelesen, daß in verschiedenen Versammlungen von seiten der Assistenten erklärt worden ist, das wäre gar nichts, sie hätten Anspruch darauf, daß sie dasselbe Gehalt beziehen wie ihre Kollegen im Reiche, und sie müßten es als eine schwere Mißachtung und Benachteiligung betrachten, wenn die Gleichstellung nicht sofort herbeigeführt würde. Wie liegen denn nun die Dinge? Hier handelt es sich doch um eine vollständige Ver⸗ kennung der Tatsachen. Preußen hat seinerzeit seine Besoldungsord⸗ nung festgesetzt und hat es für angemessen erachtet, daß die Assistenten das Gehalt bekommen sollen, welches sie heute beziehen. Es kam dann das Reich und setzte in den unteren Stufen seine Assistenten etwas höher. Weil es nun sehr mißlich ist, wenn gleiche Beamten kategorien verschiedene Besoldungen beziehen, ist im hohen Hause der Wunsch laut geworden, es möchte ein gewisser Ausgleich getroffen werden. Einen Rechts, oder einen moralischen Anspruch haben die Assistenten darauf aber nicht. Ich möchte hier eine Parallele ziehen. Das Reich hat bei Festsetzung seiner Besoldungsordnung nicht überall die preußischen Sätze angenommen und ist z. B. in einem anderen Punkte auch von den preußischen Sätzen abgewichen. Es ist bei den vortragenden Räten im Reich eine höbere Besoldung fest⸗ gesetzt als in Preußen, und doch ist bei den vortragenden Räten in Preußen, obwohl sie dieselbe Arbeit zu leisten haben, niemals der Wunsch laut geworden, oder der Antrag gestellt worden, sie möchten ihren Kollegen im Reich gleich gestellt werden (Heiterkeit), weil es sonst eine Herabminderung ihres Ansehens und ihrer Schaffensfreudigkeit bedeute. Wenn dle vor⸗ tragenden Räte es hinnehmen, dann dürfen die Assistenten das auch tun, und es ist dann auch für diese keine Minderung des Ansehens. Ich möchte bitten, daß solche Anträge und Wünsche der Beamten, die über das Maß hinausgehen, in dem hohen Hause nicht unterstützt werden. Das ist für die Beamten nicht nützlich und auch für den Staat unzuträglich. (Bravo! rechts.)

Abg. Freiherr von Richthofen (kons.): Eine Aenderung des Einkommensteuergesetzes wird von uns nicht beabsichtigt, wir stimmen vielmehr dem Abg. Gyßling zu, daß in eine Etatsposition nicht hin⸗ eingebracht werden kann, was nur bei einer organischen Reform ge⸗ regelt werden könnte, prinzipiell beim Einkommensteuergesetz oder bei den Vorschlägen der Immediatkommission für die Verwaltungsresorm. Gerade wir möchten durch unseren Antrag festlegen, daß wir bei der Etatsberatung nicht prinzipiell den bisherigen Zustand ändern wollen, fondern nur in der Weise fortfahren wollen, wie es schen in den letzten Jahren bei der Gründung neuer Stellen für Vorsitzende von Veranlagungskommissionen geschehen ist, und zwar in Stadt und Land. Wir machen gar keinen Unterschied, ob es sich um die Vor— fitzenden in Landkreisen, also um Landräte, oder um Vor⸗ sißende in den Stadtkreisen, also Bürgermeister, handelt. Für beide Kategorien treffen die gleichen Voraussetzungen ju. Ber Vorwurf, als wollten wir eine gerechte Ein- schätzung verhindern, ist absolut unsachlich und unbegründet. Wir haben doch die Einkommensteuernovelle von 1908 mitgemacht, während gerade die Herren vom Freisinn gegen wesentliche Punkte der Novelle damals gestimmt haben, also nicht solche Verteidiger des Gesetzes gewefen sind. Wir haben auch die anderen Novellen mit. beraten und mitgeschaffen. Mein Freund von Hennigs hat bel der ersten Lesung der jetzt vorliegenden Novelle namens meiner Fraktion erklärt, daß wir den verschärften Strafbestimmungen zustimmen wollten, während gerade von der Linken Bedenken dagegen geltend gemacht wurden. Das beweist doch, daß wir eine gerechte und gleich⸗ mäßige Einschätzung durchaus wünschen und nicht daran denken, Bürgermeister oder Landräte, die Fehler begehen 86 in Schutz zu nehmen. Wir halten den Erlaß des Ministers des Janern, soweit er in der Presse veröffentlicht ist, für durchaus berechtigt, worin den untergebenen Beamten die strengste Gerechtigkeit und forgfältigste Prüfung des Materials zur Pflicht. gemacht wird. Wenn ein Landrat oder Bürgermeister seine Pflicht nicht täte, so hätte die Regierung doch Mittel genug, ihn zur Pflichterfüllung anzubalten. Es kommen also für unseren Antrag sachliche Gründe in Verracht. Wenn nur Perfönliche Gründe in einem seine Pflicht nicht erfüllenden Beamten liegen, so brauchte man nicht eine ganz neue Behörde zu organisieren, und wenn solche persönlichen Gründe nur in einer Stadt oder in einem Kreise vorliegen, so braucht man doch nicht einen besonderen Kommissar für mehrere Kreise zu ernennen, Eine sol naue! Beborde würde keine Erleichterung des Publikums herbeiführen. Wir wissen ja, wie immer von der Beyölkerung Widerspruch er⸗ hoben wird, wenn für mehrere Kreise eine Kreiskasse eingerichtet wird, weil das Publikum lieber nach seiner Kreisstadt als nach der Nachbarstadt in seinen Steuerangelegenheiten gehen will. Wir sind wiederholt von der Bevölkerung ersucht worden, nicht eine solche be⸗

ssistenten eine solche Zulage bekommen können, daß sie den

friedigenden Lösung; die Ark, wie die Verwallung auf dem Wege

Afsiftenten im Reich volllommen gleich stehen.

lastigende Srganisation für mehrere Kreise zu schaffen, sondern