6 von 1869 geschlagen hat, und kämpft einen Verzweiflungs⸗ ampf gegen das Großkapital— Dazu ist der Mittelstand durch die . Gesetzgebung schwer und schwerer belastet worden. nsere Gesetzgebung hat die Pflicht, die Handwerker in die Lage zu
setzen, diese Lasten auch zu tragen, Es muß ein Unterschied gemacht werden zwischen Groß und Kleinbetrieben, zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Landwirtschaft. Das gilt auch von der Sonn, tagsruhe. Der kleine Befähigungsnachweis ist indes ein kleines Ff. chen auf die große Wunde, die dem Handwerk durch die Gewerbefreiheit geschlagen worden ist; ihm muß der große Befãähi⸗ ingsnachweis wieder zugestanden werden. Die Her inb a heie hat die
. auch zu den Kosten der Ausbildung der Handwerkslehrlinge eizutragen, das ist eine Forderung der Gerechtigkeit, Was unter
der heutigen Gewerbeordnung und ihrem S 1 möglich ist, zeigt der im borigen Jahre zu einer Petition erörterte Fall, daß der 6jährige Inhaber eines Tapeziergeschäfts Konkurs gemacht hat. Es dursen nur Volljährige zur Ausübung eines Gewerbes zugelassen werden. S 1004 der Gewerbeordnung muß aufgehoben werden, denn er nimmt den Zwangsinnungen ein Recht, das den Kartellen und Syndi⸗ katen längst zugestanden ist. Das Installationsgewerbe kann nicht durch die großen Glektrizitatsgesellschaften monopolisiert werden. Wir verlangen ferner eine Staffelsteuer für die Großmühlen, um die kleinen Müller vor dem Ruin zu bewahren. In jedem Jahre gehen Hunderte von kleinen Mühlen ein; während noch vor wenigen Jahren hr Gewerbe rentabel war, hat auch auf diesem Gebiete das Groß⸗ kapital alles niedergetreten. Das gleiche trifft zu bei den Waren. hausern. Die Großbanken, die auch hinter diesen Etablissements stehen, sind eine große Gefahr für unser antes Wirtschaftsleben. Die Warenhäuser dehnen sich mit ihren Filialen über die gesamte Provinz aus. Hier muß eine kräftige Steuer entgegenwirken. Man 6 da von einer Erdrosselungssteuer; die wäre immer noch besser, als wenn Hunderte und Tausende kleiner Gewerbetreibenden um, ihre Gristenz gebracht werden. Auch die Wanderlager und Warenguktionen müssen durch gesetzgeberische Maßnahmen getroffen werden. Der Bau⸗ schwindel ist nur dadurch wirksam zu bekampfen, daß der zweite Teil des Gesetzes, betreffend die Sicherung der Bauforderungen, in Kraft gesetzt wird. Das soll großen Schwierigkeiten begegnen; inzwischen mögen sich die Handwerker die Männer recht genau ansehen, denen sie ihre Arbeit und ihre Materialien zur Verfügung stellen. Die Ge⸗ fangnisarbeit darf dem Freihandwerk nicht Konkurrenz machen; man soll die Gefangenen in der Moorkultur und bei der Urbarmachung von DOedländereien verwenden. Der Gewerbebetrieb der ausländischen Hausierer muß verboten werden. Der Freisinn hat immer noch nichts zugelernt, das lehrte uns die gestrige Rede seines Vertreters, wenigstens in bezug auf den Mittelstand. Es wird dem Handwerker das Mittel empfohlen, sich selber zu helfen. Warum soll er allein auf die Selbsthilfe perwiesen werden, nachdem man den anderen Ständen geholfen? Man muß den Mittelstand durch Gesetz auf eigene Füße stellen, dann wird er auck dem Großkapital die Spitze bieten können. Geschieht das nicht, so vird die Sozialdemokratie früher oder später den Reichstag erobern. Was der Handwerker von ihr zu halten hat, weiß er. Sie hat die Karten offen auf den Tisch gelegt. Ihre Konsumpereine sind eine zielbewußte Waffe, um dem Mittel⸗ sfand das Leben schwer zu machen und ihm das Wasser abzugraben. Auch die sozialdemokratischen Konsumpereine verkaufen nicht. weniger als die freien Gewerbetreibenden, sie arbeiten auf ihre Dividenden bin. Bedauerlich ist es, daß selbst Beamte in hohen Stellungen soꝛialdemokratischen Konsumvereinen angehören. Damit tragen sie zu Untergrabungen der Staatsordnung bei, und das sollten sie nicht tun. Es gibt auch unter den Beamten Leute, die die Politik so auf⸗ fassen, daß sie ihnen Vorteile bringt. Allerdings ist bei der letzten Besoldungsordnung für die Postunterbeamten und mittleren Beamten wenig herausgekommen. Revisionismus ist gefährlicher als der Monarchismus. Bürgerliche Partei werden Sie (u den So ial⸗ demokralen niemals. Wir müssen Sie herunterdrücken oder dabei zugrunde gehen. Die neuliche Bemerkung des Grafen Posadowsky mußte deshalb . bei den Sozialdemokraten erwecken. Tie Sozialdemokratie gibt vor, sie gehe nur gegen die Großen vor, nicht gegen bie Kleinen. Bebel hat in seinem Buch: Die Frau und der Sozialismus“ sich für die Beseiti⸗ . Erbrechts ausgesprochen.
Der Abg. David hat auf dem Breslauer Parteitage 1895 ein ÄUgrarprogramm vorgelegt. Es wurde eine Resolution angenommen, worin dies Programm zurück ewiesen wurde, weil es dem Gedanken bes Prihateigenkums Porschuß leiste. Der Abg. Südekum hat 1911 sich auch über das Privateigentum des Bauern ausgesprochen und gemeint, daß die Zeit kommen werde, wo das Eigentum an. Grund und Boden überflüssig und schädlich sein werde. Die berüchtigten Erbschaftssteuerantrage der Sozialdemokraten zeigen, wie die Partei den kleinen Leuten zu Hilfe kommt. Ein Antrag wollte nur Ein⸗ kommen bis 1000 „ steuerfrei lassen. Die Sozialdemokratie steht heute noch unter dem Banne der französischen Revolution. Ihre Brüderlichkeit ist charakterisiert durch den bekannten Spruch: Willst Du nicht mein Bruder sein, hau' ich Dir den Schädel ein! Wie Sie u den Sozialdemokraten) über die Persönlichkeit denken, zeigt Ihr Terror, der Boykott usw. Die Sozialdemokraten sind über den Aus⸗ fall der Wahlen in Ekstase geraten, man hat aber anderseits wieder abgewiegelt, das Proletariat müsse sich mit Geduld wappnen, ehe es die Geschicke des Reiches meistere. Nun, man hat ja den Wechsel schon öfter prolongiert. Der Zukunftsstaat ist schon in die Rüst⸗ kammer gestellt. Die Wahlen zeigen, wie ungeheuer der Einfluß der jüdischen Presse bei uns ist. lassensuggestion mittels der
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gung des Privateigentums und. des
Die M Erbschaftssteuer und der Steuern überhaupt und die Hetze der Linken haben ihren Zweck erreicht. Es gibt ja soviele Juden, daß sie eine eigene nationaljüdische Partei bilden könnten. Der Hansabund hat es erreicht, daß ein fremder Bestandteil in unserem Volke, der schon übermächtig ist — 100 Großiuden beherrschen heute unser ganzes Wirtschaftsleben — Leute findet, die ihm Vorspann leisten. Der Reichskanzler hat behauptet, die Regierung habe ihre Pflicht für bie Volksaufklärung im reichsten Maße getan. Er mag das glauben, aber die Parteien der Finanzreform sind gegenüber der Ullstein⸗ Mosse⸗ und Sonnemann⸗Presse nicht unterstützt worden. Wir brauchen Aufklärung. Bei Ihnen (links wäre die Aufklärung vergeblich, mancher lernt's nie, und auch dann noch unvollkommen gegenüber dem ungeheuren Volksbetrug durch die Presse der Linken, Dazu rufen wir die Regierung auf! Die Leute können nicht mehr sehen, wie sie früher gesehen haben. Gegenüber dieser Presse der Linken muß auch der stärkere Schutz der persönlichen Ehre verlangt werden. Wer sich heute in den Wahlkampf begibt, kann sich darauf ver⸗ lassen, im Dreck herumgeschleift zu werden. Der Marxismus ist gescheitert, auch die sozialdemokratische Gewerkschaftspresse hat das offen zugegeben. Die wichtigsten theoretischen Lehrsätze der Sozial- demokratie haben sich als unhaltbar herausgestellt; in den Kreisen der Parteiführer und in der politischen Arbeiterpresse ist der ⸗ Glaube daran geschwunden, Darauf gründen sich, auch unsere Zukunfts⸗ hoffnungen. Auf Grund einer ausgiebigen zielbewußten Mittelstands⸗ politik glauben wir zur Erhaltung des Volkes mit möglichst vielen . Existenzen beizutragen und es aufwärts zum Licht zu ühren.
Vijepräsident Dove bittet, sich in der weiteren Debatte tunlichst enger an das Gebiet des Etats des Reichsamts des Innern zu halten.
Abg. Br u bn (8. Reformp.) wird mit Zurufen von der sozial⸗ demokralischen Seite empfangen, auf die er erwidert: Ich habe die Herren, die mich beleidigt haben, vor Gericht gezogen, und da sind sie zu Kreuze gekrochen, fran, Sle den Abg. Liebknecht! Und jezt besizen Sie noch die reistigkeit, mich zu beleidigen! Bizepräfident Dope bezeichnet diesen Ausdruck als unzulässig.) Die Warenhäuser sind und bleiben eine ernste Gefahr für den Mittelstand; die Schädigung des Kleingewerbes und des Kaufmanng— standeg, die sie herbeigeführt haben, sst außerordentlich groß. Alle burgerlichen Parteien haben ein erhehliches Interesse daran, den selh⸗ ständigen Mittelstand zu erhalten. Die Beamteneinkaufgbereine, die Warenhäuser des Offiziervereins gehören auch bierher. Der Einkauf und Verkauf von landwirtschaftlichen Verbrauchsgegenständen durch
den Bund der Landwirte ist ja auch nicht ganz einwandfrei, wenn er über die landwirtschaftlichen Gebrauchsgegenstände hinausgeht, aber diese Einrichtung hat wenigstens dazu beigetragen, die jüdischen Händler in den kleinen Landstädten zurückzudrängen. Es soll ein neuer Gesetzentwurf ausgearbeitet worden sein, der die Sonntags verkaufezeit auf 3 Stunden herabsetzt. Ich halte das für die kleinen Städte für eine erhebliche Schädigung. Der Staat als Arbeitgeber muß mehr als bisher darauf bedacht sein, das Dandwerk durch Zuwendung von Aufträgen zu fördern. Die unteren Organe sollten die Anw'eisungen der Zentralbebörden mehr beachten. Auch im Submissionswesen herrschen große Uebel⸗ stände; es sollten bei den Vergebungen sachverständige Handwerker zugezogen werden. Erfreulich ist, daß auch die Nationalliberalen die schrankenlose Gewerbefreiheit nicht aufrecht erhalten wollen; sie haben ja auch für den kleinen Befähigungs nachweis gestimmt. Eine weitere Aufgabe ist die Hebung des Kredits für die Hand⸗ werker mit Hilfe der Reichsbank. Man hat bisher dem Hand— werke große Pflichten auferlegt, aber ihm wenig Rechte gegeben. Der zweite Teil des Gesetzes über bie Bauforderungen sollte endlich eingeführt werden. Daß die Hausbesitzer dagegen sind, ist begreiflich, sie wollen ihre leerstebenden Wohnungen vermieten. Aber es bestehen bei uns in den großen Städten überhaupt ungesunde Zustände. An der Zollpolitik wollen wir im Interesse der Landwirt— schaft und auch des Sandwerks und der Arbeiter festhalten. Aller⸗ dings kann nicht bestritten werden, daß heute noch der Großgrund. besitz in Schlesien und Sachsen kleine Bauerngehörte aufkauft. Auch in' der Gegend des Abg. von Gamp hat der Fiskus dies getan. Das mobile Kapital hat das Bestreben, ebenfalls Grund und Boden an sich zu bringen. Das Bestreben, die Landarbeiter anzusiedeln, muß gefördert werden. Ich senne Güter, in denen wolnische Arbeiter beiderlei Geschlechts zu 8 bis 16 in einem Raume beherhergt werden. Wenn man dagegen vorgeht, so heißt es, man hetzt. Das haben mir Großgrundbesitzer wiederholt gesagt. Die Ge⸗ haltsaufbesserungsforderungen der Beamten sind verständlich. Den Beainten ist das nicht gehalten worden, was der Reichstag ihnen einmütig versprochen hatte. Was den konservativen Antrag zum Schutz der Arbeitswilligen betrifft, so bin ich der Meinung, daß man Die Macht der Justiz nicht vermehren sollte. Die Polizei sollte an⸗ gewiesen werden, zum Schutze der Arbeitswilligen mehr einzutreten. Mit neuen erhöhten Strafen kann man die Sozialdemokratie nicht bekämpfen, man gibt ihr nur neuen Agitationsstoff. Der Abg. Basser⸗ mann meinte, der Boden für den Ausfall der letzten Wahlen sei durch dle Finanzreform vorbereitet gewesen. Nein, es war die übergroße Macht der jüdischen Presse, die das Wahlergebnis herbeigeführt bat. Es war die Pressenbetze. Wir Antisemiten haben nicht die Macht, dem jüdischen Großkapital entgegenzutreten. Sie vom Zentrum und die Kon⸗ servativen sollten ihrerseits diesen Kampf aufnehmen. Die Ablehnung des Gnadenfonds durch die Elsaß Lothringer könnte uns doch auf den Gedanken bringen, ob es richtig war, daß wir für die elsaß / lothringische Verfassung gestimmt haben. Wir müssen auf das dringendste ver⸗ langen, daß die verbündeten Regierungen dem Handwerk den Schutz angedeihen lassen, den es verdient.
Abg. Dr. Pieper Zentr.) : Die Awbeiterschutzgesetzgebung kann im großen und ganzen als abgeschlossen betrachtet werden. Sie hat auch die Haus arbeiter berücksichligt. Es war das Wert eines Menschen⸗ alters, geeignet, den sozialen Frieden zu sichern. Die Bevölkerung hat sich in dieses Gesetz eingelebt, in anderen Ländern ist man nicht so weit, nicht einmal die Sonntagsruhe bat man vollständig erreicht. Die Arbeitergesetzgebung hat unser Wirtschafisleben in keiner Weise geschädigt; auch die Rückwirkung auf das Familienleben, auf die heranwachsende Generation ist lediglich als eine günstige zu be zeichnen. Daß auf diesem Gebiete auch nach unserer Ansicht noch manches zu tun ist, beweisen die zahlreichen von uns eingebrachten Anträge. Ueber die Negelung der Sonntagsruhe gehe ich hinweg, weil ein bezüglicher Gesetzentwurf angekündigt ist. Das Nächste, was zu tun bleibt, ist wohl die Regelung der Konkurrenzklausel. Schon ig08 war sie in der großen Her Ge en un gsnodelle enthalten und s aber die verbündeten Regierungen erklärten die Neichstagsbeschlüsse für unannehmbar. Man hat inzwischen die Handelskammern befragt; ob auch die Ver⸗ bände der Angestellten, habe ich nie erfahren können. Die Privatbeamten dürfen nicht dem Reichstage allein überlassen, diese Nuß zu knacken, sie müssen selbst den Weg zu einem Kom⸗ promiß juchen, nachdem feststehbt, daß die Regierungen mit der ein⸗ fachen Abschaffung nicht eimverstanden sind. Die Angriffe auf die Verbände der technischen Beamten seitens der Unternehmerschaft halten wir für durchaus ungerechtfertigt, und sie können auch nicht damit entschuldigt werden, daß von gewisser Seite behauptet wird, diese Verbände lenkten allmählich in das rabikale Fahrwasser ein und nähmen langsam die Taktik der Gewerkschaften an. Die Arbeitszeit in den Kontoren betrifft ein weiterer Antrag; seit Jahren sind Er hebungen gepflogen, deren Resultate scheinen aber in irgend— welchen Archiven zu schlummern. Wie weit sind die Vor⸗ bereitungen für den Gesetzentwurf gedieben, durch den die Verhältnisse der Angestellten der Notare. Rechtsanwälte und Nechts⸗ sonsulenten geordnet werden sollen? Die Vorbereitungen für das Reichstheatergesetz sollten möglichst gefördert werden, damit der Schauspielerstand endlich auf eine Rechtsbasis gestellt wird. uf dem Gebiete der Regelung des Arbeirsverhältnisses der gewerb— lichen Arbeiter stehen jetzt noch die Reichsversicherungsordnung und das Hausarbeitegesetz im Vordergrunde. Wir bringen den Entwurf eines Arbeitskammergesetzes hier ein, wie ihn der letzte Reichstag formuliert hatte, nur daß wir einige Zugeständnisse bezüglich der Staatsarbeiter machen. Wir boffen, daß die nationalliberale Partei or früheres Widerstreben jetzt beiseite setzen und das Zustande⸗ kommen mit ermöglichen helfen wird. Die reichsgesetzliche Regelung des Bergrechts haben wir ebenfalls hier als Initiativantrag auf⸗ genommen. Ein weitergebendee Verbot der Nachtarbeit der Jugend⸗ lichen wünschen wir ebenfalls. Hier kommen vor allem die Glashütten und die Baubetriebe in Betracht. Diese Frage hat auch den inter⸗ nationalen Kongreß in Lugano 1919 beschänigt. Es sollen im Reichs⸗ amt des Innern Verhandlungen mit Arbeitern und Arbeitgebern über diese Frage gelegentlich der Erörterung über die Erneuerung der be⸗ züglichen Bundesratsverordnungen stattgefunden haben. Wenn die
von der Kommission erledigt;
Verordnungen in bezug auf den sanitären Maximalarbeitstag in Zu⸗ kunft durch die Zentrallandespolizeibehörden ergehen sollen und der Bundesrat sich auf die Fixierung von allgemeinen Normativ⸗ bestimmungen beschränkt, so werden wir dem nicht widersprechen, müssen dann aber voraussetzen, daß uns von Zeit zu Zeit auch über diese einzelstaatlichen Verordnungen Uebersichten gegeben werden, damit wir die weitere Durchführung des sanitären Maximalarbeitstages kontrollieren können. Die Sicherung und Förderung er genossen⸗ schaftlichen Selbsthilfe ist ebenfalls Gegenstand von Anträgen der Jentrumpartei, die sowobl dag Koalitiongrecht wie die Tarifverträge be. treffen. Gesetzliche und genossenschaftliche Selbsthilfe sind zum Schutze des Handwerks Hand in Hand gegangen. Ich erinnere an das, was man für die Handwerkerorganisationen, für die Innungen und für das Genossenschaftewesen getan bat, Für die Arbeiter muß aber noch manchs nachgeholt werden auf dem Gebiete der Koalitionsfreiheit. Es sst ja erfreukich, daß der Staatssekretär die Arbeitswilligen nicht durch Zvange mittel schüßen will. S 152 Absatz ? der Gewerbe⸗ ordnung ist aber ein Ausnahmẽegesetz, und seine Handhabung und Aus—⸗ legung ast eine verschiedene, je nachdem en sich um Arbeitgeber oder Arbeiter bandelt. Sollen wir weiter laufen lassen, daß in manchen Fällen der Gebrauch der Koalitionsfreiheit von Arbeitgebern verbindert wird? Wenn man die Arbeiterbewegung in fried⸗ lichere Bahnen leiten will, dann dürfen auch nicht derartige auf⸗ reizende Bestimmungen bestehen und derartige Rechte verbhinderungen vorkommen. Die Reform des deutschen Arbeiteriechts sellte ven Männern der Praxis und Wissenschaft geklärt und so die Durch⸗ bringung entsprechender Gese tze erleichtert werden; die Gesellschart für Sozlalieform hat in diesem Sinne sich verdient gemacht, ebenso der BPenische Juristentꝛg. Aber auch die Verbündeten Regierungen sollten diese Frage an die Spitze ihrer Fürsorge stellen. Die Aeußerung des Staattsekretors, daß die Regierung alles tun werde, um die
Tha beben Taliftkelttttzen z fötdern, kegt den Wunsch hahe
daß das Material an einer Stelle des Reichs amts des Innern gesammelt und den Interessen des Tarifvertrags nutzbar gemacht wird. Es müßte untersucht werden, welche Entwicklung die Tarifverträge nehmen, und die Resultate müßten weiten Freisen zugänglich gemacht werden. Wir baben noch vor einigen Jahren eine Denkschrift über das Kartellwesen erhalten. Tas Reichsamt des Innern sollte nicht bloß eingreifen, wenn es an⸗ gerufen wird, sondern auch seine Dienste freiwillig anbieten, we eine Hilfe notwendig ist, wenn Tarifverträge zu scheitern oder nicht zustande zu kommen drohen. Dazu würde zunächst ein Dezernat im Reichs amt des Innern genügen. Dag Reichs amt des Innern, das soziale Amt, wie man es genannt hat, darf bier nicht eine abwartende Stellung einnehmen, sondern muß die Initiative ergreifen. Man sollte über⸗ haupt die nötigen Gesetze nicht erst nach jahrzebntelangem Kampfe sich von den Sozialdemokraten abpressen lassen, nicht so lange warten, bis die Massen radikalisiert sind. Die Regierung sollte auf diesem Gebiete mit frischen Taten vorgehen. Um 6i“ Uhr wird Vertagung beschlossen.
Persönlich bemerkt der
Abg. Dr. Liebknecht (Soz): Der Abg. Bruhn hat meinen Namen genannt und behauptet, mein Klient und ich seien in einem von ihm angestrengten Beleidigungsprozeß zu Kreuze gekrochen und hätten ihr Bedauern ausgesprochen. Es ist allerdings ein Vergleich zustande gekommen, aber in demselben ist das Bedauein von uns ausdrücklich abgelehnt worden und ferner erklärt worden, daß aus dem Vergleich keine Folgerungen gezogen werden dürften. Nur weil der Fall Bruhn für alle anständigen Menschen längst erledigt war, haben wir uns zu diefem Vergleich bereit gefunden. Ich glaube, es ist überflüssig, sich mit diesem erledigten Manne üher⸗ Faupk noch zu befassen. (Große Unruhe rechts; Ruf: Un⸗ verschämt! Präsident Dr. Kaem pf rügt den Ausdruck. Der Abg. Bruhn versucht nun, sich noch an diesem Strohhalm aus dem Sumpf herauszuziehen.
Abg. Bruhn (d. Reformp.): Der Beklagte war in erster Instanz zu 700.6 Geldstrafe verurteilt worden, in der Strafkammerverhandlung wurde immerfort versucht auf mich einzureden, daß ich mich auf einen Ver⸗ gleich einließe. Ich tat es schließlich unter der Bedingung, daß das Bedauern ausgesprochen wurde. Zuerst war der Anwalt neines Gegners damit einverstanden als es aber zur Protokollierung kam, lehnte der Beklagte diesen Passus ab. Als dann weiter immer wieder auf mich vom Präsidenten eingeredet wurde, sagte ich schließlich, es ist mir egal. Der Abg. Dr. Liebknecht übernahm 1009 Kosten für meinen Anwalt und die Gerichtskosten. Wenn dem Abg. Dr. Liebknecht daran lag, die von dem Verklagten gegen mich in Tem betreffenden Artikel aufgestellten, mich schwer beleidigenden Behauptungen zu beweisen, hätte er Beweisanträge stellen müssen, er hat es aber nicht getan. Seit zwei Jahren bemühe ich mich, den Abg. Fischer vor den Richter zu ziehen, statt dessen verkriecht er sich wie auch jetzt der Abg. Wels hinter die Immunität. Und beute geht bier der Abg. Liebknecht mit solcher Frechheit gegen mich vor! (Präsident: Dieser Ausdruck ist rarlamentkarisch absolut unzulässig. — Stürmische Zurufe rechts: Und Liebknecht?! Er hat wiederholt gesagt, ich sei für alle anständigen Menschen erledigt!
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Ich habe von dem Gesagten nichts zurückzunehmen. Wem man mebr glauben will, dem Abg. Brubn oder mir, stelle ich dem Urteil des Haufez anheim. Von dem Be⸗ dauern, das allerdings in der ersten Fassung vorhanden war, babe sich nichts gehört, da ich erst nachträglich zum Termin erschien; ich habe sofort erklärt, daß davon keine Rede sein könne. Der Abg. Bruhn hat die Stirn gehabt (Präsident Kgem pf rügt diesen Aus⸗ druck. .. hat die Kübnheit gehabt, zu behaupten, daß ich vor Ge⸗ richt zu Kreuze gekrochen sei. Das ist eine faustdicke Unwahrheit.
f erklärt auch diesen Ausdruck für unzulässig.)
bei seiner Darlegung beharrt, Schluß nach 61 Uhr. vormsttag 11 Uhr. (Fortsetzung der Etatsberatung.)
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 2A. Sitzung vom 1. März 1912, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Das Haus setzt die zweite Beratung des haushaltsetats für das Rechnungs ja bei dem Spezialetat der Verwaltung der Zö und indirekten Steuern sort.
Zu den Einna hmen aus Vergütungen Reich für Kosten der Erhebung und waltung der Zölle und indirekten Steuern bemerkt
Abg. von Hennig tz ⸗Techlin (on. Der Zuschuß Preußens zu den Kosten der Einziehung der Neichssteuern wird immer größer. Nach den Angahen des Finanzministers gin der Budgetkommission be trägt der Zuschuß Preußens einschließlich der Pensionsleistung und der Ausgaben für Gebäude in letzten Jahre 13 8 Millionen. Da müssen feste Grundsätze gufgestellt werden, damit Preußen von diesem immer steigenden Zuschuß beter wird. Die besie Gelegen heit bietet sich jetzt, wo die süddeutschen Staaten eine anderweitige Regulierung der Verwaltungs kosten bei der Branntweinsteuer fordern. Wollen die süddeutschen Staaten dabei eine Erleichterung, dann mögen sie auch dazu helfen, daß der Zuschuß Preußens zu den Kosten der Einziehung der Reichssteuern erniedrigt wir.
Abg. Dr. Levy (nl) bemängelt es, daß auch Kommunen bei Schenkungen von Gemälden zur Zahlung der Schenkungssteuer ver⸗ pflichtet sind. Gin Gemälde, das einer Kommune geschenkt worden st, Pabe 60 000 M gekostet, bei Sinzurechnung der Zinsen habe sein Wert S0 000 ausgemacht; es sei aber mit 175 000 S für den Stempel herangezogen worden.
Finanzminister Dr. Lentze:
Die Erhebung des Schenkungsstempels erfolgt auf Grund eines Reichsgesetzes, und die preußische Verwaltung ist in diesem Falle nicht selbständig. sondern muß sich an das Reichsgesetz halten und für das Reich den Stempel erheben. Nun ist mir durchaus bekannt, daß viele Beschwerden über die Schenkungsstempel erhoben worden sind. Wir beachten diese Beschwerden und sammeln die Hauptbeschwerde⸗ punkte, um bei Gelegenheit, wenn es sich darum handelt, das Reichs⸗ erbschaftsstempelgesetz abzuändern, auch diese Beschwerden mit zur Geltung zu bringen. Nach Lage der Gesetzgebung sind wir leider außerstande, anders zu verfahren. Gerade auf dem Gebiet des Schenkungtstempels ergehen eine Reihe von Reichegerichtsentscheidungen, und diese müssen zugrunde gelegt werden.
Der Fall, den der Herr Vorredner angeführt hat, mag durchaus zutreffend seln, er ist mir nicht bekannt. Es läßt sich aber auch da nichts machen, denn an sich sind derartige Schenkungen an Museen schon privilegiert. An sich würde eine solche Schenkung 10, Stempel erfordern. Da sie aber zugunsten eines Museums erfolgt, beträgt der Stempel nur H oo, sofern das Schenkungsobjekt über 5000 S hinausgeht. Sonst ist es sogar stempelfrei. Wenn nun die Höhe des Wertes von Sachverständigen auf 1765 000 6 ge⸗ schätzt worden ist, so müssen die Sachverständigen das beurteilen. Nach Lage der Gesetzgebung läßt sich in diesem Fall kaum etwas
0 m
V Ver
machen. Es würde vielleicht angebracht sein, daß die Frage nochmals
aaarbeitet.
der Behörde vorgetragen wird und die Wertermittlung näher geprüft wird. Aber nach Lage der Gesetzgebung konnte das Erbschafte⸗ steueramt gar nicht anders, als den Stempel von 50 von der Summe zu erheben, welche schließlich als der Wert des geschenkten Gegenstandes ermittelt worden ist. Die Privatmuseen, denen derartige Kunstwerke geschenkt werden, müssen alljährlich in ihren Etat einen bestimmten Betrag für den Schenkungestempel einstellen. Das hilft ihnen nach dem neuen Stempelgesetz nichts. Mir ist auch eine Reihe von Museen bekannt, welche alljährlich solche Beträge in ihrem Etat haben. Es ist nun einmal bestimmt, daß auch solche Zuwendungen stempelpflichtig sind. Wenn die Museen die Zuwendungen annehmen wollen, dann müssen sie auch die reichsgesetzliche Last tragen.
Die Einnahmen werden bewilligt.
3zu den dauernden Ausgaben für die Be— amtenbesoldungen liegt eine Petition, betreffend die Auslegung der Bestimmungen über die Gewährung von Stellenzulagen an die Oberzollsekretäre, vor.
Sch 2. , m. mission . Berichterstatter Abg. Schmedding, beantragt, über die Petition zur Tages⸗ ordnung überzugehen.
Abg. Dr. Friedberg (al.): Die technischen Zollbeamten be—
drfen einer guten Ausbildung; denn sie müssen bei der Zollerhebung Gntscheidungen auf den verschiedenen Gebieten der Industrie treffen
können. Die Ausbildungszeit ist herabgesetzt worden; die Ausbildungs.
kurse betrugen früher sechs, jetzt nur vier Monate. Meine Freunde
meinen aber, daß die Anforderungen an die technischen Kenntnisse dieser
Beamten nicht geringer geworden, sondern noch gewachsen sind. Die Ausbildungsanstalten für die Zollbeamten sollten zu Akademien aus- gestaltet werden. Durch das Erfordernis des Abiturienteneramens fönnte ihre soziale Stellung gehoben werden; sie müssen aus den übrigen Beamten herausgehoben werden. .
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Die mittleren Beamten der Zollverwaltung erstreben seit längerer Zeit, daß als Vorbedingung für ihre Annahme ien, , . re, . werden möchte. In den früheren Jahr ech einen Ministerialerlaß zum Ausdruck gebracht
worden, daß es an sich wünschenswert wäre, wenn die Bewerber das
Abiturientenexamen abgelegt hätten; aber nachdem die Erfahrung ge⸗ lehrt hatte, daß auch diejenigen Beamten, welche das Abiturienten eramen nicht abgelegt hatten, ihren Dienst in derselben Weise wahr⸗ zunebmen verstanden, ist diese strengere Beftimmung nicht mehr ge⸗ handhabt, sondern nur verlangt, daß das Zeugnis für die Oberprima maßgebend sein soll. Mit dieser Vorbildung bat die Zollverwaltung bisher durchaus gute Erfahrungen gemacht; es hat sich durchaus nicht erwiesen, daß die Beamten, welche das Abiturienteneramen abgelegt hatten, besseres leisteten als diejenigen, welche das Zeugnis für die Oberprima hatten. Infolgedessen kann aus dienstlichen Gründen nicht anerkannt werden, daß das Abiturientenexamen für den Eintritt in die mlttlere Zollkarriere notwendig sei.
Meine Herren, ein solches Verlangen hat natürlich, obschon es
nich ; ; j Hi nicht klar zum Ausdruck gebracht wird, einen materiellen Hintergrund.
Merry 15 * * z 1 z Denn alle Beamten, welche das Abiturientenerxamen als Vorbedingung
z zkRre M, . 1 ir ihre Annabme haben, werden auf die Dauer ganz obne Frage
fi böhere Gehaltsansprüche stellen als diejenigen Beamten, von denen
das Abiturientenexamen nicht verlangt wird. Infolgedessen muß die Staatsregierung, so gern sie den Wünschen der Beamten entgegen⸗ käme, sich doch immer fragen: ist es im Interesse des Dienstes not-
wendig oder nicht? Wenn es nicht notwendig ist, muß sie die Wünsche ablehnen.
; Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Friedberg hat gesagt, diese Vorbedingung, daß das Ablturienteneramen abgelegt sein müsse, liege besonders im Interesse von Handel und Industrie; denn Handel
und Industrie seien durch die Maßnahmen der Zollbeamten ganz be
sonders in Mitleidenschaft gezogen. Meine Herren, gewiß! Alle be⸗ rechtigten Wünsche und Anforderungen, welche Handel und Industrie in
. diesen wichtigen Dienstgeschäften stellen müssen, sollen berücksichtigt werden. Aber, wie ich vorhin schon erwähnt babe, die Praxis hat
gezeigt, daß die Ablegung des Abiturientenerxamens in keiner Weise DO
besser Leistungen hervorgerufen hat als das Zeugnis für Oberprima. Dann hat der Herr Abg. Dr. Friedberg gesagt, die bisherige
Auebildung der Zollbeamten sei nicht ausreichend, es sei notwendig /
daß die Ausbildungskurse, die für die Beamten in Berlin abgehalten e e, . erheblich verlängert würden, es müsse auch das, was auf der Ausbildungtanstalt gelehrt wird, erweltert werden, sodaß diese Anstalt eine Art Akademie werden müßte. Dleses Verlangen ist nach Ansicht der Zollverwaltung in der Praxis undurchführbar. Die Beamten baben in dem Dienst mit unzäbligen Tarifstellen zu tun; bei zahl— losen einelnen Waren sollen sie prüfen, ob die Ware unter den oder den Tarif fällt, und da ist es ganz unmöglich, für jede einzelne Tarif⸗ stelle die Beamten zu Spezialsachverständigen vorzubilden. Sie würden eine geschlossene chemische Bildung baben müssen, die nicht in zwei Semestern erreicht werden kann; außerdem würden sie eine tech⸗
nologische Ausbildung haben müssen, die wiederum eine ganze Reihe
von Semestern erfordert. Wenn ein Beamter prüfen soll, wie die chemische Zusammensetzung einer Ware ist, oder wie ein Garn tech⸗ nolooisch zu beurteilen ist, dann gebört eine größere wissenschaftliche Ausbildung dazu, als sie in zwei Semestern erworben werden kann. Die Beamten müssen zu unterscheiden vermögen, ob ein Zweifels⸗ fall vorliegt oder nicht; wenn sie sinden, daß ein Zweifelsfall vor⸗ liegt, so wird dieser durchgebildeten Sachverständigen vorgelegt, die auf diesem Gebiete ganz besonders sachyerständig sind. Infolge dessen würde es eine Ueberspannung sein, wenn man den Beamten eine so umfaängliche chemische und technologische Aubildung zuteil werden lassen wollte.
Der Herr Abg. Dr. Friedberg hat dann darauf hingewiesen, daß
die Ausbildungskurse früher 6 Monate gedauert hätten und jetzt nur
ö Monate. Das ist durchaus zutreffend. Dle Zollverwaltung ist aber azu gekommen, die Kurse zusammenzuziehen, well sie erkannte, daß, wenn der Kursus 6 Monate dauerte, die Herren nicht genügend bei den Kursen beschäftigt waren. Dle Herren glaubten zum Teil, sie konnten auch Berlin dabei mitgenteßen; sie ließen ibre Frauen oder Angehörigen nachkommen, und dann wurde weniger ge⸗ e. Wenn der FKursus aber nur 4 Monate dauert — das at die Erfahrung gelehrt — dann werden die Beamten voll
he f erangenommen, und sie haben von den Kursen einen viel größeren
Erfolg. Melne Herren, die von Herrn Dr. Friedberg befürwortete Anstalt
. 26 auch das Bedürfnis weit übersteigen; denn von allen mittleren ö ö beamten, die die Anstalt besuchen, ven den Oberlontrolleuren,
werden nur 190 Oberkontrolleure bei der Zollabfertigung beschäftigt, wabrend S90 im sonstigen Steuerdienst tätig werden müssen. Also dafür. daß 190 bei der Zollabfertigung tätig werden, sollen noch S860 für denselben Zweig mitausgeblldet werden, obwohl sie ibn nicht nötig haben. Meine Herren, es würde doch eine sehr kostspielige Veran, staltung werden, wenn ein derartiges Institut eingeführt würde, und es würde die Ausbildung der Zollbeamten in einer Weise ausgedehnt un dertenert werden, daß sie mit dem wirklichen Nutzeffekt hinterher in gar keinem Verhältnis stände. Jnfolgedessen bat die Zollver⸗ waltung und die Königliche Staatsregierung sich nicht daju verstehen können, an den bisherigen Verhältnissen etwas ju ändern. Die Staatsregierung ist der Ueberzeugung, daß tatsächlich mit der bis herigen Ausbildung der Zollbeamten alles geleistet werden kann. Die Regierung hat ebenso wie die Industrie und der Handel ein leb⸗ haftes Interesse daran, daß richtig tarlfiert wird, und wenn Industrie und Handel Beschwerden und Bedenken haben, die sich auf die Aus⸗ bildung der Zollbeamten stützen, dann möchte ich dringend darum bitten, daß sie sich mit uns in Verbindung setzen. Wir sind gern bereit, alle Beschwerden und Wünsche näher anzuhören und zu prüfen und Wünsche und Vorschläge von ihnen entgegenzunehmen. Aber allgemesne Klagen, die gar nicht weiter substantiiert sind, können uns nicht davon überzeugen, daß an dem bisherigen Verfahren etwas ab⸗ änderungsbedürftig ist. .
* . . . b W ol lkowski (kon): Ich danke dem Minister dafür, daß der Wohnungsgeldzuẽschuß der Oberzollfekretäre in diesem Erat erhöht it; damit ist ein alter Wunsch, den ich auch im vorigen Jahre zum Ausdruck gebracht habe, erfüllt worden. Dagegen empfehle ich noch die vorliegende Petition zur Berxücksichtigung. Bei den Oberzoll⸗ direklionen ist es schwer, die Beamten des Bureaupersonals dauernd in dieser Stellung zu erhalten, weil es an jeder Aufrückungsmöglich⸗ keit fehlt, und weil die Oberzollkontrolleure um 300 * im Gebalt besser steben als die Bureaubeamten der Oberzolldirektionen, Infolge⸗ dessen findet eine förmliche Flucht dieser Beamten aus den Direktiznen stait, wie es nicht im Interesse einer geordneten Dienstabwicklung liegt. Eine Aenderung in der Organisation der Oberjoll⸗ diretionen würde in gleichem Maße dem. Dienste, wie den Beamten nützen. Die Assistenten müssen in allen preußischen Ver⸗ waltungen denen im Reiche gleichgestelltꝛ werden, wie es für die Eisenbahnassistenten zunächst geschehen soll. Wenn auch dafür die Form der Unterstützungen gewählt ist, so ist mir doch der Sperling in der Hand lieber, als die Taube auf dem Dache, und ich hoffe, daß auch die Zollassistenten dieser Ansicht sein werden. Aufgabe der bürgerlichen Parteien muß es sein, dafür zu sorgen, daß die Zu— friedenheit in der Beamtenschaft nicht noch mehr erschüttert wird. ⸗ Abg: Ma iß (Zentr.); Es ist zu bedauern, daß man in der Kommission über die Petition der Oberzollsekretäͤre um Gewäbrung von Stellenzulagen zur Tagegordnung übergegangen ist. Es kommt ojt vor, daß jüngere Beamte ein höheres 5 bezieben, als die älteren. Ich möchte des halh dringend bitten, daß der Minister die Ober ollsekretãre bei den Stempelsteuerämtern bel der Gewährung bon Stellenzulagen nicht übergebt. Der Staat hat ein lebbaftes Interesse daran, daß die Arbeitslust dieser Beamten nicht berunter⸗ gedrückt wird. . . He in e nl): Die Zollkontrolleure stehen gegenüber anderen Der ten derselhen Kategorie weit zurück. Vielleicht kann ihnen zum Ausgleich der Wohnungsgeldzuschuß für mittlere Beamte gewahrt werden, falls dies aber nicht zu erreichen sein sollte, eine Dienst⸗ aufwandsentschädigung. Abg. Del ius (fortschr. Volkẽp.): Die Lage der Zollaufseher ist in jeder Beziehung verbesserungebedürftig. Auch ihre Wünsche nach besserer Ausbildung sind voll zu unterstũůtzen.
Generaldirektor der Zölle und ndireklen Steuern K 5hler: Daß unsere mittleren Steuerbeamten jetzt wissenschastlich schlechter aus gebildet sein sollen, kann ich nicht anerkennen. Als früher der Erlaß des Finanzministers vorschrieb, daß vorzugs weise Abiturienten genommen werden sollten, haben kaum mehr als 7D ah der Suvernumerare diese Anforderung erfüllt. In neuerer Zeit ist ein entscheidender Wert auf das Abiturientenexamen nicht mehr gelegt worden; nichts⸗ destoweniger sind 50 bis 69 oo der Anwärter doch mit dem Äbtturien enzeugnis versehen. Gewiß ist es für eine Anzahl von Stellen erwünscht, wenn die Anwärter das Abiturientenzeugnis haben, aber auf vielen Stellen reicht das Zeugnis für Obemrima vollkommen aus. Eine Atademie würde geringen Nutzen haben, da es unmöglich wäre, die Beamten, die die Akademie besucht haben, in der prakftischen Ausübung ihrer erworbenen Kenntnisse zu erhalten. Eine Verschlechterung der Ausbildung tritt durch die Verkürzung. der Kurse nicht ein. Daß diese Verkürzung möglich war, ist auf unsere praktischen Erfabrungen zurückzuführen. Das Ävan gement der mittleren Steuerbeamten ist nicht schlechter ge⸗ worden. Die Erfüllung der Wünsche der Jollaufseber, soweit sie sich auf die Versetzung in eine höhere Besoldungsklaffe beziehen, ist voll= ständig unmöglich. Man kann nicht eine einzelne Beamtenklasse berausgreifen, ohne daß sofort viele andere Beamtenklassen ent⸗ sprechende Wünsche äußern. Ebenso ausgeschlossen ist es auch, den Zollaufsehern den Wohnungsgeldzuschuß der mittleren Beamten zu gewähren, auch können wir nicht erhöhtes Kleidergeld geben.
Abg. Wol ltows ki skons. bemerkt zu der Petition der Ober⸗ zollsekretäre noch, daß er seinerzeit bei Beratung der Besoldungs⸗ ordnung schon dafür eingetreten sei, daß der dienstälteren Hälfte der Oberzollsekretäre eine Stellenzulage von 300 M gegeben werde.
Das Haus geht über die Petition nach dem Kommissions⸗ antrag zur Tagesordnung über.
Die dauernden Ausgaben werden bewilligt, ebenso ohne Debatte die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben.
Es folgt der Etat der Lotterieverwaltung.
Die Einnahme aus dem Absatz der Lose beträgt nach dem Etatsentwurf 117 694 009 66. Die Kommission hat in⸗ folge des Hinzutritts von Bayern, Württemberg und Baden zum bisherigen Absatzgebiet den Etat umgearbeitet und die Einnahme mit 131 274 000 6 angesetzt.
Von dem Abg. von Ditfurth (kons.) liegt der An⸗ trag vor: q
; „Die Regierung wird ersucht, unter Wahrung des eigentlichen Jwecler der pPreußisch süddeut chen Klassenlotterie eine erhebliche Vermebrung folcher Einnehmerstellen herbeizuführen, die
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verabschtedeten Offizieren übertragen werden.
Abg. von Ditfurth (kons.) befürwortet den Antrag damit, daß nur 60 Einnebmerstellen von ebemaligen Offizieren versehen würden, denen ho kaufmännische Stellen gegenüberständen. Die Regierung babe 1066 Stellen für Offiziere schäsffen wallen, aber auch das sei nicht genügend, es sollte eiwa die Hälfte oder wenigstens ein Drittel der Stellen den DOffijieren vorbehalten werden. Die Anzahl der Lose für die einzelnen Stellen sei so beschränkt, daß auf die Iffizierstellen im ganzen nur 0 00. Kose entfallen, während auf die Kaufleute fast 300 000 Lose entfallen. Selbstverstandlich seien die Einnabmen bei den Kaufleuten viel höher, es seien Finkommen von 15090 bis 18 000 60 vorhanden, das sei das Ge⸗ bait eines Divistonskommandeurg eder Lines Ministerialdireltors. Bei den Offizieren könnten wegen der beschränkten Zahl ihrer Lose i Einkommen niemals vorkommen. Allerdings sollte berück⸗= ichtigt werden, daß es sich bet den Offisteren nur um eine Zubuße zur 2. hanbeln? solle. Man Knnte die großen. anz. männischen Kollekten teilen und einen Teil davon den Offizieren zuwenden. Mit den großen Kollekten gehe es wie mit den Waren bäufern; wo fie feien. laufe das Publikum bin, sie zögen alles
an sich. Wenn die kleinen Kollekten vermehrt würden, würde der
Absatz der Lose keineswegs leiden. keine Wohltätigkeit anstalt. sein, aber sie könne doch im Nebenamt wohltätig wirken. Auch in den kleineren deutschen Staaten sollten die Ginnehmerstellen den Offizieren 1ugänglich gemacht werden, denn die Offizigre kämen doch auch aus allen deutschen Staaten. Wenn auch diese Stellen weniger abwerfen würden, so wären sie doch besier Als gar keine, und die Oifiziere würden damit zufrieden sein. Die Kautlonen, die für Lie Einnehmerstellen in Reichs oder Staats⸗ papieren verlangt würden, seien eine große Erschwerung; sehr viele . gar nicht in der Lage, diese Kaution aus eigenen Mitteln zu ste en, und getade bei diesen Papieren sei mit Zinsverlusten zu rechnen, Kier. sollte eine Erleichterung für die unterstützunqs= bedürftigen Offiziere eintreten, und man könnte sich auch mit einem sicheren Bürgen zufrieden geben. Wo Unregelmäßigkeiten vor⸗ kämen, müsse, natürlich die Gianebmerstelle rücksichtßlos entzogen werden. Die Besserstellung der Offiziere diene zur Erhaltung eines tüchtigen Offizierkom s; sonst ständen wir vor einer Gefahr, die . . J e, schwarze Gefahr aus Mars klo. Die Se iege also im Interesse ni sowo 8 ei i . J sse nicht sowobl des einzelnen wie der räͤsident der Generallotteriedirektion Dr. Lewald: D = trage steht die Lotteriedirektign wohlwollend 22, die Wünsche verabschiedeter Offiziere nach solchen Stellen hat ent⸗ gegennehmen können, hat einen Einblick in so viel — ich will nicht sagen Not, aber in so viel Sorge tun können, daß er nur wünschen muß, die helfende Hand bieten zu können; aber über dieses subjektive Moment hinaus ist sich die Lotterieverwaltung auch durchaus der großen Aufgabe bewußt, an ihrem bescheidenen Teil nach Krãsten in der Fürsorge für die Offiztere zur Erhaltung der Schlagfertigkeit unseres Heeres mitzuwirken. Sie können voersichert en daß diese beiden maßgebenden Gesichtspunkte bei uns dem volisten Verstandnis begegnen. Aber der. Wunsch zu helfen findet selbstverständlich seine Grenze in der harten Notwendigkeit die Einnahme der Lotterieverwaltung nicht abbröckeln zu laffen, die gegenwartig besonders groß ist, weil wir durch den Hinzutritt der anderen Lotterien im Loseabsatz größere Schwierigkeiten haben. Bei aller Anerkennung der Tüchtigkeit der Offiziere und ihres Eifers mit dem sie sich dieser Aufgabe widmen, muß man doch sagen daß im großen und ganzen die kaufmännischen Einrichtungen viel mehr leisten können. Die mittleren und größeren Bankiers und die wohl⸗ habenden angesehenen Gewerbetreibenden sind in der Lage, ohne Nellame durch ibre Geschãfts verbindungen und den täglichen Verkehr mit ihren Kunden für den Ahsatz der Stagtelose wirksamer tätig zu sein, als ein Offizier. Dieser kommt vielleicht aus Metz und bekommt eine Einnehmeistelle in Memel oder Königsberg, er kommt da fremd hin, Propaganda darf er nicht machen, denn diese ist im Interesse des Ansehens unserer Lotterie streng verboten, und so wird ihm schwieriger.
Allerdings solle die Lotterie
n,, natürlich der Absatz der Lose wiel . 3 die sogenannten gesetzten Kollekten, die einen sfesten Aba zaben, und die sogengnnten spielerfreien Kollekten; es besteht der Grundsatz, daß wir Offizieren spielerfreie Kollekten üherhaupt nicht geben, weil diese Kollekten nach der Erfahrung größere Schwierig⸗ keiten beim Absatz der Lose machen. Die Herren müssen dann Kaution stellen, die fie, amortisieren und verzinsen müssen, sie müssen Schreibhilfe haben, und da können leicht in den spielerfreien Kellekten Ausgaben erwachsen, die sie nicht decken können. Also muß sich die Finanzverwaltung eine gewisse Reserve bei der Vermehrung der Einnehmerstellen auferlegen. Aber ich kann versichern . daß wir die Gelegenheit gern benutzen werden, wenn eine grnßere kauf⸗ männische Kollekte zerschlagen und in kleinere Offizierskollekten zerteilt werden kann. Wenn die großen Kollekten bemängelt sind, so borgen wir zwar dafür, daß die Kollekten nicht zu groß werden, aber der Loseabsatz ist doch die Hauptsache, und wenn ein Kaufmann erklärt ein paar hundert Lose mebr absetzen zu können, so müssen wir sie ihm geben. Soweit es aber in unseren Kräften steht, werden wir dem äußerten Wunsche entgegenkommen. . Abg. Kr ause⸗Waldenburg (freikonß): Meine Freunde stehen dem Antrage zustimmend gegenüber. Schon vor zehn Jahren hat mein Freund Dr. Arendt die sem Wunsche Ausdruck gegeben. Ich gebe zu, daß es eine gewisse Anzahl von Fällen gibt, wo es nötig ist Faufleuten die Lotterieeinnahme zu übergeben; aber soweit es nzalich ist, muß dem Antrage gemäß verfahren werden. Die Privatlotterien zu wohltätigen Zwecken, wirtschaftlichen Zwecken usw. nehmen überhand. Das sst im sozialen Interesse zu bedauern; denn durch den geringen Preis der Lose von 1, 2, 3 6 und die an! scheinend hohen Gewinne werden viele Leute zum Lotteriespiel ver⸗ leitet. die dafür eigentlich kein Geld übrig haben. Den angegebenen dotteriezwechen kommt auch nur ein Bruchteil der Einnahmen aus den Losen zugute, weil die Losehändler beträchtliche Provisionen be⸗ Lemmen. Da sollte die Staatsregierung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen eine Genehmigung erteilen, vor allem nur dann wenn berechtigte Erwerbszwecke daburch gefördert werden. So ist j. B. eine Lotterie für eine Kunstausstellung berechtigt, auch z. B. eine Lotterie zur Förderung der Viehzucht usw. ; . Geheimer Oberfinanzrat Biedenweg: Die Mißstände im Lotteriewesen sind im vorigen Jahre eingehend hier im Hause erörtert worden. Die Staatsregierung ist auch andauernd bemüht in dem Sinne des Vorredners vorzugehen, um den in großer ahi einlaufenden Anträgen auf Lotteriegenehmigungen entgegenzuwirken. Daß Lose über den Nennwert verkauft werden, kann nicht verhindert verden, denn Lotterielofe sind schließlich auch eine Ware. Die Lotterieverwaltung ist aber bemüht, dahin zu wirken, daß den Lotter lehändlern ein genügender Rabatt gewährt wird, damit sie nicht genötigt sind, einen Aufschlag zu nehmen. Wenn be⸗ mãngelt worden ist, daß von den Lotterien zu viel in die Taschen der Unternehmer fließt, so muß ich für die Staatz. regierung das Lob in Anspruch nehmen, daß sich die Verhältnisse im letzten Jahrzebnt. wesentlich gebesseit, haben, Früher wurden 25 und mehr Prozent Provision gezablt, jetzt nur 163. Es ist schon oft erwogen worden, ob man nicht die Staatslotterie hoch welter verbreiten könnte. Aber viele Leute wollen gerade eine Prwatlotterie spielen, weil sie entweder (inen bestimmten Zweck , g, oder weil sie in kurzer Zeit schon den Gewinn daben dollen. 1 an e. offma nn (Ses) Wir können nicht begreifen, daß der 46 r , . und Bankhalter von Glücksspielen ist. Die dattet ie, oh staatlich oder Privat, ist unsittlich und unmoralisch. Warum will man besonders die Offiziere mit den Lotterieeinnehmer⸗ stellen bedenken? Etwa weil nur so wenig Kenntnisse dazu ge⸗ bören und ein Tippfräulein die ganze Geschichte machen kann? Wenn die Offiziere mit ihrer Pension nicht auskommen, dann können sie sich ja irgendeine andere Jeschäftigung suchen, Aber eine andere Beschäftigung bält man als nicht standesgemaß für den Offizier; das Glückespiel ist aber standesgemaß. Darin haben ja auch die Offiziere ganz besondere Fachtenntnis. Warum wendet man sich jetzt gegen die Privatlotterien? Man will auscheinend nur die Kirchen⸗ aulotterien noch zulassen, die zur Ehre Gottes veranstaltet werden. Den Grund und Boden für das Kaiser Wilbelm. Denkmal, die Schloß freibeit, hat man auch durch eine Lotterie erworhen. So hat man den Natsanaldank, für Kaiser Wilbelm J. durch unsittliche und unmoralische Mittel abgestattet. Offiziere sind wohl deshalb be⸗ sonders als Lotterieeinnehmer geeignet, weil ja auch Militarismug und Krieg gewissermaßen ein Glücksspiel sind; mancher kebrt nur auf Krücken zurück eder muß mit dem Leierkasten von Haus zu Haus ziehen. Ein christlicher Staat sollte sich schamen, Gelder aus solchen Mitteln zu holen.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Der Herr Abg. Hoffmann hat am Schlusse ge⸗ sagt: ein Stadt sollte sich schämen, der sich aus dem Glücksspiel Gin⸗ nahmen verschafft, um seine Staats zwecke zu erreichen. (Abg. Dr. Liebknecht: Sehr richtig Ich vermag dem Herrn Abg. Hoffmann auf dem hoben Schwunge selner Moral nicht zu folgen. (Heiterkeit) Daß ie Staatgzlotterle ein Gläcksspiel ist, wie er et darstellt, das