heben, dann schädigen wir die Sparkassen nicht; denn sie haben dann an den Staatspapieren tatsächlich nicht den Verlust, den sie haben würden, wenn die Hebung des Kurses nicht vorgenommen würde, und zweitens werden die Sparkassen durch die Maßnahme günstig betroffen, weil die übrigen Inhaberpapiere, die sie besitzen, durch die Hebung des Kurses der Staatsanleihen mit in die Höhe gebracht werden. Die Staatsanleihen sind das führende Papier, und wenn sie in die Höhe gehen, gehen die übrigen Papiere mit in die Höhe.
Dann hat Herr Abg. Gyßling gesagt, daß, trotzdem bei uns 950i aller Anleihen durch werbende Anlagen gedeckt sind, die Nach⸗ frage nach Staatspapieren gering ist. Ich glaube, dieser Ausdruck ist doch nicht ganz zutreffend; 95 0, aller Anleihen sind bestimmt zu werbenden Anlagen, gedeckt sind sie aber durch das Staatsvermögen drei, vier⸗R, fünffach. Das habe ich damals bei meiner Etatsrede näher auseinandergesetzt: wir haben weitaus mehr an Vermögen als unsere gesamten Schulden betragen.
. Meine Herren, sind wir somit genötigt, darauf zu sehen, daß wir einen Kreis von festen Abnehmern für unsere Anleihen be⸗ kommen, so müssen wir alle Mittel anwenden, um diesen Kreis zu erweitern. Da hinein spielen die Vorschläge, welche die Herren Vorredner vorhin gemacht haben. Es ist zunächst darauf hingewiesen worden, man möchte es erleichtern, möglichst kleine Stücke von Staatsanleihen erwerben zu können. Die kleinsten Stücke unserer Staatzanleihen betragen 100 M, der Zinsfuß 3 bis 4 o/o; noch weiter herunterzugehen und die Stücke noch mehr zu verkleinern, trägt die Staatsregierung doch Bedenken. Denn für die ganz kleinen Ersparnisse sind die Sparkassen vorhanden, dorthin können die kleinen Sparer ihre Gelder bringen und, sobald sie einen höheren Betrag haben, ihn in Staatsanleihen anlegen. Es ist ja die Erwerbung einer Staatsanleihe durch die neuen Bestimmungen über das Staats⸗ schuldbuch außerordentlich leicht gemacht. Da braucht jemand nur einen Brief zu schreiben und in den Postkasten zu werfen, worin er die Seehand⸗ lung bittet, er möchte eine Staatsschuld haben, dann bekommt er ohne jede Kosten, ohne Courtage und Provision die Eintragung in das Staastschuldbuch, und er hat hinterher uicht einmal dle Last, ein Papier aufbewahren zu müssen; selbst die Zinsen werden ihm portofrei ins Haus gebracht. Es ist die beste, bequemste und einfachste Anlage von Geld, wenn man einen Brief an die Seehandlung richtet, man bäte um Eintragung einer be— stimmten Summe in das Schuldbuch. (Zuruf. Heiterkeit.) Nun wird diese Möglichkeit von der Königlichen Staatsregierung immer wieder bekannt gemacht. Aber ich möchte auch die Mitglieder dieses hohen Hauses bitten, daß sie die Güte haben möchten, im Lande auf diese gute Einrichtung des Staatsschuldbuches hinzuweisen. Auch in Privatgesprächen kann da sehr viel geschehen. Wenn der eine oder der andere darüber spricht, daß es schwer wäre, Geld anzulegen, so würde der Hinweis auf die Einfachheit und Bequemlichkeit der Ein⸗ tragung in das Staatsschuldbuch von großem Nutzen sein. Ich möchte deshalb die Herren bitten, uns darin zu unterstützen.
Dann ist angeführt worden, unsere Emissionstechnik genügte doch noch nicht ganz, die Staatsregierung müsse die Staatspapiere dadurch schmackhafter machen, daß sie bei den Emissionen größere Vorteile gewähre. Ja, meine Herren, die Emissionstechnik hat doch ihre zwei Seiten. Wenn man annähernd 10 Milliarden Staatsanleihen aus⸗ gegeben hat, dann muß man doch die allersorgfältigste Rücksicht darauf nehmen, daß durch die Emission die bisher ausgegebenen Anleihen nicht zu sehr im Kurse gedrückt werden. Wenn man denjenigen, welche die neue Anleihe übernehmen, für die Uebernahme der Anleihe ganz besondere Vergünstigungen in Aussicht stellt, dann hätte das die sofortige Folge, daß sich eine große Zahl von Leuten auf diese neue Anleihe stürzt und alte Anleihen verkauft, um diese Vergünstigung einzuheimsen. Wir haben dann viele Konzertzeichner und die un⸗ erwünschte Nebenerscheinung, daß unsere alten Anleihen dabei sinken.
Der Herr Abg. Fritsch hat sich gegen eine Aeußerung von mir in der Kommission gewendet, weil ich dort auf die Hypothekenbanken hingewiesen und erklärt habe, diese bekümmerten sich weniger um ihre früheren Emissionen, dieses sei unzutreffend, und er hielte es für nötig, das richtig zu stellen. Meine Herren, es hat mir ferngelegen, irgendwie den Hypothekenbanken zunahe zu treten. Was ich mit- geteilt habe, ist Fachzeitschriften entnommen, in denen darauf hin⸗ gewiesen worden ist, daß bei den Neuemissionen der Hypothekenbanken vorwiegend die Neuemissionen begünstigt würden, daß die Ueber⸗ nehmer der Neuemissionen ganz besondere Vorteile hätten, und daß sie infolgedessen besonders die Neuemissionen empfählen und bei An⸗ käufen usw. das kaufende Publikum weniger auf die alten Emissionen aufmerksam machten. Es hat mir durchaus ferngelegen, den Hypo⸗ thekenbanken irgend etwas Uebles nachzusagen.
Meine Herren, wenn wir nun auf der einen Seite den Abnehmer⸗ kreis vergrößern müssen, müssen wir auf der anderen Seite uns mög⸗ lichst mit der Neuauflage von Anleihen einschränken; denn das hat auch die letzte Auflage der Anleihe bewiesen, obwohl sie mit 50 Mil⸗ lionen überzeichnet worden ist, daß der Markt gegenüber einer größeren Emission nicht zu aufnahmefähig ist. Es könnte dann doch passieren, daß wir trotz des 4prozentigen Typs die Anleihe nicht ganz unter⸗ bringen könnten und dazu übergehen müßten, die Anleihe dann zu einem Kurse auszugeben, der über 4 0 hinausginge, also zu einem Kurse, der die Staatsfinanzen erheblich höher belasten würde. Wenn wir Anleihen usw. mit höherer Verzinsung auflegen, dann sind wir natürlich die allerbeliebtesten, dann wird man gleich zu uns kommen, dann weiß auch das Publikum auf einmal, daß wir sicher sind. (Heiterkeit; Wenn wir aber bei dem gewöhnlichen Zinsfuß von 4 oͤ bleiben, dann kommen sie nicht. Infolgedessen ist es für die Staats regierung doch von außerordentlicher Bedeutung, da Zurückhaltung zu üben. Meine Herren, schon bisher ist die Staatsregierung wegen der Anforderungen für die Eisenbahnen und zur Er⸗ füllung der übrigen Kulturaufgaben genötigt, alljährlich mit einem Anleihebetrage von 300 bis 400 Millionen Mark auf dem Markte zu erscheinen. Wenn wir nun noch, wie der Herr Abg. Gyßling es eben wieder vorgeschlagen hat, alljährlich die 124 Millionen des Extraordinartums des Eisenbahnetats leihen wollten, so kämen wir zu einer Summe, die tatsächlich nicht mehr unterzubringen ist (sehr richtig! rechts) oder doch nur gegen einen erhöhten Zingzfuß. Da nun diese Summen beim Extraordinarium auch noch wachsen, hat die Staatsregierung auch aus diesem Grunde erhebliche Bedenken, der erhöhten Verwendung des Extraordinariums zu allgemeinen Staats— ausgaben und der Verweisung dieses Titels auf Anleihen zuzustimmen.
Also, meine Herren, es gibt nach Ansicht der Staatsregierung
vornehmlich diese beiden Mittel: Erweiterung des Abnehmerkreises und möglichste Zurückhaltung in der Ausgabe von Anleihen. Auf diesen Wegen wird die Staatsregierung fortschreiten, und sich be⸗ mühen, es zu erreichen, daß dadurch der Kurs der Staatsanleihen in 29 3 gebracht, jedenfalls nicht heruntergedrückt wird. (Bravo! rechts. ö
Abg. Gyßling (fortschr, Volksp. : Der Vorwurf des Finanz⸗ ministers, daß das Publikum nicht Rücksicht auf die Sicherheit der Papiere nimmt, trifft nicht an zu. Jeder Bankier setzt seinen Kunden auseinander, aus welchen Gründen er ihnen empfiehlt, ein gewisses Papier zu kaufen. Wenn die Staatspapiere hinter Aktien usw. nn, werden, so liegt dies eben an dem niedrigen Zinsfuß.
Abg. Dr. Re woldt (freikon ): Viele Sorgen und Tränen
könnten erspart werden, wenn mehr Werte in Staatsanleihen an⸗ gelegt würden. Manche Witwe mit ihren unversorgten Kindern ist dadurch schwer geschädigt worden, daß der Familienvater nicht, der Versuchung widerstehen konnte, Aktien zu kaufen. Es ist durchaus wichtig, daß wir an dieser Stelle einen Appell an diejenigen richten, die nichts zu verlieren haben, daß sie nicht Wertpapiere kaufen, durch , sie hohe Zinsen bekommen, sondern ihr Geld in sicheren Anleihen anlegen.
Abg. Winckler (kons.): Es ist bedauerlich, daß diejenigen, die am wenigsten Geld anzulegen haben, meist in der Anlage am unvor⸗ sichtigsten sind. Vielfach sind Leute vom Ankauf von Staatepapieren duich die Kursverluste abgeschreckt worden. Die Bestrebungen, einen festen Stamm von Abnehmern heranzuziehen, werden hoffentlich die Wirkung haben, daß in Zukunft der Kursstand stabiler wird.
Damit schließt die Debatte über die Anleihefragen, und das Haus geht zur Besprechung der Kosten der Dienst⸗ reisen über.
Abg. Dr. Schroeder ⸗Cassel (nl. ): In der Budgetkommission ist hervorgehoben worden, daß durch die Ermäßigung der Reisekosten⸗ sätze Ersparnisse erzielt würden. Dies ist aber nicht die Absicht des neuen Reisekostengesetzes gewesen, die einzelnen Beamten sollten nicht geschädigt werden. Allerdings erwartete man von dem Gesetz Er⸗ sparnisse, aber nicht durch eine Ermäßigung der einzelnen Sätze, sondern durch eine Einschränkung in der Zahl der Dienstreisen.
ö Abg. Dr, von Brüning (kons.) spricht namens seiner Fraktion der Regierung das Vertrauen aus, daß sie die Sache so regeln werde, daß keine Schädigung der Beamten eintrete.
Bei der Besprechung von Beamtenfragen tritt
Abg. Delius Gortschr. Volksp.) für die Gewährung von Unterstuͤtzungen an diejenigen Unterbeamten ein, die bei der Be⸗ soldungsordnung von 1909 zu wenig bekommen haben.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.: Angesichts der Teuerungs— verhältnisse ist die Gewährung von Teuerungszulagen durchaus not⸗ wendig. Der Wohnungsgeldzuschuß ist fest bestimmt; wenn nun die Verhaͤltnisse teurer werden, können die Beamten dies nicht mit Hilfe des Wohnungsgeldzuschusses ausgleichen. Es ist Pflicht der Re⸗
gierung, für die Unterbeamten besser zu sorgen. 9
Abg. Dr. König (Zentr.): Bei der Beratung des neuen Drts⸗ klassenverzeichnisses für die Bemessung des Wohnungsgeldzuschusses wurde jwar die Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses freudig be⸗ grüßt, aber es wurde auch sogleich vermutet, 26 das dicke Ende noch nachkommen würde. Und es hat sich tatsächlich eine Tragödie der Irrungen ergeben — Komödie der Irrungen kann man nicht sagen, denn es handelt sich um eine sehr ernste Sache. Durch die neue Ortsklasseneinteilung sind viele, namentlich mittlere Städte durch die Herabsetzung in eine niedere Klasse geschädigt worden. Man sprach von einer Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses um 100 ½υ , und doch ist vielfach nur eine Erhöhung um ganze 4 6 herausgekommen. . befreite sich dann allerdings von der im Reiche beschlossenen
rtsklasseneinteilung und schaffte zunächst ein Propisorium, durch welches die alte Klasseneinteilung vorläufig bestehen blieb und der Wohnungsgeldzuschuß durchweg um 334. oo erhöbt wurde. Später wurden dann in der neuen Klasseneinteilung 638 Städte, die vorher herabgesetzt waren, wieder in eine höhere Klasse versetzt, ein Beweis, daß die ursprünglichen Vorschläge der Regierung falsch waren. Die Reichsklasseneinteilung war, wie der Abg. von Hennigs hier zugestanden hat, etwas in Elle gemacht worden und erregte bei allen, die die örtlichen Verhältnisse kannten, Kopfschütteln; in diesem Sinne sprachen sich damals auch mein Freund Schmedding und der Abg. Schroeder-Cassel aus. Es wurde dann in der Kom⸗ mission des Hauses beschlossen, daß die Beamten in den deklassierten Orten wenigstens ihren bisberigen Wohnungsgeldzuschuß so lange behalten, bis sie in eine höhere Gehaltsstufe aufräcken. Um das Gesetz nicht scheitern zu lassen, beschränkte sich das Haus damals auf eine Resolution, worin die Regierung aufgefordert wurde, im Bundegrat dahin zu wirken, daß die Mißstände, die infolge der Deklassierung von Orten entstanden seien, baldigst beseitigt würden. Wir dürfen die Sache nicht ruhen lassen und müssen immer wieder auf die Beseitigung dieser Mißstände, dringen, denn bisher ist sie nicht erfolgt. Die Wünsche der Städte Breslau, Koblenz, Cassel, Crefeld, Elberfeld, Hannover und vieler anderer nach Heraufsetzung in die höhere Klasse sind unberücksichtigt geblieben. Bei der Ermittlung der von den Beamten wirklich gezahlten Wohnungsmiete hat man die von den Beamten zurücgesandten Zählkarten nicht nach einheit⸗ lichen Grundsätzen bearbeitet. Ist das etwa geschehen, um im fiskalischen Interesse die Ermittlungen zu beeinflussen? Der Finanz⸗ minister hat im vorigen Jahre eine Beseitigung der Uebelstände ver⸗ sprochen, und ich frage ihn, in welcher Weise er das zu tun gedenkt. Wir werden nur zum Ziele kommen, wenn die deklassierten Orte wieder in die entsprechende höhere Klasse gesetzt werden. Wenn das Reich dazu nicht zu bestimmen ist, so muß Preußen selbständig vorgehen. Preußen nimmt viel Rücksicht auf das Reich, hier muß das Reich einmal den Wünschen Nreußens folgen. Wir müssen die Unzufrieden⸗ heit im Beamtenstande endlich einmal beseitigen.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren, der Herr Vorredner hat mit ziemlicher Schärfe verlangt, der preußische Finanzminister sollte sich an den Bundesrat wenden, um die sogenannten deklassierten Orte in die Höhe zu setzen und um Treu und Glauben zur Geltung zu bringen. Ich will mich bemühen, meine Herren, nicht so scharf zu werden, obschon in den Ausführungen des Herrn Vorredners eine Reihe von Vorwürfen ent⸗ halten war, die an sich die Königliche Staatsregierung nicht ohne weiteres hinnehmen kann.
Es war mir zunächst nicht ganz klar geworden, ob der Herr Vorredner glaubt, daß der Zufall im Spiele wäre, oder ob er durch diese Ausführungen dartun wollte, die Staatsregierung hätte im fis⸗ kalischen Interesse etwas mitgeholfen, um das Ergebnis etwas anders zu färben; aber aus den Schlußworten seiner Ausführungen habe ich wenigstens entnehmen müssen, daß er es doch so hinstellt, als ob die Staatsregierung das Aufnahmeresultat in ihrem Sinne beeinflußt hätte. Meine Herren, für den Fall, daß der Herr Vor⸗ redner das hat sagen wollen — ich habe es nicht genau entnehmen können —, muß ich entschieden dagegen Verwahrung einlegen. Es hat nichts der Staatsregierung ferner gelegen, als aus fiskalischen Interessen hier irgendwie die Erhebungen zu beeinflussen.
Meine Herren, wie liegen denn die Verhältnisse? Der Wohnungsgeldzuschuß ist seinerzeit, weil das Reich noch nicht vor—⸗ warts gegangen war, von Preußen selbständig erhöht worden. Hinter her regelte das Reich seinerzeit den Wohnungsgeldzuschuß neu, und da entstand der große Uebelstand, daß in derselben Stadt die preußi⸗ schen Beamten einen anderen Wohnungtgeldzuschuß erhielten als die
Beamten derselben Gehalteklasse des Reichs. Das mußte natürlich geändert werden, und infolgedessen mußte der preußische Wohnungsgeld— zuschußtarif auf den Tarif des Reichs gebracht werden. Nun hatten die Erhebungen des Reichs seinerzeit dazu geführt, daß eine Reihe von
Orten in eine andere Ortsklasse versetzt worden waren, als worin sie
in Preußen bis dato sich befanden. Das hatte dann zur Folge, daß in diesen Städten ein etwas geringeres Wohnungsgeld an die Reichs beamten und auch an die preußischen Beamten zu jahlen war, als wie es der neue preußische Wohnungsgeldzuschußtarif vorgesehen hatte. Meine Herren, das sind also diejenigen Beamten, welche nach der Ausführung des Herrn Vorredners ganz besonders geschädigt sind.
Meine Herren, diese Behauptung ist nicht zutreffend. Wenn Preußen seinerzeit zugleich mit dem Reiche den Wohnungsgeld⸗ zuschußtarif gleichmäßig festgesetzt hätte, so würden diese Beamten niemals den höheren Wohnungsgeldzuschuß erhalten haben. Sie haben ihn aber behalten und haben ihn auch heute noch, weil er einmal zur Einführung gekommen ist. Sie haben ihn auch heute noch, nur mit der Einschränkung, daß sie so lange einen Abzug an den Gehaltszulagen erleiden, bis ein Ausgleich erfolgt ist. (urufe: Das ist es ja gerade) Sie sagen: Das ist es ja gerade. Aber bitte, addieren Sie mal die beiden Summen, dann werden Sie finden, daß der Beamte Vortell davon hat, daß er mehr bekommt, als wenn er von vornherein in die jetzige Ortsklasse hineingekommen wäre. Das ist doch sonnenklar. Wenn der Reichstarif von vornherein eingeführt worden wäre, dann würde der Beamte den erhöhten Wohnungẽsgeld⸗ zuschuß nicht bekommen haben. Nun bezieht er aber den erhöhten Wohnungsgeldzuschuß Jahr ein Jahr aus. Nur vermindert sich dieser allmählich nach Maßgabe der Steigerung der Alterszulagen. So liegt das rechnerische Ergebnis, meine Herren. Daß das im übrigen ein durchaus unerwünschter Zustand ist, daß die Be amten so lange auf. demselben Gehaltsstande stehen bleiben, das steht auf einem andern Brett. Das ist Tatsache, das gebe ich durch— aus zu, und ich beklage es auch selbst sehr. (Hört! hört) An sich bin ich also durchaus damit einverstanden, daß das ein unerwünschter Zustand ist; aber rechnerisch sind die Beamten nicht geschädigt, sondern sie haben tatsächlich einen Vorteil davon.
Der Herr Vorredner hat nun die Unterlagen für die Feststellung des Wohnungẽgeldzuschusses sehr heftig angegriffen. Meine Herren, das Reich hat damals einen einheitlichen Maßstab aufgestellt, nämlich die Feststellung des Einzimmerpreises; dieser einheitliche Maßstab ist dann bei allen einzelnen Orten in den Bundesstaaten bei den Er— hebungen zugrunde gelegt worden, und daraufhin ist dann für das Deutsche Reich durch die verbündeten Regierungen und den Reichstag der Wohnungsgeldtarif festgesetzt worden. Von verschiedenen Seiten ist behauptet, der Maßstab stimme nicht, die gesamten Verhältnisse seien nicht berücksichtigt, neben der Wohnung kämen insbesondere auch noch die Teurungsverhältnisse in Betracht, und die müßten auch mit in Rech— nung gestellt werden. Ja, meine Herren, einen Maßstab, der alle diese Verhältnisse gleichmäßig umfaßt, gibt es überhaupt nicht; man hat sich daran halten müssen, daß alles das am besten in der Woh— nung zum Ausdruck käme, und auf die Wohnungspreise ist dann der Wohnungsgeldtarif aufgebaut worden. Die vom Reiche aufgestellten Grundsätze sind einheitlich durch das ganze Reich befolgt worden, und als damals die auf dieser Grundlage rechnerisch ermittelten Ergebnisse von vielen Seiten als unzutreffend bezeichnet wurden, hat man schon damals eine Nachprüfung vorgenommen, und es hat sich ergeben, daß das Ergebnis rechnerisch durchaus richtig war und nicht abgeändert werden konnte.
Das hat damals
Ot *
der Bundesrat und auch die Reichstags⸗ kommission anerkannt, und ich kann aus meiner eigenen Er— fahrung berichten, daß ich dasselbe erlebt habe. In der Stadt Magdeburg, in der ich damals war, hatten die Beamten behauptet, dle Aufnahmen seien unzutreffend; sie hatten selbst eine andere Enquete veranstaltet und das Ergebnis der Stadt⸗ verordnetenversammlung eingereicht mit dem Ersuchen, doch auf Grund dieser Enquete bei den verbündeten Regierungen vorstellig zu werden. Die Stadtverordnetenversammlung überwies diese Ein— gabe zunächst an das städtische statistische Bureau zur Durcharbeitung, und dieses stellte fest, daß die Zahlen, welche die Beamten in ihrer Eingabe angegeben hatten, noch mehr zu ungunsten der Beamten sprächen als die Zahlen, die vom Reiche aufgenommen waren. An dem Ergebnis der Reichsaufnahme war also nichts zu ändern.
Auf Grund der Petitionen, die diesem hohen Hause zugegangen waren, wurde dann später beschlossen, Preußen möchte die Frage noch⸗ mals prüfen und beim Bundesrat entsprechende Anträge stellen. Da nun der Einzimmerpreis, der der Reichsstatistik zugrunde gelegen hatte, von verschiedenen Seiten angefochten worden war, wurde davon bei der neuen Aufnahme abgesehen. Man hatte gegen den Einzimmer⸗ preis eingewendet, daß die Zimmer ja ganz verschieden groß seien, die Wohnungen infolgedessen auch, und daß man diesen Maßstab deshalb nicht nehmen könne. Der Bundesrat hat infolge⸗ dessen beschlossen, daß bei der Neuaufnahme von dem Einzimmerpreis abgesehen und der Preis der Wohnungen für mittlere Beamte in den einzelnen Orten festgestellt werden solle auf Grundlage einer Vier— zimmerwohnung, abgesehen von den Nebengelassen. Ueberall da, wo die Beamten mehr als vier Zimmer hatten, oder wo sie noch andere Personen in ihrem Hausstand hatten, so daß die Wohnung sehr viel größer war, sollten die Karten, welche die Beamten bei der Zählung überall selbst auszufüllen hatten, nicht berücksichtigt werden. Zum Vergleich sind indessen auch diese Karten hinterher noch herangezogen worden.
Daraufhin hat nun die neue Aufnahme so daß die gesamten mittleren Beamten die Karten ausfüllten, und in den Orten, wo noch besondere Abgaben und Lasten auf den Mietern liegen, diese den Mietpreisen hinzugesetzt sind, sodaß die Erhebungen tatsächlich ein durchaus zutreffendes Resultat ergeben mußten. Es sind sogar bei der Aufrechnung diejenigen Be⸗ amten wieder in Abzug gebracht worden, welche bis dahin bescheidenere Wohnungsansprüche hatten und sich infolgedessen geringere Wohnungen mieteten. Die Lokomotivführer z. B. bekommen ja das Wohnungs⸗ geld der mittleren Beamten, haben aber meistens bescheidenere Wohnungen, als sie sich für dieses Wohnungsgeld beschaffen können; infolgedessen sind sie bei dieser Aufnahme nicht mit berücksichtigt, um nicht einen ungünstigen Durchschnitt hineinzubringen.
stattgefunden,
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
. Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
G.
Berlin, Freitag, den s. März
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Es hat sich nun bei der Aufnahme auf dieser neuen Grundlage ergeben, daß die frühere Aufnahme durchaus zutreffend gewesen ist, und sich gezeigt, daß der damalige Wohnungsaufwand fast durchweg richtig ermittelt worden ist. Meine Herren, es sind 263 Nachprüfungen in Preußen vorgenommen worden, und davon sind nur 57 geändert. (Zurufe.) Also, meine Herren, bei den übrigen hat sich herausgestellt, daß damals tatsächlich die richtigen Zahlen angegeben waren und die Grundlagen zutrasen.
Nun sagt der Herr Vorredner: ja, was heißt eine zutreffende Grundlage? Die Beamten haben bis dahin nur ein geringeres
Wohnungegeld gehabt, und sind infolgedessen außerstande gewesen,
sich eine bessere Wohnung zu nehmen, und wenn die Beamten mehr Geld für ihre Wohnungen ausgeben könnten, würden die Bauunter⸗ nehmer schon für bessere Wohnungen sorgen, sie würden gebaut werden. Sehr richtig) Ich glaube, damit verläßt man aber jedwede Grund⸗ lage. Es ist selbstredend: je mehr Geld ich bekomme, um so mehr kann ich für die Wohnung anlegen, und um so schöner und teurer kann die Wohnung sein. Das kann die Grundlage nicht sein, sondern man muß tatsächlich den Preis einer Vierzimmerwobnung von angemessenem Umfang ermitteln. Das ist geschehen, und es hat sich ergeben, daß die Beamten in den Orten, die nicht heraufgesetzt worden sind, wenn sie noch ein Viertel zu ihrem Wohnungsgeld hinzutun, das Wohnungs— bedürfnis befriedigen können. Es ist immer zugrunde gelegt, daß das Wohnungsgeld drei Viertel der wirklichen Miete ausmachen soll.
Der Finanzverwaltung in Preußen wäre es durchaus erwünscht gewesen, wenn das Resultat ein anderes gewesen wäre. Denn ich kann Ihnen nur sagen: die ganzen Klagen über Deklassierung usw. sind auch uns durchaus unangenehm, und wir haben uns im Finanz⸗ ministerium wiederholt gesagt: wir werden gern noch mehr Mittel aufwenden, wenn sich herausstellt, daß die Unterlagen tatsächlich un⸗ zutreffend gewesen sind. Wir werden uns in keiner Weise sperren.
Meine Herren, die neue Statistik ist nicht vom Reich aufgenom- men worden, sondern nur die Grundsätze sind vom Reich aufgestellt; (Abgeordneter Dr. Schroeder (Casseh: Das ist der Fehlerh die Aufnahme ist von Preußen erfolgt, und unsere eigene Aufnahme hat dann eben ergeben, daß wir außerstande sind, höhere Mietsentschädigungen und Wohnungsgeldzuschüsse zu geben . Also, das eine entfällt durchaus, was ich vorhin schon zurückgewiesen habe: die Regierung hat im fiskalischen Interesse in keiner Weise einen Einfluß darauf geübt, daß der Wohnungsgeldzuschuß nicht geändert werden sollte, im Gegenteil, sie hatte selbst den lebhaften Wunsch, daß etwas anderes herauskäme, damit diese ewigen Klagen aufhören. Diese Klagen sind auch für die Staatsregierung nicht angenehm, aber sie kann ste nicht abstellen. Denn wenn sie die Orte einfach in die Höhe setzen wollte, würde sie ungerecht handeln gegenüber den anderen, mit denen sie gleichgestellt werden; dann müßten auch diese wiederum eine Stufe höher gesetzt werden, weil die Untersuchungen ergeben haben, däß bei ihnen die Wohnungen teurer sind.
Infolgedessen muß ich zu meinem Bedauern mitteilen, daß es bei em gegenwärtigen Stande nicht möglich ist, die Festsetzungen über den Wohnungsgeldzuschuß zu ändern.
Meine Herren, es ist bet den Beschlüssen des Bundesrats von vornberein der Umstand berücksichtigt worden, daß die Wohnungs- verhältnisse von Ort zu Ort sich verschieben können. Infolgedessen ist es durchaus möglich, daß, wenn in einzelnen Orten sich heraus; stellen sollte, daß mit drei Vierteln des Wohnungsgeldes angemessene Wohnungen für die Beamtenschaft nicht beschafft werden können, dann ein Antrag auf Heraufsetzung dieses Orts in eine böhere Orts⸗ klasse von Preußen beim Bundesrat gestellt wird; die preußische Re⸗ ierung wird in der Beziehung keine Schwierigkeiten machen.
Meine Herren, dann hat der Herr Vorredner gesagt: ja, was ist das überhaupt für eine Aufnahme, die nur die mittleren Beamten betrifft:; warum sind nicht alle Beamten gefragt worden? Ja, wie wollen Sie das denn anders machen? Wir haben eine Reihe von Besoldungeklassen, — wenn wir da nun alle Beamten gefragt hätten, hätten wir ein viel anfechtbareres Ergebnis erzielt. Wir mußten doch diejenige Klasse zugrunde legen, welche die weitaus meisten Beamten umfaßt, und das sind die mittleren Beamten. Wenn wir die übrigen auch gefragt hätten, so hätten wir insgesamt den Durchschnitt ziehen müssen, der in keiner Weise befriedigt hätte. Das befriedigendste Resultat war nur durch die Befragung der mittleren Beamten zu erreichen, und das ist zugrunde gelegt worden.
Also, meine Herren, am Wohnungẽgeldzuschuß läßt sich zurzeit nichts ändern. Sollte sich an irgend einem Orte das Bedürfnis nach einer Erböhung des Wohnungsgeldzuschusses herausstellen, sollte es sich also zeigen, daß mit drei Vierteln des Wohnungsgeldzuschusses eine angemessene Miete nicht bestritten werden kann, dann wird der preußische Staat gern den Antrag stellen, den Ort in die Höhe zu setzen; vorher ist es aber nicht möglich.
Abg. Dr. Mizerski (Pole): Der Dispositions fonds der Ober⸗ präsidenken zur Förderung des Deutschtums in den polnischen und danischen Landesteilen ist mit 26 Millionen Mark ausgestattet. Es ist uns bisher nicht gelungen, von der Regierung Auskunst darüber zu er halten, nach welchen Grundsätzen dieser Fonds verausgabt wird. Auch diesmal habe ich auf meine Anfrage in der Kommission keine Auskunft erhalten. Die Dftmarkenzulage der Beamten wirkt demoralisierend; sie ist ein Korruptionsfonds. Wir müssen unbedingt fordern, daß dieser Fonds beseitigt wird. Protestieren müssen win. auch gegen die halbe Million, die zum Ankauf des Umwallungsgeländes bon Posen ingesetzt ist; denn diese Summe soll wieder zur Benachteiligung des Polentums verwandt werden.
Abg. Borchardt (Soz.): Wir lehnen den Etat ab, schon aus den Gründen, die der Vorredner angeführt bat. Im ganzen sind 8 bis 9 Millionen Gelder in dem Eiat vorhanden, über deren Ver⸗ wendung wir kene Auskunft bekemmen, darunter auch 13. Million für Gnadenbewilligungen. Wir brauchen keine Gnadenhewilligungen, wir fordern nur unfer gutes Recht. Der Abg. Giesberts bat im vorigen Jahre eine populäre Steuerstatistik gefordert, weil die Steuer⸗ verhältnisse selbst für einen Abgeordneten recht schwer durchsichtig seien. Wir haben vergeblich auf eine solche Statsstik gewartet; sie ist wohl deshalb nicht erschienen, weil man fürchtet, daß wir da⸗
durch ein ganz famoses Agitationsmittel in die Hand bekommen würden. Der Finanzminister hat vor acht Tagen die Stirn ge⸗ habt.. (Große Unruhe rechts.) Was wollen Sie nach rechts) denn? Das ist ja genau derselbe Ausdruck, den der Finanzminister vor ein paar Tagen gegen mich gebraucht hat. Damals haben Sie ja kein Erstaunen gejeigt, warum jetzt mit, einem Male? Der Minister hat feine unrichtigen Behauptungen über die Gewerk— schaftsbeiträge aufrecht erhalten. Die Zentrumsmitglieder haben ihm Belfall gezollt, aber vor einem Jahre hat dasselbe Zentrum dem Abg. Giesberts im Reichstage zugestimmt, als er die Gewerkschafts= beiträge gewissermaßen als ein Betriebskapital bezeichnete, um gute Löhne und besseré Arbeitsbedingungen zu erhalten. Vor acht Tagen war es eben nur die Freude darüber, daß einem Sozial⸗ demokraten zu Leibe gegangen wurde. Meine Bemerkungen über die Steuerhinterziehungen hat der Finanzminister mit einem Witz abtun wollen, er meinte, daß auch im Zukunftsstaate Steuer⸗ hinterziehungen vorkommen würden. In dem Stenogramm ist da aber nachträglich eine Aenderung vorgenommen worden, es heißt da nur, daß auch in Zukunft Steuerhinterztehungen vorkommen werden. Es freut mich, daß der Finanzminister eingesehen hat, daß dieser Witz doch auf einem zu tiefen Niveau stand, als daß er ihn der Nachwelt erhalten wollte. In der Frage der Steuerveranlagung interessiert am meisten die Stellung der Landräte. Warum ist denn eigentlich den Herren der Immediatkommission die Schweigepflicht auferlegt worden? (Vizepräsident Dr. Krause: Diese Debatte ist beim Etat der direkten Steuern erledigt worden; ich bitte, nicht mehr davon zu sprechen. Auf meine sachlichen Angriffe selbst hat der Minister nicht geantwortet. Die Steuerveranlagung ... (Bize⸗ präsident Dr. Kraufe: Ich kann nicht zulassen, daß Sie auf die Steuerveranlogung zurückkommen, das gehört nicht zur Sache. Ich glaube, es handelt sich jetzt um die Frage, oh wir dem Finanz— minister fein Gehalt bewilligen wollen oder nicht. Es kann doch sein, daß jemand dem Finanzminister sein Gehalt verweigern will. Die Steuerhinterziebunge n.... Vizepräsident Dr. Krause: Ich rufe Sie zur Sache! — Der Redner versucht noch einmal, auf die Frage der Sseuerhinterziehungen einzugehen, wird aber vom Vize⸗ präsidenten Dr. Kraufe zum jweiten Male unter Hinweis auf die geschäftsordnungsmäßigen Folgen zur Sache gerufen. Sie können mir ja das Wort entziehen, die Wahrheit können Sie aber nicht unterdrücken. (Rufe rechts: Schluß! Schluß ) Der Finanzminister hat bebauptet, daß keine Aenderung in der Veranlagung der länd— lichen Einkommen stattgefunden habe. (Vizepräsident Dr. Krause: Sie können unmöglich über alle Dinge wieder sprechen, die schon einmal besprochen sind.) Ich muß entschieden dagegen pro⸗ testieren, daß die Steuerveranlagung (Glocke des Praͤsidenten) auf dem Lande nicht zum Titel „Finanzminister! gehört. (Vize⸗ präsident Dr. Krause: Ich bitte Sie, zu schweigen, wenn ich die Glocke rühre, Sie werden doch diese Vorschrist der Geschäftsordnung kennen. Ich bitte Sie jetzt, bei der Sache zu bleiben, der Etat der direkten Steuern ist abgeschlossen, darauf können Sie nicht zurück kommen.) Ich spreche jetzt von der Tätigkeit des Finanzministers, dessen Geschäfte doch zu diesem Titel gehören. Ueber die Erklärungen des Finanzministers war ich geradezu erschrocken; ich hatte tatsächlich eine Korruption der preußischen Behörden behauptet. Darauf hätte er etwas ernftlicher antworten müssen. Er hat das nicht getan, damit bat er für mich und meine Freunde den Beweis erbracht, daß die Regierung gar nicht die richtigen Maßregeln treffen will, ö. eine direkte Steuerveranlagung auch auf dem Lande herbeizu⸗ führen.
Abg. Dr. Schroeder-⸗Cassel (nl): Bei der Ortsdeklassierung ist nicht genug auf die Verschiedenheit der Teuerungsverhältnisse in ren einzelnen Orten Rücksicht genommen worden. In der Frage der Bemeffung der Wohnungsgeldzuschüsse ist man zu einem ganz neuen Spftem übergegangen, das wenig Zufriedenheit hervorgerufen hat. Um die Wohnungssätze der mittleren Beamten zu ermitteln, hat man einen unrichtigen Weg eingeschlagen. Unter diesen mittleren Beamten finden sich in den großen Städten sehr viele Beamte, die früher Unterbeamte waren, und deren Wohnungsgeldzuschuß nur der für die Unterbeamten ist. Die eigentlichen Unterbeamten haben im wesentlichen einen geringeren Wohnungsbedarf als die mittleren Beamten. Dadurch wird selbstverständlich der Durchschnittssatz der Aufwendungen der mittleren Beamten für ihre Wohnungen ganz er— heblich herabgedrückt. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß der frühere Finanzminister Freiherr von Rheinbaben jetzt als Ober⸗ präsident der Rheinpropinz für die Erhöhung von Wohnungs⸗ geldzuschüssen eintritt, deren Heraufsetzung er früher abgelehnt hat.
Ministerialdirektor Halle: Eine vollständige Berücksichtigung der Teuerungsverhältnisse würde auch bei einer neuen Ortsklassen— einteilung nicht möglich sein. Das alte System konnte für die Be— messung der Wohnungsgeldzuschüsse nicht mehr innegehalten werden. Die neue Bafis schließt sich an die Grundlage an, die die Reichs, tags kommission für die Nachprüfung der Petitionen gewählt hat. Bei der Ermittlung der Wohnungsansprüche der mittleren Beamten sind diejenigen Fälle ausgeschieden worden, die bedeutend unter, dem Durchschnitt waren, sodaß die Ermittlungen sehr wohl das Richtige treffen.
Abg. Delius (förtschr. Volksp.): Die Ermittlung der Teuerungsverhältnisse hätte sich nicht auf einen Teil der Orte beschränken dürfen. Wenn eine generelle Regelung der Wohnungs⸗ geldzuschüsse stattfindet, werden wir wohl zweckmäßig wieder auf das alte System zurückgreifen müssen.
Abg. Dr. Wagner-⸗Breslau (freikons): Die Angriffe des sozialdemokratischen Redners auf den Gnadenfonds waren durchaus un⸗ berechtigt. Es handelt sich darum, daß da, wo sich die Unvollkommen⸗ heit der Gesetzgebung zeigt, auf dem Wege der Gnade eine Entgeltung geschaffen wird. Ich meine, daß ein solcher Fonds durchaus am Platze ist, und muß es entschieden zurückweisen, daß er als ein Merkmal der Korruption der bürgerlichen Gesellschaft hingestellt wird. Auf Grund der Petitionen sind 20 o von den deklassierten Orten wieder an die richtige Stelle gestellt worden. Mein Wahl⸗ freis gehört aber immer nech zu den Leidtragenden. Vom preußischen Beamtenverein in Breslau sind die Gründe, die für eine Herguf⸗ setzung sprechen, mit großer Ausführlichkeit dargelegt worden. Das. selbe soll ich für die Stadt Greifswald ausführen, die gegenüber der Nachbarstadt Stralsund recht benachteiligt ist. Wenn ein großer Teil der Beamten in zu billigen Wohnungen wohnt, so ist das nicht darauf zurückzuführen, daß der Wohnungsgeldzuschuß zu groß war, sondern es beweist nur, daß ein Teil des Wohnungsgeldzuschusses für andere Zwecke verwendet worden ist. .
Abg. Dr. König (Zentr): Wenn sich in meiner Rede eine Schärfe bemerkbar gemacht hat, so entsprach sie meiner inneren Stimmung, denn ich fühle warm mit den Beamten und wünsche, daß sie bekommen, was sie verdienen; diese Schärfen ist also richtiger mit Wärme“ zu übersetzen. Der preußischen Regierung habe ich nicht den geringsten Vorwurf gemacht, sondern nur dem Reiche und dem Bundesrat; eine Fiskalität der preußischen Regierung ist hier fur mich ausgeschlossen. Ich muß nur auf das schärfste dagegen eech daß man neue Grundsätze befolgt, während diese Frage nach den Grundsätzen behandelt werden muß, die seinerzeit für die Auf⸗ stellung des Seren ee fes maßgebend gewesen sind. Der Finanzminister hat sich zwar ablehnend verhalten, aber ich hoffe doch, nachdem sich alle Parteien dahin ausgesprochen haben, daß die vreußische Regierung nochmals selbständig, auch ohne das Reich, die Frage prüfen wird.
1912.
Abg. Ram dohr (frelkons): Die Polen svrechen immer von dem Korruptionsfonds der Ostmarkenzulagen. Als ich mit einem Freunde in Posen war, fragten wir in ganz bescheidener Weise eine Frau nach dem Wege. Da wurde uns in einer so schroffen Well die Auskunft verwelgert, daß mein Freund sagte, wir sollten ung lieber aus dem Staube machen, denn wie könne es uns erst gehen, wenn wir unter die Männer geraten würden. Es wurde uns be— greiflich gemacht, wie der Boykott gegen die Deutschen von den Polen getrieben wird. Seitdem verstehe ich vollkommen die Be⸗ deutung der Ostmarkenzulage und weiß, daß sich dort die Deutschen gegen die Polen in einer Kampfeslage befinden, .
Abg. Dr. Mizerski (Pole) bestreitet die Auffassung des Vor⸗ redners, die Frau werde mißverstanden worden sein.
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. König hat soeben gesagt, er habe Preußen gegenüber gar nicht den Vorwurf erheben wollen, als ob in fiskalischem Sinne auf die Erhebung elngewirkt worden wäre. Aus der Art der Antwort muß ich aber entnehmen, daß er den Vorwurf gegen das Reich, das Schatzamt und den Bundesrat aufrechterhalten will. Ich kann auch dieses nicht gelten lassen und muß auch diese Behauptung zurückweisen. Es ist in keiner Weise irgendwie ein fiskalischer Einfluß auf diese Erhebungen ausgeübt worden; das ist weder vom Bundesrat, noch vom Schatzamt, noch von Preußen geschehen.
Der Herr Abg. Dr. König sagte weiter: es wird hier wider Treu und Glauben verstoßen, weil andere Grundsätze bei der neuen Aufnahme zugrunde gelegt worden sind. Meine Herren, die bie⸗ herigen Grundsätze sind überall angefeindet worden; es ist stets gesagt worden: der Einzimmerpreis ist überhaupt keine richtige Grundlage und kann auch keine richtige Grundlage sein, weil die Zimmer ja ganz verschieden sind, und weil die Wohnungen verschieden groß sind, da ist es reiner Widersinn, den Einzimmerpreis zugrunde zu legen. Und infolgedessen ist man, abgesehen davon, daß ein Einzimmer⸗ preis nachträglich für das Jahr 1907 nicht mehr zu ermitteln war, dazu übergegangen, daß man die tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnungen feststellte; die Beamten haben selbst angegeben, was sie für ihre Wehnungen ausgeben müssen, sie haben den Frage⸗ bogen selbst ganz genau ausgefüllt. Nun soll diese Aufnahme gegen Treu und Glauben verstoßen. Es ist absolut unmöglich, die Auf⸗ wendungen für die Wohnungen in anderer Weise sicher zu ermitteln, als daß man fesistellt, was die Beamten ausgeben und wie⸗ viel Räume sie haben. Danach ist die Erhebung an⸗ gestellt worden. Das Ergebnis erfolgt auf rein rechnerischem Wege, und keine Behörde kann irgendwie Einfluß darauf häben. Wenn die Grundsätze einmal festgestellt sind, dann wird lediglich gezählt, es ist ein reines Rechnungsergebnis. Es ist hierbei nichts in das Belieben oder Wohlwollen einer Behörde gestellt, sondern die Behörde muß das Resultat, wie es ihr gebracht wird, einfach akzeptieren.
Sodann hat der Herr Abg. Dr. König gesagt, wir hätten es mit „einiger Kulanz“ machen sollen. Ja, meine Herren, das wäre doch ein etwas eigenartiges Verfahren, wenn eine Regierung ein⸗ gehende Erhebungen anstellt, wenn die Erhebungen dann ziffern⸗ und rechnungsmäßig ergeben, daß ein Ort in die und die Klasse hineingehört, und wenn man ihn dann mit Kulanz“ in eine höhere Klasse persetzt. Das ist absolut unmöglich. So schwer es auch, wie ich schon ausgeführt habe, der Regierung geworden ist, in diesem Fall die Hoffnungen der Beamten nicht erfüllen zu können und die Orte in einer niedrigeren Klasse lassen zu müssen, so blieb ihr doch nichts anderes übrig, weil die Erhebungen kein anderes Resultat ergeben hatten. Auch die neuen Erhebungen haben ergeben, daß die früheren Erhebungen zutreffend waren.
Abg. Ram dohr (freikons) erwidert dem Abg. Mizerski, daß nicht die Verweigerung einer Auskunft an sich, sondern vielmehr die Geste, mit der die Auskunft verweigert wurde, so verletzend war.
Abg. Dr. König (Zentr): Es handelt sich doch gerade darum, daß die Beamten eine Aufbesserung erfahren sollten. Ich will nicht fagen, daß absichtlich ein Einfluß auf die statistische Auf⸗ nahme geübt worden ist; die Mängel lagen in der Sache selbst. .
Abg. Dr. Mizers ki (Pole) bestreitet nochmals die Richtigkeit der Auffaffung des Abg. Ramdehr über den Boykott der Polen,
Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (al.) bemerkt dem Abg. König gegenüber, daß die alte Grundlage zwar nicht als zutreffend anzusehen war, daß man aber, nachdem diese einmal aufgestellt war, bei den neuen Beschwerden nicht ein vollkommen neues System hätte befolgen dürfen. . ; .
Abg. von Hennigs-⸗Techlin (kons.) erinnert an die Ver⸗ handlungen der gemeinsamen Kommission des Reichstags und des Abgeordnetenbauses, in denen es damals gelungen sei, einzelne de⸗ klassierte Städte wieder heraufzusetzen, die gerade an der Grenze des ermlttelten Wohnungspreifes standen. Es müßten im Etat höhere Mittel für den Wohnungsgeldzuschuß eingestellt werden, um solche Städte, die an dieser Grenze ständen, von Fall zu Fall heraufsetzen zu können.
Nach einigen weiteren Bemerkungen des Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl. und des Ministerialdirektors Halle wird der Titel des Ministergehalts bewilligt. ;
Die eingangs erwähnte Petition um Gewährung einer Notstands oder Teuerungszulage an alle gering besoldeten Staatsbeamten wird nach dem Antrgge der Budgetkommission der Regierung als Material überwiesen. ö .
Ueber den Titel des Dispositionsfonds der Oberprãäsidenten zur Förderung des Deutschtums in den ehemals Volnischen und dänischen Landesteilen findet auf Antrag des Abg. Dr. Miz ers ki (Pole) eine förmliche Abstimmung statt, Der Titel wird gegen ble Stimmen des Zentrums, der Polen und der Sozial⸗ demokraten bewilligt.
Bei den Ausgaben für die Oberversicherungs⸗ ämter bemerkt
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Abg. Gronows ki Zentr ):. Es wird bei der Rechtsprechung der Oberbersicherunge ämter und der Schiedsqz richte sehr darauf 3 w sse gehandhabt wird. Bisher hat die Ausführung der ,, chen Gefsetzebung durch die Beamten schr viel Erregung hervorgerufen. Deshelb bitte ich die Regierung, dafür zu sorgen daß die Direktoren und Sekretäre der Oberbersicherungsämter, überhaupt alle Beamten, keine lebens fremden und weltfremden Menschen sind, daß sie vielmehr die Volkspfyche kennen und den Weg zur Seele des Arbeiters finden.
Die Invalidenversicherung ist in der neuen Form am 1. Januar 1912