1912 / 65 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Auswärtigen Amtes von Kiderlen⸗Waechter und vom Statt⸗ halter von Elsaß⸗Lothringen. Die Bürgerschaft der en und Residenzstadt beging den Geburtstag Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten Nachmittags mit einem Festbankett im Alten Rathaus, zu dem sich die Minister von Breunig und von Knilling, Vertreter von Handel, Kunst, Wissenschaft u. a. eingefunden hatten. Der Oberbürgermeister von Borscht feierte den Regenten als einen Mann der Gerechtigkeit und Treue, als einen Charakter voll s onniger Klarheit und Milde und als Freund seines Volkes. In der Residenz fand Nachmittags eine größere Hoftafel statt, an der die engere Familie Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten keil⸗ nahm. Während der Tafel brachte Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig den Toast auf seinen erlauchten Vater aus, den dieser mit einem Trinkspruch auf seine Kinder, Kindes— kinder und Urenkel erwiderte. Wie in der Hauptstadt ist auch im ganzen Lande der Geburtstag des Regenten gefeiert worden. In Reichenhall fand unter zahlreicher Beteiligung und in Anwesenheit Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Franz von Bayern die feierliche Enthüllung eines Denkmals des Prinz⸗Regenten statt.

Sessen.

In der Zweiten Kammer kam es gestern vormittag zu . Zwischenfall, über den „W. T. B.“, wie folgt, berichtet:

Nach der Rede des Abg. Dr. Fulda (Sozialdemokrat), der den Minister des Innern fortgesetzt aufs schwerste angriff und beleidigte, ohne von dem Vizepräsidenten Korell zur Ordnung gerufen zu werden, verließen sämtliche Regierungsvertreter das Haus. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wurde auf Antrag des Abg. Osann be⸗ schlossen, eine Pause eintreten zu lassen, in der der Vorstand der Kammer mit der Regierung darüber verhandeln solle, auf welcher Grundlage wieder ein Zusammenarbeiten mit der Regierung ermöglicht werden könne. Nach etwa einstündiger Verhandlung des Vorstands der Kammer mit der Regierung und nach Beratungen der Fraktions⸗ vorstände erschienen die Regierungsvertreter wieder im Saale. Der Vizepräsident Korell stellte auf Grund des Stenogramms die wieder⸗ holten Beleidigungen des Abg. Dr. Fulda fest und erteilte ihm zwei Ordnungsrufe. Darauf gab er im Namen des Gesamtvorstandes der Kammer eine Erklärung ab, in der er seinem Bedauern wegen des Zwischenfalles Ausdruck gab. Sodann gaben sämtliche Vorstände der bürgerlichen Fraktionen eine Erklärung ab in der sie ebenfalls den Vorfall aufs tiefste bedauerten. Der Minister des Innern von Hom bergk dankte den bürgerlichen Parteien und erklaͤrte, daß es ihm nach dem beleidigenden Verhalten Fuldas unmöglich sei, in Zukunft sich jemals wieder mit ibm in eine Diskusston einzulassen oder ihm Antwort zu erteilen. Damit war der Zwischenfall erledigt.

Elsasz⸗Lothringen.

Die Zweite Kammer des Landtags hat gestern in zweiter Lesung den Etat des Ministeriums angenommen.

Wie „W. T. B.“ meldet, wurde der Posten von 44 000 S für geheime Ausgaben im Interesse der Polizei vom Zentrum, den Sozialdemokraten und den Demokraten gestrichen, während die Liberalen und der lothringische Block sich der Abstimmung enthielten. Das Zentrum erklärte sich durch die Abgeerdneten Haus und Wetterls jedoch bereit, seinen Standpunkt einer Re—⸗ vision zu unterziehen, wenn dem Parlament eine Kontrolle zu⸗ gestanden würde. Der Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach und der Unterstaatssekretär Mandel erklärten, das elsaß⸗lothringische Parlament solle nicht schlechter gestellt werden als andere Parlamente. Die Regierung würde Erkundigungen in anderen Staaten über deren Verhalten anstellen. Liberale und Lothringer Block wollen erst ab⸗ warten, welche Stellung die Regierung in dieser Frage einnimmt.

Außerdem gab es eine lebhafte Debatte über die französischen Inschriften an Läden, Schaufenstern usw., deren Verbot von den Vertretern aller Parteien auf das energischste bekämpft wurde. Bei der dritten Lesung soll ein entsprechender Antrag gestellt werden. Der Unterstaatssekretär Mandel erklärte, der Regierung set die Notwendig⸗ keit dieses Verbois selbst sehr , dene, Sie könne aber wegen des möglichen Mißbrauchs zu Kundgebungen nicht darauf verzichten.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Zu Beginn der gestrigen Sitzung des österre ichisch en Abgeordnetenhauses erklärte der Präsident Dr. Syl vester, er werde die in der letzten Sitzung beschlossene Besprechung der Interpellationsbeantwortung des Finanzministers über die Vor⸗ genehmigung der Ausgabe neuer Aktien der Waffen— fabrik A.⸗G. vor Eingehen in die Tagesordnung vornehmen lassen.

Nach dem Bericht des. W. T. B.“ erhob der Antraasteller Abg. Ritter von Panz gegen die Interpellationsbeantwortung deg Ministers Einspruch. Er erklärte, daß die Genehmigung der Ausgabe von Gratieaktien an die Waffenfabrik A.⸗G. sowohl dem Wortlaut als auch dem Geist des Aktienregulativs widerspreche. Wenn er auch überzeugt sei, daß der Finanzminister in der ganzen Angelegenhelt optima fide vorgegangen sei, so widerspreche doch das Vorgehen der Regierung der bisherigen strengen Auf⸗ fassung und sei geeignet, die Industrie und die Volkswirtschaft im Auslande in üblen Ruf zu bringen. Der Redner erklärte, daß die Regierung durch ihr Vorgehen das Publikum der Aktien⸗ spekulation zutreibe und die Genehmigung der Ausgabe von Gratis aktien nichts anderes bedeute, als die Gesellschaft in der Steuerhinter⸗ ziehung zu unterstützen. Der Finanzminister Ritter von Zaleski erklärte, er glaube, daß der Beschluß des Hauses über die Eröffnung der Debatte in dem Sinne aufzufassen sei, daß das Haus in dieser Sache Klarheit wolle. Die Regierung habe diese Klarheit gewiß nicht zu scheuen. Er habe bereits den Standpunkt der Regierung ausführlich dargelegt, von dieser Erklärung babe er nichts zurückzuziehen, ihr aber auch nicht viel hinzuzufügen. Der Minister widerlegte den Vorwurf, daß die Regierung die Waffenabrik A.-G. ungebührlich bevorzugt habe und stellte fest, daß die Uebertragung freier Reser ven auf das Kapitalkonto, wenn freie Reserven in reichlichem Maße vorhanden seien, an sich zu keinem Bedenken Anlaß gäbe. Er berief sich auf eine Reihe von Präzedenzfällen aus der Praxis und legte dar, daß diese Praxis auch von der Theorie bestätigt werde. Keines der europäischen Handelt⸗ gesetze verwehre ein derartiges Vorgehen. Das Ministerium habe das Ersuchen der Gesellschart um die Vorgenehmigung zur Ausgabe der Aktien raschestens erledigt, gerade um Spekulationen sopiel als möglichst hintanzuhalten. Er begreife es daher nicht, daß der Interpellant aus dieser Raschheit und Vor— icht der Regierung einen Vorwurf mache. Er würde vielmehr einen a Vorwurf von solchen Personen begreifen der Interpellant gehöre nicht dazu —, die es bereuten, daß sie fi einen günstigen Moment für einen guten Feng hätten entgehen lassen. (Zwischenrufe des Abg. Ritter von Panz.) Bestimmte Tatsachen, fuhr der Minister fort, über irgendwelche Mißbräuche seien ihm nicht zu Ohren gekommen, Die Regierung habe darauf Bedacht genommen, die Gelegenheit zu Mißbräuchen tunlichst ein⸗ zuschränken. Der Minister stellte fest, daß, falls ein Anlaß zur Besteuerung der neuen Aktien vorliegen sollte, eine Nach⸗ besteuerung erfolgen werde. Das Vorgehen der Regierung sei weder mit einem Nachteil für den Staat noch für die Aktionäre verbunden. Daß gewisse Baissespekalanten nicht auf ihre Rechnung gekommen seien, darum habe sich der Minister nicht zu kümmern.

Darauf sprachen noch mehrere Redner zum Gegenstande, worauf die Teuerungsdebatte fortgesetzt wurde.

2 in dem

.

heißt es:

Der Flottenetat sei unter der Voraussetzung aufgestellt worden, daß die jetzigen Flottenprogramme der anderen Flottenmächte keine Erweiterungen erführen. Im Falle solcher Erweiterungen würde es notwendig sein, sowohl für die zu bewilligenden Mittel als auch für den Mannschaftsbestand einen Nachtrageetat einzubringen.

Die Schiffsneubguten werden 13971 527 Pfd. Sterl. kosten gegen 15 063 877 im laufenden Rechnungsjahre; davon sind 12 967 727 Pfd. Sterl. für die Fortsetzung der Arbeiten an den bereits im Bau befindlichen Schiffen bestimmt und 1903800 Pfd. Sterl. für die Inangriffnahme der Neubauten des neuen Programms. Der Prozentsatz der Neubauten, der in dem neuen Nechnungsjahr begonnen werden soll, ist größer als gewöhnlich danach wird es möglich sein, den Bau der gesamten neuen Torpedobootszerstörer auf einmal zu be— ginnen.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses fragte der Abg. Fell ene n v), welche Häfen oder welches Gebiet Großbritannien im Austausch für die Walfischbai oder San sibar im Zusammenhang mit dem Vorschlag einer Ver⸗ einbarung über den Austausch jener britischen Häfen angeboten worden sei.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Grey erwiderte laut Bericht des W. T. B., nach seiner Meinung könne der Abg. Fell die Antwort, die er am 22. Februar erteilt hätte, nicht gesehen haben. Er müsse ihn auf jene Antwort verweisen, die, soweit als dieses Haus in Betracht komme, alle Besorgnisse beseitigen sollte.

Hierauf trat das Haus in die Debatte über das Heeres⸗ budget ein.

Der Abg. Amery (Unionist) erklärte, daß das Land sich bezüglich der Armee noch genau in derselben Lage befinde wie vor dem Aus— bruch des südafrikanischen Krieges. Der Parlamentsuntersekretär Seelv erwiderte, es sei allerdings wahr, daß England im Jahre 1899 die kleine . die notwendig gewesen sei, um Verstärkungen nach atal zu senden, nicht habe absenden können, ohne Truppen von Indien, Ceylon und den anderen östlichen Garnisonen wegzunehmen. Aber seither seien große Fortschritte gemacht worden. „Ich habe hier“, erklärte Seely, eine Mappe für Amery, und ich will eine ähnliche Mappe an alle Parlamentsmitglieder senden unter der Bedingung, daß sie als Geheimnis betrachtet wird, aus der ersehen werden kann, daß, wenn wir morgen Verstärkungen nach Natal senden müssen, wir dies tun können, ohne einen einzigen Mann von irgend einer östlichen Garnifon zu entnehmen. Wir könnten in wenigen Tagen, wenn die Transport— schiffe bereit sind, 150 000 Mann, vollständig ausgerüstet mit Waffen, Munition und Vorräten, sowie Verstärkungen für drei Monate absenden. Amery hat unsere militärische Bereitschaft sehr scharf angegriffen, waß, wenn man diese Angriffe für be⸗ rechtigt hielte, eine sehr ernste Rückwirkung auf unsere Stellung in der Welt haben würde, Ich hin hier, um zu wiederholen, daß inner. halb weniger Tage nach dem Befehl zur Mobilmachung die Anzahl Tage ist hier in diesen Dekumenten angegeben 150 000 Mann ab— gesandt werden können. Dach nr utet einen außerordentlichen Fort⸗ schritt in unserer * len Amery die Zeit des süd⸗ aftikanischen . mit Mr glgenwrtigen vergleicht, so heißt das mit dem Hause Scherz treiben.“

Die Effektivstärke der Armee wurde darauf bewilligt.

Frankreich.

In der gestrigen Sitzung der Marine kommission des Senats begründete der Marineminister Delcassé den Gesetz⸗ entwurf, betreffend das Flottenprogramm, und erklärte laut Meldung des „W. T. B.“, der Entwurf müsse bei der gegenwärtigen Lage in Europa allen Bedürfnissen Rechnung tragen; eine besondere Anstrengung könne nur dann notwendig werden, wenn eine der rivalisierenden Marinemächte eine solche mache. Die Kommission nahm sodann das Flottengesetz an.

Ruszland. Die Reichsduma begann gestern mit der Beratung des

Staatsbudgets von 1912.

Nach dem Bericht des . W. T. B. betonte der Präsident der Budgetkommission Alexrejenko, daß, die Budgetkommission durch Abänderungen der Vorlage, bei voller Berücksichtigung der Volksbedürfnisse einen Ueberschuß der ordentlichen Ein nahmen im Betrage von 232 Millionen erzielt habe. Außer⸗ dem würden zur Deckung der außerordentlichen Ausgaben außer den für die Tilgung der Schatzscheine bestimmten 160 Millionen Ruhel nicht, wie die Vorlage beantrage, 14,7 Millionen des freien Barbestandes, sondern 54 Millionen des Ueberschusses benutzt werden. Das gegenwärtige Budget sei das dritte ohne Fehlbetrag. In einem Zeitraum von funf Jahren sei es gelungen, über drei Milliarden für die Landesverteidigung und die volle Wiederherstellung, ja Stärkung der Kriegsmacht anzuweisen, den Ausgaben für die Volksbildung die gebührende Stelle einzuräumen, den Anforderungen der Landorganisation und der Landwirtschaft zu genügen, die Bahnen in Sibirien zu entwickeln und die Lage der Beamten aufzubessein. Ferner seien die Summen zur Tilgung der Staatsschuld vergrößert worden. Das Budget von 1912 Übeiste ge das Budget von 1907 um mehr als 500 Millionen, die allein in ordentlichen Ausgaben beständen. Dabei bleibe ein freier Barbestand von über 400 Millionen. Die Staatsschuld werde, wenn die Schuld für die Warschau⸗Wiener Bahn nicht hinzugerechnet wird, am 1. Januar 1913 nut 53 Millionen mehr als am 1. Januar 1908 betragen. Die Summe der eingegangenen ordentlichen Einnahmen habe im Jahre 1911 die vom Jahre 907 um 460 Millionen über— stiegen, und das sei ohne belastende Steuererhöhung und ohne be⸗ deutende neue Sseuern erzielt worden.

Hierauf ergriff der Ministerpräsident Kokowzow das Wort und führte aus, daß das russische Budget zum ersten Male eine Höhe von mehr als drei Milliarden Rubel erreiche. Die ordentlichen Ausgaben wüchsen duichschnittlich um 80 bis io0 Millionen jährlich. Die Staatskasse werde dadurch, jedoch nicht, erschöpft und das Gleichgewicht des Budgets in Zutunft nicht gefährdet. Selbst ein Mißwachs sei fast ohng Einfluß auf die Einnahmen. Die fünfjährige Arbeit der Reichstzumg, habe bewirkt, daß die Einnahmen die Ausgaben um 1013 Millionen überstiegen. Dies habe die Dedkuung der außerordentlichen Auegaben, die Bildung eines freien Barbestandes und die Tilgung von 205 Millionen Staate schulden ermöglicht. Die Anleiheoperatsonen hätten dem freten Barbestande nur etwas mehr als 59 Millionen zugeführt. Die ordent⸗ lichen Einnahmen seien in vier Jahren um 29 0s o gewachsen. Es sei behauptet worden, das Branntweinmenopol bilde die Grundlage des Staatsbudgets, jedoch habe das Monopol nur 7,8 oM der Einnahmen gebracht. Die Steuerlast, die für 1912 zehn Rubel 84 gopeken

auf den Kopf auemache, sei seit 1906 nur um 38 Kopeken gestiegen. Von 150 Millionen Rubel, um die die Aus.

gaben der vier letzten Jahre gestiegen wären, entfielen 121 auf die Landes verteidigung. Die Ausgaben zu Kulturjwecken seien un 167 Millionen . Davon entfielen 77 auf die Volkeaufflz rung, 47 auf die Agrarorganisation und die Landwirtschaft. enn Anleihen unnötig seien, das Staat budget wachse und die Bedũůrfnisf freigebig befriedigt würden, so finde dies seine Erklärung in der Finan⸗ lage, dem Finanzsystem und den Verhältnissen Rußlands. nahmen wüuͤchsen alljährlich um etwa 40 0,½. Selbst unverbesserlich Pessimisten könnten einen Erfolg in der Umgestaltung des Wing. schaftslebens nicht in Abrede stellen. Nach 16 Jahren dürfte det iussische Budget vier Milliarden erreichen. Eine Erschütterun des Gleichgewichts sei nicht zu befürchten. Der Import un der Export ergäben ein Saldo von 407 Millionen zugunsten Ruß. lands. Nachdem der Ministerpräsident sodann darauf hingewiesen hatte, daß diese Tatsachen einen günstigen Ausblick in die Zukunft en

öffnen, erklärte er daß in den vier letzten Jahren der Gostvorrat um

576 Millionen, der freie Barbestand von 256 Millionen auf 69 Millionen gestiegen sei. Der Goldvorrat im Auslande betrag. 413 Millionen. Auch die russischen Fonds hätten sich gebessert. Da Ministerpräsident gab sodann einen Ueberblick über die Tätigkeit da ditten Reichsdumg und schloß, die Duma könne auf den zurückgelegten Weg ruhig zurückschauen und sagen: Feci, quod potui; factam meliora potentes. Türkei.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat die Pforte Nachrichten er— halten, nach denen sich zwei italienische Kriegsschiffe im Archipel befinden sollen. Man glaubt jetzt, daß ein Vorgehen

der Italiener gegen eine der Inseln unmittelbar bevorsteh.

Die Minister des Krieges, der Marine und des Innern hielten gestern unter dem Vorsitz des Ministers des Aeußern Pe ratungen ab; der Kriegsminister hatte auch eine Besprechung mit dem Großwesir.

Der Minister des Innern hat die Wilajets Syrien, ö

Aleppo, Beirut und die Gouverneure von Jerusalem und dem

Libanon angewiesen, die Italiener, die heute nach Ablauf det bei der Ausweisung gestellten Frist von 15 Tagen sich noch am .

Ort befinden, mit Gewalt aus dem Lande zu schaffen.

In einer sehr bewegten Sitzung hat gestern, einer Meldung der „Neuen Freien Presse“ zufolge, die Revo lutionäre Versamm lung in Kaneg die Entsendung von zun Abgeordneten nach Griechenland, die Aufrechterhaltung der öfsentlichen Ordnung und die Bildung eines Ausschusses zu

Wahl einer vorläufigen Regierung beschlossen. Im Auftrage des Präsidenten der Versammlung bewacht Gendarmerie di

Die Konsuln traten sofort zu einer Beratung zu Die Anhänger von Venizelos erheben gegen di revolutionären Beschlüsse Einspruch. Trotz dieser Ereignise

Ministerien. sammen.

herrscht vollkommene Ordnung.

Norwegen.

In der gestrigen Sitzung des Storthings brachte, wie „W. T. B.“ meldet, der Abgeordnete Vik einen Antrag ein, 6000 Kronen jährlich für ein Amundsen zu übertragendes außerordentliches Professorat an der Universität zu be—⸗ willigen. Der Antrag wurde dem Budgetausschuß überwiesen. Der Ministerpräsident Bratlie teilte mit, daß die Regierung

beabsichtige, in den nächsten Tagen einen Antrag auf Be⸗

willigung eines Betrages für die Expedition Amundsens ein— zubringen, damit Amundsen in den Stand gesetzt werde, das Ziel zu erreichen, das er sich von Anfang an gesetzt habe, nämlich zum Nordpol vorzudringen.

Amerika.

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat in B.“ be⸗

seiner gestrigen Sitzung laut Meldung des „W. T. schlossen, das Justizdepartement aufzufordern, sich darüber zu äußern, ob es zurzeit eine Untersuchung der Verhältnisse des Smelter Trusts durchführe, ob die American Smelting and Refining Company damit in Verbindung stehe und ob gerichtliche Verfolgung gegen sie beabsichtigt sei.

Nach amtlicher Feststellung sind, obiger Quelle zufolge, in Chile zur Deputiertenkammer 28 Konservative, A liberale Demokraten, 23 Radikale, 21 Liberale, 14 Nationale und 5 Demokraten gewählt worden.

Asien. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Peking is Tangschaoyi zum Premierminister ernannt worden.

Afrika.

Wie W. T. B.“ aus Casablanca meldet, ist die Kolonne Brulard am 9. d. M. 20 km südlich von Manjiz von aufrührerischen Zemmurs angegriffen worden, die den Marsch der Kolonne von 10 Uhr Morgens bis Nachmittags um 5 Uhr durch verschiedene Angriffe aufzuhalten versuchten. Der Feind wandte sich schließlich mit erheblichen Verlusten zur Flucht. ind 19 verwundet, unter ihnen drei Offiziere.

Der „Agence Havas“ wird gemeldet, ein spanische Abteilung in das Gebiet der Ahlshirif

östlich von Elksar eingezogen sei, und daß dieser Stamm die

anderen Stämme der Umgegend zusammenberufen habe, um über ihr Verhalten gegen die Spanier zu beraten.

Nach Meldungen der „Agenzia Stef rückten vorgestern früh zwei Bataillone Infanterie und eine Batterie Gebirgsgeschütze aus den italienischen Verschanzungen vor, um eine Kompagnie Pioniere, die mit der Herstellung eine neuen Forts beschäftigt war, zu beschützen. Gegen 10 Uhr be— merkten sie eine Karawane, der sie mit einigen Kanonenschüssen schwere Verluste beibrachten. Gegen Mittag näherten sich größere Massen von Türken und Arabern 4 km der Stelle, wo die anlagen begonnen hatten. Die Italiener eröffneten ein heftiges Geschützfeuer und sogleich entstand ein erbitterter Kampf, in dem die Infanterie mit zwei erfolgreichen Bajonetz—

angriffen den Angriff des Feindes aufhielt, der den italienischen

rechten Flügel einzuschließen versuchte. Der Kampf dauerte bis Nachmittags 4 Uhr. Nach großen Verlusten begann der Feind sich zurückzuziehen, verfolgt von dem Feuer der Italiener. Eine Stunde später war er vollständig verfchwunden. Die Italiener hatten 13 Tote, darunter einen Offizier, und 73 Verwundete,

darunter 3 Offiziere. . Die gestern mitgeteilten Meldungen des Kommandante

der türkischen Truppen vor Benghasi werden von der „Agenzia Stefani“ als unwahr bezeichnet.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des elch tags und der Bericht über die gestrige Sitzung des Herre hauses befinden sich in der Ersten Beilage.

Die Cin,

Auf französischer Seite wurden zwei Mann getötet

daß ein

ani“ aus Tobruk

bis auf Italiener neue Befestigungs⸗

Der Reichstag wandte sich in der heutigen (25 Sitzung, welcher der Staatssekretär 2 Innern . Case beiwohnte, nachdem er auf Grund le nniger Anträge ohne Debatte die Einstel lung schwebender Privatkla ge⸗ bez w. Strafverfahren gegen die Abgg. Nowicki, Baudert , e , 6. . Interpellation des en Strei inisch⸗ äli

zee, ,. im rheinisch⸗westfälischen

Auf die Frage des Präsidenten erklärte der Staats⸗ sekretär Dr. Delbrück sich bereit, die Interpellation morgen zu beantworten. Damit ist der Gegenstand für heute erledigt.

Hierauf wandte sich das Haus der ersten Beratung des Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für 1911 zu, durch den für die erste Einrichtung des Direktoriums der Reichsversiche⸗ rungsanstalt für Angestellte (1 Präsident, 2 Direktoriums . für den Monat März 19123 3488 7g gefordert werden. .

Als erster Redner ergriff der Abg. Molkenbu r (Soz. . dessen Ausführungen morgen 3 en. werden.

(Schluß des Blattes.)

ö. Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen (35 Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Befeler bei— wohnte, zunäͤchst in erster und zweiter Beratung die Gesetz⸗ entwürfe, betreffend die Aenderung der Amtsgerichts⸗ bezirke Dirschau und Preußisch Stargard, Mewe und Neuenburg, Dorum und Geestemünde, Deutsch Krone und Jastrow sowie der Landgerichtsbezirke Duisburg und Kleve, ohne Debatte an.

Bei der dann folgenden ersten Beratung des Gesetz— entwurfs, betreffend die Aenderung der Amtsgerichts⸗ bezirke Barten und Rastenburg, erhebt

Abg. Gyßling Gortschr. Volksp.) gegen die Vorlage Bedenken im Interesse des Amtsgerichts Rastenburg. Von diesem sollten mehrere Ortschaften mit 84 Seelen fortgenommen und dem Amtẽs⸗ gerscht Barten zugeschlagen werden, weil angeblich das Amtsgericht Rastenburg überlastet sei. Es müsse aber geprüft werden, ob die Aenderung nicht besser dadurch vorzunehmen sei, daß das nicht voll beschäftigte Amtsgericht Barten ganz aufgehoben und dessen Bezirk dem Amtsgericht Rastenburg zugeschlagen werde. Er, der Redner, beantrage deshalb die Ueberweisung der Vorlage an die Justiz⸗ kommission.

Ein Regierungskommissar empfiehlt demgegenüber die un— veränderte Annahme der Vorlage.

Die Abgg. Krause⸗Waldenburg (freikons) und Böhmer (kons.)

1

erklären für ihre Partei die Zustimmung zur Vorlage.

. Antrag Gyßling wird gegen die Stimmen der Freisinnigen, der Polen und eines Teils der Nationalliberalen abgelehnt und die Vorlage auch sofort in zweiter Lesung an⸗ genommen.

Darauf wird die zweite Beratung des Staats haushalts— eta s für das Rechnungsjahr 1912 bei dem Etat des Herrenhauses fortgesetzt.

. Abg. Hoffmann (Soz.): Im vorigen Jahre ist schon darauf hingewiesen worden, wie ungeheuer der Etat des Herrenhaufes durch die Kosten des sienographischen Berichts belastet ist. Nun sind ja bo00 abgestrichen worden, es könnte aber noch viel mehr gespart werden, ohne daß die Stenographen darunter zu leiden hätten. Die Fama hat von einem angedrohten Streik der Stenographen des

errenhauses erzählt. Es wäre ja entsetzlich, wenn wir nicht er— führen, was die Herren drüben reden. Ich glaube, es ginge sehr gut, für beide Häuser des Landtags ein gemeinsames Stenographenburau einzurichten. Für die Schreibdamen ist eine Pauschalsumme von 300 4 ausgeworsen, und zwar, wie es heißt, durch Vermittlung eines Bureaut. Man sollte der Frage näher treten, ob diese Damen nicht direkt engagiert werden können, ohne daß der Unternehn er den Löwen— anteil einsteckt. Seit der vorigen Session sind uns aus dem Herren⸗ hause Dinge bekannt geworden, die, wenn sie wahr wären, einfach standalös wären. Wir hoffen in dieser Beziehung auf Äbhilfe bon dem neuen Herrenhauspräsidenten; der verflossene Herrenhaus⸗ präsident hatte zu viel mit Sozlialistentöterei zu tun, als daß er sich viel um die Geschäfte des Herrenhauses hätte bekümmern können. Die beiden Rechnungsräte des Herrenhauses sollen ihre tägliche Dienstzeit von sechs Stunden dazu ausnutzen, die Arbeiten für das Staatshand⸗ buch fertigzustellen und die Arbeiten für den Johanniterorden zu er⸗ ledigen. Der Kalkulator benutzte den größten Teil seiner Bienst⸗ stunden dazu, für die Güterverwaltung des Herrn von Manteuffel schriftliche Arbeiten auf Kosten der Steuerzahler zu leisten. Der Hautinspektor, der Hauswart, der Buchbinder und 6 Boten werden in jedem Jahre 100 Tage beurlaubt, um auf der Rennbahn des Unionklubs tätig sein zu können. Der Direktor des Herrenhauses hat durch Bearbeitung des Staatshandbuchs mehrere tausend Mark Neben verdienst. Die Handbücher werden nach allen Gegenden Deutsch— lands verschickt und auf Kosten des Etats ungezählte Zentner Pack. papier geschlagen; dagegen müssen wir protestieren. Ber Fahrstuhl des Herrenhauses sollte ursprünglich zur Beförderung der Speisen bis zum 2. Stock nach den Festsälen durchgeführt werden, jetzt ist er bis zum Boden durchgeführt, dam]lt der Hausinspektör für seine Hühner, Tauben und Kaninchen auf dem Dach Futter hinaufschaffen kann. Der Fahrstuhl ist also nicht nur fur die Atzung der Herrenhausmitglieder, sondern auch für Karnickel und Tauben errichtet. Von angestellten Hausarbeitern werden eine größere Anzahl Fuhren Erde auf das Dach befördert, wo der Haug insp ktor einen umfangreichen Gemüsegarten besitzt. Es ist gewiß erfreulich, daß neben der Viehzucht auch dafür gesorgt ist, daß Kohl im Herrenhaus gebaut wird. Es wäre kein un⸗ berechtigtes Verlangen, daß auch wir den Herrenhausgarten benutzten. Auf dem Dache des Herrenhaufes ist ein Hühner'stall und Kaninchen- behälter gebaut worden. Das ist vom etatrechtlichen Standpunkte aus unzulassig und vom Sicherheitsstandvunkt aus gefährlich. Selbst wenn wir einmal dem Herrenhause auf das Dach stiegen, müssen wir doch dagegen protestieren, daß das Oberstübchen des Herrenhauses so be⸗ denklich überlasftet wird. Ferner soll der Bolenmeister und Hausinspektor, nicht der Direktor, die Anstellung und Entlassung des gesamten Personals besorgen. Das ist auch unzulassig; es wird über ungeheure Willkür n . Diener, die mehr als 4 Wochen krank sind, werden ent= assen, ohne daß sie einer Krankenkasse angehören; das ist auch einmal wieder ein Beweis Ihrer sozialen Fürsorge. Für eine gründ⸗ liche Reinmachung des Herrenhauses würden wir gern die not— wendigen Mittel bewilligen; wir würden ung sogar persönlich an einer solchen Kulturarbeit beteiligen. Man könnte sogar eine fehr gründliche Ausleerung des Herrenhauses vornehmen. Jedenfalls haben diese kleinen Proben gezeigt, daß das Herrenhaus selbst für Ordnung und Sauberkelt im eigenen Hause zu sorgen und sich nicht um unsere Angelegenheiten zu kümmern hätte. (Präsident Br. Freiherr von Cr fe Ich bitte Sie, eine Kritik des Herrenhauses zu unter⸗ lass'n) Wir wollen asses aufbieten, damit jenes Haus drüben, senes Mausoleum, in dem die Herren beigesetzt werden, gründlich ausgelüftet und von der Grabekluft und dem Leichengeruch jene ammer galvanssierter Leichen befreit wird. (räsident: Ich rufe

ie wegen der letzten Aeußerung zur Ordnung.)

Der Etat des Herrenhauses wird genehmigt. Schluß des Blattes.)

Koloniales.

Expedition nach dem Bezirk Finschhafen z (Deutsch Neuguinech.

Bezirksamtmann Berghausen hgt im Septemher und Oktober des verflossenen Jahres mit dem Komet sich nach Finschhafen ke— geben und fand dort die ein halbes Jahr vorher eingeführte Organi— sation als noch fest ef gt bestehen. Die Eingeborenen hatten über 16000 Palmen innerhalb von acht Monaten wirtschaftsgemäß an—⸗ epflanzt, und man traf auf Kokospflanzungen in zusammenhängenden

lächen bis zu 20 ha. .

Das Vorkommen von Gold in dem . und seinen Nebenflüssen hat bekanntlich in den letzten Jahren verschiedene Gold— sucher in die Gegend geführt, Sie wurden in ihrer Tätigkeit durch die unsicheren politischen Verhältnisse recht behindert; andererseits ist jedoch festgestellt worden, daß einzelne der dort sitzenden Stämme seit langem von der Kopfjägerei abgelassen haben. An der Sicherung des Landfriedens hat die Neudettelsauer Mission besont eren Anteil. Burch ibre Kenntnis der Eingeborenensprache hat sie mit den einelnen Stämmen Fühlung gewinnen und auf sie einwirken können.

Die genannte Expedition hatte keinen Zusammenstoß mit den Eingeborenen, obwohl sie einige Farbige als Geiseln miknahm; sie sollen in Jahresfrist nach Erlernung der Sprache, und nachdem sie die Niederlassungen der Weißen kennen gelernt haben, in ihre Dörser zurückgesandt werden. Die Ermordung Dammköhlers konnte nicht geahndet werden, da das Mordlager noch mindestens 14 Tagemaäͤrsche weiter landeinwärts liegt. ö

In Heft 2 vom Jahrgang 1912 der ‚Kolonialen Rund— schgu“ (Herausgeber: Einst Vohsen, Schriftleiter: Profeffor D. Westermann, Verlag von Dietrich Reimer, Berlin) behandelt der einleitende Aufsatz die Zustände im belgischen Congogebiet, wo nach wie vor die Ausübung etnes freien Handels infolge der hohen Staats— abgaben fast unmöglich sei. Die Belastung des Handels habe gegen früher nicht ab, sondern zugenommen. Noch heute sei der belgische Staat der Haupthandeltreibende im belgischen Congogebiet. Es wird deshalb die Einberufung einer zweiten Gongokonferenz befürwortet, die schon Geheimer Rat Dr. Hans Meyer auf Grund der auf feiner letzten ostafrikanischen Relse gemachten Erfahrungen angeregt hat. Das gleiche Heft enthält ferner eigen Aufsatz von Staatsfekretär a. De Dr. Dernburg über „östliche Wirtschaftsfragen⸗, in dem die wirtschaftliche und koloniale Tätigkeit Japans und ihre Bedeutung ür Handel und Industrie Deutschlands beleuchtet werden. Professor Dr. Martin Hartmann behandelt in einer langeren Studie die Mission und die Kulturvölker Vorderasiens“.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Zum Bergarheiterausstand im Ruhrrevier (vgl. Nr. 64 d. Bl wird dem W. T. B. gemeldet, daß das Belegschafts⸗ soll der gestrigen Früh⸗ und Nachmittagsschichten 306 8ig Mann betrug, angefahren sind 131 221 Mann, sodaß 57, 23 ½ gefehlt haben. Diese Zahlen geben jedoch kein genaues Bild, da die Nacht⸗ schicht nicht berücksichtigt ist. Im ganzen werden etwa 20006060 Berg⸗ leute im Ausstand stehen. -Der Arheiter-Dreibund berief auf Donnerttagvormittag eine große Streikversamm lung nach dem Schützenhof in Bochum ein. Die Lage im Aus stands⸗ gebiet hat sich insofern wesentlich geändert, als es dielfach bei der Einfahrt der vorgestrigen Mittags, und der gestrigen Frühschicht zu Unruhen gekommen ist, wobei die Schu tz⸗ mannschaften verschiedentlich vom Säbel Gebrauch machten. Die Arbeitswilligen werden vielfach verhöhnt, auch tätlich angegriffen, worüber eine ganze Reihe von Meldungen vor liegt. Während stellenweise infolge dieser Vorgänge die Zahl der Ausständigen ,, erheblich wuchs, zeigte sich bei der Frähschicht keine wesentliche zermehrung der Streikenden gegenüber vorgestern. Auf einzelnen Zechen ist die Fruͤhschicht vollständig angefahren, auf anderen die Zahl der Arbeitenden sogar gestiegen, wobei es sich um Zechen handelt, die abseits vom Unruhegebiet Liegen. Angesichts der ufig en Gewalttaten wird in einer größeren Zahl der den Arbeikern nahestehenden Zeitungen militärischer Schutz gefordert. Die Zechen verwaltungen sind teilweise dazu übergegangen, die Früh. und Mittagsschicht zusammenzulegen. Nach Zeitungsmeldungen sind die Vertreter der natio nalen Bergarbeitervereine in Essen zu⸗ sammengetreten, um über die durch den Ausstand geschaffene Lage zu beraten. Es wurde anerkannt, daß die Behörde große Vorkehrungen zum Schutze der Arbeitswilligen getroffen hat, doch wurde betont, daß der Schutz nicht in der richtigen Form aus⸗ geübt werde. Es sei notwendig, daß die Eingänge zu den Zechen von größeren Menschenansammlungen frek— gehalten würden, damit die Arbeitswilligen leichter zu ihren Arbeits stätten gelangen könnten. Die Versammlung beauftragte sechs Mit⸗ glieder, bei dem Essener Poliieipräsidenten die Wünsche der Berg arbeiterpereine vorzutragen. Es wird mitgeteilt, daß auf der Zeche Neumühl, Deutscher Kaiser und , Westende gestern bei der Einfahrt große Massenansammlungen stattfanden. Ein Vertrauensmann des Christlichen Gewerkvereins aus Lierich namens Friege, der auf der Zeche Neumühl“ beschäftigt ist und zur Arbeit gehen wollte, wurde von der Menge hochgehoben und umhergetragen, wobei man rief; „Hoch der Streikbrecher“. Auf der Zeche Vondern? wurden in der Nacht zum Dienstag acht bis zehn Arbeitern, die eingefahren waren, die Kleider und Stiefel zerschnitten. Die christ⸗ lichen Gewerkschaften haben sich unter diefen Umsländen an die Behörden um besseren Schutz der Arheitswilligen gewandt. In der Kolonie Dellwig der Gute Hoffnungs⸗Hütte“ Nurden Arteitswillige von Frauen der Streikenden mit Steinen beworfen. Auf der Zeche Brassert' in Marl wurde ein Arbeitswilliger in der Kantine von Streikenden überfallen und so zugerichtet, daß er dem Krankenhause zugeführt werden mußte. Ein anderer Arbeits williger wurde in seiner Wohnung von den Mitbewohnern überfallen und gleichfalls so mißhandelt, daß er in das Krankenhaus gebracht werden mußte. Zu schweren Ausschreitungen kam es gestern abend in Bbermarxloh. Als eine Anzahl Arbeltswilliger von einem Polizeiaufgebot nach den Wohnungen begleitet wurde, entwickelte sich ein Kampf zwischen Streikenden und Polizei⸗ mannschaften. Auch heute wurde die Polizei mit Steinen beworfen, und aus den Fenstern der Häufer wurden etwa 200 Schü sse auf sie abgegeben. Die Ladenbesitzer sahen sich ge zwungen, ihre Läden zu verbarrikadieren. Der Mob zertrümmerte die Straßenlaternen. Eine Laterne wurde umgeworfen und das ausstiömende Gas angezündet. Erst nach mehreren Zusammen⸗· stößen gelang es der Polizei, die Ruhe wieder herzustellen. Viele Polizeibeamte, unter lhnen zwet Komm issare, wurden durch Steinwürfe erheblich verletzt. Unter den Verletzten be findet sich auch ein zehnjähriger Knabe. Im Laufe des Nach⸗ mittags weilte der Regterungspräsident Dr. Krufe aut Düssel⸗ dorf auf dem Schauplätze der gestrigen Krawalle. In einer außerordentlichen dringenden Stadtverordnetenver⸗ sammlung in Hamborn wurde beschloffen, zu gestatten, daß fur die Dauer des Ausstands die Gewerkschaft Beunscher Kaiser⸗ eine Schutz wehr von 62 Mann und die Zeche Neumühl! eine solche von 2ꝛ Mann emnrichlet, die aus Beamten der Gewerkschaft Deutscher Kaiser“ gebildet wird. Die Schutzwehren haben Polizeirecht und werden mit Pistolen und Polhzeiknütteln ausge⸗ statt t. Ihre Aufgabe ist es, die Zechenanlagen und Arbeitswillige zu schützen, doch sollen sie nur mit Polizeibeamten auftreten. Im Laufe des Nachmittags wurden wiederum zahlreiche Verhaftungen vor- Fnommen. Von, einer Keranziehung der Düffeldorfer Ulanen ist vorläufig Abstand genommen worden. Die Sam⸗ borner Poltzel ist durch ein zweites Gendgrmerieaufgebot und

durch, Polizribeamte aug, den größeren Städten d ; landes bersiärkt worden. Heute vormittag war . .

Aus Herne wird gemeldet: Al Schutzmannsagufgebot unter Leitung nach beendeter Einfahrt auf Zeche Shamrock“ nach Zeche Ju lia. marschierte, wurde es auf der Rottbruchstraße von einer Menge Streikender mit Steinen beworfen und beschossen. Die Schutzleute erwiderten das Feuer; ein Streikender wurde durch einen Schuß in den Kopf getötet. Vor den Zechen, die im Stadtgebiet Dortmund liegen, kam es ebenfalls beim Schicht⸗ , zu k

us St. Apeld wird dem W. T. B. gemeldet: Auf der

Grube -Merlenbach' der Saar- und nee ,,,, gesellschaft ist plötzlich der Aussstand ausgebrochen. Gestern mittag sind von den zund 700 Mann der Belegschaft der Grube 50 angefahren. Die Streikenden, die ohne Kündigung die Arbeit nieder- gelegt haben, stellen die gleichen Forderungen wie die Arbeiter des Ruhrbezirks. In den sonstigen Gruben des Bezirks ist alles angefahren.

Der Arheitgeberverband für das Schneidergewerbe, Ortsgruppe Cöln, beschloß, wie die Rhein. Westf. Ztg. erfährt, die am Sonnabend ausgesperrten unorganisierten Sch neider⸗ gehilfen zum Teil wieder in Arbeit zu nehmen. Der Beschluß des Hauptverbands, auch die Gehilfen der Damen⸗ schneidereien auszusperren, wurde dort nicht durchgeführt.

Aus Prag wird dem W. T. B. gemeldet, daß nunmehr auch die deutsch⸗- nationalen Bergarbeiter, deren Vertretung im Reichsrate eine Interpellation wegen der Aus standsgefahr im Nordwestrevier mit dem Verlangen nach einer Lohnerhöhung ein— gebracht hat, eine Versammlung zur Beratung der Streikfrage auf den näͤchsten Sonntag einberufen hat. Ebenfo verfuhren die Berg“ arbeiter des Nürschauer Kohlenbeckeng.

Zum Ausstand der englischen Bergarbeiter (vgl. Nr. 64 d. Bl.) wird dem W. T. B. aus London gemeldet, daß die Be⸗ ratung der Vertreter der Grubenbesitzer und der Bergarbeiter, die gestern unter dem Vorsitz des Plemierministers Asguith im Auswärtigen Amte stattfand, nach dreieinhalbstündiger Dauer auf heute vertagt worden ist. Cine Mitteilung über den Verlauf der Verhandlungen ist nicht erfolgt.

Nach der Beendigung des vierundzwanzigstündigen Ausstands ist gestern, wie W. T. B.“ erfährt, die Arbeit in den französischen Bergwerken überall wieder aufgenommen worden.

Infolge der Bergarbeitergusstaͤnde in Deutschland und Eng⸗ land hat auch, wie dem . W. T. B.“ aus Brüssel berichtet wird, unter den helgischen Grubenarbeitern eine Gãrung begonnen, weshalb der Nationalausschuß des Bundes der Berg⸗ leute gestern zusammengetreten ist und beschlossen hat, die Fragen einer. Mindestlöhnung, einer Lohnerhöhung um 15 o,9 und der Anerkennung des Bundes den vier Revierversammlungen fuͤr Sonntag zur getrennten Beschlußfassung vorzulegen. Eine allgemeine Ver= sammlung soll am 24 März in Brässel zusammentreten, um end= gültig über die zu treffenden Maßnahmen Beschluß zu fassen. Unter den Dockarbeitern Gents brach, der „Köln. Ztg.“ zu⸗ folge, am 11. d. M. ein Ausstand aus. Die Feiernden verlangen eine Lohnerhöhung von 1 Fr. für den Tag. ;

(Weitere Statistische Nachrichten‘ s. i. d. Zweiten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Zur Frrichtung eines Feuer wehr⸗Erholungsheims erlãßt ein Ausschuß einen Aufruf, in dem es u. a. heißt: Auch in unseren Tagen ist der Beruf des Feuerwehrmannes trotz aller Fort⸗ schritte der gefahrvollsten einer, und die „Ehrentafein! der Wehren füllen sich mit den Namen mutiger Opfer. Aber noch weit größer ift die Zahl derer, die bei dem Rettungswerke wenn nicht ihr Leben, so doch ihre Gesundheit einbüßen! Da helfend und lindernd einzugreifen, ist eine schöne und edle Pflicht. Gar mancher, der ohne sorgsame Pflege, ohne die Möglichkeit einer Erholung in gesunder Luft dahin⸗ siecht, könnte den Seinen, könnte seinem Berufe erhalten bleiben, wäre eine Stätte vorhanden, die ibm Genesung verschafft. Und wie man seit langem schon für andere Berufe Erholungsstätten geschaffen hat, in denen der Kranke, befreit von allen Sorgen, in freier Natur gesundet, so sollte auch den preußischen Feuerwehren ein solches Heim nicht fehlen, als Anerkennung für freue Pflichterfüllung in ihrem schweren Berufe. Zu diesem Zwecke hat sich eine Anzahl Männer und Frauen aus allen Ständen zufammengefunden, um die gesetzlich gebundene Fürsorge durch die Gründung eines Feuerwehr⸗ erholungsheims zu ergänzen. Zwei Gönner haben bereits ein in wald— reicher Gegend schn gelegenes, jwölf Morgen großes Gelände geschenkt. Es gilt nun die Mittel für den Bau und für die Erhaltung des Heims zusammenzubringen. Oft haben unsere Mitbürger bewiesen, daß sie gegenüber den wirklichen Bedürfnissen unserer Ft ein offenes Herz und eine offene Hand haben; um so mehr dürfen wir auf ein allgemeines Entgegenkommen rechnen, wo es sich um die Fürsorge für eine der volkstümlichsten und segensreichsten Einrichtungen unferes Vaterlandes handelt. Wir haben somit die gute Zuversicht, daß für unsere braven Feuerwehrleute jeder sein Scherflein mit Freuden geben werde; auch die kleinste Zuwendung ist uns willkommen. Beiträge nimmt dal Bankhaus Jacquier u. Securius, Berlin G 2, An der Stechbahn 314 (Postscheckkonto Berlin Nr. 2224), entgegen. .

Kunft und Wissenuschaft.

Die diesjährige Generalversamm lung der deu tschen Sbakkespegre Gesellschaft findet am 23. April im großen Armbrustsaale zu Weimar statt. Auf der Tagesordnung stehen die Erstattung des Jahresberichts durch den Praäͤsidenten Professor Sr. Aloys Brandl, ein Festvortrag des Professors Dr. Geor Sarrazin von der Universität Breslau über Shakespeare und den 1. und ein Vortrag des Dr. Paul Wielicenus über die Darmftäbter Totenmaske des Dichters. Am 23. April wird auf dein Hoftheater der Hamlet“ mit neuer Ausstattung auf einer stilisierten Bühne gespielt werden.

Die Geographische Gesellschaft in Christianig bat die angekündigte

Aufforderung an das norwegische Volk erlassen, Beiträge für Amundsens Nordpolexpedition zu zeichnen. Das Schiff ‚Aurorg. der antarktischen Erpedition Maw sons ist, W. T. B.. jufelge, in Hobart angekommen, nachdem es die Expedition in der Anfarktis gelandet bat. Die Ex= Pedition fand keine Spur der Küste von Clarieland; sie hatte den Eindruck, daß das sogenannte Clarieland eine Eisschanze gewesen ist, die seit der Entdeckung durch Dumont d Urville im Jahre 1838 auf⸗ 2 ist. Die Aurora“ wird im Frühjahr nach der Antarktg zurückkehren.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Oesterreich.

Die K. K. Seebehörde in Triest hat unterm 4 d. M. verfü daß, nachdem das Auftreten der Pest in Durban (Natal amtlt d n. ist, die Herkünfte von dort nach den Bestimmungen des eebehördlichen Rundschreibens vom 12. August 1904 zu i sind. (Vgl. . Reichs anzeiger vom 1. Dezember 1904, Rr. 2833

Türkei.

Der internationale Gesundheitsrat in Konstantinopel bat die für die Herkünfte von Mersina und von Jemen angeordnete ärztliche Untersuchung wieder aufgehoben.

Indien.

Nach einer Mitteilung der Regierung in Kalkutta vom 17. Fe⸗ bruar d. J. sind in den Häfen von Drissa gegen die von Hongkong und Bushire ankommenden Schiffe, wegen der daselbst berrschenden Pest, Quarantänemaßregeln an-=

heute früh ein eines. Kommlssart

geordnet worden.