Deutscher Reichstag. 34. Sitzung vom 23. März 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste und eventuell weite Beratung der n,, die vorläufige
Regelung des , ,,, s und des Haus halts der Schutzgebiete für das echnungsjahr 1912.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn;
Meine Herren! Ich habe die Ehre, zum ersten Mal in meiner gegenwartigen Stellung ein Etatsgesetz bei Ihnen einzufũhren. Gerade dieses Gesetz ist so rein formaler Natur, daß es finanzpolitische Auteinandersetzungen ausschließt, und ich will mich deren umsomehr enthalten, als wir in einigen Wochen bei der Beratung über die Rüstungsvorlagen und deren Finanzierung auf breitester Grundlage über alle hierauf bezüglichen Fragen zu verhandeln haben werden.
Eines aber, meine Herren, auszusprechen ist mir nach den Er— eignissen der letzten Tage Herzensbedürfnis, und darin könnten Sie, wenn Sie wollen, ein Stückchen Finanzprogramm finden: es bedauert niemand lebhafter als ich den Abgang des Mannes, der vor mir an meiner Stelle gestanden hat und der die allgemeinen Richtlinien für die Finanzpolitik des Reichs meines Erachtens für alle Zukunft in mustergültiger Welse festgelegt hat. (Lebhaftes Bravo! bei den Nationalliberalen. Das Gesetz, wie es Ihnen hier vorliegt, fordert, wle gesagt, zu prinzipiellen Erörterungen nicht heraus. Es soll uns nur in den Stand setzen, die notwendigen Ausgaben des Reichs auch über den 1. April hinaus auf budgetmäßiger Grundlage iu bestreiten. In früheren Jahren ist der Reichstag in dankenswerter Weise bemüht gewesen, den Haushalt für das nächste Jahr rechtzeitig vor Schluß des alten Jahres fertigzustellen. In diesem Jahre ist es nicht möglich wegen des späten Termins der Wahl. Vielleicht ist es auch aus anderen Gründen in diesem Jahre nicht unerwünscht, daß wir in die Lage kommen, erst später über den Etat endgültig zu verhandeln, erst zu einer Zeit, wo wir bereits die finanziellen Ergebnisse des Jahres 1911 und die Anforderungen über⸗ sehen können, welche die nächsten Jahre an uns stellen.
Der Umstand, daß wir in diesem Jahre den Etat wahrscheinlich später verabschieden werden als sonst in ähnlichen Fällen, ist auch auf die Form des Gesetzes nicht ohne Einfluß geblieben. Sie sehen, daß wir im § 1 nicht, wie es sonst üblich war, von Ihnen die Be⸗ willlgung zweier Monatsbeträge erbitten, sondern eine zeitlich nicht beschränkte allgemeine Ermächtigung, diejenigen Ausgaben zu leisten, welche auf bereits feststehenden Verhäͤltnissen basieren. Diese all gemeine Ermächtigung wird aber nicht ausreichen; es wird nötig sein, uns zu befähigen, auch für verschiedene sonstige Zwecke die erforder⸗ lichen Beträge zu verausgaben. Aber die entsprechenden Anforderungen, die Sie in dem 8 2 des Entwurfs aufgeführt finden, werden bei Ihnen keine Bedenken auslösen; ein großer Teil ist bereits von Ihrer Budgetkommission geprüft, und im übrigen ist in der Begründung bei jedem einzelnen Posten ausgeführt worden, wie die Reichskasse von einer Verzögerung der Bewilligung nur Schaden haben würde.
Von den anderen Bestimmungen des Gesetzes könnte, glaube ich, höchstens der 8 4 Interesse erwecken, und jwar deshalb, weil er von den in letzter Zeit so oft genannten Ueberschüssen des Jabres 1911 handelt. Aber auch hier finden Sie durchaus keine materielle Dispo sition, es soll vielmebr gerade durch diese Bestimmung dem Reichs ⸗ tage die volle freie Verfügung über die Ueberschüsse vorbehalten bleiben bis zu dem Zeitpunkt, wo er den 8 4 des Etatsgesetzes für 1012 feststellt.
Der § 5 — materiell zurzeit auch nicht von großer Wichtigkeit — würde nur Bedeutung gewinnen, wenn das neue Etatsgesetz erst nach dem Finalabschluß für 1911 erlassen würde.
Das Gesetz über den Haushalt der Schutzgebiete schließt sich dem Gesetz für den Reichshausbalt lediglich an.
Mit dieser kurzen Skizzierung ist der ganze Inhalt der beiden Vorlagen erschöpft, und ich babe lediglich die Bitte an Sie zu richten, die Gesetzentwürfe recht bald prüfen und genehmigen zu wollen. (Bravo!) -
Aba. Bassermann (nl): S 1 der Vorlage schlägt eine
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Auch die Annahme des damaligen Vertrags war zwar eln Sprung ins Dunkle — eine Betätigung, der sich ja leider ein Gesetzgeber niemals ganz entziehen kann — es wurden auch damals viele und heftige Angriffe gegen den Konventionsentwurf und gegen die Regie rung, namentlich aus den Kreisen der Zuckerindustrie, erhoben; aber die Zuversicht derer, welche an den schließlichen Erfolg glaubten, war stärker und drang auch im Reichstage durch, und diese Zuversicht wurde nicht getäuscht.
Was man von der Konvention erwartete, erfüllte sich. Der Preis für den Zucker ging stark herunter, aber nicht etwa zum Schaden unserer Fabrikanten, die ja bisher einen großen Teil ihres Inlands⸗ gewinnz auf dem Weltmarkt wieder hatten opfern müssen, um dort den Prämienzucker fremder Staaten unterbieten zu können. Auf der anderen Seite erwies sich die Verminderung des Preises für den Konsum überaug segensreich. Ich möchte in der Beziehung nur zwei Zahlen nennen. Der Konsum hob sich von 7,8 Millionen Doppel⸗ zentner ü0n Rohwert) im Jahre 190112, auf 12 Millionen Doppel ⸗ zentner im Jabre 19056, und die Konsumvermehrung, verbunden mit dem Wegfall der Prämien wirkte wiederum so günstig auf die Ein⸗ nahmen des Reichs ein, daß diese in den beiden genannten Jahren von 103 auf 141 Millionen Mark stiegen.
Fünf Jahre darauf, bei der Erneuerung der Konvention, ließ sich die Situation schon weniger günslig an. Selbst die Denkschrift, mit der damals der Vertrag dem hohen Hause vorgelegt wurde, zeigte, wie aus Ihrer Mitte sehr richtig bemerkt wurde, einen etwas elegischen Zug. Es wurde ja allerdings auch damals der Vertrag weiter auf⸗ rechterhalten; aber England lehnte es ab, sich noch ferner gegen den Prämienzucker abzuschließen. Es wollte also den russischen Zucker trotz der hohen gewährten Prämie unter denselben Bedingungen bei sich bereinlassen wie den deutschen, und nur in einem Separat⸗ abkommen mit Rußland gelang es, die russische Ausfuhr nach den westlichen Märkten auf ein bestimmtes Maß festzulegen.
Augenblicklich ist das Bild wieder etwas welter getrübt. Aller⸗ dings behalten wir auch jetzt die Konvention für weitere fünf Jahre bis zum 1. September 1918 bei, und das regelmäßige russische Ausfuhrkontingent von 200 000 t bleibt dasselbe; aber ob England bei der Konvention verbleibt, steht noch dahin, und besonders fällt ins Gewicht, daß wir Rußland den Sonder- vorteil eines vorübergehenden Mehrkontingents von im ganzen 250 000 t baben bewilligen müssen. Meine Herren, ich kann mir denken, daß einmal eine Zeit kommt, wo die Konvention derart mit Vergünstigungen für Rußland bepackt ist, daß sie für uns jeden Wert verliert (lebhafte Zustimmung rechts, im Zentrum und links), und daß wir dann einem lästigen Vertrage den konventions⸗ losen Zustand vorziehen werden. (Sehr gut! bei den National— liberalen; Augenblicklich aber ist dieser Moment noch nicht ge⸗ kommen. Der Vertrag hat sich, wie gesagt, nur in etwas ver⸗ schlechtert. Ich meine mit den letzteren Worten nicht etwa, daß die einmalige Mehrausfuhr an russischem Zucker uns auf dem auslãndischen Markte Abbruch tun könnte; aber es liegt darin doch immer eine bedeutsame Stärkung der russischen Zuckerindustrie, und eine auch nur vorübergebende Stärkung eines gefährlichen Gegners ist unter allen Umständen kein Gewinn für das heimische Gewerbe. (Sehr richtig! rechts.)
Gegenüber den Ausstreuungen, die sich in einem Teil der ausländischen Presse gefunden baben, möchte ich an dieser Stelle noch eins hervorheben. Es war nicht die „Intransigenz Deutschlands, es war nicht der Wunsch, Schwierigkeiten zu bereiten, wenn wir den übertriebenen russischen Forderungen gegenüber Opposition machten, sondern es war die Wahrnehmung des wohlberechtigten Interesses unserer heimischen Industrie. (Sehr richtig) Wir haben mit den Zugeständnissen, die wit machten, tat sächlich ein Opfer gebracht, ein Opfer unmittelbar für Rußland und mittelbar für die übrigen Staaten, die die Konvention mit uns weiter aufrecht zu erhalten wünschten.
Die Frage, die beute an uns herantritt, ist also nur die: ist das, was wir erreicht haben, des Opfers, das wir bringen mußten, wert? Und da, meine Herren, stehe ich allerdings auf dem Standpunkt, daß die Frage bejaht werden muß. Namentlich die Ereignisse des letzten Jahres mit den ungũnstigen Produktionsverhãltnissen in den meistenüben⸗ staaten haben uns gezeigt, wie leicht es unter Umständen für Rußland werden kann, uns auf dem englischen Markte zu verdrängen, und wie notwendig es ist, seinem schrankenlosen Wettbewerbe ein Ziel zu setzen.
Haben wir dies nun erreicht, ist es uns gelungen, den russischen Wett⸗ ewerb in bestimmte Grenzen zu bannen, haben wir erreicht, daß unser andel auf Jabre vorher berechnen kann, wie groß die Höchstmenge
nach England gehenden russischen Zuckers sein wird, dann haben
jenige St müssen das Gute, das ihne kennen.
Ein weiterer Vorteil aber, der nicht unterschätzt werden ergibt sich für den inländischen Kon sum. Auf eine fernere fünf⸗ jährige Periode hinaus ist jetzt der inländische Konsument vor der Gefabr bewahrt, bohe Preise zablen zu müssen, nur damit das Aus⸗ land billigen Zucker erhält. (Sehr richtig! links) Dem Bestreben, den Zucker zu eine Volksnahrungsmittel zu machen, ist auch für die Folgezeit der Weg geebnet.
Wenn ich dies zusammenfasse, so habe ich trotz allem, was ich vorher gegen den Vertrag anführen mußte, die Ueberzeugung, daß Sie, wenn Sie jetzt den vorliegenden Abmachungen zustimmen, damit der Zuckerindustrie, dem Rũbenbau, dem Handel und der großen Masse der beimischen Zuckerverbraucher einen wertvollen Dienst erweisen
wr werden.
(Bravo! links.) Aba. Schwabach
Abg. chwabach (nl) bringt als Vorsitzender der Petitions⸗ kommisston dem Hause eine Petition des Halberstadter Zweigverein der deutfchen Zuckerindustrie zur Kenntnis, worin die Nachgiebigkei der Regierung gegen die russische Forderung und die Bewilligung eines
ᷣ an Rußland bedauert und die Be—⸗
ungen Rußlands ausgesprochen wird.
in-Läöwitz Ckons): Es ist immer Abkommen hier im Reichstage lange f hat,
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2 Meinung St eut ür das Zustande müssen.
Re Vertreter der Zuckerindustrie, wie auch des San wirtschaft zu der Erkenntnis gelangt, ob es
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nicht sehr fraglich sei, daß eine Verlängerung der Zuckerkonven tion unter den alten Bedingungen annehmbar sei, oder ob man nicht einen vertragslosen Zustand vorziehen solle. In der bisherigen Konven⸗ tion, die von siÿ Staaten unterzeichnet ist zum Zweck der Beseitigung aller Ausfuhrprämien, nimmt Rußland eine ganz besondere Stellung ein. Man hat diesem von der Natur so begünstigten Lande gestattet. einen erheblichen Teil seiner Produktion auszuführen. Wenn es schon zweifelhaft ist, ob eine Verlängerung zu den alten Be⸗ dingungen für uns wünschenswert ist, so errscht bollkommene Einig= keit darüber, daß es nicht angang ist, Rußland noch weitere Vor⸗ teile zu gewähren. Jede etwaige Erhöhung ist unbedingt abzulehnen. Die Stellung der verbündeten Regierungen wäre eine ganz unan echt⸗ bare, wenn ö im Intereffe aller Zuckerinteressenten in der Frage festgeblieben wäre. Aber vielleicht glaubte e. aus internationaler Courtoisie, um nicht als Störenfried zu er cheinen, einen Vertrag egen das Interesse der deutschen Zuckerindustrie a . zu müssen. . alledem ist es einem Teil meiner Freunde sehr schwer, ein ein⸗ mal von der Reichsregierung ale hoffen Abkommen abzulehnen und ihm die Ratifikation zu verweigern, weil naturgemäß eine solche Ablehnung das Ansehen der Reichsregierung im Auslande schädigen würde, was wir alle nicht wünschen. Aus diesem Grunde wird ein Teil meiner Freunde trotz ihrer schweren Bedenken für die Vorlage stimmen. Dagegen wird der größte Teil, zu dem auch ich gehöre, gegen das Abkommen stimmen.
Abg. Bern stein (Soz.): Der Vorredner hat der Reichs⸗ regierung den Vorwurf gemacht, daß sie entgegen den Wünschen aller Intereffenten in dieser Angelegenheit so verfahren ist. Die große Masse der Zuckerinteressenten, die Konsumenten und die Zuckerarbeiter, scheinen für den Vorredner aber gar nicht zu existieren. Die Zucker= arbeiter machen einen großen Teil der deutschen Arbeiterschaft aus. Rach den bisherigen Verhandlungen müßte man meinen, daß die deutsche Zuckerindustrie augenblicklich große Verluste erleidet. Aller⸗ dings haben ja die Landwirte und bie Fabrikanten in diesem Jahre Verluste erlitten. Dafür hat es aber eine große Steig ung der Preise gegeben. Außerdem ist die. Minderernte und die Minderproduktion nicht so groß, wie die Steigerung der Preise. Die Industrie selbst hat also noch ein gutes Geschäft gemacht. Von dem Gesichtspunkte aus, daß, wenn die Konvention nicht zustande kommen würde, die Mög lichkeit besteht, daß dann die ganze Prämienwirtschaft von neuem los. geht, können wir der Konvention vorläufig unsere 23 ng nicht versagen. Gegen wen wollen denn die Herren von der Rechten demon— strieren, wenn sie gegen die Konpention stimmen? Wollen sie das Volk glauben machen, daß damit Las Interesse der großen Masse ge⸗ wahrt wird? Das deutsche Volk hat ein Interesse daran, seinen Zucker so billig wie möglich zu erhalten. Wirken Sie mit uns dahin daß die Zuckersteuer so schnell wie möglich herabgesetzt wird, wie es uns versprochen worden ist. ;
Abg. Sieg (nl): Wenn wir jetzt die Konvention ablehnen, so schaffen wir damit vom 1. September 1913 ab einen vertragslosen
Zustand, und draußen im Volke wird man, man mag sonst zur Kon⸗ dention stehen, wie man will, nicht begreifen, daß es unseren deutschen Vertretern nicht möglich gewesen ist, bessere Bedingungen für uns herauszuholen. Rußland befindet sich seit seinen revolutionären Tagen landwirtschaftlich und industriell im Aufstieg, und die dortige Regierung tut alles, um die Industrie, namentlich auch die Zucker industrie, zu heben. In den letzten beiden Jahren hat. Rußland große Rübenernken gemacht, während bei uns und in den übrigen Ländern die Rübenernte im letzten Jahre einen großen Ausfall aufweist. Vas hat eine kolossale Preissteigerung zur Folge gehabt, die wir aber nicht dem Manko allein verdanken, sondern einer maßlos wilden Spekula tion, die im Laufe des vorigen Sommers einsetzte. Diesen Moment. hat Rußland benutzt und benutzen wollen, seine Ware abzustoßen und diese Wunsch wird von England unterstützt. Für mich und einen Teil meiner Freunde ist der erste Gesichtspunkt der: was ist für die deutsche Zucker⸗ ndust rie das beste? Haben wir. keine Gewähr, daß unsere Regierung sich nicht stark genug fühlt, mit aller Kraft gegen Rußland aufzu— lreten, wenn es Zucker in größeren Mengen, als es nach dem Vertrage zulässig ist, über seine Westgrenze ausführt, so müssen wir allerding zur sofortigen Ablehnung der Konvention kommen. Vie Zucker ndustrie hät aber trotz der Konvention, dank ihrer Tüchtigkeit und bank der Tüchtigkeit der Landmirtschaft, ihren hohen Stand voll R. hauptet, und ein Teil meiner Freunde hofft, daß diese hohe Energie und der Fleiß sich auch in Zukunft bemerkbar machen und alle Fähr ähkeiten uͤbeiwinden werden. Ich möchte bitten, daß die Konvention so, wie sie uns vorliegt, als notwendiges Uebel angenommen wid um das ÄAnseben der Regierung nicht noch mehr zu schädigen. Was die Herabsetzung der Zuckersteuer betrifft, so hoffen und erwarten aus ir, daß Versprechungen, die gemacht worden sind, auch einmal ge— werden. Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn:
Der Herr Vorredner hat erwähnt, daß nach neueren Mitteilungen russischer Zucker in größerer Menge, als es in den bisherigen
Verträgen zugelassen ist, über die Westgrenze ausgeführt werde. Ei handelt sich dabei lediglich um Gerüchte. Wir haben in keiner Wei bisher feststellen können, daß tatsächlich eine derartige Ausfuhr statt⸗ gefunden bat. Wir werden aber unsere Nachforschungen fortsetzen
und wenn sich dabei herausstellen sollte, daß an diesen Gerüchte
irgend etwas Wahres ist, so würden wir selbstverständlich einer solche
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Umgehung der Konvention durch Manipulationen privater Inter essenten nachdrücklich entgegentreten. (Bravo) Abg. Do or mann (forischr. Vellsp): Meine Fraktion stinmm Vertrage zu. Wenn wirklich eine Ablel Regi meine Freunde
sich einer solchen
schuldig machen.
hat, daß im Anfange ein Standpunkte gestanden hat, unveränderten Fortsetzung des Zustandes
fei. Nach meinen Informationen hat man sich aber
auf den Standpunkt gestellt, daß der bisherige Zustand einem ber traglosen Zustande vorzuzieben ist. Auf der Generalversammlur⸗ des Vereins der deutschen Zuckerindustrie sagte ein Referent, daß ma sich schließlich unter der ersten Konvention wohl gefühlt habe. Uck die Wirkungen der zweiten Konvention ist es ja nicht ganz lei klares Bild' sich zu machen, aber so viel kann man doch sagen, de ihre Wirkungen nicht ungünstig gewesen sind. Der Inlandko ginn
in Deutschland ist von 19607 bis 1911 fortwährend gestiegen, * bat eine Zunahme der Ausfuhr stattgefunden bis auf 1117 Für diese Ausfuhr baben wir im Auslande durchaus annehmbrn Preise erhalten. Rußland hat seine Inlandproduktion nicht lar ausdehnen können. Das Bestreben, den Konsum dort zu steigern auf Widerstand bei der Regierung gestoßen, namentlich der * geberische Versuch, eine Ausdehnung der Zuckerfahriken herbeizu Rußland wird also genötigt sein, seine Produktion auf den We
ju werfen, es wird das ihm zugestandene Kontingent in Zuten möglichst auszudehnen versuchen; bisher bat es das ihm zugestande⸗ Kontingent noch nicht ausgenutzt. Wir sind nun vor die Fragt stellt, ob wir den Vertrag, wie er uns vorliegt, annehmen ode. wir den vertragslosen Zustand vorziehen sollen. Wir meinen.. der vertragslose Zustand noch weit größere Schwierigkeiten . Industrie zur Folge haben würde, als die Annahme des Vertr. Wir fürchten, und das scheint auch eine Auslassung der halben Kölnischen Zeitung“ zu bestatigen, daß nach einem Scheitern! Frhöbung der Zölle erfolgen wird, und daß die alte Karten.. Prämienwirtschaft wiedertebren wird, denn etwas anderes ist m? 'rwarten, wenn unsere Industrie auf dem Weltmarkt Itarᷣ rustet“' sein oll, wie es in jener Auslgssung heißt, Eine Pre wirtschalt wollen meine politischen Freunde nicht,
rden wir den Vertrag mlt allen sonst unliebsamen
annehmen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
M 75.
Berlin, Montag, den 25. März
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Dr. Arendt (Ry.): Wenn ich auch in sachlicher Be⸗ . den Ausführungen des Grafen Schwerin -Löwitz zustimmen kann, so möchte ich doch eine Bemerkung ausnehmen. Graf Schwerin Löwitz fing seine Rede damit an, daß er meinte, es wäre nicht nütz⸗ sich, bei solchen internationalen Abkommen in eine Diskussion ein⸗ zutreten. Ich bin nicht dieser Meinung. Man bäftte (s im Lande gar nicht verstanden, wenn wir ein derartiges wichtiges Abkommen ohne Erörterung gelassen hätten. Ich halte seine Aeußerung für ganz bedenklich, daß durch die Ablehnung selcher Verträge das LÜnsehen der Regierung dem Auslande gegenüber geschädigt wird. Würde man das verallgemeinern, so würde gerade die Rechte in eine sehr schwierige Lage kommen. Ich erinnere nur an die Handels⸗ verträge. Gerade bei solchen Abkommen ist es von sehr großer Be⸗ deutung, daß hier im Reichstage das öffentliche Interesse, voll zur Geltung kommt, damit unseren Vertretern im Auslande für die Zukunft der Rücken gestärkt wird. Ein Loh dieses Abkommens habe sch aus keinem Munde vernommen. Allein Dr. Bernstein war damit zufrieden. Ich wunderte mich nur, daß er nicht den Tadel ausg⸗ gesprochen hat, daß unsere Regierung Rußland gegenüber nicht weit genug gegangen sei. Die Rübenzuckerindustrie ist ein Schulbeispiel hon dem Nutzen des Schutzzolles. Nur durch ihn ist unsere Zucker⸗ industrie so leistungsfähig geworden. Ich glaube, daß der Staats sekrelär in seinen Aue führungen den springenden Punlt richtig und klar zum Aue druck gebracht hat. Es handelt sich darum, ob die Zugeständnisse, die wir Rußland machen, so groß sind, daß sie nicht mehr ertragen werden können. Wenn man sich die Entwicklung der russischen Zuckerindustrie ansieht, dann wird man sich viel⸗ leicht eingestehen, daß wir nach Ablauf des gegenwärtigen Vertrages doch nickt mehr zu einer Verständigung kommen können. Müffen wir denn überhaupt in einen vertrage losen Zustand kommen wenn dieses Abkommen abgelehnt wird? Wir haben noch lange Zeit, bis der Vertrag abläuft. Vielleicht kann man inzwischen noch günstigere Bedingungen erhalten. Es ist sonderbar, daß man den Russen einen Sondervorteil gibt im Hinblick auf die Verhältnisse dieses Jahres, und daß man diesen bis 1915 ausdehnt. Der Abg. Bernstein meint, die deutsche Rüben bauende Landwirtschaft sei gar nicht schwer getroffen worden. Die Preissteigerung habe alles mehr als genug ausgeglichen. Aber in weiten Teilen Deutschlands ist doch eine furchtbare Mißernte eingetreten. In meinem Wahlkreise sind nur kleinere Besitzer, die aber viele Tausende verloren haben und vor dem Nichts stehen, wenn eine solche Mißernte noch einmal eintritt. Einige eiklärten mir, sie hätten es nicht für möglich gehalten, daß eine solche Mißernte überhaupt möglich sei. Diese Umstände haben die Exregung in den Interessentenkreisen hervorgerufen. Die beteiligten Kreise sind sogar bereit, den vertrags— losen Zustand vorzuziehen, wenn die Verlängerung. des Vertrages nur mit den außergewöhnlichen Zugeständnissen an Rugland erkauft werden kann. Was die inländische Zuckersteuer betrifft, so spreche ich die bestimmte Erwartung aus, daß wir 1914 die versprochene Herabsetzung erreichen werden, Wir haben ein volles Anrecht darauf auch auf Grund der alljährlichen Vereinbarung, wonach eine Kon lingentierung der Steuer schon bei 120 Millionen in Aussicht gestellt vurde, während wir jetzt 150 Millionen erreicht habch, und die Steuer doch auf der alien Höhe geblieben ist. Für die Slärkung des inländischen Zuckermarktes ist bisher sehr wenig geschehen. Der Zucker ist der beste und gefährlichste Gegner des Alkohols. Die an⸗ gekündigte Aufhebung der Liebesgabe wird auch in gewissem Sinne die Zuckerindustrie treffen, denn es wird dadurch voraussichtlich eine Zunahme des Rübenbaues in Deutschland eintreten. Wir müssen aAlso in dieser Frage mit großer Vorsicht vorgehen. Das Prämien system blüht in Rußland weiter und wird durch den Ver— trag gestärkt, während England eine zweideutige Stellung ein— genommen hat. Auch England steht nicht bloß als Kon⸗ fument der Konvention gegenüber, sondern ist auch in seinen Kolonien der größte Zuckerproduzent, und das ist bis zu einem gewissen Grade für England maßgebend. Die Klage über gewisse JZeitungsausstreuungen kann ich nur unterschreiben; man wird diese Tlagen dadurch unmöglich machen, daß man rechtzeitig authentische Berichte in die Zeitung bringt, woran es diesmal sehr gefehlt hat. Ich bedauere, daß die Verweisung der Vorlage an eine Kommission icht beantragt ist; ich möchte wenigstens beantragen, die zweite Lesung heute von der Tagesordnung abzusetzen. Am 17. März ist der Vertrag in Brüssel abgeschlossen, am 21. März haben wir die Vor⸗ lage erhalten, am 23. März verhandeln wir darüber und bis zum 1. April soll sie ratifiziert sein; das heißt doch wirklich: Vogel friß, oder stirb Nicht wir sondern Rußland hat das dringende Interesse daran; die bestehende Konvention bleibt ja noch bis zum 1. September iglz in Kraft, bis dahin sitzt Rußland mit seinen Vorräten da und. kann sie nicht verwerten. Wir geben durch die neue Konvention Rußland nicht nur ein besonderes Kontingent, sondern setzen es auch in den Stand, noch in der gegenwärtigen Kampagne seinen Zucker los zu werden. Also kann doch ruhig abgewartet werden, ob wir irklich am 1. September 1913 einen vertragslosen Zustand be⸗ kommen oder ob nicht bis dahin neue Verhandlungen eingeleitet werden. Daher werden wir diesen Vertrag ablehnen.
Abg. Dr. Spahn Gentr.): Wir hegen diese Hoffnung nicht und werden dem Abkemmen zustimmen. 1908 standen wir genau vor derselben Frage. Die heute gemachten Ausführungen haben mich nicht davon überzeugen können, daß die Gefahren eines vertrags⸗ Psen Zustandes nicht eintreten werden. In einer Kommission ennten wir uns auch nur näher aussprechen, an dem Vertrag selbst können wir nichts ändern.
Abg. von Meding (Welfe):; Wir bedauern jede Beschränkung des Rübenbaues, wir bedauern daher auch den Abschluß dieser Kon⸗ vention. Rußland will sein verstärktes Prämiensystem noch weiter ausdehnen, und wunderbarerweise tritt man gerade auf der Linken des Deutschen Reichstages dafür ein daß Rußland in dieser Frage eine Schutzzollpolitik treibt, gegen die das deutsche Schutzzollsystem nur ein Kinderspiel ist. Bei 160 Millionen Bevölkerung würde jede Erleichterung des dortigen Inlandkonsums große Mengen Zucker vom Weltmarkt verschwinden lassen. Die gesetzlich fe tgelegten Ver⸗ sprechungen für die Herabsetzung der Zuckerverbrauchsabgabe müssen endlich erfüllt werden. Wird die Konvention angenommen, so muß die Legierung allen Bestrebungen in verstärktem Maße Rechnung tragen, die dhl auf AVbzielen, den Inlandverbrauch zu heben.
Mer bh. Dr. Graf von Schwerin Löwitz kons): Ueber den 6 der Konvention bin ich mit dem Abg, Dr. Arendt völlig einer Meinung. Im übrigen kann ich ihm erklären, daß ich meine Auf⸗ fassung, daß es unerwünscht ist, abgeschlossene internationale Verträge nacht glich bekämpfen zu müssen, durchaus verallgenieinere. Wenn r. Abg. Bernstein es für ganz natürlich ansieht, daß Rußland seine Prämienwirtschaft treibt, so ist das kein sehr vaterländischer Stand⸗ punkt, wenn er gleichzeitig, und zwar in Uebereinstimmung mit mir die frühere Prämienwirtschaft bei uns verwirft. Die Herabsetzung 39 Zuckersteuer von 14 auf 10 * ist auf meinen ,. Jahre 1908 beschlossen worden. Seit 20 Jahren bin ich ein Vorkämpfer für die Herabfetzung dieser Steuer gewesen, und ich habe immer be⸗ ont, daß der Juckerkonfum durch eine Herabsetzung der Steuer ge⸗ hoben werden müsse.
. Abg. Kleye (ul): Ich spreche hier für meine Person und eine nicht gerade kleine Minderheit der nationalliberalen Fraktion. Ich bin ganz entschieden gegen die Konvention und wundere mich
über die Stellung des Zentrums, das doch sonst eine der Landwirk— schaft günstige Haltung einnimmt. Wenn das Zentrum ö bention so ohne Sang und Klang annehmen will, so liegt es daran daß es an dieser Frage nicht . stark interessiert ist. Wäre das Zentrum in Mitteldeutschland gewählt, wo es sehr viele Zuckerfabriken gibt, so würde seine Stellun n andere sein. Die Zucker⸗ sabriken in unserem kleinen Lande Braunschweig würden es einfach nicht verstehen, wenn wir die Konvention 1 würden. Wir werden abwarten, auf welchem Standpunkt das Zentrum stehen wird wenn es sich darum handelt, die Liebesgabe für die kleinen süddeutschen Brenner herabzusetzen. Rußland behält seine gegenwärtige Steuer⸗ gesetzgebung bei. Deutschland tritt einen Rückzug an, es läßt seine Industrie im Stich, es läßt die Vorteile, die Rußland bisher ge⸗ habt hat, bestehen und erlaubt ihm noch, einen großen Teil Zucker mehr, auszuführen. In Mitteldeutschland sind im Rübenbau so traurige Verhältnisse eingetreten, wie wir . gar nicht für möglich gehalten haben. Der kleine Mann, der seinen Acker mit Rüben bestellt, hat im letzten Jahre seine Produktion auf einem Hand— karren zur Fabrik gebracht, er hat nicht einmal einen Wagen ge⸗ braucht. Die Sozialdemokraten verlangen, daß wir samtliche Praͤ⸗ mien abschaffen, dann müssen sie aber auch entschieden gegen Rußland Front machen. Wir wollen ja gar keine Vorzüge, wir wollen auch di Prämienwirtschaft nicht wieder haben, wir wollen nur mit gleichen Waffen kämpfen und auf demselben Standpunkt in der Konvention stehen wie Rußland. Die Zuckerindustrie in Rußland ist doch keine junge Industrie mehr, sondern fast ebenso alt wie die unserige. Wenn Rie Konvention nicht angenommen wird, wird Rußland auf die Dauer nicht mit uns konkurrieren können. Die ganze deutsche Zucker⸗ industiie und auch der Zuckerrüben bauende Landwirt würden die Ablehnung der Konvention mit Beifall aufnehmen, weil sie der festen Ueberzeugung sind, daß wir den Kampf aufnehmen müssen, um gleiche Rechte zu erlangen. Frankreich muß mit ung halten da die e ift Zuckerindustrie beständig zurückgeht. Der franzbsische andwirt kann seinen Acker besser als durch Rübenbau verwerten Wenn die Konvention nicht verlängert würde, so stände Rußland ganz allein, und es müßte wieder an die vertragschließenden Lander herantreten und zugeben, dan es ohne Konvention nicht geht. Daher ist die Verlängerung der Konvention mit irgendwelchen Begünsti⸗ gungen für Rußland ein Fehler. . ö Abg. Wurm So)); Meine politischen Freunde sind nicht einflußreich genug, um Rußland zu bestimmen, mit seiner Zucker— prämienwirtschaft aufzuräumen. ieselben Parteien, die durch ihre Schutzzoll- und Prämienmißwirtschaft dem deutschen Volke Millionen und Abermillionen aufgebürdet haben, beklagen sich jetzt über die Folgen dieser Mißwirtschaft. Die früheren Prämienschlucker ent⸗ puppen sich jetzt als Freihändler für die übrigen Staaten. Ruß⸗ land macht nur nach, was Deutschland ihm bisher in seiner Zucker⸗ gesetzgebung vorgemacht hat. Es gibt nur ein Entweder — Sder. Entweder die Zuckerkonvention, und die betrachten wir nur als das kleinere Uebel, oder die Beseitigung sämtlicher Steuern auf Zucker und damit die Hebung der 9 ndproduktion. Im letzteren Falle könnte in Deutschland eine Marmelade, und Geleeproduktion ge— schaffen werden, wodurch Millionen dem Lande erhalten bleiben wůur⸗ den. Es ist mit Recht schon , hingewiesen worden, daß der Ibstverbrauch in Deutschland auf den Kopf jährlich nur 116. 3 beträgt. Würde das Qbst zur Marmelade veywendet, so würde guch der Obst⸗ dau in die Höhe kommen. Der Zucker gilt heute nicht mehr als Luxusartikel, sondern als ein notwendiges Nahrungsmittel. Was jährlich an Steuern für den Zucker ausgegeben wird, unn den Kon⸗ sumenten zugute kommen, Deutschland würde dann den ganzen Zucker im Inlande konsumieren können. Allerdings besteht nicht einmal die Hoffnung, daß in absehbarer Zeit die ö von 14 auf 10 1 herabgesetzt wird. Die Arbeiter in der Zuckerindustrie spinnen wahrhaftig keine Seide, ihr Arbeitsverdienst beträgt durchschnittlich nur 593 M4. Der Abg. Arendt bewegte sich in Widersprüchen, erst erklärte er sich für die Ausdehnung des Rübenbaues, und dann sagte er, wenn die Branntweinliebesgabe abgeschafft wird, besteht die Ge⸗ fahr, daß mehr Zuckerrüben gebaut werden. Man verschaffe dem Volke billigen Zucker, dann werden auch die Zuckerinteressenten ein gutes Geschäft machen. Abg. Vo gt-⸗Hall (dkons ); Die Haltung des Zentrums erklärt sich daraus, daß viele katholische Landwirte in Württemberg selbst Rüben pflanzen, auch in meinem Wabhlkreise und im Nachbarkreise. Wenn der Abg. Wurm eine gewisse Unstimmigkeit in den Erklärungen des Abg. Arendt erblickte, so bewies er damit echt wenig Verständnig für die Landwlrtschaft. Er müßte wissen, daß, wenn nach Wegfall der Liebesgabe weniger Kartoffeln für Brennereizwecke verwendet werden, viele Landwirte, die bisher Kartoffeln gebaut haben, zum Bau von Zuckerrüben übergehen, und wenn dann auch zugleich die Zuckerindustrie geschädigt wird, dann sind diese Bauern nicht einmal, sondern zweimal bestra t. Durch den Bau von Zuckerrüben wird der Boden viel besser kultiviert; der Rübenbau kommt auch den nach— folgenden Fruchtarten zu, gute. Es wäre deshalb außerordentlich bedauerlich, wenn die Wirkung der Konvention für den Rübenbau schädlich wäre. Ich würde deshalb auch bedauern, wenn sich für die Konvention eine Mehrheit fände. Würde sis abgelehnt, so würde sich der Kampf viel aussichtsreicher gestalten, als es in 5 Jahren der Fall sein würde. Die Mehrzahl der konservativen Partei wird gegen die Konvention stimmen, ich hätte nur gewünscht, daß es bei den anderen Parteien auch so wäre-
Abg. Koch (fortschr. Volksp.): Wir sind gezwungen, der Kon— vention zuzustimmen, und ich hätte es lieber gesehen, wenn wir sie ohne jede Debatte angenommen hätten. Ich hoffe jedoch, daß es das letzte Zugeständnis ist, das wir Rußland gegenüber machen.
Damit schließt die erste Lesung.
Das Haus tritt sofort in die zweite Lesung ein. Ueber Art. I wird auf Antrag des Abg. Dr. Arendt eine besondere Abstimmung herbeigeführt. Dafür stimmen die Sozialdemo⸗ kraten, fortschrittliche Volkspartei, die Mehrheit der National liberalen, das Zentrum, die wirtschaftliche Vereinigung und der Abg. von Sertzen von der Reichspartei. Art. 1 wird an⸗ genommen, ebenso ohne Debatte der Rest des Abkommens. Hierauf setzt das Haus die Spezialberatung des Etats für das Reichsamt des Innern fort und nimmt die bei der Forderung von 4 Millionen des Extraordinariums für den Bau von Klein wohnungen begonnene allgemeine Debatte über die Wohnungsfrage und die dazu vor⸗ liegenden 6 Resolutionen wieder auf.
Abg. Dr. Jaeger (Zentr.) bemängelt zunächst ebenfalls das neuerliche Verlangen der Landesversicherungẽaustalten, daß die gemein; nützigen Baugenossenschaften die erhaltenen Darlehen statt mit 3 mit 3e ö, perzinfen sollen; die große Mehrzahl der gemeinnützigen Bau⸗ gesellschaften könne diese Forderung nicht erfüllen, und die Folge sei, daß die Arbeiter in ihren Mietekasernen wohnen bleiben müßten. Die Wohnungspreise würden weit niedriger sein; wenn man im Deut⸗ schen Reiche einheitliche Bauordnungen und eine geordnete Wohnung inspektien hätte, so würden auch die Mieten viel billger sein und die ärmere Bevölkerung viel besser und gesunder wohnen. Die ganze Woh⸗ nungsfrage hier nochmals aufzurollen, sei gar nicht nötig; die tatsäch⸗ lichen Verhãltnisse wären , und ständen fest, die Sache sei völlig spruchreif. Die Antrüg der verschiedenen Parteien wollten denn auch ohne Ausnahme eine Reform, und zwar durchweg
1912.
im Wege eines Reichswohnungsgesetzes. Eini i ja i ĩ staaten, zumal in den firmen, 4 3 ö . . geleistei. Aber damit 4 es nicht . eußen sei zurückgeblieben, nachdem Ter fehr gute Entwurf eines preußischen Wohnungsgesetzes vor dem Anstu 3 4 der von ihnen . k 8 entung verschwunden sei. Selbst der neue Zweckverband Groß Berlin sei Stückwerk; das Herrenhaus habe für die bimmelschreiende Not unserer preußischen Wobnungszustände kein Verständnis gehabt — Ei 4 K ef gemacht habe e e reuß u bewegen, auf diesem fü ; ; ö 3. . e nt g i ,, Gaerne , n f zu machen, weil das Wahlrecht in d i Volksvertretung es daran hindere. Darum . mn 4 vorgelegte Resolution dahin gerichtet, daß ein Reichswohnungs- gesetz vorgelegt werde, n, welches die Einzelstaaten ver⸗ anlaßt werden, allgemeine. Vorschriften zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der minderbemittelten Volksklassen unter Anpassun an die besonderen Verhältnisse von Stadt und Land zu 1 die Ausführung dieser Vorschriften durch besondere Aussichts⸗ beamten zu sichern, für den Kleinwohnungsbau und besonders für die zweite Hypothek besondere Kasseneinrichtungen zu schaffen die Bauordnungen und Bebauungspläne behufs ausgiebiger Ver⸗ billigung und Erleichterung des Kleinwohnungsbaues im zugestasten besondere staatliche Besiedlungskommissionen etwa nach dem Vorbild der preußischen Rentengutskommission einzusetzen; ferner Erhebungen über die bisherigen Wirkungen des Erbbaurechts zu veranstalten und finen entsprechenden 4 nach Bedürfnis vorzulegen; endlich für Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses der Arbeiter und Beamten des Reiches feinerhin und in weiterem Maße als bisher Sorge zu tragen, sowie durch Ueberlassung von frei werdendem fiskalischen Terrain den gemeinnützigen Wohnungsbar, Erbbau zu unterstützen. Nehmen Sie den Antrag der Budgetkommission an, alle diese Resolutionen eee n , m, ö. 21 Mitgliedern zu überweisen. ßer itte ich den Reichstag dringend, die e . uns eingebrachte Resolution ,, nn, „den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, das Reichsversi = amt zur Abänderung seines Grlaffet dom 11. i e , e. Veranlassen, daß die , Zinssatzes für Darlehen zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaues in erster Linie der Entscheidung der Landesversicherungsanstalten vorbehalten bleibt daß aber jedenfalls von einem Zwange zur Heraufsetzung des Jins⸗ satzes für schon gewährte Darlehen abgesehen wird.“
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretä
. ᷣ är des Innern Dr. Delbrück: . —
Das Rundschreiben des Reichsversicherungsamts vom 11. Mai 1910 ist beute und gestern erneut zum Gegenstand einer eingehenden r minder abfaͤlligen Kritik gemacht worden. Es ist nicht das erste Mal, daß dieses Rundschreiben angegriffen und verteidigt wird.
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Wenn ich mich nicht irre, hat die Kommission, die zur Beratung der Reichs bersicherungkordnung gewählt war, sich auch mit dieser Frage beschäftigt. Ich darf also den Inhalt dieses Rundschreibens als be⸗ kannt voraussetzen und will auf Einzelheiten nicht eingehen. Ich möchte nur seststellen daß die grundsätzliche Anordnung des Reichs⸗ dersicherungeamtz daß Dailehen zu einem gerlngeren Zinsfuß als 36 , auch für gemeinnützige Zwecke in Zukunft nicht mehr gegeben werden sollen, als zutreffend und berechtigt anerkannt werden muß. So wünschenswert und so erfreulich es ist, daß die Versicherungs⸗ anstalten in der dage und meistens auch in weitgehendem Maße bereit gewesen sind, aus ihren Kapitalien gemeinnützige Zwecke zu fördern und insbes ondere für die Förderung des Wohnungsbaues einzutreten, so muß doch schließlich daran festgehalten werden, daß die in der Verwaltung der Versicherungeanstalten zusammengekommenen Kapitalien in erster Linie dazu bestimmt sind, durch ihren Zinsertrag die Renten zu decken, die die Versicherten im gegebenen Falle von der Versicherungsans:alt zu fordern haben, und lediglich, weil für eine Reibe von Versicherungs⸗ anstalten nach den Gutachten der Sachverständigen die ernsten Be⸗ sorgnisse bestanden, daß bei der bisherigen Anlage der Kapitalien die Deckung für die Renten nicht vorhanden sein würde, bat sich das Reichs versicherungdamt für verpflichtet gehalten, durch das Rund⸗ schreiben vom 11. Mai 1910 auf elne vorsichtigese Verwaltung und Anlegung der Kapitalien zu dringen. Meine Herren, das Reichs= versicherungsamt hat in diesem Punkte nur seine Pflicht getan, und ich kann sein Verhalten auch von meinem Standpunkte aus, wie ich hiermit ausdrücklich feststellen möchte, nur billigen.
ö Auf der anderen Seite aber will ich gern anerkennen, daß die Fassung des Erlasses und vielleicht auch die Auslegung, die man ihm an einzelnen Stellen gegeben hatte, Besorgnisse in den Kreisen ber⸗ vorrufen konnte, die sich daran gewöhnt hatten, aus den Kapltalien der Veisicherungkanstalten in ihren gemeinnötzigen Bestrebungen unter⸗ stützt zu werden.
Nun hat sich aber die Praxis bei der Handhabung des Erlasses derartig gestaltet, daß zwar fortan dafür Sorge getragen werden soll, daß bei Gewährung von Darlehnen in allen Fällen eine Mindest⸗ verzinsung von 335 0 erzielt wird, daß aber auf der anderen Seite alles geschieht, um bei der Durchführung dieses Grundsatzes Härten zu vermeiden. Es ist insbesondere Vorsorge getroffen, daß die Kündigung von Darlehnen, die zu weniger als zu 3, b oo ausgeliehen sind, nicht erfolgen soll (sehr richtig! rechts), wenn eine solche Kündigung für den Vorstand der Landesversicherungsanstalt auch nur moralisch ausgeschlossen erscheint. Es ist ferner Vorsorge getroffen, daß die Auszahlung der vor dem Bekanntwerden des Runderlasses zugesicherten Darlehne mit niederem Zinsfuß, wo es sich irgendwie rechtfertigen läßt, zu dem ursprünglich in Aussicht gestellten Zinssatz erfolgt. Daß diese Anordnung und die Handhabung dieser Be⸗ stimmungen nicht dazu geführt hat, die Verwendung der Kapital ien der Versicherungsanstalten für gemeinnützige Zwecke zu unterbinden, das können Sie daraus ersehen, daß der Gesamtbetrag der von den Versicherungsträgern bis zum 31. Dezember 1911 für gemeinnützige Zwecke der gedachten Art aufgewendeten Mittel sich belaufen hat auf L022 802 74a M gegen 936 987 928 ½ gegen Ende des Jahres 1910, sodaß der Zuwachs im Jahre 1911, also in dem Jahre nach dem Erlaß von 1910, sich noch belaufen hat auf 85 814 818 4. Jeden falls, meine Herren, wird man dem Reichs versicherunggamt einmal die Anerkennung nicht versagen dürfen, daß es das, waz es im vor⸗ liegenden Falle angeordnet hat, angeordnet hat in der Ueberzeugung seiner Verpflichtung und in der Ueberzeugung elner absolu ten