1912 / 105 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Finanzministerium.

Der Katasterlandmesser Dr. Kerl

z ist zum Kataster⸗ kontrolleur in Herne bestellt worden.

Königliche Generallotteriedirektion.

Bekanntmachung.

Die Erneuerungslose sowie die . zur 5. Klasse der 226. Königli . Klassen⸗ lotterie sind nach den g5 5, 6 und 18 bes Lotterieplans unter Vorlegung der entsprechenden Lose aus der 4. Klasse bis um 6. Mai d, J., Abends 6 Uhr, bei Verlust des

. einzulösen.

Die Ziehung der 5. Klasse dieser Lotterie wird am 10, Mai d. J, Morgens Si, Uhr, im Ziehungssaale des Lotteriegebäudes ihren Anfang nehmen. Die Einschüttung der Gewinnröllchen erfolgt am 9. Ma d.

J., Nachmittags 2 Uhr. Berlin, den 30. April 1912. Königliche Generallotteriedirektion. Strauß. Ulrich. Gramms.

Ministerium des Innern.

Der Kreisassistenzarzt Dr. Leb ram aus Danzig ist zum Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreis arzt⸗ bezirks Dannenberg⸗Bleckede beauftragt worden.

Besonderen Beilagen zur heutigen Nummer des Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ werden die vom Minister für HLandwirtschaft, Domänen und Forsten unter dem heutigen Datum 5 Viehseuchenpolizeiliche Anordnung Gu— ge Ausführungsanweisung zum Viehseuchengesetze vom 26. Juni 1909 Reichsgesetzblatt S. 519 —) sowie ein Be⸗ gleiterl desselben Ministers vom 28. März d. J. ver⸗ oͤffentlicht.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 1. Mai.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Sitzung zusammen.

Der Ausschuß des Bundesrats für Handel und Verkehr, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, die vereinigten Ausschuͤsse für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse ür Zoll! und Steuerwesen und für Handel und Verkehr . der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute

itzungen.

Laut Meldung des „W. T. B. sind am 29. April

S. M. S. „Loreley“ in Galatz und S. M.

( S. „See⸗ adler“ in Daressalam eingetroffen.

Oefterreich⸗Ungarn.

Die Delegationen sind gestern in Wien zusammengetreten. der Oesterreichischen Delegation widmete der Prä— ident Dobern ig dem . Aehrenthal einen tiefempfundenen achruf, der dem Protokoll einverleibt wurde. Nach der Vor⸗ stellung der neuen Minister unterbreitete der Minister des Aeußern Graf Berchtold ein sechsmonatiges Budget— provisorium, das dem Finanzausschuß überwiesen wurde. Darauf wies der Delegierte Sustersie, wie „W. T. B.“ meldet, in einer Anfrage an den Präsidenten darauf hin, daß nach den Bestimmungen des unga— risch⸗ kroatischen Ausgleichsgesetzes das Mandat der der ungarischen Delegation angehörenden kroatischen Ab⸗ geordneten erloschen sei, weshalb die ungarische Delegation eine Rumpfdelegation sei. Recht und Pflicht der österreichischen Delegation sei es, zu prüfen, ob die Zusammensetzung der ungagrischen Delegation gültig sei. Der Präsident Dobernig erwiderte, er behalte sich angesichts der Wichtigkeit der Frage vor, in einer späteren Sitzung auf sie zurückzukommen. Ein Antrag Cingrija, betreffend Prüfung der Legalität der ungarischen Delegation, wurde dem Finanzausschusse zugewiesen. In der Delegation ist eine Interpellation Stapinski an den Minister des Aeußern, betreffend die preußischen Kontroll⸗ stationen für die österreichischen überseeischen Aus— wanderer, eingegangen. In der Interpellation wird gefragt, was der Minister des Aeußern zu tun gedenke, um die Rechte und Interessen der österreichischen Auswanderer und die Interessen der heimischen Volkswirtschaft überhaupt zu wahren und den diesen Rechten und Interessen widersprechenden Ein⸗ richtungen der preußischen Kontrollstationen ein Ende zu machen. Die Ungarische Delegation, in der der Vizepräsident Graf Zichy in warmen Worten des Grafen Aehrenthal ge⸗ dachte, überwies das vom Minister des Aeußern Grafen Berchtold eingebrachte sechsmonatige Budgetprovi— sorium dem Viererausschuß, der sofort nach der Plenarsitzung

zu dessen Beratung zusammentrat. u Beginn der Sitzung des Vie rerausschusses erstattete der Minister Graf Berchtold laut Meldung des „W. T. B.“

folgendes Exposs:

In den letzten Dezembertagen des abgelaufenen Jahres hat mein vorzeitig abberufener Amtsvorgänger in kurzen Worten ein Bild der internationalen Lage, wie sie sich damals darstellte, vor Ihnen ent⸗ worfen. Die großen Richtlinien der Politik des Grafen Aehrenihal waren in jener Darlegung zwar nicht als solche zum Ausdruck gebracht und nur in ihrer teilweisen Nutzanwendung ö getreten. Ste waren Ihnen aber aus früheren Kündgebungen des Ministers bekannt und haben bei diesem Anlaß Ihre neuerliche Billigung gefunden. Im Geiste jener Kontinuität, die die Grundlage jeder gesunden Außenpolitik zu belden hat, wird diese Orientierung auch fernerhin zur Richtschnur dienen, nicht etwa um beschaulich auf einem gegebenen Punke stillezustehen, sondern um in ruhigem Selbstbewußtsein auf dem eingeschlagenen Wege fortzuschreiten. .

Die Bande, die uns mit den verbündeten Mächten verknüpfen, sollen möglichst gefestigt, die Beziehungen, die wir zu den befreundeten Staaten unterhalten, ausgestaltet und vertieft werden. Dabei wird

wir nach

3

es unsere Aufgabe sein, eine legilßme Interessenpolitik zu verfolgen,

welche im internationalen Leben die unentwegke a zu unseren

Verbündeten und Freunden zur BVoraugsetzung und die zmielbewußte erfolgung unserer berechtigten Anspr * mung hat.

Als festgefügte, in der Flucht der Jahre und der Greignisse fryrobte und bewährte Grundlage des enropäischen Staatenfystems haben wir den Dreibund übernommen und wollen ihm treu bleiben, treu seinem . treu selnem Geiste, treu namentlich auch der erhabenen Friedensidee, welcher er, den Absichten seiner erlauchten Begründer zufolge, zu dienen berufen ist. Innerhalb des Dreibun det steht unser Verhältnis zum Deutschen Reich unentwegt im

eichen innigsten Einvernehmens. i Laufe jahrzehn telangen

usammengehens und , zur Ausdrucksform eines innigen Solidaritätsbewußtseins geworden, besitzt es in dem unver— brüchlichen Freundschaftsperhältnis der beiden onarchen seine höchste Weihe. Vie kürzliche ,,, des Kaisers Wilhelm in Schön⸗ brunn als Gast unseres Allergnäd gin Herrg hat diese glückliche Tat⸗ sache wiederum in Erscheinung kreten lassen und den verbündeten hel ern Gelegenheit gegeben, das auf tiefeingewurjelte Ueber- ieferungen gegründete und nach übereinstimmenden End⸗ zielen eingestellte gußenpolltische Wirken der zwei Zentralmaäͤchte neuerdings zu bestätigen und zu bekräftigen. In gleicher Welse tragen unsere Beziehungen zu Itglien unverändert den Stempel des engen . Die Wärme des Tons, in dem die Bei⸗ leidskundgebung des Marchese di San Giuliano anläßlich des Ab⸗ lebeng meines Vorgängers gehalten war, hat Zeugnis gegeben von dem hohen Werte, den man in Rom den loyalen Bestrebungen des Grafen Aehrenthal beilegte, das Verhältnis der Verbündeten möglichst ver · trauensboll zu gestalten. Ich habe nicht versaͤumt, die Kundgebung des italienischen Stagtsmannes herzlich zu erwidern und ihn zu ver— sichern, daß mit dem Personenwechsel keine Aenderung unserer Politik eingetreten sei. Der langwierige Waffengang, in den unser Ver⸗ bündeter verwickelt ist, hat bedauerlicherweise bie her noch keinen Ab— schluß gefunden. Wir hegen den lebhaften Wunsch, daß dem Blut vergießen ein baldiges Ende bereitet werde. In diesem Streben find wie vor bereit, im Rahmen der von uns beobachteten Neutralität jeder Aktion beizutreten, welche geeignet erschiene, einen befriedigenden Ausgleich herbeizuführen. ö.

Einer sorgfältigen Pflege soll unser Verhältnis zu Rußland teilhaftig werden. Es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß ich bei ö meines Amts mit leitenden russischen Staate männern einen Depeschenwechsel gepflogen habe, der die beiderseitige Absicht in paralleler Richtung im Dienste des Friedens wirken zu wollen, zum Ausdruck brachte. Dieses in Wien wie in St. Petersburg ob— waltende Streben ist auch in den jüngsten von dem Minister Ssagsonow in der Reichsduma abgegebenen Eiklärungen klar gekenn⸗ zeichnet worden. Wir können von den einschlägigen Ausführungen des xussischen Ministers des Acußern mit Befriedigung Akt nehmen und dem Gedanken vollinhaltlich beipflichten, daß damit ein wert— volles Unterpfand für die weitere freundschaftliche Ausgestaltung des wechselseitigen Verhältnisses gegeben erscheint. In dem erfreulichen Umstande, daß keine wie immer gearteten Interessengegen saͤtze zwischen uns und Frankreich bestehen, finden die ausnehmend guten Beziehungen, die wir mit Frankreich unterhalten, ihr Wesen und ihren Inhalt. besonderen tritt diese Tatsache auf dem Gebiete der Orientpolitik in Erscheinung, auf dem sich die französische Politik gleich der unseren im konservativen Sinne betätigt und durch ihren Einfluß darauf hinwirkt, daß sich in diesem Wetter— winkel; keine gefahrdrohenden Wolken bilden. Wir wissen diefe Uebereinstimmung friedlicher H nach Gebühr ein⸗ rer, nnr, önnen ße als Aktivposten in unser politisches

in der Zukunft hier wie dort sicid icht, d gewürdigt werden mögen.

Im Vordergrunde des Interesses für die auswärtige Politik Oesterreich⸗ Ungarns steht selbswwerständlich unser Verhältniß zur Türkel. Es ist im Laufe der Zeiten, wir können zurückgehen bis zum Frieden von Sistowa, ein Grundsatz unserer Politik gewesen, freundnachbarliche Beziehungen zum tür kischen Reiche zu unterhalten und die tunlichsie Verhütung, gegebenenfalls die größtmöglichste Ein— schr änkung von Verwicklungen anzustreben, die dasselbe in Mitleidenschaft zu ziehen imstande sein könnten. Diefe ei deren konservativer Charakter siets die Billigung aller an der Erhaltung des Friedenz interessierten Elemente gefunden hat, ist auch heute noch maß⸗ und richtung⸗ gebend für unser Verhältnis zur Hohen Pforte. Es erscheint nur als eine logische Folge dieser grundlegenden Auffassung, wenn wir den aufrichtigen Wunsch hegen, daß der Kampf, der derzeit an der tripolitanischen Küste ausgetragen wird, zu einem baldmöglichen Ab— schlusse gelange. Einen treuen Mitarbeiter an dem diplomatischen Wirken zur Erhaltung des Friedens im nahen Osten besitzen wir in dem Königreiche Rumänien, dessen erlauchter Herrscher mit unserem Allerhöchsten Herrn in langjähriger Freundschaft und tatkräftiger Ver⸗ felgung der gleichen politischen Bestrebungen verbunden ist. Unser Strehen wird dahin gehen, das herzliche Verhältnis zum Nachbarstaate nach besten Kräften zu fördern und zu verdichten. Welches Interesse wir an guten Beziehungen zu den Balkanstgaten haben, bedarf wohl keiner besonderen Begründung. Mit lebhafter Sympathie be⸗ gleiten wir deren innere Festigung wie nicht minder ihr wirt— cha st licht Gedeihen. Dle Heisiellung eines regeren kommerziellen Wechselverkehrs mit ihnen wurde durch die mit Serbien“ und Montenegro geschlossenen Handel verträge eingeleitet. Seither ist es gelungen, nach längeren Verhandlungen zu elner handele— politischen Einigung mit Bulgarien zu gelangen, die den gesetz⸗ (ebenden Köiperschaften vorgelegt weiden wird. Es gereicht uns zur besonderen Befriedigung, hierdurch zur weiteren Ausgestaltung unserer nirischaftlichen Beziehungen mit Bulgarien beigetragen zu haben, umscmehr als der ökonomische Aufschwung und hie hierauf begründete konservative Politik des jungen Königreichs einen wertvollen Faktor für die Erhaltung des Friedens auf dem Balkan bildet. An das. Abkommen mit Bulgarien würde sich dann als abschließen des Glied in der Kette der Handelsverträge mit den Balkanstaaten der derzeit erst in Auesicht genommene Handelsvertrag mit Griechenland reihen. Von der Regelung unseres wirtschastllchen Verhältnisses zu diesen Staaten läßt sich zweifellos eine günstige Rückwirkung auf unsere politischen Beziehungen zu denselben erwarten.

Im Voꝛihergesagten habe ich mir eilaubt, die Stellung zu kenn⸗ zeichnen, die wir innerhalb des europäischen Stagtensystems einnehmen, mit Beziehung auf die derzeit bestehende Mächtegruppierung und in Rücksichtnahme auf die außerhalb derselben stehenden, für die Srient⸗ politik in Betracht kommenden Staaten. Wenn ich hinzufügen kann, daß wir mit allen andern europätschken und außereurepäischen Staate wesen freundschastliche 3 pflegen, so kommt diesem Umstande bei der hohen Entwicklungs, aͤhigkeit 1 Außenhandels und den weiten Zielen, die sich derselbe gesteckt hat, besondere Bedeutung zu. Wir wollen uns nun der Erörterung jener unfere Inseressen näher berührenden Vorgänge zuwenden, die in der letzten Zeit die AÄuf— merksamkelt der Diplomatie erhöht in Anspruch genommen haben

Im Vgrdergrunde der Diskussion befindet sich nech immer das schwierige Problem, eine Grundlage für die Beendigung des ital ienisch⸗türkischen Krieges zu finden. Die ursprünglich von meinem Vorgänger diesfalls ausgegangene Anregung hat die grund— sätzliche Geneigtheit der fünf neutralen Großmaͤchte sichergeftellt, an einer gemeinsamen Friedensaktion tellzunehmen. Diese Geneigtheit sst in konkreter orm in dem kürzlich auf Änregung des St. Peters⸗ hurger Kabinettz erfolgten Vermittelungsversuche der neutralen Mächte zum Ausdrucke gekommen, der in Rom wie in Konstantinopel freundschaftliche Aufnahme gefunden hat. Wenn

wir die tiefgehenden Wandlungen nicht außer acht lassen, die si

auch die Verschiedenhelt der von geltend gemachten Ansprüche nich ,, . kann, so laͤßt sich doch ö nung ni , , ert Bemuhungen der Machte gli! eide Teile annehmbare Löfung zu ö Gn og uns nicht allein im Interesse der belden ! sondern auch , zu sein, die G. auf der Balkanhalbinsel zu bannen.

Die Ausdehnung; der itallenischen ! Meer und die damit im Zusammenhang Dardanellen durch die türkische R der öffentlichen Meinung nicht wer.. gegeben. ir wollen uns der An? . die an diese . Krleges geknüpften . eins nicht entraten. Bezüglich der Vorg. muß jedoch darauf veiwiesen werder gierung vom Anbeginn des Krieges mit lichen Willen zum Ausdruck gebracht h Qrientpolitik, das ist an der Aufrechter? Balkan auch weiterhin festzuhalten Die nahme mit dem römischen Kabine Anlaß zur zuversichtlichen Annahme, 2; drohung der Ruhe auf der Balkanhalbh— Aenderung des Besitzstandes der Türkei am Was aher die Dardanellensperre anbelangt, vir ig an sein lassen, die Aufmerksamkeit der Hohen Pfo. . W anbschaftlicher Weise auf die nachteilige Rückwirkung der erwähnten Maßnahme auf unsere Schiffahrt zu lenken und der Hoffnung Autdruck zu geben, da die fragliche Verfugung, sobald keine unmittelbare Gefahr für die Dardanellen mehr vorhanden sein wird, aufgehoben werde. Wir haben hierbei sichersteln f nen de,, forte sich der Schä⸗ digung wichtig!‘ lere er nn, mn, uch die Sperre der Darpanellen b 1 , n, , n n e trage, fobald die Umstände es c! , Uoner, wegen Freigabe der Durchfahrt zu **

Durch die zeichnung des J vertrags ist die Reiche unter Varl d he. Zone und der der.. stellung endgũ! ee, h war durch das deutsch franzöͤsi he Maren bel en dom 4. Nedember v. J. die Handelsfreiheit und wirischastliche Gieichberechtigung in Masolko für den Welthandel . worden. Infolge unserer Zustimmung zu diesem Abkommen haben wir Anspruch, daß die seitens Frankreichs gemachten Zusagen bei der kommerzlellen und wirsschaftlichen Be— kätigung österreichischer und ungarischer Stagtzangehöriger ober Ge— sellschafien in Marokko eingehalten werden. In unserer seinerzeltigen Zustimmungserklärung ist dies ausdrücklich festgestellt worden, und wir haben kelnen Grund, daran zu zweifeln, daß die unserem Handel und unseren Unternehmungen verbürgten Rechte auch unter dem Protektorat vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

Die letzten Ereignisse in China haben wir mit Aufmerksamkeit erfolgt. Obwohl die Bewegung, die mit der Einführung der republikanischen Regierung form endete, keinen frem denfeindlichen Cbarakter trug, wurden unsere Marineabteilungen, die in Peking zum Schutz der Gesandtschaft und in Tientsin zum Schutz der Niederlassung dienen, verstärkt; außerdem ist. S. M. S. „Kaifer Franz Joseph J., das als Statsonär in Ossasien tätig ist, für alle Fälle im Hafen von Schanghai zur Verfügung. In der Frage der Anerkennung der Republik . wir in Fühlung mit den anderen Mächten, und ein ein peiständliches Vorgehen derfelben ist gesichert. Im übrigen sind wir darauf bedacht, unfere Intereffen, die in China rein wirtschaftlicher Natur sind, zu wahren und die Bestrebungen unserer Industrie. und Finanzkreise nach einer zeitgemäßen Aug— gestaltung ihrer Beziehungen zu China lunlichst zu fördern.

Es wäre somit das Gesam tbild, das ich von unserer außer⸗ politischen Lage entwerfen kann, im allgemeinen kein ungünfsᷓtiges. Um jedoch diesbezüglich keine Enttäuschungen aufkommen zu ft dürfen

in dem Systeme dei internationalen Beziehungen in der jüngsten Zeit geltend gemacht haben. Während bis zur Wende des 19. Jahrhundentz die durch Bildung des Dreibundes eingeleitete Mächtegruppierung als eine einfach und klar umschriebene erschien, ist seither infolge des Abgehenz Englands vem Prinzip der Splendid Isolation, des Gintritts Japans in ein europäisches Bündnie verhältnis, des russisch · japanischen Ausgleichswerks und last not least der Festlegung weitgehender Interessensphären in Afrska seitens europässcher Mächte ein dicht. maschiges Netz von Uebereinkommen und Verständigungen zwischen Mächten gleicher und verschiedener Gruppierung entslanden, was die internationale Lage notwendigerweise wesentlich schwieriger macht. Es soll nicht verkannt. werden, daß solche neue Verbindungen dazu beitragen können, „Gegensätze zu mildern und der Friedengfache zu dienen. Andererseits ist aber nicht zu übersehen, daß die neu aufgeschlofs nen Interessenkreise, deren Inslebentrelen' unter dem Schutze jener Sonderabfom men eimöglicht wurde, neben den Be— rührungt punkten guch Reibungeflächen gezeitigt und dadurch ein Flement der Unruhe in die Außenpolitik gebracht haben, von dem es klug erscheint, bei Zeiten Notiz zu nehmen.

Unsere Politik ist eine Politik der Beständigkeit und des Friedens, der Erhaltung des Bestehenden und der Vermeidung von Ver— wicklungen und Er schütterungen. Diese Politik hat wie eingangs betont unseren legitimen Interessen zu dienen und sie im inter⸗ nationalen Leben jederzeit und allerorts zu wahren und zu . Wir verfolgen keine Umsturzpolitik, keine Angriff sabsichten, keine Aus⸗ dehnung plaͤne. Wir sind aber geYgraphisch inmitten von Milllär, staaten gestellt, die ihre Wehrmacht unaushaltsam verftärken und hinsichtlich ihrer Entschließungen fremder Cinmischung nicht unter— liegen. Um unsere Frieden politik wirksam zu vertreten, sind wir darauf angewiesen, mit der AÄusgestaltung unferer Armee und unserer Flotte hinter den zeitgemäßen Anforderungen des Kriegswesens nicht zuiückzub eiben. Mit anertennenswerter Opserfreudigkeit . Sie sich bisher, niemals der zwingenden Logik dieser Erwägung verschlossen und die Folgen darauß zu ziehen gewußt. Ich möchte auch heute der Hoffnung Raum geben, daß Sie nebst dem aus wärtigen Budget, welches ich Ihrer freundlichen Aufnahme empfeble, auch ken kringenden Ansprüchen der ö Ibr veiständnisvolles Interesse nicht veisagen werden. Sie stelen sich dadurch in den Dienst eines patriotsschen Werkes, welches eine neuerliche Bürgschaft schaffen soll für den Schutz unsereg moralischen und materlellen Besitztums und die Sicherung des Friedenz.

„„Nach dem Exposé des Grafen Berchtold, das sehr bei⸗ fällig aufgenommen wurde, erklärte der Kriegsminister Freiherr von Auffenberg, daß eine auf die Lösung der Berufs- unte roffiziersfrage bezügliche Vorlage den beiden Re— gierungen bereits zugegangen und von ihnen als zutreffend an— genommen sei.

„Vie Vorlage dürfte, so führte der Minister aus, wesentlich dazu beitragen, einerseits das Prinzip der zweljährigen Dienstzeit soweit wie möglich zur Geltung zu bringen, andererseilß werde sie auch bon wohl- tätigen sozialpolitischen Folgen, besonders bezüglich des Auswanderung wesens, ben, sein. Er, der Kriege minister, habe dadurch, daß er diese Bestimmung geschaffen. am besien bewiesen, daß es ihm, mas übrigens felbftverstandlich fei, um daß Zustandekomen der Wehrreform stets zu tun gewesen und noch zu tun sei. Dies betone er besonders, um die Unrichtigkeit aller gegenteiligen Aus⸗ streuungen zu beweisen. Er wolle weiter hervorheben, daß ihn bei allen Ausführungen und Vorschlägen steiz nur heerestechnische Gründe leiteten. Dlese aber zur Geltung zu bringen, liege im Pflichtenkrels jedes Chefs der Kriegs verwaltung.

Darauf entwickelte der gemeinsame Finanzminister Ritter von Bilinski die Hauptgrundsätze seiner Verwaltung

s erfolgte Unter⸗ Protektorats⸗ Scherifianischen n zu reservierenden ationalen Sonder⸗

D betonte die unbedingte Durchführung des Grundsatzes der len Gleichheit gegenüber den beiden Staaten. Er erklärte:

Die Bosnier wünschen eine gewisse Stabilisierung ihrer Stellung, neigten aber entschieden nicht nach dem Auslande und dächten nicht den Trioligmus, der gänzlich ausgeschlofsen sei. Der Minister will, das bosnische Volt sich wirtschaftlich betätige in dem Gefühle der gebörigkeit zur Monarchie, und daß es im dynastischen Bewußtsein arke.

In der nunmehr folgenden Debatte billigten sämtliche dner, auch die oppositionellen Delegierten, vollständig das poss des Ministers des Aeußern.

Graf Appon wi vermißte im Exposé die Behandlung der eatsch⸗ englischen Spannung, „in die wir uns zwar. nicht ein⸗ schen können, die uns aber insofern berührt, als wir die tion auf beiden Seiten unterstützen können, welche die Aufhebung

Spannung und die Stärkung des Weltfriedens zum Zwecke ben kann.“ Gegenüber dem Prinzen Windischgraetz, der

die Verstärkungen Italiens an der Nordgrenze hinwies, er⸗ rte Graf Ticza, mon müsse es Italien vollständig überlassen, hes seine Weh rmacht entwickle, wie es ihm beliebe Man müsse 's unternehmen, um das Mißtrauen zu zerstreuen, aber die Heerez—⸗ d Marinpolitik derart einrichten, daß Oesterreich⸗Ungarn Italien le gute Dienste leisten könne, wenn es mit ihm im Bündnisse sei, ihm viel Schaden zufügen könne im entgegengesetzten Falle.

Das Budgetprovisorium wurde darauf angenommen.

Der Finanzausschuß der österreichischen Delegation ge⸗ hmigte gleichfalls nach längerer Debatte das Budget— swisorium.

Gro fsi'britannien und Irland.

In der gestrigen 966 des Unterhauses wurden ver—⸗ iedene Anfragen an die Regiertng gerichtet.

Wie W. T. B. * meldet, fragte der Abg. King (liberal) an, ob

jüngsten Unterbandlungen zum Zweck der Beendigung des ieges zwischen Italien und der Türkei irgend ein Er— nis gebabt hätten. Der Staatssekretär des Aeußern Sir dward Grev erwiderte, der allgemeine Inhalt der von der

ienischen und der türkischen Regierung eingelaufenen Antworten 6 Et in der Presse veröffentlicht worden. Er sei nicht in der Lage, Wen, welche weiteren Schritte die Mächte in der Angelegenheit D könnten. n Auf eine Anfrage wegen der Lage auf Kreta erklärte Sir Board Grey, daß die Mächte sich über die Schritte berteten, im Hinblick auf bestimmte, auf die Außerachtlafsung des status o ab iielende Handlungen der revolutionären Regierung zu unter— hmen seien.

Der Abg. David Ma son lliberal) fragte den Premierminister quith, welches der gegenwärtige Stand der Verhandlungen zur erstel lung eines freundschaftlichen Einvernehmens mit eutschland sei und welche Aussichten beständen, daß die Verhand-

gen zu einem befriedigenden Abschluß gelangten. Der Premier⸗ mnister Asquith erwiderte, die Beziehungen zwischen den beiden gierungen seien derartig, daß sie es ermöglichten, in freier und lundlicher Weise Fragen von beiderseitigem Interesse zu erörtern. Venn es das ist‘, schloß der Premierminister, „was mit freund⸗ aftlichem Einvernehmen gemeint ist, so ist ein solches Einver— shmen bereits erreicht und wird, wie ich zuversichtlich hoffe, auch yksteben bleiben. Mehr kann ich für den Augenblick nicht sagen.“ Der Abg. Dou glas Hall (kons.) stellte darauf die Frage, ob britische Regierung amtlich Kenntnis davon habe, daß die Minen— mmer in Lüderitzbucht beschlossen habe, tausend indische Arbeiter ür die Diamantminen nach Deutsch Südwestafrika ein— ühren, und ob in diesem Falle die britische Regierung Bedingungen setzen werde, unter denen diese indischen Arbeiter eingeführt werden ften. Der Abg. Gatheart Wason (liberal) fügte die Anfrage hzu, ob die indische Regierung zu der Einführung von Indiern nach jeutsch Südwestafrika ihre Zustimmung gegeben habe. Der Parla⸗ Entsuntersekretär im Indischen Amt Montagu erwiderte, die qutiche Regierung habe der englischen Regierung wegen ar Ein führung in discher Arbeiter in Deutsch Südwestafrika ßöher noch keinen Vorschlag gemacht. Wenn ein derartiges rsuchen nicht vorliege, sei es verfrüht, sich über Einzel— 'Eiten auszulassen. ber im allgemeinen sei der Staats⸗ tretär für Indien nicht geneigt, irgend eine neue Bestimmung für die kutwanderung von angeworbenen Arbeitern aus Indien nach Gegenden ßerhalb des britischen Reiches anzuregen. Die Auswanderung von bischen Arbeitern nach Deutsch Südwestafrika scinncht gesetzmäßig, Enn nicht der Generalgouverneur von Indien und der General— guvernementsrat die Ueberzeugung hätten, daß die Regierung des Areffenden Landes Gesetze oder Verordnungen erlasse, die für den schuß der Augwanderer während ihres dortigen Aufenthalts als usreschend erachtet werden könnten. Auf keinen Fall könnten Schritte kan werden, ehe zwischen Deutschland und England ein Vertrag eschlossen werde, durch den für die Wohlfahrt der Auswanderer aus ichend gesorgt werde.

Eine Abordnung der Schiffahrtskammer hat gestern 6 dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Grey gegen ie w der Dardanellen Einspruch erhoben. Der ätaatssekretär wies laut Meldung des W. T. B.“ darauf in, wie schwierig es für die Regierung sei, auf andere Mächte Szüglich ihrer militärischen Operationen einen Druck aus— niben, und erklärte, er habe vor, nachdem er die Ansichten 6s Getreidehandel s, von dem er eine Abordnung erwarte, hört habe, sofort nach Rom und Konstantinopel zu tele— raphieren, um eine Zusage zu erlangen, daß die Durchfahrt urch die Dardanellen geöffnet werde, damit die Schiffe, wenn icht ständig, so doch zeitweilig vom Aegäischen Meere nach m Schwarzen Meere frei passieren könnten.

Rußland.

Das Ministerium des Innern hat, wie „W. T. B.“ keldet, an den Ministerrat das Ersuchen gerichtet, zur Erhöhung r für die Bevölkerung in den Hungerbezirken bestimmten gittel 5,6 Millionen Rubel zu bewilligen.

Türkei.

Die Pforte. erklärt, wie W. T. B.“ meldet, in ihrer twortnote, betreffend die Wiedereröffnung der Dar— nellen, die gestern auf der russischen Botschaft überreicht rde, daß die Bestimmung keines Vertrages die Türkei dere, in Kriegszeiten die Dardanellen zu ,, . Nichts⸗ toweniger sei die 166 geneigt, die Dardanellen wieder zu en, sobald die Umstände es gestatten würden.

Amerika.

Das Verkehrskomitee des amerikanischen Re— äsentantenh au ses hat die Gesetzesvorlage, betreffend die oschließung der Sisenbahnen gehörigen Schiffe vom Panama—⸗ al, zurüchgezogen und befürwortet jetzt laut Meldung des V. T. B.“, der Musschuß für den zwischenstaatlichen Handel zöge untersuchen, ob solche Schiffe für die Eisenbahnen einen

Nettbewerb bedeuten.

Asten.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“ sind in Lk⸗Su Unruhen ausgebrochen. Der Taotai

wurde getötet. Afrika. .

Ueber die geplante Organisierung Marokkos wird vom „W. T. B.“ noch gemeldet, daß dem Generalresidenten außer dem mit Verwaltungsangelegenheiten betrauten Gesandt—⸗ schaftssekretär noch ein Stellvertreter beigegeben werde, der während der Abwesenheit des Generalresidenten mit der 6 der Generalresidentschaft betraut wird. Diese Stellung wir einem Diplomaten übertragen werden. Wie in Tunis wird der Generalresident auch in Marokko das Amt des Ministers des Aeußern des Sultans ausüben.

In Fes ist am 25. April der Belagerungszustand verkündet worden. Der deutsche, der österreichische und der spanische Konsul haben, der „Agence Havas“ zufolge, bezüglich der ihnen durch die Verträge eingeräumten Jurisdiktionsrechte Vorbehalte aße af,

Eine vom Sultan ernannte Abordnung, der der Großwesir angehört, hat den Truppen, die gemeutert haben, eine Pro— klamation Mulay Hafids vorgelesen, in welcher der Sultan den Aufstand mißbilligt und dringend auf die Notwendigkeit einer Vereinigung und eines Abkommens mit Frankreich hin— weist. Den treugebliebenen Truppen wird dieselbe Proklamation heute verlesen werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Die heutige (52.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf beiwohnte, . der Präsident Dr. Kae mpf mit der Mitteilung, daß er für heute eine Abendsitzung vorzuschlagen beabsichtige, um die Beratung des Kolonialetats so zu fördern, daß sie morgen zum Abschlusse gelangen könne.

Die Wahl des Abg. Kreth (dkons., Stallupönen⸗Goldap⸗ Darkehmen) wurde gemäß dem Antrage der kommission für gültig erklärt. Die Wahl des Abg. Haupt (Soz., Jerichow] wurde beanstandet und Beweiserhebung über

verschiedene Einspruchbehauptungen beschlossen.

Darauf wurde die zweite Beratung des Etats für das Reichskolonialamt in der allgemeinen Besprechung beim ersten Ausgabetitel „Staatssekretärgehalt“ fortgesetzt.

Abg. Dr. Pgasche (nl): Sämtliche Parteien im Hause, mit Ausnahme der Sozialdemokratie, haben erklärt, daß es mit unserer Kolonialpolitik vorwärts geht. Aus den Aeußerungen der Vertreter der Sozialdemokratie muß ich allerdings annehmen, daß sie zurzeit nicht positiv mitarbeiten wollen, aber ich hoffe, auch sie werden in Zukunst ihre Ansicht revidieren. Besonders erfreulich ist, daß das Zentrum gegenüber unserer Kolonialpolitik jetzt eine so freund⸗ liche Haltung einnimmt. In unseren Kolonien ist viel geschehen und viel gearbeitet worden. Wir müssen unsere Kolonien aufschließen und Verkehrswege schaffen. Als die erste Bahn in Ostafrika gebaut wurde, da sah man sie als ein aussichtsloses Unternehmen an. Es wurden Stationen geschaffen, wo weit und breit keine Seele zu finden war. Und wie steht es jetzt?

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (61.) Sitzung, welcher der Minister des Innern Dr. von Dallwitz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern für 1913 bei den dauernden Ausgaben für die Polizeidistriktskommissare in der Provinz Posen fort.

Hierzu liegt eine Petition um Einstellung von Mitteln zur Erhöhung der Dienstaufwandsentschädigung der Distrikts⸗ kommisfare vor.

Referent Abg. Winckler beantragt namens der Budgetkom— missien, die Petitlon der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu Üüber— weisen. Er weist darauf hin, . in den Kreisen Kosten und Wongrowitz die Errichtung je eines neuen Distriktsamts zur Entlastung der vor— handenen Aemter nötig geworden ist. Eine Erhöhung der Dienst⸗ aufwandsentschädigung der Distriktekommissare sei in diesem Etat noch nicht erfolgt. .

Abg. Dr. Busse (kons.) spricht sich für die Petition aus.

Abg. Dr. Levy (nl.) hält ebenfahts eine Erhöhung der Dienst— aufwandsentschädigung der Distriktskommissare für erforderlich. Eine Beschleunigung sei notwendig, damit diese Beamten nicht genötigt seien, Schulden zu machen.

Abg. Viereck (freikons): Die Petition entspricht einem im vorigen Jahre ausdrücklich geäußerten Wunsche des Hauses. Ich bitte die Regierung, die Angelegenheit wohlwollend zu behandeln, entsprechend der Wichtigkeit und dem Umfange der Obliegenheiten . Beamten. Hoffentlich enthält der nächste Etat eine angemessene

orderung.

Abg. Kindler (fortschr. Volksp.): Es wäre erwünscht, daß uns die Regierung im nächsten Jahre eine Statistik über die Zahl der von den Distriktskommissaren gehaltenen Pferde und die Zahl der Bureauräume vorlegt. Die Petition empfehle ich dem Wohl⸗ wollen des Ministers. Diese Beamtenkategorie wird überhaupt zu gering besoldet.

Das Kapitel wird genehmigt und entsprechend dem Kom⸗ missionsantrage die Petition der Staatsregierung zur Berück⸗ sichtigung überwiesen.

Bei dem Kapitel „Landgendarmerie“ bemerkt

Abg. Hammer (kon); Da die Gendarmen Militärpersonen sind, können sie ihre Beschwerden ihren Vorgesetzten nicht persönlich vortragen. Deshalb müssen wir uns ihrer annehmen, und da diese Be⸗ schwerden von Jahr zu wachsen ist es kein Wunder, daß die Zahl der Redner sehr groß ist. In die Wohnungen der Gendarmen können die revidierenden Vorgeletzten jederzeit eintreten. Das ist eine sehr große Härte, namentlich wenn 6 und Kinder sich in diesen Wohnräumen auf⸗ halten. Dieser Zusland ist neuerdings durch eine Dienstvorschrift noch verschlechtert worden, nach der in Abwesenheit des Gendarmen die Wohnräume dem revidierenden Vorgesetzten von einem Mitglied der Familie des Gendarmen offen I , . werden müssen. Hier ist eine Abhilfe nur durch ö eines eigenen Dienstraums für den Gendarmen möglich. Ich beschränke mich auf die Hervorhebung einzelner Punkte, die ich zum größten Teil schon früher hier zur Sprache ge⸗ bracht habe. Für den Potsdamer Regierunge bezirk mit seinen hohen Lebensmittelpreisen und Wohnungẽmieten ist durch die neue Gehalts⸗ ordnung für die Gendarmen in manchen Fällen eine Einnahmever- minderung um Beträge bis zu 120 M eingelreten, indem die Stellen⸗ zulage aufgehoben worden ist, der Wohnungsgeldzuschuß aber nicht entfernt die für die Wohnung zu mach nden Aufwendungen deckt. Die Dienstaufwandtentschädigung von 192 4 ist ebenfalls nicht aus⸗ reichend, jedenfal's nicht für die berittenen Gendarmen. Die

Militärpersonen erhalten auch ohne Urlaub Militarfahrkarten auf der

Eisenbahn, die Gendarmen nicht. Meine früheren Vorschlãge betreffs Verminderung des Schreibwerks möchte ich in Erinnerung bringen. Man sollte mehr Formulare mit Vordruck einführen, die Är it ersparen. Die Gendarmen sollten auch mit besseren Registern, namentlich mit einem brauchbaren Steckbriefregister ausgerüstei werden. Die Unterstützungen, namentlich diejenigen in geringem Betrage, sollten nicht durch Postanweisung, sondern auf billigerem Wege zugestellt werden. Wenn ein Gendarm Jip ill ee anlegen will, muß er erst beim Lzadrat darum einkommen; darunter kann eventuell seine Tätigkeit bei der Nachforschung von Vergehen und Verbrechen empfindlich beeinträchtigt werden. Wenn ein Gendarm einem Krieger oder anderen Vereine angehört und mit diesem einen Ausflug macht, so darf er, wenn der Verein ein Lokal betritt, nicht mithineingehen; das ist ihm verboten. Er muß auch vor jedem Offizier stramm stehen; geht er mit der Familie aus und b er ein Kind an der Hand, so muß er es los⸗ lassen, um zu grüßen. Noch immer oktroviert man den Gendarmen die weißen Handschuhe auf; das sollte doch die längste . gedauert haben. Der Gendarmensäbel taugt für die

endarmen nichts; er stammt noch aus der Zeit von 1848 und ist weder zu Hieben, nech zum Stich geeignet. Er muß unbedingt geändert werden. Erfreulich ist ja, daß der schwere Armeereholver ihnen abgenommen werden soll. Nach einund⸗ zwanzigjähriger Dienstzeit sollten die Gendarmen zu Ober⸗ wachtmeistern ernannt werden und nach achtzehnjähriger Dienst⸗ zeit bei tadelloser Führung das allgemeine Ehrenzeichen erhalten. Die Kommandogewalt der Distriktsoffiziere, die noch Oberleutnantö sind, sollte man den Brigadiers übertragen.

Ahg. dicke (freikons.: Das Arancement zu den Oberwacht⸗ meisterstellen ist sehr ungunstig; vielleicht könnte man gehobene Stellungen schaffen, in welche die Gendarmen nach 21 jähriger Dienst⸗ zeit aufrücken können. Dann würden sie auch in ihren Stellungen aushalten. Ferner ist die Dienstaufwandsentschädigung zwelfellos zu gering. Sie beträgt nur 192 M für das Jahr, das sind 52 3 für den Tag. Der Minister sollte möglichst bald eine neue Erhebung darüber veranstalten. Es ist anzuerkennen, daß eine weitere Vermehrung der Dienstwohnungen stattgefunden hat; aber an verschiedenen Stellen müssen die Gendarmen von ihrem Gehalt zusetzen.

Abg. Drin nenberg Zentr.): Die Dienstaufwandkentschädigung ist nicht ausreichend; diejenige für die berittenen Gendarmen ist ge⸗= ringer als die für die Fußgendarmen. Dringend müssen wir die Ab⸗ schaffung der Arreststrafen fordern. Von allen Seiten wird die Pflicht- und Diensttreue der Gendarmen erkannt; ich möchte deshalb den ö bitten, den Gendarmen sein besonderes Wohlwollen zu⸗ zuwenden.

Abg. Heine (nl): Den Wachtmeistern . wird es jetzt sehr schwer, in die Oberwachtmeisterstellen aufzurücken. Die Aufwands⸗ entschädigungen reichen auch nach meiner Ansicht nicht aus.

Abg. Delius ffortschr. Volksp.): Es ist erfreulich, daß die Dienst⸗ prämie auch auf alle Gendarmen ausgedehnt wird. Der schwere und große Säbel ist unpraktisch, auch die Litewka sollte eingeführt werden. Die Arreststrafe muß beseitigt werden. Wir stehen dem Wunsche der Gendarmen nach Besserung ihrer Lage sehr sympathisch gegenüber. .

Abg. Dr. Becker (Zentr. : Es sollte gestattet werden, daß die Fußgendarmen ihre eigenen Fahrräder benutzen. In Hinsicht auf die Teuerung müßten alle Gendarmen Stellenzulagen erhalten.

(Schluß des Blattes.)

Statiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der in Leipzig ausgebrochene Ausstand der in den Schwerfuhr— werksbetrieben beschaͤftigten Geschirr führer (vgl. Nr. 104 d. Bl.) bildete die Tagesordnung einer am Montag abgehaltenen Ver⸗ sammlung des Vereins Leipziger Fuhrherren. Die Versammelten beschlossen, der Lpz. Ztg. zufolge, einstimmig, die neuen Forderungen der Geschirrführer und Arbeiter abzulehnen, da in den meisten Betrieben bereit im Monat März 1912 Zulagen bis zum ir fbr von 29 gewährt worden seien. Weiter wurde be⸗ chlossen, von den bereits in großer Zahl eingegangenen Angeboten Arbeltswilliger Gebrauch zu machen. Es steht zu erwarten, daß, falls die Forderungen aufrecht erhalten werden sollten, doch sehr bald alle verlassenen Posten der Ausständigen durch andere Arbeitskräfte besetzt sein werden.

In Hamburg sind gestern sämtliche Arbeiter der Vulkanwerft, wie W. T. B.“ meldet, in den Ausstand getreten. Der ganze Betrieb ruht infolgedessen. Der Arbeitgeberverband Hamburg-Altona, dem auch die Vulkanwerke angehören, hatte am 25. April wie in früheren Jahren be les alle Arbeiter, die am 1. Mai feiern, für zehn Tage auszusperren. Bekanntmachungen in diesem Sinne für die Arbeiterschaft sind der Vulkanwerft sowie allen anderen Firmen von der Geschäftsstelle des Arbeisgeberverbandes zugegangen, und die Direktion der Vulkanwerft hat 6 am Montagabend an⸗ schlagen lassen. Während man zuerst annehmen konnte, daß die Niederlegung der Arbeit mit der beabsichtigten Feier des 1. Mai im Zusammenhang stehe, scheint der eigentliche Grund ein anderer zu sein. Die Einstellung der Arbeit erfolgte gestern früh, nachdem einer der Obmänner des Arbeiterausschusses, dem unerlaubte Agitation zum Vorwurf gemacht wurde, entlassen worden war; ausständig sind samt⸗ liche organisierte Arbeiter, auch die den Hirsch⸗Dunckerschen und den christlichen Organisationen Angehörenden. Insgesamt feiern etwa 6000 Mann.

Aus Liverpool wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Die ausständigen Seeleute haben sich bereit erklärt, unter den jetzigen Bedingungen zur Arbeit zurückzukehren und die Ent⸗ scheidung einer Versammlung von Vertretern der Seeleute und der Schiffeigentümer zu überlassen, die anfangs Mai zusammentreten und die strittigen Punkte erörtern wird. (Vgl. Nr. 164 d. Bl.)

In den Fabriken St. Petersburgs sind laut Meldung des W. T. B‘ gegen 26 00 Mann gutständig (ö9gl. Nr. 104 d. Bl.. Die Haussuchungen und die Verhaftungen von Arbeitern wurden in der Nacht zum Dienstag fortgesetzt. Gestern abend gegen 6 Uhr fand wiederum eine Kundgebung von Studenten, Studentinnen und Arbeitern statt. Die Polizei zerstreute die Menge und nahm 40 Verhaftungen vor.

Wohlfahrtspflege.

In der Pfingstwoche findet unter dem Vorsitze von Professor Dr. F. Lange in ünchen im alten Rathaussaale der zweite Kongreß der deutschen Vereinigung für Krüppelfür⸗ sorge statt. An Vorträgen sind u. a. in Aut sicht genommen: Dr. Bate⸗Lannover: „Krüppelfürsorge und Rassenhygiene“, Professor Biesalski⸗ Berlin: ‚Was ist durch die Bewegung der Krüppelfürsorge in den letzten 10 Jahren erreicht worden, Geh. Ober- medizinalrat Professor Dr. Dietrich Berlin: ‚Wie richtet man die Krüppelfürsorge ein?“, Direktor Erhard-⸗München: Das bayrische Königshaus und seine Fürsorge für die krüppelhasten Kinder“, Professor Lange⸗München: „Wie weit kann heute die Zahl der Krüppel durch eine rechtzeitige Behandlung vermindert werden“, Dr. Leonhard Rosenfeld. Nürnberg; . Welche Kosten macht die Krüppel⸗ fürsorge?‘, In pektor Würtz⸗Berlin: Das künstlerische Element in Unterricht und Ausbildung der Krüppel“. Die Bedeutung, welche die Krüppelfürsorge im sozialen Leben der letzten 19 Jahre sich er⸗ rungen hat, läßt eine rege Teilnahme wünschen; es dürften inshesondere die Verwaltungsbehörden, Wohlfahrtseinrichtungen, Aerzte, Geistliche und Lehrer reiche Anregung finden. Alle Freunde der Krüppelfürsorge sind willkommen.