1912 / 105 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

daß ein Fall von Begünstigung der Vielweiberel irgendwie möglich ist oder vorgekommen sein kann, muß ich vom Standpunkt der Verwaltung

aus bestrelten. Es ist auch der Is lam dem Christentum gegenübergestellt worden,

und zwar unverkennbar mit der Tendenz, dem Jalam das Uebergewicht bezüglich seiner Wirkung auf die Eingeborenen ju lassen. Meine Herren, ob Islam oder Christentum besser ist, das ist für uns eine akademische Frage. Nachdem wir als chrꝛistlicher Staat Länder mit

un zivilisierten Eingeborenen einmal in Verwaltung genommen haben, ist es unsere Pflicht, die Propaganda für das Christentum zu unterstũtzen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Daß sich der Islam auch für die Eingeborenen ebenso günstig gezeigt bat, wie das Christentum, lehrt die Geschichte. Der Islam kommt für uns als christliche Nation als Kulturbringer nicht in Frage, da er darin der christlichen Religion unterlegen ist. (Zuruf und Lachen bei den Sozial⸗ demokraten.) Es ist weiter bedauert worden, daß gewisse Eingeborenen— verhältnisse in den Halauinseln den Missionaren Anlaß zu Beschwerde und Klage gegeben haben. Diese Klagen sind der Ver— waltung durchaus bekannt, und wir bedauern lebhaft, daß durch die Entwicklung von eigentümlichen Klubs in diesen Inseln der Unsittlich⸗ keit in hohem Maße Vorschub geleistet wird. Ich kann Ihnen aber mltteilen, daß wir augenblicklich in den Palauinseln einen Verwalter haben, dem es gelungen ist, diese Klubs erheblich einzuschränken und der Hand in Hand mit den Missionen weiterarbeiten wird, um diese anftößigen Verhältnisse vollftändig aus der Welt zu schaffen. Nun komme ich zu dem Thema, das in den gestrigen Ausführungen einen breiten Raum eingenommen hat; das ist die Haussklaverei. Meine Perren, daß die Verwaltung vollständig auf dem Standpunkt des Redners steht, daß wir die Haussklaverei auf die Dauer gänzlich abschaffen müssen, das ist gestern bereits anerkannt worden. Daß die Einschränkung der Sklaverei gute Fortschritte gemacht hat, erkennen wir aus dem Anwachsen der Freibriefe.

Es ist nun behauptet worden, daß es in Tabora ungefähr 25 bis 2 O00 Sklaven gibt. Diese Zahl kann ich nicht kontrollieren; wenn

sie aber korrekt ist, dann kann sie sich nicht auf die Stadt Tabora allein beziehen, sondern auf den geographischen Begriff Tabora, denn Tabora ist eine Ansammlung won einigen Dörfern und Städtchen und ist erft jetzt während der deutschen Verwaltung in den Mittelpunkt des Interesses gekommen. Man kann von Klein Tabora und Groß Tabora sprechen. Wenn man Tabora mit den ganzen umliegenden Ländern und Ortschaften rechnet, dann würde die Zahl von 26⸗bis 30 000 nicht einmal so sehr hoch sein. Also ich lasse die Zahl hingehen, nehme aber an, daß Groß Tabora damit gemeint ift. Wenn weiter behauptet worden ist, daß 75 0 o aller Fälle der Richter Sklavereiangelegenheiten sind, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß die Richter in Ostafrika sich mit Sklavenangelegenheiten gar nicht zu befassen haben, sondern daß diese zur Kompetenz der Beztrksamt-⸗ männer gehören. Wenn es aber wirklich wahr ist, daß 75 υά der Tätigkeit der Bezirkßamtmänner oder der Richter, das lasse ich dahingestellt sich mit Sklavenangelegenheiten beschäftligen, dann spricht das eigentlich zugunsten der Bestrebungen der Regierung, die Sklaverei abzuschaffen; denn diese Fälle würden sich in der Hauptsache auf die Freikaufsfälle zwischen Sklavenhalter und Sklaven beziehen, die von den Behörden geregelt werden. Also der ungünftige Schluß, den der Herr Vorredner daraus gezogen hat, kann mit Recht nicht daraus gezogen werden.

Was nun die Vorschläge für Maßnahmen zur völligen Ab schaffung der Haussklaverei anbetrifft, so habe ich mich schon in der Budgetkommission geäußert, daß ich allen diesen Maßnahmen sehr sympathisch gegenüberstehe, daß ich aber im Einvernehmen mit dem in diesen Angelegenheiten bewanderten hier anwesenden Gou— verneur doch Bedenken habe, einen Termin festzusetzen. Allerdings halte ich die Schwierigkeiten für nicht unüberwindbar; immerhin bitte ich doch, der Regierung den Spielraum zu lassen, erst einmal zu prüfen, ob der gewünschte Termin nicht etwas zu früh ist. Wir werden dann den Maßnahmen, die vorgeschlagen worden sind, möglichst Rechnung tragen, nachdem wir ihre Durchführbarkeit geprüft haben. Ich drücke mich mit Willen vorsichtig aus, meine Herren; denn die Resolution, so richtig und gut sie gemeint ift, und so sehr wir sie anerkennen, schneidet tief in das Leben der Eingeborenen in Ostafrika ein. Wir sind uns grundsätzlich einig, daß die Sklaverei abgeschafft werden muß; wir sind uns nur nicht einig in dem Tempo, und da, meine Herren, glaube ich, lommt bei dem Wort „Sklaverei' doch etwas wie Jugenderinnerung über uns alle, wenn wir an Onkel Toms Hütte und ähnliche Bücher denken, die auch in Amerika damals Unheil angerichtet haben. (Zuruf links.) Ja, Unheil in Bezug auf eine falsche Beurteilung der Verhältnisse. Die Tatsache der Sklaverei ist nach unseren modernen ethischen Be⸗ griffen eine Unmöglichkelt da gibt es zwischen uns und dem hohen Hause gar keine Meinungsverschiedenheit —; aber die Sklaverei ist in Afrika in Wirklichkeit nicht so schlimm und grausam aufzufassen wie die Sklaverei, wie wir sie aus früheren Schilderungen in anderen Ländern kennen. Ich glaube also, wenn wir ein langsameres Tempo wählen, werden wir das Veispiechen einlösen können, die Sklaverei allmählich gänzlich aufzuheben; aber ob der Termin der Resolution richtig ist, das lassen Sie bitte das Gouvernement in Ostafrika ent⸗ scheiden.

Wesentlich ist dabei die Ent schädigungsfrage. Die möchte ich auch berühren. Die umliegenden englischen Distrikte haben die Sklavenhalter hoch entschädigt. Wir müssen aber auch daran denken, im Interesse der Humanität da Entschädigungen zu geben, wo es sich um infirme freigelassene Sklaven und um Kinder handelt. Es ist also eine doppelte Entschädigung, die hohe Summen kosten kann. Wir müssen auch die Frage prüfen, ob das Schutzgebiet in der Lage ift, für diese humanitären Zwecke die dazu notwendigen Mittel aus⸗ zugeben.

Es ist auch von dem Alkoholkonsum der Farbigen und der Weißen in den Kolonien gesprochen und dabei der Denkschrift Er— wäͤhnung getan worden, die der Herr Staatssekretär Dernburg dem hohen Hause vorgelegt hat. Die Kolonialverwaltung steht nach wie vor auf dem Standpunkt dieser Denkschrift und wird alles tun, was in ihren Kräften steht, um den Alkoholkonsum unter den Eingeborenen einzuschränken oder am liebsten zu verbieten. In diesem Sinne hatte sich die deutsche Regierung mit der englischen Regierung verbündet, um in Biüssel diejenigen Bestimmungen der Brüsseler Akte

in Wirkung zu setzen. Es handelte sich bei dieser Konferenz erstens um Heraufsetzung des Zolls für Alkohol und zweitens um Festsetzung, oder vielmehr Regulierung Brüsseler Akte bereits angegebenen Sperrzone für Alkohol. welche hinaus ins Innere die Mächte der Brüsseler Akte sich ver⸗ pflichtet hatten, keinen Spiritus für die Eingeborenen einzuführen. Die Brüsseler Konferenz ging leider wegen des Widerstandes, und zwar des alleinigen Widerstandes Frankreichs erfolglos auseinander. (Hört, hört: rechis und links. Wir werden aber nicht nachlassen, bei der französischen Regierung vorstellig zu werden, damit endlich der Zuftand erreicht wird, den die internationalen Mächte durch die Brüsseler Akte aus sanitãren Zwecken erreichen wollten. (Bravo! rechts.)

Nun ist von zwei Rednern die Frage der Südbahn in Kamerun angeschnitten worden. Ich glaube, ich kann gleich darauf zurückkommen und brauche nicht auf den Etat von Kamerun zu warten. Die Handelskammer von Südkamerun wünscht ein Projekt für die Südbahn, das den Interessen der Südfirmen durchaus entspricht und das an sich ein wohlůberlegtes gutes Projekt ist. Das Problem einer Südbahn liegt aber in Kamerun für das Gouvernement anders, als für die Interessenten, in Südkamerun in der Hauptsache für die Firmen, die in und um Kribi tätig sind. Auf der Karte von Kamerun werden Sie ohne weiteres sehen, wie notwendig es ist, das Innere von Südkamerun mit seinen reichen Produkten zu erschließen und eine Zubringerbahn nach der Küste zu führen. Da tritt sofort die Frage auf: Soll diese Bahn von und nach Kribi gehen, oder soll sie von und nach Duala gehen? Meine Herren, ganz objektiv abgemessen, muß Duala aus verschiedenen Gründen den Vorzug haben. Einmal ist in Duala ein natürlicher Hafen, der zu einem sehr guten Hafen gemacht werden kann, sobald die vorlagernde Barre abgebaggert ist, was nach den neuesten Nachrichten nicht allzuviel Mühe und Kosten bereiten wird. Kribi aber leidet trotz der von dem Herrn Abgeordneten angegebenen Bucht unter der Unmöglichkeit, dort einen Hafen anzulegen. Es ist und bleibt eine offene Reede. Und: vestigia terrent! Wir haben so viele schlechte Erfahrungen an der Westküste von Afrika mit offenen Reeden, mit Molen und Landungsbrücken gehabt, daß wir eine offene Reede nicht nehmen werden, wenn wir daneben einen vor⸗ züglichen Hafen haben. Wenn wir eine Landungsbrücke in Kribi haben, werden wir dieselben Unbequemlichkeiten haben, wie in Togo mit der großen Landungsbrücke. Haben wir eine kleinere, so wird dasselbe eintreten wie in Swakopmund. Es wird ein reger Leichter⸗ verkehr erforderlich sein, der dieselben Schwierigkeiten bietet wie der Leichterverkehr in Swakopmund.

Es sprechen aber nicht nur diese technischen Gründe für Duala, sondern auch Gründe verwaltungspolitischer Natur. Das Innere von Kamerun ist noch nicht so erschlossen, daß mit absoluter Sicherheit damit gerechnet werden kann, daß dem Vordringen unserer Kaufleute die Eingeborenen nicht doch noch Schwierigkeiten in den Weg legen werden. Man muß damit rechnen, daß gelegentlich Polizei und Schutztruppen nach dem Süden hingebracht werden müssen. Da ist es doch natürlich, die Bahn dahin zu lenken, wo die Schutztruppen⸗ verwaltung ist und alle diejenigen Organe sitzen, die für diese Zwecke in betracht kommen. Wenn man das nicht täte, sondern Kribi wählte, würden die Schutztruppen im Bedarfsfalle von Kribi erst nach Duala verschifft werden müssen.

Auch wirtschaftliche Gründe sprechen für die Wahl Dualas. Von dem heutigen Handel des Hafens Kribi beruhen schätzungsweise etwa 45 auf dem Verkehr mit Jaunde und dessen Hinterland, 36 0½o auf dem Verkehr mit dem Njong und dessen Einzugsgebiet, und 20 96 auf dem Verkehr mit Ebolowa und dessen Hinterländern. Dem⸗ nach fallen dem Hafen Duala über 80 / des jetzigen Verkehrs von Kribi zu. Auch dieser Grund spricht im allgemeinen für Duala.

Ausschlaggebend aber ift folgende Erwägung, die auch von dem Herrn Abg. von Liebert, allerdings in anderem Zusammenhang, vor—⸗ gebracht wurde. Die Bahn, welche die Interessenten in Kribt haben wollen, würde immer eine Stichbahn sein und bleiben. Wir sind aber von der Anlage von Stichbahnen in den Kolonien ab— gekommen. Wir brauchen große Zubringerbahnen aus dem Inneren ans Meer mit Anschluß an bereits bestehende Systeme. Es kann also nur die Verlängerung der Mittelbahn in Frage kommen.

Wie man die Trasse im elnzelnen zieht, kann ich noch nicht sagen; dazu wird der Gouverneur noch Stellung nehmen. Die Angelegen⸗ heiten der Eisenbahnen in Kamerun liegen aber bei dem jetzigen Gou— verneur in außerordentlich sachverftändigen Händen; denn der Gouver⸗ neur Ebenmaler hatte im Kolonialamt mit der Bearbeltung des Eisenbahnwesens zu tun, er wird prüfen, was notwendig ist.

Ferner ist von dem Ausbau der Bahntarife gesprochen worden. Die Kolonialverwaltung, sowohl die zentrale wie die in den Kolonien, steht auf dem Standpunkt, daß die Tarife allmählich den Bedürfnissen des Schutzgebietes angepaßt werden müssen, den Bedürfnissen der Eingeborenen wie der Weißen ganz besonders, weil ja diese die größeren Frachtspender für die Bahnen sind.

Es wurde auch verlangt, die Landstraßen mehr auszubauen. Das geschleht jährlich in jedem einzelnen Schutzgebiet. Dann wurde auch gewünscht, die Schutztruppe solle mithelfen beim Wegebau und bei technisch⸗kulturellen Arbeiten überhaupt. Ich kann in dleser Be⸗= ziehung mitteilen, daß aus Südwestafrika die Nachricht gekommen ist, wie die Schutztruppe sich dort an den Dammbauten nach den letzten großen Regenwassern rege und vorteilhaft beteiligt hat.

Der Herr Abg. von Böhlendorff hat die Verwaltung ge⸗ beten, das Orientalische Seminar in Berlin mehr zu unterstützen. Es geschieht aber bereits viel in dieser Richtung. Das Orientalische Seminar wird durchaus nicht dem Kolonial institut in Hamburg hintangesetzt. 3. B. werden alle die— jenigen, welche jetzt nach Ostafrika gehen, angewiesen, das Orientalische Seminar zu besuchen. (Sehr gut! rechts.) Dann ist über die Arbeiteran werbung in Afrika gesprochen worden Was das Anwerbesystem der Eingeborenen anbetrifft, so ist es durch eine Anwerbungsverordnung bereits in zufrledenstellendem Maße ge⸗ regelt worden. Es sind auch keine Klagen in dieser Beziehung er—⸗ hoben worden. Die Klagen, die der Herr Abg. Freiherr von Richt- hofen erhob, beziehen sich weniger auf das Anwerbungswesen der welßen Pflanzungsleiter und Arbeitgeber als auf diejenigen Mittelspeisonen, die die Anwerbung der Eingeborenen als Geschäft betreiben. Ihm war die Gebühr für die Anwerbung zu hoch. Das ist aber keine

§z5 91 —, die in Afrika noch nicht völlig durchgeführt waren,

der in der

Es ist dies eine Zone, die parallel mit der Küste geht und über

eigener Anschauung weiß, beschãaftigt.

!

der Beziehungen zwischen den weißen Interessenten wird sich die Regierung Ostafrikas noch besonders annehmen. .

Der Herr Abgeordnete Waldstein hat von den Gebieten in Neu⸗ kamerun gesprochen und angefragt, ob die Gebiete wirklich so wenig wert sind, wie es früher zur Zeit, als der Marokkovertrag unterzelchner wurde, in unserer Presse behauptet wurde. Ich kann Ihnen die Mit⸗ tellung machen, daß allmählich in der Bewertung dieser Länderelen eine durchaus günstige Stimmung Platz gegriffen hat.

Was nun die Konzessionsgesellschaften in diesen Gebleten an— betrifft, so arbeitet das Kolonialamt mit dem Auswärtigen Amt Hand in Hand in der künftigen Regelung dieser sehr schwierigen Materie. Daß wir uns durchaus auf den Boden der Congoakte stellen und nicht gestatten werden, daß Privilegien einzelner die Handelsfreiheit anderer stören, das habe ich bereits bei den Ver handlungen der Budgetkommission über Neukamerun gesagt. Im einzelnen bitte ich, mich über Neukamerun aussprechen zu dürfen, wenn der Nachtragsetat über die Angliederung der neuerworbenen Ländereien an Kamerun vorgelegt werden wird.

Der Herr Abg. von Liebert hat die Inderfrage angeschnitten. Meine Herren, das ist eine sehr schwierlge Frage, und wenn der Gouverneur von Rechenberg getadelt worden ift, daß in der Inder⸗ frage eine zu laxe Politik getrieben werde, ja, meine Herren, dann müssen Sie diesen Tadel weitergeben an diejenigen Mächte, die damals die Congoakte geschaffen haben. Der Gouverneur kann nichts gegen die Inder machen, ohne daß Deutschland sich den übrigen Vertrags mächten gegenüber wortbrüchig macht. Es steht hier ganz aus— drücklich:

Die Freinden sollen daselbst mit Bezug auf den Schutz ihrer Person und ihres Vermögens, den Erwerb und die Uebertragung beweglichen und unbeweglichen Eigentums und die Ausübung ihres Gewerbes ohne Unterschied die gleiche Behandlung und dieselben Rechte wie die Landesangehörigen genießen.

Rechtlich ist also gegen die Inder nur etwas zu machen, wenn die internationalen Mächte sich einigen, diesen Paragraphen der Congo— akte zu streichen oder zu ändern.

Aber tatsäͤchlich scheint es mir auch eine große Härte zu sein, gewaltsam gegen das Element der Inder vorzugehen. Die Inder sind nicht nur einige hundert Jahre in Ostafrika, sie sind, ich möchte sagen, Jahrtausende in Ostafrika. Ich kann Ihnen die interessante Mitteilung machen, daß ein Sprachforscher herausgefunden hat, daß in den Bantusprachen Ostafrikas Sanskritstämme im Wortschatz vor⸗ handen sind. Das ist sicher ein Beweis dafür, daß die Inder schon Jahrtausende in Ostafrika gewohnt haben Sie nun mit einem Male aus dem Lande hinauszutreiben, ift doch tatsächlich nicht möglich.

Es ist davon gesprochen worden, daß viele unerfreuliche Elemente

mit den Indern hineinkommen. Das gebe ich ohne weiteres zu. Es ift auch bemerkt worden, daß Seuchen und allerlei Krankheiten durch die minderwertigen Klassen der Inder ins Land hineingebracht werden. Auch das gebe ich ju. Aber das zu verhüten gibt es andere Mittel, so die Quarantäneverordnungen und andere sanitäre Maßnahmen. Wir können aber nicht allgemein gegen die Inder vorgehen. Daß die Inder nicht in jeder Beziehung erwünscht sind, gibt die Verwaltung ohne weiteres zu, das gibt das Gouvernement in Ostafrika auch zu. Aber die Inderfrage ist nun einmal eine der vielen Schwierigkeiten, mit denen wir in den Kolonien zu rechnen haben, wir können fie nicht aus der Welt schaffen, so sehr wir viele von ihren Auswüchlen bedauern. Ferner ift erwähnt worden, daß man in Ostafrika nur mit großen Schwierigkeiten Land erwerben kann. Ja, meine Herren, die Be— schränkungen, die das Gouvernement auf den Landerwerb gelegt hat, sind doch gerade von diesem hohen Hause gewünscht worden. Es sind ge⸗ wisse Kulturverpflichtungen an den Ankauf von Ländereien geknüpft worden, damit man der Spekulation, die früher in unsern Schutzgebieten so unbequeme Früchte getragen hat und mit der wir besonders in Süͤd⸗ westafrika so sehr zu rechnen haben, entgegentreten könne. Daß noch andere Schwierigkeiten beim Landerwerb da sind, geht aus der Natur der Sache hervor. Wer Land kauft, muß es vor allem vermessen lassen, um einen unanfechtbaren Titel vor Gericht zu bekummen. Die Vermessung in den Kolonien geht aber nicht so einfach wie die Ver—= messung in unsern kulturell geordneten Verhältnissen.

Es ist auch von Herrn von Liebert gefragt worden, wie es mit der Benutzung von Holzschwellen steht. Die Kolonialverwaltung hat bei den Eisenbahnbauten verschiedene Versuche mit Holzschwellen gemacht. So ist eine 3 km lange Strecke mit Holzschwellen belegt worden. Einen Versuch gleich mit 100 Km können wir unmöglich machen, weil wir erst wissen müssen, wie die imprägnierten Holzschwellen das Klima vertragen. Ich glaube nicht, daß wir allzu optimistisch sein dürfen, denn die Informationen, die wir aus tropischen Kolonien anderer Staaten bekommen haben, gehen dahin, daß doch allmählich die Volischwellen durch eiserne Schwellen ersetzt werden. Also, wir sind im Stadium des Probierens und die Kolonialverwaltung wird im Rahmen der ihr zur Verfügung ftehenden Mittel die Holzinteressenten unterstützen. .

Zur Förderung der Straußenzucht ift in Südwestafrika im vorigen Jahre eine Musterfarm angelegt worden und weitere Maßnahmen sind in dieser Beziehung noch im Gange.

Für die Schule in Witzenhausen ist bereits in der Budgetkommission beantragt worden, einen höheren Jahressatz pro Kopf der Schüler einzusetzen. Das ist in der Budgetkommission, ich glaube, gegen eine Stimme, abgelehnt worden; die Reglerung hat aber erklärt, daß sie die Sache prüfen wird, und die Kolonialverwaltung hat die Berück⸗ sichtigung des Wunsches im nächsten Etat in Aussicht gestellt. (Bravo) Was die Behauptung anbetrifft, es wären in den Schutz gebleten Gefangene gemacht worden, um die welßen Firmen bei den Bahn⸗ bauten zu unterstützen, so kann ich hier erklären, daß dieser Kausal⸗ nexus in den Kolonien nicht vorhanden ist. In Kamerun sind über⸗ haupt niemals Gefangene bei Eisenbahnbauten verwendet worden. In den übrigen Schutzgebieten, wie z. B. in Samoa, was ich aut werden Gefangene bei Wegebauten

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Gebühr, sondern lediglich der Verdienst der Anwerber. Aber auch

n 1065.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Von demselben Herrn Abgeordneten ist behauptet worden, daß vielzuviel Beamte in unsern Kolonien sind. Ich lasse es dahingestellt, ob dieser oder jener Beamte in Zukunft wird gestrichen werden können, aber die Relation, die der Herr Abgeordnete Noske mit Hinweglassung des Hauplpersonals in den Schutzgebieten, nämlich der Eingeborenen, Ihnen vorgestellt hat, ist doch unmöglich. Sie müssen bei den Beamten die große Kopfzahl der Eingeborenen mit— rechnen und werden dann nicht auf das Verhältnis kommen, daß auf zwei Weiße immer ein Polizist und ein Bureaukrat kommt. Ich habe, da dasselbe mir in Samoa vorgeworfen ist, eine Enquete angestellt über die gleichen Verhältnisse in der benachbarten Kolonie Fidschi und habe gefunden, daß die Engländer in Fidschi mehr Beamte haben als wir. (Zwischenruf bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Fidschi ist eine Samoa benachbarte Kolonie der Engländer.

Das sind im allgemeinen die Fragen, die bei der Generaldebatte an mich gestellt sind und die ich gleich beantworten wollte; diejenigen Fragen, die ich ausgelassen habe, darf ich mir vorbehalten, bei der Debatte über die einzelnen Etats zu erledigen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Schwarze -Lippstadt (3entr): Der erste Redner der sozialdemokratischen Fraktion, der jetzige Vertreter Bremens, der Abg. Henke, hat ganz gegen meine Erwartung noch viel schärfer als früher der Abg. Ledebour gegen die deutsche Kolonialpolitik gesprochen. Der Abg. Noeske hat zwar etwas Wasser in den Henkeschen Wein gegossen, aber sich auch als Gegner dieser Politik bekannt. Der Abg. Noske hat auch versucht, den Abg. Henke gegenüber dem Abg. Erzberger zu verteidigen: aber: „Alle Mühe ist verloren, weiß zu waschen deinen Mohren.“ Den Vorwurf, daß Erzberger ein anderer im „Tag“ und ein anderer im Reichstag sei, muß 1 auf Grund der Kommissionsverbandlungen ganz entschieden zurückweisen. Erzberger hat in der Kommission Anträge auf Ablehnung der Vermehrung des Beamtengpparats und der Militärlast in den Schutzgehteten gestellt. Der Abg. Noske sch int das vergessen zu haben. Nach dem Abg. Noske will der Abg. von Liebert keine armen Leute in den Schutzgebieten. Die Sozialdemokraten wollen nicht, daß die Reichen sich dort betätigen; wer soll es denn nun machen? Etwa der Mittelstand? Ob die Bremer Arbeiter den Abg. Henke, auch noch nach seiner gestrigen Rede gegen den Abg Hormann gewählt hätten, ist doch sehr die Frage. Von einem Jammerlied über Südwest in der Kommission kann gar keine Rede sein. Die Arbeiter sollen keinen Vorteil von den Kolonien gehabt haben. Das ist falsch. Sie haben sehr viele Vorteile, wenn das auch im einzelnen nachzuweisen unmöglich ist. Auch der Handel hat Vorteile; früher hatte Sansibar 39 des ganzen ostafrikanischen Handels in Händen, jetzt nicht mehr 50, auch die Be⸗ bauptung stimmt nicht, daß es mit der Besiedlungsfähigkeit unserer Kolonien nichts sei. Was die Eisenbahnpolltik in den Kolonien be— trifft, so billige ich durchaus den Bau einer Südkamerunbahn. Ich bin überzeugt, daß in 160 Jahren überall Eisenbahnen laufen werden, wo sie ein Bedürfnis sind. Die Mittellandbahn Kamerun ist zweisellos nich! richtig projettiert worden; ich habe seinerzeit schon in der Kommission für die Südbahn als die billigere und hessere mich eingelegt, aber leider vergeblich Die Eisenbahntarife müssen so gestaltet werden, daß sie den Verkehr fördern. Sie müssen sich den Verhältnissen der Kolonie anpassen und dürfen nicht zu hech sein. Die Arbexzterfrage splelt ja in unseren Kolonien eine große Rolle. Sie muß deshalb immer im Auge behalten werden, ganz besondeis muß man der Art und Weise der Anwerbung und der Behandlung der Arheiter Aufmerksamkeit zuwenden. Gegenüber den Angriffen auf die Missionare erinnere ich nur an das, was sie dort geleistet haben. Wenn sie wirklich

das alles getan hätten, was die sozialdemokratischen Redner von ihnen b kaupten, wo wären sie da hingekommen! Den Stand—⸗ punkt Frankreichs in der Alkoholfrage bedauere auch ich. Den Ein⸗ geborenen darf man den Alkohol nicht zugängig machen. Dann ist vor⸗ geworfen worden, daß der Handel mit, unseren Kolonien so un— bedeutend ist. Demgegenüber möchte ich doch zu berücksichtigen bitten, daß allein die Ausfuhr aus unseren Kolonien, Köiautschou dabei ausgeschlossen, vom Jahre 1909 bis 1910 um fast 40 gestiegen ist. Es kann also. mit dem Handel unserer Kolonien doch nicht so schlecht bestellt sein. Wir sehen vielmehr, daß es auch damit vorwärts geht.

Darauf wird um 6 Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt, vorher Wahlprüfungen.

Preuszischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 60. Sitzung vom 30. April 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern für 1912, und zwar zunächst die Besprechung des Kapitels „Landrätliche Behörden und Aemter“, fort.

Abg. Freiherr von Wolff⸗Metternich (entr.): Die Land— räte sollten Llieber die steuerliche Ueberlastung der Gemeinden zu ver— hindern suchen, anstatt die Gemeinden zu unnötigen „usgaben zu zwingen. Die Bürgermeister weren zu viel als Staatsbeamte angeseben, fie müßten mindestens mehr Schreibkräfte bekommen. Eine Land—⸗ gemeinde, die nicht wenigstens 2000 Steuern erhebt, istz in den Augen mancher Aufsichtsbeamien nicht recht auf der Höhe. Die Landbevölke— rung wandert desbalb in die Großstädte ab. Die Landräte drängen Krelse und Gemeinden oft zu gewagten Verkehrsunternehmungen, ohne die Kreintage über die finanzielle Wirkung genügend aufzuklären. Auf Grund der veralteten Grundsteuerveranlagung werden die Grund besitzer in ganz unzutreffender Weise belastet. Ueber das Geschäfte⸗ gebaren der Kreissparkassen wird von den. Gemeindesparkaßen lebhaft geklagt, ohne daß die Aussichtsbehörden etwas ändern. Die Beteiligung der Kreise an allen möglichen Unternehmungen, Ueberlandzentralen, Wasserwerken usw., wird übertrieben; Tie Rentabilität solcher Werke ist meist gering. Die eigentlichen Auf— gaben der Kreise werden dadurch überschritten. In der heutigen so reich mit Steuern gesegneten Zeit könnten Landräte und Aufsichts⸗ behörden eigentlich nichts besseres tun, als wenn sie die überlasteten Landgemeinden vor Ausgaben und neuen Steuerlasten schüßtzen.

Abg. Kurzawsk' (Pole): Die Landräte sollen sich nicht als berrschende Beamte, sondern als ausführende Organe des öffentlichen Interesses betrachten, aber in der Praxis ist es anders; sie unter⸗ drücken die polnische Bevölkerung, die gesetzlichen Bestimmungen, die zugunsten, der Polen, dienen könnten sind ihnen Hekubd. Die Schüßengilde in Schrimm hat ein Privileg von König, Jobann ]. bet einer Jubiläumsfeler hat sie auf ein Begrüßungstelegramm ein Antworttelegramm des Kaisers erhalten. Die Deutschen wollten den Frieden nicht stören, aber der hakatistische Gymnasialdirektor ver⸗

3weite Beilage . zum Deutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 1. Mai

vereins hat weiter Unfrieden gestifstet. Die Sache schwebt noch. Den Minister bitte ich, im Interesse der polnischen Bevölterung, die den Frieden wünscht, dazu beizutragen, daß diese Zustande ein Ende nehmen, und die alten Satzungen, deren Aenderung erzwungen worden ist, wieder zur Geltung kommen. In einem anderen Orte hat sich ein kaufmännischer Jünglingeverein gebildet. Der Landrat brüskierte und forderte die jungen Leute auf, sogar die Unwahrheit zu sagen. Diesem Gebaren muß auch Einhalt getan werden. Auf dem Gebiet des Vereins- und polnischen Vergnügungswesens kommen uns Polen gegenüber Dinge vor, an die selbst Ben Akiba nicht gedacht hat. Ein Amtsvorsteher leugnete die Existenz des polnischen Volkes, weil seit 1795 das polnijche Reich nicht mehr existiere. Pomnische Hochzeiten werden von den Behörden kehelligt. Geradezu inhuman ist es, wenn in den Irrenhäusern den armen Leuten polnische Zeitungen aus der Hand gerissen werden. Der Polenkoller treibt auch sonst sonderbare Blüten. Wenn die polnische Bevölkerung trotz aller Bedrückung ihre Ruhe bewahrt hat, so ge— schah es, weil wir ihr die Meinung beizubringen verstanden, daß es doch noch eine Gerechtigkeit gibt.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine ganze Anzahl von Fällen vorgeführt, zum großen Teil ohne Namensbezeichnung; er hat auch nicht die Güte gehabt, mich vorher davon in Kenntnis zu setzen, daß und welche Fälle er zur Sprache bringen wollte. Hätte er wirklich die Absicht gehabt, Aufklärung zu erhalten oder mir die Möglichkeit zu geben, diesen Dingen nachzugehen, so hätte er sich rechtzeitig vorher mit mir in Verbindung setzen müssen, damit ich in der Lage war, ihm das Ergebnis der daraufhin angestellten Er— mittlungen mitzuteilen. So ist es mir absolut unmöglich, auf einzelne Fälle heute einzugehen. Er hat aber auch in der Mehr— zahl der Fälle keine Namen genannt (Zuruf bei den Polen: Dochh, sodaß ich auf Grund seiner jetzigen Angaben doch nur zum Teil in der Lage sein werde, den Angaben, die er gemacht hat, nachzugehen und sie zu prüfen.

Ich möchte nur in dem einen Falle, den er des breiteren aus— geführt hat, feststellen, daß er insofern sich auf diesen Titel nicht be— zieht, als der Landrat damit nicht dag mindeste zu tun gehabt hat. (Sehr richtig! rechts.)

Es handelt sich um den Fall der Schützengilde in der Stadt Schrimm. Derartige Schützengilden sind in der Regel Institute oder Körperschaften, die dem Magistrat unterstehen; die Aufsicht führt ein Mitglied des Magistratg, meist der Bürgermeister. Wenn Be⸗ schwerden über Anordnungen des Bürgermeisters kommen, gehen sie zunächst an den Regierungspräsidenten, der darüber Entscheidung zu treffen hat. Der Landrat ist mit diesen Dingen insoweit überhaupt nicht befaßt. Nun ist gegen solche angeblichen Verstöße gegenüber der Schützen⸗ gilde in Schrimm hier bei der Ministerialinstanz Beschwerde eingelegt worden, ohne daß vorher eine Beschwerde über den Regierungspräsidenten ergangen wäre. Die Beschwerde ist dem Oberpräsidenten zur Ent⸗ scheidung überwlesen worden. Die Vorgänge liegen mir nicht vor, sodaß ich in der Sache selbst nichts mitzuteilen in der Lage bin.

Der Herr Vorredner sagte, ein Amtsvorsteher hätte eine Ver⸗ fügung erlassen. Ja, die Amtsvorsteher können Verfügungen erlassen, ohne daß der Landrat im mindesten darüber orientiert ist. Er mußte doch mindestens den Nachweis erbringen, daß die Beschwerde an den Landrat eingelegt worden ist, und daß der Landrat über diese Be— schwerde eine unzutreffende Entscheidung getroffen hat. Das ist alles nicht geschehen. Ich kann also sagen: die Fälle, die der Herr Vor— redner hier angeführt hat, schweben vollständig in der Luft; sie passen ferner in der Mehrzahl nicht in den hier zur Erörterung stehenden Titel insofern, als sie sich nicht auf die Landräte beziehen, sondern auf andere Behörden. (Bravo! rechts.)

Abg. Sie lerm ann (kons.): In dem Vorgehen des Landrats von Lerkebur im Wahlkreis Minden-Lübbecke kann ich keinen Ueber— griff sehen. Wenn ein Landrat als Privatmann gegen liberale Be—

Wenn andere Beamte für die Liberalen ggitieren, dann schweigt des Sängers Höflichkeit. Wo bleibt die Freiheit, von der die Herren auf der Linken immer sprechen, wenn man dem Landrat als Privatmann die Betätigung seiner politischen Ueberzeugung versagt?

Abg. Gyßling (fortschr. Volkep.): Die Auslegung des § 9 des Reichswahlgesetzes duich den Landrat von Maltzahn steht nicht mit dem Sinne des Gesetzes im Einklang; wir wunschen dringend, daß eine mönlichst weitherzige Auslegung Platz greift. Mit Wahl⸗ kontrolleuren hahe auch ich Erfahrungen gemacht; sie haben oft aber bessere Gerichte bekommen als Sauerkohl und Schweinefüße. Wir brauchen Wahlkontrolleure, solange so viele Verf . gegen das Wahlgesetz vorkommen. Viele Verstöße könnten verhindert werden, wenn auf Kosten des Siaats einheitliche Wahlurnen geltefert würden. Wenn unparseiische Kreiekalender von den Landratsämtern verbreitet würden, so wäre nichts dagegen zu sagen; aber die Kreiskalender haben immer einen politischen Inhalt, sodaß sie konservatiwe Parteischriften sind. Ueber die humoristische Rede des Abg. Eberhard könnte man schreiben: „Lustspiel oder Schauerdrama, Engelmann als Landrat ober Staatsbürger“. Es ist tatsächlich dech so, daß eig Teil der Landräte dem leitenden Minister nicht folgt. Es heißt deshalb dieser Haltung der Landräte gegenüber: Manister werde hart!

Abg. Dr. Friedberg (ul.): Wir haben es bei den Beschwerden über die Landräte gar nicht mit der konservativen Partei zu tun, sondern mit der verantwortlichen Regierung, wir halten uns allein an die Beamten und den Minister. Dem Abg. Sielermann erwidere ich zunächst, daß die Aufgabe des Landrats ist, für alle Kreis— eingesessenen die Verwaltung so zu führen, daß er das Vertrauen aller hat, und man versteht nicht, wenn der Landrat sich veranlaßt fühlt, einer hestimmten Partei solche Vorhaltungen zu machen. Das muß die Angehörigen dieser Parteikreise verstimmen, denn sie sagen sich, daß der Landrat der anderen politischen Richtung angehört. Die Bürgermeister vermeiden es durchaus, in demon⸗ strativer Welse einer bestimmten Partei amugehören. Das sollten die Landräte auf dem Lande auch kun, und ich würde mich freuen, wenn der Minister diesen Grundsatz vertritt. Die Rede des Abg. Eberhard war ebenso lichtvoll wie lehrreich, nicht nur, weil er uns plastisch die Verhältnisse geschildert hat, sondern auch, weil man daraus ersieht, wie sich die Welt in manchen Köpfen malt. Bezüglich des zweiten Falles, den mein Freund Lohmann besprach, wonach der Landrat von Engelmann nach der Wahl Arbeitern für ihr tapferes Ein⸗ treten bet der Wahl für den Abg. Grafen Carmer amtlich seinen Dank ausgesprochen baben soll, nehme ich an, daß der Abg. Eberhard zu der Erklärung, daß dieser Fall nicht richtig sei, ermächtigt war, er scheidet aiso vollständig für mich aus. In dem anderen Falle gibt

strebungen Front macht, so kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden.

1912.

nicht zur Verfügung stellen. Das ist eine parteiische Aeußerung. Die Nationalliberalen sind eine bürgerliche Partei, die immer be⸗ wiesen hat, daß sie dieselben patriotischen Pflichten erfüllt, wie andere Parte en. Der Minister kann eine solche Aeußerung nicht billigen. Der Abg. Eberhard teilt mit, daß der Landrat nicht nur in konser⸗ patlven, sondern auch in nationalliberalen Versammlungen aufgetreten ist. Der Kultusminister hat vor einiger Zeit die intensive politische Tätigkeit eines Seminardirektors in unserem Sinne, der auch in gegnerischen Versammlungen aufgetreten war, gemißbilligt. Ich frage den Minister, ob er bezüglich des Landrats auf demselben Standpunkt steht, wie der Kultusminsster, sonst würde ja eine ungleichartige Be⸗ handlung der Beamten stattfinden. Der Abg. Eberhard will dem Landrat als Staatsbarger die politische Betäͤtiaung gestatten, aber den Oberlehrer Jansen hat er wegen seiner Agitation dem Herrn Kultusminister zur freundlichen Berücksichtigung empfohlen. Der Landrat darf also die Grenzen, die den Beamten gezogen sind, über⸗ schreiten, der Oberlehrer aber darf keine Agitation treiben. Es wäre richtiger gewesen, wenn Herr Eberhard auch von dem Staatsbürger Jansen gesprochen hätte. Der Landrat nimmt für sich das Staats⸗ bürgerrecht in Anspruch, aber so ein schlichter Oberlehrer soll das nicht tun. Zwischen den einzelnen Ressorts muß doch Einheitlichkeit herrschen. Der Ministerpräsident von Bethmann Hollweg hat wiederholt gesagt, daß die Beamten unparteiisch sein müßten, aber diese politische Richtschnur des Ministerpräsidenten scheint nicht bis in die einzelnen Ressorts durchgedrungen zu sein. In einem Kreiskalender befindet sich ein Aufsatz, der sich direkt gegen die Politik der Regierung richtet und auseinandersetzt, daß die Regie⸗ rung ihre Pflicht nicht getan habe, als sie die Finanzreform nicht verteidigt und nicht vertreten habe. Da scheint es wirklich, als ob der Wille der höheren Instanzen sich nicht bis in die unteren Instanzen erstrecke. Die einheitliche Haltung den Beamten gegen⸗ über in den einzelnen Ressorts scheint doch manch s zu wünschen zu lassen. Ich hoffe, daß der Ministerpräsident dafür sorgt., daß ein strafferes und einheitlicheres Regiment in den Ressorts herrscht.

Ein Schlußantrag wird gegen die Stimmen der Volls⸗ partei und der Sozialdemokraten angenommen.

Abg. Goebel (Zentr.) bedauert zur Geschäftsordnung, daß er verhindert sei, über eine falsche Auslegung der Jagdordnung durch den Landrat von Kattowitz zu sprechen.

Abg. Eberhard (kons.) zur persönlichen Bemerkung: Wenn der Abg Gyßling meine Ausführungen humoristisch nennt, so bin ich damit einverstanden; wenn man solche Sachen nicht ernst behandeln kann, muß man den Humor zu Hilfe nehmen, um darüber hinweg zu kommen. Dem Abg. Friedberg erwidere ich, daß es sich bei dem parteipolitischen Auftreten der Beamten in diesem Fall nicht um das Auftreten an sich, sondern um die Foim gehandelt hat.

Zu den Ausgaben für die Kreissekretäre und Kreisassistenten usw. liegt eine Petition um weitere Uebernahme der landrätlichen . in den Staatsdienst vor. Die Kommission beantragt, diese Petition, soweit sie die Anstellung als Kreisassistenten erbittet, der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung, so⸗ weit sie die Anstellung als Versicherungssekretäre bei den neu zu schaffenden Versicherungsämtern betrifft, der Königlichen Regierung als Material zu überweisen.

Das Haus beschließt ohne Debatte nach diesem Antrage der Kommission.

Die „Dien stauf wandsentschädigungen der Landräte und ihrer Hilfsbeamten (3 576 062 6)“ sind um 500 000 6 erhöht worden.

Abg. Dr. Schroeder-⸗Cassel (nl. ) begrüßt diese Erhöhung, hält sie aber für zu gering, um alle die Wünsche zu erfülleu, die in der Kommission geäußert waren. Es seéi zu erwägen, ob nicht über⸗ haupt mit dem System der Dienstaufwandsentschädigungen gebrochen werden solle.

Abg. von dem Hagen schließt sich dem Vor⸗ redner an.

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Freiherr von Ziller erklärt, daß die mehr eingestellten 500 00 zum größten Teil zur Auf⸗— besserung der eigentlichen Aufwandsentschädigungen verwandt würden. In Zukunft werde durch die Trennung der Dienstaufwands— entschaͤditungen und der Fahrkostenentschädigungen völlige Klarheit herbeigeführt.

Bei den persönlichen und sachlichen Kosten der Ver⸗ sicherungsämter bemerkt

Abg. Trim born (Zentr.): Nach einem Ministerialerlaß sollen zu Versicherungsmtmännern neben juristisch vorgebildeten Beamten auch Diplomingenieure in Betracht kommen. Es ist zu wünschen, daß auch Dipsominbaber der Handelshochschulen einbezogen werden; gerade die Handelshochschule ist zur Vorbereitung für diesen Beruf auß rordentlich geeignet.

Geheimer Regterungt rat Dr. Meister: Es ist nicht zutreffend, daß ein derartiger Erlaß, wie ihn der Vorredner zitiert hat, heraus⸗ gegeben worden ist. Für die Uebergangszeit werden am besten keine festen Vorschriften erlassen; werden aber Vorschriften erlassen, dann werden selbstverständlich auch die Handelshochschulen als gleichberechtigt an⸗ gesehen werden.

Zentr.)

Zu dem Kapitel „Polizeiverwaltung in Berlin und Umgebung, Charlottenburg, Lichtenberg-Boxhagen⸗ Rummelsburg-Stralau, Rixdorf und Schöneberg Deutsch Wilmersdorf“ beantragt die Budgetkommission, eine Petition um Beibehaltung der in Abgang gestellten Polizeiassessoren und Polizeiratsstellen in Berlin der Königlichen Staatsregierung mit dem Ersuchen zu überweisen, dafür besorgt sein zu wollen, daß die in Aussicht genommene Organisationsänderung ohne wesentliche Härte für die Petenten durchgeführt wird.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Meine Herren! Ich glaube, bei diesem Titel die Frage beant⸗ werten zu können, die Herr Abg. Dr. Friedberg vorhin an mich ge⸗ richtet hat. Sie bezog sich auf die Grenzen, welche der politischen Betätigung der Beamten im allgemeinen, nicht lediglich auf die Grenzen, welche der politischen Betätigung der Landräte gesetzt sind. Herr Abg. Dr. Friedberg bat geglaubt, einen Unterschied zwischen der Auffassung des Herrn Kultusministers, wie sie in dem Falle eines Seminardirekfols Turowski zum Aucdruck gekommen sei, und meiner Auffassung konstruieren zu können deshalb, weil ich nicht ausdrücklich der Auffassung widersprochen hatte, die Herr Abg. Eberhard in dem Falle eines Landrats des Kreises Steinau vertreten hat. Es handelte sich darum, daß der Herr Kultusminister es mißbilligt hatte, daß Seminardireltor Turowski den Versammlungen verschiedener Parteien beigewohnt habe und in ihnen agitatorisch aufgetreten sei, während hler in dem von Herrn Abg. Eberhard mitgeteilten Fall

angte, daß mit einem Male 100 deutsche Mitalieder ohne weiteres in die Gilde aufgenommen würden. Ein Hetzaufruf des Ostmarken⸗

der Abg. Eberhard aber selbst zu, daß der Landrat gesagt habe, wenn er Gastwirt wäre, würde er den Nationalliberalen sein Lokal

von ihm ausdrücklich als Entschuldigungsgrund angeführt worden