irgendein Mensch daran einen Anstoß genommen habe. Es sei lediglich eine 3 des Anstandes und des Takte, wie solche Dinge bebandelt werden. In der , , . Geschãstsordnung sei eine gleiche Bestimmung schon seit 1819 vorhanden, und auch in der Zweiten Kammer von Glsaß⸗ Lothringen könnten an Interpellationen Antraͤge angeschlossen werden. Noch nie habe sich ein Reichskanzler über ein Lob des Reichstages beschwert, dann müsfe es ö Körperschaft auch gestattet sein, das Gegenteil aus⸗ zusprechen. Das könne jede Partei, jeder Redner jederzeit in den Debatten tun, und bei Interpellationen solle dies ausgeschlossen sein? k dürften doch nicht ausgehen wie das Hornberger
ießen, es müßte 2. aus den . an werden, was ja die öffentliche Meinung, die Presse auch tue. Die Kommission
be eine so milde und sanfte Form für ihre Beschlüsse gefunden, daß man so schwere Geschütze dagegen nicht mehr auffahren sollte. 5 336 treffe ja außerdem Vorkehrungen gegen eine Verhinderung der ordnungsmäßigen Erledigung der Reichstagsgeschäfte. Solchen Zuständen, wie sie in Oesterreich möglich seien, muässe allerdings vor⸗ gebeugt werden. .
3 Dr. Bell (Zentr): Wir sind der Auffassung, daß gegen die Stellung von Anträgen bei Internpellationen siaatsrechtliche und en, ,,. Bedenken nicht erhoben werden dürfen. Irgend eine Art Oberinstanz wird durch die Fassung des 5 3342 nicht ge⸗ schaffen. Es soll nur die Anschauung des Reichstags in der betreffenden Frage festgelegt werden. Wir werden den Kommissionsantrag an⸗ nehmen und den sozialdemokratischen Antrag ablehnen.
Abg. Kreth (dkons.): Der Staatsrechtslehrer Zorn hat gesaagt, das Interpellationsrecht des Reichstags sei nur ein moralisches Recht, ein Gewohnheitsrecht, kein streng juristisches Recht. Die bekannten Wünsche der Demokratie, die Rechte des Parlaments auf Kosten der Krone zu erweitern, datieren vom November 1908. Mit fanatischem Cifer stürzen sich die betreffenden Fraktlonen in der Kom⸗ mission auf die Arbeit. Auffällig ist, daß während der drei Jahre nicht ein einziger Redner der Nationalliberalen in der Kommission ein Preuße war, obwohl es sich dabei um die Rechte des Königs von Preußen handelt. Man wollte schon unter dem Weihnachts—⸗ baum von 1908 die Frucht jener Arbeit niederlegen. Nun, seitdem haben die Weihnachtsglocken diermal geläutet, und das Deutsche Reich besteht immer noch. Man sollte denken, daß die durch vier Winter gekühlten Köpfe der unentwegten Herren durch das a der Sozialdemokratie abgekühlt werden würden; aber weit gefehlt! Die Gruppierung der Parteien beim letzten Wahlkampfe gab nun einen neuen Anstoß dafür, recht schnell die Angelegenheit zum Ab— chluß zu bringen. Das Berliner Tageblatt“ brachte eine kurze Notiz, . sich nunmehr die Freisinnigen und Nationalliberalen mit den Sozialdemokraten dahin geeinigt hätten, in der Kom- mission gemeinsam vorzugehen. Die Sozialdemokraten stimmten denn auch immer den Anträgen der beiden anderen Parteien zu und verlangten nur hier und da eine K um das Gesicht zu wahren. Dieser kompakten Mehrheit gegenüber konnte die Rechte allerdings ihre Position, die sie drei Jahre lang verteidigt hatte, nicht aufrecht erhalten. Wir können uns aber das Zeugnis aus⸗ stellen, daß wir jeder Schwächung der Autorität des Kalfers und wo der föderative Charakter des Reiches zerstört werden sollte, immer entgegengetreten n. Wenn der Berichterstatter sagt, der einzelne konne ja den Kanzler loben oder tadeln, so ist es doch etwas anderes, als wenn der Reichstag in einer offiziellen Kund⸗ gebung Stellung nimmt. Dann wird es erst eine Kritik, die nach unserer Meinung unzulässig ist und gegen die Verfassung verstößt.
Ich meine, daß der Kanzler us ff iche ii manchmal so tut, als ob er über ein gespendetes Lob besonders erfreut ist. Wir hatten bisher außerordentlich selten Gelegenheit, zu beobachten, daß die Herren . der linken Seite dem Kanzler Lob oder Anerkennung zollten. b das in i anders werden wird, möchte ich bejweifeln. Die Verhältnisse in den einzelstaatlichen Parka—⸗ menten können wir hier nicht heranziehen. Dort läßt die Ver⸗ fassung manchmal ein solches Votum zu. Dem Reich steht ein Aufsichts⸗ recht uͤber die Einzelstaaten allerdings in einem gewissen Grade zu, aber dieses Recht liegt beim Bundesrat und nicht beim Reichstag. Der Reichstag hat außerdem ja bei der Etatsberatung genügend Ge— legenheit, sich uber die Regierung auszusprechen. Außerdem kann er ja auch in einzelnen Fällen noch Interpellationen einbringen. Aber durch das in Aussicht genommene Rügerecht bekommt der Reichstag eine Art Uebergewicht über den anderen bisher mit ihm gleich—⸗ berechtigten Teil der Gesetzgebung. Es handelt sich hier also tat— sächlich um eine Ausdehnung der Machtbefugnisse des Reichstages. Die liberale Presse hat ja auch niemals ein Hehl daraus gemacht, und ebenso die der Sozialdemokratie, die offen zugibt, daß man den Reichskanzler nur gefügig machen will. Deshalb wird auch, wenn diese Anträge angenommen werden, in der liberalen Presse ein Cher Jubel ausbrechen, daß man es so herrlich weit gebracht hat. enn an die Besprechung der Interpellation Anträge angeknüpft werden können, so muß das nur dazu anreizen, die Initigtivanträge in Inteipellationen umzuwandeln. Das Unerträglichste bei alledem ist für uns die Wirkung dieser Anträge in politischer Beziehung. Nun wird gesagt, der Reichstag spricht sich ja nicht über die gesamte Politik des Kanzlers aus, sondern nur über einen einzelnen Fall. Aber durch die e e . der Ereignisse entsteht ein Mosalkbild, das in seinem Zu⸗ ammenhange noch viel schärfer auf die öffentliche Stimmung wirkt. Dieser Meinung über diese Ausgestaltung des Interpellationgrechts ist auch Laband, der in der ‚Deutschen Juristenzeitung“ 1909 aus⸗ gesprochen hat, daß wir uns dadurch der parlamentarischen Herrschaft nähern und dem Vorbilde des französischen Parlaments immer näher kommen, wo man so verfährt, wenn man einen Minister stürzen will. Dadurch wird aber auch in das Recht des Kaisers eingegriffen, der den Kanzler berufen und entlassen kann. So schwer sie sich manchmal zu positivem Schaffen aufschwingen können, so schnell werden sich die heterogensten Elemente zusammenfinden, wenn es den Kanzler zu tadeln gilt. Denn dem einen mißfällt es, daß der Kanzler zu energisch, und dem anderen, daß er zu wenig energisch vorgeht. Der Kanzler handelt in den meisten Fällen nach den Beschlüssen des Bundesrats, in anderen Fällen nach Instruktion der Vormacht Preußen; aber die Rechte des anderen gesetzhebenden Faktors sollen nichts gelten, der Reichstag soll entscheiden, wenn er auch nur seine Meinung sagt. Nehmen wir an, es kommt nochmals der K Isuiten geseterlaß hier zur Verhandlung. Wenn nun der preußische Stagt den Reichskanzler instruiert, sich nicht auf die Seite Baherns zu stellen, und die anderen Staaten überstimmen Preußen im Bundesrat, und es kommt nun hier zu einer Interpellation; dann kann der Kanzler vom Reichstage ein Mißtrauensvotum bekommen, wo er persönlich mit der Mehrheit ganz einer Meinung ist, und das Vertrauensvotum bekommt daz bayerische Ministerium. Ich wieder⸗ hole: Die meisten Herren übertragen zu schematisch die Verhält⸗ nisse der Einzelstaaten auf das komplizierte Verhältnis, in dem die Bundesstaaten zum Reiche stehen. Darum beantragen wir an erster Stelle die Streichung dieser Neuerung, eventuell nur die Zulafsung in Materien, für die der Kanzler verantwortlich ist. Unsere Beschlüsse sollen doch einen , Zweck haben; wie will man einen solchen Beschluß dem Reichskanzler als Inkulpaten in⸗ sinuteren? Was wird der Bundesrat tun, der über die Beschlüsse des Reichstages zu befinden hat? Er wird sagen: Der Beschluß des Reichstages entspricht nicht der Anschauung des Bundesrats. Da nun der Reichstag sich das letzte Wort nicht nehmen lassen darf, so wird sich daraus ein angenehmes in infinitum fortgesetztes Balispiel zwischen Bundesrat und Reichstgg entwickeln, und es fragt sich nur, wer den Ball zuerst an die Nase bekommt. Wir halten diesen Kommissionsantrag für ein Kuckugksei, mit dem nichts anzufangen ist. Bisher hatte ferner der Rei glanz ker die Entscheidung, darüber zu befinden, wann er eine öffentliche Erörterung für dienlich hielt. Das will ihm jetzt der Reichstag aus der Hand nehmen und belastet sich damit mit einer ungeheuren Verantwortung vor dem Lande und der Welt. Wir können das unter keinen Umständen billigen und be— antragen, die Bestimmung zu ändern. In Frankreich hat man da die question préalable, einen Ausdruck, der interessanterweise aus der alten Marterordnung stammt, und die Abstimmung darüber muß
namentlich sein. Wir halten es für nr g, daß hier auch runs die namentliche Abstimmung obligatorisch zu machen ist; onft würde man im Volke guf den Verdacht kommen können, daß die Herren sich in den Mantel Anonymität hüllen wollen. Was die Re⸗ en, sagt, muß doch einwandfrei sein und auf Grund sor faltigen Naterlals vorbereitet werden. Darum halten wir die 2 Wochen Frist für zu gering; in dem so überaus demokratischen Frankreich ist wenigstens für Fragen der auswärtigen rt, eine Frist von vier ee. Ert. Nehmen Sie diesen Eventualantrag wenigstens an, wenn Sie unsere Prinzipalanträge ablehnen. Außerdem wiederholen wir hier die Antraͤge, die wir schon zu den kurzen Anfragen geftellt haben. Den Vorwurf, rohalistischer zu sein als die Regierung, nehmen wir . auf uns. Wir hoffen, bei dem Wettrennen zwischen ihr und uns bie Regierung als ersten durchs Ziel gehen zu sehen. Uns steht der royalistische Sinn höher als der parlamentarische Ehrgeiz. Man zieht heute so gern über die ‚Reaktionäre. her. Reaktion gegen etwas Schlechtes ist doch etwas Gutes; daz Wort ist ein ganz relativer Begriff. Reaktion gegen Volksvergiftung ist doch etwas sehr Heilsames. Wenn wir dafür eintreten, daß den Einzelstaaten ihre verfassungs⸗ mäßigen Rechte erhalten werden, dann wollen wir uns den Vorwurf, reaktionär zu sein, gern gefallen lassen. Hätten wir zur Konflikts⸗ zeit schon ein Ministerverantwortlichkeitegesetz gehabt, dann würden wir uns heute hier nicht zu unterhalten haben, dann hätte man Bismarck in Spandau in die zweite Soldatenklasse gesteckt und ihn für immer für unfähig erklärt, ein öffentliches Amt zu be— kleiden. Wir wollen den Kaiser und die Bundesfürsten nicht abhängig machen von den Einflüssen des Parlaments. Wir halten eine Aenderung des Verhältnisses zwischen dem Reichstag und den ver⸗ bündeten Regierungen nur auf dem Wege der Verfassungsänderung für zulässig. Eine Grenzregullerung zwischen beiden Faktoren ohne hir hn der Regierung wünschen wir nicht. Wir wollen eine feste egierung. Das Heil kommt uns nicht durch Parlamentsbeschlüsse, sondern durch Taten. Wir wollen das Ansehen der Regierung nicht schmälern lassen Autorität, nicht Majorität.
Abg. Dr. Da vid (Soz.): Der Vorredner hat sich vergeblich bemüht, die Schwäche seiner Argumente durch lange Ausführungen zu verdecken. Der eigentliche Grund, durch den sich die Rechte in ihrem Verha ten zu dieser Frage leiten läßt, ist, daß sie die Regierung als ihren Erekutivausschuß betrachtet. Darüber ist sich doch das Volk längst im klaren. er Vorredner bezeichnete es als eine Anmaßung, ein Vertrauensvotum gegen einen Reichskanzler auszusprechen, der doch ein Vertrauensmann des Kaisers sei. Dieselben Herren sind es, die einen Reichskanzler nach dem anderen haben über die Klinge springen lassen. (Klatschen auf der Tribüne. Vizepräsident Dove: Cent ü auf der Tribüne ist unzulässig; sollte dies noch einmal vorkommen, so würde ich die Tribünen räumen lassen. Bismarck wußte sehr gut, wer ihn gestürzt hat. Aus Ihren rechts) Reihen sind auch die Pfeile abgeschossen, die den Grafen Caprivi als Reichskanzler zu Tode getroffen haben. Bülow hat es den Konservativen schriftlich bestätigt, daß sie in frivoler Weise
egen die Interessen des Reiches und der Monarchie vorgegangen sind. Das dachten die Reichskanzler über Sie! Auch, der jetzige Kanzler wird eines Tages in der Versenkung verschwinden, auch in der Ueberzeugung, daß die Konservativen ihn gestürzt haben. Es wird mir schwer, zu glauben, daß der Abg. Kreth selber an den Ernst seiner Ausführungen glaubt. Ver Reichstag kann ja zu jeder Zeit Anträge und Resolutionen ö die ein Mißtrauensvotum gegen den Kanzler enthalten. Neu ist nur, daß solche Anträge an den Schluß der Interpellationsbesprechung geknüpft werden dürfen. Man sagt nun, man gebe der öffentlichen Meinung einen zu großen Einfluß auf die Mich? olitik. Die Mithilfe der Presse an der Aufklärung des Volkes hat die allergrößte Bedeutung. er heute keine Zeitung liest, hat kein richtiges Urteil über politische Dinge. Allerdings gibt es heute Leute, die nur Zeitungsausschnikte lesen, die ihre Adjutanten präparieren und zurechtschneiden. Dem⸗ gegenüber ist es wertvoll, wenn Formen . werden, die die Meinung des Reichstags in einwandfreler Weise feststellen. Das ist am besten im Anschluß an eine solche Interpellationsdebatte zu erreichen. Dadurch wird es auch dem Kaiser ermöglicht, in diesen Fällen sich richtiger zu informieren als durch Ausschnitte aus der konservativen Sig und aus dem „Lokal⸗Anzeiger“. Der Kaiser und der Kanzler sollten sich einer ö einwandfreien authentischen Auf⸗ klärung über die öffentliche einung freuen. Eine Minderheits⸗ regierung, eine Regierung gegen die en fl! Meinung kann auf die Dauer in unserer Zeit keinen Bestand haben. Im November 1908 haben auch die Freunde des Abg. Kreth scharfe Kritik an dem Ver⸗ halten der Reichsbehörden bis zur allerhöchsten Spitze geübt. Heute will man glauben machen, die Volksbewegung damals sei f falschem ege gewesen; aber man sollté doch bedenken, da
es vielleicht auch diese Volksaufregung war, die noch bei den Wahlen 1912 bewirkte, daß die Rechte so zusammen⸗ , ist. Wenn die abwesende Regierung aus den heutigen Verhandlungen eins lernen wollte, so wäre es das, daß sie sich nicht mehr auf diese Gruppe stützen —̃ Das Zentium hat begriffen, worum es sich handelt, darum steht es nicht mehr auf der Seite der Rechten. Aber wen die Götter verderben wollen, den schlagen sie mit Blindheit. Wir beantragen, daß auch in dem 3 daß die Beantwortung der Interpellatlon länger als zwei Wochen hinaus⸗ geschoben wird, eine obligatorische Besprechung stattfinden soll; wir wollen damit der Verschleppungstaktik einen Riegel borschieben. Den Fs 33 wollen wir gestrichen wissen, denn die Furcht vor Obstruktion durch gehäufte Einbringung von Interpellatlonen ist bei uns un— begründet, und das österreichische Beispiel ist lediglich ein Schreck⸗ gespenst. Schließlich wollten wir schon im Interesse der prä⸗ gnanten Fassung unserer Beschlüsse dem Ausdruck „Billigung oder Nichtbilligung des Verhaltens des Kanzlers. den, Vorzug geben. Eine Partei, die einen Antrag zu einem Mißbilligungsvokum ein— bringen will, wird ihm die möglichst höfliche Einkleidung geben, damit niemand an der Form Anstoß nehmen kann.
Abg. Dr. Junck lg Ich möchte dem Abg. Kreth dafür danken, daß er namentliche Abstimmung beantragt hat. Dadurch er⸗ fährt man wenigstens im Volke, wer nicht einverstanden ist mit einer derartigen maßvollen Betätigung des Parlaments. Es wäre deshalb auch gut, wenn die Rede des Abg. Kreth eine recht weite Ver— breitung fände. Wir freuen uns, daß wir an diesem Werke haben mit⸗ wirken können, und wir werden uns in seiner Vollendung nicht auf⸗ halten lassen, selbst wenn diese Debatte noch einige Tage dauern sollte. Wir haben uns ja schon jahrelang damit genug r herr . Dir Abg. Kreth sagt, daß daruber schon viermal die Weihnachteglocken . haben. Aber daran sind doch die Herren schuld, die so
ründlich daran gearbeitet haben. Das, was jetzt vorliegt, ist in vier
ochen zustande gekemmen. Die tatsächlichen Ausführungen des Abg. Kreth waren sehr tiefgründig, sogar viel tiefgründiger als die eines andern Kollegen. Nur waren sie nicht alle neu. Wir haben sie schon außerordentlich oft gehört. Was die staatsrechtlichen Aus⸗ führungen anlangt, so möchte j demgegenüber betonen; daß die Inter⸗ pellationen keine staatorechtlichen, fondern nur prgktische Wirkungen haben. Daran wird auch nichts geändert, wenn man an ö. Anträge knüpfen kann. Wir haben glso nicht behauptet, daß es sich hier um eine staatsrecht⸗ liche Frage handelt. Wir wären aber damit einverstanden, wenn die Interpellationen eine solche Bedeutung hätten. Welche praktische ., sich daraus entwickelt, das wird ih ja herausstellen. Wir glauben aber nicht, e die g ng dabei ju. kurz kommt; denn sie hat ja nötigenfalls eine bessere und sehr scharfe Waffe in der en nämlich die Auflösung des Reichstags. In dem maß⸗ vollen Vorgehen einer Ausdehnung der Parlamentsrechte die Ein führung des parlamentarischen 5. zu sehen, geht doch nicht an. Ein solches Spstem kann doch nicht auf dem Boden der Ge⸗ schäftzordnung geschaffen werden. Graf Posadowsky hat in der letzten
tunde seing warnende Stimme erhoben. Er ist wahrscheinlich kein . des Parlamentarismus. Er hat über die Kompliziertheit unserer
erfassungsberhältnisse gesprochen. Aber wir haben es ja hier mit Dingen zu tun, die schon seit 42 Jahren bestehen, und die man event. ja schon langt hätte abändern können. Auffallend waren mir seine Bemerkungen über die Schranken, die dem Reichstag gezogen sein
denn über alle vom
sollen, besonders bezüglich der Kritikübung. Es kann doch dem
tage nicht verwehrt werden, . B. eine Kritik zu 1 an 8. n,, e, Von einem Eingreifen in die Justiz ist da doch Kine Rede. Plesen Fehler hat auch der Kollege Schulß gemacht. Cu Kritik liegt sogar im Interesse unserer gie eh Gin iz. hof, der nicht der Kritik unterliegt, verfällt der Erstartung Wenn einmal wirklich über ein schwebendes Verfahren eine Anfrage . werden sollte, so leidet doch darunter nicht die Unahhangig. eit der Richter. Man solle desbalb nicht immer das Gespenht von dem Eingreifen in unsere Rechtsprechung an die Wand malen Die Herren rechts fürchten schließlich von den Anträgen einen! Gin. griff in die Rechte der Fürsten. Wir wissen ganz genau, wie wir zu unseren Fürsten stehen, und wir glauben, daß dieses Verhältnis durch eine maßvolle Kritik nur noch gebessert werden kann.
Abg. Gröbser (entr.) . Eg ist schon wiederholt vorgekommen daß über ein schwebendes Strafverfabren hier verhandelt werden mußte, weil es sich um Rechte der Reichstagsmitglieder handelte. Der Satz in dem konservativen Antrage, daß Interyellationen über schwebende Gerichtsverfahren unzulässig sein sollen, steht im Wider spruch mit der Verfassung. In dieser Unbeschränktheit kann er nicht aufgestellt werden. Auch sonst kann aus den allerverschiedensten Gründen ein schwebendes Gerichtsperfahren zum Gegenstand einer Interpellation gemacht werden. Wir können also eine solche Be⸗ schränkung bei den Interpellationen nicht akzeptieren.
Abg. Dr. von Laszewski Gol) spricht sich für die An— nahme der von, der Kommission vorgeschlagenen begrüßenswerken Neuerung und für die sozialdemokratischen Verbesserungantrãge aus.
Abg. von Ha lein. (Rp.): Ich halte für notwendig, in dieser so wichtigen Angelegenheit einen kurzen Ueberblick über die Geschichte des Interpellationsrechts zu geben. 6 Unruhe und Heiterkeit links; Abg. Ledeb our ruft: Sie wollen wohl hier Ih engt. eramen machen? Wiederholte stürmische Heiterkeit.) an hat hier über viel weniger wichtige Dinge von Ihrer Seite stundenlang reben gehört; gestatten Sie mir doch auch, was Sie für fich seibst für be Jechtigt halten. (Abg. Arendt ( . ruft; Freiheit — Gleichheit! Abermalige große Heiterkeit links Es gibt ein roßes staatliches Gemeinwesen, in dem es überhaupt kein ö t gibt, die Vereinigten Staaten von Amerika, die doch eine demo atische Verfassung haben. (Zuruf links: Rußland) Rußland bat . Interpellationsrecht. In Frankreich ist das Interpellationsrecht wiederholt aufgehoben und wieder eingeführt worden. Das k Interpellgtiongrecht dient der Information, das französische der Sen— sation. In Württemberg ist dies Recht 1909 neu geregelt worden, wir sollten es uns aber überlegen, ob wir dieses Recht auf das Reich n sollen. Die Kommissionsbeschlüsse sind insofern bedenk' lich, als sie dem einfachsten ate i , widersprechen, dem Reichskanzler gegenüber au dann ein ißtrauensvotum zulassen, wenn er gar nicht spricht. Im übrigen sollte uns das österteich Beispiel einigermaßen stutzig machen. iemand in diesem Haufe wird glauben, daß diese Neuerung noch der Information dient; der Zweck ist offenbar darauf gerichtet, große politische Sensationen zu machen. Das neue Recht widerspricht auch dem , Charakter des Reichs. Wenn dem Vertrauensmann des Kaisers, dem Reichs— kanzler, ein Mißtrauensvotum erteilt wird, so wird damit die Mög— lichkeit eines Konflikts geschaffen. Würde dadurch die ruhige Ent— wicklung des Landes gefördert werden? Ich glaube es nicht. Die n n fie bf ff bedeuten ein Rütteln an den Grundlagen der Verfassung, die Errichtung eines kaudinischen Jochs, durch das der Kaiser und der Bundesrat hindurchzugehen gezwungen werden sollen. Darin haben mich die Ausführungen des 26 Junck noch bestãrkt. Im Interesse der k utschen Reichs möchte ich hoffen, daß urser aller großer Meister Fürst Bismarck allen zukünftigen Reichskanzlern als Muster dienen möge mit den Worten: Ich möchte wissen, welche parlamentarische Macht mich zwingen sollte, zu reden, wenn ich schweigen will.
Abg. Dr. Bell ö Der Reichskanzler hat doch das Recht, auch vor einer Interpellation das Wort zu nehmen. . wie wir die Rechte des Reichstages nicht antasten lassen wollen, fo werden wir stets die verfassungsmäßigen Rechte des Kaisers und der ö wahren un ö Wir sind aber der Ueber⸗ zeugung, diese Grenzlinien durch unsere Beschlüsse in keiner Weise überschritten zu haben.
bg. Mum m (wirtsch. Vvgg.): Meine Partei ist eine Partei des Volkes, sie vertritt aber in gleicher Welse auch das Recht der Regierung Wenn an Interpellationen ein Mißtrauenspotum gegen den Reichskanzler geknüpft wird, so muß das das Ansehen der Re—= . dem Auslande gegenüber schwächen. Der Abg. David bat ehauptet, Dr. Stoecker ö den Fürsten Bismarck gestürzt. Das ist unrichtig. Dr. Stoecker hat den Fürsten Bismarck stets für groß in der. äußeren und inneren Politik. gehalten, ihn aber bekämpft in der innersten Politik, in der Kirchenpolitik. (Zuruf links: Scheiterhaufenbrief) Treitschke hat diesen Brief fur ein durchaus loyales Kampfmittel bezeichnet. Dies zur Rechtfertigung eines Verstorbenen. Wir können uns unter den obwaltenden Um— ständen auf eine Erweiterung der Rechte des Reichstags und eine Beschränkung der Rechte des Kaisers nicht einlassen. Es konnen schlimme Zeiten kommen, und dann ist es zweifelhaft, ob wir Männer haben werden wie Bismarck und Roon.
Abg. Graf We st a rp ar Von Obstruktion ist auf unserer Seite nicht die Rede; für eine solche Beschuldigung fehlt mir jeder parlamentarische Ausdruck; so etwas von Heuchelei und Ueberhebrng ist mir noch nicht vorgekommen. (Präsident Kaempf rügt diesen Ausdruck) Bei der Militärdebatte ist 86 Stunden gesprochen worden, davon entfielen auf unseren Redner 40 Minuten; die Sozialdemokraten haben 3 Redner je 2 Stunden sprechen lassen, und nun machen sie uns den Vorwurf, daß der Abg. Kreth eine knappe Stunde gesprochen hat! Was wir für n far g und . das überlassen Sie
Wir haben Sie verwöhnt durch unsere urückhaltung; über Ihre Angriffe fühlen wir uns erhaben. Auf die Legenden von Kanzlerstürzerei, die uns der Abg. David vorgetragen hat, . e ich nicht ein, ich gebe auch hier ein Beispiel würdiger Zurück altung. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das böse Gewissen) Ich berbitte mir einen derartigen Zuruf. (Präsident Kae m pf Gruft den Zwischenrufer zur Ordnung.) Die Ausführungen des ar Gröber gegen unseren Antrag waren nicht schlüssig; es handelt si hei, dem Art. 31 der Verfassung, Sistierung von Strafverfahren gegen Mitglieder des Reichstages, nicht um Interpellationen. Die Kom⸗ mission hat nicht die allereinfachsten Konsequenzen ihres Antrages bedacht. Wenn beschlossen worden ist, daß die Handlungsweise des Kanzlers der Anschauung des Reichstages nicht entspricht so muß nach der ,, der Bundesrat darüber entscheiden, . Reichstage aft in Beschlüsse hat er seinerseits Beschluß zu fassen. Was soll nun der Bundesrat beschließen ? Hier ergeben sich geradezu unsinnige Konsequenzen. Hier liegt alfo ein Beschluß vor, der nur ein Urteil enthält. Resolutionen enthalten doch wenigstens Wünsche, daß etwas und was geschehen soll; Resolutionen, die nur ein Urteil aussprechen, nd nach meiner Meinung keine Kesolutionen sind auch wohl noch nicht vorgekommen. Wenn der Ieichskanzler! auch dem Bundes⸗ rat gegenüber eine Verantwortung hat, was mir zweifelhaft ist, so würde doch dem Bundesrat allein zuftehen, in welchen Formen diese Verantwortung zum Ausdruck kommen soll. Unsere staalsrecht⸗ lichen Grundsätze müssen wir trotz des Abg. Junck so lange wieder⸗ holen, solange fie nicht begriffen werden. Wir sehen in diesen Be⸗ schlüssen den Versuch, das parlamentarische System zu fördern, und diesem Versuch treten wir entgegen. Der Abg. Junck und seine Freunde haben sich jetzt zusammengefunden mit den Sozialdemokraten, deren offene Tendenz die Beseitlgung oder doch Schwächung des monarch 6 Systems ist; auch die Nationalliberalen führen hier also tatsaͤchlich einen schweren Schlag gegen das monarchische System. Es handelt sich hier um die Rechte des Königs von Preußen, des⸗ halb, fassen wir diese Dinge ernst auf und halten uns für ver⸗ pflichtet, unseren Widerspruch so kräftig wie moglich laut werben
zu lassen. (Schluß in der Zweiten Beilage.)
6 st uns zu entscheiden.
Zweite Beilage
zum Denutschen Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
M HOS.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Kret h (dkons. ): Was der Abg. Bell mir vorgehalten hat, trifft mich nicht, denn ich habe sehr wohl gewußt, daß der Kanzler auch vor den Interpellanten das Wort ergreifen kann.
Abg. Gröber (Sentr):; Graf Westarp sprach von einer Schwierigkeit, die er nicht lösen könne. Wir kommen über diese Schwierigkeit sehr schnell hinweg. Art. 7 der Verfassung wird von ihm so ausgelegt, als ob der Bundesrat über alle unsere Beschlüsse seine entf, , zu fassen hat. Unsere ganze heutige Verbandlung ist der schlagendste Gegenbeweis gegen diese falsche Auffassung. Wir werden doch dem Vertreter des Kanzlers Vertrauen schenken können. Und dieser hat in der verlesenen Erklärung des Reichskanzlers selbst hervorgehoben, daß der Reichstag in Sachen feiner Geschäfts⸗ ordnung allein Beschlüsse fassen kann. Also alle Beschlüsse des Reichstags brauchen dem Bundesrat nicht vorgelegt zu werden. Das deschieht ja auch bekanntlich nicht bei den Beschlüssen über die Wahlprüfungen und bei der Prüfung der Legitimation der Mitglieder. Wenn wir den Reichskanzler einmal zur Rechenschaft ziehen, weil er die Verantwortlichkeit, die er uns gegenüber bei Er⸗ lassen des Kaisers hat, nicht genügend gewahrt hat, so stellen wir diesen Beschluß zwar dem Reichskanzler, aber nicht dem Bundesrat zu. Damit ist diese große staatsrechtliche Erörterung erledigt. Ueber solche Fragen hahen wir solche Reden, wie sie heute hier gehalten worden sind, noch nie gehört. Man kann hier ja seine Be— denken vortragen. Aber uns hier Dinge mit angeblich staatsrecht— licher Bedeutung vorzutragen, die keine staatsrechtliche Bedeutung haben, das geht nicht an. Das sind dann Dinge, mit denen man keinen Staat machen kann.
Abg. Dove (fortschr. Volksp.): Wir haben hier das Interesse des deutschen Volkes wahrzunehmen. Deshalb fragen wir auch niemals danach, aus welchem Grunde der eine hier ist oder nicht.
Abg. Graf Westarp (8dkons.): Die sehr unfreundlichen und hämischen Worte des Abg. Gröber zwingen mich, über meine juristischen Ausführungen noch einmal Aufklärung zu geben. Die Beschlüsse, durch die der Reichstag seine Geschäftsordnung regelt, brauchen natürlich nicht dem Bundesrat vorgelegt zu werden. Daß der Reichstag selbständig ohne. Mitwirkung des Bundesrats die Wablen und die Legitimation seiner Mitglieder prüft, das ist doch ebenfalls nur eine Ausnahme und beweist nur die Regel. Aber, wo es sich um gesetzgeberische Fragen und solche des Staats— rechts handelt, da . der Bundesrat mitsprechen. Perels ist darin auch meiner Auffassung, daß selbst solche Beschlüsse dem Bundes. rat vorgebracht werden sollen, die nicht aus seiner Initiative entsprungen sind. Ich glaube ganz bestimmt, daß der Abg. Gröber am Bundesrat im Reichstage eine sehr scharfe Kritik üben würde, wenn er einmal ju einem Initiativantrag keine Stellung nähme. Das ent— spricht auch dem üblichen Brauche der Praxis.
Damit schließt die Diskussion. Die Abstimmung wird am Mittwoch erfolgen.
Gegen 7i/! Uhr wird Vertagung beschlossen. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Bericht der Geschäftsordnungs— kommission über die Frage der Voraussetzung der Fraktions— bildung, Etats für Samoa und für das Reichsschatzamt.)
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 63. Sitzung vom 3. Mai 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erweiterung des Stadtkreises Elberfeld (Eingemeindung von Vohwinkeh, fort.
Abg. Ecker⸗Winsen (ul.): Ich bin damit einverstanden, daß das Haus seine frühere Praxis, Eingemeindungsfragen mehr als Formsache zu behandeln, aufgegeben hat und jetzt in jedem Fall die
edürfnisfrage eingehend prüft. Eingemeindungen dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn dafür überwiegende öffentliche Interessen vorliegen und die einzelnen Gemeinden, die eingemeindet werden, davon Vorteil oder mindestens keinen Nachteil haben. In der Kom mi sion ist . nachgewiesen, daß für Elberfeld ein unabweisbares Bedürfnis besteht, sich nach Westen hin auszudehnen. Die räum—⸗ lichen Verhältnisse in Elberfeld sind sehr beschränkt, Industrie lann sich nicht mehr ansiedeln; das kann nur im Westen geschehen. Die ganzen Einrichtungen in Elberfeld sind aber auf Industrie gerichttt, und wenn diese Eingemeindung nicht beschlossen würde, so würde eine wirtschaftliche Schädigung nicht nur für Elber⸗ feld, sondern auch für die ganze Umgegend eintreten. 1899 meinte der Oberpräsident, daß Vohwinkel noch nicht städtisch sei; seitdem hat es sich aber mit wachsender Bevölkerung entwichelt, hat elektrische Bahnen u. a. Vohwinkel wird nicht in der Lage sein, neue Lasten zu tragen, weil die Steuerzahler nicht nach Vohwinkel ziehen, sondern in Elberfeld bleiben werden. Der Kreis Mettmann wird durch die Eingemeindung nicht geschädigt, er bleibt noch immer ein Kreis mit über 405 000 Einwohnern. Der Provinziallandtag hat sich für die Eingemeindung ausgesprochen, ebenso der Kreistag gegen eine Stimme, sowie der Gemeinderat. Die Eingemeindungsfrage spielt schon seit 1905, und der Gemeinde, rat hat sich dreimal gegen Minoritätfen von sechs, vier und drei Stimmen dafür erklärt. Auf die inoffiziellen und unkontrollierbaren Petitionen ist ein großer Wert nicht zu legen. Unterschriften unter Petitionen werden oft aus Gefälligkeit gegeben. Wir Abgeordnete können uns nur nach den maßgebenden Autoritäten und den offiziellen Erklärungen richten. Wir wollen das Prinzip der Autoritativ-= vertretungen aufrecht erhalten.
Abg. von Oertzen n, Die Eingemeindungsfrage in Elberfeld hat schon viel Staub aufgewirbelt, und ist bald zu einer cause célèbre geworden. In die Petitionen ist selbst das politische Moment hineingetragen worden. Ich glaube ja, daß sämtliche Unterzeichner aus bester Ueberzeugung gehandelt haben, aber ich muß doch den Gemeindevorsteher von Vohwinkel gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, daß er den Ctat absichtlich so gestaltet babe, um nachzuweisen, daß Vohwinkel nicht in der Lage ist, die notwendigen Bedürfnisse zu bestreiten. Ich meine auch daß das Haug mit Recht seine frühere Praxis aufgegeben hat, na der es bei Eingemeindungen nur geprüft hat, ob die formalen gesetz= lichen Vorschriften erfüllt sind. Es ist, unbedingt notwendig, daß in jedem Falle geprüft wird, ob für die Eingemeindung eine Notwendigkeit vorhanden ist. Im allgemeinen ist das Anwachsen der großen Städte und dle Eingemeindung der umliegenden kleinen Ortschasten in die Städte eine große Gefahr für das Ganze. Wenn irgendwo im Leben die Regel gültig ist, daß Ausnahmen die Regel bestätigen, so ist es in diesem Fall. Hier liegen doch schwerwiegende Gründe vor, die für eine Eingemeindung sprechen. war vor einigen 30 Jahren in der Vertretung des Kreises Mettmann; damals wurde schon von der Eingemein⸗
Berlin, Sonnabend, den 4. Mai
dung von Vohwinkel gesprochen. Die vorschriftsmäßig gewählte Vertretung von Vohwinkel iritt für die Eingemeindung ein. Daß der Landkreis Mettmann nicht gern das steuerkräftige Vohwinkel entbehren wollte, ist selbstverständlich. Um den Kreis zu ent— schädigen, hat sich Elberfeld damit einverstanden ertlärt, daß die Spartasss von Vohwinkel auf, den Kreis Mettmann übertragen wird. Darauf hat sich auch der Kreis mit der Eingemeindung einverstanden erklärt. In der Industrie gibt es keinen Still= stand. Wenn die Industrie von Elberfeld sich nicht weiter ausdehnen kann, wird sse zurückgehen. In Vohwinkel sind die Schulen nicht ausreichend, es ist keine Badeanstalt da usw. Es muß ent— schieden etwas getan werden. Das kann von einer großen Kommunal- perwaltung besser geschehen als von einer kleinen. Die Kanalisation soll nach dem einen Projekt 600 000 M, nach dem anderen 1800 000 Æ„. kosten. Es ist wohl unzweifelhaft, daß das größere Projekt das Bedürfnis der Kanalisation viel besser be⸗ . als das kleine. Ich bin der Ansicht, daß alle Voraussetzungen ür die Eingemeindung von Vohwintel in Elberfeld gegeben sind. Sollte hier die Elngeineindung abgelehnt werden, dann müßten auf Jahre hinaus alle Antraͤge auf Eingemeindungen abgelehnt werden. 3. große Mehrheit meiner Freunde wird für den Gesetzentwurf immen.
Abg. von Brandenstein (kons): Diese Eingemeindungs⸗ frage hat für uns eine allgemeine Bedtutung. Wenn wir nach dem Wunsche des Abg. von Oertzen der Vorlage zustimmen würden, nur weil die Vertretungen sich dafür ausgesprochen haben, so könnten wir einfach ju dem früheren Standpunkte zurückkehren. Nach der Rede des Abg. von Oertzen würde er jede Eingemeindung genehmigen und doch die prinzipielle Gegnerschaft bis ans Ende seiner Tage hoch— halten. Von der schematischen Behandlung der Eingemeindungsvor— lagen sind wir abgekommen, weil sich herausgestellt hatte, daß die Zustimmung der verschiedenen Vertretungen nicht immer auf ein— wandsfreie Weise zustande gekommen war. Zunächst ist ein Fall vor— gekommen, daß ein Gemeindevorsteher deshalb für die Eingemeindung war, weil ihm von der Großstadt die dauernde Versorgung im Amte zugesagt war; das ist doch schließlich nichts anderes, als wenn ihm ein Schmerzensgeld von etwa 40 000 FS gezahlt worden wäre. Dann ist uns weiter aufgefallen, daß in den Verträgen lauter Kleinigkeiten vorhanden waren, aus deren Wortlaut man ersehen konnte, daß es sich gewiß um Bevorzugung des einen oder anderen Gemeinde— vertreters handelte. Da wurde festgesetzt, daß bis zu dem und dem Hause gepflastert werden sollte, daß da und dort eine Laterne aufzu— stellen war usw. Bei einer Eingemeindung für Königsberg in Sst— preußen nahmen diese Bestimmungen 90 Seiten ein. Wenn die Zu⸗ stimmung, der Gemeindevertretung durch solche Vorspiegelungen erzielt wird, dann hat man die. Pflicht, zu prüfen, ob dem Interesse der Gemeinde wirklich gedient ist. Der Gesetzgeber ist in der Eingemeindungsfrage allmächtig. Um die Zustimmung der Gemeindevertretung zu erhalten, hat die Großstadt natürlich das allergrößte Interesse daran, der Gemelnde und auch dem Kreise besondere Vorteile zuzuwenden. Wenn die Gemeinden wissen, daß sie unter Umständen auch gegen ihren Willen einverleibt werden, ohne Entschäͤdigung und Vergünstigung, so ist es doch mindestens verzeihlich, wenn sie sagen: wahrscheinlich droht uns
doch das Schicksal, einverleibt zu werden, da ist es besser, wir stimmen
zu, da bekommen wir doch wenigstens etwas, sonst werden wir ein— gemeindet und bekommen nichts. Die Interessen der Großstädte werden von der Regierung und auch vom Landtage immer mehr wahr⸗ genommen, als die der Gemeinden. Daß dies geschieht, liegt schon an dem Sprachgebrauch, man spricht nicht davon, daß die beiden Orte miteinander verbunden werden, sondern man hat den schönen Ausdruck Eingemeindung erfunden. Es ist noch niemals eine Ein— gemeindung gegen den Willen einer Großstadt vorgenommen, sehr wohl wird aber über den Willen der Landgemeinden und des Kreis— tages hinweggegangen. Mit großer Mühe haben wir durchgesetzt, daß es ,,. in der Theorie anerkannt ist, daß eine große Ge⸗ meinde gezwungen werden kann, eine kleine Gemeinde einzuverleiben. Die Städte haben die Vorhand, die können aussuchen. Es geschieht nicht etwas, was die Großstadt nicht will. Daß in diesem Fall ein Interesse von Elberfeld vorliegt, wird niemand bestreiten. Das ist aber das einzige Moment, das geltend gemacht werden kann. Das ist zuerst auch in der Regierungsvorlage das einzige Moment gewesen, nachher aber fallen gelassen worden. In der Be. gründung ist dann weiter darauf hingewiesen, daß Elberfeld die her⸗ vorragende Stellung unter den rheinischen Städten erhalten werden müsse. Dazu ist aber nicht die Eingemeindung von Vohwinkel nötig. Es wird dann weiter gesagt, für die Ausdehnung von Elber— feld sei kein Fabrikterrain vorhanden, dagegen in Vohwinkel. Muß denn das Gelände, das Elberfeld braucht, gerade im kommunalen Zusammenhange mit Elberfeld stehen? Dieser Umstand nötigt nicht, die beiden Gemeinden zu vereinigen. Es heißt, Elberfeld gehe zu⸗ grunde, wenn es sich nicht weiter geographisch ausdehnen kann. Das ist eine traurige Perspektive. Dann ist eine der schönsten großen Städte unseres Vaterlandes dem Untergang geweiht, und zwar, unter Mitwirkung des Abg. von, Oertzen, und seiner Freunde. Hier in Berlin verlegt die Industrie, die in der Stadt ihren Sitz hat, ihre Etablissements auch hinaus, weil sie hier kein Land bekommt. Borsig hat auch seine Fabrik aus Berlin nach Tegel verlegt, und ich habe noch nicht gehört, daß darum Berlin zugrunde gegangen ist. Es muß auch erst nachgewiesen werden, daß eine Familie zugrunde gehen muß, wenn der Mann die schwere Arbeit in Vohwinkel und die Frau die leichte Arbeit in Elberfeld macht. Die Eisenbahndirektion hat hier mitgewirkt, die Eisenbahnverwaltung geht aber die Sache gar nichts an, und ich habe schon in der Kommission dagegen Einspruch erhoben. Der Eisenhahndirektionsprädent in Elberfeld, der = neben bei bemerkt — Ehrenbürger von Elberfeld ist, hat sich nicht bloß über die räumliche Frage für die Bahnbauten geäußert, sondern hat an den Bürgermeister geschrieben, daß die Eingemeindung im Interesse der Eisenbahnverwaltung durchaus wünschenswert sei. Daß die Eingemeindung für Elberfeld von Wert ist, das ist keine Frage. Aber wie steht es mit Vohwinkel? Vohwinkel ist ein aufstrebender Ort. Die Regierungevorlage sagt ihrerseits, daß für Vohwinkel dech ein gewisses Ünterstützungs— bedürfnis vorliegt, anderseits wird aber auf die Eniwicklung von Voh⸗ winkel selbst hingewiesen, wo die Steuern um 1650 niedriger sind als in Elberfeld. Wenn in Vohwinkel ö kommunale Ein richtungen, wie Feuerwehr usw. fehlen, so ist das kein Wunder, daß eine Gemeinde sich nicht mehr mit solchen Dingen beschäftigt, wenn sie seit 2 Jahren unter dem Damoklezschwert der Eingemeindung steht. Vohwinkel muß immer erwarten, daß es eines Tags ab⸗ geschlachtet wird, und daher ist es erklärlich, daß es noch keine Kanalisation hat. Das Vohwinkeler Kanalisationsprojekt für 600 0900 ½ ist, von der Regierung genehmigt worden. Dieses Projekt ist von einem Berliner ausgearbeitet, ein Elberfelder dagegen hat ein Projekt ausgearbeitet, das nicht weniger als 1 890 009 M kostet. Um eines Unternehmens willen, wie die Kanalisation, darf man doch die Gemeinde nicht ihrer ganzen Selbständigkeit berauben; dazu kann auch ein Zweckverband gebildet werden. Viel⸗ leicht war es ein Fehler, daß wir vor einem Jahre be⸗ stimmten, daß der b nn, unter allen Umständen ehört werden muß. Der Provinziallandtag tagt so wenige 3 die Mitglieder finden die Brucksachen erst bei der Er— öffnung vor, und der Provinziallandtag ist gar nicht in der Lage, die Eingemeindungsfrage eingehend zu prüfen. Das Beste, was
1912.
Eingemeindungsfrage geschrieben ist, ist ein Be⸗ richt des Landrats des Kreises Mettmann, aber aus dem Jahre 1907, der sich gegen die Eingemeindung ausspricht. Man sagt, der Kreis sei allmählich zu einer anderen Ueberzeugung gekommen. Es war nicht allmählich, sondein ganz plötzlich. Im Kreistag wurde die Vorlage am 18. Januar 1911 gemacht, und schon am 15. Februar lag der fertige Antrag vor, wonach der Kreis gegen Ueberlassung der Sparkasse mit der Eingemeindung einverstanden war. Der Kreis sollte entschädigt werden, die Stadt Elberfeld wollte aber nichts geben, da nahm sie der Gemeinde, die eingemeindet werden sollte, die Sparkasse weg und gab sie dem Kreise. So ist Vohwinkel abgeschlachtet worden. Es ist immer operiert worden mit dem Schreckgespenst von Crefeld, es wurde immer gesagt: Denkt an Crefeld. Der Kreistag konnte nicht gut das Anerbieten einer Sparkasse mit 12 Millionen Mark Anlagen und 600 000 S Reservefonds zurückweisen, sonst hätte man ihm vorgeworfen, er hätte das bekommen können, aber verhindert. Ich kann das Verhalten des Kreistages nicht billigen, aber ich kann es verstehen, daß er unter diesen Umständen der Eingemeindung zugestimmt hat. Der Gemeinde⸗ vorsteher von Vohwinkel war auch früher gegen die Eingemeindung, jetzt aber dafür, das ist doch nicht über Nacht gekommen, und auch den Steuerzahlern von Vohwinkel sind steuerliche Vorteile ver—⸗ sprochen worden. Man bedenke die Situation: Auf der einen Seite der Bürgermeister von Vohwinkel, auf der anderen der Oberbürgermeister von Elberfeld, Mitglied des Herrenhauses, und hinter ihm der Re—⸗ gierungspräsident, der Oberpräsident und die Königliche Staatsregierung. Und nun wird der Bürgermeister von Vohwinkel gefragt: Willst Du, oder willst Du nicht? Das ist so, wie wenn der Koch zu den Hühnern sagt: Na, mein Hühnchen, in welcher Sauce wollt ihr denn gebraten sein? Dann sagt sich natürlich der Bürgermeister von Vohwinkel, auf den Landtag der Monarchie ist nicht zu bauen, wir sind verraten und verkauft; die Sache ist gemacht, wir stimmen zu. Ich kann der Gemeindevertretung keinen Vorwurf daraus machen, daß sie in dieser zugespitzten Situation den Vertrag geschlossen hat, um sich dadurch eine günstigere Position zu schaffen. Es ist richtig. die Gemeindevertretung hat die Gemeinde zu vertreten. Aber wir sind nicht an das Votum der Gemeindevertretung gebunden, wir haben eine höhere Aufgabe, wir urteilen aus ganz anderen Gesichtspunkten, wir urteilen, ob die Sache im öffentlichen Interesse liegt. Jedem in Preußen steht doch das Petitiongrecht zu; wie kann man sich da gegen diese Vohwinkeler Petition aussprechen? Man hat mit Mühe und Not gefunden, daß eine Reihe von Unterschriften von Leuten herrührten, die noch nicht 24 Jahre alt waren, die erst vor kurzem zugezogen waren. Aber selbst das berücksichtigt, so ist doch mehr als die Hälfte der Wähler Hen die Eingemcindung. Diese Herren, die für die Erhaltung ihrer Gemeinde eintreten, verdienen unsere volle Anerkennung. Liegt eine staatliche Notwendigkeit vor, die selbständige Existenz einer ö aufstrebenden Gemeinde aufzuopfern, lediglich um einer Großstadt auf⸗ jzuhelfen? Diese Frage müssen meine Freunde verneinen.
Geheimer Oberregierungsrat Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Ich bitte Sie, die Vorlage anzunthmen. Der Staat setzt sich doch aus den Gemeinden zusammen, die Regierung hat also an dem Gedeihen der
in dieser
Gemeinden das größte Interesse. Und wenn zwei Gemeinden der
Ansicht sind, daß durch eine Eingemeindung ihr beiderseitiges Wohl befinden gehoben wird, würde die Staatsregierung sich ibrer Pflicht entziehen, wenn sie nicht eine eingehende Prüfung dieses Wunsches vor⸗ nehmen würde. Wenn es sich dann zeigt, daß in der Tat die beiden Gemeinden zusammen besser marschleren als allein, dann wird man den Wunsch der Gemeinden erfüllen müssen. Von diesem Stand⸗ punkt aus bitte ich Sie, die Vorlage zu prüfen. Es ist uns der Vorwurf der Inkonsequenz gemacht worden, indem man darauf hin⸗ gewiesen hat, daß in einem Falle von der Regierung eine Volks—⸗ abstimmung befürwortet worden wäre. Da handelte es sich nicht um die Abstimmung innerhalb eines Bezirks mit einer geordneten Vertretung, sondern es fragte sich nur, wo die Grenze bei der Eingemeindung gezogen werden soll; es kam nur ein kleiner Bezirk einer Gemeinde in Betracht. Den Vorwurf der Inkonsequenz möchte ich also zurückweisen. Dann ist es ferner nicht richtig. daß die Staatsregierung durch ihre Stellungnahme einen Druck ausgeübt hätte. Die Staatsregierung hat sich erst mit der Frage beschäftigt, nachdem der Vertrag zwischen Elberfeld und Voh⸗ winkel abgeschlossen war. Daraus, daß die diesjährige Be⸗ gründung nicht die gleiche ist,; wie die vorjährige, kann man der Regierung ebenfalls keinen Vorwurf machen, die Regierung hat eben auch die neu aufgetauchten Gründe eingehend geprüft. Auf seiten Elberfelds wird für die Eingemeindung geltend gemacht, daß Elberfeld zum Stillstand gekommen sei. Im organischen Ge⸗ meindeleben bedeutet Stillstand den Anfang vom Rückgang. Es ist verständlich, wenn die Vertreter von Elberfeld den Gründen nach⸗ gegangen sind, um zu sehen, wie dem Rückgang Einhalt getan werden kann. Da erkannten sie, daß sie nicht mehr das nötige Terrain für ihr Gewerbe haben. Das Terrain ist vochänden, aber nur in Vohwinkel. Der Vorredner meint, es sei gleichgültig, wo das Terrain sei und wenn die Industrie in Vohwinkel sei. Aber sehen Sie sich das Terrain an, es bedarf großer Mittel, um es zu erschließen, und dazu ist Elberfeld imstande, aber nicht Vohwinkel. Wie kann die Ehrenbürgerschaft des Präsidenten der Eisenbahndirektion als Argument gegen ihn ins Feld geführt werden; denn ein Direktions⸗ Präsident, der Ehrenbürger der Stadt ist, ist zweifellos ein Mann, der nicht bloß hinter seinem grünen Tische sitzt, sondern die Verhältnisse mit offenen Augen ansieht, der 1 wo die Stadt Elberfeld der Schuh drückt. Es bestehen Vorschriften, . in solchen Fällen die Bergwerksdirektion oder die Eisenbahndirektion gehört werden soll; demnach hat sich die Stadt an die Eisenbahndirektion gewendet, und diese macht geltend, daß infolge der Verlegung des großen Verschiebebahnhofes zahlreiche Versetzungen von Beamten vorkommen müßten, und die Eisenbahnverwaltung will natürlich nicht dadurch ihre Beamten finanziell schädigen. Die Gründe für Vohwinkel liegen darin, daß das Schulwesen, Ge⸗ sundheitswesen, Polijeiwesen in Vohwinkel nicht auf der Höhe der großen Nachbarstadt steht. Die berufenen Organe halten die Gemeinde finanztell für zu schwach, das alles selbst nachzuholen, und deshalb wünschen sie die Eingemeindung. Das Zweckverbandsgesetz läßt sich hier nicht anwenden. Dieses Gesetz ist dazu bestimmt, Gemeinden für einzelne kommunale Aufgaben zu verbinden, aber um das ganze Gemeindewesen zu heben und seine Bodenschätze an das Tageslicht zu fördern, dazu genügt nicht der Zweckverband, sondern nur die Eingemeindung. Glauben Sie, daß bei dem Stimmenverhältnis Vohwinkel im Zweckverband gut fahren dem guten Willen von Elberfeld Vergewaltigung der Gemeinde schätze die Majorität im
würde? Es würde einfach überlassen sein. Von einer Vohwinkel ist keine Rede. Ich — Gemeinderat nicht so gering ein, der Gemeinderat wird doch nicht mit solcher überwiegenden Majorität etwas tun, was der Gemeinde schädlich ist. Man erhebt schwere Vorwürfe gegen die Mitglieder des Gemeinderats, des Kreistages und auch. des. Provinziallandtages, aber man kann J. nich glauben, daß alle diese Herren aus eigensüchtigen otiven gesprochen hätten. Die Gemeinden und ihre berufenen Organe ha
die Initiative in diesen Sachen, aber nicht die Regierung. Die Ge= meinden haben von ibrem Interesse aus die Frage zu prüfen und sind übereinstimmend zu ihrem Votum gekommen. Es ist lein . Kleinigkeit für einen Gemeinderat, wenn er die Organisa seine