1912 / 120 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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öchie den Herrn Vorredner darauf hinweisen, daß im eng⸗ rlament die Beantwortung der kurzen Anfragen meistens e Frage, ob ein

egelung des Auslieferungsverfahrens liegt eine Entschließung der Reichsregierung nicht vor, und wir können auch mit einer solchen Entschließung nicht vorgreifen, da wir erst sehen muͤssen, wie der Antrag der belgischen Regierung beschaffen ist. An und für besteht eine prinzipielle Gegnerschaft gegen eine internationale . nicht. Mit Nordamerika haben wir einen Vertrag zum Schutz des Urheberrechts vom Jahre 1899. Verhandlungen zur Ver- besserung des Vertrages oder jum Abschluß eines neuen Vertrages sind noch nicht angeregt worden. Was die Verletzung der Congo⸗ akte anbetrifft, so ist es eine bekannte Tatsache, uu die belgische, rein persönliche Verwaltung manches getan hat, was gegen die internationale Akte verstößt, seitdem aber die belgische Regierung den Congostaat übernommen hat, ist darin eine bedeutende Besserung eingetreten, und es ist ja in den Jahren 1909 und 1910 ein k aufgestellt worden, nach dem der CGongostaat zonenweise dem Freihandel geöffnet wird. Die Konzessionsgesellschaften sind rechtswidrig und lassen sich mit der Congoakte nicht vereinen. Die n, Regierung hat sich bisher alle Mühe gegeben, auf gütlichem Wege diese Konzessionen wieder aufzuheben, und es ist ihr dies bereits bei dem größten Teil der Gesellschaften gelungen. Auch in England fängt man an, Vertrauen in die belgische Verwaltung des Congo zu bekommen. Was uns betrifft, so 3 wir uns bisher zuwartend verhalten, weil wir es für gerecht hielten, der belgischen Regierung Zeit zur . der Zustäaͤnde zu lassen. Wir beachten 2 . es und machen bei einzelnen Fällen Vorstellungen, wenn es nötig ist. . Dr. Müller⸗Meiningen: Alle die Rechtsverletzungen der Kongoakte, die ich vorgebracht habe, sind erst in der letzten Zeit vor⸗ ekommen und alle . englische Quellen zurückzuführen. Sir Edward Frey hat bekanntlich erklaͤrt, daß es bei der englischen Regierung auf die größte Sympathie stoßen würde, wenn die Einberufung einer neuen Kongokonferenz angeregt würde. Ich fürchte, wir werden in unserer Neukameruner Kolonie mit den Konzessionsgesellschaften die⸗ selben traurigen Erfahrungen machen. Im Kongostaat sind erst im Jahre 1911 750 0060 ha an die große englische Firma Lever Brothers 1 worden; das ist eine Durchbrechung der Kongoakte. Des⸗ halb möge die deutsche Regierung der Anregung der englischen folgen und zu erkennen geben, daß sie zu einer Konferenz mit den übrigen Signatarmächten zur loyalen Durchführung der Kongoakte bereit * Abg. Dr. P 1. iffer (Sentr) bringt eine Reihe von Fällen vor, in denen deutsche Kaufleute im Auslande des nötigen Schutzes entbehrt haben, und spricht den Wunsch aus, daß es gelingen möchte, daß die berufenen Vertreter im Auslande mit den Interessenten an demfelben trange ziehen. Ganz besonders kraß liegt ein Fall, den ich aus

S 2 erfahren habe. Dorthin waren aer Leute gegangen; sie

amen ein so geringes Gehalt, daß sie nicht existieren konnten. Als

sich deshalb eine andere Stellung suchten, wurden sie zu einer ehr hohen Konventionalstrafe verurteilt. Sie wandten sich an den eutschen Konsul, der aber 3. sie nichts tun zu können angab. Nun stell heraus, ö dieser Konsul der Chef einer französischen Firma war, der dasselbe Geschäft gehörte, in das die jungen Leute eingetreten waren. Ein früherer Chef desselben a. war ebenfalls deutscher Konful. Dort war vor einigen Jahren Revolution. Dabei nahm ein Deutscher einem Offizier, der einen anderen unbeteiligten Deutschen erschießen wollte, den Revolver fort. Er wurde gefangen genommen und ins Gefängnis gesteckt. Dort erschien der Konsul und sagte, Site haben ja ein Haus, das wird Ihnen ge⸗ nommen. Machen Sie eine Scheinhypothek und Sie sind sicher⸗ gestellt. Später wollte der Herr selbständig werden, wurde verklagt und zu einer Konventionalstrafe verurteilt. Er dachte nicht an die Scheinhypothek und das Unglaubliche geschah, die Firma ließ ihm das Haus fortnehmen. Es ist doch unglaublich, daß der Chef eines franzöͤsischen Haguses deutscher Konsul fein kann. Das muß doch das Ansehen Deutschlands herabsetzen. Man wünscht deshalb, daß dort ein Berufskonsulat errichtet wird.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter:

Der Herr Abgeordnete hat zunächst die Verhaͤltnisse des Konsulats in Vancouver zur Sprache gebracht. Dort war ein Konsul Wolffson, dessen Absetzung jetzt auch mit unter die Be⸗ schwerdepunkte gehört. Dieser hat selber eingesehen, daß er gehen mußte; seine gesellschaftliche Stellung war eine solche geworden, daß er für einen deutschen Konsul nicht mehr geeignet war. Daß Wolffson unter diesen Umständen auch zu denjenigen gehört, die dem neuen Konsul nicht freundlich gegenüberstehen, ist klar.

ö Nun ist der Verdacht ausgesprochen worden, als ob der neu⸗ ernannte Konsul auf Empfehlung einer Firma von Alvensleben er— nannt worden sei. Das stimmt aber nicht; Konsul von Ettlinger war, ehe er nach Vancouver kam, in Portland ansässig, und wir wollten ihn wegen seiner guten Eigenschaften, und weil er uns als geeignet bekannt war, bereits dort zum Konsul machen. Er zog aber von Portland nach Vancouver, und jwar gerade in dem Moment, wo das Konsulat dort frei ge— worden war. Das Auswärtige Amt, dem außerdem ein Bewerber in der Person des Herrn Frei benannt war, hat sich nun für Herrn Ettlinger entschieden, und zwar wegen der Empfehlungen, die ihm während seines Aufenthalts in Portland zuteil geworden waren. Seine Ernennung hat also mit der Firma von Alvensleben nichts zu tun. Man hat sich vielmehr nach reiflicher Ueberlegung für von Ettlinger entschleden, und zwei Personen konnte man doch nicht zu Konsuln machen. Natürlich ist Herr Frei und alle, die hinter ihm stehen, damit nicht zufrieden gewesen. Es ist nun sehr schwer, wenn man solche Klagen aus deutschen Kolonien aus weiter Entfernung bekommt, klar zu sehen; jeder sagt vom andern, er tauge nichts. Wir wollen des⸗ halb, nachdem hier Beschwerden geltend gemacht sind, dieselben unter⸗ suchen. Zu diesem Zweck soll, wenn es nötig ist, ein Berufskonsul nach Vancouver sich begeben, der die Verhältnisse untersuchen und uns Be⸗ richt erstatten wird. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Mehr können wir nicht tun. Ich kann doch solche Einzelheiten nicht wissen, wie j. B. ob das Konsulatsschild mal auf einem Stuhl gestanden hat. Das, worauf es ankommt, ist folgendes: ist Ettlinger der Mann,

t, den Fall in Iquit os, so liegen Wesche u. Co. ist nach unseren Nach⸗ Ob sie alle die Schandtaten begangen sind, weiß ich nicht. Tatsächlich ist der frühere Nicolai abgereist und wird nicht wieder zurück⸗ kehren, und es eshalb zurzeit ein Herr Straßberger mit der provisorischen Verwaltung des Vizekonsulats beauftragt, der auch der Firma Wesche u. Co. angehört. Es war gleichzeitig noch ein anderer Kandidat, Herr Ritschart, da, und die Ritschartianer stehen nun gegen die Straßberglaner und umgekehrt; das ist ja natürlich. Wir sind von Berlin aus nicht in der Lage, die Sachlage, wie sie tatsächlich ist, wirklich zu erkennen. Aber es bietet sich uns die Gelegenheit dazu dadurch, daß der Konsul aus Para, ein Herr von Bülow der Be⸗ rufsbeamter ist ohnehin eine Reise an den oberen Amazonenstrom macht. Auf dieser wird er Iquitos besuchen, die Sache untersuchen und uns dann einen Bericht erstatten, und auf Grund dieses Berichts werden wir dann klar sehen und unsere Entscheidung treffen können. Erst dann wird sich sagen lassen, wem das Konsulat zu übertragen sein wird. Denn bisher handelt es sich, wie gesagt, nicht um eine Ernennung, sondern um eine provisorische Führung des Vize⸗ konsulats.

Die Resolution Heckscher-von Richthofen wird mit knapper Mehrheit angenommen, mit der gesamten Linken stimmen auch einige Zentrumsmitglieder.

Abg. Kunert (Son) spricht sich gegen die vorgeschlagene Er— werbung eines an die Botschaft in Konstantinopei angrenzenden Grundstücks aus. Nicht die Repräsentation habe die Volksvertretung zu fördern, sondern darauf zu sehen, daß die diplomatischen Geschäfte von tüchtigen Männern wahrgenommen werden.

Die fortdauernden Ausgaben für die Botschaften, Ge⸗ sandtschaften und Konsulate werden nach den Anträgen der Budgetkommission bewilligt, desgleichen die allgemeinen Fonds sowie das Extraordinarlum einschließlich der Erwerbskosten für das erwähnte Grundstück in Konstantinopel, endlich die Einnahmen.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 7 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Konsular⸗ und Auslieferungsvertrag mit Bulgarien, Rest der Etats für 1912 in zweiter Lesung, zweite Beratung des Gesetz⸗ entwurfs wegen Aufhebung des Branntweinkontingents.)

Was d da die Dinge richten ein der hat, die ihr v

Preusßischer Landtag. Herrenhaus.

Nachstehend werden die Reden, die der Staatsminister und Finanzminister Dr Lentze in der 10. Sitzung vom 17. d. M. gehalten hat, im Wortlaut nachgetragen:

Meine Herren! Auch die Königliche Staatsregierung bedauert es auf das lebhafteste, daß der Etat in diesem Jahre erst so spät an das hohe Haus gelangt ist. Auch sie hat immer der Wunsch, daß der Etat doch möglichst vor dem 1. April erledigt sein möchte. In diesem Jahre liegen die Verhältnisse freilich etwas besonders, da ja die Reichstagswahl am 12. Januar stattfand, und es deshalb nicht möglich war, daß das Abgeordnetenhaus sich sofort an die Beratung des Etats machte, denn es mußte noch erst einige Tage vorübergehen lassen, bis die Stichwahlen erledigt waren. Ob es aber möglich sein wird, den Etat in den folgenden Jahren immer rechtzeitig an das hohe Haus zu bringen, darauf hat die Königliche Staatsregierung nicht die entscheidende Einwirkung, das liegt ja an dem Abgeordneten⸗ hause und an der Zeit, die es auf die Etasberatung verwendet, und an der Gründlichkeit, die es dabei beobachtet. Der Herr Generalreferent hat geglaubt, der Königlichen Staats⸗ regierung ein Mittel an die Hand geben zu können, indem er sie aufgefordert hat, den Etat schon möglichst vor Weihnachten vorzulegen. Meine Herren, abgesehen davon, daß das eine technische Unmöglichkeit bedeutet, weiß auch die Staats—⸗ regierung nicht, ob dieses Mittel zu dem gewünschten Ziele führt Denn die Erfahrung hat gelehrt, daß das Abgeordnetenhaus die Be⸗ ratungen immer weiter ausdehnt, und immer gründlicher verfährt. (Sehr richtig Es ist auch technisch für die Staatsregierung unmög⸗ lich, den Etat so früh vorzulegen, weil er so früh gar nicht einiger⸗ maßen zutreffend aufgestellt werden kann. Die wichtigsten Teile unseres Etats sind die Betriebsetats, also die Etats, welche die staat⸗ lichen wirtschaftlichen Unternehmungen umfassen. Wenn wir für ein Etatsjahr, welches erst am nächsten 1. April beginnt, die Voran⸗ schläge schon Ende August oder September beenden müßten, damit der Etat rechtzeitig fertiggestellt würde und im Oktober oder Noͤ—= vember an das andere Haus gelangen könnte, würden wir nichts als unzutreffende Zahlen haben. Das ist ganz unmöglich. Meine Herren, unser ganzer Eisenbahnetat, unser Bergetat würden vollständig in der Luft schweben. Wir würden eine Menge Zahlen haben, von denen man nicht behaupten könnte, daß sie einigermaßen einen Anspruch auf Richtigkeit haben könnten. Aus diesem Grunde ist also die Staatsregierung außerstande, den Etat vor Januar vorzulegen.

Meine Herren, was dann den Etat selbst anlangt, so kommt bei der Beurteilung des Etats alles darauf an, wie man das Ver⸗ hältnis der Eisenbahnfinanzen zu den allgemeinen Staatsfinanzen ansehen will, ob man die Regelung, die getroffen ist, für zutreffend hält oder nicht, ob man die Eisenbahnfinanzen in erhöhtem Maße zu den Staatsausgaben heranziehen, oder aber, ob man es bei der bisherigen Abgrenzung belassen will. Um darüber ein klares Urteil zu gewinnen, ist es nötig, daß ich ein paar Worte darüber sage. t

Meine Herren, bis zum Jahre 1907 hatten wir fast durchweg wirtschaftlich gute Jahre, sodaß der Staatshaushalt in der Rechnung mit Ueberschüssen abschloß. Im Jahre 1907 wendete sich aber das Blatt. In der ganzen Welt, von niemandem vorausgeahnt, trat ein plötzlicher und sehr starker Umschwung ein. Dieser Um—⸗ schwung hatte zur Folge, daß die Jahresrechnung des Jahres 1907 direkt mit einem Fehlbetrag von 72 Millionen Mark abschloß. Im Jahre 1968 verstärkte sich dieser Fehlbetrag auf 202 Millionen Mark, und zu gleicher Zeit stellte sich für die Staatsregierung das Bedürfnis heraus, eine ganze Reihe dauernder Ausgaben noch neu mit zu über— nehmen. Da die Preissteigerung aller Lebensmittel eine solche Höhe erreicht hatte, daß man es bei den bisherigen Gehältern nicht mehr belassen konnte, wurden die Besoldungen der gesamten Beamten, Lehrer und Geistlichen und die Pensions. und Reltktenbezüge in die

zelnen nicht mehr mit den bisherigen Bezügen auskommen konnten Das machte sofort eine dauernde Mehrautgabe von 20 Millonen, Mark, und jwar eine dauernde Mehrausgabe in der Zeit der tiefsten wirtschaftlichen Depression, wo der Staatshaushalt mit einem gan erheblichen Fehlbetrag belastet wurde. Es kam dann auch noch die Reichs finanzreform hinzu, welche das finanzielle Verhältnis Preußens zum Reiche um 22 Mill. Mark verschlechterte. Die Erhöhung der Matri⸗ kularbeitrãge machte 15 Mill. Mark aus, und die Herabsetzung des Anteil an der Erbschaftssteuer betrug das Uebrige, sodaß unser Etat um 22 Millionen Mark verschlechtert wurde. Dabei hatten wir diese außerordentlich hohen Mehrausgaben. Es haben damals sehr ein gehende Untersuchungen darüber stattgefunden, welche Summen im einzelnen von diesen hohen Fehlbeträgen dauernde Fehlbetrage wären und welche auf Konjunkturschwankungen der wirtschaft. lichen Unternehmungen beruhten. Dabei stellte sich heraus daß allerdings ein Teil auf Konjunkturschwankungen zurück zuführen war, daß aber leider der größere Teil den Charakter eines dauernden, chronischen Fehlbetrags hatte. Nichts destoweniger hat die Staatgregierung den Weg nicht beschritten, sich sofort in vollem Umfange für diesen dauernden Fehlbetrag neue Einnahmen bewilligen zu lassen. Damals stand ja auch die Reichsfinanzreform bevor, und man wußte genau, daß das Land auch noch andere neue Ansprüche erfüllen mußte. Infolgedessen hat die Staatsregierung sich nur einen kleineren Teil des Fehlbetrages durch neue Cinnahmen decken lassen; den größeren Teil aber hat die Staatsregierung ungedeckt gelassen und zu gleicher Zeit bestimmt, daß durch äußerste Zurückhaltung in

den Ausgaben und durch möglichst pflegliche Behandlung aller Ein⸗

nahmen allmählich dieses Defizit heruntergebracht und getilgt werden sollte. Meine Herren, in dieser Periode befinden wir uns noch heute. Die Einnahmen, die damals als dauernde Einnahmen bewilligt wurden, betrugen insgesamt 67 Millionen Mark und der Fehlbetrag, der im ganzen zu decken war, 166 Millionen Mark. Also es mußte durch äußerste Zurückhaltung in allen Ausgaben dieser Fehlbetrag all. mählich heruntergewirtschaftet werden.

Um dieselbe Zeit machte sich aber noch ein weiterer Uebelstand geltend. Es war seit Jahren, seit einem Dezennium möchte ich fast sagen, immer unangenehmer empfunden, daß die Einnahmen der Eisenbahnen im Verhältnis zum gesamten Staatshaushalt ein viel zu unsolides Fundament bildeten. Die Eisenbahnen bringen in guten Jahren erstaunlich schnelle und immer wieder erhöhte Ein— nahmen, und in schlechten Jahren fallen sie ebenso schnell und ganz unerwartet wieder. Wenn nun mehrere gute Jahre hintereinander kommen, so ist es unausbleiblich, daß beim Vorhandensein dieser großen Einnahmen auch die dauernden Staatsausgaben steigen. Denn wenn die Finanzverwaltung über Geld verfügt, so muß sie den Ansprüchen der anderen Ressorts genügen, und da die Ansprüche der anderen Ressorts fast durchweg gut begründet und dringlich sind, so muß die Finanzverwaltung ihnen Folge leisten und Mittel zur Verfügung stellen. Das hat dann aber die Folge, daß hinterher, wenn schlechte Jahre für die Eisenbahneinnahmen kommen, die dauernden Ausgaben zwar da sind, aber die Mittel zur Bestreitung dieser Ausgaben fehlen. Infolgedessen war schon immer hin und her verhandelt worden, in welcher Weise es möglich set, da— gegen Abhilfe zu schaffen. Die Abhilfe ist dann im Jahre 1910 ge⸗ schaffen worden. Durch einen Etatsvermerk beim Ctat der Eisen⸗ bahnverwaltung wurde bestimmt, es solle nur ein bestimmter prozentualer Betrag der Eisenbahneinnahmen zu den Staats⸗ verwaltungsausgaben verwendet werden; die darüber hinausgehenden Beträge sollten in einem Ausgleichsfonds angesammelt werden zur Bestreitung der Ausgaben in schlechten Jahren.

Meine Herren, die Regelung, die im Jahre 1910 getroffen ist, soll zunächst nur für eine fünfjährige Periode gelten. Man wollte abwarten, wie sich die Dinge dann gestalten würden. Nach meiner Ueberzeugung ist aber eine fünfjährige Periode zu kurz; denn da unser Wirtschaftsleben sich in Wellenbewegungen bewegt, die Kurve einmal aufwärts und hinterher wieder abwärts geht, so ist es bei den heutigen Verhältnissen ziemlich ausgeschlossen, daß innerhalb fünf Jahren diese Wellenbewegung voll erschöpft ist. Ein zehnjähriger Zeitraum würde nach meiner Ansicht sehr viel richtiger und zutreffender sein. Dann könnte man sehen, ob die Einnahmen, die in guten Jahren angesammelt werden, auch ausreichen, um in schlechten Jahren und namentlich mehreren schlechten Jahren hinter— einander einen Ausgleich zu schaffen. Da nun die wirtschaftlichen Verhältnisse außerordentlich günstig geworden sind, so sind infolge dieser Regelung tatsächlich ganz erhebliche Summen in den Aus— gleichsfonds geflossen, obschon bei Aufstellung des Etats für das Jahr 1910 angenommen wurde, daß überhaupt noch nichts in den Ausgleichs⸗ fonds kommen würde man stand damals noch immer unter dem Eindruck der schlimmen Jahre, die gerade zurücklagen hat man am Ende des Etatsjahres 1910 trotzdem dem Ausgleichsfonds einen Be⸗ trag von 71 Millionen Mark zuweisen können, und nach dem vor— läufigen Abschluß des Jahres 1911 der Finalabschluß ist ja noch nicht da kommen etwa 160 Millionen Mark in den Ausgleichs fonds hinein. Veranschlagt waren nach dem Etat nur 32 Millionen Mark. Also es hat sich ein erheblich höherer Reinertrag der Eisenbahnen ergeben, als man ursprüglich angenommen hatte. Nun kann man aber nach meiner Ueberzeugung das Jahr 1911 nicht als typisch für die Eisenbahneinnahmen hinstellen; denn im Jahre 1911 bestand eine Reihe von Verhältnissen, welche ganz außergewöhn⸗ licher Natur waren. Zunächst hatten wir im vorigen Jahre eine ganz außergewöhnlich lange Dürre, welche zur Folge hatte, daß die gesamten Wasserstraßen mehr oder minder versiegten und alle die Güter, die sonst auf dem Wasserwege befördert wurden, auf die Eisenbahnen verwiesen wurden und dort auf weiten Strecken im Lande transportiert werden mußten. Dann kam der Mißwachs in den verschiedenen Provinzen dazu. Der hatte zur Folge, daß aus der einen Provinz in andere Provinzen Lebensmittel, Futter, Getreide usw. transportiert werden mußten. Das hat die Eisenbahneinnahmen im vorigen Jahre ganz außergewöhnlich erhöht. Deshalb kann man nicht ohne weiteres sagen, daß das Jahr 1911 typisch sein würde. Für 1912 haben wir eine Ueberweisung an den Ausgleicht fonds von 57 Millionen Mark veranschlagt. Nun könnte ja der Vorwurf erhoben werden, weshalb diese Veranschlagung nicht gegenüber den großen und steigenden Einnahmen im Jahre 1911 eine höhere wäre. Meine Herren, die Finanzberwaltung war bei dieser Frage an das Votum der CEisenbahnverwaltung gebunden. Die Eisenbahnverwaltung erklärte, die Verantwortung für eine höhere

für den wir ihn halten und als der er uns geschildert worden ist? Das ist der Kernpunkt der Frage.

Höhe gesetzt. Sie mußten in die Höhe gesetzt werden, weil die Ein⸗

Einstellung nicht übernehmen zu können, und infolgedessen war die

können, aufzusammeln sind zu einem Ausgleichsfonds der Eisenbahnen

Finaniwerwaltung außerstande, eine höhere Einstellung vorzunehmen. Wir haben also für 1912 bei dem Etat noch immer mit einem Defizit von 19 Millionen gegenüber einer Ueberweisung an den Ausgleichs⸗ fonds von 57 Millionen Mark zu rechnen. Die übrigen Einnahmen, die wir aus den anderen Betriebsverwaltungen haben, sind in keiner Weise so steigerungsfähig und sprunghaft verschieden, wie dies bei der Eisenbahnverwaltung der Fall ist. Die Einnahmen aus der Forst⸗ verwaltung waren allerdings 1911 auch ganz außergewöhnlich hoch; sie waren auch einmalige Einnahmen, die in den anderen Jahren nicht wiederkehren. Sie wissen ja alle, daß vor einigen Jahren in Ostpreußen ein großer Nonnenfraß stattgefunden hat und daß da riesige Bestände gehauen werden mußten. Der Umtrieb hat in den früheren Jahren stattgefunden, der Kauf⸗ preis war aber vorwiegend auf das Jahr 1911 kreditiert, und 1911 sind infolgedessen außergewöhnlich hohe Preise für Holzerlös ein“ gegangen. Das wird in den folgenden Jahren nicht mehr vorkommen. Die Domänenverwaltung hat nicht steigende, sondern fallende Erträge, weil die Domänenamortisationsrente fällt. Die Bergverwaltung hat zwar ihre Einnehmen, aber sie hat doch nicht so hohe Einnahmen, daß man sagen könnte, daß sie in den folgenden Jahren irgendwie beachtlich für den Staatshaushaltsetat in Betracht kämen. Die eigen⸗ artige Natur der Bergwerke bringt es mit sich, daß man meistens das, was man herausholt, wieder hineinstecken muß, und daß man viele Erweiterungen und Neuanlagen aus laufenden Mitteln vor⸗ nehmen muß, welche die Erträge wieder aufzehren. Wir haben in⸗ folgedessen hauptsächlich nur Einnahmen aus Steuern und Eisen⸗ bahnen. Die Einnahmen aus den Steuern sind in den letzten Jahren erfreulicherweise immer gestiegen. Die Einnahmen aus den Eisenbahnen sind nach der Regelung aus dem Jahre 1910 festgelegt; die bekommt die Finanzverwaltung, ganz einerlei, ob das Jahr gut oder schlecht gewesen ist, nur in bestimmter Höhe. Nun ist, wenn ich den Herrn Referenten recht verstanden habe, die Frage aufgeworfen worden, ob nicht der Ausgleichsfonds allmäh⸗ lich gefüllt wäre und nicht dadurch erhebliche Beträge für allgemeine Staatszwecke frei würden. Meine Herren, im Jahre 1903 ist durch das sogenannte Eisenbahngarantiegesetz bestimmt worden, daß die Ueberschüsse der gesamten Jahresrechnungen im Staatshaushaltsetat, also die Ueberschüsse sämtlicher Ressorts, die in Betracht kommen

bis zu 200 Millionen Mark. Aus diesem Ausgleichsfonds sollten Dispositionsfonds und eventuell Mindererträgnisse der Eisen⸗ bahnen in anderen Jahren bestritten werden, und es sollte auch das Extraordinarium der Eisenbahnen entsprechend auf⸗ gefüllt werden. Nun ist die Frage aufgeworfen worden, ob es überhaupt zulässig ist, dem Ausgleichsfonds, nachdem er den Betrag von 200 Millionen Mark erreicht hat, durch den Etat weitere Summen zuzuführen. Meine Herren, diese Frage muß ich unbedingt bejahen. Es ist durchaus zulässig, dem Ausgleichsfonds trotz des Gesetzes noch etwas zuzuführen, weil das Gesetz in keiner Weise im Wege steht. Dem Ausgleichsfonds sollen nach dem Gesetze die Ueber⸗ schüsse der Jahresrechnungen zugeführt werden, und nur diese Ueber⸗ weisung ist begrenzt. Die Ueberschüsse der Jahtesrechnungen sind aber bis dahin so gering gewesen, daß nur ein einziges Mal ein Defizit aus dem Ausgleichsfonds hat bestritten werden können. Hinterher haben die Mittel versagt, und es war im Ausgleichsfonds nichts mehr vorhanden. Und das war natürlich. Denn wenn Ueberschüsse in der Jahresrechnung waren, wurden die Ansprüche der Ressorts in den folgenden Jahren um so höher, und dadurch die Möglichkeit, die Ueberschüsse zu erzielen, immer geringer. Dagegen ist nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Ueberweisung durch den Etat weder aus⸗ geschlossen, noch begrenzt, sie ist ebenso eine Ausgabe wie jede andere etatsmäßige Ausgabe, die auf Grund eines Etatstitels erfolgt. Die Mittel des Ausgleichsfonds haben wir bis dahin durchaus liquide angelegt. Ein kleinerer Teil wird als Kassenbestand verwendet, und ein großer Teil ist der Seehandlung zur kurzfristigen Anlegung über⸗ wiesen worden. Es bestand zunächst die Verführung für uns, daß wir die Mittel des Ausgleichsfonds zur Verminderung von Anleihen verwendeten, daß wir also bewilligte Kredite nicht ausgaben, sondern den Ausgleichsfonds dazu benutzten. Wir haben uns aber doch gesagt, daß es richtiger wäre, den Ausgleichsfonds liquide zu halten; denn gerade wenn der Ausgleichsfonds in Anspruch genommen werden muß, also in Zeiten des wirtschaftlichen Niedergangs, wo die Eisenbahnein⸗ nahmen plötzlich aufhören, ist es unbedingt notwendig, daß man sofort an die baren Mittel herankann. Deshalb ist der Ausgleichsfonds liquide angelegt.

Nun hat der Herr Generalberichterstatter der Finanzverwaltung den Vorwurf gemacht, daß sie, obgleich die Finanzen ein gutes und glänzendes Bild böten, dem anderen Hause ein Gesetz vorgelegt hätte mit dem Ziele, die im Jahre 1909 bewilligten Steuerzuschläge end⸗ gültig in das Gesetz hineinzuarbeiten und endgültig zu bewilligen. Er hat dabei hinzugefügt, eine Steuererhöhung wäre doch die ultima ratio, die der Staat sich nur für schwere Zeiten aufsparen müßte, und sie wäre zurzeit in keiner Weise notwendig, denn die Finanzen böten ein ausgezeichnetes Bild, es werde nur Thesaurierungs⸗ politik getrieben. Meine Herren, das Wort thesaurieren und Thesaurlerungspolitik“ spielt gerade bei den Eisenbahnfinanzen eine sehr große Rolle, und ich muß ganz entschieden dagegen Verwahrung einlegen, daß auf diesem Gebiete irgendetwas thesauriert ist oder werden soll. Unsere Eisenbahnverwaltung ist ein riesiges Unternehmen, sie ist das größte gewerbliche Unternehmen, welches überhaupt besteht, und sie muß natürlich auch vorsichtig und gesund verwaltet werden. Während jeder Kaufmann Rücklagen nach zwet Rich⸗ tungen macht, einmal für Erneuerung und Ergänzung und zweitens für Entwertung der ganzen Betriebsanlagen, ist bei unseren Staatseisenbahnen nur nach einer Richtung hin gesorgt, nämlich da⸗ hin, daß die Staatseisenbahnen stets neu und vollständig betriebsfähig erhalten werden. Dagegen ist gegen die Kapitalentwertung bei uns nur insofern Vorkehrung getroffen, daß wir das Extraordinarium nicht auf die Anleihe entnehmen, sondern aus laufenden Mitteln be⸗ streiten. Es ist aber unbedingt notwendig, auch gegen die Kapital⸗ entwertungen Vorkehrungen zu treffen, das wird mir jeder zugeben, der sich vorstellt, daß immer neue Erfindungen und Umstände, die die Eisenbahnen weniger ertragreich machen, eintreten können, und die es notwendig machen, daß ein großer Tell der Anlagen überhaupt be⸗ seitigt oder durch andere ersetzt wird. Ich möchte auch darauf hin⸗ weisen, daß die Inbetriebnahme der Kanäle unsere Eisenbahnfinanzen in ganz erheblichem Maße in Mitleidenschaft ziehen wird (hört!

wesentliche Rückschläge zu erwarten sind. Man kann daher in keiner Weise

sagen, daß wir eine Thesaurierungspolitik be⸗ trieben. Wenn man an die Beträge, die man uns als thesauriert bezeichnet, einmal prozentual berechnet, so ergibt sich, daß wir mit der Schuldentilgung zusammen durchschnittlich 1.68 0 für diesen Zweck aufwenden. Das ist doch ein außerordentlich kleiner Betrag. Jener Vorwurf der Thesaurierungspolitik ist auch insofern unzutreffend, als das Kapital der Eisenbahnen, welches aus Anleihemitteln bestritten wird, alljährlich ganz erheblich mehr wächst als dasjenige, das aus laufenden Mitteln aufgewendet wird. Unsere Eisenbahnen haben bisher ein statistisches Anlagekapital von etwa 11 Milliarden Mark. Von diesen 11 Milliarden Mark ist ein Teil, nämlich 7,4 Milliarden noch auf Anleihe gegeben; der übrige ist aus laufeuden Mitteln be⸗ zahlt. Es kommen aber jährlich immer wieder neue Kapitalauf⸗ wendungen für die Eisenbahnen hinzu. Nach der neuen Regelung dürfen wir aus laufenden Mitteln nicht mehr als 1,15 0/0 des stati⸗ stischen Anlagekapitals aufwenden. Dies bedeutet für das Jahr 1912 einen Betrag von 124 Millionen Mark. Dagegen um⸗ fassen die Eisenbahnanleihegesetze für das Jahr 1912 einen Betrag von 336 Millionen Mark. Wenn Sie also die 124 Mil⸗ lionen und die 336 Millionen Mark gegenüberstellen, so werden Sie finden, daß die Anleiheschuld ganz erheblich mehr wächst als diejenigen Beträge, die aus laufenden Mitteln investiert sind. So kann denn von einer Thesaurierung gar keine Rede sein. Eine Thesaurierung hat nicht stattgefunden, sondern nur eine vorsichtige und mäßige Tilgung. Es ist aber für die Staats⸗ verwaltung, die mit ihren Finanzen auf die Sicherheit des Eingangs der Eisenbahneinnahmen angewiesen ist, absolut notwendig, daß ein bestimmtes Verhältnis zwischen den jährlich aufzunehmenden Anleihen und den Aufwendungen aus laufenden Mitteln bestehen bleibt. Es hat sich ergeben, daß die für das Extraordinarium festgesetzte Summe ungefähr das Richtige trifft, und wir einen schweren Fehler begehen und die Sicherheit unserer ganzen Eisenbahnfinanzen schwer gefährden würden, wenn wir weniger aus laufenden Mitteln verwenden wollten. Die Staatsverwaltung muß bei ihren Einnahmen auf ein regelmäßiges Eingehen des Beitrages der Eisen— bahnen rechnen. Wenn aber bei den Eisenbahnen zuviel auf Anleihe genommen und zu wenig aus laufenden Mitteln bestritten wird, dann wird in der Zukunft der Eingang des Beitrages für die Staatsverwaltung gefährdet. Dann sind die Eisenbahnen in Zukunft nicht mehr voll imstande, alles aufzubringen. Die Denkschrift, die zu dem neuen Steuergesetz ergangen ist, weist das schlagend und ein⸗ gehend nach. Ich möchte den Herren empfehlen, sich diese Denkschrift, wenn sie in ihre Hände kommt, darauf anzusehen.

Nun hat der Herr Generalreferent bezüglich der Steuernovelle die Frage erhoben, weshalb wir denn nicht einfach gebeten hätten, die Novelle ein paar Jahre zu prolongleren. Ja, meine Herren, die Staatsregierung war in einer sehr mißlichen Lage. Jetzt, nach drei Jahren, nachdem die Eisenbahnfinanzen noch in keiner Weise nach allen Richtungen hin vollständig klargestellt sind, ist es doch sehr schwierig, zu sagen, die Steuerzuschläge sind für alle Zeit notwendig oder sind es nicht. Wir würden auch mit der Einbringung der Gesetzes⸗ novelle gern noch einige Jahre gewartet haben; aber die Gesetzes⸗ novelle von 1909 hatte eine feste Frist von 3 Jahren vorgesehen, noch dazu mit der Klausel, daß eine „organische Abänderung der Steuergesetze“ innerhalb 3 Jahren dem Landtage vorzulegen sei. Wenn sich daher die Regierung darauf beschränkt hätte, lediglich um eine Verlängerung dieser Frist zu bitten, so würde sie das vorige Gesetz nicht erfüllt, sondern gegen das Gesetz gehandelt haben. Da aber die Verhältnisse so lagen, daß die Staatsregierung z. Zt. auf die Einnahmen aus den Zuschlägen in keiner Weise verzichten kann, mußte sie die Zuschläge in das Gesetz hineinarbeiten.

Der Herr Generalberichterstatter hat ja allerdings unter Hinweis auf die Vorschläge von Exzellenz Kirchhoff nachzuweisen versucht, daß es doch wohl möglich wäre, auf die Zuschläge schon jetzt zu verzichten. Ich muß das entschieden in Abrede stellen. Was Exzellenz Kirchhoff vorschlägt, ist weiter nichts, als daß die Beträge, für welche die Zuschläge jetzt erhoben sind, in Zukunft auf Anleihe übernommen werden. Ich kann natürlich meine Bedürfnisse aus An⸗ leihemitteln bestreiten. Aber welche finanziellen Folgen das nach einer Reihe von Jahren haben muß, kann sich jeder ausrechnen. Der Staatshaushalt wird durch die Verzinsung dieser Anleihen wesentlich mehr belastet, und es treffen alle die Punkte zu, die ich vorher hin⸗ sichtlich des Eisenbahnertraordinarlums ausgeführt habe.

Unser Etat schließt also vorläufig noch mit einem Fehlbetrage von 19 Millionen ab, während auf der anderen Seite der Ausgleichs⸗ fonds einen ansehnlichen Betrag bereits erlangt hat und noch weiter erreichen wird. Ich hoffe auch, daß dieses Jahr das letzte gewesen ist, in welchem ich einen mit einem Defizit abschließenden Etat habe vorlegen müssen, und daß im folgenden Jahre der Etat sich im Gleichgewicht befinden wird. Das werden wir aber nur dadurch er⸗ reichen können, daß, wie wir bisher in den Verwaltungsausgaben die größte Zurückhaltung geübt haben, auch in Zukunft so verfahren werden. Allzu stark kann man in dieser Hinsicht allerdings auch nicht zurückhalten, weil sonst die Kulturaufgaben leiden und auf dem Ge⸗ biete dieser Aufgaben doch alles geschehen muß, was notwendig ist. Andernfalls hätten wir vielleicht schon in diesem Jahre einen im Gleichgewicht befindlichen Etat gebracht.

Ich fasse mich also dahin zusammen:

Die Finanzlage des Staates ist eine durchaus gute, eine durchaus gesunde. Es ist durch eine sparsame Finanzpolltik längerer Jahre ermöglicht worden, die großen Fehlbeträge, welche sich herausgebildet hatten, immer mehr und immer mehr herunterzudrücken, und es ist zu gleicher Zeit auch gegen die schweren Schwankungen in den Eisen⸗ bahneinnahmen die Sicherheit getroffen, daß der Auegleichsfonds hier⸗ für bereit steht. Ich glaube, wenn wir daran festhalten, und diese gesunde Finanzpolitik weiter verfolgen, dann werden die preußischen Finanzen anch in Zukunft gut stehen und gedeihen. (Lebhaftes Bravo.)

(Zweite Rede des Finanzministers Dr. Lentz e).

Meine Herren! Die Königliche Staatsregierung ist die allerletzte, welche nicht dem Blühen und Gedeihen der preußischen Städte die allergrößte Aufmerksamkeit schenkte und nicht aufs freudigste aner⸗ kennte, daß die preußischen Städte auf allen Gebieten etwas Hervor⸗ ragendes und Bahnbrechendes geleistet haben. (Bravo!) Aber, melne

und aufzupassen, daß die kommunalen Finanzen bei dem Blühen und Gedeihen nicht zu Schaden kommen. Der Herr Vorredner hat aller⸗ dings an der Hand einzelner Beispiele darzutun gefucht, als ob der Erlaß, den er zur Besprechung gebracht hat, eigentlich ungeeignet wäre und zeige, daß von der Staatsgregierung doch den Wünschen und Bedürfnissen der Gemeinden nicht genügend Rechnung getragen werde. (Sehr richtig) Gestatten Sie mir, daß ich darauf etwas näher ein⸗ gehe. Wir haben im preußischen Staate Gott sei Dank eine große Anzahl von Städten, aber unter diesen Städten haben wir doch nicht durchweg große Städte, sondern überwiegend mittlere und kleinere Städte. Von allen diesen Städten kommen die Gesuche um die Ge⸗ nehmigung von Anleihen an die Staatsregierung, und da finden sich an der Zentralstelle doch elne ganze Reihe von Bedenken, welche er⸗ geben, daß die Staatsregierung auf dem Gebiete aufpassen und bel der Genehmigung von Anleihen einen etwas strengeren Maßstab an. legen muß, als es mancher Stadt wünschenswert ist. Bei den großen Städten wird auf seiten der Stadtverwaltung auf diesem Gebiete mehr nach den maßgebenden Grundsätzen verfahren, als in den mitt⸗ leren und kleineren Städten, aber auch bei den großen Städten ist das Bestreben, Ausgaben auf Anleihen zu übernehmen, welche eigentlich auf den laufenden Etat zu übernehmen wären, stärker, als der Herr Vorredner angedeutet hat.

Der Herr Vorredner hat davon gesprochen, daß es jetzt allgemein

üblich wäre, daß Sammlungsfonds angelegt und aus diesen

Sammlungsfonds diejenigen Bedürfnisse bestritten würden, welche in

der Zukunft entständen, sodaß Anleihen für solche Zwecke nicht in

Anspruch genommen zu werden brauchten. Ja, die Staatsregierung

würde es mit Freuden begrüßen, wenn solche Sammlungsfonds

überall angelegt würden, sie hat in den letzten Jahren öfter darauf

hingewiesen, es möchten derartige Sammlungsfonds geschaffen werden.

Aber legen Sie die Hand aufs Herz, wieviele Städte haben denn

Sammlungsfonds angelegt? doch sehr sehr wenige. (Widerspruch )

Wo die Bürgermeister wegen der Schaffung solcher Fonds an die

Stadtverordnetenversammlungen herantraten, fanden sie oft dort Widerstand unter dem Hinweis: Steuern auf Zukunft genehmigen

wir nicht. Da ist es nur im Interesse der Stadtverwaltungen, wenn sie bei der Staatsregierung den nötigen Rückhalt haben, daß sie sich darauf berufen können, daß Anleihen für derartige Zwecke nicht ge⸗ nehmigt werden können. ;

Dann ist ferner gesagt worden, die Staatsregierung unterbände den Städten alle freie Entwicklung, indem sie lediglich die Höhe der Schuldsumme ins Auge fasse und nicht berücksichtige, zu welchen Zwecken diese Schulden gemacht würden. Ich glaube, der Herr Vorredner hat in dieser Hinsicht der Staatsregierung bitter unrecht getan. So kurz⸗ sichtig ist die Regierung nicht, daß sie mechanisch die Höhe der Schuld⸗ summe betrachtet, sie läßt sich jedegmal einen ganz genauen Nachweis darüber geben, wozu die Anleihen aufgenommen werden sollen, und wenn sie zu werbenden Zwecken und in vernünftiger Weise verwendet werden sollen, hat die Staatsregierung keine Bedenken, solche Anleihen zu genehmigen. Aber, meine Herren, wie viele von den Anleihen dienen nichtwerbenden Zwecken, die gar keine Erträge einbringen, die zwar vielleicht Ver⸗ besserungen und Verschönerungen zur Folge haben, aber einen Ver⸗ mögenszuwachs oder eine Hebung der Steuerkraft in keiner Weise mit sich bringen. Wenn zu diesen Zwecken Anleihen aufgenommen werden, so schädigt das unter Umständen die Gemeinden.

Die Staatsregierung hat wiederholt Anträge auf Genehmigung von Anleihen bekommen, nachdem fast alle Verwendungszwecke, welche in der Anleihe aufgeführt waren, bereits längst befriedigt und erledigt waren. Die Gemeinden hatten vor Genehmigung der Anleihe die Ausführung schon vorgenommen, die Verträge waren abgeschlossen, die Arbeiten waren ausgeführt undsoweiter, sodaß die Staatsregierung schließlich, wenn sie die Anträge in die Hand bekam, Ja und Amen sagen mußte, weil die Sache schon fertig war. Sie war einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, und das Aufsichtsrecht des Staats war dadurch unmöglich gemacht. Nun soll nicht verkannt werden, daß auch Fälle vorkommen, die der Herr Vorredner schon angeführt hat, wo eine Stadt sich sehr schnell entscheiden muß, ob sie ja oder nein sagen, Verträge abschließen will undsoweiter. Das gebe ich durchaus zu, und auf diese Fälle paßt der Erlaß aller⸗ dings nicht ganz (Zustimmung), und der Herr Minister des Innern und ich sind bereit, in eine entsprechende Prüfung und Deklaration des Erlasses einzutreten. (Bravo) Aber das sind doch nur Aus⸗ nahmefälle. Im übrigen, glaube ich, wird ein jeder, der in der Kommunalverwaltung tätig ist, zugeben müssen, daß auf keinem Ge⸗ biete die Staatsaufsicht notwendiger ist als auf dem Gebiete der Anleihen. Denn die Staatsaufsicht hilft jeder vernünftigen Stadt⸗ verwaltung, gegen unwꝛirtschaftliche Bestrebungen der Stadt⸗ verordnetenversammlungen anzukämpfen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie leicht eine Vorlage angenommen wird, wenn die Mittel aus Anleihen genommen werden sollen. Jeder überlegt es sich sechsmal, wenn die Kosten aus Etatsmitteln bestritten werden sollen, aber wenn die Mittel aus Anleihen genommen werden sollen und es sich deshalb nur um die Zinsbeträge handelt, werden sie sehr viel leichter genehmigt. Also eine Staatskontrolle muß sein, und es ist auch nicht etwa die leidige Konkurrenzfurcht, daß die Ge⸗ meinden auch Anleihen aufnehmen, obschon der Staat und das Reich Anleihen unterbringen müssen, welche zu diesem Erlaß geführt hat, wie der Herr Vorredner meint, sondern die Notwendigkeit, daß auf diesem Gebiet etwas geschehen muß. Es ist nämlich Tatsache, daß in vielen Fällen für Zwecke Anleihen aufgenommen werden, die gar nicht auf Anleihen gehören, und daß da rechtzeitig vorgebeugt werden muß.

Der Herr Vorredner hat davon gesprochen, es würde bei Be⸗ messung des Tilgungssatzes gar nicht gewürdigt, ob die Gemeinden selbst Abschreibungen vornehmen, sondern es würde bloß mechanisch nach der Höhe der schon bestehenden Anleihen gesehen. Zunächst will ich bemerken, daß der Herr Vorredner da nur einige ausgewähl Städte im Auge haben kann. Daß neben der gesetzlichen Tilgung noch Abschreibungen stattfinden, ist nach meiner Kenntnis nicht in großem Umfange der Fall, aber wir wollen auch dem Rechnung tragen und in Zukunft bei den Anträgen auf Genehmigung bon Anleihen genau feststellen, in welcher Weise die Gemeinden Abschreibungen vorn wie die Reservefonds beschaffen sind usw., sodaß auch in der alles geklärt wird. (Bravo h .

ͤ Dann hat der Herr Vorredner einen Fall angeführt, der sich der Bildung einer Kommunalbank in Cöln ereignet hat. Ich leider außer stande, auf diesen Fall einzugehen, er

Herren, die preußische Staatsregierung hat neben der Freude doch die

hört und daß wir aufpassen müssen, ob nicht in der Hinsicht

Aufgabe, die ihr zugewiesene Pflicht zu erfüllen und darüber zu wachen

dem Ressort des Herrn Landwirtschaftzminlsters, und er ist