1912 / 120 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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gegenüber, aber da die Vermehrung der Hengststationen auch Geld

kostet, so muß sie immerhin mit den vorhandenen Mitteln haushalten

und kann nicht überall in der Weise eintreten, wie es vielleicht von den Interessenten nicht mit Unrecht gewanscht wird. Das trifft speniell auch zu auf die Provinz Pommern. Ich konnte bereits in der früheren Beratung darauf aufmerksam machen, daß in der Provinz Ps–!imern die Zahl der den einzelnen Hengsten im Durchschnitt zugeführten Stuten gegenüber anderen Remonteprovinzen eine verhältnismäßig geringe ist. In der Provinz Pommern kommen auf einen Hengst durchschnittlich 43 Stuten, wahrend j. B. in den Bezirken von Ostpreußen die Zahl auf 69, os und nochmals 58 steigt. . hervor, daß in Pommern wenigstens im allgemelnen ein so großes Bedürfnis nach Vermehrung der Hengste nicht vorhanden ist, und ich glaube nicht zu irren in der Annahme, daß es in der Provinz Pommern ganz besonders darauf ankommen würde, die Qualität der Hengste zu vermehren und gleichzeitig, soweit es möglich und erforderlich ist, auch auf die Vermehrung der Privathengsthaltung hinzuwirken. Wir werden im Laufe der Jahre in den verschiedenen Provinzen nicht ohne kräftigere Unterstützung und Förderung der Privathengsthaltung auskommen. Es ist ganz unmöglich, z. B. in der Rheinprovinz und in Westfalen den Bedürfnissen der Pferdezüchter lediglich durch Vermehrung der Beschäler in den staatlichen Gestüten nachzukommen. Ich habe die Herren, die sich mit der Kaltblutzucht befassen, immer wieder auf das Beispiel von Belgien hinzuweisen gesucht, wo ohne jegliche staatliche Hengst⸗= haltung die Pferdezucht zu so großer Blüte gelangt ist, und ich glaube, daß weder die geologischen, noch die klimatischen Verhältnisse in der Rheinprovinz und in Westfalen so verschieden sind, daß nicht auch dort mit entsprechender Unterstützung der Staatsregierung ähnliche Zustände wie in Belgien geschaffen werden könnten. In Provinzen, die sich teils mit der Kaltblut“, teils mit der Warmblut⸗ und Halb⸗ blutzucht beschäftigen, ist es ganz besonders von Wert, die Kaltblut⸗ zucht auf Privathengsthaltung zu basieren und damit in den staat⸗ lichen Gestüten für die warmblütigen Hengste wieder Platz frei zu machen. Von diesem Gesichtspunkte geht die Gestütverwaltung auch ferner aus, und ich glaube, daß sie damit auch in der Lage ist, den berechtigten Wünschen der Pferdezüchter entsprechen zu können. ( Bekfall.)

Herr Graf Seidlitz⸗Sandreez ki: Im Laufe der letzten Jahre hat sich der Rennbetrieb unglaublich gehoben. Indessen ist doch nicht alles so, wie es sein sollte. Wir muͤssen eine Menge nicht gerade hochwertigen ausländischen Materials einführren, um

die vielen Rennen bestreiten zu können. Vielfach ist die Zahl der Rennen für unser vorhandenes Material zu s

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Der Gestütsetat wird genehmigt. Darauf wird gegen 5 Uhr die weitere Beratung des Etats auf Montag 12 Uhr vertagt. Vorher kleinere Vorlagen.

Haus der Abgeordneten. 75. Sitzung vom 18. Mai 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Auf der Tagesordnung steht die zweite und dritte Be⸗ ratung des Gesetzentwurfs über Stärkung des Deutsch— tums in einigen Landesteilen (Besitzfestigungsgesetz).

Justizminister Dr. Beseler:—

Meine Herren! Sowohl bet der ersten Lesung dieses Gesetzes als auch in den Kommissionsberatungen sind vielfach Bedenken geltend gemacht worden gegen die Konstruktion dieser Vorlage vom rechtlichen Standpunkte aus. Ich lege Wert darauf, mich zu diesen Fragen aussprechen zu können, und sehe mich gezwungen, das schon in dem jetzigen Zeitpunkte zu tun, weil ich zur Beratung des Justizetats binnen kurzem im Herrenhause erwartet werde. Ich werde mich rein auf das juristische Gebiet beschränken und diejenigen Punkte hervor⸗ heben, welche soweit ich übersehen kann zum Gegenstand der Erörterung etwa noch kommen können. ö.

Es liegt ein neuer Antrag vor, in dem gefordert wird, daß der jetzige Gesetzentwurf gemäß Artikel 107 der Verfassung zu nochmaliger ie n n gebracht werde. Ich kann dlesen Antrag nur dahin ver⸗

stehen, daß Zwelfel erhoben werden sollen, ob der Artikel 4 unserer

preußlschen Verfassung in Frage gestellt wäre; denn sonst sehe ich keinen Anhalt, wie der Antrag überhaupt motibiert werden könnte. Ich rechne also mit der Möglichkeit, daß auf den Artikel 4 verwiesen würd, und muß deshalb zu dem Antrage schon jetzt sprechen.

Meine Herren, bisher ist bon diesem Artikel bei den jetzigen Ver⸗ handlungen nicht die Rede gewesen, wohl aber vielfach bei früheren Verhandlungen, in denen ähnliche Gesetzentwürfe zur Verhandlung standen. Der Artikel 4 lautet: . Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte finden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind, unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen, für alle daju Be⸗ fähigten gleich zugänglich.

6 früheren Verhandlungen ist gesagt, der Gesetzentwurf verletze estimmung insofern, als hier nicht alle Preußen vom Geseß

finden nicht statt, und alle G dazu haben, nach gleichem Maßsfa

Meine Heiren, aus dlesen Zahlen geht

jeder Preuße einen Anspruch hat auf ne .

n würden. (Sehr nicht zu. Es heißt : Standes vorrechte sie die Eigenschaft erden. Es besteht Inhalt des Artlkels

gleich behandelt, sondern best richtig! bei den Polen.) Diese in dem Artikel , wie ich bereits

eine Auffassung, daß das überhaup

sein solle, daß eben sein Zweck ge beseitigen und wegen der Beamte zworte nur dasjenige,

Andere An⸗

nicht in

einzelnen erlt verde. auch, die . sei es sei im zweiten zer im übrigen solle eit vor dem Gesetz im mn verstanden werden, daß jenigen Einrichtungen, die Das ist unmöglich, das Auslegung, die die Rechts⸗ ist anzunehmen, daß gesagt in den Bereich irgend einer

was nachher im sichten bestehen ie beiden Sätzen dasselbe gesagt, Satz nur ein Beispiel angeführ zum Ausdruck gebracht werden die allgemeinen. Das kann natürlich

etwa das staatliche Leben mit sich bra würde zu Absurditäten führen. N doktrin dieser Bestimmung gegeben sein soll: jeder Preuße soll, wenn Gesetzes anwendung gezogen wird, nicht anders behandelt werden wie jeder andere, also die Anwendung des setzes, sowelt es überhaupt zur Anwendung komme, solle für ihn dieselbe sein wie für jeden anderen. Davon wird hier bei der Vorlage des jetzigen Gesetzes nicht abge⸗ wichen. Es ist ein Hineinziehen des Einzelnen in den Gesetzesbereich erst dann vorhanden, wenn der Staat sich in hertragsmäßige Verbindung mit dem Einzelnen setzt. Tut er das, beginnt er also, wie wir es hier voraussetzen, das Rentengutsbildunggwerk, so ist es sein freier Wille, zu bestimmen, mit wem er verhandeln will, und nur, wenn er mit einem Staatsbürger in Verbindung tritt, muß er dieselben Rechtsgrundsätze gelten lassen, wie bei jedem anderen, mit dem er sich in gleiche Verhandlungen einläßt (Heiterkeit bei den Polen) diese Auslegung ist nicht von mir allein aber er ist nicht gezwungen, jeden, der es verlangt, zur Verhandlung zuzulassen.

Diese Auffassung ist bei den früheren Gesetzen vertreten worden; sie hat die Zustimmung der großen Mehrheit der Parteien gefunden,

und sie ist auch in der Doktrin begründet. Also Art. 4 kommt bei

dem vorliegenden Gesetzentwurf gar nicht in Frage. (Heiterkeit bet

den Polen.) . Des weiteren ist auf die Bestimmungen der Reichsgesetzgebung hingewiesen worden. Es heißt zuerst in Art. 3 der Verfassung:

Für ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaats in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsißz, zum Gewerbe⸗ betriebe, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grund— stücken usw. unter denselbe Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechtsberfolgung und des Rechts- schutzes demselben gleich zu behandeln ist.

Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch die Obrigkeit seiner Heimat oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaats beschränkt werden

Was bedeutet das? Meine Herren: jeder deutsche Staatsbürger kann verlangen, daß er in jedem deutschen Staate bei dem Erwerbe eines Grundstücks ebenso behandelt wird wie die Angehörigen dieses Staates selbst. Er kann also ebensowenig, wie ein preußischer Staatsangehöriger verlangen kann, daß er zur Rentengutsbildung mit herangezogen werde, dieses für sich beanspruchen. Ein solches Recht besteht für ihn ebensowenig wie für einen Preußen. Es ist aber hier nicht etwa gesagt, daß die Angehörigen anderer Staaten anders ge⸗ stellt werden sollen wie die Preußen, und wenn die preuß— schen Angehörigen keinen Anspruch haben, bei Renten— gutsbildungen hinzugezogen zu werden, so hat es auch der nicht, welcher einem anderen Bundesstaate angehört.

In den damit in Verbindung stehenden Bestimmungen des Frei, zügkeitsgesetzes, auf die auch hingewiesen worden ist, heißt es:

Jeder Bundesangehörige hat das Recht, innerhalb des Bundes⸗

gebiets: I) an jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine

eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen im⸗ stande ist; 2) an jedem Orte Grundeigentum aller Art zu erwerben.

Das letztere bedeutet natürlich nicht, daß nun jedermann befugt ist, zu sagen, er wünsche, irgendein bestimmtes Grundstück zu erwerben, und man solle ihm das überlassen. Ein solcher Eingriff in die privatrechtlichen Bestimmungen ist nicht beabsichtigt, sondern es handelt sich hier um verkäufliche Grundstücke. Allerdings darf nicht bestimmt werden: ein Nichtpreuße oder ein Angehöriger des preußischen Staates solle bei diesem Grundstückswerte schon ohne weiteres ausgeschlossen sein. Andererseits ist aber nicht vorgeschrieben, daß jeder das Recht habe, einen anderen zu zwingen zu verkaufen oder, wenn er verkaufen will, gerade an ihn zu verkaufen, sondern diese Disposition bleibt selbstverständlich dem Eigentümer.

Es ist auch, wenn ich mich recht erinnere, gelegentlich gesagt worden, man könne bei den gesetzlichen Bestimmungen, namentlich was die Reichsverfassung anlangt, dahin kommen, daß, wenn etwa ein polnisch Gesinnter in einen anderen Staat ginge und nun von dort aus Ansprüche an eine Rentengutsbildung machte, man ihm nicht entgegenhalten könne, er werde nicht zugelassen weil er polnischer Herkunft set; viel⸗ mehr müsse er zugelassen werden, weil er Angehöriger eines anderen Bundesstaats sei. Das ist durchaus unzutreffend. Er wird, wenn er überhaupt hier in Frage kommt, lediglich deshalb zurückgewiesen, weil der Fiskus ihn persönlich als Käufer nicht will, das ist das Recht des Fiskus, so zu handeln.

Dann ist während der Verhandlung auch davon gesprochen worden, die Art und Weife, wie das Gesetz zur Ausführung gebracht werden soll, sei ein Scheingeschäft; es werde ja gar nicht beabsichtigt, wahres Eigentum zu übertragen an den Fiskus, sondern das sei nur, wie dort gesagt worden ist, eine Schlebung; ein ernstlicher Eigentumserwerb könne garnicht in Frage kommen, denn der Fiskus wolle das Land nicht behalten, bewirtschaften und damtt handeln wie ein Eigentümer. Daben ist jedoch vergessen worden, daß der Hauptinhalt des Eigentums die Verfügungsberechtigung ist. Und diese Verfügungsberechtigung braucht der Fiskus, um die Rentengutsbildung durchzuführen, diese Verfügungsberechtigung ist ein wesentlicher Teil des Eigentums, er muß das Eigentum erwerben, um diese Berechtigung zu haben. Das ist kein Schein, sondern das ist eine Notwendigkeit.

Zum Schluß ist noch hervorgehoben worden, daß die älteren Gläubiger dessen, der ein Rentengut erhält, leicht geschädigt würden (sehr richtig bei den Polen), weil sie beim Steigerlöse nachher um ihre Deckungsmöglichkeit kammen könnten, wenn der Fiskus von seinem Wiederkaufsrecht Gebrauch mache und daher nur ein geringer Erlös eingehe. (Sehr richtig! bei den Polen.) Meine Herren, das ist allerdings insofern richtig, als der ältere Gläubiger sich an einen höheren Steigerlös nicht halten kann, wenn von dem Wlederkaufgrecht Ge⸗ brauch gemacht wird und daher der höhere Erlös nicht eintritt. Durch dieses Vorgehen des Fiskus, dadurch, daß er das Wiederkaufsrecht ausübt, wird aber keineswegs in erster Linie der Gläubiger getroffen, sondern derjenige, der das Rentengut erhalten hat. Die selbst⸗ verständliche Folge ist, daß sein Personalkredit in gewisser Weise beschränkt wird, aber andererseits genießt er die großen Vorteile, welche die ganze Rentengutsbildung mit sich bringt. (Abg. Krawinkel: Sehr richtig ) Und wenn dem Privatgläubiger, der für sein Recht nicht Dinglichkeit genießt,

ein Mehrerlös entgeht, so ist das nichts, was an seinem bestehenden Recht etwas ändert, weil er keinen Rechtsanspruch darauf hat, daß

das Gut zu einem bestimmten Preise verkauft werde. Es ist dagegen schon, auch in der Kommission, erwähnt worden, daß hier, wenn wirklich die Absicht bestände, den Gläubiger zu schädigen, eine An⸗ fechtung möglich wäre. Wenn dagegen erwidert ist, solche Anfechtung sei möglich, aber sehr schwierig, dann liegt der Grund nicht in diesem Gesetze, sondern in unseren gesetzlichen Bestimmungen über die An⸗ fechtung überhaupt. Deshalb kann daraus gegen dieses Gesetz kein Bedenken hergeleitet werden.

Meine Herren, das sind in Kürze die rechtlichen Gesichtspunkte, wie die Staatsregierung sie vertritt, und wie sie früher von ihr ver⸗ treten worden sind mit Zustimmung der überwiegenden Mehrheit im Landtage.

Ich möchte also damit schließen, daß ich beantrage, den vor⸗ liegenden Antrag, der nachher zur Verhandlung kommen wird, abzu⸗ lehnen. Ich halte ihn für ganz außerhalb des Rahmens des jetzigen Gesetzes fallend und daher für unzulässig; ich glaube, daß die recht⸗ liche Grundlage des Gesetzes eine durchaus richtige und vertretbare ist. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen. Zischen bei den

Polen.)

Abg. von Trampez vns ki Pole): Wenn in Oesterreich die Deutschen wirklich einmal dahin streben sollten, mit dem Deutschen Reiche vereint zu werden, so würde es dort niemand einfallen, den Deutschen ihre Rechte zu nehmen. Sollten die Tschechen wirklich einmal in Oesterreich die Macht erhalten und die Deutschen so be⸗ handeln, wie hier die Polen behandelt werden, indem man ihnen ge— wissermaßen empfiehlt, in das große germanische Reich auszuwandern, was würde man dann hier wohl sagen? Wenn jemand ein Grundstück kauft, dann tut er es doch nur aus dem Grunde, weil es ihm gefällt. Wenn unter der polnischen Bevölkerung eine Empörung Platz greift durch solche Behandlung, dann kann man es verstehen. Der Pole haßt das Deutschlum nicht. Er will nur nicht so behandelt werden. Nach den Erklärungen vom Regierungstisch aus können Sie es nicht übelnehmen, wenn wir alle Anstrengungen machen, daß uns unser Volkstum nicht, verloren geht. Der Bericht der Ansiedlungs⸗ kommission gibt kein klares Bild von den Verhältnissen. Der Staat hat durch sie sehr viel Geld verloren. Rechnet man zu den bisherigen Kosten noch die geschenkten Stempel und Gerichtskosten hinzu, so sind mindestens bisher in die Ansiedlungspolitik 700 Millionen hinein— gesteckt worden. Der Justizminister ist unserem Antrage entgegen⸗ getreten, daß wegen . eine nochmalige Abstimmung nach 21 Tagen stattfinden soll. Der zweite Absatz des Artikel 1 der Reichsberfassung ist geradezu vernichtend für die Ausführungen des Justizministers. Das angezogene Urteil des Reichsgerichts beweist nur, daß das Reichsgericht sehr überlastet war. Jeder Winkelkonsulent würde sich schämen, derartige Einwendungen zu machen, wie sie dort gemacht sind. Das ist eine Sophistik, wie sie im Buche steht. Bezüglich des Art. 4 der preußischen Ver⸗ fassung hat sich der Justizminister sehr vorsichtig ausgedrückt und hat gesagt, es besteht eine Auffassung. Die andere Auffassung geht aber dahin, daß der Satz, daß alle Preußen vor dem Gesetz gleich sind, das Fundament der ganzen Verfassung ist. Es werden sich noch Richter in Preußen finden; und dann wird die ganze Gesetzesmache gründlich kompromittiert werden. Unserer Behauptung gegenüber, daß die Festsetzung einer Konventtonalstrafe für den Fall, daß ein Gut wieder an einen Polen zurück— verkauft wird, gegen die guten Sitten verstoße, ist mit einem Hinweis auf ein Reichsgerichtsurteil zurückgewiesen worden. Ich bin gerecht genug, es keinem Deutschen übel zu nehmen, wenn er lieber an einen Deutschen als an einen Polen verkauft. Aber hier handelt es sich doch um die Tätigkeit des Staates, und der Staat darf die Gelder aller Steuerzahler nicht zuungunsten eines Teils der Bevölkerung verwenden. Die Freisinnigen sagen, es handelt sich nur um die Förderung des Deutschtums. Aber wenn eine Nationalität gefördert wird, dann wird eben die andere unterdrückt. Im Mittelalter wurde einmal ein armes Weib als Hexe verschrieen, man schleppte es zum Wasser, um es zu ertränken. Da kam ein Kriegsmann vorüber und sagte: Was macht Ihr da, Ihr wollt das arme Weib in so schmußtzigem Wasser ertränken? Geht doch hin und werft es in ein reines Wasser! Das ist der Standpunkt, den die Freisinnigen uns gegenüber einnehmen. Die Hauptbefürworter der Vorlage sind die Freikonservativen und die Nationalliberalen. Von den Freikonservativen wundert es mich nicht; denn sie kämpfen um ihre Existenz. Von den 13 Mandaten, die sie bei den letzten Reichstagswahlen gerettet haben, sind 8 aus den polnischen Gegenden. Der Abg. von Zedlitz ist am wenigsten berufen, seine monarchischen Gefühle hier zur Schau zu tragen. Trotzdem unsere Stimmungen menschlich berechtigt waren, angesichts der ganzen Bedrückungspolitik gegen üns, haben wir dem Monarchen immer die Ehre erwiesen, die wir ihm schuldig sind. Die ließ aber der Kaiserartikel der ‚Post“ vom 4. August vermissen. Dieser Artikel ist der Ausdruck der ganzen „Post ' atmosphäre. Von den National- liberalen ist uns vorgeworfen worden, daß wir mit den Sozial⸗ demokraten gegangen sind. Wir haben keine große Sympathie mit den Sozialdeinokraten, aber wir finden doch bei ihnen ein gewisses Maß von Opferwilligkeit, eine Portion von Rechtsgefühl. Aber das vermissen wir bei den Nationalliberalen vollkommen. Sie betrachten jedes 1 von dem Standpunkt aus, ob es der eigenen Partei gut er Abg. Schifferer war in der ersten Lesung sehr unvorsichtig, daß er uns den Vorwurf machte, wir ingen mit der Sozialdemokratie. Denkt er nicht an die . tung, seiner Partei im Reichstage bei der Präsidentenwahl ?

icht wir haben für den Abg. Bebel gestimmt, sondern National⸗ liberale! Nicht wir haben für den ä Scheidemann gestimmt, sondern wieder Nationalliberale. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Ich habe Ihnen sehr weiten Spielraum gelassen, aber weder der Abg. Bebel noch der Abg. Scheidemann gehören zu dieser Frage,) Meiner Ansicht nach behandle ich die Stellung der einzelnen

arteien zu uns. Ich habe ausführlich auf die e Tn ir gel in der ersten Lesung Bezug genommen. Die konservative Partei war mit Blindheit, geschlagen, als sie dem Enteignungsgesetze zustimmte. Diese Blindheit ist bis jetzt noch nicht von ihr gewichen. Sie haben einen Präzedenzfall geschaffen, wegen dessen Ihnen vielleicht Ihre Enkel noch einmal fluchen werden. Die, Regierung bemüht 5 selt 1836, die Wurzel unseres Volketums abzugraben. Schaffen. Sie uns doch andere Möglichkeiten, unser Volkstum zu erhalten, 2 Sie uns unsere Sprache, schaffen Sie uns eigene Schulen; dann werden wir uns nicht absondern.

Gesinnung abgesprochen worden. herr gte

Inttum dabel machen. ; Ale Nationalitäten als gleichberechtigt angesehen werden und friedlich

nahrung esn gegen die d

herkngen des A

*

Aber solange Sie uns mit Ausnahmegesetzen belämpfen, können Sie sich nicht wundern, wenn wir uns absondern. Wir haben ein Recht ju leben. Sie nennen es Boykott, wenn wir nur unseren Gewerbe⸗ stand fördern, um unser Volkstum zu erhalten. Es wäre eine Niederträchtigkeit, wenn dieser polnische Boykott bestände, um einen deutschen Gewerbetreibenden zu schädigen; das ist aber nicht beab⸗ sichtigt. Daß die polnische Bevölkerung durch das Anstedlungegefetz verdrängt werden soll, ist immer bestritten worden, wird ken aber zügegeben. Man spricht vom Staakginteresse, das Staatsinteresse ist aber das Interesse al ler Staatsbürger. Wir fürchten, daß die ö gie Sie heute einschlagen, eininal der preußische Staat be⸗ zahlen muß. Abg. Borchardt (Soz); Mit überlegenem Humor wird die Nachwelt auf die Bemühungen herabschauen, uns nach— zuweisen, daß die Polenpolitik und Dänenpolitik auf Gerechtigkeit beruhen. Mit feiner, ausgeklügelter juriftischer Auslegung will man uns beweisen, daß Unrecht Recht sei. Ein Meisterstück dieser Art war die Nede des Abg. Viereck, aber nach, der heutigen Rede des Justisministers weiß ich nicht, wem ich die Palme zuerkennen soll. Für den Abg. Viereck ist es ein Verbrechen, daß die polnischen Fleischer sich vermehrt haben, und ein schweres Verbrechen ist es, daß s Polen gibt, die am Kaisersgehurtetag ihre Fenster nicht illuminieren. Während der Abg. Viereck sonst ein Redner ist, den man nur ver⸗ stehen kann, wenn man sich dicht unter die Rednertribüne stellt, hat er diese Worte so laut gesprochen, daß sie sogar hier auf unseren Plitzen zu verstehen waren und vielleicht auch außerhalb dieses Hauses gehöct werden sollten. Ein Jurist kann alles beweisen, es kommt nicht darauf an, wie man die Gesetze auslegen muß, sondern wie man sie auslegen will, Cs wäre wunderlich, wenn man alle diese Aus⸗ legungskünste unterließe und einfach zugäbe, daß es sich um eine politische . handelt. Die heutige Rede des Justizministers wird noch mehr polnische Arbeiter zu Sozialdemokraten machen. Uns nützt die Polenpolitit auf jeden Fall. Aber auch die Polen handeln falsch, wenn sie immer wieder den Rechtestandpunki hervorkehren; Friedrich Wilhelm 1II. hat allerdings den Polen gesagt, daß sie ihre Nationalität nicht zu verleugnen brauchten, aber ein solches Ver⸗ sprechen kann doch nicht die Politik für ein ganzes Jahrhundert be—⸗ stimmen. . einfach nicht. Wer glaubt denn fonst an ein diplomatisches Versprechen? Solche Versprechen werden nur ge⸗ halten, solange die Machtverhältnisse dazu zwingen. Auf dem Gebiet der juristischen Zwirnsfäden kann die Polenfrage nicht gelöst werden. Die Polen sollen dankbar sein dafür, daß Preußen sie erst auf eine Kultur-

stufe gehoben hat. Ein Artikel in den „Grenzboten“ von 19608, einem

konserbativen 6 dessen Verfasser ein wahrscheinlich auch konserva—⸗ tiver Herr von Massow ist, weist aber darauf hin, wie die Polen eine eigene reich entwickelte Literatur und Kunst haben, wie sie nationgles Pflichtgefühl, Treue und Opferwilligkeit haben. Sodann gibt man die Existenzfrage in den Vordergrund und be⸗ hauptet, daß die Polen wieder ein eigenes Volk bilden und den preu⸗ r Stgat gefährden wollen. An diesem Nationalgefühl der Polen ollten doch diejenigen keinen Anstoß nehmen, die fo gern ihr Na— tionalgefühl im Munde führen. Wenn die Polen sich von der Unter— drückung befreien wollen, kann man nicht von Hochverrat sprechen. Die Rede des Abg. Schifferer am 9. Mai hat leider ein so tra⸗ gisches Ende gefunden, daß es mir besonders leid tut, sie nicht zu Inde gehört zu haben. Der Abg. Schifferer hielt den Polen ibr , Zusammengehen, mit der Sozialdemokratle vor. Wir Sozialdemokraten haben eine internationale Gesinnung, billigen jeder Nation ihr Recht zu und können gerade deshalb die Polen unterstützen. Aber gerade darum haben wir auch ein Recht, den Polen zu sagen, daß sie die Hand von Bestrebungen lassen sollen, die zum Krieg, zum Mord und Totschlag führen können. Für uns brauchte es aus allen diesen Gründen wegen der 33 Mil⸗ lionen Polen, die es im ganzen Deutschen Reiche gibt, keine Polenfrage zu geben; die exorbitante preußische Unfähigkeit zu regieren ist die wahre Ursache der Polenfrage. r er zeigen ung die ing in Elsaß⸗Lothringen, das doch in der Tat ein deutsches Land ist, in dem es aber noch immer die frangö⸗ ichen Bestrebungen gibt. Herr Glatzel und Herr von Zedlitz haben nichts gegen die Enteignung solcher Besitzungen, deren Be— sikzer im Auslande leben, weil das unpersönliche Einnahme⸗ suellen sein würden, die da enteignet würden. Wenn Sie diesen Grundsaßß allgemein einführen wollten und nicht nur in Aus— nahmegesetzen, daß alle unpersönlichen Einnahmequellen enteignet erden, wie z. B. die Einnahmequellen der Banken usw., so würden Sie dazu, die volle Zustimmung der Sozialdemokraten haben. Der Minister erwähnte, daß viele Deutsche polonisiert würden, aber z gibt guch Polen, die germanisiert sind; ich brauche nur an die Namen Podbielski, Posadowsky zu erinnern. Mit der Zeit könnte man die Polen ganz und gar, germanisieren. Sonst kann man in seinem arischen Bewußtsein nicht weit genug von den Juden ab— rücken, aber in der Ostmark werden mit einem mal die Cpan⸗ ELllischen und Juden gemeinsam als die echt Deutschen gezählt. Fsalsch wäre es, wenn man die Blamage, der sich Preußen mit feiner polenpolitik fortgesetzt ai , den Ministern allein zur Last legen wollte; nein, diese Politik ist die Politik der herrschenden Klassen, und, dann gewinnt die Polenfrage ein anderes Bild. Die polen gewähren zu lassen, liegt nicht im Interesse derjenigen Lute, die in Preußen die Macht haben. Da fallen einem die hohen Güterpreise ein, die durch die Schikanierungen der Polen hervor— rufen worden sind. Und deshalb müssen wir Protest gegen die polenpolitik einlegen. Der Abg. von Zebfitz hat in der deutlichen Ubsicht, uns zu provozseren, Schmähüngen gegen unferen Freund Scheidemann ausgesprochen. Das sind einfach Beleidigungen. Wir lassen uns aber nicht provozteren, es fällt mir nicht ein, darauf zu ntworten, schon weil dann der Ton in diesem Hause wieder Schaden leiden würde. Wir stehen turmhoch über solchen Schmähungen. Aber wenn einer von uns das Herrenhaus kritisiert, werden wir unterbrochen und ermahnt, das andere Haus nicht zu kritisieren. Das dere Haus nimmt diese Rücksicht nicht, dort hat gesterm gegen

ieses Haus der Herr von Buch gesagt .. . (Vizepräfident Dr. Porsch

bittet, dabon nicht zu sprechen.) Es ist nur ein kurzes Zitat.. kesagt, daß der Etat nicht rechtzeitig fertig würde, weil in disem Hause zuviel geredet sei. Das richtet sich gegen uns. Dort wird natürlich niemand unterbrochen, wenn er uns angreist. Auch hier ist der Abgeordnete von Zedlitz nicht unterbrochen worden, als er meinen Freund Scheidemann beschimpfte, aber wir werden

immer unterbrochen. Das zeigt wiederum, daß hier mit zweierlei

Naß n. wird. e

Abg. Nissen (Däne): Mit ganz winziger Begründung hat die Haierung dieses Ausnahmegesetz eingebracht; gerade in bezug auf die Dänen steht die Begründung auf wackligem Sandboden. Es scheint

gaist, als ob in Nordschleswig Deutsche und Dänen Grundbesitz nur

werben, um sich gegenfeitig zu ärgern. Nein, so liegt die Sache nicht. Deutsche und danische Ausiedler wollen in Frieden miteinander ben. Assfe Staatsbürger sollen bor dem Gesetz gleich sein, der Staat hat kei Fecht, einem Teil der Staatghüͤrger den Grund. werb zu erschweren. Man verlangt von den Dänen, daß sie eine

Knatzerhalten de Gesinnung haben sollen; was aber staatserhaltende

esinnung ist, das hängt dapon ab, wie der gerade regierende Landrat rüber denkt., Ist doch auch dem Zentrum schon die jtagtgerhaltende ollen Sie dieses Gesetz nicht aus t verwerfen, so müssen Sie es gus . tun. Es ist Et alle ein schlechteß Geschäft, und daz schlechteste Heschäft wird das Es wird doch einmal die Zeit kommen, wo

; nitelnander leben können.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Abg. Freiherr von Zedlitz (freikons., persönlich): Ich lege Ver⸗

ö des Abg. Borchardt, daß d ohe, gba ö. provozteren wollen. Wer nur einen Funken von National⸗ fühl hat, wir 5 wie ein deutscher Mann über die gestrigen bg. Scheidemann denken muß. Ich lege auch erwahrung ein gegen die Behauptung, daß ich die Sache nicht

sich dies, so ist der

Bei der von polnischer Seite beantragten namentlichen Abstimmung über Artikel 1 werden 113 Stimmen dafür und 86 Stimmen dagegen abgegeben; das Haus ist also nicht beschlußfähig. Für den 8 1 stimmen geschlossen die beiden konservativen Parteien und die Nationalliberalen; dagegen ebenfalls i Hoffen die übrigen Parteien.

Vizepräsident Dr. Porsch beraumt die nächste Sitzung auf 3. Uhr an mit derselben Tagesordnung, jedoch mit der Aenderung, daß das Besitzbefestigungsgesetz an den Schluß der Tagesordnung gerückt wird.

Schluß: 2 Uhr 55 Min.

76. Sitzung vom Sonnabend, den 18. Mai 1912, 3 Uhr. Am Regierungstische; Staatsminister und Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach.

Vizepräsident Dr. Porsch eröffnet die Sitzung pünktlich um 3 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung des Eisenbahnanleiheg esetzes, das von der Budget— kommission mit einer unwesentlichen Aenderung angenommen ist. Der auf die Elektrisierung der Berliner Stadt-, Ring⸗ und Vorortbahn bezügliche Teil der Vorlage ist ganz aus⸗ geschieden und einer besonderen Kommission überwiesen worden.)

Die Vorlage enthält zunächst die Forderung für weitere Kosten von 14 Millionen Mark für die Hauptbahn Nienburg a. Weser Minden i. W, für den Grunderwerb . eine Haupthahn von Dort⸗ mund (Preußen) nach Münster i. W. von 3 Millionen Mark und für weitere Kosten von 16.383 Millionen Mark für die Haupthahn von OberhausenWest nach Hohenbudberg ein— schließlich einer neuen Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Ruhrort. .

Abg. Strosser (kons.): Ich habe am 20. April hier die Grafensiadener Angelegenheit zur Sprache gebracht und muß heute nach, den Verhandlungen im elsaß⸗ lothringischen Landtage und im Neichstagę namens meiner Freunde noch̊mals darüber sprechen. Der elsaß⸗lothringische Landtag hat eine Resolution gefaßt, von der die Regierung selbst gesagt hat, daß sie vom einseitig elsaß⸗lothringischen Standpunkt gus gefaßt ei. ir im preußischen Landtag können wohl mit Recht darüber empört sein, daß man in jenem Landtage eine solche Sprache gegen uns geführt hat. Der Abg. Scheidemann hat gestern im Reichstag gefagt, daß ei Denunziation der rheinisch-westfälischen Konkurrenz und die Geheim⸗ nr f ß eines exzellenten äpitzels diese Angelegenheit n. Fluß gehracht habe. Er hat ferner hon dem „angeblich deutsch— feindlichen Direttor . Und darauf seine Beweise aufgebaut. Wenn der Abg. Borchardt heute sagt, daß der Abg. von Jedi das Niveau des Hauses herabgedrückt habe, so frage ich, wer wohl weniger recht haben kann, darüber zu reden als gerade der Abg. Borchardt. Lesen Sie die Rede des Abg. Scheidemann im Reichs⸗ tag, und ich frage, wie überhaupt das Niveau eines Parlaments tiefer herabgedrückt werden kann als durch folche Reden, und ob nicht jedem Preußen die Schamröte ins Gesicht steigen muß? Wir sind hier das preußische Parlament, obwohl der Abg. Scheidemann die Stirn gehabt hat, davon zu reden, als seien wir alle, mit Ausnahme der sechs Sozialdemokraten, gar keine Abgeordneten. Das wagt man im Reichstage dem Preußischen Parlament zu sagen. Was die „angebliche“ Deutschfelndlichkeit des Direktors von Grafen— staden betrifft, so verweise ich auf das, was der Reichskanzler gestern im Reichstag darüber gesagt hat. (Redner zitiert die Aeußerungen des Reichskanzler im Wortlaut) Wir können diese Er— klärungen des Reichskanzlers nur mit hoher Genugtuung und Freude begrüßen, und wir hier im preußischen Parlament haben alle Ursache, uns mit der Angelegenhelt auch unsererseits zu beschäftigen. In dankenswerter Weise hat der Eisenbahnminister in der Budgetkommission eine ähnliche Erklärung abgegeben. Meine Freunde, und ich glaube, mit Ausnahme der wenigen Sozial⸗ demokraten auch das ganze Haus, stehen hinter der preußischen Staatsregierung, wenn sie einen solchen Standpunkt einnimmt. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, mit dafür einzustehen, daß nicht Firmen Aufträge von der Staatsverwaltung erhalten, die sich in solcher Weise geradezu befleißigen, den preußischen Staat und das Deutsche Reich zu bekämpfen, wie es hier in ünverantwort— licher Weise geschehen ist. Im elsaß⸗lothringischen Landtage ist durch die Regierung besonders darauf hingewiesen worden, daß in dieser Fabrik Leute beschäftigt wurden, die sich später der Fahnen flucht bezw. der Entziehung der Wehrpflicht schuldig gemacht haben und dann. jenseitß der Grenze, auf franzoͤsischem Boden in einer Filiale der Fabrik sofort wieder angestellt wurden. Wenn solche Dinge von einem Direktor geschehen können, so ist es selbstverständliche Pflicht der Regierung, zu fordern, daß, wenn das Werk noch weitere Staatslieferungen erhalten will, der Direktor unter allen Umständen verschwinden muß, Es liegt uns fern, in irgendeiner Weise zugunsten von altdeutschen Firmen einseitig dafür einzutreten, daß elsaß-lothringischen Firmen Aufträge entzogen werden. Aber wir fordern, daß diese Firmen nicht bloß deutsch sind, sondern auch sich von jeder deutschfeindlichen Bestrebung fern halten. Wir wollen als en, Abgeordnete hier diesen preußischen Standpunkt unter allen Umständen frei und offen zum Ausdruck bringen.

Abg, Freiherr von Zedlitz (freikons.): Auch ich habe im Auf— trage meiner Freunde die Grafenstadener Angelegenheit zu besprechen. Mit, dem Abg. Scheidemann beschäftige ich mich nicht. Nach den Erklärungen des Reichskanzlers steht . daß die Fabrik in Grafen⸗ 6. unter Führung des Direktors geradezu ostentativ deutsch⸗ Eindliche Gesinnungen nach allen Richtungen bestätigt hat. Da ist es ngtionale Pflicht der preußischen wie der Reichsregierung, die geschäftliche Verbindung aufzugeben und der Fabrik keinerlei Aufträge mehr zukommen zu lassen. Die Eisenbahnverwaltung hat völlig korrekt gehandelt, daß sie die Aufträge zurückhielt, bis die Verhandlungen über eine Besserung in der Haltung der Fahrik zum Abschluß gebracht wären. Gine olche Verständigung ist noch nicht erzielt, die Fabrik weigert sich, den Direkfor zu entlassen, und nach den heutigen Morgenblättern ist die Verständigung ge⸗ cheitert, weil die Fabrik irgendeine Aenderung ablehnt. Bestätigt Augenblick gekommen, die Aufträge t. Fabrik zu reservieren, sondern ste definltiv anderen Fabriken zu übertragen. Das ist eine nationale Pflicht, und ich hege keinen Zweifel, daß die Essenbahnverwaltung in diesem Punkte ihre volle Pflicht tun wird. Wenn hedauerlichermweife dadurch die Arbeiter Schaden erleiden sollten brotlos werden sie ja wohl nicht weiden, sondern sie werden an

nicht mehr für die

anderen Stellen Beschäftigung finden —, so trägt dafür allein die 1 ; * die de

Verantwortung die Fahrikkeitung, utschfeindliche Gesinnung y hat. Meine Freunde rel, der , die volle Anerkennung für ihr Verhalten in diesem Falle und das dolle

gar kein Zweifel bestehen.

Vertrauen aus, daß sie auch in der Folge die Ehre und die nationalen Interessen Deutschlands zu wahren wissen wird. Was die Eisenbahn⸗ vorlage betrifft, so enthält sie erfreulicherweise die große Forderung von 112 Millionen Mark für die Verstärkung des Fuhrparks. Das wird im Herbst wohltätig empfunden werden. Die volle Zulänglich⸗ keit des Wagenparks ist die Voraussetzung für die richtige Bedienung des Verkehrs.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Es kann mich nur mit Genugtuung erfüllen, daß im preußischen Abgeordnetenhause die Grafenstadener Angelegen⸗ heit in der Form, wie es eben geschehen ist, zur Sprache gekommen ist. Ueber die Stellungnahme des preußischen Ministers und des Chefs der Reichseisenbahnen konnte von Anbeginn in dieser Frage Er mußte auch den Weg gehen, den er gegangen ist, nämlich die Feststellungen, da es sich zweifellos zugleich um eine erhebliche politische Frage handelte, durch die Landes— regierung vornehmen zu lassen und diese, wie dies unter Bundes regierungen üblich ist, um die Vornahme dieser zu ersuchen. Der Vorstand der Gesellschaft hat es vorgezogen, den Weg, der für ihn der gegebene war, nicht zu gehen. Die Angelegenheit ist im elsaß⸗lothringischen Parlement, in der Zwelten Kammer, in der bekannten Weise behandelt worden, wie ich in Ueber⸗ einsätimmung mit den Herren Vorrednern feststelle, ohne daß die geringste Neigung vorhanden war, die schwierige und doch so einfache Frage objektiv nach allen Richtungen würdigen zu wollen. (Hört! hört! rechts) Der größte Teil des Parlaments hat damit nationalistischen Bestrebungen Vorspann geleistet. Dieses ist die einzige Wirkung des einmütigen Beschlusses des Parlaments. Ich habe aus diesen Verhandlungen keinen Anlaß nehmen können, meine Haltung zu ändern (Bravo!); im Gegenteil, ich habe, wie ich dies schon gestern in der Kommission mitgeteilt habe, die Generaldirektion der Reichseisenbahnen nunmehr beauftragt, dem Vorstand mitzuteilen, daß der leitende Direktor, den wir für diese deutschfeindliche Haltung der Fabrik verantwortlich machen müssen, innerhalb kurz bemessener Frist zu entlassen sel, daß Vorsorge getroffen werde, daß er in keine Stellung wieder gelange, die ihm irgend— welchen Einfluß auf das Unternehmen gestattet, und daß ferner innerhalb zweier Wochen nach Behändigung der Erklärung der Vorstand sich über Annahme oder Ablehnung schlüssig mache. (Abg. Hoffmann: Ist das nicht Terrorismus? Lachen rechts.) Sollte die Erklärung des Vorstands negativ ausfallen oder nicht innerhalb der Frist erfolgen, dann wird die Vergebung der zurück= gehaltenen Aufträge erfolgen und muß erfolgen an andere Stellen. (Bravo! rechts) Dann aber können wir auch sagen: die Verant— wortung für dieses ungeheuerliche Vorgehen trifft allein die Fabrik— leitung (lebhafte Zustimmung),R die Verantwortung dafür, daß ein Stamm von Arbeitern zeitweilig in Verlegenheit geraten kann. Ich bemerke, daß die Grafenstadener Fabrik eine Arbeiterschaft von rund 2000 Köpfen beschäftigt, und daß davon etwa die Hälfte im Loko⸗ motivbau tätig ist. (Abg. Hoffmann: Hört, hört Den weiteren Wunsch des Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz, daß die Staats⸗ eisenbahnverwaltung für die den Verkehrsbedürfnissen entsprechende Entwicklung ihres Betriebsparks, seien es Lokomotiven, seien es

Wagen, zu sorgen hat, diesen Wunsch bestätige ich wiederholt als

durchaus berechtigt. liberalen.)

Abg. Dr. Röchling (nl. ): Auch ich bin von meinen Freunden beauftragt worden, der Regierung für ihre Haltung unsere volle Anerkennung auszusprechen. Die Fabrik hätte sich solches Ver⸗ halten nicht leisten dürfen, wenn Elsaß noch unter französischer Herrschaft wäre. Die preußische Regierung hat große Rücksicht geübt, sie hat aber nur Schimpf und Schande dafuͤr erfahren. Bas muß uns Preußen mit größter Entrüstung erfüllen. Wir billigen die Haltung der Regierung und bitten sie, daran festzuhalten, daß sie ein Hort nationgler Gesinnung bleibt. Wir wollen nicht Gelder ausgeben, um eine deutschfeindliche Gesinnung zu bezahlen. (Abg. Doffm ann: Bestellte Wbeit h Abg. Hoffmann, ich lasse mir von dem preußischen Minister keine Arbeit bestellen, und der Minister bestellt bei mir keine Arbeit. In der ersten Lesung hat der Minister mir das Kompliment gemacht, daß ich in meinen Eisenbahnwünschen konsequent bin; ich kann ihm das zurückgeben. Ich meine, daß die Auffaffungen des Ministers über die Verbindung zwischen der Ruhr und der Mosel nicht ganz zutreffend sind. 1908 hat der Minister auf den durch⸗ . Ruhrkohlenberkehr von Nordwesten nach Süädwesten großes

ewicht gelegt und erklärt, daß die Brücke bei Oberhausen dazu not⸗ wendig sei. Später ist die Ansicht eine andere geworden, aber heute sieht man ein, daß man doch neue große Aufwendungen machen muß, um den Verkehr zwischen Nordwesten und Südwesten zu verbeffern. Der Rhein⸗Hannover Kanal wäre viel rentabler geworden, wenn er 10 oder 15 Jahre fruher gebaut worden wäre, Er ist viel zu spät gebaut. Ich. muß mich salvieren, ich kann nicht die Verantwortung für eine Politik übernehmen, die mit großen Kosten Eisenbahnen über die Gebirge bauen will, um die Kohlen zu transportieren, während eine einzige Wasserstraße, die Kanalisierung der Mofel, dafür genügt hätte. Ich stimme gegen die Forderung für den Bau der Linie Oberhausen Hohenbudberg.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Aus den Schlußworten des Herrn Vorredners darf ich schließen, daß er gegen die Verstaatlichung der Bergheimer Krelsbahnen und der Mödrath⸗Liblar⸗Brühler Bahn stimmen werde, auch gegen die Erweiterung des Bahnhofs Hohenbudberg und damit Zusammen—⸗ hängendes. Meine Herren, wenn wir von der Frage der Kanalisierung der Mosel völlig absehen, so würde die Königliche Staatsregierung unter allen Umständen eine Vorlage wegen Erwerbs dieser beiden Privatbahnnetze gemacht haben; ebenso wäre sie verpflichtet, für die Ausgestaltung der Bahnlinie von Oberhausen West nach Hohen- budberg dieselben Beträge anzufordern wie geschehen. Ich glaube, daß der Herr Abg. Röchling gegen Windmühlen ficht. Wir haben den Erwerb dieser beiden Privatbahnnetze in Aussicht genommen, weil der Verkehr auf den Linien derselben sich ganz ungewöhnlich ent—⸗ wickelt hat, bedingt durch die Entwicklung des rheinischen Braun⸗ kohlenreviers, welche eine über dle Erwartung aller Sachverständigen hinausgehende gewesen ist. Die schnell steigende Bedeutung dleses Privatbahnnetzes hat zur Folge gehabt, daß sich zwischen den Staats⸗ bahnen und diesen Privatbahnen enge und vielseitige tarifarische Wechselbeziehungen gebildet haben, die sogar weit über die Staats- bahnen hinausgehen bis ins Ausland, und diese Wechselbeziehungen haben wieder zur Folge wenn Herr Dr. Röchling in der Kommission gewesen wäre, hätte er gleichartige Ausführungen höten

können daß die Staatsbahnen veranlaßt, geradezu gendtigt

(Lebhafter Beifall rechts und bei den National .

ihren Wagenpark für den Verkehr des Privatbahnnetzes zur Ve fügung zu stellen. Bei solchen Anlässen ist das Gegebe ze nachdem wir nun einmal das Staatzeisenbahnmonopol besitzen.

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daß man die zwischenliegenden Pripatbahnen für den Staat erwübt.,