1912 / 121 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Beratung des Etats des Ministeriums des Innern vor derjenigen des Kultusministeriums vorzunehmen, da ein Teil der Herren morgen nicht mehr in Berlin anwefend ist. (Prä⸗ sident von Wedel spricht die Hoffnung aus, beide Etats heute schon zu erledigen.)

Ueber den Etat der Ansiedlungskommission für West⸗

32 1911 über die n mn, des Gesetzes, betreffend die

eförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen West⸗

preußen und Posen, vom 26. April 1886 nebst Aenderungs⸗ und Ergänzungsgesetzen vom 20. April 1898, 1. Juli 1902 und 20. März 1908 berichtet

Herr Dr. Lucius von Ballhausen und beantragt, die Denk⸗ schrift durch Kenntnignahme für erledigt zu erklären. Er teilt mit, daß nach einer Erklärung des K wahrscheinlich schon in der Herbstsession das in Aussicht gestellte Parzellierungsgesetz dem Landtage vorgelegt werden wird.

Herr Dr. Wil ms⸗Posen: In der Verteilung won Stellen ist in den letzten Jahren gegen früher ein Rückgang eingetreten. Am 1. April 1912 standen ungefähr 21 0900 ha zur Verfügung. Das ge gt für ein Jahr, aber es ist zu befürchten, daß noch ein weiterer Rückgang eintreten wird. Der Minister hat im Abgeordnetenhause die Ansicht vertreten, daß nur in Fällen der Veräußerungen von der Ent— eignung Gebrauch gemacht werden solle. Ich habe ja nicht die Ab— sicht, auf die Staatsregierung zur Anwendung des Enteignungs⸗ esetzes zu drängen, denn sie trägt eine sehr große Verantwortung. Ile all habe ich zu dem Minister das Vertrauen, daß er an der bisherigen Ostmarkenpolitik festhalten wird. Die Tätigkeit der An⸗ siedlungskommission ist tatsächlich noch die einzige Möglichkeit, eine deutsche Majorität auf, dem Lande dauernd zu gewährleisten. Die Kulturpolitik muß beiden Nationen zugute kommen. Die deutsche Frage zu fördern ist nur möglich durch Festhalten an der Ost⸗ markenpolitit.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Der Herr Berichterstatter hat mit vollem Recht hervorgehoben, daß in den Fragen der Polen- und der Ansiedlungs⸗ politik nicht der einzelne Minister und auch nicht der Herr Minister⸗ präsident, sondern das ganze Staatsministerium die Entschließungen zu fassen und die Entscheidung zu treffen hat, und daß deswegen auch die Verantwortung für das, was geschieht, und für das, was unter⸗ lassen wird, nicht den einzelnen Ressortchef, sondern das ganze Staats⸗ ministerium trifft. Ich will mich nun, dem Beispiele des Herrn Vorredner folgend, darauf beschränken, die Denkschrift der Ansiedlungs⸗ kommission und die Frage der Enteignung kurz zu besprechen, und ich verzichte darauf, nachdem es bereits in den letzten Monaten an ver⸗ schiedenen Stellen meinerseits geschehen ist, nochmals im allgemeinen die Stellungnahme der Staatsregierung zur Frage der Polenpolitik darzulegen.

Meine Herren, was die Denkschrift der Ansiedlungs— kom mission angeht, so ist durch die für das Jahr 1911 mitgeteilten Zahlen der Beweis geliefert worden, daß die Ansiedlungstätigkeit ohne nennenswerte Einschränkung auch im letzten Jahre fortgesetzt werden konnte. Meine Herren, das Jahr 1911 steht mit 1826 Ver⸗ tragsschlüssen und 1443 endgültig genehmigten Verträgen über Ein⸗ siedlerstellen verhältnismäßig mit am günstigsten im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren, vor allen Dingen auch deshalb, weil gerade in diesem Jahre sehr wenig Pachtstellen gegenüber dem Vorjahre zu verzeichnen sind. Wenn Sie z. B. auf die Jahre 1905, 1906, 1907 und 1908 zurückgehen, wo jedesmal die Zahl der Vertrags⸗ schlsse über 2000 betragen hat und die Zahl der genehmigten Verträge über 1500, so sind in allen diesen Jahren zwischen 3 und 400 Pachtstellen vergeben worden, also erheblich mehr als gerade im letzten Jahre, wo 1443 endgültige Verträge abge— schlossen wurden, unter denen sich nur 167 Pachtverträge befanden. Was zu Bedenken Anlaß geben kann, daß ist einzig und allein die Frage des Landbedarfs. Es ist ohne weiteres zuzugeben und auch aus der Denkschrift klar ersichtlich, daß der Landvorrat der An⸗ siedlungskommission sich in den letzten Jahren erheblich vermindert hat. In den früheren Jahren ist man davon ausgegangen, daß für die Besiedlung eines Jahres ungefähr 20 000 ha erforderlich seien und daß man das doppelte und wenn möglich das dreifache dieses Landes zur Besiedlung in Vorrat halten miüsse. Daher erklärt es sich, daß die Ansiedlungskommission elne Reihe von Jahren hindurch immer zirka 60 000 ha Land zur Verfügung gehabt hat. Meine Herren, die Verhältnisse haben sich notwendiger Weise in dieser Beziehung geändert! Es ist nicht mehr möglich gewesen, in der Weise zu kaufen, wie es früher der Fall war. Ich brauche nicht näher darauf einzugehen, wie hoch die Preise in der Zwischenzeit geworden sind, wie es der Ansiedlungskommission immer schwerer geworden ist, zu einigermaßen vertretbaren Preisen zu kaufen. Das sind Erscheinungen, die nicht allein, wie vielfach be⸗ hauptet wird, zurückzuführen sind auf die Tätigkeit der Ansiedlungs⸗ kommission oder besonders auf den Umstand, daß die Ansiedlungs⸗ kommission polnischen Besitz nur selten mehr erwerben konnte. Gewiß hat das leider mitgewirkt, aber wir stehen doch

im ganzen Osten vor der Tatsache, daß die Güterpreise eine ganz erhebliche Höhe gegen die früheren Jahre er—⸗ reicht haben; ich brauche nur auf die verschiedenen Besiedlungs⸗ gesellschaften in Ostpreußen, Pronnmern und auch im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. hinzuweisen, um den Beweis zu liefern, daß auch diese Ansiedlungsgesellschaften in Bezirken, wo eine polnische Kon⸗ kurrenz gar nicht in Frage kommt, kaum mehr in der Lage sind, Güter zu einem Preise zu erwerben, der die Ansiedlung von Bauern und Arbeitern ermöglicht, und infolgedessen auch ihrerseits an den Domäanenfiskus herantreten und um Hergabe von Domänen bitten. Also in der Beziehung bieten die Zustände in der Provinz Posen kaum ein wesentlich schlechteres Bild. Nun kommt aber auch noch eins hinzu, was die Ansiedlungskommission berechtigen konnte, im Landankauf etwas zurückzuhalten. Bei der zunehmenden Kultur und Entwicklung, die die Provinz Posen in den letzten Jahren genommen hat, ist es selbstverständlich, daß die Beschaffenheit der Güter im großen und ganzen sich gebessert hat, Meliorationen sind in großer Zahl durchgeführt, Drainagen ge⸗ schaffen worden. Infolgedessen und darauf kommt es gewiß an ist es der Ansiedlungskommission möglich, solche Güter zu kaufen, die sofort oder in verhältnismäßig kurzer Zeit besiedlungsreif sind. Das arar früher nicht der Fall. Die Ansiedlungskommission mußte be⸗ so. ders bei den Gütern, die sie in den ersten Jahren gekauft hatte / een rechnen, es poraus sichtlich erst in zwei oder drei Jahren nbalich sein würde, sie so in Stand zu setzen, Heß die Ansiedler darauf mit Erfolg weiter arbeiter lenzten. Im lezten Jahre sind aber

. und Posen in Verbindung mit der Denkschrift des

eine Reihe von Gütern gekauft worden, die sofort oder wenigstens noch in demselben Jahre zur Besiedlung verwandt werden konnten.

Meine Herren, ich hatte schon in der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses und ich betone ausdrücklich, nahezu unter Zustimmung aller Anwesenden —, ausgeführt, daß es unter den schwierigen Prei verhältnissen wirtschaftlich und finanziell nicht zu rechtfertigen sein würde, wenn die Ansiedlungskommission sich einen allzu großen Landvorrat zulegte! Man kann nicht wissen, was in einer Reihe von Jahren sich ereignet! Die Möglichkeit, daß die Preise auch wieder einmal rückwärts gehen, ist ja nicht ausgeschlossen. Ich glaube, als guter Hausvater hat die Ansiedlungskommission keine Verpflichtung, über einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren hinauszugehen. Ist sie in der Lage, den für diese Zeit erforderlichen Landvorrat zu erwerben, so kann sie den Weitererwerb ruhig auf eine spätere Zeit verschieben.

Meine Herren, der Landvorrat der Ansiedlungskommission würde sich durch die Anwendung der Enteignung wesentlich haben vergrößern lassen. Darüber ist auf keiner Seite ein Zweifel. Aber billiger würde er jedenfalls nicht geworden sein. Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, daß man im Wege der Enteignung, nachdem die Preise überall so gestiegen sind, in der Lage sein würde, billigen Grundbesitz zu erwerben. Also ein finanzielles Geschäft wäre es für die Ansiedlungskommission nicht gewesen. Nun ist im laufenden Jahre nach den letzten Berichten des Präsidenten der An⸗ siedlungskommission nahezu der ganze Landvorrat gedeckt, der not⸗ wendig ist, um die Besiedlung auch im laufenden Jahre nicht zum Rückgang zu bringen. Für das nächste Jahr würden noch etwa 6000 ha erforderlich sein. Nach der Denkschrift von 1911 sind im letzten Jahre der Ansiedlungskommission 123 000 ha Land neu angeboten worden, ein Beweis dafür, wie viel Land noch in der Provinz Posen am Markte liegt und wie viel noch mit Grundbesitz gehandelt wird.

Gerade mit Rücksicht hierauf und auch deshalb, um unter allen Umständen den nötigen Landvorrat der Ansiedlungskommission decken zu können, hat die Staatsregierung mich beauftragt, die Erklärung abzugeben, daß in den Fällen, wo ein Grundbesitz veräußert wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen polnischen oder um einen deutschen handelt, von den Befugnissen der Enteignung Gebrauch gemacht werden soll, soweit die Enteignung überhaupt nach § 13 des Gesetzes vom Jahre 1908 zur Anwendung kommen kann. Die Staats—⸗ regierung geht von der Auffassung aus, daß auch in dieser be⸗— schränkten Anwendung voraussichtlich noch für eine Reihe von Jahren der Landvorrat der Ansiedlungskommission neben freihändigen An—⸗ käufen gedeckt werden kann. Sie hat daher und ich darf auch hier bemerken, unter Zustimmung der Mehrheitsparteien des Abgeordneten hauses der Auffassung Ausdruck gegeben, daß, wenn man von der Enteignung, die sich doch immerhin als eine harte Maßregel darstellt, überhaupt Gebrauch macht, es auch gerechtfertigt ist, solange wie es eben möglich ist, ethische Gesichtspunkte im Auge zu behalten, d. h. die Enteignung in erster Linie nur dann vorzunehmen, wenn sie für den Besitzer keine besondere Härte bedeutet. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Besitzer sich seines Besitzes entäußert und also selbst auf die Beibehaltung seines Besitzes keinen Wert legt. Diejenigen, welche glauben, daß die Enteignung auch in dieser Beschränkung nicht ausreichen würde, können nach meiner Ansicht zunächst einmal ruhig abwarten, wie sich die Dinge in Zukunft ent⸗ wickeln werden. Es handelt sich doch für uns und für die Ansiedlungs⸗ kommission nicht darum, daß unter allen Umständen- sofort enteignet wird, sondern darum, daß der nötige Landbedarf der Ansiedlung gedeckt werden muß, und ich glaube, daß die Enteignung doch immer erst dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Landvorrat der Ansiedlungs⸗ kommission nicht mehr ausreicht, und wenn es sich im einzelnen Falle darum handelt, deutsche Niederlassungen und Ansiedlungen durch Ab⸗ rundung zu stärken und in ihnen das Deutschtum zu erhalten und zu festigen.

Meine Herren, von diesen Gesichtspunkten wird sich die Staats⸗ regierung auch weiter leiten lassen, und ich glaube nicht, daß man'aus der Auffassung, die ich hier zum Ausdruck gebracht habe, den Schluß herleiten könnte, als ob übirhaupt in der Ansiedlungspolitik der Staats- regierung eine Schwenkung vollzogen sein könnte. Wenn hier vom Herrn Vorredner Bezug genommen worden ist auf die Aeußerungen

der Vertreter der Staatsregierung im Jahre 1908, so darf ich darauf

hinweisen ich bin selbst zu der Zeit schon Mitglied des hohen Hauses gewesen —, daß wenigstens unter der Hand der Meinung Ausdruck gegeben wurde, es würde tatsächlich von der Enteignung voraussichtlich niemals Gebrauch gemacht werden! Wenn im übrigen die Aeußerungen vom Jahre 1908 mit den jetzt gemachten nicht über⸗ einstimmen, dann darf man doch nicht vergessen, daß die Verhältnisse im Jahre 1911 in mancher Beziehung anders liegen, als im Jahre 1908. Aber trotz der Aenderung der Verhälmisse ist eine Aenderung in der grundsätzlichen Stellungnahme der Staatzregierung nicht ein⸗ getreten. (Bravo)

Herr Graf Droste zu Vischering: Ich kann die Politik der Regierung in der Ostmarkenfrage nicht anerkennen. Sie ist weder gerecht, noch zweckmäßig. Ich will das nur hervorheben, um meine ablehnende Haltung zu dieser Frage zu motivieren.

Der Etat der Ansiedlungskommission und die Denkschrift werden nach dem Antrage der Finanzkommission erledigt.

Der Etat der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse wird ohne Debatte bewilligt.

Zum Etat des Ministeriums des Innern liegt folgender Antrag der Herren Graf zu Rantzau, Dr. Todsen und von Köller u. Gen. vor:

Die Königliche . wird ersucht, zur Erhaltung und Stärkung des Deutschtums in Nordschleswig 17 mit ruhiger, 6 und gerechter Energie in der Abwehr irredentistischer

i er, n, fortzufahren, ö in der Behand⸗

lung der Frage der sog. „Heimatlosen“ keine Nachgiebigkeit zum

d,! des Deutschtums zu zeigen, 2 solche Maßnahmen zu

. pft geeignet sind, die Deutschen Nordschlegswigs wirt- aftlich zu stärken.“

Ueber den Etat selbst berichtet Herr von Becker.

err Dr. von Studt: Herr von Puttkamer hat seinerzeit

eine Beschwerde über den Gebrauch, des Revolvers in den großen Städten hier vorgetragen. Ein Regierungskommissar tat damals die Aeußerung, man müsse bei einem Verbot des Waffentragens auch auf die Interessen der Waffenindustrie Rücksicht nehmen. Ich habe diese Erklärung bedauert, und ich habe Grund anzunehmen, dan neuerdings jenen Rücksichten Rechnung getragen werde. Die Befürch ug die ich vor drei Jahren geäußert habe, daß wir im Zeichen des Revolvers stehen, sind noch verschärft worden durch die erschreckende Zunahme der Revolveraffären. Der Revolver ist obligatorisch bei Einbrüchen,

Ehetragöõdien usw. Dazu ist noch neuerdings die Browningpistole

daß das Deutsche Reich

Sozialdemokratie einzunehmen.

getreten, die leicht zu handhaben und in der Tasche zu tragen i Man sieht vor den Econ enstern der Waffenhandlungen eine große

Schar von jungen Leuten stehen, die dadurch angerelzt werden, sich

die Waffen zu kaufen. u einer direkten Förderung der Waffen⸗ industrie liegt . keln Anlaß vor. Es ist im Abgeordneten⸗ hause eine i. iche . des Waffentragens von der. Re⸗ ierung i ussicht 9 t worden. Eine Anzahl von Blättern at auf die Notwendigkeit dieser Regelung noch in der letzten Zeit hingewiesen. Dann muß ich auch auf das Thema der Schund literatur zurückkommen. Von der Polizei ist ja vieles um diesem Uebelstand entgegenzutreten. Leider ist es aber nicht , in nennenswertem Umfange diesem vergiftenden Treiben inhalt zu gebieten. Die Schundliteratur entsteht nicht nur in unserem Vaterlande, sondern namentlich im Auslande und wird von Ost und West in großen Massen bei uns eingeführt. Der moralische Zusammenbruch und der Selbstmord auch bei der Jugend ist vielfcch auf das Lesen dieser Schundliteratur zurückzuführen. Der Kreis der Beteiligten ist noch erweitert durch gewisse Unternehmungen. Ein Warenhaus ersten Ranges verbreitet eine höchst bedenkliche Literatur zu wahren Hotz nf, die sie in großen Mengen irgendwo aufgekauft hat. Das Liebesleben Napoleons, Karikaturen des deutschen Heeres und der deutschen Fürsten, französische Romane usw. werden angepriesen, ebenso geschlechtliche Belehrungen. Ein zweites großes Warenhaus verbreitet z. B. die Werke eines a , , Dichters, der neuerdings sich in den Dienst der polnischen Propaganda gestellt hat. Die Tätigkeit der deutschen Ordensritter wird in einer Schrift geschildert, als wenn es sich um eine Rotte von Lumpen und Feiglingen handelte. Die Darstellun der Schlacht von Tannenberg gf vollständig . worden. Es ist bedauerlich, daß solche Lügen in billigen Volksausgaben verbreitet werden. Auch eine billige Üebersetzung der Romane von Zola wird so verbreitet. Die Schilderungen auf sexualem Gebiet sind geeignet, vergiftend auf unsere Jugend zu wirken. Gesunde kaufmännische Unternehmungen mit einem Millionenetat sollten auf einen solchen Vertrieb verzichten. Eine Gesundung kann ich mir aber nur versprechen, wenn der solide Buchhändlerstand sich zu einer . aufrafft. Es ist seine ehrenvolle Aufgabe, aus eigener Kraft dies Geschwür von seinem Leibe zu entfernen. In bezug auf die Frage der Schäden der Schankkonzession ist bekanntlich das Reichs—⸗ amt des Innern zuständig, aber die Ausführung liegt wesent⸗ lich in den Händen des Ministeriums des Innern. Eine allgemeine Einschränkung der Zahl der Animierkneipen und der Schnapskneipen ist durchaus notwendig. Die zunehmende Zahl der Kaschemmen ist in den Großstädten elne traurige Erscheinung. Es sollte wenigstens ihre Zahl eingeschränkt werden. Was den Methyl⸗ alkoholprozeß betrifft, so ist zur Sprache gebracht worden, daß die Destillateure diesen Alkohol in großen Mengen an Asplisten verkauft haben. Solche Massenausschreitungen sollten doch die Polizei ver⸗ anlassen, gegen dieses traurige Treiben vorzugehen. Noch eine Frage ist von Wichtigkeit, die Wohnungsfrage. Sie spielt in Berlin die allertraurigste Rolle. Seit 30 Jahren wird die Wohnungsfrage theoretisch erörtert, sie harrt noch immer ihrer praktischen Lösung. Die Wohnungsfrage bildet gewissermaßen ein noli me tangere für die Berliner Verwaltung. Für absehbare Zeit ist eine Aenderung in den Bebauungsverhältnissen, eine Aenderung in der Konstruktion der Wohngebäude laum zu erwarten. Das Hufeisensystem der Wohngebäude ist eine wahre Kalamität; eine schmale Front und sehr lange Seitenflügel bilden seine Signatur. Das Gartenhaus steht auf einem ehemaligen Garten, von diesem sieht man nichts mehr. In Gebäuden von sechs Stock herrscht eine verderben⸗ bringende Luft auf dem Hofe und in anderen Räumen. Hier wächst nun eine Generation auf, die hinter verhängten Fenstern fich ihres Daseins erfreuen, die Luft und Licht entbehren muß, die nervös, kurz⸗ sichtig und blutarm wird. In solchen Wohnungen fühlt sich natürlich niemand wohl. Ein Teil der Bevölkernng ; auswärts Stärkung und Erquickung im Freien. Aber dazu ist auch in der letzten Zeit innerhalb der Stadt sehr wenig Gelegenheit. Auf dem Dönhoffplatz und anderen Plätzen sind die Kinderspielplätze verschwunden. Diesen Uebelständen sollle die Regierung energisch entgegentreten. Es wird aber alles auf die lange Bank .

Unterstaatssekretär Holtz: Die Frage des unbefugten Waffen⸗ tragens wird von uns ernstlich erwogen. Das SEinfachste ist der Erlaß von Polizeiverordnungen. Aber in der Großstadt ist eine durchgreifende Kontrolle nicht möglich. Ueber eine gesetzliche Regelung schweben noch die Verhandlungen; die Frage ist deshalb schwierig, weil wir einer sehr wichtigen Industrie gegenübersteben. Den Eltern, Vormündern usw. sollen gewisse Verpflichtungen auferlegt werden. Die Einbringung dieser Vorlage wird von Reichs wegen zu erfolgen haben. Was die Schundliteratur betrifft, so muß der Kampf dagegen in erster Linie auf dem Wege der Jugend⸗ erziehung geführt werden. Es ist weiter ersucht worden, auf polizeilichem und internationalem Wege zu einer Besserung zu kommen. Das Polizeipräsidium ist zur Zentralstelle für die Bekämpfung be⸗ stimmt worden. In Paris hat eine Besprechung stattgefunden, welche den Erlaß von gesetzlichen Bestimmungen für die einzelnen Länder in die Wege leiten will. Der Kampf gegen die Animierkneipen in Preußen ist erfolgreich durch die Polizei geführt worden. Einen dauernden Erfolg können wir aber so nicht erreichen, sondern nur auf gesetzlichemn Wege. Es schwehen in dieser Beziehung Verhandlungen über eine Erschwerung der Konzession und über Entziehung von Konzessionen auf dem Wege der Gewerbeordnung. Ob es hald zu einer Vorlage im Reichstag kommen wird, läßt sich zurzeit noch nicht übersehen, da es sich empfiehlt, diese Materie mit anderen zusammen

zu erledigen. ;

Herr von Puttkamer: Es 3 mit lebhaftem Bedauern erfüllen, daß im Reichstage gegen das preußische Volk so schwere Be⸗ schimpfungen erfolgen konnten, ohne daß gegen sie nachdrücklich ein, geschritten wurde. Wir müssen dem Reichskanzler dankbar sein, daß er die Rechte der Krone mannhaft und treu vertreten hat. Vielleicht

gelangen die maßgebenden Parteien zu der Erkenntnis, daß ein

Schutzdamm gegen die Hochflut der Sozialdemokratie notwendig ist. Vielleicht empfinden auch die Liberalen und die Nationalliberalen eine

ewisse Beschämung darüber, daß sie einem 3 en Ehrenstellen im Reiche verhelfen wollten. Ich jetzt nicht zu helfen ist. Gott gebe aber, da ̃ spät ist. Dann möchte ich den Vertreter des Ministers fragen, in welcher Weise gegen das perverse Treiben der Nackttänze vorgegangen ist. Wag das Hütetragen in den Thegtern betrifft, so bedauere ich, daß der Erlaß des Polizeipräsidenten von Berlin nicht aufrecht erhalten ist.

err von Kleist: In der vorigen Woche hat Fürst Salm der Regierung seinen Dank ausgesprochen für ihr Eingreifen im Kohlenstreik und er hat dabei im Sinne des ganzen Hauses . Der Schutz der Arbeitzwilligen ist aber nur eine defensiye Maßregel, und daher ist es ganz undenkbar, durch solche Maßnahmen einem weiteren Fortschreiten der Sonlalbemorratie Gindaltꝰ zu tun. Ihr . müßten wir zur Offensive vorgehen, sonst kommen wir

Scheidemann zu einer der achim daß

nicht vorwärtß. Wenn wir die Stellung der Sozlaldemokfraten noch befestigen, dann werden die Stimmen der Sohßialdemokraten sich noch mehr vermehren, und die Soßialdemokraten werden dann im Reichstage die Majorität hahen, dadurch würde der Bestand, des. Deutschen. Reicheg gefährdet sein. So da das Königreich Preußen mit verschräͤnkten Armen zusehen, j zu Grunde gebt? Es jst Pflicht und

Schuldigkeit der Regierung, der weiteren Demokrgtisierung ein ge⸗ gc ige. Halt zu gebieten. Nun gibt es angesehene Menschen im Lande, die meinen, daß es falsch sei, e, , , es die Ich will zugeben, daß die seilale

Frage nicht mit wenigen Worten und mit wenigen Maßregeln zu sösen ist. Aber eine einsichtige Vertretung der Arbeiterpartei kann nicht, anderes erstreben als die sittliche und geistige Hebung des Arbeiterftandes. Das wollen wir alle und haben es seit langen Jahren

nit sichibarem Erfolge angegriffen.

(Schluß in der Zweiten ellae

eschehen,

es in Zukunft nicht zu

*

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

M 121.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Die Führer der Sozialdemokratie wollen das Entgegengesetzte dessen, was die nationalen Parteien wollen. Sie erstreben eine Schwächung unserer Wehrkraft und eine Schwächung unserer wirtschaftlichen Kraft. Im Interesse der Arbeiter liegt deshalb ein klarer Kampf gegen die Sozialdemokratie. Der Kampf ist durch die Machtmittel des Staats und durch Aufklärungen zu führen. Die Arbeitswilligen müssen geschützt werden und die Lücken der Gesetzgebung ausgefüllt werden. Wenn in einer Versammlung ein Mann die bekannte „Kopf ab“⸗Rede halten konnte und der Mann am folgenden Tage frei herumlaufen konnte, so widerspricht das dem Empfinden des Volkes. Wir sind nahe vor dem Punkt, wo Vernunft Unsinn, Wohltat Plage ist. Ferner ist es notwendig, Aufklärung zu schaffen. Durch eine . lose Presse ist Verwirrung in den Köpfen angerichtet worden. ie Staatsregierung hat die Aufgabe, die Aufklärung in die Hand zu nehmen, der einzelne reicht dazu nicht aus, und es muß schon eine französische Zeit kommen, daß der einzelne sich erhebt. In ernster Zeit hat die Staatsregierung die n übernommen, wie es ihr auch zukommt in einem monarchischen Staat. Täte sie es jetzt, so würde sie auch damit Erfolg haben. Ueberall im Lande entstehen Gruppen, die auch den Ruf zur Sammlung von oben erwarten, gegen⸗ über den zersetzenden Tendenzen der Sozialdemokratie. In den letzten Tagen regte es sich hier; die Regierung muß sagen: Hier ist die heilige Fahne, schart Euch darum im Kampf gegen die Sozialdemokratie. Wer sind die Führer der Sozialdemokratie? Zahlreiche Partei⸗ sekretäre, Schriftsteller und konfessionslose Männer. Aus diesen Kreisen sind die Männer gekommen, die es gewagt haben, unser Königreich Preußen in der gemeinsten Weise zu beleidigen. Was haben diese Männer geleistet, daß sie dem Arbeiter die Freude an der Arbeit und die Zufriedenheit genommen haben? Friedrich der Große würde sich freuen, wenn wir handelten wie er, wenn wir zur Tat schritten gegen eine anscheinend großartige Organisation. Viel größere Freude würde ihn beseelen, wenn der Funke des Patriotismus zur Flamme emporschlüge.

ö. Graf ju Hoensbroech:; Es wird mir schwer, nach den begeisterten Worten des Vorredners Sie zu bitten, mir zu folgen in ein kleines Wirtschaftsgebiet. Durch die Kreise Gladbach, Geldern, Cleve usw. zieht sich der Lauf der Niers. Ich erinnere mich mit schmerzlicher Freude, wie diese Niers früher ein gewisser Tummelplatz von jung und alt war. Der Fischfang blühte. Sie war ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor für die Wasserversorgung und zum Baden. Heute ist die helle Flut verschwunden, schlammig und schwarz drängt sich das Wasser, selbst der Frosch und die Ratten wagen es nicht mehr, in die Fluten hineinzutauchen. Ueberall, wo das Wasser hindringt, verbreitet es Tod und Verderben. Die Bewohner sind durch den unerträglichen Geruch des Flusses gezwungen, in den heißen Sommermonaten ihre. Wohnungen hermetisch zu verschließen. Der Zustand der Niers stinkt zum Himmel. Lange Jahre hindurch hat es die Aufsichtsbehörde an der nötigen Energie fehlen lassen, um diesem Uebelstande entgegenzutreten. Berge von Akten sind aufgehäuft worden, aber eine Wirkung haben sie nicht gezeigt. Zur Entschuldigung der Aufsichtsbehörde wäre an⸗ zuführen, ah es schwer war, vorauszusehen, daß diese Zustände einen solchen Grad erreichen würden. Aber es fehlte seit Jahren an der energischen Hand, Wandel zu schaffen. Der Leiter der Düsseldorfer Regierung zeigt aber nun den ernsten Willen, einzugreifen. Die Wiesen sind durch die Ueberschwemmungen in einer Weise ver⸗ schlechtert, daß die Kühe das Futter nicht annehmen. Die Häuser an der Niers haben keinen Mietswert mehr. Der Wert von Grund, und Boden ist mindestens um zz gesunken. Da wir nicht im Industriegebiet liegen, haben wir von der sonstigen Steigerung des Bodenwerts in den Industriegegenden gar nichts. Die n n gg hat gelehrt, daß ohne starken behördlichen Druck Industrie und Städte wenig geneigt sind, den Schaden wieder gut zu machen, den sie angerichtet haben. Es sind Anlagen geschaffen worden, die sich indes ungenügend erwiesen haben, sie entfernen nicht die übelriechende Ausdünstung. Die Schwefel⸗ wasserstoffgase verbreiten eine große Fäulnis und auch die Ammoniak, gerüche sind sehr unangenehm. Ob eine Abhilfe durch einen Kanal möglich ist, will ich nicht untersuchen. Bei einiger Energie könnte , Abhilfe geschaffen werden. Wir warten immer noch auf ein behördliches Gutachen. Das alte Herzogtum Geldern feiert im künftigen Jahre die 200 jährige Zugehörigkeit zu Preußen. Die Staatsregierung sollte dafür sorgen, daß das Vertrauen der Bevölke⸗ rung wiedergegeben wird, daß die Regierung nicht nur die Industrie schützt, sondern auch die Interessen der Einzelnen.

Herr von Salisch: Ich greife zurück auf die Anregung des errn Dr. von Studt, den Wafenschein betreffend. Von der kinisterbank aus sind uns höchst dankenswerte. Mitteilungen gemacht worden über die Grundzüge des bezüglichen Gesetzes, das demnächst den Reichstag beschäftigen wird. Dieser Entwurf hat aber noch einen wesentlichen Mangel. Es fehlt an einer Steuer, die den Behörden den Anstoß geben könnte, die Ausführung des dereinstigen Gesetzes zu überwachen. Solange das Waffentragen nicht versteuert wird, werden es die Leute immer als schikanös empfinden, wenn sie wegen des Waffentragens polizeilich be⸗ sästigt werden. Ich bitte daher, daß durch Einführung einer Steuer in das Gesetz diesem die Wirksamkeit gesichert werde.

Cin Regierungsvertreter erwidert dem Grafen Hoens= broech, daß dessen Beschwerden nicht unbegründet seien. Es sei ein Gutachten ausgearbestet worden, und es bestehe die Hoffnung, den Beschwerden der Niersbewohner abzuhelfen zu können.

Herr Dr. Bender-Breslau: Die Wohnungsfrage in den Großstaͤdten ist allerdings eine der wichtigsten Fragen. In Berlin müßten aber Staat und Stadt in dieser Sache zusammen⸗ gehen, wenn eiwas Durchgreifendes geschehen soll. Die Frage des Botanischen Gartens und des Tempelhofer Feldes ist in einer Weise gelöst, die wenig Erfreuliches hatte. Ganz ähnlich ist es in den anderen Großstädten. Wir müssen damit rechnen, daß in wachsendem Ptaße in fo großen Städten aus wirtschaftlichen Gründen

enschen anhäufen, und wir müssen für Wohnungen sorgen, die sich diefem Bedürfnis anpassen. Damit hängt auch die Ein— gemeindungsfrage zusammen. Für die Schaffung von Spielplãtz en und anderer wichtiger Einrichtungen, überhaupt hinter einer jat⸗ nein ßen Wohnungspolitik muß die Steuerkraft einer großen Ge⸗ meinde st hen. Die Frage der Kanalisation steht doch auch mit den Bebauungsplänen und mot der Kostenfrage am meisten zusammen.

rr Graf Rantz au: Das Deutschtum in Nordschleswig kämpft ene d dr e n nne. gegen die dänische Irredenta, ꝰir alle

sind nun erschüttert worden durch die Nachricht von dem plötzlichen auf

deutschem Boden erfolgten Tode des Königs von Dänemark. Auch wir Nordschleswiger . eine aufrichtige Teilnahme an diesem Tode. Mit Rücksicht gif die dänische Landestrauer haben wir die Debatte auf heute berschoben. Ich werde auch auf einige andere Fragen, wie das Verhalten der dänischen Behörde, verzichten, ö anke der Staatsreglerung für ihre Erklärung im Abgeordnetenhan e in dieser

rage ed für die Ausdehnung des Befitzfestigungsgescßes auf Nord- Vorgehen der Staatsregierung tat a erdings bitter

leswig. Ei 5 not. Hen 3 vielfach, so schlimm wie jetzt war es vielleicht zwischen d 18

weitergehen und sagen, so

1850 und 1854. Aber man kann no

Berlin, Dienstag, den 21. Mai

schlimm war es nicht einmal damals. Für diese Auffassung spricht auch ein Leitartikel der „Kreuzzeitung“, worin es heißt, daß in dem Kampf zwischen Deutschen und Dänen das Dänentum jetzt leider die Oberhand gewonnen hat. Anfang der achtziger Jahre hatte man eigentlich den Eindruck, def diese Städte ganz deutsch waren. Jetzt habe ich den Eindruck gehabt, in einem durchaus dänischen Lande zu sein. Dies zeigt sich auch in der alten deutschen Stadt Hadersleben an den dänischen Schildern. Die deutschen Kaufleute riskieren den Konkurs, wenn sie ö. dem nicht fügen. Das Deutschtum sieht sich in eine Defensivstellung zurückgedrängt; es herrscht eine zunehmende Mutlosigkeit. In allen Gemeindevorständen, Kreisvertretungen, Schul⸗ und Kirchenvorständen drängen die Dänen vor. Dazu treten die vielen Gesang⸗ und Sportvereine mit dem Ziele der Dänisierung. Es werden besondere deutsch-dänische Kirchen gebaut. Dies Bild wird von dänischer Seite bestätigt, man spricht von einem dänischen Staate im Staat i , Ein enger Zusammenhang besteht zwischen den dänisch Gesinnten diesseits und jenseits der Grenze. Aus den Volkshochschulen gehen die dänischen Agitatoren hervor. Der Ver⸗ i , en den en ,,, ist ein lebhafter; fast jeder Bauern⸗ hof in Nordschleswig beherbergt im Sommer einen dänischen Studen⸗ ten oder ein dänisches Schulkind. Viel weitgehender ist noch der Besuch der Nordschleswiger in Dänemark. Zu Tausenden werden Aus—⸗ flüge dorthin gemacht, aufreizende Reden werden gehalten. Geld für die dänische Propaganda ist immer im Ueberfluß vorhanden. Das liegt an der Kreditorganisation und der großen Opferwilligkeit der Vordschleswiger. Auch von jenseits der Grenze fließt reichlich Geld. In der ganzen Bewegung sind in neuerer Zeit zwei bemerkenswerte Erscheinungen zutage getreten, erstens das Zusammengehen der Dänen mit den Polen, zweikens das Zusammengehen der Dänen mit den Sozialdemokraten. Bei einer polnisch⸗danischen Verbrüderungsfeier in Krakau sagte ein Däne: Noch ist Polen nicht verloren! Am 27. v. Mts. hielt der en,, Abgeordnete Ströbel im Abgeordnetenhause eine Rede zugunsten der Dänen unter Zustimmung der beiden Dänen. Dazu möchte ich den Nordschleswigern mein auf⸗ richtiges Beileid aussprechen. Bei den Reichstagswahlen hat sich eine Zunahme der dänischen Stimmen in Nordschleswig ergeben; aus Angst vor den Dänen haben auch Deutsche für sie h n, In den dänischen Volkshochschulen existiert ein Lesebuch Wir geben die Hoffnung nicht auf, mit unseren Landsleuten in Nord . ver⸗ einigt zu werden. Das Ziel der Agitation ist also, Nordschleswig don Preußen zu trennen und mit Dänemark zu bereinigen. Kein Mensch kann ernstlich daran . aber das Bestreben ist schon schlimm genug. Die Dänen im Reichstag und im Abgeordneten hause tun immer so, als ob sie die Angegriffenen wären. Das Gegenteil ist der Fall. Die Deutschen befinden sich in der Notwehr, wie auch der Minister im Abgeordnetenhause mit Recht gesagt hat. Man sagt, es handle sich um keine großen Kreise. Auch wenn das wäre, könnte ich ein Gehenlassen nicht n Aber es handelt sich um fünf Kreise mit vielen Tausenden. ie Dänen gewinnen immer mehr an Boden, und es ist zu fürchten, daß die Dänen zu ihrer alten Forde— rung: Dänemark bis zur Eider, zurückkehren. Es handelt sich um ganz Schleswig-Holstein, um die Festigung der Bande, welche alle Ene ,, n,, mit Preußen verknüpfen. Was Nordschles⸗ wig betrifft und schmerzt, bedrückt und schmerzt Schleswig-Holstein

bis zur Elbe. Es gibt keine nordschleswigsche Frage, sondern nur eine ö Frage. Es hat niemals einen Parti⸗ kularismus irgend welcher Art bei uns gegeben, wir folgen dem er⸗ habenen Beispiel unseres angestammten Herrscherhauses; so wurden wir

gute Preußen und damit gute Deutsche. Wir fühlen uns stolz als Be⸗

wohner einer preußischen Propinz und als Mitglieder des Deutschen Reiches. Diesem steht die große . der Erhaltung bevor. Wir sollten nicht so leichtgläubig sein zu glauben, daß die Sozialdemokratie sich aus einer demokratischen in eine monarchische Partei mausert. An der Festi⸗ gung des Deutschtums mitarbeiten zu können, ist unser Stolz. Seit 1865 ist es uns allerdings nicht leicht gemacht, Preußen als Wohl⸗ täter zu betrachten. Manche kommunalen segensreichen Einrichtungen auf dem Gebiete der Schule usw. sind uns genommen worden. Auf die Vorenthaltung des Präsentationsrechts zum Herrenhause will ich heute nicht eingehen. Die Provinzialdotation ist bei uns ge— . als in anderen Provinzen, und auch in bezug auf Eisenbahn⸗ berbindungen sind wir stiefmütterlich behandelt worden. Alle diese Beschwerden haben uns aber nicht im geringsten wankend gemacht in unserer guten preußischen Gesinnung. Nur einmal wurde unser Ver—⸗ trauen zu Preußen erschüttert, 19067, als durch den Fürsten. Bülow die Versöhnungspolitik inszeniert wurde. Seitdem datiert die Mut⸗ losigkeit, und Verdrossenheit der Deutschen in Nordschleswig. Meine gen f e enossen und ich sind an sich keineswegs Gegner einer versöhnlichen Auseinandersetzung mit den Dänen. Die „Frank⸗ furter Zeitung“ und die „Kieler Zeitung“ haben es gewagt zu be⸗ haupten, die gühr der deutschen Bewegung seien Großagrarier, die Streit mit Dänemark suchten, um für sich landwirtschaftliche Vor⸗ teile zu erzielen. Diese Behauptung ist parlamentarisch nicht zu qualifizieren, sachlich aber auch unbegründet. Wir wollen mit den

dänisch gesinnten nordschleswigschen Bauern gerne zusammenarbeiten,

wenn 4 in ihren Vereinen keine deutschfeindliche Politik treiben. Eine Versöhnungspolitik würde uns von den Dänen nur als Schwäche ausgelegt werden. Was not tut, ist die Politik einer festen Hand, sie allein imponiert und nur sie kann schließlich zum Frieden führen.. 3 von Koeller hat sich durch seine Verwaltung in den schleswig-hol⸗ . 5 en ein monumentum aere perennius gesetzt. Man agt, seine r sei zu hart gewesen. Damals war sie jedenfalls am Platze. Auch unter seinen Nachfolgern wurde die Politik strenger Abwehr geführt, bis die Schwenkung durch den Optanktenkindervertrag unter Bülow eintrat. Dieser ö war weiter nichts als eine ö an Dänemark. Den nordschleswigschen Landräten gebührt für ihr Verhalten unser Dank, ebensg dem Spezialkommissar in

adersleben. Es ist nun die bange Frage, ob jetzt wieder auf Strenge Milde folgen wird. Nichts liegt uns ferner, als dänische Kultur, Sitte und Sprache in Nordschleswig zu bekämpfen. Wir wollen nur verhindern, daß die Dänen ihre, Kultur den Deutschen 4aufpfropfen. Früher gab es sehr viele Dänischredende, die gute Deutsche waren. Indiskutabel ist der Vorschlag, die dänische Sprache als . einzuführen. Die Staatsregierung sollte fest blei⸗ ben in der Frage der fogenannten Heimatlosen“. Es wird nun be⸗ hauptet, es würde mit einer gewissen Härte gegen die Heimatlosen vorgegangen. Es wird hingewiesen auf einen gewissen Eggholm, der beständig mit en belegt wird. Dieser Mann ist nur ein

ärtyrer guf Befehl; es steht ihm sogar eine . bebor. Eine gewisse Gefahr besteht nun darin, daß durch das Reichs, und Staats⸗ angehörigkeitsgesetz die Zuständigkeit 3 eingeschränkt werden könnte. Dagegen müßte die preußische Regierung im Reiche Stellung nehmen. Die Heimatlosenfrage durch einen Vertrag zu regeln, geht 5 an, Dänemark würde sich kaum da hett en, die Heimat⸗ osen aufzunehmen. Die Ausdehnung des Besitzfestigungsgesetzes und des in Aussicht stehenden Parzellierungsgesetzes 4 Nordschleswig würde n dazu beitragen, das Deutschkum in n n,. zu fördern. Der Kon in lu sollte schnell und planmäßig erfolgen; nur große Güter anzukaufen, wäre nicht zweckmäßig. Eine energische örderung von Kleinsiedelungen ist notwendig. Ein e. ist auch die Ausdehnung der Karenzzeit auf alle ausländischen Arbeiter.

em a, . liegt eine Petition vor, den Großgrundbesitz aus den . en zu entfernen, Das hätte nur die Folge, daß die Kreizausschüsse ganz dänisch würden. Für das Enteignungs— gesetz hätte ich meinerseits nur gestimmt, wenn es . Nordschleswig ausgedehnt worden wäre. Die Hauptsache bleibt, „kein Schwanken

1912.

mehr, kein Rückfall in die Versöhnungspoliti“. Mag es uns auch wieder schlecht gehen, wir werden daran festhalten, ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein“.

Herr Dr. Todsen⸗Flensburg wirft einen historischen Rückblick auf die politische Entwicklung Nordschleswigs. In der Frage der Heimatlosen dürfe die Regierung keine Nachgiebigkeit zum Schaden des Deutschtums zeigen. enn man dem nordschleswigschen Leben den deutschen Charakter bewahren wolle, müsse man mit positiven Maß⸗ nahmen vorgehen, um die Zahl der Deutschen zu vermehren. Ein Beispiel dafür biete die Stadt Flensburg, die früher überwiegend dänisch war, aber allmählich deutsch geworden fe durch Zuzug aus dem Süden. Vor allem gälte es, die Jugend zu gewinnen. Deshalb sei es zu begrüßen, daß die Regierung 49 906 M aus. Staatsmitteln für diesen Zweck aufgewendet habe. Wenn man die Jugend gewinnen wolle, so müsse man dieser auch etwas bieten. Die Hauptsache sei aber eine großzügige Bodenpolitik und ein ausgedehnter landwirt⸗ schaftlicher Kredit. Auch er freue sh über Uebertragung des Besitz⸗ festigungsgesetzes auf Nordschleswig. Auch für die Moorkultur sei dort ein e neg., Wirkungskreis vorhanden. Auch zur Unterstützung des deutschen Gewerbewesens müsse etwas geschehen durch Errichtung einer Handwerksschule in Hadersleben. Ebenso könnte durch Er⸗ bauung der sogenannten Ostküstenbahn das Deutschtum gefördert werden. Es sei noch Zeit Nordschleswig zu helfen, aber es sei hohe Zeit!

Herr von Köller: Das warme Interesse, das ich für Schleswig-Holstein habe, läßt mich Sie bitten, mich kurze Zeit an⸗ zuhören. Die Verhältnisse, in Nord-Schleswig sind in letzter Zeit recht traurig geworden. Die Deutschgesinnten fangen an, mutlos zu werden. Man sagt: die Regierung tut für uns nichts, wir sind auf uns allein angewiesen. Der Fehler war seinerzeit, daß man nicht reinen Tisch machte und sagte; Wer hier bleibt, wird Preuße, und wer nicht will, geht nach Dänemark. 17- bis 18006 Menschen gab es zu meiner Zeit, die weder Dänen noch Deutsche waren. Das führte zu sehr schwierigen. Verhältnissen. Die Heimatlosen stellten sich natürlich nicht den Militärbehörden, und es war natürlich, daß die Militärbehörde fragte, warum melden Sie sich nicht. Diese Schwierigkeiten steigerten sich von Jahr zu Jahr. 1898 änderte Dänemark sein Gesetz, indem es bestimmte, alle Kinder von Dänen, die im Auslande geboren sind, sind dänisch. Das Gesetz hatte aber keine rückwirkende Kraft. Es bleiben also die Heimatlosen. Nun erschien der Optionsvertrag von 1907. Was haben wir damit erreicht? Ich weiß keinen Vorteil. Der Zustand ist gegen die Aufnahme der neuen Naturalisierten zweifellos verschlechtert worden, wie auch die Wahlen gezeigt haben. Bei den Kommunalwahlen und Kirchenwahlen werden die Deutschgesinnten herausgedrängt, und das muß schmerzlich empfunden werden. 1907 kam noch ein zweiter Fehler hinzu, die schwache Handhabung der Dänenpolitik. Ich verstehe nicht, warum man damals dazu über— ging. Die Dänen wurden wieder übermütiger und drangsalierten die Deutschen. Wer die Dänen da oben kennt, ein vorzügliches, braves, tüchtiges Volk im täglichen Leben, sittsam und nüchtern, der weiß, daß dieser Haß gegen uns unüberwindlich ist, und daß sie jede Nach⸗ giebigkeit als Schwäche auslegen. Man sollte sich doch da oben klar machen, daß es einfach lächerlich wäre, auf die Durchführung des Prager Friedensvertrages hinzudrängen. Ich hoffe, daß wir wieder ruhige und ordentliche Verhältnisse bekommen werden. Wollte die Regierung einen dritten 2 begehen, so brauchte sie nur die Heimatlosen zu naturalisieren. Wir haben die Leute ja nicht gerufen, mögen sie doch hingehen, wohin sie wollen. Ich nehme also an, daß die preußische Regierung gar nicht daran denkt, die Heimatlosen zu naturalisieren. ie sollte nicht nur gerecht, sondern auch konsequent bleiben, und jedem Ueber⸗ J und kindischen Demonstrationen stren entgegentreten.

andwirtschaftlich Schulen, Turnen und Sire spiel⸗ müßten ge⸗ fördert werden. Wenn wir nur den zehnten Teil dessen täten, was. jenseits der Grenze geschieht, so wäre uns geholfen. Wer einen Re⸗ volver trägt, sollte eine Steuer von 25 „S bezahlen, und es sollte eine Nummer eingraviert werden, damit man seststellen kann, wem der Revolver gehört. Der 1 sagte, er brauche Geld. Nun, da mag er die großen Theater besteuern. Im übrigen muß ich sagen „noch ist es Zeit zu helfen“. detrimenti capiat respublica.

Herr Dr. Reinke: Wir hegen lebhafte Sympathie für das benachbarte Dänemark und das liebenswürdige dänische Volk. Die Dänen sind reinste Germanen und uns Norddeutschen nahe ver⸗ wandt. In Nordschleswig wohnen aber keine Dänen, sondern dänisch sprechende Preußen. Die dänisierende Agitation verfolgt zweifellos utopistische Ziele, denn an eine Abtretung Nordschleswigs an Däne⸗ mark ist nicht zu denken. Das Nationalprinzip darf man nicht über⸗ spannen; die Sprachgrenze kann allein nicht entscheidend sein. Däne⸗ mark sollte deshalb jeden Gedanken an eine Einverleibung Nord⸗ schleswigs fahren al gierung eingeschlagene Weg nicht verlassen wird. Vor allem „kein Zickzackkurs “.

Herr Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein: Ich wollte diese Debatte nicht vorübergehen lassen, ohne zu dieser feel die mich aufs innigste berührt, einige Worte zu sagen. Wir tehen an der Bahre eines uns befreundeten Königs, und ich freue mich, daß die heutige Debatte einen so ruhigen Verlauf genommen hat. Es gab eine hein wo die Deutschen mutlos die Flinte ins Korn warfen, und wo sich die Ansicht festsetzte, es wäre in Preußen kein Verständnis mehr für die Bedürfnisse Nordschleswigs. Das konnte nur dadurch entstehen, daß diese Gebietsteile so weit von der Zentrale entfernt sind. Seitdem hat sich aber die Sachlage wesentlich geändert, es ist ein gr h Zutrauen der Bevölkerung zur preußischen ö entstanden. ie , n, ,. ist ja eine derjenigen Maß⸗ nahmen, welche zeigen, wohin die Absichten der preußischen Regierung ehen. Wir hoffen, daß die Regierung recht fest auf diesem Wege ee hre te wird. Das Fortschreiten der daͤnischen Bevölkerung namentlich af dem Lande ist namentlich zu danken dem billigen Kredit durch die dänischen Banken. Auf diesem Gebiete haben wir noch manches zu tun. Ein weiterer Grund des Fortschreitens dänischer Gesinnung ist leider in der Stellung . Geistlichkeit, einzelner unserer Geistlichen zu den Verhältnissen Nordschleswigs zu finden. Die dortige Bepölkerung ist in mancher Beziehung kirchlicher als die deutsche. Die Ge⸗ meinschaftshäuser die Temperenzlervereine sind gleichfalls die Stützen der Agitation. Ich persönlich bin den Schikanen in jeder Beziehung abhold. Aber die Bevölkerung muß sicher sein, daß sie ihren Rück⸗ balt hier in der, Zentrale findet, und nicht 3 wird. Es sprechen auch mit die Eisenbahnverbindungen. Man mußte in der Dänenzeit nicht die deutsche Stadt Flensburg mit Kiel verbinden, und auch jetzt noch muß ich leider konstatieren, daß man sehr leicht nach Kiel über Rendsburg kommt, aber dann mit großer Langsamkelt nach Flensburg. Die Bevölkerung kommt nicht so nahe heran an die Reichshauptstadt, als es wünschengwert ist. Die Verhältnisse in Posen sind ja gerade so wie in Nordschleswig. Ich bin seinerzeit ein Gegner des Enteignungsgesetzes gewesen. Po hat einen großen Bevölkerungszuwachs, und es ist fast naturnotwen . daß das Polentum fortschreitet. In Nordschleswi debe e ist die

g gering. 1

Caveant consules, ne quid

prozentuale Zunahme der Bevölkerung verhältnism Auch ökonomisch sind wir besser daran, deshalb müßte es dort 6 zu kolonisieren als im Osten. Die Bevölkerung ist verhältnism

sen. Hoffen wir, daß der jetzt von der Re⸗

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ruhig und abhold allen Srtremen. Wir haben es daselbst ö. ö

Derr.