Die Zinsscheine können in Preußen auch vom 21. Sep⸗ tember ab allgemein statt baren Geldes in Zahlung gegeben werden bei allen hauptamtlich verwalteten staatlichen Kassen, mit Ausnahme der Kassen der Staatseisenbahnverwaltung, sowie bei Entrichtung der durch die Gemeinden zur Hebung ge⸗ langenden direkten Staatssteuern. Ermächtigt, aber nicht ver— pflichtet zur Annahme an Zahlungsstatt sind die Reichspost⸗ anstalten.
Die Zinsscheine sind den Kassen nach Wertabschnitten ge⸗ ordnet mit einem Verzeichnis vorzulegen, in welchem Stückzahl und Betrag für jeden Wertabschnitt, Gesamtsumme sowie Namen und Wohnung des Einlieferers angegeben sind. Von der Vorlegung eines Verzeichnisses wird abgesehen, wenn es sich um eine geringe Anzahl von Zinsscheinen handelt, deren Wert leicht zu über— sehen und festzustellen ist. Formulare zu den Verzeichnissen werden bei den beteiligten Kassen vorrätig gehalten und nach Bedarf unentgeltlich verabfolgt. Weniger geschäftskundigen Personen wird auf Wunsch von den Kassenbeamten bei Auf— stellung der Verzeichnisse bereitwilligst Hilfe geleistet werden.
Il. Die am 1. Oktober 1912 fälligen Zinsen der in
as Preußische Staatsschuldbuch und in das Reichs⸗ schuldbuch eingetragenen Forderungen werden, soweit sie durch die Post oder durch Gutschrift auf Reichsbankgirokonto zu berichtigen sind, vom 17. September ab gezahlt. Die Bar⸗ zahlung der Zinsen bei der Staatsschuldentilgungskasse und bei der Reichsbankhauptkasse beginnt ebenfalls am 17., bei allen anderen Zahlstellen am 21. September.
Die Zahlung der Zinsen durch die Post geschieht, wenn kein gegenteiliger Antrag gestellt ist, ö des Deutschen Reichs im Wege des Postüberweisungs— und Scheckverkehrs. Dabei werden Beträge bis 1500 Mv und im Falle der Ueberweisung auf ein Postscheckkonto auch höhere Beträge ohne Abzug der Postgebühren gezahlt; nur die Bestellgebühren fallen dem Empfänger zur Last. Werden da—⸗ gegen die Zinsen auf Wunsch durch Postanweisung oder Geld⸗ brief gezahlt, so hat der Empfänger Postgebühren und Porto zu tragen. III. Die Staatsschuldentilgungskasse ist am 28. Sep— tember für das Publikum geschlossen, am 30. September ist sie von 11 bis 1 Uhr, an den übrigen Werktagen von 9 bis 1 Uhr geöffnet.
Berlin, den 4. September 1912.
Hauptverwaltung der Staatsschulden und Reichsschuldenverwaltung. Zwicker.
Tagesordnung für die am 19. September 1912, Vormittags 9 stadtseitigen Empfangsgebäude auf dem Hauptbahnhofe in Magdeburg stattfindende 60. ordentliche Sitzung des Bezirkseisenbahnrats für den Eisenbahndirektionsbezirk Magdeburg.
L Geichäftsordnungsangelegen heiten. Mitteilungen der Königlichen Eisenbahndirektion sammensetzung des Bezirkseisenbahnrats. Nitteilungen der Königlichen Eisenbahndirektion über a die Erledigung früherer Beratungegegenstände, b. wichtigere Tarif⸗ und Verkehrs maßnahmen. III. Fahrplanangelegenheiten. a. Mitteilungen der Königlichen Eisenbahndirektion über den vom 1. Oktober 1912 ab gültigen Fahrplan (der endgültige Entwurf ist bereits am 16. August 1912 versandt worden). b. Allgemeine Besprechung des Fahrplans. ; 17. Festsetzung des Zeitpunkts für die nächste Ausschuß— sitzung. Magdeburg, den 2. September 1912. Königliche Eisenbahndirektion.
Srunn — Q UI.
über die Zu⸗
Tagesordnung Sitzung des Bezirkseisenbahnrats für die sbezirke Bromberg, Danzig, Königsberg in Königsberg am 19. September 1912.
Wiedereinführung eines Anschlusses der Stationsbureaus an das offentliche Fernsprechnetz. Erweiterung des Empfangsgebiets des Ausnahmetarifs 8 Za. Halten von D 7 8 in Landsberg (Warthe). g des Zuges 02 Karthaus — Praust bis des Fabrr
Arbeiterzũügen
7
ns auf der Strecke Memel — zwischen Ponarth
neuen Abendzuges auf der Strecke Lyck — Boldap —
stebenden Fahrplans. 3. September 1912. Königliche Eisenbahndirektion.
September 1912, Vor⸗ des Verwaltungs— es Bezirkseisenbahn—
6
Geschäftliche Mitteilungen. Aenderungen in der Zusammensetzung des Bezirkseisenbahnrats. Mitteilungen über Anträge und Beschlüsse aus früheren Sitzungen. Fahrplanangelegenbeiten. ufnahme von Erbsenschrot in den Notstandstarif 2b. hrplanangelegenheiten. Antrag des Herrn Moser aus Altona auf Einrichtung eines
Haltes bei dem Schnellzuge D 14 in Bächen. Antrag des Herrn Kallsen aus Flensburg auf a. Einlegung eines neuen Schnellzuges Hamburg ab etwa 5,10, Flensburg an 2; b. Einlegung eines neuen Schnellzuges Flensburg 20, Hamburg an etwa 2,30; (. Herstellung eines on Sonderburg an den neuen Schnellzug in Flens—⸗ Uenderung des Fahrplans des Zuges 904. me und Besprechung von Anregungen für die Ge⸗ z Personenzugfahrplans vom 1. Mai 1913. Altona, den 3. September 1912. Königliche EG senbahmndirektien. Mispel.
Abgereist:
Seine Exzellenz der Präsident der Hauptverwaltung der Staatsschulden, Wirkliche Geheime Rat von Bischoffshausen mit Urlaub nach der Schweiz.
Aichlamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 9. September 1912.
Der Jubiläumsstiftung zur Förderung des heimischen Bergbaues, die von den Bergbauvereinen Preußens und Lothringens aus Anlaß des fünzigjährigen Be⸗ stehens der Königlichen Bergakademie in Berlin und des Ab— laufs von hundertvierzig Jahren seit der ersten Gründung einer berg⸗ und hüttenmännischen Unterrichtsanstalt in Berlin mit einem Kapital von Einhunderttausend Mark errichtet wurde, ist durch Allerhöchsten Erlaß vom 25 Juli d J. die landes⸗ herrliche Genehmigung erteilt worden. Die Stiftung ist in erster Linie dazu bestimmt, preußischen und lothringischen, gegebenenfalls aber auch andern reichsdeutschen Bergleuten, die an der Bergakademie in Berlin studieren, oder ihr Studium dort vollendet haben, Reisebeihilfen, Preise und Zuwendungen für wissenschaftliche Arbeiten zu gewähren. Vorstand der Stiftung ist der Direktor der Königlichen Bergakademie in Berlin. Ueber die Verwendung der Erträgnisse heschließt der Vorstand und das Kollegium der etatmäßigen Professoren.
Während der weiteren Abwesenheit des Königlich württem⸗ bergischen Gesandten führt der Bundesratsbevollmächtigte, Ministerialdirektor Dr. von Köhler die Geschäfte der Ge⸗ sandtschaft.
Der Kaiserlich Berlin verlassen.
russische Botschafter Sperbsew hat Während seiner Abwesenheit führt der
Botschaftsrat von Bronewsky die Geschäfte der Botschaft.
Laut Meldung des „W. T. B S. M. S. „Hertha“ am 6. September in Ferrel, S. „Panther“ am 6. September in Lüderitzbucht, S. S. „Luchs“ und“ S. M. Flußkbt. „Otter“ am 6. September in Schanghai eingetroffen.
Württemberg.
Seine Majestät der Kaiser und König, der „W. T. B.“ zufolge am Sonnabend von der Insel Mainau aus der Fürstlich Fürstenbergschen Familie in Heiligenberg einen kurzen Besuch abgestattet hatte, ist gestern Abend in Friedrichshafen eingetroffen, wo er von Seiner Majestät dem König begrüßt und nach dem Schlosse geleitet wurde. Nach kurzem Aufenthalt setzte Seine Majestät der Kaiser und König seine Reise nach Coswig fort.
9 8 Sam heirg⸗ .
Aus Anlaß des Ablebens Serre r Magnifizenz des Bürger— meisters Dr. Burchard sind W. T. B.“ zufolge dem Senat eine große Reihe weiterer Beileidskundgebungen zuge— gangen, so von Ihren Majestäten dem Kaiser Franz Joseph und dem König von Sachsen und von Ihren Königlichen Hoheiten den Großherzögen von Baden, Mecklenburg-Schwerin und Oldenburg und dem Herzog von Sachsen⸗Coburg und Gotha. Telegramme sandten auch der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg sowie der Fürst von Bülow.
Schweiz. des schweizerischen Bodens richtete der wie „W. T. B.“ aus Schaffhausen den Bundespräsidenten folgendes
Beim Verlassen Deutsche Kaiser, gemeldet wird, an Telegramm:
Herrn Bundespräsident Forrer, Bern. Im Begriff, das schöne Schweizerland zu verlassen, ist es Mir ein Bedürfnis, Ihnen, Herr Bundesrräsident, noch bon der Grenze aus Meinen herzlschsten Dank zu senden für die warme Aufnahme, die Mir in so reichem Maße seitens der Behörden des Landes und durch die Bevölkerung überall bereitet worden ist. War es Mir zu Meinem großen Bedauern auch nicht möglich, das ursprüngliche Reiseprogramm in seinem vollen Umfange durchzuführen, so haben die wenigen Tage Meines Aufenthaltes mir doch viel Neues und Schönes gezeigt, und mit einer Fülle anregender Eindrücke kehre Ich jetzt in die Heimat zurück. Besonders dankbar gedenke Ich der beiden Manövertage, an denen es Mir vergönnt war, die Leistungen Ihrer braven Truppen unter der Leitung tüchtiger und schneidiger Offiziere zu beobachten und zu be— wundern und mit der Landbevölkerung in Berührung zu treten. Ich verlasse den Boden dieses gastfreien Landes mit aufrichtigen Wünschen für dessen ferneres Gedeihen und fär Ihr persönliches Wohlergehen.
Wilhelm JI. R.
Der Bundesrat hat auf dieses Telegramm folgende Depesche an den Kaiser gerichtet:
Eurer Kaiserlichen Majestät sprechen wir für Ihr so freundliches Telegramm tiefgefühlten Dank aus. Es gereicht uns zur besonderen Genugtuung, daß die Leistungen unserer Offiziere und Truppen von seiten Eurer Majestät eine so wohlwollende Anerkennung finden. Unser Milizhser darf auf das günstige Urteil von so hoher und kompetenter Stelle stolz sein. In uns klingt die Freude über Eurer Majestät Besuch mächtig nach. Er wird uns und dem ganzen Schweizer Volk unvergeßlich sein. Wir senden Eurer Majestät unsere aufrichtigsten und wärmsten Wünsche für Ihr Wohlergehen.
Im Namen des Bundesrats: der Bundespräsident: Forrer; der Bundeskanzler: Schatzmann.
Der Deutsche Kaiser hat, wie dasselbe Bureau meldet, hochgestellten Schweizer Persönlichkeiten zur Erinnerung An— denken überreichen lassen. Der Bundespräsident Forrer und der Bundesrat Hoffmann, der Chef des Militärdepartements, erhielten Bronzebüsten des Kaisers, die übrigen Bundesräte sowie Dr. Bourcart, der Sekretär der politischen Abteilung und der Gesandte de Claparéde ein photographisches Porträt in vergoldetem Rahmen mit Unterschrift. Auch die Offiziere des Ehrendienstes wurden mit solchen Andenken beschenkt. Defsterreich⸗ Ungarn.
ist nach zweimonatigem Sommeraufenthalt end nach Wien zurückgekehrt. zler Dr. von Beihmann Hollweg traf,
der Kaiser
6 1. HI gester
am Sonnabend zugleich mit dem
österreichisch ungarischen Botschafter in Berlin Grafen von Szögyeny⸗Marich zum Besuch bei dem Minister des Aeußern Grafen Berchtold in Buchlau ein. Unter den zur gleichen Zeit in Buchlau weilenden Gästen befand sich auch der deutsche Botschafter in Wien von Tschirschky und Bögendorff. Gestern abend ist der Reichskanzler über Grätz nach Berlin weitergereist.
Großbritannien und Irland.
Die Admiralität veröffentlicht ein Memorandum über die Verteilung der Admiralitätsgeschäfte zwischen den Seelords, den Zivillords und den Finanzsekretären. Außerdem werden einige Aenderungen in den Disziplinarbestimmungen bekanntgegeben, durch die besonders gewisse Strafen, die als zu drückend betrachtet werden, abgeschafft oder umgewandelt
werden. Rußland.
Ein am Sonnabend ausgegebener Tagesbefehl des Kaisers an Armee und Flotte weist auf den Gedenktag der Schlacht von Borodino hin und betont, „W. T. B.“ zufolge, daß ganz Rußland mit dem Kaiser zusammen Dank und Verehrung den Helden des Vaterlandskrieges zolle. Weiterhin wird der Wunsch ausgedrückt, daß die Herzen der Nachkommen dieser Helden im Bewußt— sein ihrer Pflicht erstarken möchten, damit sie, wenn die Vor⸗ sehung dem Vaterlande eine neue Prüfung auferlegen sollte, dieselbe volle Ergebenheit und Tapferkeit bekundeten, wie ihre Vorfahren, in der Gewißheit, daß ihre Nachkommenschaft in Dankbarkeit ihrer Namen und Taten gedenken werden. — Ein anderer Tagesbefehl kündigt verschiedene Vergünstigungen für die Nachkommen der Teilnehmer des Krieges an. .
In einem Flottenbefehl drückt der Marineminister sein tiefes Bedauern über die Notwendigkeit der Verhängung des Kriegszustandes über Sewastopol aus und betont, die russische Flotte durchlebe einen geschichtlich bedeutsamen Augen⸗ blick. Der Wille des Kaisers habe sie zu neuem Leben gerufen, die Volksvertretung habe ihr Vertrauen ge⸗ schenkt und reichliche Mittel gegeben. Der Wille des Kaisers rufe sie jetzt zur Pflichterfüllung. Gegenüber Verrätern und Pflichtvergessenen sei kein Verzeihen möglich. Schmerzlich sei es dem Kaiser gewesen, zu erfahren, daß in der ihm so teuren Flotte der Keim der Unordnung entstanden sei; doch sei die Ansteckung nur in einige Schiffe gedrungen. Der Minister erklärt schließlich, er sei glücklich, den gewissenhaft ihre Pflicht erfüllenden Mannschaften den Kaiserlichen Dank übermitteln zu können.
Italien.
Gegenüber den von vielen Blättern wieder gebrachten An⸗ kündigungen einer angeblichen Verständigung über den Friedensschluß ist die „Agenzia Stefani“ zu der Erklärung ermächtigt, daß alle diese Meldungen jeder Grundlage ent— behren und als bedauerliche Machenschaften angesehen werden müssen.
Das Amtsblatt veröffentlicht das Reglement über die Anwendung des Gesetzes, betreffend die staatliche Ver—⸗ sicherungsanstaht. Das Gesetz tritt zum 1. Januar 1913 in Kraft, an welchem Tage auch die Anstalt ihre Tätigkeit
aufnimmt. Türkei.
Die vor einiger Zeit gegründete Nationale Ver— fassungspartei veröffentlicht ihr Programm, in dem sie, wie „W. T. B.“ berichtet, sich als Anhängerin einer konsti⸗ tutionellen monarchischen Regierung sowie einer wahrhaft liberalen und gegenüber den nichtmuselmanischen Elementen der Bevölkerung konzilianten Politik bekennt. Die Partei sei einer Politik der Assimilation abhold, dagegen einer politischen Zentralisation und einer administrativen Dezentralisation geneigt. Den ersten Punkt des Parteiprogramms bildet die Entwicklung Anatoliens. Die Regierung ist amtlich von der Bildung der Vationalen Verfassungspartei, welche von den früheren Deputierten Ferid und Daschami gegründet worden ist, ver— ständigt worden.
Serbien.
Das Amtsblatt veröffentlicht einen Königlichen Erlaß, be⸗ treffend ein Ausfuhrverbot für Weizen, Hafer und andere Futterartikel, vom 7. September bis zum 14. November.
Amerika.
Der Präsident Taft hat die Absendung von weiteren
zwei Regimentern Kavallerie an die mexikanische Grenze genehmigt. Es herrscht „W. T. B.“ zufolge in Washington die Ansicht, daß ein gemeinsames Vorgehen der amerikanischen und mexikanischen Truppen notwendig sein . um die Ordnung im nördlichen Mexiko wieder herzu— tellen. Dem Gesandten der Vereinigten Staaten in Mexiko ist ein Schreiben von dem Sekretär General Zapata zugegangen, in dem, „W. T. B.“ zufolge, mitgeteilt wird, daß die Auf⸗ ständischen den Vormarsch gegen Mexiko begonnen hätten. Dem Schreiben lag ein Aufruf bei, worin es heißt, die Anhänger Zapatas beabsichtigten, sämtliche an der Regierung befindlichen Staatsmänner außer Madero und seinen Angehörigen abzusetzen. Die Unterzeichner des Aufrufs er— klären, daß sie die Ordnung aufrechterhalten und die Fremden und ihr Eigentum achten würden.
Wie aus Douglas (Arizona) gemeldet wird, über⸗ schritten am Sonnabend fünfundzwanzig merikanische Auf⸗ ständische fünfzig Meilen östlich von Douglas die Grenze. Amerikanische Soldaten warfen sie zurück; von den Auf— ständischen sollen fünf getötet und einer verwundet worden sein.
Asien.
Der russische Gesandte in Peking hat am Freitag dem Verweser des Auswärtigen Amtes in Peking eine Note überreicht, in der, wie „W. T. B.“ meldet, darauf hingewiesen wird, daß die chinesische Regierung bisher die russischen Gegen⸗ vorschläge vom 7. November 1911 bezüglich der Revision des St. Petersburger Vertrages vom Jahre 1881 unbeantwortet gelassen und auch keine neuen Vor— schläge gemacht habe. Ebenso ergebnislos seien die Versuche der russischen Regierung geblieben, mit der chinesischen Regierung sich über den Zeitpunkt zu ver— ständigen, bis zu dem der erwähnte Vertrag in Kraft bleiben solle. Die russische Regierung habe die Ueberzeugung ge— wonnen, daß die chinesische Regierung über die Durchsicht des Vertrages nicht verhandeln könne oder wolle, und sie sei der Ansicht, daß die chinesische Regierung das ihr im Artikel 15 des Vertrages gewährte Recht, den Vertrag zu revidieren, nicht ausgenützt habe. Demzufolge setzt die Note die chinesische Regierung davon in Kenntnis, daß die russische Regierung gezwungen sei, den Vertrag von 1881 auf Grund des
Attikels 15 als auf ein weiteres Jahrzehnt bis 20. August 1921 in Geltung bleibend anzusehen. Die Note besagt weiter, aus den Vorschlägen, die der chinesische Bevollmächtigte im August 1911 überreicht habe, habe die russische Regierung den Wunsch Chinas ersehen, daß die besonderen Vergünstigungen des zollfreien Handels innerhalb eines fünfzig Werst breiten Landftrichs zu beiden Seiten der russisch⸗chinesischen Grenze auf⸗ gehoben würden. Der Wunsch sei damit begründet, daß längs der Grenze eine Reihe von Ansiedlungen entstanden seien, während die Vergünstigung für den Landstrich aus einer Zeit stamme, in der die Grenze an vielen Punkten unbevölkert gewesen sei. Dies erscheine anormal und werde auch durch eine Reihe in letzter Zeit bei Auslegung der Vergünstigungen entstandener Schwierigkeiten bestätigt. Bestrebt, den Wünschen Chinas ent— gegenzukommen, und anerkennend, daß es unzuträglich sei, die fünfzig Werstfrage zehn Jahre unentschieden zu lassen, bringt die russische Regierung in der Note der chinesischen Regierung zur Kenntnis, daß der Vergünstigungslandstrich auf russischer Seite zum 14. Januar 1913 aufgehoben werde, und daß siie selbstverständlich gegen eine gleichzeitige Aufhebung auf chinesi⸗ scher Seite nichts einzuwenden habe.
Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ aus Tokio begegnet der Vorschlag, die Truppen in Korea um zwei Divisionen zu vermehren, starkem Widerspruch, auch innerhalb des japanischen Kabinetts. Einmal haͤlt man ihn für unnötig, besonders mit Rücksicht auf die freundlichen Be— ziehungen zu Rußland, wo die Truppenvermehrung miß— verstanden werden könnte. Sodann weist man darauf hin, daß das Budget für 1913 gar nicht erhöhte Ausgaben für Heer und Flotte tragen könnte. Für die Marine werden dreizehn große Einheiten verlangt, von denen jährlich zwei auf Stapel gelegt werden sollen, und zwar sieben Ueberdreadnoughts vom größten Typ und mit vierzehn— zölligen Geschützen ausgerüstet, und sechs mächtige Kreuzer. Von den Dreadnoughts sollen fünf im Lande und zwei im Auslande gebaut werden; die Kreuzer werden sämtlich auf Privat- und Staatswerften in Japan gebaut.
Kunst und Wissenschaft.
XXXI. Deutscher Juristentag in Wien vom 4 bis 6. September 1912.
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In der Abteilung für Handels-, Wechsel-, See- und internationales Recht. die zum Vorsitzenden den Geheimen Justizrat, Professor Dr. Otto von Gierke (Berlin) und zu dessen Stelloertreter den Geheimen Justizrat, Professor Dr. J. Riesser (Berlin) wählte, wurde unter anderem die Frage Fehandelt: Empfiehlt sich eine Fortbildung des geltenden Schaden- ersatzrechts durch besondere gesetzliche Bestimm ungen über die Haftung für Schäden, die verurfacht werden: a. durch Errichtung, Bestand und Betrieb ele ktrischer Anlagen und Fernleitungen, b. durch die Verwendung von Luftschiffen und Flugmaschinen?“ Hierzu liegen Gutachten vor: zu a von Ministerialrat, Professor Dr. Krasny in Wien und Kammergerichtsrat Dr. Pape in Berlin, zu P von Justizrat Sr. Viktor Niemeyer in Essen und Professor Dr. Hans Sperl in Wien. Als Berichterstatter fungierten: Geheimer Justizrat, Professor Dr. jur. Kipp, Charlottenburg, und Geheimer Rat Dr. Robert Pattai, Mitglied des österreichischen Reichegerichts., Wien.
Berichterstatter Gebesimer Rat Dr. Pattai gab zunächst einen kurzen geschichtlichen Rückblick auf die Haftpflichtbewegung. Als die neuen Verkehrs⸗ und Produktionserscheinungen des 19. Jahrhunderts unvermittelt sich geltend machten, trat die Gesetzgebung sofort mit Haftpflichtvorschriften hervor. Das preußische Eisenbahngesetz schuf schon 1838, als noch kaum 20 Meilen Bahnen im Lande waren, eine Regelung der Gefährdungshaftung, die heute noch als Muster dienen kann. Auch die österreichischen Bahngesetze der fünfziger Jahre er— ließen ähnliche Vorschriften, betreffend Sachbeschädigungen, denen dann 1369. das österreichische Gesetz auch für Personenbeschädigungen folgte. Mittlerweile wandelte die Theorie anfänglich noch andere Wege. Ihering stellte den Satz auf: Ohne Schuld keine Verpflichtung zum Schadens ersatz', gab aber selbst zu, daß manche seiner rein subjektiven Formulierungen später durch objekt ve werden ersetzt werden müssen. In Desterreich waren dann besonders Steinbach, Mataja, Strohal und zuletzt Unger mit der epochalen Schrift „Handeln auf eigene Gefahr“ für die Idee der Gefährt ungshaftung tätig, die in Deutsch— land durch Rümelin und jüngst durch das hervorragende Werk von Müller⸗Erzbach weiter ausgebaut wurde. Hingegen trat auf dem Gebiete der Gesetzgebung nun eine Interessenopposition ein, die sich besonders beim Automobilgesetz in Oesterreich und noch mehr in Deutschland geltend machte. Diese Opposition beruht auf der ganz falschen Vor⸗ aussetzung, daß die Haftpflichtgesetze gegen die Induftrie gerichtet seien. Es liegt vielmehr im Interesse der Industrte selbst, daß der Rechts⸗ zustand mit der allgemeinen Rechtsüberzeugung im Einklang bleibt. Auch hat die Erfahrung gezeigt, daß der Automohilverkehr durch das Hafipflichtgesetz gar nicht geschädigt wurde, son⸗ dern im Gegenteil eine, weit strengere Hafspflicht vertragen und, wie tägliche Ausschreitungen und Opfer bezeugen, auch bedurft bätte. Alle, modernen Verkehrs- und Produktionserscheinungen, für die Saftpflichtgesetze bestehen oder angestrebt werden, haben das gemein, daß, sobald man das Föhere Wirtschafts- oder Kulturtntereffe binwegdenkt, das sie gestattet, die äbrig bleibende Gestion für sich allein eine schwere Verantwortung mit sich brächte. Sie find erlaubt, aber sie tragen die Ersatzpflicht in fich, da jeder im fremden Interesse erfolgte Eingriff in die Rechlssphäre eines anderen dessen Anspruch auf Ersatz des Nachteils mit sich bringt. Von den vier vorliegenden Gutachten stehen jene des Kammergerichts— ats Pape und des Ministerialrats Krasny über Elektrizität fowie Tas des Professors Sperl über Luftfahrtrecht vollständig auf dem Boden der Gefäbrdungehaftung, und auch das Gutachten des Justiz— rats Niemeyer, das sich ablehnend verhält, macht vornehmlich nur Gründe der Opportunität und Verschiebung dagegen geltend. Allerdings behauptet Niemeyer, es sei noch nicht gelungen, den Begriff der Ge— sährdungshaftung in eine einheitliche Formulierung zu bringen, fondern s würden nur Spezialfälle willkürlich herausgegriffen. Demgegenüber ist die Annahme irrig, daß es nur zwei Arten der Haftung gebe, solche nit und solche ohne Verschulden. Der Schuldhaftung steht viel mehr eine ganze Anzahl selbständiger Haftungsgruppen gegenüber. Für unz ist heute nur die einzelne Gruppe der Haftung aus gefährlichen Be— trieben zum erörtern. Bei der gegebenen Rechtslage find die Richter genötigt allerhand Auswege zu suchen, um nicht zu Urteilen gezwungen zu sein, die gegen alles Rechtsgefühl ver⸗ stoßen. So hat einmal ein baherisches Appellationsgericht, um einem Eigentümer zu helfen, dem infolge Funkenflugs aus einer Lokomgtive sein Haus abgebrannt war, zu dem Ausweg ge⸗ ßriffen, in dem Betriebe der Bahn sei überhaupt eine kulpofe Sand- lung gelegen. Gegenwãärtig hilft sich das Reichsgericht bei derartigen Fällen damit, zu sagen: Die Eisenbahnkonzeffion kenimmt dem Grund— besitzer sein Eigentumsrecht, daher muß dieser durch eine Schaden. ersaßklage geschützt werden. Allein dies alles sind nur Auzkunftz—
S. Nr. 214 des „Reichs und Staatsanzeigers?V.
mittel. Sie nätzen insbesondere nichts, wenn eine Personen— belchädigung vorliegt. Alles dies gilt insbesondere auch beim Betriebe der Luftschiffahrt. In Echterdingen geschah es, daß bei einer Notlandung einem Manne durch den Kettenanker der Schenkel abgerissen wurde. Im Prozeß wurde erwidert, ez sei nach allen Regeln der Luftschiffahrt dabei vorgegangen worden, und die Ersatzklage dieses Mannes wurde vom Reichsgericht abgewiesen mit der Begründung, daß dies bel dem Mangel eines Spezialgesetz es unvermeidlich sei. Ein Verschulden könne dem Luftfahrer nscht nachgewiesen werden, das Unglück sei daher als Zafall zu be— trachten, der den Beschädigten trifft. Ein Sondergesetz, nach dem die Laftschiffahrt die mit ihr undermeidlich berbundenen Gefahren zu tragen hat, besteht aber nicht. Das Begehren nach ein— heitlicher Regelung aller Betriebshaftungen wurde schon mehrfach gestellt, allein die richlige Art der Rechtsbildung ist nicht die, daß man sich eine Generalregel ausdenkt und unser diese das Recht zwingt, sondern das Recht muß sich aus dem Bedürfnis ergeben und hieraus sich schließlich die Regel ableiten. Wir müssen alfo an den Spezial⸗ sällen arbeiten, die uns vorliegen, dürfen aber nicht die Luftschiffahrt auf die Elektrizitãt oder beide wieder auf die Fabrikation von Explosiv⸗ stoffen verweisen und schließlich alles auf die lange Bank schieben. Drei Punkte sind beiden Fragen gemeinsam: 1) Kann durch bloße Verschiebung der Beweislast gebolfen werden? Nein.“ Die Beweisnot liegt darin, daß der Verletzte den Beweis überhaupt nicht kontrollleren kann. Beim Elektrizitätsschaden weiß man oft nicht einmal, wo die Schadensquelle zu suchen ist; bei der Luftschiff⸗= fahrt ist man meistens außerstande, das Vorgehen Pes Piloten auch nur zu sehen, geschweige denn zu beurteilen. Rußerdem liegt die Frage in der Regel nicht so, ob entweder dle Unternehmung oder der Beschädigte selbst schuld ist. Zwischen diesen Fallen liegt die breite Masse jener, an denen gar niemand schuld ist, die vielmehr eben zu den Gefahren des Betriebes gehören, zum risque professionèl. Pape hat an statistischem Material entwickelt, daß gerade diese Art von Fällen 56 Y aller Elektrizitätsstreite in Deutschland ausmacht, in denen das gegenwärtige Recht versagt. Als zweiter Punkt ist die Frage zu erörtern, ob die Haftung aufhören soll, wenn der Unfall durch höhere Gewalt bewirkt wurde. Der Redner entwickelte nun die vollkommene Unbestimmtheit des Begriffes der höheren Gewalt“, den Laien in der Regel im ursprünglichen Sinne eines überwältigenden Naturereignisses auffassen, während unter den Jurisen faft jeder eine andere Meinung hat. Die einen schließen alle Ereignisse, die aus der Gefährlichkeit des Unternehmens selbst hervorgehen, von der Ent— schuldigung aus, andere wieder nur solche Ereignisse, die aus der Fehlerhaftigkeit des Werkzeugs hervorgehen. Schon 1893 kat sich der Deutsche Juristentag gegen die Aufnahme des Begriffes der höheren Gewalt“ in das Bürgerliche Gesetz⸗ buch ausgesprochen auf Grund eines Gutachtens der Professoren von Schey und Pfersche, welche diesen Begriff wegen Feines schwankenden Charakters für ungeeignet als Rechtsbegriff erklärten. Es kann daher nur eine solche Formulierung zugelassen werden, daß als unabwenzbarer Zufall ein solcher nicht angesehen werden darf, der mit den Gefahren der Unternehmung zusammenhängt. Dies gilt insbesondere auch bei der Luftschiffahrt, welche die Gefahren der Elemente selbst herausfordert und daher auch nicht die Verant— wortung ablehnen kann, wenn andere hieraus beschädigt werden. Als drittem Punkte wendet sich der Redner der Frage zu, ob die Ersatzpflicht begrenzt werden solle. Das deutsche Automohilgesetz kennt solche ziffernmäßige Geenzen, und das Reichshaftpflichtgesetz schließt den Anspruch auf Erfatz des im' materiellen Schadens (sog. Schmerzensgeld) aus. Es ist dies nickt zu billigen. Die österreichische Gesetzgebung hat bei Körper— beschädigungen niemals solche Grenzen abgesteckt, im Gegenteil, als die Eisenbahnarbeiter von der Haftpflicht in die Unfallversicherung übernommen wurden, hat man ihnen eine höhere Unfallrente als Gnt' schädigung für das Siechtum zugebilligt. Wir haben stets die fran zösische Praxis beneidet, daß sie imstande ist, ausgiebige Genugtuung für Körperbeschädigungen zuzuerkennen. Kaum hat man unser Prozeß⸗ recht in dieser Richtung verbessert, so soll wieter das materielle Gesetz das wegnehmen? Ist der Verletzte wirklich entschädigt, wenn man ihm nur daß zahlt, waz er weniger vberdient? Hat er nicht auch einen Anspruch darauf, sich in Gesund— heit des Lebens zu freuen, die ihm nun ohne Erfatz benommen wird? Auf österreichischem Nechtsboden hat diese Begrenzung keine Aussicht zuf Erfolg. Bezüalich des Punktes Elektrizität“ liegen zwei Gutachten vor, die das Gleiche fordern: Betriebshaftung und dem entgegen Wegerecht. Der Berichterstatter befprach nun' die Be— stimmungen des schweizerischen Gesetzes, des österreichischen Entwurfs und erörterte die darauf bezüglichen juristischen Ausführungen des Gutachters Pape sowie die sozialpolitischen Entwicklungen des Gutachters Kraßny über die Notwendigkeit Ter Betriebshaftung als Frscheinung des modernen Wirtschaftsie bens. Mit Bezug auf die Luftschiffahrt erörterte der Berichterstatter zunächst die Frage der Gebietshoheit jedes Staates an dem über feinem Territorium gelagerten Luftraum sowie auch des Eigentumsrechts der ein⸗ zelnen Grundeigentümer. Dieses — führte er aus — ist in den Gesetzen Oesterreichs und Frankreichs ohne E nschränkung anerkannt, in der Schweiz und in Deutschland mit der Einschränkung, daß der Grundeigentümer nur solche Eingriffe verbieten dürfe, an deren Hintanhaltung er ein Interesse habe. Ein folches Interesse be⸗ steht aber gegenüber den Gefahren des Absturzes eines Waggons oder des Herauswerfens von Gegenständen. Es hat deshalb der Kongreß für Luftrecht in Paris und insbesondere die österreichische Delegation bei dem diesjährigen Brüsseler Kongreß selbst Vorschriften' vor⸗ geschlagen, nach denen die Durchfahrt dem Luftfahrer gestattet sein soll, ihm aber auch die unbedingte Veipflichtung zum Erfatz des Schadens aus Notlandungen oder Ballastauswurf aufzuerlegen sei. Dies ist ein gerechter Ausgleich. Dasselbe gilt für die Elektrizität. Be⸗ merkenswert ist Sperls Anregung der Beschaffung einer Zwangk⸗ genossenschaft zur Versicherung gegen Lufischäden. die womöglich international, aus zugestalten wäre. Die Beseitigung des gegen⸗ wärtigen Rechtszustandes liegt im beiderseitigen Interesse, in dem des Verletzten und in jenem der Industrie, die durch Sicherung ibres Wegerechtes für Elektrizität und Luftschiffahrt einen weit Üüber' wiegenden Vorteil erhält. Es wäre vollsländig verfehlt, die Fortschritte der Technik durch Rückständigkeit des Rechts befördern zu wollen. Bei aller Bewunderung der technischen Errungenschaften müssen wir doch an der Erkenntnis festhalten, daß der einzige Maßstab des Kultur⸗ fortschritts nicht darin liegt, wie schnell wir uns im Luftraume be⸗ wegen, sondern vor allem in dem Schutz, den das geheiligte Gut des Menschenlebens und der Rechte der Menschen finden.
Berichterstatter Geheimer Justizrat, Professor Dr. Kipp (Char— lottenburgj führte aus: Ich bekenne mich, wie der Herr Vorredner, als entschiedenen Anhänger der Gefährdungshaftung, nicht in dem Sinne, daß in jedem Fall eine Haftung für zufällig verursachte Schäden eintreten soll, wohl aber in dem Sinne, daß derjenige, der einen mit besonderen Gefahren für Dritte verbundenen Betrieb ünter— nimmt, die Gefahren dieses Betriebs auf die eigene Tasche zu nehmen bat. Es ist mir besonders bedeutungsvoll erschienen, daß, wie Herr Kammergerichtsrat Pape ausgeführt hat, die deutschen Richter das deutliche Bestreben haben, in Prozessen der hier fraglichen Art das geltende Recht ausdehnend zu interpretieren. Pape hat eine Statistik vorgelegt, der zufolge in 440, von einer größeren Anzahl hier ein⸗ schlägiger Fälle dem Geschädigten bei Annahme des Gefährdungs⸗ prinzips zu helfen gewesen wäre, während nach geltendem Recht ihm nicht zu helfen war. Diese Statistik würde für die von Pape der⸗ tretene Gefährdungshaftung nech günstiger ausgefallen sein, Renn man die Zahl der Fälle kennte, in denen die eigene Einsicht der Partei oder der Rat eines einsichtigen Anwalts sie davon abgehalten hat, einen nach geltendem Recht völlig aussichtslosen Prozeß zu unter⸗ nehmen. Die geschichtliche Entwicklung hat von der Haftung für Zufall zur Verschuldenshaftung geführt. Gewiß war dies ein Kultur— fortschritt, aber es war nicht das letzte Wort der Kulturentwicklung. Es ist ein wohlbekanntes Prinzip, daß die Rechtegeschichte sich durch Schlag und Rückschlag der richtigen Mitte annähert. Das zeigt sich auch
in der modernen Rückkehr zur Verursachungshaftung in Fällen be⸗
sonderer Gefährdung Dritter. Mit Recht haben Sperl und Krasnv es als das volkswirischaftlich richtige Prinzip hingestellt, daß der ge— fährdende Betrieb die Schaden, die er anrichtet, in seiner Bilanz unter den Passiva als Betriebskosten einstellt. Die Unternehmer sind regelmäßig auch wobl in der Lage, diese Schäden zu tragen. Sie können sich zudem durch Haftpflichtversicherung decken. Eine Ver— sicherung des Einzelnen gegen die drohenden Schäden wäre viel schwerer durchzuführen und wäre volkswirtschaftlich unvor⸗ teilhafter, weil bei der Unberechenbarkeit der Gefahren des Einzelnen die Summe der von allen zu zahlenden Prämien unendlich viel höher sein müßte. Die Gefährdungshaftung wird die Unternehmer zu technischer Vervollkommnung und zur Vorsicht im Interesse der Ver⸗ meidung der Gefahren erziehen. Daß die Ünternebmer nicht nur für sich, sondern indirekt auch im volkswirtschaftlichen Interesse arbeiten, ist richtig, gilt aber auch von denen, die ben den Gefahren bedroht werden. In bejug auf die Luft⸗ schiffahrt kommt besonders in Frage, daß sie heute in der GEnt— wicklung begriffen ist, also auch ihre finanziellen Grundlagen erst sucht und desto eher imstande ist, sich bei ihrer Srganifation auf die Uebernahme der Betriebsgefahren einzurichten. Die räumliche Trennung der Luftschiffahrt von dem sonstigen Verkehr hält freilich manche Gefahren fern, die der Automobilismus mit sich führt. Dafür aber tritt die schwere Gefahr der Bedrohung anderer durch den Absturz ein. Wenn der österreichische Aeroklub sich für das Prinzip der Gefährdungshaftung entschieden hat, so verdient er für diese gerechte und objektive Würdigung der Interessen anderer unumwunden Anerkennung. Daß die Haftung nicht eintritt bei eigenem Ver— schulden des Geschädigten, ist selbstverständlich. Sie foll aber auch nicht eintreten bei höherer Gewalt. Nur darf die Verwirklichung der dem elektrischen Strom und der Luftfahrt immanenten Gefahren als höhere Gewalt nicht betrachtet werden. Schwachstromanlagen sind von der Haftung des Unternehmers auszuschließen. Sie können nur gefährlich werden, wenn sie unter den Einfluß einer Starkstrom— anlage geraten; dann aber ist diese das eigentlich schãdigende Moment. Der Grundstückseigentümer braucht in feinem Falle die Berufung auf höhere Gewalt zu dulden, denn er kann geltend machen, daß die Benutzung des Luftraumesß nur dann sein Grund eigentum nicht Wrletzt, wenn sie seine Interessen in keiner Weife beeinträchtigt. Solche Beeinträchtigung würde aber auch in der Gefährdung liegen, wenn der wirkliche Eintritt eines Schadens auf die Tasche des Grundelgentümers fiele. Der Redner flellt folgende Anträge ») Die Haftung für Schäden, die durch elektrischen Starkst om und durch die Verwendung von Luftfahrzeugen verursacht werden, ist durch Gesetz den Betriebsunternehmern aufzuerlegen. 3 Die Haftung soll ausgeschlossen sein, wenn der Schaden durch höhere Gewalt herbei geführt ist; höhere Gewalt ist aber niemals die Verwirklichung der dem elektrischen Strom und der Luftfahrt eigentümlichen Gefahren. Die Berufung auf höhere Gewalt ist auszuschließen gegenüber dem Grundeigentümer, dessen Grundstück oder Luftraum für elektrische Leitung oder Luftfahrt kraft gesetzlichen Rechts in Anspruch genommen wird' 3). Es empfiehlt sich, als Träger der Haftung im Gebiete der Luft- fabrt Zwangsgenossenschaften der Unternehmer ins Leben zu rufen.“ Der Redner betonte jedoch, daß er gegen die Fortlassung des 2. An⸗ trages nichts einzuwenden haben würde.
Vorsitzender Geheimer Justizrat, Professor Dr. von Gierke
dankte den beiden Referenten namens der Abteilung für ihre ein- gehenden und erschöpfenden Referate. Nach längerer Diskussion wurden folgende Anträ e, über die sich die beiden Referenten Dr. Pattai und Dr. Kipp geeinigt hatten, unter Ablehnung hierzu von den Justizräten Eschenbach und Veit Simon (Berlin) gestellter Amendements zum Beschluß erhoben: A) Es empfiehlt sich, die notwendige Fortbildung des geltenden Schadenersatzrechts durch, besondere Bestimmungen über die Haftung für Schäden, welche durch die Errichtung, den Bestand und den Betrieb elektrischer Anlagen und Fernleitungen verursacht werden, nach den Prinzipien der Betriebshaftung zu unternehmen, zugleich in einem allgemeinen Elektrizitätsgesetze die gesamten Verhältnisse der Elektrizitäts anlagen, insbesondere ihres Wege⸗ rechts zu ordnen, sofort aber auch eingehende Vorschriften über bie Schadensverhütung zu erlassen oder zum mindesten die bestehenden Vorschriften der Elektrizitätsverbände als behördliche Vorschriften zu rezipieren und anzuwenden 2) Es empfiehlt sich, die notwendige Fortbildung des Schadenersatzrechtes durch besondere gesetzliche Be⸗ stimmungen über die Haftung für Schäden, die durch Verwendung von Luftsch ffen und Flugmaschinen verursacht werden, nach den Prin⸗ zipien der Betriebshaftung zu unternehmen. 3) Die Haftung soll ausgeschlossen sein, wenn der Schaden durch höhere Gewalt herbei⸗ geführt ist; höhere Gewalt ist aber niemals die Verwirklichung der dem elektrischen Strom und der Luftfahrt eigentümlichen Ge— fahren. Die Berufung auf höhere Gewalt ist aut zufchließen gegenüber dem Grundeigentümer, dessen Grundftück oder Luft— raum für elektrische Leitung oder Luftfahrt kraft gesetzlichen Rechts in Anspruch genommen wird. 4) Zugleich wird erklärt: Die Bildung von Zwangsgenossenschaften für Luftfahrer behufs Tragung der Schadenersatzleistungen unter Regreß gegen die haftpflichtigen Betriebe und deren möglichste Vereinigung zu einer Gefamt⸗ organisation durch internationalen Vertrag ist anzustreben. Außerdem wurde noch der Antrag angenommen, die ständige Deputation zu er⸗ suchen, die Frage der Anwendbarkeit gleicher oder ähnlicher Grund— fätze auf besonders gefährliche Betriebe überhaupt auf die Tages⸗ ordnung des nächsten Juristentages zu stellen“.
„Vie Bücherei des Kunstgewerbemuseums hat in ihrem Aus— stellungssaale eine reichhaltige Auswahl graphischer Arbeiten, Bucheinbände und Flachmuster des Malers F. V. Cissarz, Professors an der Kunstaewerbeschule in Stuttgart, eröffnet, die wochentäglich von 10 bis 10 Uhr unentgeltlich zugänglich ift.
Literatur.
— Vom Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm liegt die 9. Lieferung der J. Abteilung des Zwölften Bandes vor. Sie enthält die Wörter: Versprutzeln bis Versteben und ist von Dr. M. Leopold bearbeitet. (Verlag von S. Hirzel in Leipzig.)
Theater und Mußsik.
Königliches Opernhaus.
In der Aufführung der ‚„Meistersinger von Nürnberg“ am Sonnabend erschien der Nachfolger Dr. Mucks, der neuverpfllchtete Kapellmeister Paur zum ersten Male am Orchesterpult. Herr Paur
ist hier als Konzertdirigent schon bekannt und geschätzt, außerdem geht ihm von seinem Wirkungskreise in Boston, wo er nun seinerseits von Dr. Muck abgelöst wird, ein guter Ruf voraus. Seine Fähig⸗ keiten werden sich erst dann richtig beurteilen lassen, wenn er hier, mit dem ihm unterstellten Tonkörper besser vertraut sein und die völlige musikalische Neueinstudierung eines Werkes geleitet haben wird. Diesmal sah er sich einem von seinen Vorgängern geschaffenen, festgefügten Ganzen gegenüber. Am willigsten folgte ihm, da wo seine Auffassung in bezug auf die Zeitmaße von der hier herkömm⸗ lichen abwich, das Orchester. Sie Sänger werden sich an seine Stabführung erst gewöhnen müssen; hier und da zeigten sich kleine Schwankungen, die darauf schließen ließen, daß die Fühlung mit der Bühne noch nicht so innig war wie früher. Aber das sind nur kleine Uebelstände, die jede Übergangszeit mit sich bringt. Im übrigen ist seine völlige Beherrschung der herrlichen Partitur, der er musikalisch in keiner Hinsicht etwas schuldig blieb, zu rübmen. Unter den Sängern sah man neben den allbekannten einige neue Erscheinungen. Ein glücklicher Zufall hat es gefügt, daß mehlere Haupirollen mit ihren Bapreuther Vertretern besetzt werden konnten. Da war zu— nächst Herr Kirchhoff, der diesjährlge Bayreuther Stolzing, an diesem