1912 / 270 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Nov 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachung.

Zur Abhaltung der Wissenschaftlichen Prüfung der Lehrerinnen (Sberlehrerinnenprüfung) in Berlin habe ich Termin auf

Montag, den 21. April 1913, Vormittags 9 Uhr, im Gebäude der hiesigen Königlichen Augustaschule, Kleinbeeren⸗ straße 16,319, anberaumt. ; ö

Die Meldungen zu dieser 6 sind spätestens zum 21. Dezember d. J. und zwar eitens der im Amte stehenden Bewerberinnen durch die vorgesetzte Dienstbehörde, seitens anderer Bewerberinnen unmittelbar an mich einzureichen.

Wegen der der Meldung beizufügenden 3 ver⸗ weise ich noch besonders auf 8 4 der Prüfungsordnung vom 15. Juni 1900.

Berlin, den 6. November 1912.

Der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten. J. A.: Müller.

Ministerium für Landwirtschaft, Do mänen und Forsten.

Dem früheren Dozenten für Hufbeschlaglehre an der Land⸗ wirtschaftlichen Hochschule Berlin, Oberstabsveterinär a. Otto Küttner ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

FinanzministeriLum.

Zu Steuerinspektoren sind ernannt: die Katasterkontrolleure Bühren in Homberg, Degenhart in Krossen, Georgii in Bramstedt, Hirschb erg in Steinau, Jaeger in Neutomischel, Lohmann in Reppen, Mix in Berlin, Nell in Oldenburg, Petersdorff in Osterode a, H., Rommeiß in Gräß, Reiter in Strelno, Schmersow in Itzehoe, Thomas in Lennep und Voppe in Rheine.

Aichlamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. November 1912.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute eine Sitzung.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Fürstlich schwarz⸗ burgische Staatsminister Freiherr von der Recke ist in Berlin angekommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am S. N. S. „Hertha“ in Mersina und S. M. „Vaterland“ in Hankau, am 10, d. M. S. M. Schanghai, S. M. S. „Luchs“ in Nanking „Möve“ in Lüderitzbucht, ferner am 11. d. M. „Gneisenau“ in Schanghai angekommen.

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Baden.

Wie die „Karlsruher Zeitung“ meldet, ist Seine König⸗ liche Hoheit der Großherzog durch eine leichte fieberhafte Erkrankung seit dem 3. d. M. gezwungen, das Bett zu hüten und muß sich noch einige Tage Schonung auferlegen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Der Präsident der bulgarischen Sobranje Danew ist gestern nach der Audienz beim Kaͤifer Franz Joseph auch vom Thronfolger empfangen worden und hatte später mit dem Minister des Aeußern Grafen Berchtold eine Konferenz. Wie das „Ungarische Telegraphen⸗Korrespondenz⸗Bureau“ erfährt, war der Zweck der Reise des Präsidenten Danew hauptsächlich, sich über die Auffassung der maßgebenden Kreise der Monarchie angesichts der durch die Erfolge des Balkanbundes geschaffenen Lage zu unterrichten.

= In der heutigen Sitzung des ö ster reichischen Abgeordnetenhauses beantwortete der Ministerpräsident Graf Stürgkh die Interpellation der deutschen Parteien wegen der Handhabung der Vorschriften über den Gebrauch der deutschen Geschäftssprache im innern Dienst der staatlichen Behörden Böhmens.

Nach dem Bericht des . W. T. B.“ erklärte der Minister⸗ präsident, daß tatfächlich in gewissem Umfange bel den landes⸗ fürstlichen Behörden Böhmens die tschechische Sprache im innern Dienst angewendet werde. Seit seinem Amtsantriit habe die An⸗ Wendung der ischechischen Amtssprache nicht an Ausdehnung gewonnen. Ein e, der Regierung, um die Sprachenpraxis auf den früheren Stand zurückzubilden, hätte den Grundsätzen der Regierung widersprochen. Die Reglerung werde alles aufbieten, um eine g baldige Wiederaufnahme der Ausgleichs verhandlungen herbei⸗ zuführen.

In der Debatte über die Beantwortung der Interpellation ver⸗ urteisten die tschechischen Abgg. Koerner und Spiha auf das schärfste die Erlasse des Justizministers. Der Ruthene Dnistriansky hielt eine 23 stündige Rede und legte dar, daß der Erlaß des Justiz⸗ ministers eine gefährliche politische Spitze habe und elnen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit zu politischen Zwecken darstelle. Gegen Schluß der Sitzung richteten die Abgg. Pantz, Heilinger und Friedmann Anfragen an den Präsidenten, in denen sie die slowenische Obstruktion, die den Parlamentarismus gefährde, auf das schärfste verurteilten. Während der Nede des Abg. Pantz kam es wegen eines von dem Deutschnationalen Schürff gegen die slowenischen Abgeordneten gerichteten beleidigenden Zuruss zu einem heftigen Auftritt. Nachdem sich der Lärm gelegt hatte, setzte Pantz seine Aus⸗ führungen fort. Schürff erhielt einen Drdnungsruf. Der Ruthene Stkunewskij beschwerte sich in einer Anfrage üher das Vorgehen Tes Obmann des Budgetausschusses, das er als ungesetzlich bezeichnete.

Großbritannien und Irland.

Die Regierung hat gestern bei der Beratung der Home⸗ rulebill im Unterhause eine unerwartete Niederlage erlitten, indem ein Abänderungsantragg der Opposition in bezug auf den finanziellen Teil des Gesetzes mit 228 gegen 206 Stimmen angenommen wurde. Wie „MB. T. B.“ meldet, war das Amendement von dem Ünionisten Sir Frederik Banbury beantragt worden und

setzte fest, daß die unter den Verordnungen der Homerulebill von dem englischen Schatzamt an das irische Schatzamt jährlich zu zahlende Summe 2560 000 Pfund Sterling nicht über⸗ steigen sollte. Die Regierung hatte dem Amendement wenig Gewicht beigemessen. Der Generalpostmeister Samuel sprach gegen den Antrag und bezeichnete ihn als unzweckmäßig. Die Liberalen hatten nicht vermutet, daß die Opposinion, die in ihrer ganzen Stärke zur Stelle war, einen plötzlichen. Angriff geplant hatte. Nach kurzer Debatte schritt man zur Abstimmung. Ils Banbury wieder den Saal betrat und aus den Händen des TFlerks die Liste mit der Stimmenzahl empfing, was bedeutete, daß sein Amendement durchgegangen war, brachen die Mit⸗ glieder der Opposition in eine begeisterte Kundgebung aus. Das ziffernmäßige Ergebnis der Abstimmung ließ den Jubel der Opposition noch einmal zum Ausbruch kommen. Der Premierminister Asquith, der nicht zugegen gewesen war, wurde sofort herbeigerufen. Nach einer Konferenz mit dem Haupteinpeitscher beantragte er die Vertagung der Debatte, die angenommen wurde, worauf das Haus auseinanderging,

Sofort nach der Vertagung des Hauses wurde eine Kabinetts⸗ sitzung einberufen, um die neu geschaffene Lage in Erwägung zu ziehen. Die Niederlage der Regierung hat, obiger Quelle zufolge, große Schwierigkeiten technischer Natur im Gefolge, da das Amendement die Wirkung haben kann, daß die finan⸗ ziellen Bestimmungen der Homerulebill ernstlich gestört werden, und da mancherlei Hindernisse einem Widerruf des Beschlusses durch das Haus im Wege stehen.

In einer gestern abend veröffentlichten offiziellen Kundgebung erklärt die Regierung, daß sie die Abstimmung des Unterhaufes nicht als eine solche ansehe, die eine Aende⸗ rung ihres Programms herbeizuführen geeignet sei. Insoweit als die Abstimmung den am letzten Donnerstag in der Kom— mission mit einer Mehrheit von 121 Stimmen angenommenen Beschluß umstoße, werde die Regierung Schritte tun, um die wirkliche Meinung des Hauses zu erfahren. Die Kundgebung erinnert daran, daß Asquith in einer am 5. Oktober in Lady⸗ bank gehaltenen Rede erklärt hatte, er würde seinen Weg nicht ß derartige unerwartete Unterhausabstimmungen beeinflussen lassen. ;

Rußland.

Unter dem Vorsitz des Handelsministers ist laut Meldung des, W. T. B.“ von der für die Frage eingesetzten Kommission beschlossen worden, falls es den Bahnen der Krone un⸗ möglich sei, sich ausreichende Kohlenvorräte zu annehmbaren Preisen zu sichern, gegen 50 Millionen Pud Kohle im Ausland anzukaufen. Die Konferenz im Handelsministerium behandelte auch die Frage der Einstellung der Einfuhr von Mehl und Getreideprodukten nach Rußland und Finn⸗ land! Die Vertreter der Industrie und der Landwirtschaft sprachen sich für Einführung eines Einfuhrzolles auf Korn und Mehl aus.

Der der Kanzlei der Reichsduma eingereichte Etat des Marineministeriums verlangt für Schiffs baubedarf für das Jahr 1913 68 Millionen.

Italien.

Der König Victor Emanuel, hat vom Kaiser von Oesterreich anläßlich seines gestrigen Geburtstages, wie „W. T. B.“ meldet; folgende Depesche aus Budapest erhalten:

Beseelt von aufrichtigster Freundschaft beeile ich mich, an Eure Majestat meine wärmsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstage zu richten. Ich benutze mit Vergnügen diese Gelegenheit, um Eurer Majestät gleichzeitig recht aufrichtig Glück zu wünschen zu den glück— sichen Erfolgen, die die kürzlich beendete Aktion in Libyen für Italien gehabt hat, sowie zu den hohen milltärischen Tugenden, die die Armee und die Flotte Eurer Majestät in diesem Feldzuge bewiesen haben.

Der König nahm gestern morgen an Bord der „Trinacria“, begleitet von dem Kreuzer „Quarto“ und den fuͤnf Torpede— bosten, die an dem Durchbruch durch die Dardanellen teil— genommen hatten, auf der Reede von Neapel eine Flotten⸗ revue ab. Die Flottenmacht stand unter dem Kommando des Admirals Viale und bestand aus 4 Divisionen Panzerschiffen, einem Geschwader Torpedojäger und drei Geschwadern Torpedo⸗ booten. Nach der Flottenschau defilierten die Kriegsschiffe auf hoher See in zwei Reihen, zwischen denen die „Trinacria“ hin—⸗ durchdampfte.

Syhanien.

Die Kammer hat nach einer Meldung des J den Entwurf über die Ausgabe von 300 Millionen Pesetas in Schatzscheinen zur Liquidation der Obligationen des bereits abgeschlossenen Rechnungsjahres sowie die Vorlage über die Einrichtung von Freilagern in bestimmten Häfen angenommen.

Niederlande.

Das Haager Schiedsgericht hat in Sachen der russisch⸗türkischen Streitfrage, ob die otsomanische Regierung gehalten sei, an Rußland für Nichtzahlung der nach dem Ver⸗ frage von ist9 zu entrichtenden Kriegsentschädigung Verzugs⸗ zinfen zu zahlen, laut Meldung des „W. T. B.“ dahin erkannt, daß die Forderung Rußlands nach seiner im Jahre 1891 er⸗ folgten Mahnung zwar grundsätzlich anzuerkennen sei, eine Verpflichtung der Türkei zur Zahlung von Verzugszinsen aber deshalb nicht vorliege, da, wie aus diplomatischen Korrespon⸗ denzen hervorgehe, Rußland unzweifelhaft auf die aus dieser Mahnung sich ergebenden Vorteile verzichtet habe.

Belgien.

Die belgische Regierung plant eine Umgestaltung des Rekrutierungsgesetzes und damit eine Erhöhung des Effektivbestandes der Armee. Wie „W. T. B.“ meldet, sind über die Ausgestaltung der Reformen offenbar im Ministerium Differenzen entstanden, da der Kriegsminister General Michel seine Demission gegeben hat. An seiner Stelle ist der Minister⸗ präsident de Bro queville zum Kriegsminister ernannt worden. Das Portefeuille des Verkehrsministeriums, das der Minister⸗ präsident bis jetzt verwaltet hat. wird geteilt in ein Eisenbahn⸗ ministerium, das der frühere Minister für Ackerbau und öffent⸗ liche Arbeiten van de Vyvere verwaltet, und in ein Marine⸗ Post- und Telegraphenministerium, au dessen Spitze der Ant⸗ werpener Abg. Seghers tritt. Der ehemalige Minister Helleputte tritt wieder in das Ministerium ein und wird wie fruͤher Minister für Ackerbau und öffentliche Arbeiten.

Türkei.

Der Minister des Aeußern Noradunghian hat dem Vertreter des „Wolffschen Telegraphischen Bureaus“ in Kon⸗

stantinopel folgende Erklärung über die Lage abgegeben:

Neber die Vermittlung baben wir noch keine Nachricht. Die Mächte baben jetzt bei den vier Balkanstaaten wegen der Bedingungen angefragt, aber anscheinend noch keine Antwort erhalten. Nun erwarten wir den Kampf bei Tschataldscha. Aus Salonikt haben wir keine Nachrichten, doch wird auf einigen europäischen Missionen erklärt, dort lägen Meldungen vor, wonach Saloniki in den Händen der Griechen sei. Hier, in Konstantinevel, ist alles geschehen, um die Ruhe aufrechtzuerhalten. Beide Telegraphenkabel via Odessa und pia Konstantza sind dort, wo sie bei Kilia daz Meer erreichen, durch Truppen geschützt. Die große Zabl der fremden Kriegsschifse erscheint fast überflüssig. Die Gerüchte über Aenderungen im Kabinett sind von Grund aus als unzutreffend zu beseichnen, das Kabinett blelbt. Aber es ist möglich, daß eine Aenderung im Sberkommando der Armee eintritt. Vermutlich wird Izzet Pascha, bisher Kommandant im Jemen, der dieser Tage hier srwartet wird, den Oberbefehl übernehmen.

Wie der Minister ferner erklärte, denkt die Türkei nicht daran, wie die Gegner den Krieg auf religiöses Gebiet hinüber zu spielen und xreligiöse Leidenschaften aufzustacheln. Der in den Zeitungen erschienene Aufruf zum heiligen Kriege stamme nicht vom Scheich ül Islam; der geistliche Beamte, der den Aufruf verfaßt und verbreitet habe, sei bereits bestraft, und die Zeitungen, die ihn veröffentlicht hätten, seien suspendiert worden.

Um die Tätigkeit der jungtürkischen Klubs zu ver⸗ hindern, hat die Regierung einen Zusatzartikel zu dem Erlaß über den Belagerungszustand veröffentlicht, in dem bestimmt wird, daß niemand außer dem Sanitätspersonal in die in

Hospitäler umgewandelten politischen Klubs eintreten darf.

Wie „W. T. B.“ meldet, sind in Konstantinopel einige Fälle von Cholera unter den mohammedanischen Flüchtlingen vorgekommen. Die Regierung trifft energische Maßregeln, um einer Ausdehnung der Epidemie vorzubeugen.

Ueber die bisherigen Operationen der bul⸗ garischen Armee berichtet der Kriegskorrespondent der Reichs pos „in einem verspätet in Wien eingetroffenen Briefe, wie folgt:

Im Kriegsbeginn rückte die aus zwei Divisionen bestehende zweite Arme unter dein General Iwanof von Westen und Norden gegen Adrianopel vor. Gleichzeitig rückten in die Gebiete von Tamras und Kirdschalx die zweite und in Mazedonien die siebente Division vor. Das Gros der Tamrasgruppe rückte später in das Ardatal ein und ging vereint mit der Gruppe von Kirdschali gegen die Südosffront von Adrianopel vor. Inzwischen rückte im Osten die dritte Armee unter dem General Bimltrief in vier Kolonnen von Norden gegen Kirkkilisse vor, von denen die östlichste auf Petra, die nächste über Kovcas, die dritte über Derekoi und schließlich die westlichste Kolonne über Tirnomo angesetzt waren. Zwischen vicse' beiden Armeen wurde das Gros, der ersten Armes ein. geschoben. Die Türken zogen ihren linken Flügel schleunigst, auf Lüle Burgas zurück und vollführten gleichzeitig durch Verschieben ihres rechten Flügels eine Schwenkang mit der Front gegen Nordwest. Diese Verschiebung ermöglichte es einerseits, der der Armee Rutlntschef zugeteilten bulgzarischen Kavalleriedivision einen raschen Vorstoß fowohl gegen Baba Eeki, zu machen, wie sich des U ber= gangs von Dimgtika zu bemächtigen. Andererseits führten ie beiderfeitigen Offensivbewegungen ju. der dreitägigen Schlacht von Lüle⸗Burgas und Bunar⸗Hissar. Nach gefallener Entscheidung verfuchten die Bulgaren, durch einen Vorstoß über Sara den Türken den Rückgang abzuschneiden. Die Bulgaren ge— langten bis zum 2. November in die Linie Strandza —=Tscherkeskoj— Tschorlu, wo die Türken in dreitägiger Schlacht eine neue schwere Riederlage erlitten und in die Linie von Tschataldscha zurückgeworfen wurden.“ Um diese Gebiete findet jetzt der letzte Kampf siatt, und die bulgarischen Truppen haben sich bereits mehrerer wichtiger Vor⸗ positionen der türkischen Stellung bemächtigt.

Ueber die Operationen vor Adrianopel meldet der Berichterstatter der „Reichspost“:

Die Bulgaren haben vor Adrianopel keinen leichten Stand, da ihre schwere Belagerungsartillerie zwar hinsichtlich des toten und lebenden Materials vorzüglich, aber nicht zahlreich genug ist, während einzelne türkische Werke eine relativ große fortifikatorische Stärke bestzen. Die Bulzaren ersetzen den Mangel an genügend zabl— reicher Belagerungsartillerie in wahnwitzigem Vorwärtsdrang durch heldenhafte, aber entsetzlich blutige Infanteriestürme. Ich fah zwei Bataillone im Sturme vorgehen, von denen kaum zwei Kempagnien zurückkamen. Von Kadinkoj aus stoßen die bulgarischen Kolonnen allnächtlich in dem Raume zwischen dem Werke Ainali Milet und dem nördlich gelegenen Kemertabja vor, und ebenso entbrennt alltäglich aufs neue der Kampf bei Marasch, das nunmehr ein niedergebraunter Trümmerhaufen ist. Seit vorigem Sonntag sind auch serbische Truppen bei der Belagerungsarmee vor Idrianopel eingetroffen. In Mustapha Pascha sind ungefähr 1 Di⸗ vifionen durchmarschiert. Die Entscheidung dürfte auf beiden Punkten, bei Tschataldscha sowie bei Adria nopel, ungefähr gleichzeitig fallen.

Wie das Blatt, Mir“ erfährt, haben die türkischen Truppen in Adrianopel vorgestern Nacht um 10,2 Uhr auf der Nord⸗ westfront einen Ausfall versucht, sind aber durch ein mörderisches Artilleriefeuer der Bulgaren zurückgetrieben worden.

Nach Meldungen türkischer Blätter hatten die Bulgaren am 8. d. M. Rodosto bei Der Kreuzer Messuddije“ erhielt daraufhin den Befehl! ? odosto zu bombardieren und die Landung von 3000 Mann, die auf zwei Transportschiffen herangeschafft worden waren, zu erleichtern. Die Landung er⸗ folgte vorgestern, worauf die Bulgaren die Stadt räumten, die vol den Türken wiederbesetzt wurde. Nach Privat⸗ meldungen haben zahlreiche Einwohner Dedeagatsch und Cavalla verlassen.

Nach einer Meldung des Generals Sapundjakis aus Arta hat die griechische Armee gestern die Festungswerke von Pendepigadig besetzt. Der Feind wurde verfolgt, zog sich auf die Hohen hinter Pendepigadia zurück und stellte dort Batterien auf, die den ganzen Tag feuerten, ohne jedoch Erfolg zu erzielen.

Die Beschießung von Skuta ri ist vorgestern wieder aufgenommen worden. Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, zogen sich die Türken auf die höchsten Stellungen zurück. Wegen des Mangels an Lebensmitteln und wegen des herrschenden Schneetreibens versuchten sie am Abend, die Stellungen zu verlassen und sich in die Stadt zurückzuziehen; sie wurden aber durch die Montenegriner zurückgeworfen.

Der General Wukotitsch hat nach einer Depesche des „W. T. B.“ die Arnauten in der Nachbarschaft von Djakowo bollftändig unterworfen und rückt zur Verstärkung der Be⸗ lagerungsarmee nach Skutari vor. Eine serbische Heeres⸗ abteilung unter Zivkowitsch syoll ebenfalls auf dem Marsche sein, um die Montenegriner bei Skutari zu unterstützen.

Rumänien.

Den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, wewen mit dem 14. November die Mannschaften des ältesten Jahr⸗

ganges zur Reserve übergeschrieben. Die Entlasung der Mannschaften erfolgt, wie ‚W. T. B.“ meldet, in dan Maße, als die Rekruten einrücken.

Serbien.

Der österreichisch ungarische Gesandte von Ugron hatte vorgestern eine längere Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Pafitsch. Wie W. T. B. meldet, begab sich der Minister⸗ prãäsident gestern nach Uesküb.

Amerika.

Die Regierungen von Chile und Pexu sind nach Meldungen des, W. T. B.“ übereingekommen, die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder aufzunehmen, die noch bestehenden Schwierigkeiten auf friedlichem Wege zu löfen und einen Handelsvertrag zu unterzeichnen. ;

Asien.

Aus Anlaß des russisch⸗mongolischen Abkommens hat bei dem Präsidenten der chinesischen Republik Juanschikai eine längere außerordentliche Beratung stattgefunden.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Hanz

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand in der Metallindustrie zu Schönebeck an der Elbe ist nach 7⸗wöchiger Dauer am 4. . ohne Erfolg für die Ausständigen zu Ente gegangen. Die ausständigen Arbeiter werden, sowest Plätze frei sind und die Betriebsverhältnisse es zulafsen, ju den Bedingungen wieder eingestellt, die ihnen vor Aus= bruch des Ausstandes geboten wurden. Fuͤr die aus diesem Ausstand entstandenen Verluste wird die Firma vom Deutschen Industrieschutz⸗ verband, Sitz Dresden, satzungsgemäß entschädigt.

Wie dem .W. T. B.“ aus Albi gemeldet wird, stellte die Arbeltergenofsenschaftsglasbläserei eine Reihe neuer Forde⸗ rungen, darunter die nach einer beträchtlichen Lohnerhöhung, und be⸗ schloß, im Falle der Ablehnung in den Ausstand zu treten.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Die Archäologische Gesellschaßt zu Berlin hielt am 5. November im Architektenhause ihre erste Monats sitzung nach der Sommerpause ab. Der Vorsitzende, Geheimer Rat, Professor Dr. Trendelenburg, gedachte der beiden seit dem Juli d. J. ver— storbenen Mitglieder, der Herren Geheimer Justizrat, Kammer⸗ gerichterat a. D. Bro ich er und Professor D. Nicol aus Müller, die beide über 20 Jahre lang der Gesellschaft angehört haben, und widmete den neu angemeldeten Mitgliedern herzliche Begrüßungsworte, inẽbesondere Geheimrat Professor Dr. Loefchcke, der seit dem 1. Oltober als Nachfelger Kekules das Ordinariat für Aschäol gie an der Berliner Universität inne hat und zum ersten Male in der Gesellschaft an= wesend war, Geschäftliche Angelegenheiten und die kurze Berichterstattung des Bibliothekars Professor Brueckner über neue literarische Er— scheinungen leiteten dann zu den beiden Vorträgen des Abends über. Zunächst, sprach der Dr. Bruno Schröꝑer, Direktorialassistent bei den Königlichen Museen, über den Biskobol des Myron. Das im Altertum hechäefeierte Werk ist im Original verloren. Nur Kopien und kleine Ftachbildungen in Statuettenform und auf Gemmen geben eine ungenaue Vorstellung davon. Die Nachbildungen in London, Rom Vatikan) und Florenz sind stark ergänzt. Die voll⸗ ständigste Kopie, im Besitz des Fürsten Massimi, wird streng ver⸗ borgen gehalten; einige alte Photographien, eine kleine Statuette unbekannten Ursprungs und ein alter Abguß des Kopfes müssen dafür eintreten. Einen unvollkemmenen Ersatz suchte eine Rekonstruktion ö geben, in der ein Abguß der Vatikanischen Kopie mit dem des Massimischen Kopfes verbunden wurde. Da gab der Fund einer neuen, ausgezeichneten, leider nur zum Teil erhaltenen Kopie aus Castelporziano Anlaß zu einer neuen Rekonstruktion, in der dieser neue Rumpf mit einer Kopie des rechten Arms in Florenz, dem Haupt des Diskobol Massimi und den Beinen der Londoner Replik zusammengesetzt wurde. Auch dieser Versuch einer Wiederherstellung befriedigt nicht, weder künst⸗ lerisch noch vom Standpuntt der praktischen Aufführung des Diekug⸗ wurfes und der anatomischen Richtigkeit aus betrachtet. Die Be⸗ vegung wirkt lahm, die Linienführung matt und vor allem sind der linke Fuß und die rechte Hand falsch. Der linke Fuß ist bei allen statuarischen Nachbildungen, bet den Statuetten und einigen Gemmen so umgeknickt, daß die Zehen mit den Oberseiten auf dem Boden liegen. Dadurch wird der Stand so unsicher daß der Diskuswerfer not⸗ wendig umfallen muß. Die ästhetische Erklärung, der Künstler habe zwei Momente, das Ausholen zum Wurf und die Bein⸗ stellung nach dem Wurf, um größerer Lebendigkeit willen in eins zusammengezogen, ist hinfällig, da solch Umknicken oder Schleifen“ hem. Diskuswurf überhaupt nicht vorkommt. Das einzig Richtige, fester Stand des linken Fußes auf dem Ballen, ist durch zwei Gemmen und die Kopie von Castelporziano über⸗ liefert. Nur ein Stück von der großen Zehe hat sich erhalten; es beweist, daß der linke Fuß mit dem Ballen aufgestanden haben muß. Die Zeugnisse für den umgeknickten Fuß sind als wertlos zu verwerfen; ebenso die Kopien, die die rechte, den Diskus haltende Hand nicht so geben, wie es kleinere Darstellungen und literarische Zeugnisse überliefern: mit gespreizten Fingern, die den Diskus nur mit den i n n halten. Diese Tatsache einer nicht bloß im Stil, sondern auch in Stellung und Haltung fehlerhaften Ueberlleferung ist wichtig für die ganze Methode der Kopienkritik. Ein neuer Versuch, das berlorene Meifferwerk des Myron herzustellen, müßte aus den Stücken bestehen, die im Stil dem Bronzeoriginal und in der Laltung den maktischen Forderungen des Diskuswurfes entsprechen. Solange diese Aufzabe nicht erfüllt ist, läßt sich dte Probe auf die Richtigkeit der oben kurz stizzierten Erwägungen an einem modernen Werl machen, daö einen Diskuswerfer in der Bewegung des WUyronischen Athl ten vorführt. Dies Werk, bisher nur als Slis e in einem Meter Höhe von der Hand der Bildhauerin Marie Dihl de Pigage ausgeführt, ist im bewußten Gegen- Katz zu der bisher bekannten mangelhaften Ueberlieferung des Myronischen Diekobolen und auf. Grund ganz selbständiger Beob⸗ achtungen entftanden, die die Fertigkeit eines ausgezeichneten Diskus⸗ werfers möglich machte. Die vortreffliche Darstellung kann in ge— wissem Sinne den Myronischen Diskobolen ersetzen, wenn wir die Kopien auf ihre Richtigkeit und Brauchbarkeit für eine Rekonstruktion hin prüfen. Es wäre bei dem Mangel an guten Bildwerken athle⸗ tischen Inhalts sehr lebhaft zu wünschen, daß dies Werk von Marie Dihl de Pigage ausgeführt und etwa als Stiftung ein iger für lastik, Sport oder Altertum interessierter Gönner der Oeffentlichkeit zugäng⸗ lich gemacht würde; unsere dem olympischen Sport so lebhaft zu⸗ getane Zeik würde darin den Ausdruck einer ihrer idealsten Be⸗ strebungen sehen. Zum wenigften sollten die archäologischen Lehr= apparate es sich angelegen fein lassen, die Erfahrung und Kunst der genannten Bildhauerin zu nutzen und etwa in gemeinsamer Unternehmung für eine Rekonsiruktion von ihrer Hand Sorge zu tragen, die ein Meisterwerk, wie den Myronischen

Diskobol endlich wieder vor Augen führen könnte, so gut es eben uns Eyigonen möglich ist.— An den durch Lichtbilder illustrierten Vortrag schloß sich eine längere Diekussion an, in der u. a. der als Gast anwesende bekannte Sportgsmann Dr. med. Mallwitz das Technische des Distuswurfes vordemonstrierte. In ein. gehender Weise sprach sich Professgz Dr. Loeschcke gegen Schröders Nugführungen aut, indem er das Methodische des Pröblems schaif in den Vordergrund rückte. Durch die vortreffliche Kopie, die wir im Diskobol Massimi besitzen, sei das Original Myrons treu bezeugt und in seinen wefentlichen Formen festgelegt. Wie der Myronische Diekobol ausgesehen habe, sei die Frage, nicht wie man damals oder heute das Motiv des Dis kuswurfes bildhauerisch wohl am besten auzgedrückt haben möchte. Praktische Einwürfe gegen die Stellung könnten daher nicht ziehen.

Sodann sprach der Professor Dr. Brueckner, Oberlehrer am Prinz Heinrich- Gymnzsium, ebenfalls von Lichtbildern unterstützt, über das Schlachtfeld vor Troja. Alle Interpretation der Ilias und asse Nachforschung im unteren Skamandertale ist bisher ben der Annahme, ausgegangen, daß die. Griechen bei den Mündungen, des. Skamander gelandet seien. Wo aber die Ilias das Schiffslager erwähnt, redet sie von einem Strande, nicht jedoch bon den Flüssen. Die übrigen Nachrichten aus dem Altertum sind zwar in der Verlegung des Schiffslagers an die Flußmündungen anscheinend einig, sind jedoch Jahrhunderte jünger als das Epos. Aus der Ilias selbst geht nur hervor, daß das Lager am Hellespont war. Seitdem nun von W. Sieglin in einer Abhandlung über die Ausdehnung des Hellespontes bei den antiken Geographen klargelegt worden ist, daß der Name Helle vont his ins . vorcht. Jahr— hundert' daß ganze nördliche Aegäische Meer bis einschließlich des Marmara Meeres umfaßt hat, ist eine prüfende Umschau auch längs der Westküste der Troas, soweit sie dem unteren Skamandertale vor— liegt, notwendig geworden, ob etwa dort die Achäer gelandet sein können. Da ist die einzige Stelle, die noch in Frage kommen kann, die Besika⸗Bai in der sich eben jetzt die Geschwader der Großmächte sammeln mit ihrem 2 km langen Strande, zu dessen Seiten zwei große Grabhügel liegen; von ihr aus führt ein breites Tal genau auf die Mitte der Skamanderebene, in gerader Richtung auf Troja selbst. Ser alte Name dieses Küstenstrsches gegenüber Tenedos war Achaiion. Für die Kriegslage besaß dieser Strand ver⸗ glichen mit dem Skamanderdelta unleugbare Vorzüge; denn er war näher der Aeolis zu und Tenedos gegenüber, auf, das die. Achäer, vor der Zerstörung Trojas zurückwichen, und hatte die Gebiete der Ttroischen Bundesgenossen. Thrazien und die Küsten der Dardanellenstraße, weder im Rücken noch in der Flanke, wie der Skamanderstrand. Die Entscheidung, ob Besika⸗ Bai oder Ska⸗ mandermündung, liegt bei der Ilias als der ältesten Quelle. Im X. Gesang V. 36 verlockt Athena den Ares, damit er von der Schlacht nichts sieht, am Meeresstrand des Skamander“ sich nieder⸗ zufetzen. Bas schließt die Annahme des Schiffslagers ebendort aus. Als dann Axhrovite, wie es Athena beabsichtigte, ver— wundet ist, flüchtet sie zum Ares, der noch an seiner Stelle sitzt, link; von der Schlacht“ (V. 3558 daraus ergibt sich die Richtung der Schlachtlinie längs des Skamander, und nicht quer, wie die Topographen der Ilias bisher annehmen. In Uebereinstimmung damit, daß das Mündungsgebiet des Skamander und des Simois außerhalb des Schlachtfeldes ist, stellen V. 74 eben⸗ dort Hera und Athena ihren Wagen ein. Im Anfang des 6. Gesanges tobt denn auch die Schlacht auf Troja, Hissarlik, zu im welten Winkel zwischen diesen beiden Flüssen. Dann können die Achäer in die Ska⸗ manderebene nur von Südwesten her, d. i. von der Besika⸗Bai aus, eingerückt sein. Daß diese klare Ortsanschauung im Gedichte nicht vereinzelt, sondern im ganzen Aufbau des Epos festzehalten ist, lehren auch die vorangegangenen Gesänge, namentlich die fünf Gleichnisse, die im 2. Gesange von V. 455 ab den Aufbruch des Heeres, sein Einrücken in die Ebene des Skamander, das Passieren der Skamanderau, das Antreten der Abteilungen nach dem Uebergang über den Fluß und ihre Ordnung durch die Führer schildern. Für das Ganze ecgibt sich, daß die Dertlichkeit selbst und die Grundanschauung des Dichters von der Oertlichkeit sich decken, sobald die Besika-Bai als sein Aus— gangspunkt anerkannt ist.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Ueber die Tätigkeit der Provinziglmoorkommission der Landwirtschaftskammer für die Provinz Posen in den Jahren 1910 und 1911 enthält Heft 13 der Arbeiten der Landwirtschaftskammer einen ein—⸗ gehenden Bericht, Von den Mitteilungen interessieren besonders die Angaben über die erst im Oktober 1911 aufgenommene beratende

Tätigkeit der Kommission. .

Bis dahin war ihr nur die Aufgabe gestellt, durch Einleitung und Durchführung von Musterkulturen in möglichst vielen Moorbezirken der Provinz und, durch Verbreitung der gesammelten Erfahrungen durch Wort und Schrift belehrend und aufklärend zu wirken. Jetzt hat man versucht, auf die von Privaten vorzunehmenden Moormeliorationen größeren Einfluß zu gewinnen und den Interessenten die Erfahrungen der Provinzialmoorkommission besser zugänglich zu machen dadurch, daß seit dem J. Oktober 1911 die Kommission folgende Arbeiten übernommen hat: I) die einmalige Beratung, 2) die Erteilung eines ausführlichen schriftlichen Gutachtens, s) die Anfertigung von Flächen⸗ und Längennivellements nebst 4) Projekt und Kostenanschlag, 5). die Abnahme der eventuell durch Unternehmer aus— zuführenden Arbeiten, 6) die Aufstellung von Grassamengemischen, ) die Vermittlung beim Bezug einwandfreier, durch die Posener Ver— suchsstation untersuchter Sämereien, 8) die ständige Kontrolle meliorierter Wiesen. Die Berechnung der Kosten dieser von der Moor⸗ kommifssion zu leistenden Arbeiten erfolgt nach bestimmten Sätzen, die sich nach der Größe der zu bearbeitenden Grundstücke staffeln, bei größeren Flächen auch nach Vereinbarungen.

Wie im Bericht mitgeteilt wird, hat diese Neuorgantsation eine starke Inanspruchnahme der Kommission zur Folge gehabt, und auch die Moorkommission hat alle Mehrkosten, die aus der Anstellung neuer Hilfskräfte usw. entstanden, aus den eigenen Einnahmen decken können.

Die rund 596 ha große Domäne Bernsee im Kreise Arnswalde sowie 2 Vorwerke der Domäne Crummendorf im Kreise Zällichau in Größe von rund 327 ha sind mit Ablauf der Pachtzeit zu Johanniß d. J. an die Landgesellschaft „Eigene Scholle“ zum Zwecke der Umwandlung in Rentengüter für den Preis von 600 000 6 bezw. 326 960 ½ verkauft worden. Nach dem Jahresbericht der „Eigenen Scholle! für das zweite Geschäfts⸗ jahr J , wurden von ihr rund 5730 ha für die Besiedelung erworben.

Ernte, Saatenstand und Getreidehandel in den Verelnigten Staaten von Amerika Ende Oktober 1912.

Das Kaiserliche Konsulat in St; Louis berichtet unterm 26. Oktober d. J. uber Mitteilungen, die ihm von zuverlässiger Seite zugegangen sind, folgendes:;

Es' war in diesem Jahre schwierig, einen sicheren Blick über die Ernte und Marktlage zu gewinnen. Bis zum Juni waren die allgemeinen Ernteaussschten wahrhaft trostles. Seitdem hat die gütige Natur alles nachgeholt und überholt bis zu einem Grade, der . verblüffend ist.

Weizen. So zuin Beispiel schätzt der Bericht der Land wirtschaftszentrale in Washington die Sommermwelzenernte in North Dakota auf ungefähr 147 Millionen Bushel, also etwas mehr als elne Burchschniktsernte von ganz Deutschland. Die Berichte der⸗ eiben Stelle geben zu, daß in dem großen Gebiete östlich vom

iffissippi, das ungefähr zwei Drittel der Gesamtbevölkerung der Vereinigten Staaten enthält, nur ein einziger Staat genügend

Brotstoffe für den eigenen Verbrauch geerntet habe, nämlich der Staat Delaware, der fast nur Ackerbau treibt und keine . Städte oder Fabrikzentren besitzt. Dagegen haben die wichtigen Winterweizenstaaten Dhio, Indiana, Illinois, Michigan und Wisconsin nur etwa 38 Millionen Bushel Weizen geerntet gegen 132,6 Millionen im Vorjahre, die, nebenbei gesagt, auch nur esmne schwache Mittelernte darstellten. Es ist nicht zu unter⸗ shãtzen daß die Qualität der heurigen Einte östlich vom Mississippi ebenso niedrig ist, wie die Quantität. Ein großer Teil wird gar nicht als Brotstoff zu betrachten sein. Dieser begmnk— liche Ausfall in der östlichen Hälfte des Landes wurde durch reichen Erntesegen in den Weststaaten Kansag, Nebraska, Sklahoma und Teras sowie an der pazifischen Küste zum Teile ausgeglichen. Das gesammte Winterweijenergebnis der Veresnigten Staaten beziffert sich nach der letzten Schätzung auf 390 Millionen Bushel gegen 4395 im Vor— jahre. Oestlich vom Mississippi wird nur weicher Winterweizen, Hauptsorte: Nr. 2 red, gezogen, der im Handel roter Winterweiren genannt wird und hauptsaͤchlich in Frankreich und England beliebt ist. Westlich vom Mississippi wird im südlichen Teil fast nur der harte Winterweizen (Vauptsorte: Nr. 2 hard oder Kansas hard, d. i. der 1873 aus Südrußlanz eingeführte harte rötliche Turkey wheat) ge— zogen, der in Deutschland für Mischung guten Absatz findet. ** Normaljahren ist der Marktwert für den roten und für den harten Wetzen ungefähr gleich, aber jetzt schon steht der Preis für den weichen Welzen volle 150, höher, als für die harten Sorten, und es ist zu erwarten, daß der Mangel an ersterem und die reiche Ernte in legteren noch größere Preisunterschiede ergeben werden, wiewohl die Qualität des Kansasweszens eine tadellose ist. Was aher alle Kalküls des Frühsommers über den Haufen warf, war die riesige Ernte an Sommerweizen in den nordwestlicheu Staaten, die nach amtlicher Schätzung etwa 330,4 Millionen Bushel ergeben hat gegen 1907 im Vorjahr. Somit haben die Vereinigten Staaten im Jahre 1912 alles in allem etwa 160 Millionen Busbel mehr Weizen ge⸗ erntet als im Jahre 1911: rund 720,3 gegen 621,3.

Weizenspeicherung, Vorräte, Preise. Die reichen

Ernten wurden fast ausschließlich in den jungen sogenannten , states des Binnenwestens gemacht, wo der Farmer noch verschuldet ift und so gut wie keine Speicher besitzt. Das erklärt die mächtigen Zufuhren an den Produktenplätzen des Westens. Da die Qualitãt wie des Kansas hard, so auch des Sommerweizens der drei nordwest⸗ lichen Staaten Minnesota, North Dakota und South Dakota sehr be⸗ friedigend ausgefallen ist, so sind diese Sorten zur Speicherung sehr geeignet. Trotzdem wollen die sichtbaren Vorräte pisible supply verhältnismäßig nicht entsprechend zunehmen; sie stehen gegen die vorjährigen heute noch um etwa 25 Millionen Bushel zurück: 36 gegen 61 Millionen. Dies läßt sich nur aus der gesteigerten Ausfuhr und aus der Mißernte in der östlichen Hälfte des Landes erklären. Der Bedarf des Ostens dürfte daher auch bis zur nächsten Ernte ein reger blelben; sobald einmal die Zufuhren in Kansas Gity, Minneapolis und Duluth nachlassen, möchte durch heimische Nachfrage die Preislage fester gestaltet werden. Die gegenwärtigen Preise sind mäßig und würden Europa zugute kommen, wenn nicht die Seefrachten so übertrieben hoch stünden. Bis jetzt hat der, Krieg am Balkan die amerikanischen Weizenmärkte nur wenig beeinflußt. wie überhaupt eine gewisse konservative Tendenz im ganzen amerikanischen Handel und Wandel vorteilhaft gegen die in vergangenen Jahren so oft übel vermerkte Prelstreiberei und wilde Spekulation absticht. Da im Laufe des Sommers und Herbstes die Witterung andauernd günstig für die Entwicklung aller anderen Ackerbauerzeug⸗ nisse blieb, so kann Amerika mit seinem Erntesegen höchst zu— frieden sein. Mais ist gut ausgereift und wird einen Ertrag von 3016 Mil- lionen Bushel gegen 253165 im Vorjahre ergeben. Die Beschaffenheit ist gut. Hafer wird auf 14172 Millionen Bushel geschätzt gegen 8223 im Vorjahre, Gerste auf 224,6 Millonen Bushel gegen 160,2 im Vorjahre. Von höchster Wichtigkeit ist es, daß die Heuernte 72,“ Millionen Tons ergab gegen M, im Vorjahre. Kartoffeln werden auf etwa 400 Millionen Bushel geschätzt gegen 292 im Vorjahre.

Alle anderen Feldfrüchte sowie Obst und die ührigen Erzeugnisse des Gartenbaues sind in ähnlicher ergiebiger Weise gediehen. Nur die Baumwollenernte wird die vorjährige nicht erreichen; es ist noch zu früh, um hier mit Zahlen zu kommen. .

Obgleich Fleisch und alle anderen Lebensmittel heute noch über alle Maßen teuer sind, so versichert doch der Landwirt—⸗ schaftsminister, daß die großartige Einte alles gut machen und daß namentlich Fleisch schnell wieder auf einen normalen Wert sinken werde. Es wird Jahre bedürfen, bis der Viehstand genügend ergänzt sein wird, um dem Bedarf der Volksmassen zu genügen.

Der allgemeine Geschäftsgang hat sich belebt, die Fabriken sind voll beschäfligt, die Eisenbahnen können den Verkehr kaum be⸗ wältigen. ;

Die neugesäten Weizenfelder stehen ausgezeichnet. Boden war in der besten Verfassung, die Witterung bis jetzt äußerst günstig. Sonach werden die Saaten in vorzüglichem Zustande in den Winter gehen. Die neue Anbaufläche wird der vorjährigen ungefähr gleichkommen. .

C y. Der

Theater und Musik.

Im Königlichen Opern hauße wird morgen, Mittwoch. Lohengrin“ gegeben. Herr Kirchhoff singt die Titelrolle, die Elsa: Frau Denera, die Ortrud: Frau Goetze, den Telramund; Herr Bischoff, den Heerrufer:; Herr Hahich. Die Rolle dez Königs, hat gastweise Herr Erich Thieß vom Herzoglichen Hoftheater in Alten⸗ 3 übernommen. (Anfang 7 Uhr) Dirigent ist der Kapellmeister aur.

Im Königlichen Schauspielhause spielt morgen Herr Alexander Engel vom Stadtthegter in Cöln als Gast den Groß— händler Tjälde in Björnsons „Fallissement“. Die anderen Hauxt⸗ rollen liegen in den Händen der Damen Butze, Ressel und Heisler fowie der Herren Vollmer, Pohl, Vallentin, Boettcher, Patiy und Keßler. ö

Der Charlottenburger Bürgerchor, der zu Beginn dieses Jahres ins Leben gerufen wurde, tritt am 19. d. M. zum ersten Male vor die Oeffentlichkeit in einer Aufführung des in Berlin noch nie zu Gehör gebrachten und was Partitur und Stimmen an— belangt noch ungedruckten Oratoriums von Haydn . Tobias' 5 Reben den Solisten: Kammersänger Felix Senius, Bruno Bergmann, Fanny Opfer, Paula Weinbaum, Minna Dahlke⸗Kappes, wird das mit dem Chor verbundene, gleichfalls neugegründete Eharlottenburger Symphonieorchester sich betaͤtigen. Das Konzert, dem am Sonntag, den 17. d. M., Mittags 12 Uhr, eine öffentliche Hauptprobe vorangeht, findet in der König⸗ lichen Hochschule für Musik statt und wird von Richard Kursch geleitet.

Das Orchester des Deutschen Opern hauses veranstaltet am Bußtag (Mittwoch, den 20. November), Abends 8 Uhr, unter der Leitung des Kapellmeisters Ignatz Waghalter ein Sym⸗ phonie konzert. Das Orchester, das sich bei dieser Gelegenheit zum ersten Male in feiner ganzen Stärke auf der Bühng zeigen wird, bringt Beethovens Ouvertüre zu „Coriolan,, das Bachsche Doppelkonzert für jwei Violinen, mit den beiden Konzert⸗ meistern Alfred Meyer und Wladislaw Waghalter als Solisten, und die C⸗Moll : Symphonie von Brahms. Außerdem singt Dr. Alfred Haßler vom Deutschen Dpernhause yeisliich Lieder von Beethoven. Um den Freunden des Hauses den Besuch dieses Konzerts zu erleichtern, das voraussichtlich das einzige in dieser Spielzeit bleiben wird, hat die Dixeltion die Einrichtung getroffen, daß außer den Dauerbeziehern von Eintrittskarten zu den Mr hr; vorstellungen, deren Karten ohnedies an dem Tage Giltigkeit haben,