einbezogen, daß eine wegen Geistesschwäche zum Wider⸗ stand unfähige weibliche Person zum außerehelichen Bei⸗ schlaf mißbraucht wird. Die Bestimmung des 5 244 Nr. 3 über Unzucht mit Kindern ist sachlich nicht geändert; das Wort „verleitet“ ist im Anschluß an die Fassung des Anstiftungsparagraphen im allgemeinen Teil durch „be⸗ stimmt“ ersetzt. Im S 245, der verschärfte Strafe für die Fälle androht, in denen ein Verbrechen gegen 8 244 zum Tode des Verletzten geführt hat, ist durch etwas veränderte Fassung und durch Hinweis auf den 8 22 allgemeiner Teil klargestellt, daß die schwerere Strafe nur eintritt, wenn der Täter den Erfolg als möglich voraussehen konnte. Zugleich ist die Mindest⸗ strafe auf fünf Jahre Zuchthaus herabgesetzt worden. — Die Bestimmungen über Erschleichung des Beischlafs (3 246) und über Unzucht unter Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses sind sachlich nicht geändert. Im S 248 (Verführung) ist das Erfordernis der Unbescholtenheit der Verführten in Wegfall gebracht; die Strafdrohung ist unter Streichung der Haft auf Gefängnis bis zu zwei Jahren erhöht. Der § 249 (Blutschande) hat lediglich Fassungsänderungen erfahren. Der 8§z 250 ist in zwei Bestimmungen zerlegt, deren erste die gleich⸗ geschlechtliche Unzucht, die zweite die Unzucht mit Tieren be⸗ handelt. Während die letztere unverändert übernommen ist, sind bei der ersteren mehrere Aenderungen vorgenommen. Zunächst ist die Vorschrift unter Rückkehr zum geltenden Rechte auf den Verkehr zwischen Männern beschränkt. Den Qualifikationen des Vorentwurfs (Mißbrauch eines Amtsverhältnisses usw., Gewerbsmähßigkeit) ist der Fall gleichgestellt, daß die Tat von einem Volljährigen unter Verführung eines Minderjährigen unter achtzehn Jahren begangen ist. Zur Bekämpfung der männlichen Prostitution ist ferner eine neue Vorschrift beschlossen, wonach mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft wird, wer sich zu der Tat gewerbsmäßig anbietet oder bereit erklärt. — Wegen einfacher und schwerer Kuppelei (38 251, 257) soll wie nach geltendem Recht nur bestraft werden, wer der Unzucht durch Vermittlung oder durch Gewährung und Ver⸗ schaffung von Gelegenheit Vorschub leistet. Die Vorschrift über den Frauenhandel (8 253 Nr. 1) ist dahin erweitert, daß auch derjenige unter sie fällt, der die Zuführung weiblicher Per⸗ sonen zur Unzucht gewerbsmäßig fördert. In den § 258 ist der 5 48 des Auswanderungsgesetzes eingearbeitet. Dabei ist der Tatbestand dahin erweitert, daß die Bestimmung zum Ver— lassen des Inlandes (statt zur Auswanderung) genügt; die Straf⸗ drohung ist der über den Frauenhandel angepaßt. — Bei der Zu⸗ hälterei (53 254) soll in besonders schweren Fällen die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren sein. — Der § 255, der bei den SS§ 250 bis 254 in weitem Umfang Arbeitshaus und Auf⸗ enthaltsbeschränkungen zuließ, ist dahin geändert, daß auf Arbeitshaus nur noch bei Zuhältern erkannt werden darf; Aufenthaltsbeschränkungen, die nach dem Allgemeinen Teil neben Zuchthaus jederzeit zulässig sind, sollen neben Gefängnis bei der Unzucht unter Männern für den Fall gewerbsmäßiger Begehung sowie bei Verurteilungen wegen Kuppelei oder Zu⸗ hälterei verhängt werden können. — Im 5256 (Aergernis durch unzüchtige Handlungen) ist ebenso wie bei 8 257 (unzüchtige Schriften, Abbildungen usw.) die Androhung der Haft beseitigt und die Geldstrafe auf 5000 S6 erhöht worden. — In Nr. 1 des 58 257 ist klargestellt, daß auch das Einführen unzüchtiger Schriften usw. in das Inland unter die Vorschrift fällt. Hinter der Nr. 3 ist eine neue Vorschrift eingestelltn, wonach die An⸗ kündigung von Gegenständen, die zur Verhütung der Ver— breitung von Geschlechtskrankheiten dienen, strafbar ist, wenn sie in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, Aergernis zu erregen. Im 58 258 (anstößige Berichte aus Gerichtsverhandlungen) ist gleichfalls die Androhung von Haft beseitigt.
Der 21. Abschnitt: „Ehrverletzung und Ver⸗ letzung fremder Geheimnisse“ ist in zwei Abschnitte zer⸗ legt, deren erster unter der Ueberschrift „Beleidigung“ die S§ 259 bis 266 des Vorentwurfs enthält, während die 85 267, 268 den zweiten: „Verletzung fremder Geheimnisse“ bilden. Der Beleidigungstatbestand (8 259) ist unverändert beibehalten, seine Strafdrohungen sind geändert worden. Die Grundstrafen sollen Gefängnis oder Einschließung bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu fünftausend Mark sein; in besonders leichten Fällen soll, wie schon nach dem Vorentwurfe, von Strafe ab⸗ gesehen, in besonders schweren nur auf Gefängnis, und zwar bis zu zwei Jahren, erkannt werden können. Im § 260 ist der Abs. 2, der den Wahrheitsbeweis ausschließt, wenn die Beleidigung öffentlich begangen ist und lediglich Verhältnisse des Privatlebens betrifft, die das öffentliche Interesse nicht be— rühren, in Wegfall gebracht und dafür eine besondere Bestim—⸗ mung eingestellt, wonach mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark bedroht wird, wer „vorsätzlich den Frieden des Privatlebens eines anderen dadurch stört, daß er böswillig über dessen häusliches und Familien⸗ leben öffentlich ehrenrührige Mitteilungen macht, die das öffentliche Interesse nicht berühren“. Der Wahiheitsbeweis soll hier nur auf Antrag der Verletzten zulässig sein. Die Vorschriften, die für die Beleidigung über Wahrnehmung berechtigter Interessen, Strafantrag und Urteilsveröffentlichung gegeben sind, gelten auch für das neue Delikt. Der Abs. 3 des 8 260 ist dahin geändert, daß ein freisprechendes Urteil den Wahrheitsbeweis nicht ausschließt, wenn es aus anderen Gründen als wegen mangelnden Beweises erfolgt ist. — Der Tatbestand der Verleumdung (8 261) ist selbständig gefaßt. Die Geldstrafe bis zu 10000 S, die der Vorentwurf neben der Hauptstrafe (Gefängnis) vorsieht, fällt fort; da egen soll auf Geldstrafe, und zwar gleichfalls bis zu 10000 (6, bei mildernden Umständen erkannt werden können. — Auch die Vorschrift über die Beschimpfung des Andenkens Ver— storbener (8 262) ist selbständig ausgestaltet; das Erfordernis der Gröblichkeit der Beschimpfung ist beseitigt. Als Strafe ist Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu fünf⸗— tausend Mark vorgesehen. — Die Bestimmung über die Wahr⸗ nehmung berechtigter Interessen (3 263) hat eine Erweiterung erfahren: wer in Wahrnehmung eines öffentlichen Interesses gehandelt hat, soll straflos bleiben, auch wenn das Interesse ihn nicht nahe angeht, vorausgesetzt, daß er sich nachweislich in entschulddarem guten Glauben an die Wahrheit seiner Be⸗ hauptung oder Mitteilung befunden hat; die Straflosigkeit soll indessen nicht eintreten, wenn die beleidigende Kundgebung zur Erreichung des verfolgten berechtigten Zweckes offenbar un⸗ geeignet oder unnötig war. Auch diese Vorschrift gilt nicht nur für die Beleidigung, sondern auch für das neu geschaffene Indiskretionsdelikt. — In den Vorschriften über den Strafantrag (885 264, 265) ist, wie bei der Körper⸗ verletzung, bestimmt, daß das Antragsrecht entfällt, wenn der Beleidigte in die Verletzung eingewilligt hat; ebenso ist auch hier das selbständige Antragsrecht des Ehemanns ge⸗ strichen. Bei der Beschimpfung des Andenkens Verstorbener
soll den Enkeln und Geschwistern das Antragsrecht nur bis zum Ablauf von fünfzig Jahren nach dem Tode des Beschimpften zustehen. Die Verlängerung und Verkürzung des Antragsrechts soll bei wechselseitigen Beleidigungen künftig nur dann ein⸗ treten, wenn die Handlungen in einem Zusammenhang stehen; die gleiche Einschränkung ist nachträglich auch für wechselseitige Körperverletzungen und den Wechsel von Beleidigungen und Körperverletzungen beschlossen. Die Urteilsbekanntmachung (S 266) ist ebenso wie bei der falschen Anschuldigung geregelt; durch die Fassung ist klargestellt, daß es genügt, wenn der Be⸗ rechtigte die Bekanntmachung innerhalb der Monatsfrist ver⸗ langt. Neu ist die Bestimmung, daß der Name des Verletzten in den verfügenden Teil des Urteils aufzunehmen ist, wenn die Bekanntmachung gestattet oder angeordnet wird. Wieder⸗ aufgenommen ist die Vorschrift des geltenden Rechtes, daß dem Antragsteller auf Verlangen eine Ausfertigung des Urteils auf Kosten des Schuldigen zu erteilen ist.
In den Schutz des 5 267, der die Verletzung des Brief— geheimnisses betrifft, ist der Fall einbezogen, daß das Schrift⸗ stück nicht selbst verschlossen ist, sondern unter Verschluß auf— bewahrt wird. Hervorgehoben ist im Tatbestande, daß das Schriftstück zum Zwecke der Kenntnisnahme eröffnet wird und zur Kenntnis des Täters nicht bestimmt ist. In der Straf— drohung — Gefängnis oder Haft bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark — ist die Haft durch Ein— schließung ersetzt; in besonders leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden. Der“ Strafantrag soll rücknehmbar sein, wenn die Tat gegen einen Angehörigen begangen ist. Der Täterkreis des 5 268 — Verletzung von Privatgeheimnissen — ist auf die berufsmäßigen Krankenpfleger, auch soweit sie nicht öffentlich bestellt oder zugelassen sind, ausgedehnt, ferner ist klargestellt, daß die Gehilfen der im 8 268 des Vorentwurfs genannten Personen nur einbezogen sind, soweit sie berufs⸗ mäßig tätig sind. In der Strafdrohung ist die Haft durch Einschließung ersetzt.
Die erste Vorschrift des 22. Abschnitts „Diebstahl und Unterschlagung“ (8 269) ist sachlich unverändert über— nommen. Bei dem Diebstahl unter erschwerenden Umständen (8 270) sind einige Aenderungen erfolgt. Die Nr. 5 ist in zwei Teile zerlegt; der erste betrifft den gefährlichen Dieb— stahl, und zwar die Fälle, in denen in einer für die persönliche Sicherheit anderer gefährlichen Art, insbesondere unter Mit— führung zur Ueberwindung eines Widerstandes bestimmter Werk— zeuge oder Betäubungsmittel gestohlen wird, der zweite den Dieb—⸗ stahl zur Nachtzeit: wenn der Täter sich in dieberischer Absicht Ein— gang verschafft oder sich in gleicher Absicht verborgen gehalten hatte. In Nr. 6 ist klargestellt, daß es unerheblich ist, ob die Mitglieder der Bande sich im Einzelfall als Mittäter oder Ge— hilfen betätigen, andererseits bestimmt, daß die Strafschärfung nur eintritt, wenn die Bande zu Räubereien und Diebereien zusammengetreten war. In der Nr. 7 soll es nicht darauf ankommen, ob der Täter das Stehlen gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betreibt, sondern darauf, ob er den onkreten Diebstahl gewerbs⸗ oder gewohnheitsmäßig be— gangen hat. Die Schärfungsstrafe für besonders schwere Fälle (Zuchthaus nicht unter zwei Jahren) ist im 5 270 beseitigt. — In der Vorschrift über Unterschlagung (8 271) ist der Abs. 3 (Unterschlagung anvertrauter Sachen) gestrichen; dafür sind im Abs. 1 die Strafen auf Gefängnis bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erhöht und besonders schwere Fälle mit Zuchihaus bis zu fünf Jahren vorgesehen. — Statt des 8 272 (Entwendurg hat die Kommission beschlossen, die Tatbestände der Novelle zum Strafgesetzbuch vom 19. Juni d. J. mit geringen Aenderungen zu übernehmen. Der 5 248a (Entwendung aus Not) soll hier eingestellt, die in ihm ange⸗ drohte Geldstrafe, entsprechend den sonstigen Beschlüssen, auf fünfhundert Mark erhöht werden. S 370 Nr. 5 (Mundraub) soll Uebertretung bleiben; der Entwendung zum eigenen Verbrauch ist die Entwendung zum Verbrauch durch einen Angehörigen gleichgestelll. DDer 8 273 (Haus⸗ und Familiendiebstahl) ist dahin geändert, daß der Dieb— stahl gegen Abkömmlinge oder den Ehegatten nicht straflos, sondern Antragsdelikt ist; bei der Ent— wendung und beim Mundraub soll es bei der bisherigen Regelung verbleiben. Der Abs. 2 ist erweitert; es soll bei der Hausgemeinschaft nicht mehr darauf ankommen, ob das Haupt der Gemeinschaft durch die Straftat betroffen wird, vielmehr sollen Diebstahl und Unterschlagung auch dann Antragsdelikte sein, wenn die Tat sich gegen ein anderes Glied der häuslichen Gemeinschaft richtete; deshalb sind die Worte „in deren häus— licher Gemeinschaft er (8cl. der Täter) lebt“ ersetzt. durch „mit der er in häuslicher Gemeinschaft lebt!“. Im An⸗ schluß an die Beratung des Abschnitts hat sich die Kommission mit der Frage beschäftigt, ob die Vorschrift in 8 12 Nr. 5 des Vorentwurfs, wonach unter einer beweglichen Sache auch die in einer elektrischen Anlage oder Einrichtung enthaltene Energie verstanden werden soll, aufrechtzuerhalten sei oder ob die Vor— schriften des Gesetzes, betreffend die Bestrafung der Ent— ziehung der elektrischen Arbeit, vom 9. April 1900 in anderer Weise in den Entwurf einzubeziehen seien. Das Er— gebnis der eingehenden Aussprache war der Beschluß, die Nr. 5 des 8 12 zu streichen und den Schutz der elektrischen Energie nach wie vor einer Sonderregelung zu überlassen, die besser als ein allgemeines Strafgesetz der Eigenart des Schutzobjekts und der gerade auf diesem Gebiete stark im Fluß befindlichen Entwicklung Rechnung tragen könne.
Der 23. Abschnitt wird durch die Vorschriften über Raub und Erpressung gebildet; die Kommission hat ihn beibehalten. Im Tatbestande des Raubes (8 274) sind in Uebereinstimmung mit früheren Beschlüssen an Stelle der Ausdrücke „mit gegenwärtiger persönlicher Gefahr“ und „um zu“ die Ausdrücke des geltenden Rechts „mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ und „in der Absicht, zu“ wieder⸗ hergestellt. Die Strafdrohung für den Regelfall sowie für besonders schwere Fälle ist beibehalten, die weitere Quali— fizierung bei Todesfolge ist dahin geändert, daß die erhöhte Mindeststrafe von zehn Jahren Zuchthaus gestrichen ist und lebenslanges Zuchthaus, entsprechend der Regelung bei den gemeingefährlichen Delikten, nur dann zulässig sein soll, wenn in einem besonders schweren Falle des Raubes der Tod eines Menschen eingetreten ist und der Täter diese Folge als möglich voraussehen konnte. Im zweiten Absatz des Paragraphen hat die Kommission der Fassung des geltenden Rechis „bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen“ den Vorzug vor der des Vorentwurfs „bei einem Diebstahl betroffen“ ge— geben, auch wie im Abs. 1 den Ausdruck „mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ wiederhergestellt. Die Worte „um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten“ sind ersetzt durch „um sich oder einem anderen die gestohlene Sache zu er—
halten“. — Beim Tatbestand der Erpressung (5 275) hat die
Kommission in der Sache gebilligt, daß der Vorentwurf hie Absicht, sich oder einem anderen unrechtmäßigen Gewinn zu verschaffen, fordert, die Fassung aber dahin geändert, daß der Täter die Absicht gehabt haben muß, sich oder einem Dritten einen „Vermögensvorteil“ zu verschaffen, „auf den kein Rechts—⸗ anspruch besteht“. Ebenfalls gebilligt ist die Neuerung des Vorentwurfs, daß die Erpressung eine Vermögens⸗
beschädigung voraussetzt. Auch hier ist. die Fassung („einen Vermögensvorteil abnötigt)? geändert („frem⸗
des Vermögen dadurch beschädigt, daß er einen anderen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt“). Eine Einschränkung hat der Tatbestand durch den Zusatz erhalten, daß die Nötigung durch eine Drohung nur dann als Erpressung strafbar sein soll, wenn entweder mit einem dem Rechte zu— widerlaufenden Verhalten gedroht wird, oder wenn die Drohung den Gewohnheiten des redlichen Verkehrs widerspricht. Die Strafdrohung für den Regelfall ist unverändert geblieben. Bei besonders schweren Fällen ist die Höchststrafe von fünf auf zehn Jahre Zuchthaus erhöht.
In dem 24 Abschnitt (Betrug und Untreue) hat zunächst bei der Vorschrift über den Betrug (5 276) das Er⸗ fordernis der Bereicherungsabsicht die gleiche Fassung wie bei der Erpressung erhalten. Die Worte „zu einer Verfügung darüber bestimmt“ sind wegen der Gefahr einer zu engen Aus— legung geändert in „zu einer Handlung, Duldung oder Unter— lassung bestimmt“. Im übrigen sind die ersten beiden Absätze sachlich unverändert geblieben, insbesondere ist als Mittel der Vermögensbeschädigung nach dem Vorschlage des Vorentwurfs „arglistige Täuschung“ gefordert. Die im Abs. 3 für Ge⸗ werbs⸗ oder Gewohnheitsmäßigkeit angedrohte Strafe soll — entsprechend dem zum Diebstahl gefaßten Beschluß — nur eintreten, wenn der zur Aburteilung stehende Betrug eine ge— werbs⸗ oder gewohnheitsmäßige Handlung des Täters dar— stellt. Auf ein erhöhtes Strafmindestmaß für besonders schwere Fälle des gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Betrugs ist verzichte. — Die vom Vorentwurf gestrichene Vorschrift des geltenden Rechts gegen den Versicherungsbetrug (St. G. B. 5 265) ist wieder eingestellt. In dem — sonst unverändert übernommenen — Tatbestande ist das Erfordernis der betrügerischen Absicht genauer umschrieben („um sich oder einem Dritten die Versicherungssumme zu verschaffen oder die Versicherungsgesellschaft zu schädigen“). Als Strafe ist Ge⸗ fängnis angedroht, der Versuch ist unter Strafe gestellt. — In der Bestimmung des Vorentwurfs über die Untreue (8 277 ist das Wort „absichtlich“ gestrichen und statt dessen „vorsätz—⸗ liche“ Vermögensbeschädigung durch „wissentlichen“ Mißbrauch der Verfügungsbefugnis gefordert. Die Strafe soll Gefängnis oder Geldstrafe bis zu zwanzigtausend Mark, in besonders schweren Fällen Zuchthaus bis zu fünf Jahren sein. — 528 (Strafantrag) ist sachlich gebilligt. — Die Nr. I des § 279 Er⸗ schleichung freier Fahrt usw.) ist durch Einbeziehung der unbe—
fugten Entnahme aus Automaten erweitert; zugleich ist bestimmt,
daß die Vorschrift nur Platz greift, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist. In der Strafdrohung ist die Haft gestrichen. Das Antrags⸗ erfordernis ist beibehalten, die Zurücknehmbarkeit des Antrags jedoch ausgeschlossen. An Stelle der Nr. B des 5 279 Gech⸗ prellerei)h hat die Kommission den 5 2642 der Novelle vom 11. Juni 1912 übernommen. In der Strafdrohung ist die Geldstrafe wie bei der Entwendung auf 500 6 erhöht. Ab⸗ weichend von der erwähnten Bestimmung soll der Versuch strafbar sein.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision am 12. d. M. in Malta und am 13. d. M. S. M. S. „Tiger“ in Schanghai, S. M. S. „Leipzig“ in Tsingtau und S. M. S. „Jaguar“ in Hongkong eingetroffen.
Defsterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern die Verhandlung der Interpellationen über den Sprachen— erlaß des Justizministers beendet. In der Debatte er— klärten noch zwei deutsch⸗nationale Abgeordnete, daß die Deut⸗ schen wie ein Mann hinter dem Justizminister stehen. Die nächste Sitzung findet am 26. November statt.
— Infolge der größeren Anzahl von Rekruten, die mit dem Inkrafttreten des neuen Wehrgesetzes einrücken, sind die Ausbildungsverhältnisse schwieriger geworden. Wie das „Wiener K. K. Telegraphenkorrespondenzbureau“ mitteilt, sah sich die Heeresverwaltung daher veranlaßt, Rekruten für die nach Bosnien, Herzegowina und Dalmatien entsandten Bataillone von nun an zuerst vier Wochen hindurch in ihren Kaderstationen ausbilden zu lassen und sie dann erst zu ihren Truppenabteilungen zu senden. Diese vier Wochen sind nunmehr abgelaufen, und es beginnen morgen die Transporte aus dem ganzen Gebiete der Monarchie. An⸗ gesichts dieser ungewohnten Truppenbewegungen wird darauf hingewiesen, daß es sich um keinerlei außer— gewöhnliche Maßnahmen handelt, sondern daß die Militärzüge, die man an manchen Orten sehen wird, nichts als Rekrutentransporte sind, die die alljährliche Mannschafts⸗ ergänzung für die Truppen des 15. und 16. Korps nach dem Süden führen.
Großbritannien und Irland.
Der deutsche Botschafter Fürst Lichnowsky ist mit Ge⸗ mahlin gestern abend in London angekommen und auf dem Bahnhof von dem Botschaftsrat Dr. von Kühlmann und dem ganzen Personal der Botschaft und des Generalkonsulats empfangen worden.
— In der gestrigen Sitzung des Unterhauses stand der Antrag des Premierministers Asquith, die Entscheidung über das Amandement Banburys für ungültig zu erklären, zur Verhandlung ö
Nach dem Bericht des W. T. B.“ erklärte der Sprecher, ehe der Ministerpräsident seinen Antrag einbrachte, in einer Erwiderung auf eine Bemerkung Bonar Laws, es sei zwar kein Präzedenzfall dafür vorhanden daß das Haus im Verlauf der Verhandlungen einer Bill einen Beschluß zurücknehme (Zustimmung bei der Opposition), Acquiths Antrag sei aber ordnungsgemäß. Der Premier
minister hob die Bedeutung des Amendements Banburvs hervor, meinte aber, daß dessen Annahme nicht die wirkliche Ansicht des Lauses darstelle, da die Regierung in den letzten 141 Tigen während der Debatte über die Bill Mebrheiten von durchschnütlich 1066 Stimmen gehabt habe und die Finanzresolution vergangene Woche in einem früheren Stadtum der Bill mit einer Mehrheit von 121 Stimmen ohne Zusatzantrag angenommen worden sei. Unter diesen Umständen
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e die Regierung, das Haus müsse Gelegenheit erhalten, sich zu i nr ob es bei der Annahme von Banburys Amendement bleiben wolle oder nicht. Asquith schloß: „Die Lage ist errst. Wenn bas Haus seinen Beschluß nicht rückgängig macht, kann die Regierung nicht weiter bleiben, da das Amen dement den finanziellen Be— stimmungen der Bill einen tödlichen Streich versetzt hat. Die Re⸗ zicrungémehrheiten im Dause sind während der letzten Wochen immer größer geworden. Unter diesen Umständen, ganz abgeseben von einigen anderen Gründen, über die ich nicht weiter sprechen will, die aber einen Wechsel in der Regierung in diesem Augenblick im öffentlichen Interesse möglicherweise zu einer Quelle von Wirrnis und Berlegen— feit machen könnten, denke ich, wenn die Regierung jetzt verzichten märde, so würde sie gegen die besten Ueberlieferungen der englischen Politik und gegen ihre Verantwortlichkeit verstoßen.“ /
Im Laufe der erhitzten Debatte, die auf Asquiths Rede folgte, nannte der Unionlst Sir William Bull den Premierminister einen Verräter. Er wurde zur Ordnung gerufen und, als er sich weigerte, den Ausdruck zurückjunehmen, von dem Sprecher aus dem Haufe gewiesen. Der Abg. Bonar Law erklärte, daß der Regierung nur zwei ehrenvolle Möglichkeiten offen blieben, nämlich Rücktritt oder Auflösung. Er mache jedoch eine Einschränkung. Asquith habe auf die auswärtige Lage hingewiesen. Er gebe dunchaus zu, daß dies Bedenken wesentlich sei, und er möchte nicht wünschen, daß die Regierung unter den gegenwärtigen Umständen zurücktrete oder auflöse. Die Regierung könnte auf die hochherzige Unterstützung der pyosition rechnen, his die Krisis vorüber sei. Aber dann müßte die . natůrlich nach Beendigung der Krisis an das Land appellieren. Mit ihrem jetzigen Verfahren habe die Regierung das Recht für sich in An⸗ spruch genommen, zu tun, was ihr beliebe, ohne Rücksicht auf das Volk, das zu vertreten sie vorgebe. ö
Später kam es neuerlich zu erregten Zwischenfällen, als die Opposition dem Generalstaatsanwalt dadurch, daß sie ihn niederschrie, das Sprechen unmöglich machte. Nachdem der Lärm eine Zeitlang angedauert hatte, vertagte der Sprecher mit Rücksicht auf die schwere Unordnung unter lautem Beifall der Opposition die Sitzung um eine Stunde. Als das Haus sich wieder versammelt hatte, zeigte es sich, daß die Opposition beabsichtigte, die Taktik der Umruhe fort⸗ jusetzen. Sobald der Generalstaatsanwalt sich wieder erhob um zu sprcchen, brach der Lärm von neuem les. Schließlich vertagte der Sprecher unter großem Beifall der Opposition die Sitzung auf heute.
Frankreich.
Der Ministerpräsident Poincars hat gestern in Paris auf dem Festmahl des republikanischen Komitees für Handel und Industrie eine Rede über die Orientkrisis gehalten, in der er laut Bericht des „W. T. B.“ erklärte, es gebe keinen Franzosen, der sich nicht dem Wunsch des Komitees anschließe, daß die Ruhe, die Handel; und Industrie nötig hätten, nicht durch Ereignisse in der äußeren Politik gestört werde. Seit Beginn der Orientkrisis habe das Ministerium, an dessen Spitze er stehe, den sofort beginnenden Bemühungen der
europäischen Großmächte um den Frieden und die Versöhnung
seine loyale Unterstützung geliehen, und es werde seine Haltung nicht ändern. Poincaré fuhr dann fort:
Wir haben die engste Verbindung mit unseren Freunden und
Verbündeten aufrechterhalten, aber wir haben wie England und Ruß— land geglaubt, daß der Ernst der Umstände allgemeine Besprechungen verlangte und daß ganz Europa suchen sollte, sich über die Lösung der so zahlreichen und so schwierigen Probleme zu einigen, die ein Orient- krieg stellt. Die allgemeinen Besprechungen wurden nicht ohne Mühe
noch vor Beginn der Feindseligkeiten eingeleitet und wenn die Formel, über die das erste Abkommen der europäische Diplomatie sutande kam, heute nach den vollzogenen Ereignissen aller Welt als verspätet und überlebt erscheint, so darf man nicht vergesen, daß sie am Vorabend des Krieges die Formel der Balkanstaaten selbst war, und daß sie auf jeden Fall zu diesem Zeitpunkt die gemeinsame Bemühung der Großmächte zugunsten des Friedens dargestellt hat. Diese Bemühung ist nicht ohne Adel, und Frankreich braucht nicht zu bedauern, daran teilgenommen zu baben. Wir würden im Gegenteil gegen alle Ueberlieferungen unseres Landes und die Pflichten einer großsen Demokratie persteßen haben, wenn wir nicht mit dem gesamten Europa den äußersten Versuch ge⸗ macht hätten, die blutigen . zu beschwören. Der Strom riß bald diesen vorläufigen Damm fort, aber die Arbeiter, die ihn errichtet hatten, blieben wenigstens geneigt, sofert unter anderen Formen einen gemeinsamen Versuch wieder aufzunehmen. Die Mächte glaubten, daß sie, um sicherer die Feindseligkeiten zu lokalisieren und möglichst bald den Schrecken des Krieges ein Ende zu machen, sich im voraus auf eine Vermittlung vorbereiten müßten. Aber die glänzenden Erfolge der Verbündeten und die schweren Opfer, die sie sich auferlegten, gaben ibnen täglich nere Rechse, die ihnen niemand mehr streitig zu machen dachte. War es nicht richtig, daß Europa keine Ansprüche auf die Früchte ibrer Siege machte, damit im gegebenen Augenblick die Vermittlung mehr Aussichten hatte, bei ihnen zu gelingen? So war unser Gedankengang, als wir in vollständiger Uebereinstimmung mit Ruß⸗ land und England den anderen Mächten einen Vorschlag zur Prüfung unterbreitete, der durch einen Teil der auswärtigen öffentlichen Meinung wohl schlecht gedeutet werden konnte, der aber wohl, ver— standen, keineswegs eine Verkennung der Interessen irgend einer Groß⸗— macht im Orient in sich schloß Wir haben selbst erhebliche Inter—⸗ essen im Orient, die wir wahren müssen: Cisenbahnkonzessionen, Be⸗ leuchungsanlagen und andere öffentliche Arbeiten, Anleihen, die das türkische Kaiserreich ausgegeben hat, Einnahmen, die zur Sicheiheit der öffenllichen Schuld bestimmt sind, fraonzösische Schulen, Hospitäler oder Werke der Barmherzigkeit aller Art. Wie hätten wir je zu— lassen können, daß Europa sich an der Balkanfrage uninteressiert er⸗ tlärt! Die Idee, die die Regierungen von England, Rußland und Frankreich vereint hat, hat gegenüber den kriegführenden Staaten das Veidienst einer Großmut ohne Vorbehalt und der Welt gegenüber das Verdienst der Klarheit. Dieser Gedanke konnte nicht zum Gegen⸗ stand und deshalb auch nicht zum Ergebnis haben, die eine oder die andere von zwei Regierungen der Mächte in Gegensatz zu bringen. Weit entfernt übrigens davon, daß die begonnenen Verhandlungen unter⸗ brochen oder verlangsamt worden wären, werden sie heute mit größerem Vertrauen und, ich darf sagen, mit größtrer Genauigkeit fortgesetzt. Der Augenblick sie bekannt zu geben, wird kommen, und Sie werden dann sehen, daß die Regierung als treuer Dolmetsch des französischen Gedankens immer mit Bewußtsein diese doppelte Pflicht erfüllt bat: unseren. Verbündeten eine wirksame a n,. zu leihen und über die Aufrechterbaltung des europäischen Friedens zu wachen. Wenn, wie man hoffen darf, alle Mäche bis zur Ein—⸗ slelung der Feindseligkeiten warten, um zu versuchen, in der Stunde der endgültigen Regelung ihre verschi denen Ansichten jur Geltung zu bringen, wenn nicht überstürzte Maßregeln unguf— lööbare Meinungsverschiedenheiten schaffen, so werden die Interessen⸗ gegensäße sich ohne Zweifel in Abkommen lösen, unter denen weder die Balkanvölker noch irgend eine der euroräischen Großmächte zu leiden haben werden. Es ist derselbe Wunsch den in diesen Tagen der englische Premierminister in einer bestimmten und lichtvollen Rede Formuliert hat, und es erscheint unmöglich, daß sein Appell ungehört leibt. Wenn aus sobiel Wi llenkanstiengungen die aufrichtig zur Er⸗ haltung des Friedens verwandt worden sind, der schrecklichste rieg hervorgehen könnte, der über Europa jemals hereingehrochen ist, wäre das ein Schlag gegen den gesunden Menschenverstand der Welt, gegen die Gesittung und gegen die Menschlichleit Ich zwe fle nicht, daß solche Schrecken der Welt erspart bleiben werden. Um sie ju vermeiden, werden wir alles tun, was mit der ausmerksamen Ver⸗ eidigung unserer Inter ssen und unserer natsonalen Ehre dereinbar ist. Die Piobleme, die die Umgestaltung der irte, des Orients fielit, sind mannigfaltig und voller Schnierigkeiten. Die Regierung wird das Studium dieler robleme mit jener patriotischen Einmütigkeit fortsetzen, die sich nicht
einen Augenblick verleugnet hat. Sobald mit der offenen Beratung begonnen werden kann, wird die Regierung vor dem Parlament Er⸗ klaͤrungen abgeben können, und sie weiß, daß sie das Recht hat, auf das Vertrauen der Kammern zu jählen, auf ihren klaren Blick und auf ihre Kaltblütigkeit. Sie ist stolz darauf, von der öffentlichen Meinung unterstützt zu werden und mit Sicherheit im Namen Frank⸗ reichs sprechen zu können.
— In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer ist das Gelbbuch über Marokko verteilt worden. Nach Meldungen der „Agence Havas“ machen im ersten Teil des Gelbbuchs die französischen Agenten das Ministerium des Aeußern auf die Lage aufmerksam, die sich aus der Schwäche des Machsen und der Pflichtvergessenheit der eingeborenen Agenten ergebe. Die seinerzeit gemeldeten Tatsachen, die die allgemeine Erhebung im Frühjahr 1911 und die Belagerung von Fes im Sommer hervorriefen, sind in einem Bericht des französischen Kon— suls in Fes Gaillard enthalten. In einem Anhang zu diesem Be⸗ richt ist die Depesche des französischen Agenten in Tanger vom 7. August 1911 wiedergegeben. Die Landung spanischer Truppen in Larrasch und die Besetzung von Elksar gaben Ver— anlassung zu zahlreichen Verhandlungen in Paris wie in Madrid. Die im Gelbbuch wiedergegebenen Depeschen be⸗ weisen, daß die Zurückhaltung der französischen Regierung die traditionelle Freundschaft zwischen den beiden Ländern in nichts geändert hat. Der letzte Teil des Gelbbuchs ist den französisch⸗ deutschen Verhandlungen gewidmet, die der Entsendung des „Panther“ nach Agadir folgten. Einige Tage vor diesem Er— eignis hatte die französische Regierung in der Voraussicht, daß der Einzug der Franzosen in Fes eine neue Phase in der marokkanischen Frage herbeiführte, ihren Botschafter in Berlin beauftragt, mit der Kaiserlichen Regierung über die neuen Eventualitäten zu sprechen. Das Gelbbuch gibt die Berichte des Botschafters Jules Cambon über seine Unterredungen mit dem Reichskanzler und dem Staatssekretär von Kiderlen— Waechter wieder. Da die Kaiserliche Regierung zu verstehen gegeben hatte, daß die Grundlagen eines Vergleichs im Congo gefunden werden könnten, und da die französische Regierung auf diesen Hinweis eingegangen war, so fanden Verhandlungen statt über die Rechte, die Frankreich von Deutschland in Ma— rokko zuerkannt werden sollten und über die Ausdehnung der territorialen Konzessionen, die Frankreich ihm zum Ausgleich dafür im Congo gewähren sollte. Frankreich verlangte in Marokko die Freiheit des Handelns, die ihm unumgänglich not— wendig sei, und weigerte sich andererseits, Abtretungen zuzu⸗ geben, von welchen es eine ernstliche Gefährdung für die Zukunft seiner afrikanischen Kolonie im äquatorialen Afrika befürchtete. Der Vertrag vom 4. November 1911 hatte zum Gegenstand, die verschiedenen Interessen zu versöhnen. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Interessen aller Mächte auf der Grundlage vollkommener Gleichheit in Marokko, über das wir nunmehr die Freiheit erlangten, das Protektorat zu errichten, wurde noch einmal zugesichert und garantiert. Andererseits erwarb Deutschland gewisse Territorien, die seinen afrikanischen Be⸗ sitzungen den von ihnen erstrebten Zugang zur großen Wasser— straße in Zentralafrika geben. Das Gelbbuch enthält auf den letzten Seiten die Zustimmung der meisten Mächte zu den Aenderungen, die der Vertrag vom 4. November bezüglich einer Reihe von Festsetzungen der Algeciras⸗Akte vorsieht.
Syanien.
Die sterblichen Ueberreste des Ministerpräsidenten Cana—⸗ lejas sind gestern nachmittag von der Deputiertenkammer nach dem Pantheon übergeführt worden. Wie „W. T. B.“ berichtet, ritt an der Spitze des Leichenzugs eine halbe Schwadron der Zivilgarde, dann kam die Geistlichkeit von Madrid mit Kreuzen und Bannern, Schüler der Primär— schulen mit Kerzen und Fackeln, Senatoren, Deputierte, der Munizipalrat und der Generalrat. Es folgte der König mit den Infanten Carlos und Fernando. Als der Monarch erschien, brach ein Sturm von Beifall- und Vivatrufen aus. Sichtlich gerührt von der ebenso natürlichen wie begeisterten Kundgebung hielt der König einen Augenblick inne, dann schritt er unter noch lebhafteren Kundgebungen weiter. Darauf folgten die Mitglieder der Regierung und Ver— treter der Behörden. Die Truppen erwiesen bis zum Pantheon die militärischen Ehren. Als der Zug auf dem Platze des Südbahnhofes angekommen war, begannen die Truppen vor dem Sarg zu defilieren. Dann setzte der Leichenzug seinen Weg nach dem Pantheon fort, wo die Beisetzung in Gegen⸗ wart der Familie Canalejas, der Regierung, der Präsidenten der Kammern und der Freunde des Verstorbenen stattfand.
— Wie „W. T. B.“ meldet, hat Moret die Uebernahme der Kabinettsbildung abgelehnt, weil der König sich weigerte, das Dekret über die Auflösung der Cortes zu unter⸗ zeichnen.
Türkei.
Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, hat die tür kische Regierung beschlossen, mit Bulgarien direkt über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Nazim Pascha hat Befehl erhalten, mit den bulgarischen Generalen in Ver— bindung zu treten.
— Ueber die Kämpfe um die Linie von Tschataldscha meldet der Kriegsberichterstatter der „Reichspost“ aus dem bulgarischen Hauptquartier vom 12. d. M.: .
Der Hauptangriff gegen das Zentrum der türkischen Stellung beiderseits von Tschataldscha sowie der Vorstoß im Norden sind im gürstigen Vorwärtsschreiten. In den letzten Tagen wurden die Türken aus allen Vorpositionen geworfen. Der Beginn des Haupt— angriffes verzögerte sich jedoch um zwei Tage. Die Ursache waren die infolge mehrtägigen Regenwetters eingetretenen Schwierigkeiten beim Munitionsnachschub und bei der Heranziehung der Verstärkungen 3 Adrianopel und der schweren Artillerie. Der Kampf ist äußerst heftig.
Eine weitere Meldung des genannten Blattes vom 13. d. M. besagt: .
Der Kampf um die türkische Hauptstellung dauert bereits drei Tage und ist äußerst blutig. Tie erste Armee steht im Kampfe um die Stellung nördlich des Sees von Tschekmedsche bis Nakkasköj, die dritte Armee dringt auf der Linie Delijunus — Derkos und gegen die dominierenden Höbenstellungen von Jasoj en vor, Eine Kolonne ist gegen das Defils von Tschekmedsche angesetzt. Die Türken kämpfen mit großer Hartnäckigkeit, doch beginnt ihre Widerstandskraft zu erlahmen. ö
— Von amtlicher serbischer Seite wird gemeldet, daß sich Issa Boljetinaz, über dessen Aufenthalt bisher verschiedene Nachrichten verbreitet waren, mit 100 seiner Anhänger ins Gebirge südlich von Prizrend geflüchtet hat und von Albanesen umzingelt worden ist, die den Serben ergeben sind. Serbische Truppen sind abgegangen, um Boljetinaz zur Uebergabe zu zwingen.
— Eine Depesche an die Wiener „Reichspost“ von einem vornehmen, katholischen Albanesen aus der Gegend von Alessio besagt:
Die Montenegriner waren bis Alessio vorgedrungen, ver— mochten dieses jedoch nicht zu nehmer, und erlitten durch das Ein⸗ reifen der Miriditen, die sich mit den türkischen Truppen vereinigten, schwere Schlappen. Sie wurden gezwungen, ihre Stellung längs des Drin zwischen den Dörfern Kakarie und Kuklt zu räumen und bis zur Bojana zurückzugehen. Unter den Miriditen und Dibresen hat es den größten Zorn hervorgerufen, daß die montenegrinischen Truppen bei Kuklt einfache albanesische Landleute angriffen. Bisher ist noch kein albanesischer Hafenort in den Händen des Feindes.
Amerika.
Der Präsident Taft hat eine Proklamation erlassen, in der die Gebühren festgesetzt werden, die die Schiffe für die Durchfahrung des Panamakanals zu zahlen haben. Wie „W. T. B.“ meldet, zahlen Handelsschiffe mit Passagieren oder Ladung 1 Dollar 20 Cents für die Registertonne und 100 Kubikfuß. Handelsschiffe ohne Passagiere oder Fracht erhalten eine 40 prozentige Ermäßigung. Kriegsschiffe, mit Ausnahme von Transportschiffen, Leichtern, Hospitalschiffen und Vorratsschiffen, haben 50 Cents für die Tonne des De⸗ placements zu zahlen. Bei Marinetransportschiffen, Leichtern, Hospitalschiffen und Vorratsschiffen werden 1 Dollar 20 Cents für die Registertonne berechnet.
Afsien.
Wie „W. T. B.“ meldet, hat Rußland einem autoritativen chinesischen Bericht zufolge in Uebereinstimmung mit dem geheimen russisch⸗mongolischen Protokoll versprochen, die not— wendigen Maßregeln zu ergreifen, um die Unabhängigkeit der Mongolei aufrechtzuerhalten, das mongolische Gebiet bis zur Großen Mauer zu erweitern und die internationale An⸗ erkennung der Mongolei als eines neuen Staates durchzusetzen. Die Mongolei ihrerseits gewährt Rußland das Recht, die aus— wärtigen Beziehungen der Mongolei zu überwachen sowie den russischen Untertanen die Genehmigung, Eisenbahnen zu bauen, Bergwerke zu erschließen und unbebautes Land urbar zu machen. Schließlich erhalten die Russen das alleinige Recht, Hornvieh und Schafe von den Mongolen zu kaufen.
Der chinesische Minister des Aeußern Liangmenting ist zurückgetreten.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (95.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorle mer bei⸗ wohnte, wurde die zweite Beratung des Entwurfs eines Wassergesetzes in dem Abschnitt über den Gemein⸗ gebrauch der Wasserläufe bei dem 8 36 fortgesetzt. Nach diesem darf der Eigentümer des Wasserlaufs sowie der Nutzungsgerechtigkeit den Gemeingebrauch nicht unnütz erschweren oder ohne erheblichen Grund unmöglich machen. Im übrigen darf den Gemeingebrauch der Wasserläufe niemand hindern. Die Kommission hat noch hinzugefügt, daß die Wasser— polizeibehörde die Beachtung dieser Bestimmungen zu überwachen hat. (Die Regierungsvorlage schrieb nur vor: Den Gemein⸗ gebrauch der Wasserläufe für den öffentlichen Verkehr darf niemand hindern.)
Die Abgg. Borchardt (Soz.) und Genossen beantragen, im ersten Satz zu sagen: „darf den Gemeingebrauch nicht er⸗ schweren“, sowie den zweiten Satz zu streichen.
Die Abgg. Ecker⸗Winsen (n.) und Genossen be—⸗ antragen folgenden Zusatz:
„Wird in Wasserläufen erster Ordnung von dem Eigentümer im Anschluß an die Ufergrundstücke Neuland künstlich geschaffen, so hat der Eigentümer den früheren Anliegern den Zutritt zum Wasser zu gestatten, soweit dies zur Ausübung des Gemeingebrauchs in dem bisher geübten Umfange erforderlich ist.“
Abg. Eckert. Winsen (ul.) empfiehlt die Annahme seines Antrags aus Gründen der Billigkeit für die früberen Anlieger.
Ein Regierungskommissar bittet um Ablehnung dieses
für notwendig. Liege ein Ausbauvperfahren vor, dann könnten Ein— ö 8 ?! 9 * soine Re ve richtungen getroffen werden, die dem Anlieger zu seinem Recht ver⸗
schaftlich wertlos werden. werden. . ; 4 . Abg. Dr. Liebknecht (Soz.) bemerkt, daß die Fassung der Re—⸗ gierungsborlage und des Kommissionsbeschlusses an Deutlichkeit viel zu wünschen übrig lasse. Die Kommissionsfassung sei sogar eine Ver⸗ schlechterung der Regierungsvorlage; denn der Ausdruck . unnüß er⸗ schweren“ oder ohne erheblichen Grund unmöglich machen“ sei viel zu unbestimmt. Der Redner empfiehlt den Antrag seiner Freunde.
Abg. Ecker-Winsen verweist den Abg. Dr. von Kries auf den Fall eines Bahnbaues. . . .
Abg. Dr. von Kries erwidert, daß in einem solchen Falle die Anlieger im Enteignungeverfahren zu ihrem Rechte kämen.
Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.) erklärt sich für den Antrag Ecker und gegen den Antrag der Sozialdemokraten. ö
An der weiteren Debatte beteiligen sich noch die Abgg. Dr. Marteng-Osterholz (nl), Dr. Liebknecht und ein Regierungs⸗ vertreter. .
Der Antrag Borchardt wird abgelehnt, 8 36 in der Kommissionsfassung mit dem Antrag Ecker angenommen.
(Schluß des Blattes.)
Handel und Gewerbe.
In der heutigen Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank führte der Vorsitzende, Präsident des Reichs⸗ bankdirektoriums Havenstein, nachfolgendes aus: .
Die Versteifung des internationalen Geldmarkts in⸗ folge der Ereignisse auf der Balkanhalbinsel hat sich weiter fortgesetzt und . zu einigen weiteren Erhöhungen der Raten von Zentralnotenbanken und in unseren großen Nachbarländern auch zu Privatdiskontsätzen geführt, die ungewöhnlich hoch sind und zum Teil über den Satz des deutschen Marktes hinausgehen. Die Rückwirkung dieser Ver⸗ hältnisse auf unseren Geldmarkt hat daher nach wie vor an⸗ gehalten. Der deutsche Geldmarkt übt weiterhin starke Zurück⸗ haltung, er hat aber auch die Geldflüssigkeit, die er den ganzen Oktober hindurch aufwies, eingebüßt und sich offen⸗ sichtlich verengt; tägliches Geld fordert hohen Satz, und der Privatdiskont ist weiter bis auf die Höhe des Bank⸗ satzes gestiegen. Die sonst übliche Entspannung der