1912 / 273 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Nov 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

den Obermilitärintendanturrat Litzmann von der Intendantur des III. Armeekorps zum Geheimen Kriegsrat und Militärintendanten,

den Militärintendanturrat Balthasar von der Intendantur des V. Armeekorps zum Obermilitärintendanturrat und

den Militärintendanturassessor Schneider, Vorstand der Intendantur der 20. Division, zum Militärintendanturrat,

die evangelischen Divisionspfarrer Pickert und Müller, beauftragt mit Wahrnehmung der Militäroberpfarrergeschäfte beim XX. Armeekorps in Allenstein und beim XXI. Armee⸗ korps in Saarbrücken, J .

ferner den katholischen Divisionspfarrer Dr. Poertner, beauftragt mit Wahrnehmung der Militäroberpfarrergeschäfte beim J. und XX. Armeekorps, zu Militäroberpfarrern zu ernennen sowie ; ; .

dem Geheimen Kanzleisekretär, Geheimen Kanzleiinspektor Baer beim Kriegsministerium bei seinem Ausscheiden aus dem Dienste mit Pension den Charakter als Kanzleirat zu verleihen.

Auf den Bericht vom 26. Oktober d. J. will Ich der Stadt Oberhausen im Regierungsbezirk Düsseldorf auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 21) das Recht verleihen das zur Erweiterung des städtischen Westfriedhofs erforderliche, auf der zurück— folgenden Karte mit roter Farbe angelegte Grundeigentum, bestehend aus den Parzellen Oberhausen Flur 2 Nr. 36, 39, 91 42, 168 73, 174 74, 175/77 und aus einem Teile der Par⸗ zelle Nr. 163 42, im Wege der Enteignung zu erwerben.

Neues Palais, den 30. Oktober 1912.

Wilhelm R. von Trott zu Solz. von Dallwitz.

An den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegen— heiten und den Minister des Innern.

Ju stizm iniste rium. Der Rechtsanwalt Dr. Petzold in Gudensberg ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Cassel mit Anweisung seines Amtssitzes in Gudensberg ernannt worden.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts— angelegenheiten.

Dem Prinatdozenten in der medizinischen Fakultät der Friedrich Wilhelms⸗ Universität zu Berlin Dr. Richard Cassirer ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Kriegsministerium.

Dem Geheimen Kriegsrat und Militärintendanten Litzm ann ist die Militärintendantenstelle des XVI. Armeekorps über⸗ tragen; die Militäroberpfarrer, Konsistorialräte Pickert und Müller sind den ., des XX. und XXI. Armee⸗ korps, der katholische Militäroberpfarrer Dr. Poertner ist den Generalkommandos des J. und XX. Armeekorps mit dem Amtssitz in Allenstein zugeteilt, der le e f m Hilfslehrer Dr. 36 am Kadettenhause in Köslin ist zum Ober⸗ lehrer des Kadettenkorps und der Obermilitärintendantursekretär Büstorff von der Intendantur des XIF. Armeekorps ist zum Geheimen expedierenden Sekretär und Kalkulator im Kriegs⸗ ministerium ernannt worden.

Ministerium des Innern.

Der. Kreisassistenzarz Dr. Pachnio aus Stralsund ist zum Kreisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreis— arztbezirks Kreis Westerburg beauftragt worden.

Finanzministerium. Das Katasteramt Nassau im Regierungsbezirk Wies— baden ist zu besetzen.

Bekanntmachung.

Diejenigen in Berlin und im Regierungsbezirk Potsdam wohnhaften jungen Leute, welche die Berechtigung zum einjährig- freiwilligen Militärdienst nachsuchen wollen, haben sich in der Zeit vom zurückgelegten 17. Lebens⸗ jahre bis zum 1. Februar ihres ersten Militärpflichtjahres, d. i. des Kalenderjahres, in welchem sie das 20. Lebensjahr vollenden, bei der unterzeichneten Kommission schriftlich zu melden.

Der Meldung sind die im 8 89 der Deutschen Wehr— ordnung aufgeführten Atteste in Urschrift beizufügen.

Für diejenigen Bewerber, welche den Nachweis der wissen⸗ schaftlichen Befähigung durch Ablegung einer Prüfung er— bringen wollen, finden alljährlich zwei Prüfungen statt, die eine im Frühjahr, die andere im Herbst. ;

Das Gesuch um Zulassung zur nächsten Frühjahrsprüfung muß unter Beifügung der im §S 89 der Wehrordnung be— zeichneten Schriftstücke und einer amtlich bescheinigten Photo⸗ graphie sowie mit der Angabe, in welchen zwei fremden Sprachen der Bewerber geprüft werden will (es bleibt die Wahl zwischen dem Lateinischen, Griechischen, Französischen und Englischen, an Stelle des Englischen darf das Russische treten), spätestens bis zum 1. Februar k. J. eingereicht werden. Außerdem ist in dem Gesuche um Zulassung zur Prüfung an⸗ zugeben, ob, wie oft und wo sich der Bewerber bereits einer Prüfung vor einer Prüfungskommission für Einjährig-Frei⸗ willige unterzogen hat.

Berlin NW. 40, den 12. November 1912.

Heidestraße 1. Königliche Prüfungskommission für Einjährig⸗-Freiwillige. Der Vorsitzende. Siber, Praäͤsident.

Bekanntmachung. Die Aufnabmeprüfung en bei den Königlichen Lehrerinnen⸗ seminaren in Lissa und Hohen salza finden im Jahre 1913 am 14. März statt.

Die Bewerberinnen haben sich 3 Wochen vorher bei dem Herrn Seminardirektor zu melden und folgende Schriftstücke beizubringen:

1) ein 533 über sittliche Unbescholten heit,

2) ein Zeugnis über den bisher erhaltenen Unterricht,

3) einen Geburts⸗ und Taufschein,—

4) ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis,

5) einen Inpf⸗ und Wiederimpfungsschein,

6) einen selbständig abgefaßten Lebenslauf. ,

Zur Aufnahme ist das zurückgelegte sechzehnte Lebensjahr er⸗ forderlich. e J .

In der Prüfung sind im allgemeinen die in den Regierungs⸗ amtsblättern und im amtlichen Schulblatt der Provinz Posen für 1905 und 1906 näher bezeichneten Kenntnisse und Fertigkeiten nach⸗ zuweisen.

Posen, den 10. November 1912. ̃ Königliches Provinzialschulkollegium. Daniels.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 35 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter

Nr. 11 237 die Verordnung, betreffend Einführung einzelner Teile des Gesetzes, betreffend die öffentlichen Feuerversicherungs⸗ anstalten, vom 25. Juli 1910 (Gesetzlamml. S. 241) in den Hohenzollernschen Landen. Vom 21. Oktober 1912.

Berlin W. 9, den 14. November 1912.

Königliches Gesetzsammlungsamt. Kruüͤe r.

Ab gereist: Seine Exzellenz der Präsident des Reichsbankdirektoriums, Wirkliche Geheime Rat Havenstein in Dienstangelegenheiten nach Dortmund.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 15. November 1912.

In der am 14. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück abge⸗ haltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde dem Antrag der Ausschüsse, betreffend Aenderungen und Er gänzungen des Warenverzeichnisses zum Zolltarif, die Zustimmung er— teilt. Den zuständigen Ausschüssen wurden überwiesen der Ent⸗ wurf einer Bekanntmachung, betreffend Lohnbücher für die Kleider⸗ und Wäschekonfektion, die am 2. Juni 1911 in Washington unterzeichnete Revidierte Pariser Uebereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums und der Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der Uebereinkunft, der Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Zinkhütten, sowie die Entwürfe von Gesetzen, betreffend die Feststellung je eines Nachtrags zum Reichshaushaltsetat und zum Haushaltsetat der Schutzgebiete für das Rechnungsjahr 1912. Demnächst wurde über die geschäftliche Behandlung ver⸗ schiedener Fingafen Beschluß gefaßt. .

Der Bundesrat versammelte sich heute wieder zu einer Plenarsitzung.

Mecklenburg⸗Schwerin.

Im Landtage beantragten nach einer Meldung des „W. T. B.“ mehrere Mitglieder der Ritterschaft in einem Diktamen die Ablehnung des neuen Verfassungs— entwurfes der Regierung, da nur eine Fortentwicklung der jetzigen Verfassung, nicht eine Zerstörung derselben in ihrer Grundlage als richtig anzuerkennen sei. Sie erbitten die Her—⸗ ausgabe einer abgeänderten Verfassungsvorlage, die dem Mangel der bestehenden Verfassung abhelfen kann, ohne Bruch mit der Geschichte und dem Rechte des Landes. Die Ritterschaft beriet darauf als Stand für sich und nahm den Antrag des Diktamens mit achtzehn gegen sechzehn Stimmen an. Die Landschaft dagegen lehnte den Antrag durch Standes— beschluß ab. Hiermit ist vorläufig der Verfassungsentwurf ab— gelehnt, ohne daß es zu einer Kommittenberatung kommt.

Oldenburg.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog vollendet morgen sein 60. Lebensjahr.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Heeresausschuß der Oesterreichischen Dele— gation hat gestern das Heeresordingrium angenommen.

Nach dem Bericht des W. T. B. stellte der Kriegsmini ster mit allem Nachdruck fest, daß die Zurückhaltung der Dreijährigen Mannschaften bis zur Einrückung der neu ausgebildeten Retruten in ibre in Bosnien und in Dalmatien stationierten Regimenter dem Wehrgesetze entspreche, und selbstverständlich keine außergewöhnliche militärische Maßnahme sei, die mit der gegenwärtig ernsten Lage in Zusammenhang gebracht werden könnte. Bisber habe Oesterreich Ungarn gar keine militärischen Vorkebrungen getroffen. Der Minister betonte, daß in Oesterreich Ungarn allleits Friedensliebe vorhanden sei, daß aber unter allen Umständen, wenn wirklich ernste Momente eintreten sollten, der gute traditionelle Geist und das Pflichtbewußtsein in der öster⸗ reichischen Armee sich betätigen werden. Bei dem Geist, der alle Offiziere und die gesamten Mannschaften beseele, könne, wann immer ernste Augenblicke einträten, das gesamte Reich beruhigt auf die Armee blicken. Die Schlußworte des Ministers wurden mit lebhaftem Bei⸗ fall und Händeklaischen aufgenommen. Der Ahg. Hrubgn stschechisch / katholisch⸗ national) betonte, solange die Balkanstaaten für ibte Freiheit gegen den gemeinsamen Feind kämpften, könnten sie der Symxathie der Tschechen sicher fein, aber gegen berechtigte Lebensinteressen der Monarchie könnten und wollten sich die Tschechen nicht stellen. Der Abg. Graf Czerny erklärte, die Monarchie könne eine Aufteilung Albaniens und einen serbischen Kriege hafen uicht zugeben. Desterreich— Ungarn wolle gewiß Seilen vom Meere nicht abschneiden. Der Minister des Aeußern fei vielmehr auf dem besten Wege, Serbien die Möglichkeit zu geben, zum Meere zu gelangen. Er verfolge die richtige Ubsicht, Serbien jzum Freunde zu machen und eine Handelepolitik einzuleiten, die Serbien in ein dauerndes Freundschafte perhältnis zur Monarchie bringe. Mit der bisherigen südslavischen Politik müffe jedoch gebrochen werden. Der Redner

stellte fest, daß es in Oesterreich keine Kriegspartei gebe und alle maßgebenden Stellen eine friedliche Loösung berbeiwünschten. doffent⸗ lich werde der alte österreichische Gedanke wieder erwachen. Der Rumäne Isopescui betonte, das rumänische Volk würde, wenn zu den Waffen gerufen werde, in den Krieg ziehen, ohne nach dem

Grunde des Krieges zu fragen.

Der bosnische Ausschuß der österreichischen Delegation hat in der gestrigen Sitzung die bosnischen Kredite angenommen. . : .

Im Laufe der Debatte erklärte der gemeinsame Finanzminister Bilinski, daß die politischen Verhältnisse in Bosnien vollständig normal seien. Die Bevölkerung zeige sich ausname los loyal un kaisertreun Der Minister besprach im einzelnen das Eisenhabn— programm und behandelte besonders die Linie Bugojno— Arzang, die im ersten Jahre des Bauprogramm gebaut werden soll. Tiese Linie sei bestimmt, ohne Rücksicht darauf, wie sich die politischen Ver⸗ hältnisse einmal gestalten würden, für den Durchgang verkehr aus Serbien eine Verbindung mit den österreichischen Häfen zu schaffen. Der Minister sprach die Hoffnung aus, daß Serbien, wenn es einmal zu geregelten Verhältnissen gekommen, ohne Rücksicht auf polttische Bestrebungen die 40 km lange Strecke von Uzice bis Var— diste bauen werde, wodurch der Zutritt zu den österreichischen Häfen Metkowitsch oder Spalato geschaffen würde. Der Redner glaubt, daß die österreichisch- unggrische Monarchie verpflichtet sei, diesen Durch- gangsverkehr ohne Rücksicht auf die Gestaltung der politischen Ver⸗ hältnisse zu fördern. Die Ausführung des Eisenbahnprogrammz soll 270 Millionen Kronen erfordern, wovon 180 Millionen auf die Monarchie, 0 Millionen auf Bosnien entfallen.

Der Heeresagusschuß des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses hat gestern die Beratungen über das Heeres budget begonnen.

Der Abg. Graf Clam⸗-Martinie erhob, wie W. T. B.“ meldet, im Laufe der Debatte dagegen Einspruch, daß von einem Teil der Presse in einem Tone geschrieben werde, der in diesem Augen⸗ blick nicht am Platze sei. Die Betonung von Sympathien für die Südflaven dürfe nicht so weit gehen, daß sich die Sympathien mit den Eebensinteressen der Monarchie kreuzten. Die Pflicht eines jeden Politikers sei es, die ihm nahestehenden Kreise und die ihm nabe— stehende Presse auf diese große Gefahr aufmerksam zu machen. Die österreichische Armee habe nie danach gefragt, ob ein Krieg volkstümlich sei oder nicht. Die Armee werde, wenn, was Gott verhüten möge, es zum Kriege komme, mit demselben Pflichteifer und mit derselben Begeisterung zu Felde ziehen, wie sie dies immer getan habe.

Großbritannien und Irland.

Der deutsche Botschafter Fürst Lichnows ky ist gestern vom Staatssekretär Grey im Auswärtigen Amt empfangen worden. ; .

Bei der Eröffnung der gestrigen Sitzung des Unter⸗ hauses herrschte in dem dichtbesetzten Hause große Aufregung, doch wurden die gewöhnlichen Geschäfte ohne Zwischenfall ab⸗ gewickelt. Bevor es zur Debatte über den Antrag der Re⸗ gierung kam, die Annahme des Amendements Banbury für ungültig zu erklären, ergriff der Sprecher das Wort und sagte laut Meldung des „W. T. B.“: .

Das Haus könne keine Wiederholung der gestrigen Auftritte wünschen. Augenscheinlich habe der Vorschlag des Premierministers bei der Opposition starke Erregung hervorgerufen und er glaube, daß, wenn dem Haus Gelegenheit gegeben würde, die Umstände in Erwägung zu ziehen, eine andere Lösung der Schwierigkeit gefunden werden könne, die dem früheren Brauch mehr entspreche und keinen neuen schaffe. Er schlage deshalb vor, daß man sich mehr Zeit zur Ueberlegung lassen solle, da seiner Ansicht nach etwas mehr Ueberlegung eine Lösung der Schwierigkeit herbeiführen könne, die für beide Seiten des Hauses annehmbar wäre.

Der Premierminister Asguith erklärte, er sei sicher, daß es das Bestreben jedes Mitgliedes sei, daß kein Bruch in der Fortdauer der Ueberlieferungen stattfinden solle, denen das . seine große Autorität unter den Volksvertretungen ver⸗ danke. Er begrüßte im Namen der Regierung den Vorschlag des Sprechers und beantragte die Vertagung auf Montag. Der Abg. Bonar Law sprach seine vollkommene Ueberein⸗ stimmung mit den Bemerkungen des Premierministers aus und sagte, die Haltung des Sprechers habe das Ansehen, das er bei dem Hause genieße, noch erhöht. Das Haus vertagte sich sodann auf Montag.

Frankreich.

Unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Po incars hat gestern ein Ministerrat stattgefunden, der sich mit der aus⸗ wärtigen Lage beschäftigte.

Der Senat hat gestern die Kommission zur Be⸗ ratung des von der Kammer angenommenen Gesetzentwurfs einer Wah lreform ernannt. Wie „W. T. B.“ meldet, sind in die Kommission fünfzehn Gegner und drei Anhänger der Verhältniswahl gewählt worden. Unter den ersteren befinden sich aber verschiedene, die einem Kompromiß nicht abgeneigt wären. Die Abstimmung in den Senatsabteilungen ergab 140 Stimmen gegen und 100 Stimmen für den Entwurf der Kammer. Zum Präsidenten der Kommission wurde Clemenceau

gewählt. Rußland.

Die Besserung im Befinden des Thronfolgers hat laut Meldung des „W. T. B.“ in den letzten Tagen weitere Fortschritte gemacht. Angesichts des normalen Verlaufs der Aufsaugung“ des Blutergusses sowie des befriedigenden Allge⸗ meinbefindens des Thronfolgers werden Bulletins nur noch bei auffallenden Veränderungen im Befinden des Kranken aus⸗ gegeben werden.

Die Session des Reichsrats ist gestern wieder aufgenommen worden. SDyanien.

Der König hat den Präsidenten des Ministerrats Grafen Rom anones, wie „W. T. B.“ meldet, mit der Uebernahme des Vorsitzes in dem gegenwärtigen Kabinett beauftragt.

Der neue. Ministerpräsident Graf Romanones leistete gestern abend im Königlichen Palais den Eid. Die anderen Minister haben ihre Portefeuilles behalten, mit Ausnahme des Arbeitsministers, der noch keinen Entschluß gefaßt hat. Garcia Prieto hat erklärt, das Ministerium des Aeußern nur bis zur Unterzeichnung des französisch-spanischen Marokko— vertrages behalten zu wollen. Moret hat eingewilligt, die Präsidentschaft der Kammer zu übernehmen.

Das französisch⸗spanische Marokkoabkommen ist gestern paraphiert worden.

Nach den Erhebungen der Madrider Sicherheits⸗ behörde hat eine anarchistische Gruppe vor 5 Jahren den Plan gefaßt, alle leitenden Politiker, die in Spanien die Gesellschafts⸗ ordnung verteidigten, aus der Welt zu schaffen. Auf der Liste der Opfer stand seit August vorigen Jahres auch Canalejas. Einige Mitglieder dieser Anarchistengruppe hätten jedoch die Ermordung Canalejas' verhindern wollen und sowohl ihn per— sönlich wie auch die spanische Botschaft in Paris durch anonyme Briefe vor dem geplanten Anschlage gewarnt.

Türkei.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ wird amtlich bestätigt, daß sich Kiamil Pascha wegen Abschlusses eines Waffenstillstandes und Einleitung der Friedens⸗ rerhandlungen direkt an den König der Bulgaren ge⸗

dt hat. ven der Kriegsberichterstatter der „Reichspost“ aus dem bulgarischen Hauptquartier vom gestrigen Tage meldet, hat das tirkische Armeelommando dorthin einen Parlamentär mit dem Ersuchen um Abschluß eines Waffenstillstandes entsandt. Eine endgültige Antwort ist darauf noch nicht erteilt worden. Der Korrespondent erfährt laut Meldung des W. T. Y.“ von einer unterrichteten Persönlichkeit, daß Bulgarien die fürkischen Vorschläge wohl prüfen, sich aber hier⸗ durch in der militärischen Aktion nicht hindern lassen verde. Nach Forcierung der Tschataldscha⸗Stellungen werde ohne Zögern der Vormarsch nach Konstantinopel durchgeführt und der Einzug daselbst ähnlich dem deutschen Vorgehen in Paris im Jahre 1871 bewerkstelligt werden. Die Armee be⸗ sehe auf dieser Krönung ihres Werkes. Die bulgarische deeresleitung ist aber darauf bedacht, vor Bewilligung des Vaffenstillstandes eine Lage zu schaffen, die der Türkei keine Nussichten mehr läßt und die militärische Aktion vollkommen ab— schließt, damit die Hauptmasse der bulgarischen Streitkräfte für eine etwaige Verwendung in anderer Richtung frei werde.

Das „Reutersche Bureau“ meldet aus Sofia, Privat⸗ nachrichten zufolge sei es den Bulgaren gelungen, das zentrum der türkischen Tschataldschalinie zu durch— brechen und Kademköf zu besetzen.

Nach einer amtlichen Meldung aus Konstantinopel tele⸗

graphierte der Kommandant des türkischen Kreuzers, Hamidije“

unterm 13. d. M.:

Durch ein wohlgelungenes Feuer auf etwa 7500 bis gõo00 m entfernte feindliche Streitkräfte, deren Stärke auf eine Division ge⸗ schitzt wurde und die bei Dejirmentepe und Djerahtschiftliktepe in der Gegend von Dragonköj nördlich von Bogados an der Küße des Narmarameeres konzentriert waren, wurde der Feind hinter die Höhen uückgedrängt und erlitt große Nerluste.

Nach einer Meldung aus Prilep haben gestern abend e ersten Zusammenstöße bei. Monastir zwischen serbischer Kavallerie und türkischen Truppen stattgefunden. Die Türken wurden nach kurzem Kampfe gezwungen, sich zu ergeben. Die Griechen haben gestern nach achtstündigem Kampfe de Stadt Metsovon eingenommen und auf dem Fort bie Fagge der griechischen Flotte gehißt.

Während der vorgestrigen Nacht hat eine heftige Feschießung Skutaris stattgefunden. ‚„W. T. B.“ berichtet, deß es der montenegrinischen Artillerie gelungen sei, die Batterien auf dem Tarabosch und vor Skutari zum Schweigen bringen. Im Gebjete der Stadt seien starke Beschädigungen mngerichtet worden. Einzelne Werke auf dem Tarabosch sollen gänzlich zerstört und ihre Besatzung zerstreut worden sein.

Wie das Wiener K. K. Telegraphen⸗Korrespondenz⸗

reau meldet, scheint es, daß die türkische Regierung infolge

der letzten Versuche des Komitees, wieder zur Macht zu ge— ngen, strenge Maßregeln gegen die Jung türken fifft. Der zweite Kammerherr des Sultans Tewfik Bey, der udächtig ist, die Schritte der Jungtürken beim Sultan be— intigt zu haben, wurde abgesetzt. Dem früheren Minister dichaw id und dem Direktor des „Tanin“ Dschahid, gegen die Haftbefehle erlassen worden waren, gelang es, über Fonstantza nach Europa zu fliehen.

Bulgarien.

Die Pertreter der Großmächte haben gestern nach ner Meldung der „Agence Bulgare“ einzeln dem Minister— Fösidenten Geschow folgende Mitteilung gemacht:

Da die ottomanische Regierung sich an die Großmächte gewandt um ihre Vermittlung gebeten hat, sind wir beauftragt, Eure sellenz zu fragen, ob Bulgarien geneigt ist, diese Vermittlung an— nehmen, und im bejahenden Falle uns nach den Bedingungen, denen Annahme unterliegen würde, zu erkundigen.

Der Ministerpräsident Geschow antwortete, die Regierung ade das Ersuchen der Türkei dem Hauptquartier zur Prüfung nterbreiten und sich mit den verbündeten Kabinetten ins Ein— arnehmen setzen.

Der Präsident der Sobranje Danew hat im gestrigen nnnisterrat über seine Mission berichtet.

Serbien.

Der österreichischungarische Gesandte von Ugron hat wie übrigen diplomatischen Vertreter der Großmächte bei der iibischen Regierung angefragt, ob sie die Vermittlu ng der oßmächte in der Frage des Friedensschlusses mit . Türkei annehmen würde. Wie „W. T. B.“ meldet, särte in Vertretung des Ministers des Aeußern der Wiener tbische Gesandte Jovanovic, daß er das serbische Armee—⸗

mmando und die serbische Regierung von dem Schritt in mntnis setzen und daß die Antwort im Einvernehmen mit

n verbündeten Balkanstaaten erfolgen werde.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses Et Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (96. Sitzung des Hauses der Ab— ordneten, welcher der Minister der öffentlchen Arbeiten in Breitenbach und der Minister für Landwirtschaft, mänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer bei— nten, wurden zunächst die zur zweiten Lesung des Ent— rs eines Wassergesetz es gestellten 26 Anträge, die das zeichnis der Wasserläufe erster Ordnung erweitern wollen, Vorschlag des Abg. von Brandenst ein (kon an die nmission zurückverwiesen, worauf das Haus die zweite Be⸗ ung des genannten Gesetzentwurfs fortseßte.

S 80 trifft Bestimmungen über die Falle, in denen ohne nichädigung die Verleihung von Rechten an Wasserläufen ch Beschluß der Verleihungsbehörden auf Ankrag der erpolizei wieder zurückgenommen werden kann. Auf . der Kommission ist an die Spitze der Fall gestellt piden: wenn die Verleihung auf Grund ven Nachweisungen, die in Uentlichen Punkten unrichtig sind, erteilt ift und dargetan wird, deren Unrichtigkeit dem Unternchmer bekannt war, und wenn uch die Verleibung überwiegende Nachteile oder Gefahren für das Nentliche Wohl herbeigeführt find; dem gutgläubigen Erwerber nd dessen Nachfolger gegenüber greift diese Vorschrift nicht Platz“.

Abg. Büchte mann ffortschr. Volksp.) beantragt, diesen

Passus zu streichen.

Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.: Ich bin der Meinung, daß dieser Teil des Paragraphen fo bestehen bleiben muß, wie ihn die Kommission heschlossen hat. Es kommt doch in eister Linie nicht darauf an, den Täter zu bestrafen, sondern darauf, die Verleihung rückgängig zu machen.

Abg. Lippmann (fortschr. Volkep.): Dieser Teil des Para— graphen ist überflüssig und auch direkt schädlich. Denn nach ihm werden alle Beteiligten durch die Entziehung bestraft, ob sie schuldig sind oder nicht. Der Schuldige muß natürlich bestraft werden. Aber dazu reichen die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs aus Diefer von der Kommission zugefügte Abfchnitt hebt zwilrechtliche Bestümmungen wieder auf und muß gelegentlich auch Unschuldige treffen.

Abg. Dr. von Kries (kons. ). Diese Bestimmung muß aufrecht erhalten werden. Jemand, der sich durch betrügerische Angaben bei der Verleihung in den Besitz einer Konzession gebracht hat, muß diese wieder verlieren. Eine Bestrafung nach dem öffentlichen Recht kann häufig. gar nicht eintreten. Der Betrug erfordert immer, Faß ein Geschädigter da ist. Aber es fann auch die Allgemeinheit geschadigt werden, und dieser Schaden läßt sich nicht immer so klar darlegen. Der Absatz will ja auch nicht, daß die gutgläubigen Erwerber'ge—= troffen werden; dadurch ist doch die gefürchtet? Schädigung von Un— schuldigen ausgeschlossen.

Abg. Ecker⸗Winsen (ul.): Ich bin für den Antrag Büchtemann. Bei der Seltenheit der Fälle sisd besondere Ausnahmebestimmungen nicht erforderlich, und das Reichsstrafgesetzbuch genügt hier vollkommen. Es handelt sich dabei vielfach um großartige Anlagen, den Bau von Arbeiterkolonien und ähnliche Ginrichkungen. Diefe könnten, wenn eine Entschädigung nicht eintritt, bei Rückgängigmachung der Ver⸗ leihung ihre Grundlage verlieren. .

Geheimer Oberjustizrat Greiff: Diese Bestimmung war in der Regierungsvorlage nicht enthalten. Es muß abgewartet werden, ob ein Bedürfnis für diese neue Bestimmung vorhanden ist. Ein solcher . wird ja wohl nur außerordentlich selten vorkommen. Deshalb önnte man ein Bedürfnis für unnötig halten. Nach der Auffaffung der Staatsregierung liegt jedoch der Wert darin, daß sie ab— schreckend wirkt.

Abg. Dinslage Gentr.) spricht sich namens eines Teils des Zentrums fär den Antrag Büchtemann aus.

Abg. Freiherr von Eynatten: Es ist hier zur Empfeblung der Streichung auch von armen“ Aktionären gesprochen worden. Diese Aktionäre sollen gefälligst etwas besser aufpassen, wenn sie ihre Verleihung behalten wollen.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz): Wir haben die Verleihung als eine Cinschränkung des Eigentums an den Strömen angefehen. Die S8 79— 81 der Vorlage haben wir mit Freuden begrüßt. Es ist daran sehr wenig autzusetzen, obwohl wir gewünscht hätten, die Regierung wäre hier noch viel weiter gegangen. Zum § 580 müffen wir wünschen, daß dem Fiskus nicht nur das Recht zugestanden, sondern die Pflicht auferlegt wird, in den angeführten Fällen die Verleihung zurückzunehmen, und wir beantragen eine entsprechende Abänderung des Eingangs des § 80.

Abg. Dr. Bell (Zentr.): Der neue Antrag der Sozialdemo— kraten geht mir doch ju weit. Manchen Bedenken kann man hier . durch eine Korrektur des 5 79 bei der dritten Lesung ab— elfen.

Abg. Dr. von Woyna ffreikons. : In NUebereinstimmung mit dem Abg Bell wollen wir für jetzt an dem Kommissionsbeschluß zu S 80 festhalten. ;

Die Anträge werden abgelehnt, und 8 Kommissionsfassung angenommen.

(Schluß des Blattes.)

S0 wird in der

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn- gesellschaft haben, dem „Berl. Tagebl.“ zufolge, der Direktion neue Forderungen eingereicht, und zwar fordern die im Stra ßen⸗ bahnerverband, Sektion des Deutschen Transportarbelterverbandes, organisierten Angestellten folgendes: Anfangslohn monatlich 110 , im zweiten Dienstjahr 115 , steigend von Jahr zu Jahr um 2,50 4 bis zum Höchstlohn von 150 S. Jetzt beträgt der Anfangslohn l05 * und nach 18 Jahren 140 4.) Für die Fahrer wird eine einheit⸗ liche Fahrzulage von 80 Pfennig für den Tag gefordert. Für das Ersatz⸗ personal wird die Gewährung von drei frelen Tagen im Monat bei Fortbezug des Lohnes verlangt. Die Lohnforderungen der Freien Vereinigung der Straßenbahner unterscheiden sich von denen des Verbandes hauptsächlich dadurch, daß sie sich den bisherizen Lohn— stufen mehr anpassen. Auch die Freie Vereinigung verlangt einen in fünfzehn Jahren erreichbaren Höchstlohn von j0 „S unter Fortfall der jetzt üblichen Weihnachtsvergütung. Die Arbeiter und Hand- werker der Betriebswerkstätten der Straßenbahn haben der Direktion gleichfalls Forderungen unterbreitet.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Die vom Deutschen Verein gegen den Mißbrauch geistiger Ge— tränke einberufene IV. Trinkerfürsorgekonferenz wurde in Gegenwart zahlreicher Vertreter von Reichsämtern, bundesstaatlichen Regierungen, von Provinzial-, Kirchen- und Schulbehörden, Stadt⸗ verwaltungen, Landesversicherungsanstalten, Berufsgenossenschaften, Krankenkassen und sozialen Vereinen am Donnerstag um 5 Uhr vom Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat, Senatspräsidenten D. Dr. Dr. von Strguß und Torner im großen Sitzungsfaal des Landeshauses der Provinz Brandenburg eiöffnet. In n . einleitenden Worten wies der Vorsitzende auf das erfreuliche Wachstum des von ihm seit 10 Jahren geleiteten, nunmehr bald 30 Jahre bestehenden deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Gekränke hin. Unter die neu von dem Verein aufgenommenen Arbeiten gehöre insbesondere die der organisierten Trinkerfürsorge, deren Geschäfts— führung die Geschäftestelle des Vereins übernommen habe; 178 Trinker⸗ fürsorgestellen seien im Laufe der letzten Jahre entstanden, von denen die, größte Anzahl unter der Leitung der Bezirksvereine gegen den Mißbrauch geistiger Getränke steht.

Sodann sprach der Generalsekretär des deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke Professor Gonser über den Stand der Fürsorgebewegung in der Gegenwart und führte etwa aus: Der Gedanke der organisierten Trinkerfürsorge hat sich im Laufe der letzten Jahre kräftig durchgesetzt. Die Zahl der Trinker— fürsorgestellen ist von Jahr zu Jahr ü erraschend gewachsen. Im Jahre 1909, zur Zeit der ersten Trinkerfürsorgekonferenz, bestanden 'twa 40 Trinkerfürsorgestellen; heute ist die Zahl auf 175 gestiegen. Die in der Arbeit der Trinkerfürsorge Stehenden überzeugen seh mehr und mehr von der Zweckmäßigkeit der Anlehnung der Trinkerfürsorge— arbeit an die Bezirksvereine des Deutschen Vereins gegen den Miß— brauch geistiger Getränke. Bei der Aufnahme Fer Trinker— fürsorgearbeit haben sich mancherlei Bedenken geltend ge⸗ macht. Sind diese Bedenken durch die praktische Arbeit bestätigt oder sind sie beseitigt worden? Liegt Überhaupt soviei Not vor, daß die Schaffung don besonderen Trinkerfürsorgestellen notwendig ist? Die Frage muß auf Grund der gesammellen Er— fahrungen unbedingt bejaht werden. Einer Trinkerfürsorgestelle in einer mittleren Stadt wurden 3. B. in kurzer Zeit über 5306 Fälle von Trunksucht bekannt. Werden die Trinker und deren Angehörige in die Trinkerfürsorgestelle kommen und sich Rat und Hilfe erbitten?

Die Erfahrung lehrk, daß alle Trinkerfüͤrsforgestellen, fobald sie das

öffentliche Vertrauen gewonnen haben, von den Alkoholkranken und deren Familien gern aufgesucht werden. Werden die Subjekte der Arbeit, die amtlichen Stellen, die Fürforger, die Hel er und Helferinnen für die Arbeit gewonnen werden? Auch hier lehrt die Erfahrung, daß die Bereitwilligkeit zur Mit⸗ arbeit in steigendem Maße sich einstellt, insbesondere kei Kreis- und Stadtbehörden, Landesversicherungsanstalten, Kranken— lassen, Berufegenossenschaften, Aerzten und Frauen. Werden genũgend Geldmittel zur Verfügung stehen, um die Arbeiten auszuführen? Ueberall, wo praktische Arbeit geleistet wird, finden sich die notwendigen Mittel. Besonders erfreulich ist, daß immer mehr Mittel, auch aus öffentlichen Kassen, für die Arbeit der Trinkerfürforge bewilligt werden. Werden durch die Arbeit der Trinkerfürsorgestellen Erfolge erzielt? Mit großer Freude kann festgestellt werden, daß in 119 Fürsorge⸗ stellen, über die statistisches Material vorliegt, nicht weniger als 26700 von dem gewaltigen Heer der Alkoholkranken 'in Fürsorge genommen werden konnten. Von diesen 35 700 Trunk— süchtigen kennen heute 3302 11,3 90 als geheilt, 45232 17,3 o/ als gebessert betrachtet werden, Zahlen, die hinsichtlich der kürzen Zeit des Bestehens der Trinkerfürsorgestellen ein' überraschen der Erfolg genannt werden müssen. Lr abe der Zukunft wird es sein: Die Organisation der Trinkerfürsorge auszubauen, die Bewegung zu vertiefen und in noch weitere) Kreise zu tragen; die wissenschaftliche Bearbeitung der gewonnenen Tatsachen nach einheitlichen Gesichtepunkten in Angriff zu nehmen; den Aus— tausch der praktischen Erfahrungen durch Schaffung eines eigenen Organs, der Blätter für praktische Trinkerfürsorge“', zu ermögllchen. Ein ausführlicher Prospekt über diese demnächst erscheinenden Blätter ist von der Geschäftestelle des Deutschen Vereins g. 8. M. g. G. Berlin W. 15, kostenlos zu erhalten. Die Trinkerfürsorgebewegung ist ein vorzügliches Mittel, das öffentliche Gewissen der Alkoholnot gegenüber aufzurütteln und alle beteiligten Stellen zu energischer Be⸗ tämpfung des Alkoholismus aufzurufen, der alten Erfahrung gemäß daß Vorbeugen besser ist als Heilen.

Im weiteren Verlauf der ersten Sitzung sprach Frau Gerken Leit geb el-Berlin über die Mitarßeik der Frau an ver Trin ker fürsorge. Sie wies darauf hin, daß man unter den 400 900 Alkoholkranken, die Deutschland heute beherbergt, etwa 40 000 Frauen zähle. Das allein gäbe der Frau schon das Recht und die Pflicht, in der Trinkerfürsorge mitzuarbeiten. Die Erfahrung habe aber gelehrt, daß weiblicher Einfluß auch den männlichen Trinke? oft zu heilen, zu festigen vermöge. Eine gründliche Kenntnis von Ursache und Wirkung des Alkoholismus, von' den Mitteln zur Hilfe, eine warme, nimmermüde Menschenliebe, das unerläßliche Vorbild begeisterter, lebens länglicher, völliger Enthaltsamkeit . = das be⸗ säblge nicht nur den Mann zur Trinkerfürsorge. Krankenpflege und Erziehung seien ja von altersher erfolgreiche Wirkungsgebiete der Frau. Vor allem sei die weitgehende Fürsorge für die oft belasseten, stets gefährdeten Kinder aus solchen Familien ein weites Arbeitsgebie für die Frau. Groß sei die Zahl der einsamen unverheirateten“ ver- witweten, kinderlosen Frauen, deren mütterliche Liebe hier Licht und Wärme verbreiten, gesunde, tüchtige und frohe Menschen heranziehen könnte. Der Dr. med. J H. Greeff in Stuttgart sprach über das Thema: Aerztliche Wisfenfchaft und Praxis in ibren Be⸗ ziehungen zur Trinkerfürsorge. Dle ärztliche Wissenschaft kenne zahlreiche Krankheiten, die mik dem Alkoholismus in direktem oder indirektem Zusammenhang steben. Srmptomatische Mittel nützten, ebenso wie bei anderen Krankbesten, nur wenig, und dann höchstens vorübergebend. Es fel bei der Trunksucht akfo eine kausale Therapie anzustreben. Diese sei glei der Fürsorge für Alkoholkranke. Die fübren ellung auf dem Gebiet der Trinkerfürsorge gebühre dem Arzt. seiner Leitung sollten die verschiedenen Maßnahmen zur Heilung und Fürforge des Trinkerz getroffen werden. Als therapeutisches Hilfsmittel bei der Trinker— behandlung seien Hypnose und Suggestson mehr, als es bisber der Fall war, bei uns zu verwerten. Auch sollten möglichst viele Trinker⸗ beilstätten geschaffen werden, jedoch dürfe die einzelne Heilstätte nur wenige Kranke aufnehmen. Der Leiter einer Fuͤrforgẽttelle sei am besten ein Arit. A. Kohn, Geschäftsführer der Srtskrankenkaffe für den Gewerbebetrieb der Kaufleute, Handels leute und Apotheker in Berlin, sprach über die Kran kenkafsfen als berufene Organe der Trinkerfürsorge. Von den Trägern der Arbeiter⸗ versicherung hätten die Krankenkaffen die engste mit den Versicherten, ganz besonders mit Kranken, und so hätten die keit, auf die Kranken und

keit der Krankenkassen könne jedoch nur dann rechtzeitig einsetzen, wenn die Kassenärzte möglichst rasch darauf aufmerkfam machten, die vorliegende Erkrankung auf Alkoholmißbrauch zurückzuführen sei. Auch im Interesse einer möglichst umfangreichen Trinkerfürsorge sei die Zentralisation der Krankenkassen zu ersfreben, nicht nur weil da— durch deren Leistungsfähigkeit erhöht werde, sondern auch weil durch sie die Möglichkeit gegeben sei, die Kranken besser im Auge zu behalten. Je nachhaltiger und umfassender sich die Trinkerfürsorge gestalte, um so mehr würden auch die Interessen der Krankenkaffen gefördert; die Krankenkassen hätten deshalb alle Veranlassung, die Arbeiten der Trinkerfürsorgestellen tatkräftig zu unterstützen.

Dr. Max Moser in Freiburg i. B. sprach über die Ge— winnung von Personen und Geldmitteln für die Arbeit 3 * Pastor Deißner«-Stralfund erzählte aus der praktischen

rbeit.

Kunst und Wissenschaft.

In der ägyptischen Abteilung im hiesigen Neuen Muscum befindet sich als Leihgabe cine merkwürdige Amulettafel. Es ist ein Brett von 40 em Länge und 24 em Breite, auf dem in vie! Reihen 60 Amulette abgebildet sind, zum Teil als Flachreliefe eingeschnitien und mit Blattgold belegt, zum Teil aus Halbedessteinen gefertigt und in das Helz eingelegt. Mit Ueberraschung gewahrt der Beschauer dieser Tafel, daß sich unter den auf ihr abgebildeten Amuletten vielfach Gebrauchsgegenstände, wie Sandalen, Spiegel, Gefäße und Waffen befinden, Sachen alfo, bei Denen man sich nicht leicht vorstellen kann, daß ihnen die Kraft, magischen Schutz zu gewähren, beigemessen sein sollte— vor allem ist das auch der Fall hinsichtlich der unter den Amuletten befindlichen Nachbildungen einer Königshaube und verschiedener Zepter. Die Lösung des Rätsels findet sich darin, daß alle diese Gegenstände ursprünglich die Grabausrüstung eines Königs bildeten, die ihm ins Grab beigegeben sein wird, damit er auch im Jenseits als König auftreten könre. Als dann in der Zeit zwischen dem alten und dem mittleren Reich (lum 2360 v. Ehr), in der das Königtum zu völliger Bedeutungslosigkeit berab— gesunken war, die ursprünglich für den König verfaßten Totentexte dem allgemeinen Gebrauch zugänglich wurden, dann als Folge dieses Vorganges nicht nur der tote König, sondern auch jeder andere Ver⸗ storbene dem Totengott und König der Unterwelt Osiris gleichgesétzt wurde, ist der Besitz einer königlichen Grabausstattung in der Theorie jedem Sterblichen zuganglich geworden. In der Praxis war das freilich auch für die reichsten Privatleute nicht durchführbar, und so begnügte man sich damit, dem Toten alle jenen Kostbarkeiten im Bilde mitzugeben. Im mittleren Reiche

malte man sie auf die Innenseite der Särge, später bildete man sie