Der Landgerichtsrat Heß in Ratibor, der Amtsgerichtsrat Pee renboom in Ottweiler, der Erste Staatsanwalt, Geheime Justizrat Hannem ann in Görlitz und der Rechtsanwalt und Notar, Geheime Justizrat Küchendahl in Stettin sind gestorben.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Dem Regierungsrat Dr. Rapmund in Posen ist die Stelle eines Mitglieds der Eisenbahndirektion daselbst verliehen.
Zur Staatseisenbahnverwaltung sind unter Ernennung zu Regierungsassessoren dauernd übernommen: die seitherigen Gerichtsassessoren Dr. Karl Barkhausen in Breslau, jetzt in Kattowitz, und Erich Ja quet in Cöln. . ö ö
Etatsmäßige Stellen als Regierungsbaumeister sind ver⸗ liehen worden? dem Regierungsbaumeister des Wasser⸗ und Straßenbaufaches Jürgens (Gerhard) in Henrichenburg (im Geschäftsbereich der Dortmund⸗Ems⸗Kanalverwaltung) und den Regierungsbaumeistern des Hochbaufaches Böttcher (Adolß in Danzig-Langfuhr und Ahlemeyer in Berlin (im Geschäfts⸗
bereich des Polizeipräsidiums).
Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten. Der bisherige Seminarlehrer Paul Rußland aus Pr. Eylau ist zum Kreisschulinspektor in Jutroschin ernannt worden.
Bekanntmachung.
Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht: . ö in, am 16. September 1912 Allerhöchst vollzogene Statut für die Entwässerungesgenossenschaft Hohenkirch-Klein Brudzaw in Hohenkirch im Kreise Briesen durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Marienwerder Nr. 42 S. 485, ausgegeben am 17. Ok—
912 . . ö das am 15. September 1912 Allerhöchst vollzogene Statut für die Fichtfee⸗Entwässerungsgenossenschaft Strippau in Strippau im Kreise Berent durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu
Danzig Rr. 43 S. 357, ausgegeben am 26. Ottober 1912 . 3) das am 24. September 1912 Allerhöchst vollzogene Statut für die Genossenschaft zur Regulierung der Brahe oberhalb des Müskendorfer Sees in Groß Konarczyn im Kreise. Schlochau durch daz Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Marienwerder Nr. 43 S. 493, ausgegeben am 24. Oktober 1912; . 4) das am 24. September 1912 Allerhöchst vollzogene Statut für die Nesserdeicher Generalschleusenkommune in Lunden im Kreise Norderdithmarschen durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Schleswig Nr. 50 S. 347, ausgegeben am 26. Oktober 1912; 3) der Allerhöchsie Erlaß vom 3. Oktober 1912 betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadt. Uetersen für die Ausführung des geplanten Erwelterungsbaues des städtischen Kranken⸗ hauses „Bleekerssift“, durch das Amtsblatt der Königlichen Negięrung zu Schleswig Nr. 59 S. 547, ausgegeben am 26. Oktober 1912 7 6) das am 11. Oktober 1912 Allerhöchst vollzogene Statut für die Loitzer Entwässerungegenossenschaft in Loitz im Kreise Grimmen durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Stralsund Rr. 44 S. 232, ausgegeben am 31. Oktober 1912 H 7) das am 11. Oktober 1912 Allerhöchst vollzogene Stgtut für die Entwässerungs⸗- und Drainagegenossenschaft Preußisch Bahnau⸗ Teysuhnen in Preußisch Bahnau im Kreise Heiligenbeil durch das Amtsblatt der . , zu Königsberg Nr. 45 S. 639, n am 7. November 2 ö . 6 Allerhöchste Erlaß vom 15. Oktober 1912, betreffend die Verlelhung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Altona für die Anlage eines Volksparkes und eines Zentralfriedhofs, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Schleswig Nr. 51 S. 561, ausgegeben am 2. November 1912.
Aichtamlliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 16. November 1912.
Durch Allerhöchsten Erlaß vom 6. November d. , betreffend bedingte Strafaussetzung in Preußen, ist in Ergänzung des Allerhöchsten Erlasses vom 23. Oktober 1895 genehmigt worden, daß die Oberstaats anwälte ermächtigt werden, eine vom erkennenden Gericht befürwortete Strafaussetzung zu bewilligen, wenn es sich bei Verurteilten, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, um Freiheits⸗ strafen bis zu einem Monat, und bei älteren Verurteilten, die noch nicht wegen Verbrechens oder Vergehens Freiheitsstrafe verbüßt haben, um Freiheitsstrafen bis zu einer Woche handelt.
Auf Grund des Allerhöchsten Erlasses hat der Justiz⸗ minister durch allgemeine Verfügung vom 11. d. M. den Oberstaatsanwälten diese Ermächtigung erteilt. Zur Ablehnung einer von dem erkennenden Gericht oder von der Straf— vollstreckungsbehörde befürworteten Strafaussetzung sind die Oberstaatsanwälte nicht befugt; dagegen sind Abweichungen von den Vorschlägen der Strafvollstreckungsbehörden über die Dauer der Bewährungsfrist zulässig. Bei Strafen von der im Allerhöchsten Erlaß erwähnten Dauer sind die Oberstaatsanwälte auch ermächtigt, eine von ihnen oder von dem Justizminister bewilligte Strafaussetzung auf Vorschlag der Strafvollstreckungs⸗ behörde zu widerrufen.
Die Bestimmungen über die Handhabung der bedingten Strafaussetzung sind im „Justizministerialblatt“ (Nr. 42 vom 15. November 1912) im Wortlaute abgedruckt.
In der am 15. d. M. unter dem Vorsitz des Staatz miniflers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde fol⸗ genden Etatsentwürfen für 1913 die Genehmigung erteilt: dem Etat der Reichspost⸗ und Telegraphenverwaltung, dem Etat der Reichsdruckerei, dem Etat der Verwaltung der Reichseisen⸗ bahnen, dem Etat der Neichsjustizuerwaltung, dem Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei, dem Etat des Reichs⸗ eisenbahnamts, dem Etat des Rechnungshofs, dem Etat des Auswärtigen Amts, dem Etat für das Reichsamt des Innern, dem Etat der Verwaltung der Kaiserlichen Marine und dem Etat des Schutzgebiets Kiautschou.
Mecklenburg⸗Schwerin. . Gestern nachmittag fand im goldenen Saale des Groß— herzoglichen Schlosses in Ludwigslust die Taufe des jün g st⸗ geborenen Prinzen statt. Wie W. T. B.“ meldet, er⸗ hielt der Täufling die Namen Christian Ludwig. Auf die feierliche Handlung folgte eine Gratulationscour im Salon Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin; Abends fand ein
Festmahl statt. . Oldenburg.
Der heutige 60. Geburtstag Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs wird, wie „W. T. B. meldet, im ganzen Lande, besonders in den Schulen und beim Militär, festlich begangen. Eine Abordnung der Handelskammer über⸗ reichte heute vormittag Seiner Königlichen Hoheit dem Groß⸗ herzog, der mit seinen Kindern zurzeit in Lensahn in Holstein weilt, eine in den Kreisen der Industrie, des Handels und der Schiffahrt gesammelte Spende von 60 O00 . zur Verwendung fur den' deutschen Schulschiffverein, dessen Vorsitzender der Groß—⸗ herzog ist.
Oesterreich⸗ Ungarn. .
Das Plenum der österreichischen Delegation begann gestern die Verhandlungen über den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten.
Laut Meldung des W. T. B. betonte der Berichterstatter Marquis Bacquehem die Bereitwilligkeit, ohne Voreingenommen⸗ heit und mit Wohlwollen für die Balkanstaaten jede von diesen gestellte Frage zu prüfen. Doch dürften die großen Interessen der Monarchie keine Einbuße erleiden. Der Redner appellierte an die Abgeordneten, dem Minister des Aeußern seine schwierige und verantwortungsbolle Aufgabe zu erleichtern, das Friedens— bedürfnis der Monarchie mit der Sorge um die Wahrung ihrer großen Interessen zu vereinigen. — Der Abg. Ellenbogen (Soz. betonte, daß die Absichten der Serben auf. Albanien ihre eigenen Freiheit⸗⸗ bestrebungen gefährdeten, doch sei die Unabhängigkeit Albaniens Sache der Albanesen. — Der Abg. To maschek verlangte namens der tschechischen Sozialdemokraten die unbedingte Erhaltung des Friedens. — Graf Lützow begrüßte die Annäherung zwischen Italien und Desterreich⸗Ungarn und sagte: damit der Dreibund zu voller Krast. entwicklung gelange, sei es unerläßlich, daß Desterreich⸗Ungarn eine Flotte habe, die stark genug sei, auch außerhalb des engz ten Rahmens der Adria achtunggebietend aufzutreten. Der Abg. Kramarz erklärte, daß aus der Frage Albaniens und des erbischen Adriahafens keine Lebensfrage gemacht werden dürfe. Italien sei es gewesen, das eine albanesische Nation und eine albanesische Frage er— funden habe. Wenn Italien ein autonomes Albanien haben wolle, solle es in der Vorderreihe stehen und den Haß der Balkanvölker auf sich nehmen. Oesterreich habe sich für ein freles Albanien schon genug in Gefahr gebracht. Wenn in Albanien schon etwas gemacht werde, dann folle Albanten nicht zwei Mächten anvertraut, sondern internationalisiert werden. . Unser Lebenginteresse auf dem Balkan“, fuhr Kramarz fort, geht dahin, Italien politisch vom Balkan fernzuhalten. Was den serhischen Hafen betrifft, so wäre dieser für uns sogar wirtschaftlich vorteilhaft, denn Hafen und Bahn bringen uns wirtschaftlich in das Herz des Balkans. Auf keinen Fall darf, aus diesem Hafen ein Kriegshafen gemacht werden. Dies ist die einmütige Forderung aller österreichi⸗ schen Völker, auch der slawischen. Denn auch diese können nicht zu⸗ geben, daß Desterreich seine Machtstellung verliert. Dies wäre der Fall, wenn dadurch, daß eine fremde Macht sich in einem serbischen Kriegshafen festsetzt, aus dem Adriameer ein mare clæusum würde. Serbien allein könnte xdiesen Hafen nicht be— fesligen. Es könnte dies nur mit Hilfe Italiens oder Rußlands. Dlefe beiden Mächte müssen aber wissen, daß eine solche Unterstützung für Oesterreich Ungarn den asus belli, bedeutet. Serbien braucht auch diese Beschränkung nicht als Erniedrigung anzusehen. Aehn⸗ liches mußten sich Holland und Belgien gefallen lassen. Die einzig richtige Politik gegenüber Serbien ist die Erreichung gegen⸗ feiligen Vertrauens. Hier helfen keine Verträge. Eine Zoll— union halte ich für unmöglich. Höchstens ist ein langfristiger, für beide Teile vorteilhafter Handelsvertrag anzustreben. Wir müssen eine fudslawische Politik machen, die sich ven jeder Politik des divide et impera fernhäͤlt. Keine Cuvaj⸗Politik, keine Sochverrateproʒesse, keine Hetze zwischen Serben und Kroaten, sondern eine Politik der lohalen Unterstützung des kulturellen und wirtschaftlichen Aufblühens der südslawischen Völker. Das ist die einzige Sicherung, die wir erreichen können. Aber dies ist besser als alle Ver— träge. Wenn es Oesterreich nicht gelingen sollte, die Balkanfrage endgültig zur Löfung zu bringen, sondern die Balkanvölker unzufrieden und verbittert werden, weil man ihnen nicht gibt, was sie als ihr Lebensinteresse ansehen und mit Blut erkämpft haben, dann ist sicher damit zu rechnen, daß die Balkanfrage nicht gelöst werden wird, fondern binnen kurzem der Krieg wieder ausbricht, aber nicht als Balkankrieg, sondern als Weltkrieg.“ ; . Der Heeresausschuß der Oesterreichischen Delegation hat gestern den außerordentlichen Militärkredit und der Viererausschuß der Ungarischen Delggation die bosnischen Kredite angenommen.
Nuß land. Der Ministerrat hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ für das Jahr 1913 den Ankauf von 40 bis 59 Millionen Pud Steinkohlen im Auslande zur Verwendung für die Staats— eisenbahnen genehmigt, außerdem sollen für eine Million Rubel Weichen und Schienenbänder aus dem Auslande bezogen werden. — Das Ministerium des Innern hat den Termin für das Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung und Unterdrückung von Viehseuchen auf den 14. Januar 1913 festgesetzt, Das Gesetz bezieht sich nur auf die Gouvernements Kowno, Grodno und Kurland. ;
— Das Marineministerium hat in der Reichsduma einen Gesetzentwurf zur Ausführung des sogenannten kleinen Flottenprogramms für 1913 eingebracht, der, obiger Quelle zufolge, im ganzen 58 867 862 Rubel vorsieht, und zwar 39 Millionen für den Bau von Kriegsschiffen, 4 Mil— lionen für den Bau von Hilfsschiffen und schwimmendem
saterial, 8 Millionen für Artillerie und 7 Millionen für den weiteren Ausbau der Schiffsbauwerften des Marine— ministeriums.
TDyanien.
Der Ministerpräsident Graf Romanones hat gestern mehreren Vertretern der Presse eine Unterredung gewährt, in der er laut Meldung des „W. T. B. erklärte, daß sein vor— läufiges Programm vorgezeichnet sei. Er habe zuerst das Budget zur Erledigung zu bringen und vom Parlamente den Marokkovertrag mit Frankreich ratifizieren zu lassen, was hoffentlich bald geschehen werde. Er müsse vor allem die Einheit der liberalen Partei aufrechterhalten und dürfe des— halb keine Frage aufwerfen, die diese Einheit stören könnte. AUuf die Frage, ob besondere Maßnahmen beabsichtigt seien, um eine Wiederholung anarchistischer Anschläge zu verhindern, antwortete Graf Romanones, er sei entschlossen, mit Festigkeit vorzugehen, aber ohne zu Ausnahmemaßregeln zu greifen, deren Gegner er sei. Die bestehenden Gesetze genügten, wenn man sie anwende, und dies werde er mit aller Kraft tun.
Türkei. Der Großwesir Kiamil Pascha stattete gestern vor— mittag dem österreichisch⸗ungarischen Botschafter Markgrafen Pallavicini und dem russischen Botschafter von Giers Be— suche ab.
Der Führer der albanesischen Protestbewegung ver— öffentlicht, wie W. T. B. meldet, eine Erklärung, die sich gegen den Versuch wendet, die Existenz der albanes ischen Nation zu leugnen, die alte historische Rechte besitze. Die Erklärung spricht die Ueberzeugung aus, daß Europa Albanien Grenzen bewilligen wird, die ein nationgles Leben ermöglichen werden. „Unsere Rasse“ schließt die Erklärung, „ist fähig, sich der Kultur zivilisierter Völker anzupassen. Sie wird arbeiten, wenn man ihr die Mittel geben wird, sich normal zu ent— wickeln, und sie nicht zu erdrücken suchen wird.“
— Das Blatt „Mir“ meldet auf Grund vertrauens— würdiger Mitteilungen, daß die bulgarischen Truppen nach der Einnahme von Serres sich des Hafens von Kawala bemächtigt haben. .
— Die griechische Armee unter dem Befehl des Thron— folgers ist nach Meldungen des W. T. B.“ von Saloniki auf— gebrochen und marschiert direkt auf Monastir. . . Der Kommandant des griechischen Geschwaders im Aegäi— schen Meer meldet, daß gestern vormittag durch gleichzeitige Landung von Marinesoldaten in der Bucht von Muliani und im Hafen von Daphni die chalkidische Halbinsel besetzt worden ist. . — Wie aus dem montenegrinischen Hauptquartier gemeldet wird, sind die Türken in einem Gefecht bei Malguschi in der Nähe von Giovanni di Medua von den Montenegrinern zurückgeworfen worden. Letztere besetzten drei Dörfer.
— In Konstantinopel sind einer Meldung des W. T. B. vom gestrigen Tage zufolge in den letzten 24 Stunden 24 Cholerafälle vorgekommen, von denen fünf tödlich verliefen. Auch aus San Stefano werden zahlreiche Cholera— fälle gemeldet.
Griechenland.
Gestern mittag machten die Vertreter der Mächte, wie „W. T. B.“ meldet, nacheinander bei dem Minister des Aeußern den angekündigten Schritt, indem sie die von der Türkei erbetene Vermittlung für die Einstellung der Feindseligkeiten anboten und fragten, ob Griechenland die Vermittlung annehme und unter welchen Bedingungen. Der Minister antwortete, er werde Antwort geben, nachdem er sich
mit den Verbündeten ins Einvernehmen gesetzt habe.
Bulgarien. Der Ministerrat beriet gestern über das Ersuchen um Waffenstillstand, das von dem Großwesir Kiamil Pascha an den König gerichtet worden ist, und beschloß laut Meldung des „W. T. B.“ zu antworten, daß die Regierung den ver= bündeten Kabinetten das Gesuch der Türkei vorlegen und nach Herstellung einer Einigung die Antwort so schnell wie möglich uͤbermitteln werde.
Montenegro. Nach einer Meldung der Agence Havas“ haben die Ge— sandten der Großmächte die Schritte wegen einer Vermitt⸗ lung in Cetinje gestern vormittag unternommen. In Cetinje wurde geantwortet, die montenegrinische Regierung werde sich mit den verbündeten Staaten ins Einvernehmen setzen, doch sei sie für den Augenblick der Ansicht, daß sie in einen Waffen- stilltand nur bei vorbehaltloser Uebergabe von Skutari willigen könne.
Amerika.
Der englische Botschafter Bryce und der Staatssekretär des . . Knox haben, wie „W. 2. 3 meldet, gestern in Washington die Ratifikation des englisch⸗ amerikanischen Vertrages ausgetauscht, der die Fischerei⸗ rechte in den Gewässern der nordatlantischen Küste regelt und damit einem lange bestehenden Streit ein Ende macht.
Asien.
Der frühere chinesische Ministerpräsident und Minister des Aeußern Luchenghsiang, der aus Gesundheitsrücksichten zurückgetreten war, ist wieder zum Minister des Aeußern ernannt worden. Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, ist seine Ernennung wohl überlegt; denn die Regierung beabsichtigt. der Einladung Rußlands zu einer Besprechung der mongolischen Angelegenheiten Folge zu leisten. Sie hofft, an Stelle des ruffisch mongolischen Abkommens einen neuen russisch⸗chinesischen Vertrag setzen zu können.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (97) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister für Landwirtschaft, Do—⸗ mänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorle mer bei wohnte, wurde die zweite Beratung des Entwurfs eines Wassergesetzes fortgesetzt. . . ö
Die Abgg. von Brandenstein (kons und Genossen haben beantragt, hinter dem 5 180 einen 8 160 1 ein⸗ zufügen, nach dem die materiellen Vorschriften dieses Gesetzes auch auf die Kanalbauten ausgedehnt werden sollen. .
Nachdem Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen und Abg. Ecker⸗Winsen (nl.) sich zu— stimmend ausgesprochen haben, wird der Antrag angenommen und dann die Beratung bei 8 271 fortgesetzt. . =
Die Kommission hat den z 271 gestrichen, der sich mit den Kosten beschäftigt, die durch die Aufeisungsarbeiten in Strömen entstehen, zu denen die Deichverbände auf Verlangen des Staates ein Drittel beizutragen haben. —
Ein Antrag der Abgg. Dr. von Kries (kons.) und Ge⸗ nossen will diesen Paragraphen wieder herstellen mit dem Zusatze, daß die Deichverbände nur nach Maßgabe ihres Inter. esses und höchstens nur ein Drittel zu den Kosten beizutragen haben. ; . I —ͤ
Abg. von der Osten (kon): Die Streichung dieses Para⸗ graphen war nicht gerechtfertigt. Es empfiehlt sich, ihn wieder her, zustellen. Eine gerechte Abwägung der Verhältnisse erfordert aber auch, daß dle durch den Antrag von Kries verlangte Erweiterung eingefügt wird. ; .
Nachdem sich ein Kommissar des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten und der Abg. Ecker-Winsen gegen den Antrag ausgesprochen haben, wird dieser gegen die Stimmen
— Der Polizeipräfekt von Madrid ist zurückgetreten.
der Konservativen abgelehnt.
Nachfrage nicht zu genügen.
Der 5. Titel desselben Abschnitts, 88 272 — 295, enthält Bestimmungen über die Deichverbände.
Zu dem 8 280, der sich mit der Aufsicht des Staates über die Deichverbände befaßt, liegt der Antrag der Abgg. Baerecke (kons) und Genossen vor, einen neuen Absatz zuzufügen, nach dem die Aufsicht über die Unterdeichverbände in erster Instanz von dem Deichvorsteher des Hauptdeich— verbandes geführt werden soll, wenn bei Bildung von Unter⸗ deichverbänden im Gebiete eines Deichverbandes es die Satzung bestimmt.
Abg. Baerecke (kons.) : Dieser neue Zusatz ändert an dem Sinn des Paragraphen nichts. Er will nur dem Rechte der Unterdeich— verbaͤnde Rechnung tragen, die besonders in einzelnen Provinzen des ,, notwendig herausgestellt haben und die im Gesetz nicht
rgesehen sind. ö inte für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer: Die Regierung hat keine Veranlassung, dem Antrage entgegenzutreten.
Der Antrag Baerecke wird angenommen.
Zum 8 284, der sich mit den Polizeiverordnungen befaßt, die zum Schutze der . und anderer Anlagen erlassen sind, beantragen die Abgg. Baerecke und Genossen einen Zusatz, der infolge der Einfügung des neuen Absatzes in 8 286 not— wendig geworden ist. Nachdem der Minister für Landwirt— schaft Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer auch hierzu sich zustimmend geäußert hat, wird der 3 284 mit diesem Zusatz angenommen.
(Schluß des Blattes.)
Koloniales.
Uebergabe von Neukamerun an die deutschen Behörden.
Zwischen Frankreich und Deutschland ist im Anschluß an die Berner Verhandlungen bekanntlich vereinbart worden, daß der größere Teil der an Deutschland fallenden Gebiete, nämlich der Streifen längs der Südgrenze vom Altkamerun, ein Teil des Sanga-Zipfels und das Land westlich von Sanga—Mambere — Nana und Logone, am 1. Ok«, tober d. J. an die deutsche Verwaltung übergeben werden solle. Die Uebergabe sollte an wenigen, zwischen den beiderseitigen Gou— verneuren zu vereinbarenden Hauptstationen unter Beobachtung genau festgelegter Förmlichkeiten vor sich gehen.
Die Gouverneure haben sich nun, wie im „Deutschen Kolonial blatt“ mitgeteilt wird, dahin geeinigt, den Uebergabeakt an folgenden bisher französischen Stationen stattfinden zu lassen: in Ekododo für das Küstendreieck südlich vom spanischen Munigebiet, in Dyvem, Ngarabinsam und Soufflay für das größere Dreieck zwischen der Ostgrenze der spanischen Kolonie und dem Sanga, in Bonga, Buala und Lere für die neuen östlichen Landesteile.
Ueber die Durchführung der Uebergabe, bei der deutscherseits teils Zivilbeamte mit Polizeitruppe, teils Schutztruppenabteilungen mit— wirken, liegt bis jetzt nur ein telegraphischer Bericht des Kaiserlichen Gouverneurs von Kamerun vor, nach dem der nördliche Teil der von den Franzosen vertragsgemäß am 1. Oktober d. J. zu übergebenden Gebiete, nämlich das zwischen der alten Grenze und dem Pende und dem Logone Flusse gelegene Land, an dem genannten Tage tatsächlich von den deutfschen Behörden übernommen worden ist.
Wiederherstellung der Landungsbrücke in Lome. Nach einer telegraphischen Meldung des Gouvernements in Togo sind die Wiederherstellungsarbeiten an der Landungsbrücke in Lome beendet, sodaß der Brückenbetrieb am 1. Nopember wieder aufgenommen werden konnte.
Diamanten förderung in Deutsch Südwestafrika.
In den sechs Monaten April bis September d. J. sind 80 470 g Diamanten (gegen 77 158 g im vorhergehenden Halbjahre) gefördert worden.
Vom Tsingtauer Grundstücksmarkt.
Nach der Landordnung für das Kiautschougebiet ist der Fiskus Inhaber des Grund und Bodens. Im laufenden Jahre hat eine rege Nachfrage nach Grundstücken in Tsingtau stattgefunden, sodaß bis zum 12. Oktober insgesamt vom Fiskus 112 Grundstücke mit 26 9000 4m Flache (also durchschnittlich etwas über 2000 am) für 288 500 Doll. verkauft worden sind. Die Käufer waren zum weltaus größten Teil Chinesen, und zwar Chinesen aus sozialen Schichten, deren Zuwanderung in unsere Kolonie uns nicht unwillkommen sein kann. Es bandelt sich um höhere Beamte und Militärs, weniger um Faufleute, die wegen der Wirren der Revolution in dem davon kaum berührten Tsingtau ihren Wobnsitz genommen haben. Außerdem haben 140 Grundstücke des Privatbesitzes den Eigentümer gewechselt. Wie der Deutschen Kolonialgesellschaft von berufener Seite mitgeteilt wurde, ist nunmehr im Weichbilde von Tsingtau der gesamte Grund und Boden verkauft.
Statistik und Volksmirtschaft.
Die ausländischen Arbeiter auf dem deutschen Arbeits markt im Oktober 1912.
Im Gegensatz zu normalen Jahren hat nach dem Bericht der Deutschen Arbeiterentrale in diesem Jshre die Rückwanderung der Wanderarbeiter während des Monats Oktober sich verzögert. Die Landwirtschaft hatte die infolge der ungünstigen Witterung im September zurückgebliebenen Arbeiten nachzuholen. Im Westen war man weniger im Rückstande, daher zeigten sich hier schon Anfänge der Rückwanderung; im Norden und Osten war man dagegen noch im vollen Betrieb, und keine Hand war entbehrlich, sondern sehr viele Dände äber den normalen Bedarf hinaus wurden verlangt. Obwohl die Zuwanderung namentlich von Kartoffelgräbern nichk unerheblich war, konnte dieser gesteigerten Nachfrage der Landwirtschaft doch nicht in gewünschtem Maße entsprochen werden.
Die Industrie blieb im Berichtsmonat gut beschäftigt, be⸗ sondeis die rheinisch⸗westfälische, lothringische und schlesische Montan— industrie, bet der die Nachfrage nach Arbeitskräften andauernd das Angebot überwog. Weiter lag der Markt ungünstig für die Arbeit- geber in der Textilbranche. Im Tiefbaugewerbe herrschte lebhafte Nachfrage, der nicht voll entsprochen werden konnte, da die Arbeiter es hei der vorgerückten Jahreszeit vielfach vorzogen, in gedeckten Be⸗ trieben zu arbeiten. Im Baugewerbe hielten sich Nachfrage und Angebot die Wage.
Die Ueberseewanderung war stärker als im Vormonat und auch bedeutender als im gleichen Monat des vorigen Jahres. So⸗ wohl die russische und österreichische, als auch die italtenische Aus— wanderung nahm stark zu Im Berichtsmonat verließen Hamburg twa 13 060 Ueberseeauswanderer gegen etwa nur 8006 im gleichen Monat des Vorjahres.
Der Zuzug russischer Wanderarbeiter war der Jahreszeit entsprechend bis auf die Zuwanderung von Kartoffelgräbern nicht er⸗ beblich. Letzter konnte bei dem starken Bedarf Ter Landwirt⸗ schaft nicht voll genügen. Am stärkften war die Zuwanderung über die ostpreußische und posensche Grenze. In Galizien lag der Arbestsmarkt nicht ungünstiger als im Vorjahre, aber weil auch dort zu Lande die landwirtschaftliche Arbeit noch stark im Rückstande war, vermochte die Zuwanderung der deutschen
Berichtsmonat so gut wie gar nicht in Betracht. Bel den it alie— nischen Arbeitern überwog die Rückwanderung die Nachfrage, ob— leich noch reichliche Arbeitsgelegenheit in der südwestdeutschen sontanindustrie, in den Steinbrüchen und im Baugewerbe vorhanden war. Von holländischen Arbeitern kam für die Landwirtschaft in der Hauptsache Stallper sonal in Frage, das aber in den Grenzprovinzen blieb. Für die Industrie konnte der Nachfrage nach Grubenarbeitern nicht genügt werden, dagegen war für Erdarbeiter, namentlich für den Ems Weser-Kanal, ein größeres, wenn auch nicht ausreichendes Arbeiterangebot vorhanden. An der dänischen Grenze war fast gar r wahrzunehmen, dagegen ließ sich eine starke Rückwanderung eobachten.
2 Zur Arbeiterbewegung.
Die Direktion der Großen Berliner Straßenbahn hat, der „Voss. Ztg. zufolge, gestern vormittag den Vertrauensmännern ihrer Angestellten in elner im Verwaltungsgebäude abgehaltenen Zusammenkunft mitgeteilt, daß sie die neuen Lohnforderungen der Angestellten (gl. Nr. 273 d. Bl.) ablehne. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß erst vor einem Jahre die Löhne durchgreifend erhöht worden selen.
Zum Ausstand der Leipziger Buchhändler-Markthelfer usw. (gl. Nr. 269 d. Bl) teilt die ‚Wpz. Ztg.“ mit, daß der Buch— händlerhilfe verband beschlossen hat, die gegenwärtig im Ausstand stebenden Markthelfer 2c. innerhalb 5 Jahren nicht wieder in den Betrieben der Verbandsmitglieder einzustellen. Der Ausstand flaut immer mehr ab.
(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)
Jagd.
Dienstag, den 19. 8. M. findet Königliche Parforce⸗ an statt. Stelldichein: Mittags 12 Uhr 45 Minuten in Ferbitz.
Wohlfahrtspflege.
Am zweiten Beratungstage der vom deutschen Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke einberufenen IV. Trinkerfürsorge— konferenz berichtete u. a. der Direktor des Statistischen Amts der Stadt Lübeck Dr. Hartwig über die wissenschaftliche Be— arbeitung und Verwertung des aus der Fütsorgearbeit gewonnenen Tatsachen⸗ und Erfahrungsmaterials. Er führte etwa aus: In den Akten der Trinkerfürsorgestellen hat sich bereits ein so großes und wichtiges Tatsachen- und Erfahrungsmaterial über den Alkoholismus angesammelt, daß seine Bearbeitung sowohl im Interesse der Fürsorgestellen als in dem der statistischen Wissenschaft wünschenswert erscheint. Die Auf— zeichnungen der Trinkerfürsorgestellen sind zurzeit noch nach Umfang und Inhalt so wenig einheitlich, daß ihre zahlenmäßigen Ergebnisse nur zum Teil zu einander in Beziehung gesetzt und miteinander ver— glichen werden können. Deshalb ist es notwendig, ein einheitliches Schema für diese Anschreibung zu schaffen Das Ziel der Bearbeitung muß eine möglichst lückenlose Statistik sein. Deshalb darf das auf— zustellende Schema nicht überladen werden und vor allem nur solche Fragen entbalten, die möglichst jede Fürsorgestelle beantworten kann. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, sich für den Anfang auf die Verarbeitung folgender tatsächlicher Angaben zu beschränken: I) Persönliche Verhältnisse des Trinkers: Alter und Geschlecht des Trinkers; Familienstand des Trinkers. Ist er verbeiratet, so ist fest— zustellen, ob er noch mit seiner Frau zusammenlebt oder nicht, und ob aus seiner Ehe Kinder hervorgegangen sind oder nicht. Waren Kinder da, so ist zu erfragen, wie viele im ganzen geboren wurden, einschließlich der Totgeborenen, und wie viele noch am Leben sind; Beruf des Trinkers, und zwar der, den er jetzt ausübt, und der, den er erlernt hat; Dauer der Trunksucht, Beruf des Trinkers bei Beginn derselben, ob die Vorfahren getrunken haben, ob der Trinker bereits einem Abstinentenverein angehörte oder in einer Heilanstalt war; ob der Trinker vorbestraft ist und wie oft. 2) Maßnahmen und Erfolge der Trinkerfürsorgestelle: Wie viele Trinker sind durch die Trinkerfärsorgestelle zum Eintritt in einen Abstinentenverein veranlaßt? Wie viele kamen durch sie in eine Trinkerheilanstalt? Gegen wie plele Trinker hat sie ein Entmündigungsverfahren veranlaßt und in wie vielen Fällen ist es zur Entmündigung gekommen? Wie viele der Trinker, die sich noch in der Fuͤrsorge befinden, sind als geheilt, gebessert und nicht geheilt zu betrachten? Wie viele der Gebeilten, Gebesserten und Nichtgeheilten waren in einer Trinkerheilanstalt?
Der Geschäftsführer der Stadtmission in Kiel J. Schröder sprach über Fürsorge für Trinkerkinder und die trunk— gefährdete Fugend überhaupt. Die große leibliche und geistige Not der Trinkerkinder erfordere weit mehr Beachtung und Abhilfe, als ihr bisher erwiesen sei. Für Kinder, die durch die Trunksucht der Eltern erblich belastet sind, könnten freilich bestehende Heil⸗, Pflege—⸗ und Bildungsanstalten (3. B. Kinderhospitale, Krankenhäuser, Krüppel— heime, Taubstummen⸗-, Blinden- und Blödenanstalten sowie Hilfs— schulen) benutzt werden, aber die Erfahrung lehre, daß trunk— süchtige Väter oder Mütter ihre Kinder eher verkommen lassen, als daß sie diese den genannten Anstalten anvertrauen. Der Gemeindewaisenrat habe in solchen Fällen die gesetzliche Pflicht, einzugreifen. Aber auch dessen Organe (Ermittler, Waisenpfleger und ꝑflegerinnen) seien oft beim besten Willen nicht in der Lage, alle Schlupfwinkel der Trinkerfamilien in der Großstadt aufzuspüren, und das Elend vieler Kinder bleibe unbekannt. Hier hätten Mäßigkeits—⸗ und Enthaltsamkeite vereine, Trinkerfürsorgestellen, Kirche und Schule sowie Privatpersonen, die ein Herz für die Not der Kinder haben, helfend einzugreifen. Bei nicht erblich belasteten Trinker— kindern sei die Gefahr, zu verwahrlosen und zu verkommen, oft ebenso groß als bei den erblich belasteten. Der Grund dafür liege darin, daß die Not dieser Kinder spät, häufig erst nach der Schulentlassung, bekannt werde. Das schlechte Beispiel des trinkenden Vaters oder der trinkenden Mutter reize zur Nachahmung. Vielfach müßten Kinder den Branntwein für die Eltern holen und in zahlreichen Fällen auch noch das Geld dafür verdienen, erbetteln oder stehlen. Der Lohn dafür bestehe in schlechter Kleidung, Unterernährung und Mißhandlungen. Es sei kein Wunder, wenn aus den Trinkerkindern später Trinker und Trinkerinnen, Dirnen, Vagabunden und Verbrecher werden. Auch zur Abhilfe dieser Not seien bereits allerlei Maß— nahmen getroffen So arbeiteten z B. mit zum Wohle der Trinker⸗ kinder der Verein ‚Jugendschutz' die „Erziehungs vereine“ und die Fürsorgeerziehungsanstalten?“. Aber es bleibe für die „ärmsten Kinder‘ noch sehr viel zu tun übrig. Neue Wege zur Linde— rung der Trinkerkindernot hätten das Zellerhaus in Berlin und die Zufluchtstätte für Trinkerkinder in Kiel beschritten. Das Zellerhaus sei vor etwa 8 Jahren von Frau Oberin Anna Zeller gegründet. In dem Hause sei Raum für 30 Kinder im schulpflichtigen und vorschulpflichtigen Alter. Die Kinder würden in den Trinker— familien durch organisierte Helferinnen bezw. Diakonissen aufgesucht, dem Zellerhaus in besonderen Fällen mit Hilfe der zuständigen Be⸗— hörden zugeführt und dort erzogen (AUnstaltserziehung). Die Erfolge scien bisher durchaus zufriedenstellend. Die Zufluchtstätte fur Trinkerkinder in Kiel bestehe seit 2 Jahren. Damen besuchten die Trinkerfamilien ehrenamtlich, meldeten die gefährdeten Kinder dem Leiter der städtischen Fürsorgestelle für Alkoholkranke, und dieser treffe in Verbindung mit dem Gemeindewalsenrat, der Armenverwaltung und dem Vormundschaftsgericht Maßnahmen, daß die Kinder der Zu— fluchtstätte zugeführt werden. In ihr würden Kinder im schul⸗ pflichtigen und vorschulpflichtigen Alter aufgenommen, gereinigt, ein— ekleidet, einige Wochen oder Mongte verpflegt und dann in geeignete Fire nen außerhalb Kiels (in Kleinstädten oder auf dem Lande) gebracht. Die Verwaltung der Zufluchtstätte behalte in der Regel die Aufsicht über die Kinder bis zu ihrer Mündigkeit. Ihr letztes Ziel sei aber nicht, die Kinder aus den Familien heraus zunehmen, sondern
Ungarn kam für Wanderarbeiter im
die Eltern durch Enthaltsamkeitsvereine für einen ordentlichen Lebens—
wandel zu gewinnen, damit Eltern und Kinder wieder zusammengebracht würden und bei einander leben könnten. In den beiden Arbeitsjahren, die die Zufluchtstätte besteht, seien 57 Kinder wieder in geordnete Verhältnisse gebracht. Die Mittel würden durch freiwillige Beiträge aufgebracht. Von den Armenver⸗ waltungen würde für die von ihnen überwiesenen Kinder Kostgeld be⸗ zahlt. Auch die Trinkerkinder auf dem Lande be⸗ dürften der Fürsorge. Lehrer, Geistliche, Diakonissen und Gemeindevorsteher selen durch alkoholgegnerische Vereine dafür zu interessieren. Wie es erblich belastete Trinkerkinder gibt, so könne man auch von einer erblichen Belastung der deutschen Jugend im allgemeinen sprechen, die durch die jahrhundertelang herrschenden Trinksitten hervorgerufen seien. Man solle die Jugend für die Enthaltsamkeit interessieren, und es sollten sich in den Ortsausschüssen für die Jugendpflege Sonderausschüsse zur Be⸗ kämpfung der Trinkersitten bilden. Die Studentenschaft sei zur Mit⸗ arbeit heranzuziehen und in der Schule die Aufkläͤrungsarbeit über die Schädlichkeit des Alkohols zu fördern; Trinkersitten ließen sich am besten bei Familien- und Volksfesten bekämpfen; auch Lichtbilder⸗ vorträge könnten gute Dienste leisten; die leitende Mitarbeit ge⸗ reifter, erfahrener Personen sei auch ein Haupterfordernis.
Ueber den Deutschen Verein und die Abstinenz— organisation in der Trinkerfürsorge sprach der Dr. Burck⸗
hardt⸗Berlin. Kunft und Wissenschaft.
Die schwedische Akademie veröffentlichte, wie. W. Stockholm meldet, die Verleihung des Nobelpreises a hart Hauptmann.
Der durch seine Forschungserpeditienen bekannt gewordene Verein für Höhlenkunde in Oesterreich' hat auf dem Pöstlingberge bei Linz eine eigenartige Anstalt eröffnet, in der die Früchte der österreichischen Höhlenforschung in Form von spstematisch geordneten Sammlungen niedergelegt wurden. Für die Fachleute enthalten, wie die ‚Umschau“ mitteilt, die wissenschaftlich angeordneten Sammlungen wertvolles Studienmaterial. Besonders reichhaltig ist die blinde Lebewelt der Höhlen vertreten, die die Tier— kreise der Amphibien, Gliedertiere und Mollusken umfaßt und sich im Laufe unzähliger Geschlechter dem Aufenthalte in der ewigen Nacht angepaßt hat. Der seltsame Grottenolm, eine blinde Lurchart aus der unterirdisch fließenden Poik in Krain, wird in einem Aquarium in einer größern Anzahl von Exemplaren lebend gehalten. Ueber das Innere der österreichischen Höhlen, ihre märchenhaften Tropfstein⸗ bildungen, ihre Wasserschlünde und eiserfüllten Dome gibt eine reich—⸗ haltige Bildergalerie Aufschlüsse, während eine umfangreiche Samm— lung von Plänen dem Besucher eine Vorstellung von der Ausdehnung dieser Unterwelten vermittelt. Aus Tropfsteingebilden, die aus der berühmten Adelsberger Grotte stammen, wurde auch eine Tropfstein— grotte errichtet, die die Wunder von Adelsberg im kleinen wiederholt. Geräte und technische Hilfsmittel für die oft ungemein schwierige und gefahrvolle Höhlenforschung vervollständigen die Sammlungen.
Ueber die Fresken Joakim Skovgaards im Dome zu Viborg sprach vorgestern abend im Verein für deutsches Kunstgewerbe der Direktor Dr. Peter Fessen. In der alten Hauptstadt Jütlands ist der ehrwürdige romanische Dom im neun— zehnten Jahrhundert wiederhergestellt und von 1901 bis 1906 durch einen Bilderkreis ausgeschmückt worden, der an Umfang und Gebast seinesgleichen unter den heutigen Monumentalmalereien sucht. Der Meister, der durch seine Anlage und seine Gesinnung für diese große Aufgabe berufen war, hat mit wenigen Gehilfen die Vorgänge des Alten Testaments und die Heilsgeschichte in fünfhundert Figuren dar— gestellt und über 1500 4m Wandfläche in der mühseligen, gediegenen Technik des echten, alten Freskos auf Kalkgrund ausgemalt. Aus gründ— lichem Studium alter Vorbilder, tiefer Naturauffassung und innigem Glauben sind Bilder entstanden, die zugleich durch ihre nordsche Schlichtheit alle Volksschichten packen und durch die reife künstlerische Form die Ansprüche zeitgemäßer Monumentalität vollendet erfüllen. Das große Werk ist ein Ruhmestitel für das Land und als Weg⸗ weiser zu großzügiger Volkskunst, nach der unsere Zeit sich sehnt, weit über Dänemarks Grenzen hinaus wertvoll. Die zahlreich besuchte Versammlung, an der der dänische Gesandte, Mitglieder der dänischen Kolonie und insbesondere zahlreiche Künstler teilnahmen, gestaltete sich zu einer Huldigung für den charaktervollen Schöpfer jenes be— deutenden Meisterwerks.
Literatur.
— Alexander von Gleichen⸗Rußwurm hat seinen beiden kulturgeschichtlichen Studien „Geselligkeit und ‚Das galante Europa“ eine weitere unter dem Titel: ‚„Elegantiae, Geschichte der vornehmen Welt im Altertum“ folgen lassen (Verlag von Julius Hoffmann in Stuttgart; geb. 10 ½, in Halbleder 11,50 4, in Pergament 12 S, Luxusausgabe 35 6). In dem Buche wird auf Grund einer sehr genauen Kenntnis der in Betracht kommenden alten Quellen ein Bild von dem Leben der Oberschicht im alten Griechenland und Rom geboten. Einleitend würdigt der Verfasser die Bedeutung der Geselligkeit im Kulturleben überhaupt — davon ausgehend, daß die große Wandelbarkeit, die Fortschritts- und Rückschrittsmöglichkeit des menschlichen Gemüts sich am naiysten, unmittelbarsten und klarsten in den Aeußerungen des geselligen Lebens offenbare. Die Richtigkeit der Superlative in diesem Urteil bleibe dahingestellt; zweifellos richtig ist es aber, daß die Formen, die das äußere Leben in der Geselligkeit annimmt, schwerwiegende Rückschlüsse auf den gesamten Kulturstand einer Epoche zulassen, und man folgt dem Verfasser auf seinen Wanderungen durch das gesellige Leben der Antike um so lieber, als er den reichen Stoff, der ihm zur Verfügung stand, trefflich geordnet und in gefälliger Form verarbeitet hat. Den Ausgang bilden die geselligen Bräuche und ihre Entwicklung im alten Griechenland von dem patriarchalischen Opfer— schmaus bis zu den Gastmäblern der Geistesaristokratte, deren höchste Blüte, dichterisch verklärt, uns Plato überliefert hat. Ein Uebergangskapitel macht den Leser mit der unter griechischen Einflüssen gestalteten geselligen Kultur in Sizilien bekannt; dann folgen ausführliche Schilderungen der Geselligkeit im alten Rom: der bodenständigen in den ersten Zeiten der Republik, der von auswärts beeinflußten im Ausgang der Republik, ihrer Weiterentwicklung und Entartung zur Zeit des Imperiums. Eine Schilderung des ge— waltigen, neben dieser Entartung auch manche Reste feinerer Kultur beseitigenden Einflusses des zur Kulturmacht anwachsenden Christen— tums auf die gesellige Lebensführung bildet den Schluß des Buches. 11. Sonderheft der Berliner Architekturwelt. Wallot und seine Schüler. Tert von Dr.-Ing. Mackowsky. Preis 10 M0, für Abonnenten 5 46. Verlag von E. Wasmuth A.-G. Berlin. Aus Wallots Tätigkeit in Frankfurt a. M. bringt das Heft zunächst einige Wohn- und Geschäftshäuser und behandelt dann ausführlich die beiden Hauptwerke des Künstlers: das Reichstagsgebäude mit dem Präsidentenwohnhaus und das Ständehaus in Dresden. Wir bewundern, wie Wallots geniale Persönlichkeit sich trotz aller Fährnisse durch setzen und beim Reichstage einen Bau von so gewaltiger Ausdrucks— kraft schaffen konnte. Aus Grundriß und Aufbau seiner Werke spricht eine großzügige Auffassung, bei der das Einzelne nicht ver⸗ nachlässigt wird. Die geschickt verteilte, kraftvolle Ornamentik unter⸗ stützt den Fluß der Massen; die Plastik hilft die charakteristischen Silhouetten interessant zu gestalten. Die Schüler hatten weniger das Glück, zur Bearbeitung nach Größe und Bedeutung so hervorragender Bauwerke herangezogen zu werden. Es sind meist kleinere Arbeiten, zum Teil nur Entwürfe, die Zeugnis ablegen, daß unter des Meisters Lehrtätigkeit ein Stamm von Künstlern erwachsen ist, die mit gleichem frischen Sinn wie er, stets mit der Zeit mitgehend, die ihnen gestellten Aufgaben zu lösen wissen. Das Heft enthält 158 Abbildungen und 6 Lichtdrucktafeln. .