1912 / 282 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Nov 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Reich.

Seine Majestät der Kaiser haben Allergnädigst geruht, zu Mitgliedern der Kaiserlichen Disziplinarkammern in Arnsberg: . . den Königlich preußischen Landgerichtsrat Cohausz

daselbst, in Bremen: den Marineintendanturrat Klett in Wilhelmshaven, in Cassel: den Königlich preußischen Militärintendanturrat daselbst, in Cöln:

den Königlich preußischen Militärintendanturrat Friedrich daselbst,

Huck

in Danzig: . den Königlich preußischen Regierungsrat Roth daselbst, in Düsseldorf: . den Königlich preußischen Landgerichtsdirektor Dr. Spring⸗ mühl und . den Königlich preußischen Militärintendanturassessor Schellong, Vorstand der Intendantur der 14. Division, beide in Düsseldorf, in Königsberg: : den Königlich preußischen Amtsgerichtsrat Georg Schmidt

daselbst, in Köslin: . den Königlich preußischen Militärintendanturrat Burchardi in Stettin, in Lübeck:

den Marineintendanturrat Riekert in Kiel, in Magdeburg: preußischen Regierungsrat

den Königlich Auffarth

daselbst, in Posen:

den Postrat Pedal in Bromberg und den Königlich preußischen Militärintendanturrat

Reich in Posen, in Stettin:

den Königlich preußischen Militärintendanturrat Lueck, vom 1. Dezeinber 1912 ab bei der Intendantur des II. Armee⸗ korps in Stettin (bis dahin kommandiert beim Königlich preußischen Kriegsministerium), in Schleswig: den Marineintendanturrat Mittelstaedt in Kiel, in Straß burg (für die Reichsbeamten in Elsaß⸗Lothringen): den Königlich preußischen Militärintendanturrat Worbs daselbst

auf die Dauer der von ihnen bekleideten Reichs- oder Staatsämter zu ernennen.

Kurt

De n nt mache

betreffend die Errichtung eines besonderen Ober— versicherungsamts für die Reichseisenbahnen.

Auf Grund der §8§8 63 bis 65 und 113 der Reichs— versicherungsordnung wird zum 1. Januar 1913 für die vom Reiche für eigene Rechnung verwalteten Eisenbahnbetriebe in Elsaß⸗Lothringen und in Preußen ein besonderes Ober⸗ versicherungsamt mit dem Sitze in Straßburg i. Els. errichtet, das mit Zustimmung der elsaß⸗lothringischen Landesregierung dem für den Bezirk Unterelsaß errichteten allgemeinen Ober⸗ versicherungsamt in Straßburg i. Els. angegliedert wird. Der Direktor, die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des allgemeinen Oberversicherungsamtes werden in gleicher Amts⸗ eigenschaft auch für das besondere Oberversicherungsamt der Reichseisenbahnen bestellt werden.

Als Beisitzer zu dem besonderen Oberversicherungsamt sind bis auf weiteres die zu dem „Schiedsgericht für Arbeiter⸗ versicherung bei den Reichseisenbahnen“ gewählten Beisitzer heranzuziehen.

Berlin, den 23. November 1912. Der Reichskanzler (Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen). J. V.: von Breitenbach.

B elgnni n n ch u n g.

Auf Grund des § 431 der Militärstrafgerichtsordnung habe ich den bei dem Königlich preußischen Landgericht 1 Berlin zugelassenen Rechtsanwalt und Notar Dr. Richard Bötzow in Berlin W. 9, Potsdamer Straße Nr. 1, zum Verteidiger beim Reichsmilitärgericht ernannt.

Charlottenburg, den 26. November 1912.

Der Präsident des Reichsmilitärgerichts. Graf von Kirchbach, General der Infanterie.

Beg nn l n g, betreffend den Fahrplan der Reichspostdampfer der Deutschen Ostafrika-Linie.

Die Fahrten der Reichspostbampfer der Deutschen Ost⸗ afrika⸗Linie (Linien A und B) werden im Jahre 1913 nach Maßgabe der in der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des n. und Staatsanzeigers“ veröffentlichten Fahrpläne statt⸗ finden.

Berlin, den 27. November 1912.

Der Staatssekretär des Reichspostamts. J. A.: Kobelt.

Belannt machung

betreffend die Aus gabe von Schuldverschreibungen der Stadtgemeinde Bad Tölz auf den Inhaber.

Mit Ministerialentschließung von heute ist genehmigt worden, daß die Stadtgemeinde Bad Tölz 4prozentige Schuld⸗ verschreibungen auf den Inhaber im Gesamtbetrage von 500 000 S, und zwar Stücke zu 2000, 1000, 500, 200 und 100 S in den Verkehr bringe.

München, den 22. November 1912. Königlich bayerisches Staatsministerium des Innern. J. V.: von Kahr.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: infolge der von der wahlberechtigten Bürgerschaft zu Itzehoe getroffenen Wahl den Kaufmann, Hauptmann a. D. Wilhelm Werner daselbst als unbesoldeten Beigeordneten der Stadt Itzehoe für die gesetzliche Amtsdauer von sechs Jahren zu bestätigen.

Bekanntmachung.

Auf Grund des 5 111 der Reichsversicherungs⸗ ordnung bestimmen wir in Ergänzung des Erlasses vom 7. Dezember 1911 (5 ⸗M. Bl. S. 47):

1 Allgemeine Ortskrankenkassen und Landkrankenkassen werden in Landkreisen durch Beschluß des Kreistages, in Ge⸗ meinden, bei denen der Bezirk der zu errichtenden Kasse nicht über den Gemeindebezirk hinausgehen soll, durch Gemeinde⸗ beschluß, und zwar in Städten durch übereinstimmenden Be— schluß der beiden städtischen Körperschaften, in Städten ohne Magistratsverfassung durch Beschluß der Stadtoerordneten— versammlung, in Landgemeinden durch Beschluß der Gemeinde⸗ versammlung oder der Gemeindevertretung errichtet (8 231 R.⸗V.⸗ O..

2) Den Vorsitzenden, die anderen Mitglieder des Vor⸗ standes und die Mitglieder des Ausschusses der Landkranken— kassen wählt in Landkreisen der Kreistag, in Städten die Stadt— verordnetenversammlung, in Landgemeinden die Gemeindever— sammlung oder die Gemeindevertretung (38 331, 336 a. a. O.)

Berlin, den 4. November 1912. .

Der Minister Der Minister für Landwirtschaft, für Handel und Gewerbe. Domänen und Forsten. Dr. Sydow. 3 : Küßer.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts— angelegenheiten.

Der etatsmäßige Professor an der Technischen Hochschule in Aachen Dr.-Ing. Reißner ist zum 1. April 1913 in gleicher Eigenschaft an die Technische Hochschule in Berlin versetzt worden.

Finanzministerium.

Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 31. Oktober 1912 8 877 der Protokolle beschlossen:

Im §z 6 Abs. 6 Satz 1 der Ausführungsbestimmungen zum Wechselstempelgesetze („Zentralblatt für das Deutsche Reich“ 1909 S. 402) werden zwischen den Worten Stelle“ und niedergeschrieben die Worte „mit Tinte“ eingeschaltet.

Die Königliche Oberzolldirektion wolle die in Betracht kommenden Stellen entsprechend anweisen, auch die Handels⸗ kammern (Aeltesten der Kaufmannschaft usw.) des Bezirks be⸗ nachrichtigen.

Berlin, den 16. November 1912.

Der Finanzminister. J. A.: Hummel.

An sämtliche Oberzolldirektionen.

Zu Steuerinspektoren sind ernannt: . die Katasterkontrolleure Ander son in Warburg, Betz in Lauban, Bigalke in Neider burg, Buck in Delitzsch, Klamka in Hoya, Koch in Erkelenz, Kön ig in Ortelsburg, Kuhnt in Nikolai, Lange in Braunsberg, Noeske in Kammin,

Nonne in Winsen a. L., Polit in Kreuzburg und Retzlaff in Grottkau.

NAichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 27. November 1912.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen gestern im hiesigen Königlichen Schlosse den neuernannten Generalsuperintendenten von Ostpreußen Schöttler sowie vom Kuratorium des Kaiserin Auguste Victoria-⸗Hauses zu Char— lottenburg die Frau Konsul Staudt, den Kammerherrn von Behr-Pinnow und den Professor Dr. Langstein.

Der Ausschuß des Bundesrats für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll! und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen hielten heute Sitzungen.

Während der weiteren Abwesenheit des Königlich belgischen Gesandten führt der Legationsrat Peltzer die Geschäfte der Gesandtschaft.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern die zweite Lesung der Regierungsvorlage, betreffend die Ein—⸗ führung der Klassenlotterie, begonnen. Nachdem die Verhandlungen hierüber abgebrochen waren, erhoh am Schlusse der Sitzung der Abg. Seitz gegen die Konfiskation der Nummer der „Arbeiterzeitung“, in der das Friedensmanifest des internationalen Sozialistenkongresses in Basel veröffentlicht ist, und dagegen Einspruch, daß der Präsident die diesbezügliche Interpellation der Sozialdemokraten nicht hat verlesen lassen.

Wie W. T. B.“ berichtet, wurden die Ausfuhrungen von Seitz von den Abgeordneten der Linken mit lebhaften Schlußrufen und Lärm unterbrochen. Der Präsigent erwiderte, er sei mit ⸗sicht auf die schwere Lage, in der der Staat sich befinde, der Ansicht, daß die Interpellation in geheimer Sitzung zu verlesen sei. Der Abg. Stölzl (Deutscher Nationalverband) trat unter lebhaftem Beifall der Linken den Ausführungen von Seitz entgegen und erklärte, die ganze Bevölkerung Oesterrcichs wolle den Frieden, aber den Frieden in Ehren. Stölzl hob den patriotischen Sinn der Bevölkerung bervor, die bereit sei, mit aller Kraft für die Ehre und für die Integrität des Reichs einzutreten. Von dem gleichen Gefüble sei ö. . Parlament erfüllt. (Stürmischer, langanhaltender Beifall ink?.

Der Präsident ordnete hierauf eine 9 Sitzung an, in der die Abgeordneten sich der Ansicht des Präsidenten an— schlossen, daß die Interpellation der Sozialdemokraten nicht in öffeBoiMischer Sitzung zu verlesen sei.

Die christlich⸗soziale Vereinigung des Abgeordneten— hauses hat eine Resolution gefaßt, in der sie das Vorgehen der Sozialdemokraten in der Sitzung des Abgeordnetenhauses auf das schärfste verurteilt und die ö ausspricht, daß die parlamentarische Vertretung des Reichs dem tiefen Ernste der Lage in jeder Hinsicht Rechnung trage und alles unterlasse, was die Feinde des Staats ermutigen könnte.

Frankreich.

Die Deputiertenkammer hat gestern bei der Be⸗ ratung des Budgets des Ministeriums des Innern, entgegen den Ausführungen des Berichterstatters und des Ministers, laut Meldung des „W. T. B.“ mit 269 gegen 266 Stimmen einen Zusatzantrag angenommen, durch den die Unterpräfekturen beseitigt werden.

Ruszland.

Der Kaiser hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Zarskoje Selo den österreichisch-ungarischen Botschafter in Audienz empfangen.

Das Gefängnisressort wird in der Reichsduma eine Gesetzvorlage zur Reorganisation der Zuchthäuser ein— bringen. Zwangsarbeit soll künftig nicht nur in den Zwangs— arbeitshäusern in Sibirien stattfinden, sondern auch im euro⸗ päischen Rußland; zugleich soll die Zwangsansiedlung abge⸗ schafft werden.

Italien.

Die Deputiertenkammer hat gestern ihre Arbeiten wieder aufgenommen. Der Ministerpräsident Giolitti brachte das Gesetz, betreffend die Ratifizierung des Vertrags von Lausanne, ein und verlas den bisher geheim gehaltenen modus procedendi, der am 15. Oktober in Lausanne unterzeichnet worden ist. Dieser modus procedendi beginnt laut Meldung des „W. T. B.“ mit der Wendung:

„Der König von Italien und der Kaiser der Ottomanen, geleitet von dem gleichen Wunsche, den Kriegszustand zwischen den beiden Ländern aufhören zu lassen, und angesichts der Schwierigkeit, zu diesem Ziele zu gelangen, wegen der Unmöglichkeit für Italien, das Gesetz vom 25. Februar 1912, durch das die Souveränität über Tripolitanien und die Cyrenaika ausgesprochen wird, aufzuheben, und der Unmöglichkeit für das ottomanische Reich, formell diese Sou— veränität anzuerkennen Es folgen die Artikel über den Erlaß eines großherrlichen Firmans an die Bewohner Libyens, eines Dekrets des Königs von Italien und eines großherrlichen Firmans an die Bewohner der Inseln im Aegäischen Meer, deren Wortlaut in einer Anlage beigefügt ist. Eine weitere Anlage enthält den Vertrag von Lausanne, so wie er abgeschlossen und veröffentlicht worden ist, mit der Verpflichtung der Bevollmächtigten, ihn nach dem Erlaß der drei obengenannten Akte zu unterzeichnen. Ferner ist in dem modus procedendi vorgesehen, daß die von beiden Regierungen gemachten Aufwendungen für die Unterhaltung der Kriegsgefangenen und Geiseln als gegenseitig ausgeglichen angesehen werden sollen.

Nach beendeter Verlesung entbot der Ministerpräsident Giolitti den tapferen Angehörigen des Heeres und der Marine, die für das Vaterland gefallen, und den Diplomaten, die in— mitten der großen Schwierigkeiten dieses Jahres das hohe An— sehen Italiens aufrecht erhalten hätten, seine herzliche An⸗ erkennung. (Begeisterter, langanhaltender Beifall) Er bat sodann den Präsidenten der Kammer, eine Kommission zur Prüfung des Vertrags von Lausanne zu ernennen. Der Kammerpräsident Marcora hob die große Bedeutung der Kundgebung hervor, mit der die Kammer die Worte des Ministerpräsidenten entgegengenommen habe. Er habe den edlen Worten Giolittis nichts hinzuzufügen.

Der Begleitbericht zu dem der Kammer vorgelegten Gesetzentwurf führt obiger Quelle zufolge aus:

Das Gesetz über die Souveränttät Italiens über Libyen habe

von Anfang an das Ziel, das erreicht werden sollte, festgelegt und damit die nationale Ehre engagiert. Das italienische Volk habe im Verlaufs des Krieges eine so bewundernswerte Einmütigkeit und Kraft seiner Gesinnung gezeigt, daß der Volkecharakter dadurch eine wesentliche Kräftigung erfahren habe. Armee und Marine hätten sich den allergrößten Anspruch auf die Dank— barkeit des Landes und die Wettschätzung des Auslandes erworben. Die Regierung habe direkte Frieden verhand— lungen angenommen, sobald sie einsah, daß dadurch das Ziel des Krieges erreicht werden konnte. Diese Verhandlungen drohten einen Augenblick durch den Beginn der Feindseligkeiten auf dem Balkan in Gefahr zu geraten, konnten aber dank der . . Haltung Italiens zu einem glücklichen Ende geführt werden, wodurch Italien wieder volle Freiheit erhielt, seine Interessen auf dem Balkan zu schützen. Der bis zur Vorlage des Vertrages im Parlament nach Vereinbarung geheim gehaltene modus procedendi zeige deutlich, daß Italiens volle Souveränität über Libyen, die im übrigen die Mächte freundschaftlich und schnell anerkannten, aufrecht erhalten worden sei. Von den ottomanischen Forderungen habe Italien nur diejenigen angenommen, die die Befriedung der neuen Kolonie und die Erfüllung der von Italien den Eingeborenen und Europa gegenüber freiwillig einge⸗ gangenen Verpflichtungen zu erleichtern geeignet waren. Der Bericht fordert schließlich einen Kredit von 50 Millionen Lire für das Ministerium der Kolonien zu öffentlichen Arbeiten und für die Verwaltung Libyens und spricht die Hoffnung aus, daß es gelingen möge, den Wohlstand des Landes, den die Stammwväter des neuen Italiens dort geschaffen, eine schlechte Regierung aber vernichtet hätte, wieder aufleben zu lassen.

Auch im Senat verlas der Ministerpräsident Giolitti den modus procedendi zum Vertrag von Lausanne und gab ähnliche Erklärungen wie in der Kammer ab. Dem Minister wurden vom Senate die lebhaftesten Huldigungen dargebracht. Der neu ernannte Senator General Caneva legte darauf, von der Jersatnmlung herzlich begrüßt, den Senatoreneid ab.

Spanien.

Die Deputiertenkammer hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern einstimmig den Gesetzentwurf angenommen, durch den der Witwe und den Kindern Canalejas' der 8 titel verliehen wird. Auch der Führer der Sozialisten Pablo Iglesias stimmte für die Vorlage.

Belgien.

Die Gräfin von Flandern ist, wie die Aerzte laut Meldung des „W. T. B. festgestellt haben, an Gehirnschlag gestorben. Für den belgischen Hof ist sechsmonatige Trauer ie g worden. Die Beisetzung ist auf Sonnabendvormittag estgesetzt.

Türkei.

Nach dem Blatt „Mir“ ist in der ersten Versammlung der Bevollmächtigten der beiden kriegführenden Parteien vereinbart worden, dem türkischen und dem bul⸗ garischen Generalstabe die Feststellung der Grenzlinie wischen den beiden Armeen zu überlassen. Die zweite Zu—⸗ ammenkunft soll heute stattfinden. Wie das Wiener K. K. Telegraphen⸗Korrespondenzbureau mitteilt, erklärten die türkischen Bevollmächtigten in der lr gen Sitzung, sie wollten nicht einmal von der Uebergabe Adrianopels sprechen hören.

Die Pforte hat an ihre Vertreter im Auslande ein Rund⸗ schreiben gerichtet, in dem sie auf die von den Truppen des Falkanbundes in den besetzten Landesteilen verübten Greueltaten hinweist und die fremden Konsuln zu Zeugen dafür anruft.

Die Insel Chios ist von den Griechen besetzt worden. Eine in Athen eingetroffene, vom 25. d. M. datierte Depesche des Obersten Delagrammatica besagt laut Meldung des W. T. B.“: .

Die Insel Chios ist seit gestern abend besetzt. Nachdem am selben Tage in Contari Truppen gelandet waren, trat ich den Marsch ur Stadt an, die ich ohne Schwertstreich besetzte, da sich die türkische Garnison ebenso wie die übrigen türkischen Truppen, die von dem Lndungskorps gleich nach der Landung zerstreut worden waren, in die Berge an,, hatten. Die tüͤrkischen Truppen in Stärke von 1860 Mann wurden von den Griechen ins Innere der Insel jurückgeworfen. Sie verloren mehrere Tote und Verwundete sowie 5 Gefangene. Durch eine Proklamation habe ich der Bevölkerung die Besitzergreifung der Insel im Namen des Königs der Hellenen mitgeteilt.

Der ökumenische Patriarch ist gestern in Kon⸗ stantinopel gestorben.

Rumänien.

Bei den Wahlen zur Kammer wurden im dritten Wahlkörper laut Meldung des „W. T. B.“ 16 Konservative, 2 Demokratische Konservative und 3 Liberale gewählt. Außer⸗ dem ist eine Stiwahl erforderlich.

Serbien.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ ist der österreichisch⸗ ungarische Konsul Prochaska gestern in Uesküb eingetroffen und hatte mit dem österreichisch⸗-ungarischen Konsul Edl eine Unterredung.

Seit vorgestern dürfen die fremden Konsuln in den be— setzten Gebieten mit ihren Regierungen durch Chiffredepeschen und versiegelte Briefe korrespondieren.

Amerika.

Eine Statistik der Abstimmung bei der Präsi⸗ dentenwahl ergibt nach einer Meldung des „W. T. B.“ folgende Zahlen: Für Wilson 6 157 000 Stimmen, für Roose— velt 3928 000, für Taft 3 376 000, für Debs 674000 und für Chapin 161 000 Stimmen.

Asien.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen— agentur“ hat der chinesische Minister des Aeußern Luchenghsiang dem russischen Gesandten die Versicherung gegeben, daß die auf dem Marsche nach Kobdo befindlichen chinesischen Truppen Befehl erhalten hätten, nicht weiter vorzurücken.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs— tags und des Preußischen Herrenhauses befinden sich in der Zweiten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (71.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück, der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke, der Staats⸗ ekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco und der Staats⸗ sekretär des Re e, Kühn beiwohnten, stand zunächst die Wahl des Präsidenten.

Die Wahl erfolgte unter Namensaufruf und Abgabe der Stimmzettel. Es wurden abgegeben 371 Stimmzettel, davon waren 117 unbeschrieben und ungültig. Es entfielen auf den Abg. Dr. Kaempf 190, auf den Abg. Dietrich (kons.) 60 Stimmen, zersplittert waren 4. Dr. Kaempf ist somit gewählt.

Präsident Dr. Kaempf: Ich nehme die Wahl mit Dank mn. Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht, um die Geschäfte des Hauses zu fördern. Hierfür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Es folgten die Interpellationen der Nationalliberalen und Sozialdemokraten, betreffend die auswärtige Politik.

Schluß des Blattes.)

Auf der Tagesordnung für die heutige (18.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Minister des Innern r, von Dallwitz und der Finanzminister Dr. Lentze bei⸗ wohnten, stand zunächst der Bericht der Finanzkommission über den in abgeänderter Fassung vom Abgeordnetenhause an das Dderrenhaus zurückgelangten Gesetzentwurf über die An⸗ egung von Sparkassenbeständen in Inhaberpapieren.

Berichterstatter Dr. Graf Jorck von Wartenburg befür— dertet die unveränderte Annahme des Gesetzes in der Fassung des. ö bgeordnetenhaufes und bemerkt: In der Kommission wurden ja manche Vedenken über die Fassung des Gesetzes wie es vom Abgeordnetenhaus zu ans gekommen ist, geäußert. Aber wir können uns über diese hinweg—

ten, weil wir der Ansicht sind, daß das Gesetz im großen

ud ganzen auch in seiner jetzigen Fassung die Liquidität der Spar— lasen ermöglicht und zur Pebung des Kurses der Staatspapfere 'trägt. Das Abgeordnetenhaus hat dann aber insofern eine Er— weiterung beschlossen, als es gestattet, die Ueberschüsse nicht nur ö gemeinnützigen, sondern zu öffentlichen, dem gemeinen Heben dienenden Zwecken des Garantieverbandes zu verwenden. Ties könnte gelegentlich einmal zu allerlel Mißverständnissen Anlaß deben Trotzdem bitte ich, die Vorlage in der Fassung des Abge— nttenhanses hier anzunehmen. Zum Schluß empfiehlt der Bericht t= Fiatter, eine vom Grafen zu Rantzau eingegangene Petition für er⸗ digt zu erklären.

Schluß des Blattes.)

Vorgestern abend ist, wie „W. T. B.“ meldet, in Ham⸗ burg der Reichstagsabgeordnete Carl Foerster (Soz.), der . , Reuß ä. L. vertrat, im 60. Lebensjahr gestorben.

Etatiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung. In Men den im Kreise Iserlohn wurde, wie die Frkf. th. Be

erfährt, weiteren 1300 Metallarbeitern gekündigt, die am 7. zember entlassen werden. Die Zahl der Ausgesperrten steigt damit auf 2500. (Vgl. Nr. 269 d. BI.)

Aus Halle wird der Köln. Ita. gemeldet, daß der Ausstand in den Papierwarenfahriken in Aschersleben und den Nachbar- orten, der schon acht Wochen gewährt hat und an dem sich anfangs 1000 Arbeiter und Arbeiterinnen beteiligt haben, von der Ausstands⸗ leitung als aussichtslos aufgehoben worden ist.

Aus Greiz wird dem W. T. B.“ gemeldet, daß beute früh die Aus sperrung von ungefähr 10000 Färbereiarbeitern des Verbandes der Sächsisch⸗-Thüringischen Färbereien in Kraft trat. (Vgl. Nr. 279 d. BÜ.) In allen von der Aussperrung betroffenen Ortschaften fanden am Vormittag Arbeiterversamm⸗ lungen statt, in denen bekanntgegeben wurde, daß der Zentral⸗ ausschuß des Deutschen Textilarbeiterverbandes beschlossen habe, den Kampf in vollem Umfange aufzunehmen.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

Jagd.

Freitag, den 29. d. M. findet Königliche Parforcejagd statt. Stelldichein: Mittags 12 Uhr 45 Minuten an der Platz⸗ grenze auf dem Wege Groß Glienicke⸗Döberitz.

Wohlfahrtspflege.

Familien gärten und andere Kleingartenbestrebungen.

Sehr zur rechten Zeit, angesichts der Beschäftigung weiter Kreise mit Fragen des Kleinsiedlungswesens und seiner . zu der Frage der Schaffung ausgiebiger Freiflächen in der Ümgebung der Städte, übergibt die Zentralstelle für Volkswohlfahrt einen umfangreichen Band?) der Oeffentlichkeit, in dem ein wichtiges Teilgebiet dieser Frage, die Förderung der Familiengarten⸗ und sonstigen Kleingartenbestrebungen, einer sach⸗ verständigen Erörterung unterzogen ist. In der über 300 Seiten starken, von Professor Dr. Kaup im Verein mit Dr. J. Altenrath und Dr. O. Michalke verfaßten Denkschrift wird, ausgehend von einer Schilderung der neueren Entwicklung des Wohnwesens in seinen Be— ziehungen zur Frage der Freiflächen, eine Schilderung alles dessen versucht, was bisher gescheben ist, um der Bevölkerung den in den Städten fast schon zum Schwinden gebrachten Hausgarten in Berlin z. B. sind nur noch 1,3 0 der Wohnungen mit einem Hausgarten verbunden, der vielfach nur noch aus einem durch Zaun oder Draht abgegrenzten Stücke des Hofes besteht, in dem höchstens Epheu oder andere Schattenpflanzen ein kümmerliches Dasein fristen zu er— setzen. Ergänzt wird diese Denkschrift durch Abhandlungen von Dr. Werner Hegemann, Geheimem Regierungsrat Bielefeldt und Fräulein Marie Schaper, die in ihren Ausführungen die ver— schiedenen Seiten des Problems aufrollen und die Forderungen für die Zukunft aufstellen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dle Frage der Freiflächen und inshesondere die Gartenfrage in gesund⸗ heitlicher sowohl wie in sittlicher und erzieherischer Hinsicht zu den bedeutsamsten der modernen Städteentwicklung gehören, und daß es das allgemeine Interesse erfordert, daß überall da, wo der Mietkasernentyp vorherrscht und der Einfamilienhaus bau mit Hausgärten zum Schwinden gebracht wurde, eine öffentliche Fürsorge für Familiengärten in leicht erreichbarer Nähe der Wohnungen Platz greift. Die Wege für ein solches Vorgehen gewiesen zu haben, ist ein Verdienst dieser neuen Veröffentlichung der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, deren Studium allen beteiligten Kreisen empfohlen werden kann.

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der außerordentlichen Sitzung der Gesellschaft für Anthropologie am letzten Sonnabend hielt zunächst unter Vor⸗ führung zahlreicher Lichtbilder Dr. Max Ebert einen Vortrag über Ausgrabungen in Südrußland' . Die westliche und nördliche Küste des Schwarzen Meeres bis zur Taurischen Halbinsel tritt erst etwa vom 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung ab in das Licht der Geschichte. Schon Herodot weiß von dem fruchtbaren, aber flachen QOinterlande der Küste des Pontus Euxinus (des „gaftlichen“ Meeres, nachdem es vorher das ungastliche hieß), zu berichten, wie es nördlich der Mündungen des Bniestr und Dniepr heute „südrussische Steppe“ genannt den Griechen bekannt ge⸗ worden war. Zur Zeit Alexanders des Großen wird eine Stadt Albig genannt, die am untersten Lauf des Dnlepr lag. Das heutige Odessa, die viertgrößte Stadt Rußlands, an der Dniestr⸗ Mündung, weist keine geschichtlichen Erinnerungen auf, da sie erst 1794 auf Befehl der Kaiserin Katharina 11. an der Stelle einer türkischen Festung angelegt worden ist, heute aber ist sie zugleich Ein— und Ausfalltor für ganz Südrußland, und von hier aus unternahm auch der Vortragende seine Forschungsreise, die ihn zuerst nach Aeëkania nova, dem ausgedehnten Besitz des großen Viehzüchters Falz Fein, bekannt durch seine Anlage eines zoologischen Gartens von ungeheuerer Ausdehnung, richtiger eines ‚Tierparadieses“, führte und von da nach dem Gute Maritzyn bei. Otschakow am Bug. Der Name südrussische Steppe“ verleitet die Hörer gar zu leicht zu falschen Vorstellungen. Man denkt dabei unwlllkürlich an Wüstenähnlichkeit, während ein Land nach tausenden von Quadratkilometern messend, flach wie ein Brett, aber von höchster Fruchtbarkeit sich dem Blick darbietet, das an eine Steppe im gewöhnlichen Verstande des Wortes höchstens nur da erinnert, wo der zu einem sehr großen Teil als Weideland benutzte Boden noch dieser Benutzung oder des An⸗ baues harrt. Das gehört leider nicht zu den Ausnahmen; denn das Land ist dünn bevölkert, die Dörfer spärlich verteilt und dürftig, einer Zukunft harrend, die nicht ausbleiben kann. Der Besitzer des Gutes Maritzön war ein Freund des Vortragenden. Im Begriff, die Scholle zu verlassen, auf der er lange tätig gewesen, hatte dieser Herr den Wunsch, vorher noch die Geschichte seines Bodens und den merkwürdigen Kulturniederschlag einer fernen Vergangenheit zu ergründen, der sich in Gestalt zahlreicher kleiner Grabhügel, „Kurgan“ genannt, namentlich in der Nähe des Dorfes Petruchofska, vorfanden. Dr. Ebert hat dem Freunde und der Wissenschaft den Gefallen getan, etwa 40 dieser Kurgens geöffnet und sie als Gräher von etwa 2m Tiefe ermittelt, deren ein oder zu⸗— weilen mehrere Skelette, stets in Hockerstellung, enthaltende Grab— kammer aus roh behauenen Kalksteinplatten ohne gleichzeitige An—

) Familiengärten und andere Kleingartenbestre—⸗ bungen in ihrer Bedeutung für Stadt und Land. Vor— bericht und Verhandlungen der VI. Konferenz der Zentralstelle für a m., Danzig, 18. Juni 1912. Berlin, Karl Hevmanns

erlag.

wendung von Holz hergestellt war. Die Knochen waren seltsamer⸗ weise in jedem Fall rot gefärbt, was sich bei näberer Unter⸗ suchung daraus erklärt, daß die Leichen mit einer dicken Schicht roten Lehms bedeckt waren, dessen Farbstoff sich den Knochen mitgeteilt hatte. Für den Forscher bot natürlich die Frage des Alters dieser Gräber das Hauptinteresse. Sie wurde annähernd durch zahl⸗ reiche Grabbeilagen beantwortet, neben Steingeräten namentlich durch Tongefäße von einer Herstellungsart, die große Aebnlichkeit mit der Schnurkeramik des östlichen Deutschlands zeigt. Man würde hieraus das Alter der Gräber etwa auf die jüngste Steinzeit bestimmen können; allein sie sind jüngeren Ursprungs, weil sich zwar feine Bronzen, aber Kupferschwertklingen vorfanden, was frühestens auf die nicht sehr ausgedehnte Uebergangszeit von der Kupfer⸗ zur Bronze⸗ benutzung hinweist. Immerhin waren diese Grabfunde der Nekropole von Petruchofska in ihrer Einfachheit und Schlichtheit stark abweichend von Funden solcher Art, welche Dr. Ebert aus dem Gebiet des Kuban, der sich ins Asowsche Meer ergießt, kennen lernte, und auch nicht gering versch eden von Grabfunden, die er später selbst in Kurgane bei Adshigal und bei Gorodok Nikolajewka am Kasak, einem rechten Nebenfluß des Dniepr, machte, wo 15 Gräber geöffnet wurden. Die Kubanfunde gehören offenbar einer viel jüngeren Zeit, der persisch⸗griechischen Mischkultur an, wie u. a. das Vorkommen von Kupfer, Bronze und Silber unter den Grabbeigaben beweist, während die eigenen Funde Dr. Eberts an den genannten Stellen in ihrer großen, in Lichtbildern vorgeführten Vielseitigkeit (Amphoren, Schalen, Schöpflöffel, Schilde, Lanzenspitzen, hunderte bronzener Pfeilspißen, Skythenschwerter usw.) auf das fuͤnfte bis erste vorchristliche Jahrhundert zu schließen erlauben. Dem letzteren gehört ohne Zweifel eine Amphore mit Inschrift an. Höchst merkwürdig war u a. der Fund des Skeletts eines bis an die Zähne bewaffneten Kriegers. Wichtige Fingerzeige gewähren vor allem die in den späteren Gräbern in beträchtlicher Anzahl vorgefundenen Gewand— nadeln verschiedenartigster HerstellungsZsweisen, deren sorgfältiges Studium sie immer mehr zu selten versagenden Mitteln der Zeit— bestimmung macht eine sehr wertvolle Hilfe der chronologischen Forschung. .

In dem sich anschließenden Meinungsaustausch wurde hervor— gehoben, daß die Eberischen Funde den Beweis einer germanischen Einwanderung im südlichen Rußland im letzten Halbjahrtausend vor unserer Zeitrechnung, etwa im dritten Jahrhundert, zu erbringen scheinen, was einer vor längerer Zeit schon von Carl Ramm aufge— stellten Vermutung entspreche. Von anderer Seite wurde der Auf— findung von Gewandnadeln mit umgeschlagenem Fuß in den russischen Gräbern Wert beigelegt, weil sie deutlich auf die La Tene-Zeit weise. Die gleiche Art von Fibeln befand sich in einer aus dieser Zeit stammenden Mäanderurne, die im Märkischen Museum aufbewahrt ist. Im übrigen ist es nachweisbar, daß die Griechen lange vor der Zeit, welche den Römern die erste Berührung mit Germanen, nämlich den Cimbern und Teutonen, brachte, etwa um 280 v. Chr., Streit mit Germanen zu bestehen hatten.

Vor dem zweiten Vortrag des Abends, ‚Anthropologische Untersuchungen und Grabungen in einer Höhle der jüngeren Steinzeit auf Leufas‘ von Dr. Guflav Velde, erbat und erhielt der als Gast anwesende Professor Dörpfeld das Wort zur Einleitung dieses Vortrags seines Assistenten. Er erinnerte daran, wie das homerische Ithaka, nach Ansicht des Redners das heutige Leukas, seit lange das Interesse der gebildeten Welt errege, die es nach der Bestätigung, die andere homerische Schilderungen von Landschafien und Oertlichkeiken gefunden haben, zu wissen verlange, inwieweit die Angaben der Odbyssee durch das heutige Leukas, die nördlichste der in Betracht kommenden Inseln an der Westküste Griechenlandz, Be⸗ stätigung finden. Selt einigen Jahren ist Professor Dörpfeld mit Nachforschungen auf dieser Insel beschäftigt, deren landschaftliche Reize er in zahlreichen prächtigen Lichtbildern vorführte. Seine Be— mühungen haben seiner Ansicht nach Anhalte dafür erbracht, daß die Schilderungen Homers auch hier Vertrauen verdienen. Die kleine waldige Bucht in der Südwestecke der Insel, wo nach Dörpfeld der heimkehrende Odysseus landete und als ersten Landsmann den Schweine— hirten Eumaios vorfand, entspreche genau der Schilderung, und merk— würdig, sie heißt heute im Volksmund die „Bucht des Schweine⸗ hirten', wobei es ausgeschlossen scheine, daß sie je im Zusammenhang mit der homerischen Erwähnung ihrer diesen Namen erhalten habe. Die wichtigste Ermittlung im Sinne einer Bestätigung homerischer Angaben sei aber mit Auffindung der Hauptstadt Ithaka im Innern der Insel geglückt, die man in umfangreichen Resten genau an der Stelle gefunden habe, wo sie nach Homer zu vermuten war. Hier hat Professor Dörpfeld persönlich die Ausgrabungen geleitet, die nächst Fundamenten von Häusern zweierlet Arten von Gräbern in beträchtlicher Zahl mit viel Skelettresten ans Licht ge— bracht haben; beide Arten sind als Rundgräber mit Steinen ausgelegt und unterscheiden sich voneinander nur durch größere Tiefe (bis 2 m) und größere Sorgfalt der Anlage usw., als ob die besser angelegten den Vornehmeren und Fürsten angehört hätten. Es gibt Einzelgräber von Männern und Frauen, doch auch Gräber, die 2 und mehr Leichen, auch Kinder, beherbergten. Seltsam ist die Vermischung der Skelettreste mit Scheiterbaufen⸗(Holzkohlen⸗) resten, worin eine Be⸗ stätigung der bekannten Tatsache zu liegen scheint, daß die Griechen es als Schande ansahen, Leichen ohne Anwendung von Feuer der Erde zu übergeben. Es fand somit keine vollständige Verbrennung statt. Die in den Gräbern gemachten Funde sind von großer Mannigfaltigkeit und teilweise recht kostbar, z. B eine große goldene Halskette, 3 (nicht 2) überein— stimmende goldene Ohrringe ein Bronzeschwert mit goldenem Knauf, Dolche, Pfeilspitzen mit Widerhaken, vor allem schöne einfarbige Gefäße verschiedenster Art und Verzierung aus Ton. Da alles Metall, zu Geräten und Waffen verwandt, Bronze ist, wird die Datierung der Gräber mit 2000 1200 v. Chr. ungefähr das Richtige treffen. Verglichen mit den entsprechenden Funden von Mykene, sind die Funde von Ithaka erheblich schlichter. In Mykene hatte die reiche orientalische Kultur ihren Einzug gehalten. An den schlichteren Gräbern von Ithaka steht man vor Gräbern der Achäer, der ältesten Griechen.

Nächst den von Professor Dörpfeld persönlich geleiteten Aus— grabungen in der Hauptstadt der Insel ist die Erforschung einer an der Suͤdseite der Insel im Gebirge, in der Nähe einer Quelle, nabe dem Dorfe Evytros oder Choirospilea gelegenen Höhle Gegenstand eingehendsten Studiums gewesen. Hieruͤber berichtete, gleichfalls unter Vorführung von vielen Lichtbildern, Dr. Gustav Velde. Die 10 m tiefe und ebenso breite, 100 m vom Meer entfernte, hoch am Bergabhang gelegene Höhle ist 1966 zum ersten Male einer eingehenden Untersuchung unterzogen worden. Man hat damals im hintersten Teil der Höhle 6 m tief gegraben, ohne auf gewachsenen Boden zu stoßen; auch die im laufenden Jahre ausgeführten, noch nicht beendeten Aus— grabungen haben den Felsgrund noch nicht erreicht. Es geht hieraus hervor, in welchem Grade diese, nach allen Ermittlungen nur zur Steinzeit bewohnt gewesene Höhle mit Erinnerungen an ihre Be— wohner, die wahrscheinlich mehrere Generationen darstellten, erfüllt ist. Die Vorführung dieser mannigfaltigen Reste beanspruchte viel Zeit, war aber von hohem Interesse. Sie zeigten eine reichbaltige Samm« lung von Stein- und Knochengeräten, schönen glatten Steinbeilen und Hämmern, Feuersteingeräten, insonderheit solchen Messern, Pfeil⸗ und Speerspitzen aus Stein, durchbohrten Muscheln, Spinnwirteln und Webgewichten, vor allem aber eine außerordentliche Menge tönerner Scherben, die sorgfältig nach den Schichten, in denen sie sich befunden, geordnet, eine Musterkarte des Fortschritts in der Keramik von den frühesten Tagen, in denen die Höhle bewohnt war, bis zur letzten Zeit ibres Bewohntseins vor Äugen führen. Die jüngsten zeigten Behandlung mit Farben. Das Inkeressanteste unter den Höblenfunden waren aber die Menschenschädel, deren sich eine kleine Anzahl vorfand, durch die bei allen übereinstimmende un— gewöhnliche Breite der Nasenwurzel und die ebenso ungewöhnliche Dicke der Schädelknochen von 5 bis 8mm. Die Skelettfunde könnten gegen die Beweohntheit der Höhle sprechen; doch findet sich Aehnliches bei manchen Naturvölkern, und vielleicht waren es nur die Familienhäupter, deren mit Scheiterhaufenresten vermengte Gebeine man in der Höhle