Redner der frelkonservativen Fraktlon hat soeben bei einzelnen Stellen sein mangelndes Einverständnis mit dem Etat zum Ausdruck gebracht. Dabei sind auch manche Fragen zur Sprache ge⸗ kommen, welche uns nach meiner Ansicht bei der zweiten Lesung des Etats hier wieder beschäftigen werden, und welche unbedingt einer vorherigen Klärung in der Kommission bedürfen. Diese Fragen werde ich daher nur so welt berühren, als es unumgänglich notwendig ist, und behalte mir vor, bei der zwelten Lesung darauf ausführlicher zurückzukommen. Ich muß zunächst mit dem Herrn Abg. Dr. Friedberg beginnen.
Dieser hat den Nachtragsetat einer ziemlich scharfen Kritik unterzogen, und zwar nach zwei Richtungen hin: einmal nach der Richtung, daß es überhaupt notwendig geworden ist, einen solchen Nachtragsetat vorzulegen, und zweitens nach der Richtung, wie die erforderlichen Aufwendungen gedeckt werden sollen. Ueber die erste Frage wird sich der Herr Eisenbahnminister auszulassen haben; die zweite Frage geht mich besonders an.
Herr Abg. Dr. Friedberg hat es ganz besonders unangenehm empfunden, daß der Nachtragsetat zum allergrößten Teil aus dem Ausgleichsfonds gedeckt werden soll, er hat gemeint, der Ausgleichsfonds wäre an sich dazu in keiner Weise bestimmt gewesen. Er hat zwar zugegeben, daß der von mir in meiner vorigen Rede zitierte Etatsbermerk, welcher darauf abzielt, daß die Bestimmungen des Gesetzes über den Aus— gleichsfonds anzuwenden sind, die Regierung berechtige, so zu ver⸗ fahren; aber er beklagt es bitter, daß die Regierung überhaupt so verfährt. Meine Herren, ich muß zunächst bemerken, daß der Etats⸗ vermerk, den Herr Abg. Dr. Friedberg als von ihm bei der damaligen Gtatsaufftellung übersehen bezeichnet, sich schon seit dem Jahre 1910 im Etat befindet; er ist im Einverständnis zwischen der Regierung und dem hohen Hause darin aufgenommen worden, als das bekannte und hier so oft besprochene Abkommen über die Verwendung der Gisenbahnüberschüsse getroffen wurde. Die Regierung ist infolgedessen nicht nur berechtigt, sondern nach meiner Ueberzeugung auch ver⸗ pflichtet, hiernach zu verfahren. Denn wenn ein derartiges Ab⸗ kommen mit so klaren Worten in dem Vermerk zum Ausdruck ge⸗ bracht ist, dann muß die Regierung, solange das Abkommen besteht, sich auch an die genauen Bestimmungen des Abkommens halten; sonst würde das hohe Haus der Regierung den begründeten Vorwurf machen können, daß sie von den vereinbarten Bestimmungen ab⸗ gewichen wäre.
Herr Abg. Dr. Friedberg hat nun gemeint, es wäre außer—⸗ ordentlich verwerflich, daß der Nachtragsetat aus dem Ausgleichsfonds bestritten werden soll, weil der Ausgleichsfonds eigentlich für fchwere Zeiten zu reservieren sei und nicht für alle übrigen Zwecke sofort herangezogen werden dürfe. Er hat sogar gesagt, ich beträte damit genau denselben unglückseligen Weg, den auch mein Herr Amtzs⸗ vorgänger beschritten hätte, indem er auf diese Weise den Ausgleichs⸗ fonds wiederholt geschwächt und dadurch aktionsunfähig gemacht hätte. Ich war nun gespannt darauf, welchen Ausweg Herr Dr. Frledberg vorschlagen würde, wie die Regierung hätte verfahren müssen. Da kam er nun nicht, wie ich erwartet hatte, auf den Anleiheweg, sondern er erklärte, es wäre notwendig gewesen, diese Beträge aus dem Ordinarium zu bestreiten; denn es wären sämtliche Ausgaben, die in das Ordinarlum hineingehörten; es wäre auch unbedingt notwendig gewesen, sie rechtzeitig dort einzustellen und
nicht verspãätet.
Meine Herren, über die Aufstellung des Eisenbahnetats ist im Jahre 1911 dem hohen Hause eine eingehende Denkschrift zugegangen, und in dieser ist genau auseinandergesetzt, welche Beträge in das Ordinarlum und welche in das Extraordinarium hineingestellt werden sollten, und dabei ist ausgeführt, daß die nachträglichen Kapital⸗ aufwendungen für vorhandene Elsenbahnen, soweit sie insgesamt einen Betrag von 100 000 6 nicht überschritten, in das Ordinarlum, soweit sie 1o0 000 ( überschrltten, in das Extraordinarlum hineingehörten. Dem ist ausdrücklich hinzugefügt worden, daß es nicht auf jede einzelne örtliche Ausgabe ankomme, daß die einzelnen Ausgaben nicht für sich gesondert zu betrachten seien, sondern daß die Gesamt⸗ aufwendungen für einen und denselben Zweck, auch wenn sie zeitlich und örtlich verschieden seien, zusammengefaßt und darnach die Abgrenzung vorgenommen werden solle; wenn sich darnach ergebe, daß der Betrag unter 100 000 6 blelbe, so gehöre er ins Ordi⸗ narium, wenn sich ergebe, daß es über 100 000 „ seien, dann gehöre er ins Extraordinarium.
Meine Herren, wenn Sie sich darauf hin den Nachtragzetat an⸗ sehen, so werden Sie finden, daß er nur erheblich höhere Auf— wendungen als 100 000 4 enthält. Also die Voraussetzungen, die in der Denkschrift da mals näher dargelegt und auch vom hohen Hause gebilligt worden sind, treffen auf diesen Nachtragzetat vollständig zu.
Aber, meine Herren, wollte man auch von dieser Streitfrage ab⸗ sehen, so würde doch der Herr Abg. Dr. Friedberg mit seiner Anregung praktisch nichts anderes erreichen, als was die Staatsregierung mit der vorgeschlagenen Verwendung des Ausgleichsfonds auch erreicht. Auch selne Anregung würde den Ausgleichsfonds ganz empfindlich schwächen, und der Unterschied wäre nur, daß die Staats— regierung den bereits durch eine Jahresrechnung festgestellten Ausgleichsfonds in Anspruch nimmt, während Herr Dr. Friedberg mit seinem Vorschlage die Abführungen zum Ausgleichfonds herab— mindert; denn was in den einzelnen Jahren aus dem Ordinarlum bestritten wird, vermindert die Eisenbahnüberschüsse und schwächt die Abfübrungen zum Ausgleichfonds. Also das Endergebnis ist ganz genau dasselbe, der Ausglelchfonds wird so und so geschwächt.
Herr Abg. Dr. Friedberg hat im übrigen gemeint, es müßte auch noch eine wesentliche Veränderung vorgenommen werden in bezug auf die Beteiligung der Finanzverwaltung bei der Bemessung der Eisen⸗ bahnausgaben, und er hat vor allen Dingen darauf hingewiesen, es wäre ja geradezu unerträglich und hätte sich auch schon als un—⸗ erträglich herausgestellt, daß schleunige Maßnahmen oder schleunige Bauten bei den Staatseisen bahnen, wenn eine Etatsäberschreitung dadurch notwendig würde, nicht vorgenommen werden könnten, ohne daß die lange Zeit erfordernde und sich hinschleppende Genehmigung des Finanzministers erst eingeholt wäre. Herr Abg. Dr. Friedberg be⸗ findet sich in dieser Hinsicht im Irrtum. Es ist richtig, daß bei den übrigen Verwaltungen, S wenn sich eine Etats⸗ äberschreitung als notwendig herausstellen sollte, zunächst die Zu⸗ stlmmung der Finanzverwaltung eingeholt werden muß. Bei der Glsenbahnberwaltung mit ihren ganz besonderen Verhältnissen sind aber hlervon Aus ahmen gemacht; die Eisenbahnverwaltung darf
Etatsüberschrelitungen in größtem Umfange ohne vorherige Zustimmung des Finanzministers vornehmen, und außerdem besitzt ja auch die Eisen⸗ bahnverwaltung regelmäßig noch Restsummen aus den früheren Jahren, die sie in die Lage setzen, wenn sie Geld braucht, die Ausgaben damit zu bestreiten. Also es liegt gar nicht an der Finanzverwaltung und an dem bisherigen Verfahren, daß die Eisenbahnverwaltung irgendwie eingeengt würde, und die Vorwürfe, die Herr Abg. Dr. Friedberg gegen die Finanzverwaltung deshalb erhoben hat, treffen nicht zu.
Herr Abg. Dr. Friedberg bat mir dann bei Besprechung des Jahres 1913 den Vorwurf gemacht oder den guten Rat gegeben, ich möchte doch das Prophezeien unterlassen; ich hätte im vorigen Jahre prophezeit und dabei ganz falsch prophezeit, und ich prophezeite in diesem Jahre wieder und würde zwelfellos auch wieder falsch prophezeien; das Prophezeien habe überhaupt keinen Zweck und schädige eine richtige Gtataufstellung.
Meine Herren, die Prophezelung, die ich im vorigen Jahre gegen—⸗ über dem Herrn Abg. Dr. Friedberg ausgesprochen habe, hat ja nach seiner eigenen Erklärung nur darin bestanden, daß ich ihm gesagt habe, er verwende die vorhandenen Zahlen nicht ganz zutreffend; denn in den Ueberschüssen, in den reichen Erträgen, die das Jahr 1911 brächte, säße eine große Zahl von einmaligen Einnahmeziffern, von denen man nicht annehmen könne, daß sie in Zukunft wieder vorkämen. Herr Dr. Friedberg zieht daraus den Schluß: weil wir in diesem Jahre trotzdem diese hohen Zahlen wiederbekommen haben, hätte ich falsch prophezeit, und ich sollte das unterlassen. Meine Herren, was ich getan habe, war kein Prophezeien, sondern lediglich eine Kritik seiner Berechnung, indem ich eine Gegenrechnung aufgemacht habe. Herr Dr. Friedberg hat Zahlen in seine Rechnung gestellt, von deren Richtigkeit ich mich nicht voll überzeugen konnte.
Die Finanzverwaltung ist doch ganz ohne Frage diejenige Verwaltung, welche am ersten Bescheid darüber wissen muß, was sier für Einnahmen bekommt, und welcher Natur diese Einnahmen sind. Die Finanzverwaltung würde ihre Pflicht ver⸗ letzen, wenn sie dem hohen Hause nicht mitteilen wollte, daß in einzelnen Fällen diese oder jene Einnahme eine solche wäre, von der man sagen müßte, sie käme nur außerordentlich und nicht regelmäßig vor. Das hohe Haus kann diese Zahlen nicht so genau beurtetlen; aber wir, die wir die Einnahme selbst bekommen haben, müssen das können und sind verpflichtet dazu, dem bohen Hause Mitteilung darüber zu machen. Wenn ich also im vorigen Jahre erklärt habe: bei diesen Einnahmen ist mit einer Wiederkehr nicht zu rechnen, dann habe ich nicht prophezeit, sondern nur meine Pflicht erfüllt, indem ich dem hohen Hause gesagt habe: in dieser Zahl steckt ein sehr unsicherer Faktor. Genau dasselbe gilt auch für das Jahr 1913. Auch für das Jahr 1913 habe ich nicht prophezeit, sondern ich habe erklärt: auch in den hohen Einnahmeziffern des Jahres 1913 steckt zum guten Teil noch ein Konjunkturgewinn, also ein unsicherer Faktor. Auch dazu halte ich mich verpflichtet; denn wenn man Zahlen angeben und daraus Schlüsse ziehen will, muß man auch den Inhalt der Zahlen näher kennen und näher begründen. (Sehr richtig! rechts.)
Ich möchte aber den Spieß umkehren und Herrn Dr. Friedberg sagen, daß er prophezeit. Herr Dr. Friedberg hat im vorigen Jahre gesagt: Diese günstigen Verhältnisse bleiben so und werden auch weiter so bleiben. Das nenne ich prophezeien. Er hat in diesem Jahre, als er darüber sprach, ob unsere Eisenbahnen in Zukunft eventuell einen höheren oder geringeren Ertrag bringen würden, aus⸗ drücklich mit erhobener Stimme erklärt: ein wesentlicher Rückgang in den Einnahmen der Eisenbahnen sei nie zu erwarten. Meine Herren, ich möchte von Herzen wünschen, daß Herr Dr. Friedberg mit diesen seinen Behauptungen Recht hat; ich wäre der allerletzte, der irgend⸗ wie ein betrübliches Empfinden dabei haben würde. Aber eine Pro— phezeiung ist es, und es ist ein in die Rechnung stellen eines Faktors, der tatfächlich auf unsicheren Füßen steht.
Meine Herren, Herr Dr. Friedberg hat dann gemeint: ja, der Etat wäre diesmal so gut, daß ich wirklich in Verlegenheit geraten wäre, was ich nun sagen sollte, um ihn wieder etwas schlechter erscheinen zu lassen. Daß der Etat seine Lichtseiten hat, habe ich bei meiner Etatzrede durchaus herborgehoben. Aber in eine Verlegenheit bin ich deswegen noch keineswegs gekommen, wie ich hier näher aus— einandersetzen sollte, was an dem Etat nun doch wieder autzusetzen wäre. Es liegen die Momente, die bei unserm Etat auch dafür sprechen, daß noch manches anders werden muß, so klar zutage, daß von einer Verlegenheit absolut keine Rede sein kann. Herr Dr. Friedberg hat gemelnt, es wäre ganz künstlich eine neue Ausgabe konstruiert worden, indem ich auf einmal erklärte, es wäre notwendig, daß die Staatsschulden schärfer getilgt würden, und er hat dann. zum Beweise dafür, daß ich mich mit dieser Notwendigkeit in einem Irrtum befinde, daß ich da schwarz male und etwas Unnötiges fordere, darauf hingewiesen, daß bei unserer Staatseisenbahnverwaltung ja dle Verhältnisse so lägen, daß an eine weitere Tilgung absolut nicht gedacht zu werden brauche, daß das nicht notwendig sel und daß die Finanzwirtschaft bei unseren Eisenbahnen so bleiben müsse wie bisher. Ja, ich weiß nicht, ob nicht Herr Dr. Friebberg hierbei eiwas nebenbei gefochten hat. In meiner Etattrede habe ich ausdrücklich erklärt, die Verhältnisse würden ganz unerträglich sein, wenn wir nicht bei der Eisenbahn⸗ verwaltung schon eine gewisse Schuldentilgung hätten, und ich habe ferner in melner Rede darauf hingewiesen: wir müßten diese Frage bei Neuordnung der Verwendung der Eisenbahnüberschüsse zugleich mitregeln. Den Hauptschwerpunkt habe ich aber darauf gelegt, daß ich erklärt habe, bel unserer übrigen Staatsschuld von 2,5 Milliarden bestehe eine absolut unzulängliche Tilgung von 3/60 /o von der jeweils validierenden Staatsschuld. Ueber diese Frage hat Herr Dr. Frled⸗ berg eigentlich sehr wenig gesagt; er hat sich nur auf die andere Frage beschränkt, indem er darüber gesprochen hat, daß bei der Elsen⸗ bahnverwaltung eine stärkere Tilgung der Schuld nicht notwendig sei. Auch in dieser Frage bin ich durchaus anderer Ansicht als Herr Dr. Friedberg. Ich habe sie auch hier schon wiederholt mit ihm erörtert und glaube, daß sie hier noch mehrmals zur Sprache kommen wird. Darum möchte ich es mir versagen, das hohe Haus bei der vorliegenden Gelegenheit nochmals mit diesen Ausführungen zu be⸗ helligen; aber das eine möchte lch doch betonen, daß Herr Dr. Fried⸗ berg in dieser Frage eigentlich allein steht. Herr Bankdirektor von Gwinner, Mitglied des Herrenhauses, hat im vorigen Jahre der Finanzverwaltung sehr eingehende Vorschläge über die Art der Schuldentilgung bei der Elsenbahnverwaltung gemacht; hat es aber dabei immer für unbedingt notwendig erklärt, daß wir zu einer end⸗ gültigen Abstoßung auch der Eisenbahnschuld kommen müssen. Ich glaube doch, meine Herren, das ist ein Gewährsmann, der nicht auf
seiten der Bureaukratie, sondern im praktischen Leben steht, vor allen auch im wirtschaftlichen Leben, und der infolgedessen bei dieser Frage sonst immer von den Gegnern unserer Auffassung gern zitiert wird. Aber, meine Herren, ich möchte, wle gesagt, auf diese von mir so ojt mit Herrn Dr. Friedberg behandelte Frage in diesem Augenblick micht weiter eingehen.
Was nun die Tilgung der 25 Milliarden Schulden, die nicht zu den Eisenbahnschulden gehören, anlangt, so haben Herr Dr. Frledberg sowohl wie Herr Graf Praschma in meinen Ausführungen über die Staatsschuld einen starken Widerspruch zu denjenigen Ausführungen gefunden, in denen ich die Notwendigkelt einer stärkeren Schulden, tilgung begründete. Bei meinen Ausführungen über die Staatsschuld habe ich allerdings erklärt, daß diese Staatsschuld, Gott sei Dank, zum allergrößten Teile für werbende Anlagen aufgenommen wäre, und daß sie zum größten Teile von den Eisenbahnen und den Berg— werken zu verzinsen und zu tllgen sel, und daß man infolgedessen den Betrag der Staatsschuld durchaus ohne Bedenken betrachten könne und die ganzen Verhältnisse immerhin als durchaus gesund bezeichnen müsse. Meine Herren, diese meine Erklärung ist doch dem hohen Hause durchaus nichts Neues; denn ich habe im vorigen Jahre in meiner Etatsrede ganz ähnliche Ausführungen gemacht und habe sie nur in diesem Jahre nochmals ausdrücklich hervorgehoben, um mir nicht den Vorwurf zuzuziehen, daß ich durch meine Anregungen über die Einführung der Schuldentilgung wieder schwarz in schwarz gemalt habe. Wenn ich aber auch in dieser Beziehung hervorgehoben habe, daß die Verhältnisse, Gott sei Dank, gesund seien, so ist doch andererseits die Frage der Schuldentilgung errst und wir müssen in Zukunft einer besseren Tilgung unserer Staatsschuld näher treten. Ich glaube, daß ein Widerspruch in diesen meinen Ausführungen nicht vorhanden ist.
Meine Herren, dann sind hier sehr helkle Fragen eingehend be sprochen worden, nämlich die Fragen der Gewährung von Teuerungẽ— zulagen, der Erhöhung der Assistentengehälter und der Gewährung von Unterstützungen an die Altpensionäre. Diese Fragen werden uns ja ohne Zweifel noch in der zweiten Lesung sehr eingehend be— schäftigen; aber da sie hier doch schon von verschiedenen Seiten her energisch aufgegriffen worden sind, will ich gleich ein paar Worte dazu sagen.
Ich will mit den Teuerungszulagen anfangen. Meine Herren die Teuerungszulagen bedeuten an sich nur die Einführung einer vor übergehenden Maßnahme; man nennt sie Zulagen aus einem besonderen Anlaß. Infolgedessen müßte man begriffllch sofort daraus folgern, daß, wenn der besondere Anlaß fortfällt, dann auch die Zulage in Fortfall gebracht werden muß. Aber die Natur der Dinge führt zu ganz anderen Konsequenzen. Ich babe in meiner Verwaltungslaufbahn, auch in der Kommunalverwaltung, noch nicht erlebt, daß da, wo Teuerungszulagen gewährt wurden, diese Teuerungszulagen jemals wieder aufgehoben wurden. Eine Teuerungẽ— zulage hat tatsächlich die Natur einer dauernden Zulage; es ist un möglich, ohne den, der die Zulage empfangen hat, wirtschaftlich schwer zu schädigen, in Zukunft diese Zulage wieder fortzunehmen. Infolge⸗ dessen ist eine Teuerungszulage eine Besoldungs erhöhung unter anderem Namen. Als die Petition der Unterbeamten, welche damals hier verhandelt worden ist, seitens des Herrn Unterstaatssekrelärs Michaelis beantwortet worden ist, hat er schon darauf hingewiesen, daß, wenn man jedem Unterbeamten eine Teuerungszulage von 100 gewähren wollte, hierzu ein Betrag von etwa 17 Millionen Marl erforderlich wäre. Mit den Unterbeamten wäre es aber nicht getan, denn neben den Unterbeamten sind auch zahlreiche mittlere Beamte in ähnlicher Lage wie die Unterbeamten, wenn stärkere, ungewöhnliche Anforderungen an sie herantreten. Infolgedessen würde der Betrag von 17 Millionen kaum ausreichen, und es wäre wohl sofort ein sehr viel größerer Betrag für Gehaltserhöhungen zur Verfügung zu stellen. Ich habe in meiner Etatsrede erklärt, hierfür wären die Mittel noch nicht vorhanden, und ich muß dies auch hier ausdrücklich wiederholen: trotzdem der Etat sich im Gleichgewicht befindet, haben wir für eine derartige einschneidende Maßregel zurzeit die Mittel noch nicht, und wir müssen deshalb suchen, auf anderem Wege eine Abhilfe zu schaffen. Die Konsequenzen einer derartigen Maßnahme liegen nicht allein auf dem Gebiete des preußischen Staatshaushalts, die selben Konsequenzen würden sich bemerkbar machen im Reich und in den Kommunen; sie sämtlich müßten auf demselben Wege vorgehen, und es wäre eine weitere Besoldungserhöhung in allen diesen Ver— bänden, in Staat, Reich und Kommunen, notwendig. Die ent— sprechenden Mittel fehlen aber gegenwärtig, und die Zeit dafür ist auch noch nicht gekommen.
Das ist auch der Grund, weshalb die Königliche Staatsregierung sich zu ihrem lebhaften Bedauern außerstande gesehen hat, den Wunsch der Assistenten, daß sie den Assistenten im Reich in den untersten fünf Gehaltsstufen gleichgestellt werden möchten, — ich be— merke ausdrücklich, nur in den untersten fünf Gehaltsstufen, in den höheren Gehaltsstufen sind die Gehälter gleich — zu erfüllen. Das hohe Haus hat im vorigen Jahre allerdings beschlossen, es möchte unter Abänderung der bisherigen Besoldungsordnung? ein Gesetzentwurf eingebracht werden, um diese Gleichstelluns herbeizuführen. Die Königliche Staatsregierung verkennt in keiner Weise, daß die Beamtenkategorie, welche in Frage kommt, eine äußerst wichtige und auch der Erhöhung würdige Kate⸗ gorie ist; aber die Staatsregierung mußte auf der andern Seite sich auch die Folgen einer solchen Maßregel klarmachen, und die Folgen haben sie doch davon abgehalten, einen Gesetzentwurf einzubringen— Sle wissen selbst aus der Budgetkommission und aus den vielen Petitionen, welche Ihnen zugehen, daß von den verschiedensten Beamtenklassen immer wieder die Forderung auf Aenderung ihrer Besoldung erhoben wird, und daß auf vielen Seiten der Wunsch besteht, daß nach der oder jener Richtung Abänderungen getroffen werden möchten. Die Staatsregierung wäre ganz außerstande, und auch Sie — Sie erst recht wären ganz außerstande, in dieser Hlnsicht Nein zu sagen, wenn der erste Schritt auf diesem Wege getan und dle Besoldungsordnung einmal abgeändert wäre, Bis dahin hat die Staatsregierung konsequent den Standpunkt innegehalten, daß an der Besoldungsregelung bis zur Vorlegung einer neuen Besoldungsordnung nicht gerüttelt werden solle—
(Schluß in der Zweiten Beilage)
Zweite Beilage
zum Deutschen Neichtanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1 12 M 12.
1
. (Schluß aus der Ersten Beilage.)
Dieser Standpunkt der Regierung hält die bisherige Besoldungsordnung aufrecht. Wird an einer Stelle ein Stein herausgenommen, dann stürzt das ganze künstliche Gebäude zusammen, und aus diesem Grunde hat sich die Staatgzreglerung außerstande gesehen, dem Wunsch des Hauses entgegenzukommen. Sie hat indessen, um dem Hause ein Entgegenkommen zu beweisen, die Unterstützungen auf 80 0 der Gehaltsunterschiede erhöht; sie auf den vollen Satz zu bringen, war leider nicht möglich, weil das eine direkte Gesetzesumgehung ge— wesen wäre. Die Besoldungen können bekanntlich nur durch Gesetz geändert werden, und das Herrenhaus muß dazu seine Zustim— mung geben.
Bezüglich der Regelung für die Altpensionäre ist auch eine Behauptung aufgestellt worden, die ich nicht unwidersprochen ins Land hineingehen lassen kann. Es i orden, die Beschlüss z e , in ö . w . J. sionäre wären von der Staatsregierung nicht erfüllt worden, vor allen Tingen wäre der Wunsch des Abgeordnetenhauses, daß auch ohne Antrag die Unterstützungen an Alipensionäre gewährt würden, abgelehnt worden; ein jeder müßte einen besonderen Antrag stellen. Diese Behauptung ist nicht zutreffend. Ueberall, wo der Staats— regierung die Unterstützungsbedürftigkeit bereits bekannt ist, werden die Unterstützungen an Altpensionäre auch ohne An— trag gegeben. Allen übrigen geht einfach beim Empfang ihrer Pension ein Fragebogen zu, den sie ausfüllen können; damit ist die ganze Angelegenheit in die Wege geleitet. Die Altpensionäre haben also einen sehr bequemen und leichten Weg, der sie in keiner Weise verletzt oder ihnen Schwierigkeiten bereitet. Wie richtig dieser Weg ist, beweist, daß in den letzten Monaten, seitdem dies Verfahren ein geführt ist, die Anträge der Altpensionäre sehr zugenommen haben. Das schiebe ich nicht bloß auf die teuren Zeiten, sondern darauf, daß das von der Staatsregierung eingeschlagene Verfahren durchaus be— friedigend ist. Ich werde das in der Kommission noch näher nach— welsen.
Nun könnte mir entgegengehalten werden: warum hält denn die Staatsregierung immer zurück, warum erfüllt sie nicht einfach voll die Wünsche? Sie hat ja Geld wie Heu. Herr Dr. Friedberg hat nachzuweisen versucht, daß in unserem Etat mehr stecke, als nach außen die Ziffern ergeben. Denn 1911 hätten wir bei Einrechnung der fortfallenden Defizitanleihe einen Mehrüberschuß beim Staatshaushalt von 37 Millionen erzielt und würden 1912 voraussichtlich einen solchen von 38 Millionen erzielen. Diese beiden Ziffern stimmen. Aber was beweisen sie? Sie beweisen, daß wir in guten Jahren gewesen sind, daß die vielen Konjunkturfaktoren, welche den Staate— haushalt beeinflussen, sich tatsächlich günstig gestaltet haben. Sie beweisen aber in keiner Weise, daß auch in der Zukunft mit einem derartigen Abschluß gerechnet werden muß. Daß er eintreten kann, will ich nicht in Abrede stellen; denn das hängt von der Gestaltung der wirtschaftlichen Lage ab. Sind die wirtschaftlichen Verhältnisse während des ganzen Jahres 1913 noch günstig, dann ist es wahr— scheinlich, ja wohl sicher, daß wir wieder einen größeren Ueberschuß haben werden, sind sie weniger günstig, wird auch der Ueberschuß geringer sein.
Bei alledem, was mir entgegengehalten wird, ist das eine Moment von den Gegnern, wie ich das auch in meiner Etatsrede schon gesagt habe, vollständig ignoriert worden, daß uns nämlich noch sehr bedeutsame Aufgaben bevorstehen, für welche die Mittel vorhanden sein müssen, wenn wir sie überhaupt erfüllen sollen. Wie soll das ohne Mittel möglich sein? Herr Dr. Friedberg sagt, weil wir eventuell 38 Millionen Ueber⸗ schüsse haben werden, können wir ruhig 63 Millionen Einkünfte aus den Steuerzuschlägen herausstreichen, der Staatshaushalt werde dann doch noch balancieren. 63 weniger 38 Millionen ergibt aber allein schon 25 Millionen Defizit. (Abg. Dr. Friedberg: Verschärfte Ver— anlagung! Die verschärfte Veranlagung soll 25 Millionen erbringen, nachdem Sie schon 10 Millionen in Ihren Kommissionsbeschlüssen an dem bisherigen Ertrag gestrichen haben? Das ist doch eine kühne Prophezeiung. Ich möchte nicht gern prophezeien, werde mir viel mehr das merken, was Herr Dr. Friedberg darüber gesagt hat. Wenn unsere Mittel in der vorgeschlagenen Weise beschränkt würden, weiß ich nicht, wie wir die Maßnahmen, welche in der Zukunft not⸗ wendig sind, erfüllen sollen. In dieser Beziehung möchte ich nur darauf hinweisen ohne daß ich behaupten will, daß die Staats⸗ regierung Sie mit allen diesen Fragen auf einmal befassen wird —, was der Staatsregierung allein aus diesem hohen Hause an Forderungen entgegengebracht wird. Da ist zunächst die Entlastung der Kommunen. Sie wird allseitig als not⸗ wendig anerkannt und wird von allen Seiten gefordert. Daß die Entlastung der Kommunen zum Teil auch mit Staatsmitteln durch⸗ geführt werden muß, unterliegt wohl keinem Zwelfel. Wenn man lediglich von der einen Kommune auf die andere überschieben wollte, so würde das eine Lösung werden, die innerhalb der Kreise der be— teiligten Kommunen den größten Widerspruch hervorrufen und nicht zum Ziele führen würde. Für diese Entlastung find zweifellos be⸗ deutende Mittel erforderlich. Was würde aber durch eine solche Ent⸗ lastung erreicht werden? Es würden dadurch weite Kreise unseres Vaterlandes an Steuern entlastet werden; denn es drücken nicht nur die Staatssteuern das Land, sondern es tun dies viel mehr noch die Kommunalsteuern. Würden wir also eine Entlastung der Kommunen herbeiführen, so würden dem gegenüber die Steuerzuschläge mit ihrer Belastung keine Nolle spielen.
Ferner muß doch auch die Frage einer Aenderung der Be— sold ung einer Vorbereitung unterzogen werden. Wir können doch nicht wiederum, wie im Jahre 1908, einer plötzlichen umfangreichen Aenderung der Besoldungsordnung so ungerüstet gegenüberstehen. Wir müssen doch dafür sorgen, daß wir künftig auch solchen Wünschen nachkommen können. Das send auch wieder ganz hoch bedeutsame Aufgaben, die uns bevorstehen.
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Berlin,
Dienstag, den 14. Januar
Ich möchte welter bemerken, daß in diesem hohen Hause eigentlich auf allen Gebieten ständig Forderungen gestellt werden. Die Staats⸗ regierung kann diese Forderungen ja gar nicht erfüllen, wenn ihr nicht die Mittel dazu gegeben werden. Deshalb muß ich allen Behaup— tungen gegenüber, unsere Verhältnisse seien momentan so glänzend,
daß wir unsere Steuerzuschläge so schnell als möglich in Wegfall
kommen lassen müßten, nur erwidern; das ist ganz und gar unmög—⸗ lich; wenn Sie das durchzusetzen suchen, legen Sie uns lahm, und
vor allen Dingen verelteln Sie dann die Erfüllung von hochwichtigen
Aufgaben, welche viel weiteren Kreisen der Bevölkerung zugute kommen,
als dies hei Herabminderung der Steuerzuschläge der Fall sein würde,
die doch nur einzelnen Steuerzahlern eine Erleichterung bringen würde.
Meine Herren, ich möchte mich vorläufig hierauf beschränken. Sie werden gesehen haben, daß die Kritik, die an dem Etat geübt
worden ist, und vor allen Dingen die Behauptung, daß wir nun geradezu im Gelde schwämmen, und daß es höchste Zeit wäre, mit den Steuerzuschlägen abzubauen, nicht zutreffend ist, und daß wir, wenn wir diesen Ratschlagen folgen wollten, ganz zwelfellos zum Nachteil unserer preußischen Bevölkerung handeln würden.
. Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Wenngleich mir die bevorstehende Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung im hohen Hause wie auch in der Budgetkommission Gelegenheit geben wird, auf die Aus— führungen des Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz näher einzugehen, so möchte ich doch schon heute einige der von dem Herrn Vorredner ge— machten Bemerkungen nicht unwidersprochen lassen.
Wenn ich richtig gehört habe, hat der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz
der Staatsregierung zum Vorwurf gemacht, daß sie mit der in neren Kolonisation in erster Linie die Beseitigung der Fleischteuerung erstrebe. Ja, meine Herren, die Stärkung der Fleifchproduktion ist allerdings auch ein Zweck der inneren Kolonisation; die innere Koloni⸗ sation ist ja auch aus diesem Grunde in verstärktem Maße in Aus sicht genommen, und es wird die Bewilligung größerer Mittel für dieselbe bei Ihnen dieserhalb auch in Antrag gebracht werden. Aber dessenungeachtet bleibt auch für die Kgl. Staats regierung und insbesondere für die landwirtschaftliche Verwaltung das Haupt- und Endziel bei der inneren Kolonisation die Ansetzung von Bauern und ländlichen Arbeitern in den östlichen Provinzen und in der Nordmark des Reichs, vor allen Dingen in den national ge— fährdeten Provinzen. In der ruhigen und sachlichen Verfolgung dieses Zieles wird die Staatsregierung sich auch durch den Vorwurf der Schwäche nicht beirren lassen. Meine Herren, es ist nicht bloß die Aufgabe der Staatzregierung, den starken Mann zu spielen, sondern sie hat auch die Verpflichtung, den Erfolg und die Wirkung ihrer Maßnahmen zu prüfen, und sie muß deshalb, wie ich schon wieder⸗ holt hervorgehoben habe, auch in der Lage sein, den Zeitpunkt zu be— stimmen, in welchem sie ihre Maßnahmen in Vorschlag bringen und ergreifen will. Ich glaube, die Staatsregierung würde unverantwort— lich handeln, wenn sie dlese Gesichtspunkte bei ihren Entschließungen außer acht lassen würde.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Auch mir geben die Auslassungen des Herrn Abg. Dr. Friedberg Anlaß, eine von den seinigen abweichende Meinung zu äußern. Ich kann nicht leugnen, daß der Teil seiner Bemerkungen, der sich darauf bezog, daß er einer verstärkten Tilgung der Staatsschulden Widerstand entgegensetzen wollte, besonderes Interesse beanspruchen konnte. Aber ich meine weiter, daß gerade dieser Teil seiner Ausführungen von einem sehr starken Optimismus Zeugnis gab. Es kann ja keinem Zweifel unterliegen, daß die Staatseisenbahnenschulden nicht nur mit „S oo getilgt werden, sondern mit einem erheblich höheren Betrage angesichts der hohen Beträge, die wir alljährlich für werbende An— lagen in das Ordinarium und das Extraordinarium des Etats ein⸗ stellen. Wie hoch der Zuschlag zu den *, 0 tatsächlich ist, ist ja umstritten, da man verschiedener Meinung darüber ist und sein kann, welcher Teil dieser Aufwendungen für werbende Zwecke erfolgt. Immerhin wird man davon ausgehen können, daß es sich doch um über 100 Mil—⸗ lionen jährlich handeln wird. (Hört, hört! inks.) Ich gebe auch weiter zu, daß eine sehr erhebliche Stärkung der Staatseisenbahn—⸗ finanzen und der allgemeinen Staatsfinanzen darin liegt, daß wir uns nicht um die Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit von Erneuerungs—⸗
und Reservefonds zu kümmern haben, sondern daß wir den Grundsatz
aufstellen: der Etat muß unter allen Umständen aus den eigenen Ein⸗ nahmen die Mittel bringen, die für die Ergänzung und Erneuerung erforderlich sind. Ich kann mich auch dahin mit dem Herrn Abg. Dr. Friedberg einverstanden erklären, daß eine Entwertung des Staatseisenbahnbesitzes, wie er sagte, über Nacht nicht zu befürchten ist, etwa wenn wir zu einem andern Betriebssystem übergehen, wie es die Elektrisierung der Staatselsenbahnen wäre. Ich glaube, im Laufe der Zeit hat sich doch wohl die Meinung durchgesetzt, daß ein solcher Uebergang, wenn er überhaupt möglich ist, was mir selbst durchaus zweifelhaft erscheint, sich ganz allmählich und ohne irgendwelche besondere Störungen vollziehen würde. (Sehr richtig! links.) Aber ich habe die Auffassung, daß der Herr Abg. Dr. Friedberg doch nicht mit den Möglichkeiten genügend rechnet, die in der Zukunft liegen, insbesondere mit der Möglichkeit, daß der hohe Wert der
preußtschen Staatzeisenbahnen, den man aus der den landes ⸗
üblichen Zinsfuß übersteigenden Rente herausrechnet, und der weit über unser statistisches Anlagekapital hinausgeht, auf die Dauer doch nicht als völlig gesichert gelten kann. Denn dar— über wird kein Zweifel kein können, daß der aus dem Ertrag errechnete Wert eine erhebliche Minderung erfährt bei länger anhaltenden wirt— schaftlichen Krisen, insbesondere bei solchen Krisen, die durch politische Ereignisse bedingt sind. .
Ich bitte Sie, sich zu vergegenwärtigen, meine Herren, wie schwer es im Jahre 1908 im Lande und hier im hohen Hause empfunden
wurde, als der Minderüberschuß der Staatseisenbahnen gegen den Etat!
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sich auf 190 Millionen bezifferte. Und nun vergegenwärtigen Sie sich die Möglichkeit, daß wir mit solchen Minderüberschüssen auf eine längere Zeit dauernd zu rechnen haben. Es sind nicht allein wirt- schaftliche und politische Krisen, die dazu führen können, sondern Sie müssen sich daran erinnern, daß die Steigerung unserer Ausgaben, die sich aus einer langen Reihe von Jahren zweifelsohne ergibt, prozentual erheblich größer ist als die Steigerung der Einnahmen, und es kann ja auch gar nicht anders sein angesichts der dauernden Steigerung der Gehälter und Löhne, die doch sicher nicht zum Abschluß gekommen ist — ich werde mir erlauben, hierauf noch an anderer Stelle einzugehen angesichts der ungewöhnlichen Steigerung der Materialpreise, der wir gerade in diesem Jahre augenfällig gegenüberstehen, und angesichts der starken Neigung, die Einheitssätze unserer Tarife zu ermäßigen. Der Herr Abg. Freihert von Zedlitz hat ganz mit Recht auf diesen bedeutsamen Teil der Auf⸗ gaben des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten hingewiesen; er hat ganz allgemein eine Ermäßigung der Abfertigungsgebühren verlangt, obwohl wir soeben eine Ermäßigung dieser Gebühren durchgeführt haben, die etwa mit 10 Millionen zu Buch steht, und hat im Interesse des Ausgleichs erhebliche Ermäßigungen für den Verkehr von Oberschlesien nach Berlin verlangt, obwohl wir zurzeit damit befaßt sind, durchgreifende Tarlfermäßigungen für Koks und Erze zu gewähren, und zwar nicht nur im Verkehr zwischen Ruhr und Mosel, sondern unter Berücksichtigung aller Rückwirkungen.
Meine Herren, die zweifellos fallende Tendenz unserer Tarife angesichts einer dauernden Tendenz steigender Ausgaben läßt doch die Annahme als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß die Rente der preußischen Staatséeisenbahnen auf die Dauer nicht auf dieser Höhe erhalten bleiben kann. Dies alles, meine Herren, führt dazu, daß man die durchaus solide Finanzgebahrung der Ab⸗ grenzung der Eisenbahnfinanzen und der allgemeinen Finanzen, insbesondere der großen Reserven, die wir im Extraordinarium haben, keinesfalls verlassen darf. Wenn der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz meinte, wir würden nach Ablauf des bekannten Quinquenniums sehr wohl in der Lage sein — freilich, wie er immer wieder betont, mit großer Vorsicht , prüfen zu können, ob die Staatseisenbahn⸗ verwaltung nicht imstande wäre, die Zuschüsse zu allgemeinen Staats zwecken zu steigern, so habe ich, wie die Sache jetzt liegt, trotz der großen Vorsicht, die anempfohlen wurde, die lebhaftesten Bedenken gegen ein solches Vorgehen. Diese Bedenken stützen sich im wesentlichsten darauf, daß, wie wir in der Staatseisenbahnverwaltung ganz sicher wissen, die Bedürfnisse der Staatseisenbahnverwaltung für ihre eigenen Zwecke zu einer erheblichen Steigerung der Anforderungen an extraordinären Mitteln und derjenigen Beträge führen werden, die wir durch die Anleihen anfordern, wie auch zu einer erheblichen Zinz⸗ belastung, und daß diese Bedürfnisse es in hohem Maße gefährlich erscheinen lassen, die jetzt schon alljährlich um beträchtliche Summen wachsende Summe der Zuschüsse der Staatseisenbahnverwaltung für allgemeine Staate zwecke noch weiter zu steigern.
Meine Herren, in diesem Zusammenhange war mir auch der Einspruch des Herrn Abg. Dr. Friedberg gegen die Art der Finan⸗ zierung unseres Nachtragsetats, über die sich der Herr Finanzminister eben verbreitet hat, nicht recht verständlich. Wenn Sie das Ver⸗ zeichnis derjenigen Bauausführungen durchsehen wollen, die wir mit diesen 60 Millionen zu bestreiten gedenken, werden Sie finden, daß es sich ausschließlich um solche Ausführungen bandelt, die wir nach der Vereinbarung zwischen Regierung und Landtag aus dem Extra ordinarium decken wollen. Tatsächlich bedeutet denn dieser Nachtrags⸗ etat nichts weiter als einen Vorgriff auf die Extraordinarien der nächsten Jahre; und wenn diese meine Auffassung richtig ist, dann ist es zweifellos richtig, die Mittel, die wir zur Deckung dieser Ausgaben brauchen, aus dem Ausgleichsfonds zu entnehmen, der ja um diese Beträge geschmälert werden würde, wenn wir die Extraordinarien dieser nächsten Jahre in Höhe der angeforderten Summe über den normalen Prozentsatz erhöht hätten. (Zuruf des Abg. Dr. Friedberg: Ich wollte es sogar aus dem Ordi⸗ narium haben!) Herr Abg. Dr. Friedberg ging sogar so weit, zu verlangen, diese Mittel, entgegen der zwischen Regierung und Landtag getroffenen Abrede, auf welche unser Etat sich aufbaut, aus dem Ordinarium des Etats zu bestreiten. Ich kann mich mit dem Herrn Abg. Dr. Friedberg dahin einverstanden er klären, daß nichts nützlicher und notwendiger ist, als das Ordinarium des Etats reichlich auszugestalten; das haben wir uns, wenn der Herr Abg. Dr. Friedberg sich dessen erinnern will, im Ichre 1909, als dat ungünstige Ergebnis des Jahres 1908 vorlag, gelobt, und ich bin der Meinung, daß, wenn Sie die Etats der Jahre ron 1909 bis 1913 nachprüfen, Sie finden werden, daß dieses Gelöbnis von der Staate⸗ reglerung, insbesondere von der Staatseisenbahnverwaltung, auch voll erfüllt worden ist. Ich weiß, daß Herr Abg. Dr. Friedberg nach be—⸗ stimmten Richtungen diese meine Auffassung bemängelt.
Nun hat Herr Abg. Dr. Friedberg gemeint, in dem Nachtragè⸗ etat wären auch Mittel angefordert für Zwecke, die wir aus dem Ordinarium zu bestreiten pflegen. Als Beispiel führte er die Aue⸗ gestaltung des Telephonnetzes in dem von der Verkehrsstörung be—⸗ troffenen Gebiet an. Meine Herren, vergegenwärtigen Sie sich, wir hätten den Nachtragsetat überhaupt nicht vorgelegt, weil wir eine so große Erweiterung nicht brauchten; wir wären aber der Auffassung gewesen, daß für diese speziellen Zwecke eine Er⸗ weiterung unseres Telephonnetzes dringend notwendig gewesen wäre, nun, dann hätten wir doch ganz zweifellos die im Ordinarium vor⸗ gesehenen Mittel um soüundsoviel überschritten, und die Folge dieser Ueberschreitung wäre zweifellos wieder eine Kürzung des Ausgleich fonds gewesen. Es kommt also tatsächlich auf dasselbe heraug. (Abg. Dr. Friedberg: Es handelt sich um das Prinzip)
Herr Abg. Dr. Friedberg hat wiederholt, auch gelegentlich der Erörterung über die Verkehrsnot im Ruhrrevier, von Plusmacheret und von Koeffizientenpolitik gesprochen. Er hat der Staatsregterung, er hat der Staatseisenbahnverwaltung den Vorwurf gemacht, daß sie
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