werden. Es ist unerläßlich, daß die Reichsregierung die Wege der preußischen Politik verfolgt, wenn sie sich mit Energie gegen den Umsturz wenden will. Es muß endlich auf diesem Gebiete etwas geschehen, damit die Zustände herbeigeführt werden können, die unter dem Druck des Sozialistengesetzes auf der Sozialdemokratie lasteten, damit die Zustände von damals wieder herbeigeführt werden.
Justizminister Dr. Be seler:
Meine Herren! Die Anfrage des Herrn Abg. Winckler, die er am Sonnabend an die Justtzverwaltung gerichtet hat, habe ich nicht sogleich beantwortet, weil ich mich erst über die Zahlen vergewissern wollte, die hierbei in Betracht kommen. Nunmehr kann ich zu der Frage wegen der kleinen ländlichen Amtsgerichte folgendes bemerken:
Es ist während meiner Amtszeit ein einziges Amtsgericht aufge⸗ hoben worden, und zwar zu Groß Salze durch Vereinigung mit dem Amtsgericht in Schönebeck. Es wurde aufgehoben, well die beiden Orte, die bisher besondere Amtsgerichte hatten, tatsächlich nur einer waren, und deshalb ist durch ein Gesetz von 1906 unter Zustimmung des hohen Hauses diese Zusammenlegung erfolgt. Das hat also wohl für die Frage, wie die Gerichtseingesessenen zu den Gerichtsorten ge⸗ langen können, keine Bedeutung. Außerdem ist augenblicklich in Er⸗ wägung, ob man aus drei kleinen Amtsgerichten, die auch nahe bei einander liegen, und die alle drei an sich Neubauten erfordern, ein Amtsgericht mit zwei Amtsrichtern machen solle. Ich weiß noch nicht, wie die Erwägungen auslaufen werden. Jedenfalls kann auch diese Zusammenlegung nicht ohne Zustimmung des hohen Hauses erfolgen.
Andererseits ist in der Zeit, da ich hier mein Amt versehe, an 8 Orten — abgesehen von den Berliner Vororten — die Errichtung neuer Amtsgerichte erfolgt oder wenigstens bereits durch Gesetz an⸗ geordnet. Also Sie sehen, daß das Bestreben der Justizverwaltung im Prinzip keineswegs dahin geht, die Zahl der kleinen Amtsgerichte zu vermindern, sondern im Gegenteil, sie zu vermehren. Die Be⸗ rechtigung dieses Grundsatzes ergibt sich schon aus den Ausführungen, welche am Sonnabend Herr Abg. Winckler zu dieser Sache gemacht hat. Die Absicht der Gesetzgebung des Jahres 1879 ist unzweifelhaft die gewesen, daß der Bevölkerung namentlich auch des platten Landes die Gelegenheit, zum Gericht zu gelangen, möglichst erleichtert werden sollte (Bravo!); auch ist der Gedanke maßgebend gewesen, daß der Richter der Vertrauensmann der Bevölkerung sein solle und ihr, soweit sein Amt es mit sich bringe, mit seinem Rate zur Seite zu stehen habe. Das läßt sich natürlich leichter ermöglichen, wenn der Zugang zum Ge⸗ richt für alle möglichst einfach und leicht gestaltet wird. So wird die Sache heutigen Tages noch von der Justizverwaltung behandelt. Die einzelnen Fälle, die ich erst anführte, und in denen es sich um die Zusammenlegung von Gerichten handelt, haben ihre befondere Veranlassung und berühren den Grundsatz nicht. Ich verstehe also nicht, wie eine Beunruhigung im Lande hierdurch entstanden sein mag. Es mögen sich Gerichte über diese oder jene Pläne verbreitet haben, diese sind aber nur, soweit ich es heute hier vorgetragen habe, begründet. (Bravo!)
Finanzminister Dr. Lentze:
Meine Herren! Herr Abg. Dr. Wiemer hat gestern in seinen Ausführungen die bisherige Finanzpolitik nach jeder Richtung hin gemißbilligt. Er hat erklärt, von Anfang an hätten er und seine Parteifreunde sich nicht damit befreunden können, daß die Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung, wie er sich ausdrückte, thesauriert und dadurch der allgemeinen Verwaltung entzogen würden, und der dies⸗ jährige Etat wäre infolgedessen ein getreues Spiegelbild der bis⸗ herigen Thesaurierungspolitik zum Schaden der allgemeinen Staats⸗ aufgaben, zum Schaden vor allen Dingen auch der Kulturbedürfnisse. Meine Herren, ich bin einigermaßen erstaunt gewesen, als ich diese Ausführungen des Herrn Abg. Wiemer gehört habe. Denn ich hatte bis dahin angenommen, daß allmählich so ziemlich alle hier in diesem hohen Hause davon durchdrungen worden wären, wie wichtig und wie notwendig es für eine geordnete Finanzverwaltung daß die Staatsausgaben nicht wesentlich oder allein auf die schwankenden Einnahmen der Betriebe gestützt werden, daß man die schwankenden Einnahmen der Betriebe nach oben hin abschneiden und sie für die schlechten Jahre ansammeln muß. ((Sehr richtig! rechts.)
Ich möchte an Herrn Abg. Dr. Wiemer die Frage richten, wie er sich das denkt, wenn alle diese schwankenden Einnahmen in den letzten Jahren in dauernde Ausgaben verwandelt worden wären, was ganz zweifellos der Fall gewesen wäre, wenn die bisherige Politik nicht eingeschlagen worden wäre. Meine Herren, wir hätten dann den Erfolg gehabt, daß wir in diesen guten Jahren sehr viele neue dauernde Ausgaben hinzubekommen hätten, daß wir aber, sobald die unvermeid⸗ lichen, nach einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur immer wieder sich zeigenden Rückschläge eingetreten sein würden, vor einem großen Vakuum ständen, also sehr viele Ausgaben hätten, für die wir eine Deckung überhaupt nicht hätten nachweisen können.
Meine Herren, ich kann infolgedessen Herrn Abg. Wiemer in seinen Ausführungen in. keiner Weise „folgen, die dahin gingen, die jetzige Finanzpolitik wäre eine Thesaurierungspolitik zum Schaden des Staateg. Den Beweis dafür, daß diese sogenannte Thesaurierungspolitik — ein wunderschönes Schlagwort — die Kultur⸗ bedürfnisse zurückgedrängt hätte, ist er vollständig schuldig geblieben Der Abg. Dr. Wiemer hat wiederholt gestern diesen Ausspruch getan, und obwohl ich immer gespannt hinhorchte, um zu erfahren, inwieweit die Staatsreglerung hinter der Befriedigung der Kulturbedürfnisse zurückgeblieben wäre, fehlte jede Begründung, sondern es blieb lediglich bei der Behauptung. (Sehr wahr! rechts.) In dem diesjährigen Gtat ist gerade der Kultusetat ganz besonders gut weggekommen, und wenn Sie die früheren Etats ansehen, so sind auch in diesen die Be⸗ träge gerade für die Kultusverwaltung ganz ungewöhnlich stark ange schwollen. Wie man da sagen kann, daß die Kultusbedürfnisse ver⸗ nachlässigt werden, ist mir unklar. (Zuruf links: Kulturbedürfnisse!) — Ja, auch die Kulturbedürfnisse sind gar nicht vernachlässigt worden. Ich möchte bitten, mir den Nachweis zu erbringen, inwieweit Kulturbedürfnisse vernachlässigt worden sind. Die Kultur⸗ bedürfnisse erscheinen vorwiegend im Etat der Unterrichtsverwaltung, und der Etat der Unterrichtsverwaltung ist in diesen Jahren so stark vermehrt worden, daß von der Vermehrung der Nettoverwaltungs⸗ ausgaben mehr als die Hälfte auf den Kultusetat entfällt. Ich glaube, das beweist, daß wir uns in der Beziehung unserer Pflicht voll
bewußt sind. Herr Dr. Wiemer hat geglaubt, es wäre möglich, die Steuer⸗
ist· Zuführung des Geldes zu Geldgeschäften, statt zu richtigen Kapital⸗
alten System zurückkehrten und die Eisenbahnüberschüsse wieder voll zu den Verwaltungszwecken heranholten. Das sind zwei total ver⸗ schiedene Anschauungen. Ich glaube, wenn wir dem Vorschlage des Herrn Dr. Wiemer folgen würden, so würden wir nach einigen Jahren wieder festsitzen, und es würde alle Welt rufen: schleunigst ab von den schwankenden Eisenbahneinnahmen, es muß eine Mauer gezogen werden, die uns vor derartigen Gefahren schützt. Es ist sehr leicht, zu erklären: die Steuerzuschläge müssen beseitigt werden, wir haben soviel Geld. Wenn man aber das näher ausrechnet und nachsieht, so fehlt das Geld. Dlese Behauptung ist sehr billig, aber sie läßt sich in der Zukunft nicht realisieren.
Herr Dr. Wiemer hat ferner sich sehr lebhaft gegen meine Ausführungen über die Schuldentilgung gewendet. Er hat erklärt, es wäre eine eigentümliche Sache, früher sei immer das Reich als Schreckgespenst für alle in bezug auf schlechte Finanzwirtschaft hingestellt worden und jetzt würde das Reich als Beispiel für gute Finanzwirtschaft angeführt. Warum nicht? wenn im Reich die gesetz— lichen Verhältnisse geändert worden sind, wenn das Reich Einkehr ge⸗ halten hat und sich klar geworden ist, daß es mit der bisherigen Finanzwirtschaft nicht so weiter geht, wenn besondere Bestimmungen getroffen worden sind, warum soll das Reich dann nicht vorbildlich sein? Das Reich ist vorbildlich auf diesem Gebiete, und Herr Dr. Wiemer hat mit seinen eigenen Ausführungen dem zugestimmt und sich selbst widerlegt. Er hat erklärt: die Tilgungssätze, welche das Reich für seine Anleihen festgesetzt hat, billige ich, ich möchte, daß sie auch für Preußen eingeführt werden. Das Reich hat aber für werbende Anleihen einen Tilgungssatz von 1,9 ½ W ersparten Zinsen eingeführt. Herr Dr. Wiemer hat sich für Preußen lebhaft dagegen gewendet, daß für werbende Anleihen eine Tilgung eingeführt würde, trotzdem hat er zugleich erklärt, daß der Tilgungssatz, den das Reich fur werbende Anleihen eingeführt hat, ein durchaus gerecht— fertigter ist. Wenn ich diesen Tilgungssatz von 1,9 0½ für Preußen bekäme, würde ich auch erklären: unsere preußischen Tilgungssätze sind durchaus gesund und akzeptabel.
Dann hat der Abg. von Arnim heute zwei Fragen an mich ge⸗ richtet. Die erste Frage betraf den Rückgang in den Einnahmen der Münze. Er hat gemeint, es wäre nicht gut, daß man nicht genügend Silbermünzen prägte, weil offenbar überall darüber geklagt würde, daß ein Mangel an Silbermünzen vorhanden wäre. Woher der Mangel an Silbermünzen kommt, wage ich nicht ohne weiteres zu behaupten. Ich glaube, daß er zum Teil daher kommt, daß viele Leute sowohl Gold wie Silber bel sich zu Hause für alle Notfälle aufbewahren, weil sie glauben, es wäre hier sicherer als anderswo. Ich muß im übrigen sagen, die ganze Münzfrage ist nicht eine Landesfrage, sondern eine Reichsfrage. Das Reich hat zu bestimmen, wieviel Münzen geprägt werden sollen, und nicht der preußische Staat. Die Finanzverwaltung bekommt vom Reich nur die Mitteilung, welche Pläne in bezug auf die Münzprägung bei der Reichsverwaltung bestehen, und als der Etat aufgestellt wurde, haben wir vom Schatzamt die Mitteilung bekommen, daß so und so viel für das nächste Jahr geprägt werden solle, und danach sind die Ziffern eingestellt. Inzwischen habe ich gehört, daß eine verstärkte Ausprägung vom Schatzamt in Aussicht genommen ist; es werden sich also diese Zahlen etwas ändern.
Dann hat Herr von Arnim eine Beschwerde über das Verhalten der Zentralgenossenschaftskasse vorgebracht. Er hat ausgeführt, die Zentralgenossenschaftskasse habe ein Zirkular an sämtliche öffentlichen Kommunal- und Sparkassen ergehen lassen, in welchem hohe Zinssätze für Ultimogeld angeboten werden, und habe diese Kassen zu gleicher Zeit aufgefordert, das Geld an die Zentralgenossenschaftskasse abzuführen. Herr von Arnim erblickt in diesem Verfahren eine Aufforderung auch an die soliden Kassen, sich an dem Ultimo— geschäft zu beteiligen, das Geld dem Ultimogeschäft zuzuführen und außerdem eine Entleerung der Kassen für sonstige Zwecke, also eine
Die Verhältnisse liegen nicht ganz so schlimm, wie er sie dargestellt hat. Das Rundschreiben, welches die Zentralgenossen⸗ schaftskasse hat ergehen lassen, ist nicht in diesem Jahre zum ersten Male ergangen, sondern wird von der Zentralgenossenschaftskasse alljährlich an die angeschlossenen Kassen erlassen. Die Zentral⸗ genossenschaftskasse hat geradeso wie alle anderen großen Banken auch Kassen, die an die Zentralgenossenschaftskasse angeschlossen sind; sie muß auch mit diesen regelmäßige Geschäfte machen, weil die Zentralgenossenschaftskasse sonst gar nicht so ge⸗— meinnützig wirken könnte, wie sie es tut. Die Zentral— genossenschaftskasse darf von den ihr aangeschlossenen Ge⸗ nossenschaften doch nicht auf große Gewinnerzielung hinarbeiten, sie darf nicht hohe Zinsen nehmen, sondern muß möglichst gemein⸗ nützig wirken. Das ist auch statutarisch vorgeschrieben. Um das tun zu können, muß sie auf anderen Stellen einen Verdienst haben, und diesen verschafft sie sich dadurch, daß sie Geldgeschäfte macht, gerade so wie andere Banken. ö. .
Die Aufforderung, die an die einzelnen Kassen ergangen ist, ist durchaus nicht in dem Umfang ergangen, wie Herr von Arnim an⸗ genommen hat. Die Aufforderung ist nur an die bei der Zentralgenossenschaftskasse angeschlossenen Kassen er— gangen. Die Zentralgenossenschaftskasse hat, wie Herr von Arnim zutreffend vorgetragen hat, elnen Zinssatz von 5 o/ angeboten für die Zeit von ultimo März bis ultimo April 1912. Die Ultimogeldsätze, welche an der Berliner Börse in der Zeit galten, waren 6z und 7 0½. Also die Zentralgenossenschaftskasse ist noch 110, darunter geblieben. Wenn dle Zentralgenossenschaftskasse überhaupt derartige Geschäfte mit den ihr angeschlossenen Kassen nicht machte, würden die ihr an⸗ geschlossenen Kassen ihr das Geld abziehen und das Geld sofort zu den Privatbanken bringen, weil sie dort das Geld ganz anders ver⸗ zinst erhalten als bet der Zentralgenossenschaftskasse. Ich kann aus eigener langjähriger Erfahrung sprechen, weil die Kommunen, in denen ich tätig war, immer mit der Zentralgenossenschaftskasse ar⸗ beiteten. Wenn vorübergehend mehr Geld in den Kassen ist, kommen die Kommunen in Verlegenheit, was sie mit dem Geld machen sollen. Das Geld kann nicht langfristig angelegt werden, weil es gebraucht wird. Es muß also auf Depositenkonto angelegt werden. So sind viele Kommunen an die Zentralgenossenschaftskasse angeschlossen. Wenn die Zentralgenossenschaftskasse bei einem so hohen allgemeinen Zinssatz, wie er heute herrscht, die Verzinsung auf Depositenkonto für die Kommunen
, , Zu meiner Freude glaube ich, den Abg. v. Arnim beruhigen zu können.
selbst viel mehr. Dann würden sie das Geld der Zentralgenossen⸗ schaftskasse abnehmen und anderswohin tragen. Wenn die Zentral⸗ genossenschaftekasse aber in dem Zinsfuß etwas mitsteigt, dann lassen die Kommunen das Geld dort und heben es nicht wieder ab. Also es ist hier gar keine illoyale Konkurrenz oder ein künstliches Heran⸗ ziehen von öffentlichen Geldern, sondern es ist der natürliche Ge⸗ schäftsgang, der nach meiner Ueberzeugung die Grenzen nicht über— schreitet. Es kommt noch hinzu, daß dieser hohe Zinssatz auch nicht für jedes Kapital, sondern nur für Kapitalien von 100 000 46 und mehr angeboten wird. Ja, meine Herren, 100 000 ½Æ und mehr haben nicht viele Kassen übrig, das kommt nur selten vor, und in⸗ folgedessen muß für ein solches größeres Kapital auch ein höherer Zinsfuß gegeben werden. Für alle Kapitallen, die einen geringeren Betrag ausmachen, ist der Zinsfuß auch niedriger. Also so bedenklich ist die Sache nicht. Wenn der Herr Abg. von Arnim aber glaubt, daß diese Erklärungen ihn noch nicht ganz beruhigen, dann bin ich gern bereit, in der Kommission noch nähere Aufklärungen darüber zu geben. Aber ich glaube, daß dies wohl hinreichen dürfte, um die Be⸗ denken zu zerstreuen, welche gegen diese Art der Geschäftsführung er⸗
hoben worden sind.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Der Abg. Dr. Liebknecht hat dem Grafen ö vorgeworfen, daß er in seiner Rede sich nicht darüber beschwert hat, daß keine Wahlrechtsvorlage eingegangen ist. Dies ist unterlassen worden, weil wir in dieser Sitzungsperiode das schon sehr oft getan haben, sodaß diesmal kein Anlaß vorlag. Ich selbst habe mich ja darüber schon früher geäußert, und ich kann deshalb auf meine damaligen Ausführungen verweisen. Außerdem werden wir ja bald Gelegenheit haben, gelegentlich der Neuwahlen . Wählern Rechenschast darüber abzulegen. Gegenüber den Aus führungen meines Parteifreundes Praschma über das Jesuitengesetz hat Dr. Friedberg darauf hingewiesen, daß protestantische Staaten den Katholiken gegenüber ein weit größeres Entgegenkommen beweisen, als katholische. Ihm sind vielleicht die Verhältnisse in Braun— schweig, Mecklenburg und Reuß nicht bekannt. Meine Glaubens genossen dort würden sich freuen, wenn sie dieselben Freiheiten genießen würden, wie die Protestanten in Bayern. Die Katholiken müssen dort zu den evangelischen Kirchensteuern beitragen, dagegen dürfen sie für ihre eigenen Kirchen keine Steuern erheben. Herr Friedberg hat dann ferner einen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen und religiösen Dingen geleugnet. Ich verweise da auf das Handbuch der politischen Oekonomie von Schönberg. Danach wird gerade auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Herr Wiemer hat uns dann längere Auseinandersetzungen gemacht über die Stellung seiner Freunde zu kirchenpolitischen Fragen. Er hat es aber vermieden, wie auch im Reichstage, sich darüber zu äußern, ob seine Freunde für die Aufhebung des Jesuitengesetzes zu haben sind. Er hat uns gefragt, wie wir uns zu den Juden stellen. Ich war über diese Frage erstaunt; die Stellung des Zentrums dazu muß doch bekannt sein. Auf jüdischer Seite war man z. B. von unserer Stellung in der Schulfrage befriedigt. Bemerkt muß dazu allerdings werden, daß unter den Juden es darüber keine Einigkeit gibt. Herr Dr. Liebknecht hat uns dann vorgeworfen, wir hätten in der Jesuitenfrage unsere Schuldigkeit nicht getan. Das Gesetz hätte längst aufgehoben werden können, aber wir wollten es nicht, weil wir davon lebten. Ein derartiger Vorwurf muß sehr erstaunen. Wenn man der Meinung ist, daß wir uns vor der Auf⸗ hebung fürchten, und wir uns dadurch unsere politische Stellung ver⸗ derben, nun, so soll man es tun, und Herr Dr. Liebknecht wird sich vielleicht wundern, daß es nicht der Fall ist. Herr Liebknecht war dann verwundert darüber, daß Graf Praschmg die Jesuiten als Förderer der Autorität hingestellt hat. Herr Praschma soll mit der Wurst nach der Speckseite geworfen haben. Aher mein Parteifreund ist nicht ver⸗ standen worden. Man wirft doch den Jesuiten vor, daß sie staats— gefährlich und staatsfeindlich seien. Es sollte nur nachgewiesen werden, wie ,, . ein solcher Vorwurf ist. Herr Liebknecht meinte, Graf Praschma hätte sogar den Schatten des Reaktionärs von Gerlach heraufbeschworen. Diese Dinge haben aber miteinander nichts zu tun. Der Abg. bon Gerlach hat im Jahre 1853 nicht als Redner, sondern nur als Vertreter der Kommission gesprochen. Da wurde hervor— gehoben, daß sich gerade der Teil der Landräte zugunsten der Jesuiten ausgesprochen hat, die evangelisch waren. Ich will auch auf die Rechtslage der Jesuiten in unserem Vaterlande verweisen, sie sind der Willkür der Polizeiorgane ausgeliefert. Am Anfang der 70 er Jahre verlangten der Altkatholikenkongreß und auch viele Protestanten⸗ vereinigungen den Erlaß eines Jesuitengesetzes. Die Regierung ver⸗ langte damals nur, die Jesuiten internieren zu dürfen. Merk—⸗ würdigerweise hat damals der Regierungsvertreter erklärt, es liege nichts ferner als ein Akt der Feindseligkeit gegen die katholische Kirche. Ein Führer des Zentrums hat damals dieses ganze Gesetz für einen Bankrott der Legislatur erklärt. Sz 1 verbietet den Jesuitenorden überhaupt, z 2 verbietet inländischen Jesuiten den Aufenthalt, und die ausländischen können ausgewiesen werden. Der Bundesrat bekam damals eine Blankovollmacht, was nie da war und auch nie wieder vorgekommen ist. In derselben Zeit, in der die deutsche Gesetzgebung es einem Teil des deutschen Volkes verwehren wollte, die Regeln des heiligen Ignatius zu befolgen, beschloß der deutsche Reichstag ein Gesetz, das es jedem gestattete, außerhalb eines jeden Gottesglaubens zu leben. Herr Bebel, der damals noch keinen Fraktions verband um sich hatte, sagte damals von unserer Bourgeoisie, daß sie nichts weniger als religiös sei, und wenn man dem Jesultismus vorwerfe, er verstoße gegen Moral und Sitte, so tue sie es in einem noch höheren Maße. Der Reichstag leitete seine Kompetenz zum Verbot des Jesuiten— ordens aus Art. 4 der Reichsverfassung her, der auch vom Vereins— wesen spricht. Das Gesetz war aber nach einem Gutachten Labands nicht autzͤreichend, und es wurde durch den Beschluß des Bundesrats vom 4. Juli 1872 ergänzt Diese Verordnung des Bundesrats bezog sich aber wesentlich auf den 5 2; man nahm an, daß nach dem F 2 die Landespolizeibehörden die Möglichkest hätten, jeden deutschen Jesuiten zu internieren und jeden ausländtschen Jesuiten zu externieren. Der Bundesrat wollte dies aber nicht der Willkür der Landespoltzeibehörden anheimstellen und beschloß daher, was er getan wissen wollte. Da stand im Hintergrund der Ge⸗ danke: wenn ihr euch nicht nach dieser Vorschrift richtet, riskiert ihr die Anwendung des 5 2. Mittlerweile ist aber der 5 2 auf⸗ gehoben worden, und es besteht nur noch der 5 1 und 8 3, die aus der Initiative des Reichstags hervorgegangen waren, und deren Auf— hebung der Reichstag dann wiederholt von der Regierung verlangte. Der ergänzende Beschluß des Bundesrats hat die Sache nicht geklärt, sondern verwirrt. Der Bundesrat erklärte für verboten jede Ordens⸗ tätigkeit, insbesondere in Kirche und Schule, sowie die Mission, er verstand also verständigerweise unter Ordenstätigkeit nicht die Missionen, sonst brauchte er sie nicht extra hervorzuheben; er erkannte an, daß es neben der Ordenstätigkeit noch andere geistliche Tätigkeiten der Jesuiten gibt, und zwar die Mission. Es sollte also die Ordenstätigkeit von der übrigen geistlichen Tätigkeit unterschieden werden, und von dieser letzteren sollten lediglich die Missionen verboten sein. Gleichzeitig überwies der Bundes rat die Vollziehung des Gesetzes den Landespolizeibehörden, über— ließ ihnen also die Auslegung des Begriffs der Ordenstätigkeit.
(Schluß in der Zweiten Beilage)
zu niedrig halten würde, würden die Kommunen sich sagen: das ist
zuschläge in der Zukunft ersparen zu können, wenn wir zu dem
ja ganz unbillig von der Zentralgenossenschaftskasse; sie verdient ja
6
Die preußische Regierung war an . . vom 28. September 1872 .. 2 verboten sei j de priesterliche und seelsorgerische Tätigkeit
zum Deutschen Nei
2
r —
richtet war.
ebenfalls ein
von Orden ode eine Ordenstätigkeit
darf. erlassen
im Reiche ta fassung über 872 aufrecht Grund zu der Annahme, hehung der Bundesratsver Ich will nicht eingetreten, habung des (
Jawieweit andere Bundesstaaten
haben,
heute nicht deutlicher werden.
entstanden sind.
tag selbst erklärt, daß . Fer nf zdorlrise religiöf il. : gewissen Voraussetzungen zugelasse ; Auf Katholikenversammlungen haben 5 . n. Baden sind solche Die ganze Rechtslage, die durch Oberver⸗ ; dieses chstags ließen nicht erkennen, q mit der Ausschließung des Mitglieder zu untersagen; wenn einzige Zwangsmittel be— r ,,, ig.
ler ing nun die neue Bundesratsver vom 28. November 1912, die in un teis ftes⸗
n , d nseren Kreisen lebhafteste Sache verhandelt hatte,
sozialen Inhalts
Vorträge gehalten.
Vorträge unbestritten das Gesttz geschaffen ist, ist vollkommen waltungegericht sagt in seiner einzi Sy setz. die Verhandlungen des Rei daß man, sich bewußt gewesen wäre, Ordens jede Ordenstaäͤtigkeit der die Aufenthaltsbeschränkung zeichnet sei, so seien andere 8w weiterer Vorkommnisse erg
Praxis ein.
Ordenstätigkeit,
(912 verbietet darüber Das ist eine Verschärfung.
anderen.
g aufgehoben wurde, er haupt die zu erhalten.
. . —
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
generelles Gesetz von 1876 innerhalb des Königreichs ist mir nicht bekannt.
unter
Auch im Großherzogtum gestattet. unklar.
als das
hinaus
wonach
ᷣ nicht Aus führungs ö 29. 69 des e, erübrigte sich nach , n, m, . von Teitende katholische kirchliche Kreise hatte daß die Aufhebung des * 5 ln gt ordnung von 1872 zur Folge haben würde. ) Das ist bedauerlicherweise . aber ich kann nicht verkennen, daß doch die ng, de Gesetzes milder geworden ist. von Verrichtungen von Jesuiten als k worden, ohne daß Unzuträglichkeiten od
nklar. Das gen Entscheidung
derer Auffassung und definierte in weiter die Ordenstätigkeit
und dabei wurde, was für uns Katholiken s f
: und da E. . sehr befremde ist, 6 zwischen Beichte, Absolution und Spenden n , mente. Das 2. . . . über katholische Dinge unter- t war er Erlaß war übri
Er ist hieher nur durch nr, seinem Inhalt bekannt geworden!
ü ein Geheimerlaß. Verfügungen der. Oberpräsidenten 3. Im Königreich Sachsen erging 6e ein Mitelied r ordengähnlichen Kongregationen auch als einzelner ausüben verordnungen esuitengesetzes unserer
auch die Auf⸗
über
Jesuiten nur, in Versammlun z i ü e ; ñ gen außerhalb kirchlicher Räume Vor— tiäge zu halten, soweit sie nicht religisse Gegenstände ,
Dieser Teil der Verfügung i i
Reichs bereinsgesetz. ac , r,, des Reiche justizamte l daß Eine klare Re der Antwort
erklärt,
chtslage ist dadurch a des Staatssekretärs D
Dankenswerterweife haben der
8 im Reichstag und der Kultu es bei der ö milden Praxis bleiben solle.
er nicht geschaffen, nnd wenn aus elbrück auf die Anfrage des Abg.
er verstößt gegen das Staatz sekretãr sminister hier
Fehrenbach die Landes polizeibehörden nun wissen, was sie zu tun haben,
so beglückwünsche ich fie man die Schuld an der
Dem Ministerpräßidenten von Bayern kann gegenwärtigen Lage nicht zuschieben.
Ich
eikenne dantbar an, daß der Abg. von Arnim wenigstens die Loyalstät
des bayerischen Ministeriumz berg davon sprach, geschleudert habe,
Ausdruck
worden. von
ultramontanes schon durch
einem Zen
trumsministe ium.
und der Abg. von Zedlitz sich ähnti Ministerium j sih dem
einen Zwischenruf aus unseren Reihen Ver Abgeordnete Friedberg rekiifizierte sich dann und sprach Der verewigte freikonservative
anerkannt hat, während der Abg Fried⸗ daß es eine Brandfackel in das e e n äußerte. Der bg. Friedberg zurũckgewiesen
Abg. von Kardorff-Vater sagte 1904 im Reichstage gegenüber dem
Abg. Sattler, gebrauchen. zutreffend.
sind aktive
Frhr.
zwei mäßig
ö! man sollte lieber den Ausdruck . der Auedruck „Zentrumsministersum“ Zentrumsmitglieder gewesen, von Soden; sa. ge , hat als Zentrumsmann 9 getreten. Die übri Ultramontan
Minister vollkommen
ist evangelisch sind.
zwei von den sieben
das Minlsterium Die wie sie
schon
gewahrt, anderswo
ultramontan“
nicht,
nicht ist nicht
baverischen Ministern er sen,. Frhr. von Hertling und drittes Mitglied, der Verkehrsm nister, n gegolten, ist aber politisch nicht hervor— gen Herren könnte man eher als liberal bezeichnen. deshalb Parität ist also ziffern⸗ nicht
weil
esteht.
Bisher sind in kei zs j Bisher sind in keinem bundesstaatlichen Parlament so schaärfe Worte
seeen ein , . eines anderen bier von dem g. Friedberg.
solche Worte gab Tr e , r un erst draußen in der Presse anderes Ministerium so Minister lum Leben überhaupt aus. will ich
stand,
Abg. Friedberg und Verderb
bon Lutz tätigkeit?
man in Bayern es den elbe Minister sagte sp Drdenstãtigkeit kö Praxis wurden Imnze nicht angenehme ügang des bayerischen K erbeigeführt, worm er. lleber den Erlaß des K
wenn etwa einmal einer von uns p lchen Angriffen würde er ; esratsbeschluß von 1872 an den Bevollmächtigten in Berlin:
Ein mir unverständlicher Begriff.“ Polizeibehörden selbständig vorzugehen. Der ater bei einer Inteipellation, den Begriff der nne man verschieden auslegen. gen Messen ohne weiteres zugelassen. Die Entwicklung wurde dann durch eine Ver, ultusministers von Wehner vom August 1911 die Vorträge religtösen Inhalts behandelt. ultusministets von Wehner entstand in Bayern wurde dem Ministerium unter⸗
große Aufregung.
reitet, besonderz h gierung gewandt.
hon der Ver fügung neuen Entwurf
Entwurf
einzuwenden sei, daß Durch von demselben Recht Gebrauch und die sächsische Regierung, interpretiert haben.
halten.
geblieben,
Wenn
Hertling bekämpft ist, so w
1 b mit Das tun wir nicht. der für sich. Wir schlechtern; würde, we dem Bund
die heili
diese
behandelt worden? bekampfen,
für alle Zukunft aktenmäßig meint, wir möchten uns nicht dem Ministertum Hertling
können
Diese Erregun
sollte.
die bayerische Regierung den Begriff
dann ausgesetzt telegraßhierte der bayerische Minister „Was ist Ordens⸗ Deshalb überließ
Bundesstaats gesagt worden, wie Gegen einen Zentrumsmann sind d wie ist das Ministerium Hertling ᷣ Würden wir ein wie das christlich⸗konservative äre es mit dem konstitutionellen Wie der neue Jesuitenerlaß in Bayern ent— feststellen. ,, , identifizieren. Wir haben beiderseits unsere . unsere Stellung dadurch nur ver— reußischer Minister Vor
Der
sein!
Nach der bayerischen
at das hayerische Episkopat sich dieserhalb an die N cgieꝛ ᷣ Das Ministerium hat vorläufig dafür gesorgt, ens eine weitgehende Schonung Platz greift. ng Wehners zurück, und dieser arbeitete felbst einen ö urf einer Verordnung aus, die auch den anderen deutschen undes regierungen mitgeteilt werden n, dieser Erklärung dem bahyerischen w atis Angelegenheiten unter dem 22. Januar v. tt unter dem 11. März v. J. hat das Ministeriur gleiche Verfügung erlassen. In der Verfügun
Im Prinzip trat man
Infelgedessen ist der Ministerium für aus⸗ J; mitgeteilt worden, n Hertling wörtlich die uf f ĩ werden die Jesuiten⸗ missionen für verboten erklärt, aber es wird . daß nichts dagegen die Jesuiten Vorträge apologetischen Inhalt Verfügung hat die bayerische Reglerung lediglich gemacht, wie die Preußische Regierung die den Begriff der Ordenztätigkeit selbst Die Verfügung ist auch in den richtigen Grenzen
Auf⸗
and⸗ Es ist eine ganze il. . , . zugelassen glich er konfessionelle Schwieri Der Reichskanzler hat im April v. r rr f , en oder
Infolge . Frregun Nachdem der Bundesrat Monate lang e an 64 3 . laubte man, daß irgendeine Erk eintreten werde, 8s trat aber gerade eine Verschärfung der bisherigen i, ,,, von 1872 verbot lediglich die dent e Preußische Verordnung von 1872 perbot die priesterliche und seelsorgerische Tätigkeit, der Bunde z c tabe ch i von jede religiöse Tätigkeit gegenüber Die Verordnung geftattet den
rleichterung
Zweite Beilage chsanzeiger und Königlich Preusischen Staatsanzeiger.
Berlin,
—— — — 2
tätigkeit von reiner priesterlicher Tätigkeit unterscheidet, so entspri sie der Auslegung Friedrichs des Großen. Als der De n, , , . Entscheidung aufgehoben worden war, hat Friedrich der Große Wert darauf gelegt, daß die Mitglieder des Ordens in Schlesien ,. sungieren. Nach der Verfügung der hbayerischen Regierung ürfen die . eszilen vorübergehend in der Seelsorge Aushilfe leisten . der Aussicht der zuständigen Pfarrer. Sie dürfen Vorträge . nicht bloß außerhalb, sondern auch innerhalb der Kirche. ö as ist die Brandfagtel, die man in das Volk wirft. Die berufenen Vertreter des katholischen Volkes in kirchlicher Bezlehung haben sich , . für die Aufhebung des Jesuitengesetzes bemüht, alle ihre . sind aber unbeantwortet geblieben, Durch die Aufhebung es 5 2 ist nur eine etwas mildere Prarls in der Anwendung des Gesetzes eingetreten. Es ist durchaus eine irrige Ansicht, wenn die Herren annehmen, daß sie bon unserer Seite ausgefuhrt wird. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist gefagt worden, war müßten mit der Psyche detãz protestantischen Volkes rechnen. Der Je suiten⸗ orden sei der Todfeind des Protestantis mus und sei gegründet worden zur Bekämpfung desselben. Bei der vergerückten Stunde kann ich 8 nicht unter Beweis stellen, daß diese Behauptungen unwahr sind. Ich bin aber bereit, Ihnen eine Anzahl Bücher zu nennen wo Sie diesen Beweis finden. Unter anderem bärufe ich mich auf Franke der die erwähnten Behauptungen für Unsinn erklärte. Daß der Jesuitenorden feinen bedrängten Mitgliedern im Ausland zu Hilfe kommt, kann man ihm doch nicht vorwerfen. Sonst müßten Sie dem ganzen Katholizismus diesen Vorwurf machen. Der Abg. . hat darauf hingewiesen, daß von konservatiber Seste offen⸗ ar aus politischer Rücksicht man uns in der Jesuiten frage nicht zu scharf behandelt. Die Konfervativen werden eben eingesehen haben, daß man noch gegen uns allzu scharf vorgegangen ist. Ich verweise auf die „Preußischen Jahrbücher“ sowie auß einen Ausspruch des pielgenannten Pastors Jatho, aus denen sich er⸗ gibt, daß man auch auf evangelischer Seite einsieht, daß in der Jesuitenfrage zu weit gegangen worden ist. Meine Frattion hat seinerzeit im Reichstag einen Antrag eingebracht, daß eine Kommission eingesetzt werde, welche prüfen soll, ob die vielen Vorwürfe gegen die Jesuiten berechtigt seien. Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Warum sitzen Sie nicht eine solche Kommifstön ein?! Mean sagt, die Jesuiten dürfen nicht zurückkommen, weil man eine Störung des religiõfen Friedens befürchtet Nimmt man denn auf uns Mücksicht? Gegen ung geht man rücksichtslos vor. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß die Jesuiten den konfessionellen Frieden stören, Dann muß man auch dafur sorgen, daß dies nicht auf der anderen Seite ge⸗ cieht. Dies zu fordern, sind wir berechtigt, auch wenn wir bloß 24 Millionen Katholiken sind. Man sagt uns, es müsse auf das evangelische Empfinden Rücksicht genommen werden. Würde man eg aber dulden, daß in katholischen Staaten der Ministerprãäsident sich gegenüber der protestantischen Bevsl kerung auf das katholische Empfinden beruft? Seien Sie überzeugt davon, daß wir 21 Mil— lionen Katholiken auch manche Leute kennen, die nir liebe dort wissen möchten, wo der Pfeffer wächst. Und doch müssen wir das— selbe Vaterland mit ihnen lieben; aber wir wünschen auch, daß man auf unser Empfinden Rücksicht nimmt und uns nicht als Friedensstörer bezeichnet. Jede religiöse und antireligiöse Propaganda ist in unserem Vaterlande gestattet, in welcher Form sie sich auch brelt macht, ob im Gottesdienst oder in der . von Volks⸗ versammlungen. Ich perweise auf die Propaganda der unker englischer Leitung stebenden Heilsarmer, Da kräht kein Hahn danach. . wenn ein Jesuit zu einem anderen geht, um sich äber religiöfe Dinge zu unterhalten, so halten Sie dieg für staatzgesährlich. Ste halten es für gefährlich, wenn ein Jesuit in der . Vorträge hält. Ich glaube, wenn ein Vortrag in einer großen Versammlung gehasten ird. so ist das weit gefährlicher als ein Vortrag in der Kirche. Nihilisten, Anarchisten dürfen in unserem Vaterlande offen Pro⸗ paganda machen, solange sie nicht gegen die Staatsgesetze verstoßen. Aber uns, den Gliedern eines Ordeng der katholischen Kirche, verbietet man, vor unselen Glaubensgenoffen in Versammlungen und Kirchen aufzutreten. Das ist etwas, was das Gemüt des Katholiken auf⸗ peitscht Wenn wir dagegen Abhilfe verlangen und die Aufhebung oder Milderung des Jesuitengesetzes fordern, dann kann man nicht sagen, daß wir die evangelischen Volkskreise provozieren. Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheite: D. Dr. von Trott zu Solz: V Meine Herren! Was ich vorgestern den Ausführungen des Herrn Abg. Grafen Praschma gegenüber gesagt habe, gilt wohl auch zum großen Teil von den Ausführungen des Herrn Abg. Dr Porsch, daß sie nämlich im wesentlichen vor das Forum des Reichstags und des Bundesrats gehören. Wenn ich aber trotzdem sehr wohl verstehe, daß die Herren, nachdem diese Frage in diesem hohen Hause einmal angeschnitten worden ist, das Bedürfnis empfinden, sich weiter darüber auzulassen, so würde ich doch keine Notwendigkeit erblickt haben, noch einmal das Wort zu ergreifen, wenn es nicht doch vielleicht zweck⸗ mãßig wäre, einige tatsächliche Angaben des Herrn Abg. Dr. Porsch richtigzustellen. Herr Abg. Dr. Porsch zog nämlich aus diesen tatsachlichen Angaben gewisse Schlüsse, die er nicht hätte ziehen können und die er nicht gezogen haben würde, wenn ihm der wirkliche Sachverhalt bekannt gewesen ware.
Herr Abg. Dr. Porsch führte aus, daß in Preußen eine Steigerung, eine Verschärfung der Auffassung über dle Bedeutung des Jesuitengesetzes und seine Anwendung allmählich eingetreten sei. Ursprünglich, nach dem ersten Bundesratsbeschluß vom 5. Juli 1872 sei nur von Ordengtätigkeit die Rede gewesen; dann sei durch den Erlaß der preußischen Minister vom 28. September 1872 priesterliche Tätigkeit hinzugekommen, und schließlich heiße es jetzt nach dem neusten Bundesratsbeschlusse religiöse Tätigkeit?“. Das sei eine Steigerung.
Meine Herren, in Preußen — auch darin irrt der Herr Abg. Dr. Porsch — hat eine allgemein erschöpfende Auslegung und An— weisung an die Behörden darüber, wie das Jesuitengesetz und die zu ihm ergangene Ausführungsbestimmung zu handhaben sei, niemals stattgefunden. Auch der Erlaß vom 28. Sep— tember 1872, den Herr Abg. Dr. Porsch angeführt hat, ist keine derartig allgemein erschöpfende Anweisung. Uebrigens ist er auch keinezwegs ein Geheimerlaß. (Hört, hört h Er ist an alle Regierungen hinausgegeben worden und hat auch nicht 2 — 1. wie Sie wissen, heutzutage so wenig wirkungs⸗ ollen — Geheimvermerk getragen. (Heiterkeit) Er is
, , getragen. (Heiterkeit) Er ist aus folgendem Schon damals, im Jahre 1872, also kurze Zeit nach dem Erlaß des Jesuitengesetzez, war von katholischer Seite der Anspruch erhoben worden, daß die priesterliche und seelsorgerische Tätigkeit der Jesuiten
ö. . ö Vrdeng⸗
Mittwoch, den 15. Januar
812
— ö
— — — —
der preußischen Regierung kam, wandte sie sich zunächst an den Bundesrat und stellte dort fest, daß allerdings bei der Emanation des Gesetzes und bei dem Erlaß des Beschlusses vom 5. Jull 1872 die Auf⸗ fassung bestanden hätte, daß zu der Ordenstätigkeit auch die priester⸗ liche Tätigkeit gehöre, weil eben der Orden der Gesellschaft Jesu ein priesterlicher Orden sei, der namentlich durch die prlesterliche Tätig⸗ keit seine Ordenszwecke zu erreichen anstrebe. Also es ist nicht ein genereller Erlaß über die Anwendung des Gesetzes gewesen, sondern ein Erlaß, der eine spezielle Frage, einen speziellen Zweifel aufklärte und darüber die Anweisung an die Behörden gab.
Demgemäß ist auch später jederzeit verfahren worden. Die Zentralinstanʒ in Berlin hat nur dann in dieser Angelegenheit ge⸗ sprochen, wenn ein konkreter Fall zu ihrer Entscheidung gebracht wurde und sie einen Zweifel über die Handhabung des Gesetzes in einem bestimmten einzelnen Punkt aufzuklären hatte. Auch nach dem Wegfall des 52 des Jesuitengesetzes ist eine allgemeine Anweisung an die Behörden nicht erfolgt. Man nahm an, daß im übrigen die Dandhabung dieselbe bleiben könne, daß durch den Wegfall des 8 * irgend eine Notwendigkeit, an der bisherigen Handhabung etwas zu ändern, nicht entstanden sei.
Es ist also im Jahre 1872 keine Verschärfung eingetreten, ebenso⸗ wenig aber im vorigen Jahre. Denn die religiöse Tätigkeit !, die hier als eine verbotene bejeichnet wird, ist hier nicht als ein neuer Ausdruck in diese Materie hineingekommen, sondern er ist dem Oberverwaltungsgerichtzerkenntnis ent⸗ nommen, das ja der Herr Abg. Porsch auch angeführt hat. In diesen Erkenntnis ist die Piaris, die sich in Preußen herausgebildet hatte, festgelegt, und dieses Erkenntnis steht, wie mir scheint, durchaus im Einklang mit dem Bundestatsbeschluß vom 25. Nobember v. J. Uebrigens ist diese Praxis, was ja auch Herr Abg. Porsch hervorgehoben hat, keineswegs allein in Preußen in der Weise, wie ich es geschildert habe, zur Ausbildung gekommen, sondern sie ist in allen wesentlichen Punkten durch ganz Deutschland dieselbe gewesen, namentlich auch im Königrelch Bayern, wie ja von dem Herrn Abg. Porsch durch Erwähnung des Erlasses des bayerischen Dermn Kultusministers vom 4. August 1911, worin in Bayern ebenso wie in Preußen nur die stillen Messen für zulässig erklärt wurden, bestätigt worden ist.
. Meine Herren, ich wollte diese tatsächlichen Angaben machen, um, wie ich hoffe, zur Beruhigung beizutcagen, damit Sie daraus ent— nehmen, daß durch den neutsten Bundesratsbeschluß keineswegs eine Verschärfung in der bisherigen Praxis eingetreten ist, sondern daß es sich in ihm lediglich um eine Kodifizierung der bestehenden Handhabung des Gesetzes gehandelt hat.
Abg. Graf Moltke ffreikons): Die Ausführungen des A Dr. Porsch darf man nicht unbeantwortet ins . , . lassen, weil sonst wirklich auch im katholischen Volk der Eindruck erweckt werden müßte, daß jetzt nach dem Jesuttengesetz anders ver⸗ fahren wird als sonst. Graf Praschma hat behauptet, daß den Bunde ratsbeschluß jeder katholische Volksschüler besser abgefaßt haben würde. Das ist ein Kompliment für die Volksschule' und ganz besonders für die katholischen Schüler. Man sollte sich deshalb in Zukunft besser hüten, dem Kultusminister den Vor— anf zu machen, daß die katholische Volksschule eingeengt ist. Was man gegenüber dem Jesuitengesetz vorgebracht hat, sind lauter juristische Spitzsindigteiten. Der nichtkatholischen Presse wird vor⸗ geworfen, daß sie das katholische Volk beleidigt. Ich erinnere da er daran, was sich die katholische Presse alles geleistet hat. Von ihrer Haltung während des Kulturkampfes will ich ganz schweigen und nur hinweisen auf den Ton, der angeschiagen wurde, als es sich damals um die Bismarck-Ehrung im Reichstage handelte. Auch jetzt ergeht man sich wieder in Uebertreibungen und nützt damit nicht der eigenen Sache. Gern anerkennen will ich, daß Graf Praschma sich aller Schärfen gegen Andersgläͤubige enthalten hat. Nach den Aug⸗ führungen detäz Grafen Praschma soll Katholizismus und Jesuitis⸗ mus, dasselbe, sein. Dem gegenüber will ich nur feststelsen, daß gerade gut, katholischer Seite in dieser Beziehung vielfach eine andere Auffassung geherrscht hat. Wenn jötzt dickes Schlagwort so lautet, dann setzt man sich doch mit einem großen Teil der genen Glauhensgenossen in Gegensatz. Es ist ausgeführt worden, daß die Jesuiten der beste Schütz und Trutz bon Thron und Altar sind, und daß sie Gegner aller anarchistischen und umstũrglerischen Umtriebe sind. Dahinter möchte ich doch ein großes, hlstorisches Fragezeichen machen, und zwar nicht namens meiner Glaubens. genossen, sondern in dem Namen der historischen Wahrbeit, Ber Jesuttenorden weicht darin von allen anderen katholtschen Orden ab, daß er ein viel weitergehendes Gelübde hat; indem er unbedingten Gehorsam für den leweils regierenden Papst gelobt, nimmt er auch (ine ganz andere Stellung gegenüber feiner eigenen Kirche ein. Dadurch erschüttert er unter Umständen nicht nur den Altar, sondern auch den Thron. Für ihn allein ist der Wille des Papstes maßgebend. Das muß aber auch zu Konflikten allerschwerster Natur führen, wenn das staatliche Gebiet in Frage kommt. Jemand, der einem Manne, der außerhalb des eigenen Staates tst, zu unbedingtem Gehorsam ver— yllichtet ist, kann ncht eine unbedingte Stütze des Staates fein. Bewundernswert ist ja die Organisation des Jesuitenordens. Richtig 1 G, daß er auch in Deutschland vieles getan hat. Die Jefutten zaben sich auch bei uns zu gewisffen Zeiten des Schuhwesens Und des Unterrichts angenommen und' haben vel Gutez geleistet, besonders in der Art und Methode des Unterrichts Aber gerade die dlalektische Durchbildung und die Scholastik hat doch auch ihre Schäden ge⸗ habt, und, auf diese ist es wohl zurückzuführen, wenn heute noch die katholische Wissenschaft nach, eigenem Urteil nicht auf der Doöhe steht und ngch nicht parttätisch ist den Leistungen anderer. Der IJehitenghten ist in verschiedenen Staaten ganz aufgehoben oder pen rich beschränkt worden. Er ist auch 1753 durch den Papst ,,. XV. aufgehoben und erst 1814 durch Pius VII. wieder ergestellt worden. Wenn der Jesuitenorden talsaͤchlich eine Stütze 36 Thron und Altar wäre, warum haben ihn denn gerade katholische ian ten aufgeboben? Alle diese Staaten sind also über die Nüätzlich—= keit der JIcuiten anderer Meinung gewesen, als das Zentrum. elbst die freie Schweiß hat den Jefulter orden 15817 ganzlich aufgehoben. Friedrich der Große hat die Jesuiten lediglich bevorzugt, weil sie ihm tatsächlich nützen konnten, um die enivölkerien Schulen . wieder zu bevslkern, und um ihm gegen gewisse remtente Wischsfe; beizustehen. Aber in einem Brief an feine Schwester Vile mine hat er die Jesuitengefellschaft als. Ganjegz doch ab⸗ scheulich genannt. Und an anderer Stelle schreibt er, man täte gut, diesen Orden in der ganzen Welt auszurotten. Daß Katholi⸗
nicht unter die Ordenstätigkeit falle. Als dieser Anspruch zur Senrtnis
daß auch Päpste der Jesuiten orden verurteilt haber.
ziümus und. Jesuitismus nicht dasfelbe sind, geht darauz hervor, Als eg sich in