Hägy wird auch wissen, daß Wetterls zwar seine Vor— tragsreise in Paris aufgehoben hat, er wird aber auch wissen, daß er auch ähnliche Vorträge in 50 Städten in Frankreich halten will. Der Abg. Dr. Hägy schüttelt mit dem Kopf, aber in den Blättern hat diese Ankündigung gestanden. Das ist vielleicht nach französischer Art übertrieben. Man muß aber immer damit rechnen, daß er dies doch tut. Mir kommt es nur an auf das, was er getan hat, und daß er jetzt über deutsche Ver⸗ hältnisse in Frankreich gesprochen hat. Schon das genügt, um die herbe Kritik zu begründen. Ich weiß nicht, wie er das mit der Aufgabe, der Stellung und der Wurde eines deutschen Abgeordneten vereinigen kann. Wenn gesagt wird, daß die Angelegenheit Wetterls nichts mit der elsaß⸗othringischen Verfassung zu tun hahe, so bemerke ich demgegen— über, daß nach einer Zeitungsmeldung gestern der Abg. Wettterlé in den Verfassungsausschuß des elsaß⸗lothringischen Landtages gewählt worden ist. Ich rate dem Abg. Dr. Hägy, seinen Freund Wetterlé dem⸗ nächst einmal zum Frühstück einzuladen und ihm zu sagen: Wenn Du, lieber Freund, Vortrage in Frankreich halten willst, dann sage das, was ich Dr. Hägy) hier im Reichstage gesagt habe. Jasbesondere betone den Satz, daß die Elsässer keinen deutsch⸗ranzösischen Krieg mehr wünschen, sondern alles tun wollen, um die Möglichkeit eines solchen Krieges zu beseitigen. Wenn dem Abg. Dr. Hägy dies gelingt, dann ist er meiner Hochachtung für die ganze Zeit seiner parlamentarischen Tätigkeit sicher. Ich verstehe nicht, wie der Abg. Dr. Weill als Mit glied des Deutschen Reichstages das hiesige Bureau einer franzö— sischen Zeitung leiten kann, das auf dem Standpunkt des Herrn Jaurèz steht. Vielleicht wird der Abg. Weill sich dazu äußern. Die Privatbeschäftigung eines. Reichstagsabgeordneten geht uns ja nichts an, aber in der jetzigen Zeit das Bureau einer französischen Zeitung zu leiten, das erfordert ein hohes Maß von Takt, politischer Klugheit und vaterländischer Gesinnung, das ich dem Abg. Dr. Weill von Herzen wünsche. Was nun den Etat des Reichsamts des Innern betrifft, so hat der Staatssekretär seinen Etat wiederum geschickt ver⸗ teidigt. Er hat gesagt, daß die Regierung entschlossen sei, an der be— währten Wirtschaftspolitik festzuhalten. Dagegen haben wir nichts einzu⸗ wenden. Aber wir bedauern die Maßnahmen zur Förderung der Einfuhr fremden Fleisches und zur Herabsetzung der Fleischzölle, welche Maß— nahmen mit einer gesunden Wirtschaftspolitik unvereinbar sind. Hier ist die erste Bresche gelegt in die Mauer des Zollschutzes, die wir aufrecht erhalten müssen. Der Staatssekretär hat bei den Vor⸗ bereitungen des Zolltarifs gesagt, daß man an der Arbeit sei, statistische Erhebungen zu veranstalten. Es tut mir leid, daß er nicht mehr sagen konnte. Ich wünsche, daß durch diese Vorbereitungen wieder eine Gemeinschaft zwischen Industrie und Landwirtschaft hei⸗ gestellt werden möge. Ohne eine solche kommt weder die Industrie noch die Landwirtschaft vorwärts. Diese Gemeinschaft muß aber be⸗ ruhen auf der Gemeinsamkeit der beiderseitigen Interessen. Wir haben die Industrie in allen beträchtlichen Forderungen unterstützt, obwohl wir oft im Stich gelassen worden sind. Ich wünsche nur dem Staatssekretär, daß er eiwas größere Entschiezenheit zeigen möge, als wir zuweilen an ihm beobachtet haben. Ich bedauere, daß der Staatssekretär seinerzeit die amerikanischen Unfreundlichkeiten nicht mit größerer Energie beantwortet hat. Bezüg— lich der sozialpolitischen Gesetzgebung bemerke ich, daß aller Arbeiter⸗ schutz den Arbeitern nichts nützt, wenn die Arbeiter von ihrer Arbeits⸗ stätte getrieben werden. Deshalb stehen unsere Forderungen betreffs des Streikpostenverbots mit der Sozialpolitik in innerer Berührung Wir wollen die Arbeitswilligen nach Möglichkeit schützen, daß sie nicht von ihrer Arbeitsstätte getrieben werden, damit ihnen die Möglichkeit bleibt, für sich und die Ihrigen zu arbeiten. Es ist uns nicht darum zu tun, die Koalitionsfreiheit zu beeinträchtigen, wir wollen nur den Koalitionszwang einschränken. Wir würden gegen den Terrorismus der Arbeitgeber, soweit er faßbar ist, ebenso auf⸗ treten wie gegen den der Arbeiter. Der Abg. Hoch hat uns beschuldigt, wir hätten nie etwas für den Schutz der Ar— beiter getan, wir ständen vollkommen auf der Seite der Arbeitgeber. Das kann der Abg. Hoch nicht aufrecht erhalten. Der Staatssekretär bat unsere Resolution über das Streikpostenverhot mit freundlichen Worten abgelehnt, da in diesem Hause keine Mehrheit zu erlangen wäre, denn das Zentrum und die Nationalliberalen hätten sich dagegen ausgesprochen. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß diese Parteien sich doch noch vielleicht eines Besseren belehren lassen. Aber auch die Herren Fortschrittler haben vielleicht die Güte, auf das Votum des deutschen Handelstages etwas mehr zu hören. Das sind Sachkenner, und zwar größere als der Abg. Dr. Müller⸗Meiningen. Ich möchte den Herren gerade den deutschen Handelstag zur besonderen Beachtung empfehlen. Der Abg. Dr. Müller weiß ja, welche hochverdienten Herren an der Spitze stehen. Der Staattzsekretär möge sich das überlegen, denn vielleicht wird seine Behauptung, daß im Reichstag keine Mehrheit für unsere Resolution vorhanden sei, demnächst nicht mehr zutreffend sein. Wenn auch keine Mehrheit dafür vorhanden zu sein scheint, hätte die Re— gierung trotzdem die Pflicht, mit einer Vorlage an das Haus heran— zutreten. Der Staatssekretär sagt weiter, eine juristisch formulierte Fassung des Begriffes Streikpostenstehen sei schwierig. Ja, dem Juristen ist alles schwierig, das wissen wir alle. Den Begriff zu formulieren, würde vielleicht für einen Reichs⸗ tagsabgeordneten zu schwierig sein, aber nicht für den Staats— sekretär des Innern und für die ihm nachgeordneten sehr be— fähigten kenntnisreichen und fleißigen Räte. Nach dem Staats— sekretär würde das Verbot des Streikpostenstehens ein un— taugliches Mittel zur Bekämpfung der Uebel sein, deren Vor⸗ handensein der Staatossekretär mit uns anerkennt. Das Verbot des Streikpostenstehens soll nach unserer Meinung nur der Anfang sein — das haben wir nie geleugnet —, um einen besseren Schutz der Arbeitswilligen gegen den Koalitionszwang herbeizuführen. Der Staats⸗ sekretär sagt, eine Besserung könne nur durch eine systematische Aende⸗ rung des Strafgesetzbuches herbeigeführt werden. So lange können wir aber nicht warten, denn 1917 soll der früheste Termin der Fertigstellung desselben sein, nach anderen Nachrichten sogar 1922. Die Klagen werden immer lebhafter werden und die Auffassung wird immer mehr im Volke durchdringen, daß die Regierung nicht die Macht hat, der Sozialdemokratie entgegenzutreten. Der Staatssekretär hat sich auf das Ruhrrevier berufen. Damit hat er sich auf ein gefährliches Gebiet begeben. Er hat gesagt, die Vorgänge hästen den Beweis geliefert, daß eine Verschärfung der Gesetzgebung nicht nötig sei. Am Schlusse sagte er aber, gerade aus dem Ruhrrevier sind uns die größten Klagen zugegangen, ganze Säcke von Depeschen sind uns auf den Schreib— tisch geflogen. Daraus kann man nur den Schluß ziehen, daß eine scharfe Durchführung der Gesetze nötig ist. Wir wollen das Gesetz so formulieren, daß eine laxe Handhabung ausgeschlossen ist. Meine volitischen Freunde haben die Ausführungen des Staatssekretärs besonders bedauert, weil sie uns leider den unverwischbaren Eindruck machen, daß der Staatssekretär und der Reichskanzler in dem un— vermeidlichen Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht den erforderlichen Mut haben. Die väterlichen Ermahnungen des Staatssekretärs an die Sozialdemokraten verfangen nicht. Das haben Sie an dem Lachen der Herren bemerkt. Die Mittelstandspolitik ist auch ein Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie. Ohne Mittelstandspolitik sind die schärfsten Abwehrmaßregeln wert— loß. Der Abg. Hoch hat uns vorgeworfen, wir hätten den Handwerkern nur Versprechungen gemacht, Mehr als An— träge einbringen und Reden halten können Sie auch nicht. Sie versprechen ja, daß der Himmel auf die Erde komme. Das ist doch auch vorläufig unausführbar. Dem Abg. Dr. Werner schließe ich mich in seinen Klagen über die Lage der kleinen und mittleren Mühlen an und füge hinzu, daß sich auch die kleinen und mittleren Brauereien infolge der Gesetz⸗ gebung von 1909 in einer ähnlichen Lage befinden. Es liegt keineswegs im Gang der Entwicklung, daß die Großbetriebe die kleinen töten, sondern die Riesenmacht des Kapitals ist es, und dieser muß zu Leibe gegangen werden. Wir können unsere Staatsordnung nicht aufrechterhalten, wenn wir nicht den Mut und die Kraft haben, eine zielbewußte Mittelstandspolitik zu treiben. Ich möchte den Staatssekretär bitten, wenn es nötig
ist, in dieser Hinsicht auch die goldene Rücksichtslosigkeit anzuwenden, denn sonst sind wir dem Ruin nahe. Sonst treiben wir hinein in das uferlose Meer des sozialistischen Zukunftsstaates. Das abzuwehren ist unsere erste Pflicht und diejenige des Staatssekretärs.
Persönlich bemerkt der
Abg. Ir l Gentr.), daß er nicht gesagt habe, er werde für die Resolutton der Konserpvativen stimmen.
Abg. Dr. Wei ll (Soz.) bemerkt persönlich, daß er Berliner Korrespondent der „Humanité“ sei, und daß sich diese Tätigkeit mit seiner parlamentarischen vereinen lasse, da gerade die „Humanité n für die Verständigung der beiden großen Nationen eintreten würde.
Abg. Dr. Hägy (Elsässer): Der Abg. Dr. Oertel hat mir den Vorwurf gemacht, ich habe gesagt, daß Wetterls in seinem Blatte mitgeteilt habe, er würde noch weitere Vorträge in Frankreich halten. Ich habe dergleichen nicht finden können, im Gegenteil sagte mein Freund Wetterlé, er habe wegen dringender Arbeiten eine große Reihe von Vorträgen nicht halten können, diese würden aber vielleicht von anderer Seite gehalten werden, die dieselben politischen Grund— sätze hätte wie er.
Abg. Graf We sstarp (dkons.) stellt im Rahmen einer persön— lichen Bemerkung fest, daß er während seiner Tätigkeit als Polizei⸗ präsident niemals Spitzel benutzt habe, um auf unrechtmäßige Weise in den Besitz von Nachrichten zu gelangen, und daß et niemals solche verwertet habe.
Darauf vertagt sich das Haus.
Schluß nach 6i“ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr pünktlich (Abstimmung über Resolutionen; kleine Anfragen und Fortsetzung der heutigen Beratung).
Berichtigung: In dem gestrigen Bericht über die Rede des Abg. von Gräfe (oͤkons. muß es heißen: „Den gestern vom Abg. Quarck vorgebrachten Wunsch der Bäckergesellen nach Beseitigung oder erheblicher Beschränkung der Nachtarbeit unterstütze ich nicht.“
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 112. Sitzung vom 16. Januar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“ .)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Beratung von Petitionen.
Eine Petition des Reichsverbandes deutscher Zoll⸗ aufseher, Assistenten und Sekretäre wünscht eine Teuerungszulage, die Einreihung der Zollaufseher in die Besoldungsklasse 10 a, ein höheres Wohnungsgeld, eine gleichmäßige Aufnahmeprüfung, Stellen— zulagen, Erhöhung des Kleidergeldes, Abschaffung der geheimen Personalakten, Löschung der Strafen nach bestimmter Zeit, Ver⸗ besserung der Veipflegung beim Schiffsbegleitungsdienst, Einrichtung von Wohlfahrtsanstalten, Verbesserung der Zolldiensträͤume.
Die Budgettommission, Berichterstatter Schmedding GZentr.), bean tragt, die letzten drei Wünsche der Regierung als Material zu überweisen, über die übrigen zur Tagesordnung über⸗ zugehen. (In derselben Petition findet sich auch noch der Wunsch nach Abschaffung der Arreststrafen ausgesprochen; dieser Teil der Petition ist bereits in einer früheren Sitzung des Hauses der Re⸗ gierung zur Berücksichtigung überwiesen worden.)
Eine Petition des Bundes der Militäranwärter und Invaliden der unteren Beamten Deutschlands wünscht Anstellung der Unterbeamten auf Lebenszeit, Erreichung des Höchst« gehalt in 15 Jahren, Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses, Schaffung gehobener Unterbeamtenstellen und Abänderung des §8 2 des Besoldungsgesetzes.
ierju beantragt die Budgetkommission durch den Berichterstatter Abg. Wallenborn (Zentr.) Uebergang zur Tages—⸗ ordnung.
Es sprechen über diese Petitionen und die dazu gestellten An⸗ träge zunächst die Abgg. Göbel (Sentr.), Ströbel (Soz.) und Woll kowski (kons.). über deren Ausführungen schon in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist.
Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl. ): Ueber so wichtige Fragen sollte die Budgetkommission in Zukunft schriftlichen Bericht erstatten. Der Vorredner ist ja als Zollbeamter sachverständig für die Lage der Zollaufseher. Aber mein Freund Heine hat schon im vorigen Jahre diese Frage in dem gleichen Sinne behandelt, und danach kann ich mich heute nur dem Vorredner anschließen. Die Folgen des Fortfalls der Stellenzulagen haben sich, wie mein Freund Friedberg schon bei der Etatsberatung ausführte, seinerzeit bei der Besoldungsordnung noch nicht übersehen lassen, machen sich aber jetzt sehr bemerkbar. Ich fragte damals die Regierung, ob es wirklich erreicht würde, daß jeder Unter⸗ beamte mindestens eine Aufbesserung von 200 0 erhalten würde. Das wurde von allen Ressortministern bekräftigt. Aber durch das später gemachte Gesetz über den Wohnungsgeldzuschuß wurde dieser Erfolg zum großen Teil wieder beseitigt. Ich habe damals am stärksten das Gesetz über den Wohnungsgeldzuschuß bekämpft und auf die Wirkung der Deklassierung der Orte für die Unterbeamten hingewiesen. Bei der Besoldungsordnung selbst waren aber diese Wirkungen des späteren Wohn ungsgeldgesetzes nicht bekannt. (Widerspruch des Abg. Ströbel.) Daß Herr Ströbel sie damals schon vorausgesehen ⸗ hätte, davon ist mir nichts bekannt. Tatsächlich haben die Sozialdemokraten in der ersten Kommissionslesung keine Anträge zur Besoldungs— ordnung gestellt. Und sind denn Herrn Ströbel die staats— rechtlichen Bestimmungen der Verfassung nicht bekannt, daß zu einem Gesetz auch die Zustimmung des Herrenhauses und der Krone erforderlich ist? Wir haben damals immer mit dem Unannehmbar des Finanzministers zu kämpfen gehabt. Es ist sehr billig, zu sagen: wir haben Anträge gestellt, und wenn das Haus diesen zugestimmt hätte, würde die Besoldungsordnung besser geworden sein. Wir mußten überall auf der mittleren Linse bleiben und haben, als die Besoldungsordnung vom Herrenhaus zurück— kam, mit sehr schwerem Herzen durch Kompromiß manche Anträge fallen lassen müssen, nur um die Aufbesserung für die Unter— beamten durchzubringen. Nur durch dieses Kompromiß wurde die Besserstellung der Unterbeamten erreicht. Die Sozialdemokraten lehnen ja den ganzen Etat ab, das ist eine sehr bequeme Art. (Zwischenruf des Abg. Soffm ann.) Das sind ja alles billige Redens— arten, lassen Sie sich doch zum preußischen Finanzminister machen. Das Mantelgesetz hindert uns jetzt, denn danach dürfen dauernde Zulagen nur durch Gesetz gegeben werden. Eine Durchbrechung der Besoldungsordnung wütde durchaus nicht unbedenklich sein, weil wir die sämtlichen Besoldungsfragen, und zwar nicht nur für die Unter⸗ beamten, von A bis Z wieder aufrollen würden. Wir müssen auch bedenken, daß noch andere Erwerbsstände da sind, deren Interessen wir berücksichtigen müssen. Wir wollen nur die offenbaren Fehler be—⸗ seitigen, wie bei den Eisenbahnassistenten. Es wäre aber wohl denkbar, den Unterbeamten prozentuale Zulagen zu geben, ohne die Besoldungs⸗ ordnung zu ändern. Für die Teuerungszulagen liegt ein einstimmiger Beschluß des Hauses vor, und das ist eine Probe auf das Exempel des Herrn Ströbel, daß wir nur zuzustimmen brauchten, damit etwas er— reicht würde. Der Finanzminister lehnt aber die Teuerungszulagen ab, weil er fürchtet, daß sie zu einer festen Besoldung übergehen würden. Dieses Bedenken ließe sich nach dem Vorschlag meines Freundes Friedberg dadurch hinwegräumen, daß die Teuerungszulagen nur auf bestimmte Zeit, vielleicht sechs oder zwölf Monate, und daß sie nicht allen Beamten, sondern vielleicht nur den verheirateten Beamten und mit Abstufung nach der Zahl der Kinder gegeben würden. Im Namen aller meiner Freunde bitte ich den Finanzminister, in dieser Weise seine Bedenken zurückzustellen. Das würde Zufrieden— heit in das Land bringen. Das Fortbestehen der geheimen Personalakten ist auf die Dauer unerträglich. Der Beamte kann un— richtig! Bemerkungen in den Personalakten nicht widerlegen,
kennt. Es ist arch nicht nötig, daß sind; sind sie günstig, so kann es dem Beamten gesagt werden; sind sie ungünstig, so ist es geradezu eine Pflicht, dem Beamten davon Kenntnis zu geben, damit er sich mehr anstrengen kann. Ich unter— stütze auch den Wunsch auf Löschung der Strafen aus den Akten nach bestimmter Zeit. Beim Militär wird die Disziplinarstrafe schon nach drei Jahren geläscht. In den Personalakten der Beamten schleppt sich aber auch die kleinste Strafe jahrelang hindurch. Nicht einverstanden bin ich mit dem Antrage der Kommission auf Ueber— gang zur Tagesordnung bezüglich der Anstellung der Unter— beamten auf Lebenszeit. Es muß einmal die Zeit kommen, wo der Unterbeamte vor der Kündigung geschützt ist. Wenn von der Kündigung nur in den seltensten Fällen Gebrauch gemacht wird, so ist es um so unbedenklicher, die Kündigung ganz zu beseitigen. Die mittleren und oberen Beamten werden alle auf Lebenszeit an— estellt und können nur auf dem Disziplinarwege entfernt werden. Nach fünf oder zehn Jahren sollte den Unterbeamten die Anstellung auf Lebenszeit gewährt werden. Wir stimmen dem Antrag des Zentrums auf Ueberweisung zur Berücksichtigung bezüglich des Wunsches nach Teuerungszulagen und nach Abschaffung der geheimen Personalakten zu, und gehen über den Antrag Waldstein auf Ueber— weisung zur Erwägung bezüglich der Forderung der Löschung der Strafen nach bestimmter Zelt und der Anstellung auf Lebenszeit noch hinaus und beantragen unserseits auch hierfür die Ueberweisung zur Berücksichtigung.
Abg. Dr. Varenhorst lfreikons. .: Die Sozialdemoktatie ist in keiner Weise legitimiert, anderen Parteien Vorwürfe zu machen. Ich kann auch nur bedauern, daß die Budaget— kommission sich gegen die Petitionen ablehnend verhalten hat, und schließe mich den weitergehenden Anträgen an. Die andersartige Behandlung der Unterbeamten gegenüber den mittleren und höheren bezüglich der Anstellung auf Lebenszeit kann doch dem Beamtencharakter der Unterbeamten überhaupt nur schädlich sein. Die Zollaufseher können tatsächlich mit ihrem Kleidergeld nicht auskommen, das Mindestmaß wären doch wenigstens 120 66. Der Dienst der Zollbeamten ist sehr schwer. Was für Arbeit haben sie z. B. bei Einführung des Zolltarifes zu leisten. Dazu kommt dann noch die Mehrbelastung durch die Steuergesetze der Finanzreform. Bei Würdi⸗ gung dieser Tatsache sollte man den Wünschen der Beamten doch möglichst entgegenkommen. ,
Abg. Wald stein (fortschr. Volksp.): Der Beschluß der Kom— mission über die Teuerungszuschläge aus Anlaß der Petition der Zoll⸗ beamten steht doch direkt im Widerspruch mit früher gefaßten Beschluͤssen in gleicher Angelegenheit. Stände nicht das Ende der Session bevor, dann wäre die Zurückperweisung der Petition an die Kommission am Platze. Die Punkte der Petition, betr. Verpflegung beim Schiffsbegleitungs— dienst, Einrichtung von Wohlfahrtsanstalten und Verbesserung der Zolldiensträume, habe ich beantragt, der Regierung nicht als Material, sondern zur Erwägung zu überweisen. Selbstverständlich werden alle weitergehenden Anträge meine und meiner Freunde Unterstuͤtzung finden. Der Forderung der Unterbeamten betreffs lebens— länglicher Anstellung kann ich mich voll und ganz anschließen. Die Beschwerden und Wünsche der Zollaufseher sind bisher von der Regierung nicht freundlich geprüft worden. Bei ihnen zeigt sich gerade am auffallendsten die Unzulänglichkeit der Gehalls— und Wohnungegeldzuschüsse. Diese Beamten haben allmählich eine Minderung ihrer Stellung erfahren. Sie waren früher eine Zwischenstufe zwischen Mittel- und Unterbeamten, jetzt hat man sie zu Unterbeamten gemacht. Dazu haben sie einen sehr schwierigen Dienst, dessen Anforderungen noch immer steigen. Der Dienst mancher mittleren Beamten ist dagegen viel leichter. Schon aus diesem Grunde wäre eine Außbesserung nötig. Dazu kommt dann noch der ganz unzulängliche Wohnungsgeldzuschuß, der am schwersten in solchen Zentren wie Altona wirkt. Das Haus würde die nötigen Summen sofort bewilligen. Nun wird immer gesagt, die Besoldungsordnung dürfe nicht durchbrochen werden. Jetzt zeigt sich aber, daß sie tatsächlich nicht ausreichte. Deshalb muß man sie eben da durchbrechen, wo es nötig ist. Berechtigt ist selbst⸗ verständlich auch die Forderung auf Erhöhung des Kleidergeldes, ebenso wie auf Gewährung von Stellenzulagen und auf Abschaffung der geheimen Personalakten. Durch letztere ist schon viel Unheil an gerichtet worden. Ganz besonders schwierig und mit Gefahren ver— bunden ist der Dienst der Zollbeamten auf den Schiffen. Herr Ströbel wollte angeblich den Beamten helfen. Aber ich glaube kaum, daß er seine Absicht erreicht hat. Wenn von einem Nennen um die Gunst der Beamten gesprochen wird, so gehört Herr Ströbel zu den besten Rennern, der kaum einzuholen ist. Aber auch in diesem Falle stehen der Sozialdemokratie die Parteiinteressen am höchsten.
Abg. Strosser (kons.): Ich will keine Wahlrede halten. Daß die Sozialdemokratie bei jeder Gelegenheit, wo es sich um Beamten oder Arbeiterfragen handelt, jede Partei an Beamtenfreundlichkeit und Zusicherung ihres warmen Herzens zu übertreffen sucht, das sind wir gewohnt. Diesen Rekord wird ihr kein Mensch streitig machen. Die Regierung könnte die Gehälter auf das höchste Maß schrauben, die Sozialdemokratie würde doch verlangen, daß sie noch höher sein sollen. Die Sozialdemokratie wirft den anderen Parteien, seibst der Fortschrittlichen Volkspartei, die unglaublichsten Dinge vor. Auch da hat sie den Rekord, ich möchte sagen, sogar an Schimpf— worten gebrochen. Der Abg. Ströbel sprach z. B. von der Ver⸗ räterei des Zentrums, von Prellerei der Wähler des Zentrums und verbesserte auf Zuruf diesen Ausdruck sogar in Betrügen. Gröbere Worte kann man kaum den anderen Parteien zurufen. Daß immer die anderen Parteien, mit Ausnahme von der seinigen, die reinen Volksverräter sind, darüber wundern wir uns nicht mehr. Sie werden den Beamten tatsächlich doch nicht weismachen, daß gerade die Sozialdemokratie für die Beamten das Beste will. Wir haben unser beamtenfreundliches Herz nicht erst jetzt zu entdecken brauchen. Wir haben für die Beamten gekämpft, lange bebor Sie in diesem Hause waren, nur mit anderen, mit blankeren Waffen, als Sie es tun. Wie viel Reden sind hier für die Beamten gehalten worden, und das
wenn er sie diese Akten gebeim
nicht
sollte alles Heuchelei sein, bloß weil es Ihnen vor der Wahl nicht gefällt, weil Sie nun einmal den Rekord aufstellen und den Vogel abschießen wollen? Sie betreiben den Beamtenfang auf ganz eigentümliche Weise. Der Abg. Liebknecht, oder ein anderer von Ihnen, hat gesagt, die Unter— beamten wären Proletarier zweiter Klasse. Ich bin fest überzeugt, daß von all den Beamten, jedenfalls mit verschwindenden Ausnahmen, dagegen protestiert werden wird, daß ihnen gegenüber ein solcher Ausdruck gebraucht worden ist. Sie wollen keine Proletarier und ganz besonders nicht solche zweiter Klasse sein. Ich frage die Herren von der Sozialdemokratie. Wo bleibt denn Ihr warmes Herz, das Sie angeblich für die Unterbeamten haben wollen, wo bleibt es den christlich organisierten und nichtorganisierten Arbeitern gegenüber? Wo bleibt es, wenn Sie diese Arbeiter auß den Stellungen bringen, wie es in letzter Zeit vielfach geschehen ist? Sie dulden keine nichtorganisierten Arbeiter, Ste verlangen, daß man sie aus ihren Stellen entläßt. Aber wie steht es denn mit der Theorie und Praxis in den eigenen Betrieben? Auch hier sieht es doch sehr betrübend aus. Sie sind doch sonst so empfindlich. Ich habe hier einen Auszug von dem „Reichsarbeiter⸗ blatt“, in dem es heißt, daß nicht weniger als 40 0,9 von den Lager⸗ arbeitern der Konsumvereine nach der Statistik eine Arbeitszeit von 60 bis 70 Stunden in der Woche hatten, das sind 10,5 Stunden pro Tag. Ueber 16 9½ hatten eine Arbeitszeit von 70 bis 80 Stunden pro Woche, annähernd 70/0 der Arbeiter 80 bis 90 Stunden oder 14 Stun⸗ den pro Tag, endlich 20 Arbeiter hatten eine Arbeit von 16 Stunden pro Tag. Es gibt noch eine ganze Reihe von Betrieben, in die man hineingeleuchtet hat und die dasselbe Ergebnis gezeitigt hatten. Was würden Sie wohl für Töne anschlagen, wenn unsere Be— amten eine derartige Arbeitszeit hätten? Nun hat sich der Abg. Ströbel darüber ereifert, daß die Beamten kein Recht hätten, und er sagte, es sei unerhört, daß ein Beamter nicht Sozialdemokrat sein darf. Diese Frage haben wir hier
schon so oft erörtert, und es wäre überflüssig, darauf noch näher ein— zugehen. Das „Berliner Tageblatt“, das doch für Sie (zu den Sozial⸗ demokraten) unanfechtbar sein dürfte — denn es wird niemals etwas gegen die Sozialdemokratie schreiben — hat kürzlich die Vereidigung der sozialdemokratischen Abgeordneten des württembergischen Landtags ge⸗ schildert, wie der Eid durch einen Händedruck in die Hand des Prä⸗ sidenten bekräftigt worden sel und wie in der Eidesformel stehe, daß der Schwörende die Verfassung heilig halten und uner schütterlich das Wahl des Königs und des Vaterlandes wahrnehmen werde. Aber ich weiß ganz genau, daß die oberen und mittleren Beamten dem König keinen Treueid schwören würden, wenn sie Sozialdemokraten wären. Was die Petition betrifft, so stehe ich im allgemeinen auf dem Standpunkt des Abg. von Wollkowski. Besonders die Teuerungszulage halte ich für dringend notwendig, auch bezüglich der Gewährung eines höheren Wohnunnsgeldzuschusses und der Erhöhung des Kleidergeldes schließe ich mich vollständig den Ausführungen des Herrn Wollkowski an. Ich freue mich auch, wenn alle geheimen Personalakten abgeschafft werden würden. Auch mit der Löschung der Strafen nach bestimmter Zeit, wie es beim Militär geschieht, bin ich vollständig einverstanden. Was das Wohnungsgeld anbelangt, so halte ich die Deklassierung der Städte für bedauer⸗ lich. Daß man eine Stadt wie Breslau deklassiert hat, kann ich nicht verstehen. Im allgemeinen werden wir, soweit es die Besoldungs— ordnung zuläßt, den billigen Ansprüchen der Beamten gerecht zu werden versuchen.
Abg. Bartscher (Sentr.): Es wäre Mißbrauch der Geschäfts— lage des Hauses, wenn sch auf alle Angriffe des Herrn Ströbel antworten wollte. Er machte auf den angeblichen Widerspruch aufmerksam, daß unser Freund Kuckhoff im Reichstage vor einigen Tagen für die Unterbeamten eine Gehaltserhöhung unter Abänderung des bestehenden Besoldungegesetzes gefordert habe, während wir hier grundsätzlich an der Besoldungsordnung festhalten. Die Sozialdemokratie betrachtet alles durch die Brille des Klassen⸗ hasses und Klassenkampfes. Sie hat eben kein Verständnis für ein starkeß Preußen mit dem König an der Spitze, kein Ver— ständnis für die Gesellschaftsordnung, kein. Verständnis für die himmlische und irdische Autorität. Die Besoldungsordnung in Preußen ist nach langen, mühsamen Beratungen dur ein Kompromiß sämtlicher bürgerlichen Parteien verabschiedet worden, und die Loyalität erfordert es, dieses Kom⸗ promiß nicht schon nach wenigen Jahren über den Haufen zu werfen. Im Reiche liegt die Sache anders, dort ist die Besoldungsordnung durch Mehrheitsbeschluß zustande gekommen, die einzelnen Parteien des Reichstags haben also freie Hand zur Abänderung der Be— soldungsordnung. So ist es verständlich, daß das Zentrum im Reichs—⸗ tag eine Erhöhung der Beamtengehälter mit Rücksicht auf die wirt— schaftlichen Verhältnisse fordert. Die Besoldungsordnung in Preußen war nur möglich durch Anziehen der Steuerschraube, diejenige ins Reich nur infolge der Reichsfinanzreform. Diejenigen, welche die Finanzreform mit einer maßlosen Hetze in Grund und Boden ver— urteilen, erweisen also den Beamten den allerschlechtesten Dienst. Die Erschließung neuer Steuerquellen war erst erforderlich, um die Gehalteerhöhungen durchsetzen zu können. Der Abg. Ströbel behauptet, der Abg. Kuckhoff habe für die Unterbeamten Mindest⸗ gehälter von 1200 bis 1800 ν gefordert. Der Abg. Kuckhoff hätte sich allerdings genauer ausdrücken können. Er hat gesagt, daß er für die mittleren und Unterbeamten Gehälter von 1200 bis 1800 6 wünsche, und er meinte damit, Mindestgehälter von 1200 (60 für die Unterbeamten und 1800 ο0 für die mittleren Beamten. Die Unter— beamten haben jetzt im Reich wie in Preußen ein Anfangsgehalt von 1100 ½ςᷣ. Der Abg. Kuckhoff fordert i200 0, und wir wünschen hier auch ohne Durchbrechung der Besoldungsordnung den Unterbeamten etwa 100 46 durch Teuerungszulagen zu geben. Ich bedauere außerordentlich, daß die Regierung nicht dem einstimmigen Beschluß des Hauses gefolgt ist, sondern die odiöse Form der Unterstützungen gewähren will. Der Abg. Ströbel hat mich auch persönlich vorgenommen. Ich könnte mir daraus eigentlich eine Ehre machen, denn es würde be— weisen, daß meine damaligen Hiebe bei der Sozialdemokratie gesessen haben. Ob ich in den nächsten Landtag wiederkommen werde, darüber braucht sich die Sozialdemokratie den Kopf nicht zu zerbrechen. Ich habe seinerzeit festgestellt, daß bei der ersten Lesung der Be— soldungskommission von den Sozialdemokraten kein einziger Antrag zugunsten der Unterbeamten gestellt wurde. Viese Fest— stellungen waren den Sozialdemokraten damals sehr unangenehm. Die Sozialdemokraten sind doch sonst nicht so zurückhaltend in der Stellung von Anträgen, ja, sie überschwemmen uns sogar da— mit. Der Abg. Ströbel beklagt sich über den Terrorismus gegen die Beamten bei den Wahlen; die Sozialdemokraten sind die letzten, die sich darüber beschweren dürfen. Der Abg. Ströbel beklagt es ferner, daß die Sozialdemokraten hier keinen Beamten haben könnten, weil die Beamten nicht Sozialdemokraten sein dürften. Wie kommt es denn aber, daß die sozialdemokratische Fraktion hier auch keinen Arbeiter unter sich hat? Wir haben Arbeiter in unseren Reihen, z. B. den Eisenbahnarbeiter Beier und den praktischen Bergmann Sauermann, und namentlich dem ersteren sind schon wesent⸗ liche Verbesserungen für die Eisenbahnarbeiter zu verdanken. Wir sollen gegen unsere Beamtenfreundlichkeit dadurch verstoßen haben, daß wir seinerzeit in der Kommission nicht mehr gefordert hätten. Aber wir sind Männer der praktischen Politik. Für uns ist Politik nicht die Kunst, zu übertrumpfen. Der Abg. Ströbel sollte lieber seine Partei veranlassen, den Etat nicht immer ab⸗ zulehnen. Wenn die übrigen Parteien ebenso handeln würden, dann würde für die Beamten kein Pfennig da sein. Der Abg. Ströbel wies da auf die Minderheit der Sozialdemokraten in diesem Hause hin, deshalb habe er keine Verantwortung. So einfach liegen die Auf— gaben eines Volksvertreters doch nicht. Dieser hat eine sehr große Verantwortung. Er ist zunächst seinen Wählern gegenüber ver— pflichtet, dann seinem Gewissen und nicht zu allerletzt dem Aller— höchsten. Wenn Herr Ströbel mit seinen Freunden einmal die Mehrheit haben sollte, dann müßten sie auch einen Etat verabschieden. Ich hoffe nicht, daß dieser Zeitpunkt einmal kommt. Dann würde ein großer Wirrwarr entstehen, aus dem es keinen Weg mehr heraus⸗ gibt. Wie arbeitet übrigens die Sozialdemokratie, wo sie in den Kommunen die Mehrheit hat? Sind denn da die Wähler mit ihrem Handeln zufrieden? An die Regierung richte ich die Bitte, gegenüber diesem Buhlen der Sozialdemokratie um die Gunst der Unterbeamten nicht die Hände in den Schoß zu legen. Sie müßte deshalb mehr Rück— sicht auf die Wünsche der Mehrheit dieses Hauses nehmen. Unzufrieden heit ist noch immer der beste Nährvater der Sozialdemokratie gewesen. Unser Beamtenstand ist noch in seiner Wurzel gesund, und das Liebes⸗ werben der Sozialdemokratie findet keinen Anklang. Ich bitte aber die Regierung dringend, ihren Widerstand aufzugeben, und sich mit den Teuerungszulagen einverstanden zu erklären.
Ein Schlußantrag wird angenommen.
Persönlich bemerkt
Abg. Borchardt (Soz.): Der Abg. Bartscher hat meinen Zwischenruf mißverstanden. Ich wollte damit nur andeuten, daß ich die Verantwortlichkeit eines Abgeordneten seinen Wählern gegen—⸗ über für so selbstverständlich halte, daß man sie nicht zu erwähnen braucht.
Abg. Ströbel (Soz.): Der Abg. Wollkowski hat gemeint, ich hätte von den Wünschen der Beamten nicht gesprochen. Unsere Stellungnahme ist aber so klar, daß ich darüber kein Wort zu ver⸗ lieren brauchte. Er hat angezweifelt, ob ich meine Rede selbst ge⸗ macht habe. Bei seiner Rede kann ein solcher Zweifel nicht ent⸗ stehen. Der Abg. Bartscher meint, ich hätte ihm eine Ehre erwiesen und mich mit ihm beschäftigt. Ich wollte ihm nur viele Unwahr— haftigkeiten nachweifen. Ob es eine Ehre ist, moralisch so gestäupt zu werden, lasse ich dahingestellt.
Abg. Hoffmann (Soz.): Der Abg. Bartscher hat gemeint, mein Zurus, er komme nicht wieder, sei hämisch gewesen. Ich wollte nur mein Bedauern darüber ausdrücken, daß er vielleicht nicht wieder kommt, da er uns so schönes Agitationsmaterial gibt.
Abg. Ströbel: Die Nedner sämtlicher Parteien haben sich lebhaft gegen wich gewandt. Dann machte man mir durch den Schlußantrag *. Erwiderung unmöglich. Das Motiv dazu war Angst. Durch diese Schlußmacherei wird bewiesen, daß man eine Fesistellung von Tatsachen nicht vertragen kann.
Abg. Bartscher: Der Abg. Ströbel meinte geschmackvoll, er
habe mir eine Reihe von Unwahrhaftigkeiten nachgewiesen. Dies ist ihm in keinem einzigen Falle gelungen.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Die vorzeitige Schlußmacherei ist nur so zu erklären, weil Sie Ucforgen, daß Sie gehörig zugedeckt werden würden.
Nach weiteren unerheblichen Bemerkungen wird ein An— trag des Abg. Bartscher, der die Petition, betr. die Teuerungs— zulagen, der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen wissen will, und ein anderer Antrag Bartscher, wonach bezüglich des Wunsches der Abschaffung der geheimen Personalakten ebenso verfahren werden soll, angenommen. Dann findet der Antrag des Abg. Dr. Schroeder (nl. auf Ueberweisung der Petition um Streichung der Strafen nach bestimmter Zeit an die Re— gierung zur Berücksichtigung Annahme. Der Antrag des Abg. Waldstein, die übrigen Punkte der Regierung nicht als Material, sondern zur Erwägung zu überweisen, wird ebenfalls an⸗ genommen. Ueber die Petition des Bundes der Militäranwärter wird auf Antrag der Kommission zur Tagesordnung über— gegangen. Nur bezüglich des Punktes der Anstellung der Unterbeamten auf Lebenszeit wird der Antrag des Abg. Dr. Schroeder angenommen, der ihn der Regierung zur Berück— sichtigung überwiesen wissen will.
Dann folgt die Fortsetzung der Besprechung der Inter⸗— pellation der Abgg. Fritsch (nl. und Gen.:
„Gedenkt die Staatsregierung Maßnahmen zu treffen, durch die der gegenwärtigen Kreditnot des ländlichen Grundbesitzes abgeholfen wird?“
in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgg. Dr. Arendt (freikons) und Gen.:
„die Regierung zu ersuchen, eine Untersuchung herbeizuführen, auf welchem Wege durch Maßnahmen der Gesetzgebung den Notständen des städtischen Realkredits ein Ende ge⸗ macht werden kann?“
(Die Interpellation ist bereits in der Sitzung vom 13. Dezember vorigen Jahres von dem Abg. Fritsch begründet und von dem Landwirtschaftsminister Dr. Freiherrn von Schorlemer beantwortet, der Antrag ist von dem Antragsteller begründet worden; in der Debatte haben sodann die Abgg. Klocke (3entr) und Reimer⸗ Görlitz (kons.) gesprochen.)
Abg. Dr. Wendlandt (nl): Um den Notständen des städtischen Realkredits ein Ende zu machen, ist beantragt worden, eine Enquetekommission einzusetzen. Wir würden dafür eintreten, wenn der Landtag nicht vor seinem Ende stände. Trotzdem muß aber alles geschehen, daß diese Frage nicht aus den Augen verloren geht. Und die Regierung muß darauf bedacht sein, auch für die Städte öffentlich -rechtliche Anstalten einzurichten, die ähnlich wie die Landschaften für die Landwirtschaft sorgen. So muß in erster Linie der Frage der unkündbaren Amortisations⸗ hypothek nähergetreten werden. Zu der schwierigen Lage des städtischen Realkredits hat auch die Besteuerung nach dem gemeinen Wert viel beigetragen. Wie diese wirkt, dafür ist ein Beispiel die Beschwerde, die gerade aus den Kreisen der städtischen Gärtnereien kommt. Die Wertzuwachssteuer wird von allen Seiten des Hauses bekämpft. Ich war, weil ich ihre Schädlichkeit erkannte, gleich von Hause aus dagegen. Ich hoffe, daß die Regierung aus dieser einmütigen Haltung ersieht, wie sehr sie ihr Augenmerk darauf richten muß, diese Steuer wieder abzuschaffen. Besonders stark werden die Gärtner durch die bedeutende Höhe der Grundsteuer belastet. Sie werden durch sie von Haus und Hof gedrängt. Das ist eine erwiesene Tatsache, die auch einwandsfrei in einer Versammlung in Cöln am Rhein festgestellt wurde. Es ist erforderlich, daß die Sparkassen zur Befriedigung des Real⸗ kredites herangezogen werden. Auch bei den Bautechnikern macht sich der Mangel an Realkredit fühlbar. Große Schwierigkeiten bereitet den Bauunternehmern die Beschaffung der zweiten Oypothek. Das ist ein Punkt, der mir vor allem beachtenswert erscheint. Es muß Pflicht einer fürsorgenden Staatsregierung sein, hier Abhilfe zu schaffen, damit nicht Tausende jährlich in das Lager der Unzufriedenen hinübergehen.
Um 41M Uhr wird die weitere Beratung auf Freitag, 11 Uhr, vertagt (außerdem Gesetz über den Ausbau von Wasserkräften an der Oberweser; Moorschutzgesetz; Petitionen und Anträge).
Statiftik und Volkswirtschaft,
Braustoffverbrauch und Biererzeugung in den Brauereien der norddeutschen Brausteuergemeinschaft sowie Cin fuhr von übergangsabgabepflichtigem Bier.
Direktivbezirke anderes
Malz Bieren dz 2
Weizen⸗ malz
Im 3X. Viertel des Rechnungsjahres 1912 find in den Brauereien Kw, n von dem anderen
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38981 20 828
Ostpreußen. Westpreußen Brandenburg ommern. k ,, rop. Sachsen chleswig⸗Holstein . . . , Hessen⸗Nassau .. 82 725 sätheinland ... 186 367
51 301 58 625
164 459
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173 414 41311 98 280 21 754 1185 323 277066 124 485 24288 58 527 12699 464 764 98 g65 373629 73 481 , 51 890 307 289 60 431 792 001 66 536 83 020 189 135
35 1778 18959 786 250 346 5898 22 640 445 1 ö 5 94 070 1448 69 755 985 49971 533 56 542 1288 160 667 2065 82 259 263
156 378 2760
24159 . 24376 32 912 5301
170 620 789 436
Königreich fen 96 2 hg 64 450 Königreich Sachsen 39 159 881 56058 w 48 679 * Mecklenburg.. 16 230 583 Thüringen .. 92136 1662 Oldenburg.. 69778 248 Braunschweig n. 16 739 616 ö, 16397 347 , 4206
, Gan,
18 523
22 453.
1100576 160 960
1008078 8506 596 127 154 803 1191 52 491 48 625 33 484 15 647 1 163 6164 90 474 730 14616
6 730 96 2465 16123 391 6 134 16050 106 3156
3910 68 3613 17 688 993 9014 20 985 468 14424
5071015 803 780 248940
85 699 458 824 35 317 S6 844 79 091 21 004 69 756
12441
1474730
Im Brausteuergebiete ..
1399113 22 745 708 688 7102707
Dazu im 1. und 2. Viertel
,,, 3829716
79 803 2952 808 3919156
Zusammen im 1. bis 3. Viertel 1912 56 309 5304446 ) Einschließlich nachträglicher Berichtigungen.
354 409
Gegen Entrichtung der Uebergangsabgabe
18728100
4949 985 102 518 3661 496 25 800 807 5426 693.
wurden in das Brausteuergebiet eingeführt aus:
J Bayern Zeitraum
Württemberg
Elsaß⸗Lothringen Luxemburg
SHeftolslfter Bier.
Im J. bis 3. Viertel 1912 . .. 1361 020
Berlin, den 16. Januar 1913.
1928
52 075 J
Kaiserliches Statistisches Amt.
Delb rück.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Nach den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 3 vom 15. Januar 1913.) Pest.
Rußland. In dem 12 Werst von Merw ltranskaspisches Gebiet) gelegenen Dorfe Tschuiruk sind vom 9. . . v. J. 29 tödlich verlaufene Fälle von Lungenpest gufgetreten; die Seuche ist durch einen Schmuggler aus Persien eingeschleppt worden.
Von den in der Meierei Pp vows ki im 2. Donkreis bis zum Il. Dezember an Beulenpest erkrankten 20 Personen waren bis zum 27. Dezember 12 gestorben. ö
Laut einer am 24. Dezember veröffentlichen Bekanntmachung sind der Kreis Merw und die Meserei Po powski für vest⸗ verseucht, das Chanat Buchara und das Samarkandgebiet . das Gebiet des donischen Heeres fär pestbedroht erklärt
rden.
Aegypten. Vom 21. bis 27. Dejember v. J. erkrankten 1 Lund starben ) Personen, davon 2 (1) in Minieh, je 1 (3 in Talg und Chebin el Kom und (1) in Baliana.
Zufolge Mitteilung in dem amtlichen „Bulletin quarantongirss Nr, J. sind vom 1. Januar bis 31. Dezember 1913 in Aegyvten S8! Personen an der Pest erkrankt und 441 (im Vorjahre il) daran gestorben, während 436 geheilt sind. Von den Pesttobesfaäͤllen kamen u. a. 98 auf die Provinz Keneh, 64 auf die Provinz Assiut,
„3 auf die Provinz Fayum, 50 auf die Provinz Girgeh, 155 auf 10 andere Provinzen, ferner 16 auf Alexandrien, 4 auf Kairo, 3 auf Port Said.
Niederländisch Indien. Vom 4. bis 17. Dezember v. J. wurden auf Java gemeldet: Aus dem Bezirke Malang 171 Er⸗ krankungen (und 172 Todesfälle), aus Kediri 72 (51), aus Paree 41 (39), aus Soeragbaja 8 (6), aus Toeloengagoeng 5 (4) und aus Madioen 11 Todesfälle. Für die Zeit vom 20. November bis . Dezember sind nachträglich ? Fälle aus Paree und 1 aus Toeloengagoeng mitgeteilt worden. Zufolge anderweitiger Mitteilung wurden vom 15. September bis 16. Nobember v. J. in Malang insgesamt 388 Erkrankungen (und 371 Todegfälle), in Kediri 195 (1895, in Madioen 29 (39) und vom 29. September bis 16. November in der Stadt Soera⸗ baja 19 (i) festgestellt. Angeblich wurden nur Eingeborene und und Chinesen, einstweilen aber keine Europäer von der Seuche ergriffen.
Philippinen. In Manila wurden vom 21. bis 36. No—⸗ ,. . J. 5 neue Pestfälle, von welchen 4 tödlich verlaufen sind, gemeldet.
Brasilien. In Pernambuco im Oktober v. J. 2 Todesfälle.
Cholera.
Tür kei. Nach den amtlichen Ausweisen Nr. 6 und Nr. 7 sind in Konstantinops! vom 17. bis 3. und vom 24. bis 30. De⸗ zember 276 4. 193 Personen an der Cholera erkrankt und 111 471 gestorben. Die Gesamtzahl der Choleraerkrankungen (und Todesfälle) in Konstantinovel vom 5. November bis 30. Dejember wird amtlich
auf 2342 (1146) beziffert.